Kurzgeschichte
Blind verliebt

Blind verliebt

Als wäre sie in Stein gemeißelt,

steht sie im strömenden Regen,

nicht fähig, sich zu bewegen

oder zu sprechen.

Wie Pfeile bohren sich unzählige Regentropfen in ihren Körper

und in ihr Gesicht,

um sich mit ihren Tränen zu vermischen.

Es ist, als ob der Himmel um sie weint,

oder gerade wegen ihr?

Wegen einer einzigen Sünde,

die nie geboren werden sollte,

einer Sehnsucht, der sie

nachgegeben hat,

einem Schritt ins ... Nichts?

Wie eine Statue aus Eis steht sie da,

von ihrer nassen Kleidung

wie in einer Zwangsjacke

gefangen gehalten.

Ihr Körper schmerzt,

ihr Atem geht schwer,

sie hat Angst zu ersticken.

Durch ihren Tränenschleier,

der die ganze Umgebung

in einen eisblauen Nebel

zu hüllen scheint,

erkennt sie noch seine Umrisse.

Er geht, für immer,

ohne sich noch einmal

nach ihr umzudrehen.

Sie war nur ein Spielzeug für ihn,

ein Beweis für seine Männlichkeit.

Sie friert bitterlich.

Nicht, weil sie bis auf die Knochen durchnässt ist,

nicht, weil die Luft wie vom Eis

durchwebt zu sein scheint.

Nein, diese Kälte kommt von

ihrem Herzen,

das langsam zu Eis erstarrt.

In vertrauensvoller Liebe hat sie sich ihm geschenkt,

ihm ihr Herz geöffnet.

Wie lange ist es her,

dass ihr Herz noch vor Glück

zu zerspringen drohte,

wie lange ist es her, dass sie

in seinen Armen lag,

eine Woche, ein Monat, eine Ewigkeit?

Ist es überhaupt noch wichtig?

Sie steht bewegungslos da,

ins Leere starrend,

der Regen spült unbarmherzig

die letzten Spuren

seiner Berührungen weg.

Sie möchte schreien,

er solle zurück kommen,

um ihr ihre verlorene Unschuld

zurück zu geben,

die er als Trophäe mit sich

genommen hat.

Doch das Einzige, das ihre zitternden Lippen zu flüstern vermögen,

sind nur zwei Worte –

„Lebe wohl“

© EF 2005