Romane & Erzählungen
Mira & Dawson - 12. Kapitel

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"Mira & Dawson - eine unmögliche Liebe"
Veröffentlicht am 08. Oktober 2015, 40 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

22 Jahre jung und Studentin im 6.Semester Soziale Arbeit. Schon als ich klein war, habe ich es geliebt mir Geschichten auszudenken und diese aufzuschreiben, außerdem lese ich viel und gerne. Es ist einfach ein tolles Gefühl neue Welten, Charaktere und Handlungen zu erschaffen. Ich liebe das Gefühl völlig ins Schreiben vertieft zu sein und sowohl die Zeit als auch alles andere um mich herum zu vergessen.
Mira & Dawson - eine unmögliche Liebe

Mira & Dawson - 12. Kapitel

12. kapitel

Lethargisch blickte ich an die weiße Wand. Die Zeiger der großen Uhr bewegten sich unglaublich langsam. Quietschende Schritte eilten über den Flur. Es roch nach Desinfektionsmittel und Tod. Ich konnte mich kaum noch daran erinnern, wie ich hier her gekommen war. Alles versank in einem erdrückendem Nebel. Vermutlich hatte ich den Notarzt gerufen, denn irgendwann war das Haus erfüllt mit Stimmen. Hände zogen mich weg von meinem Vater. Ich versuchte mich an ihn zu klammer, aber der Griff um meine

Taille war erbarmungslos. Eine Taubheit, die alle Gefühle und Gedanken erstickte, nahm von meinen Körper Besitz. Ich ließ es ohne dagegen anzukämpfen zu. Ein Gesicht tauchte vor meinem auf. Ich konnte mich nicht daran erinnern, ob es einer Frau oder einem Mann gehörte. Worte strömten auf mich ein. Ich verstand sie nicht. Ich machte die Augen auf und saß in der Notaufnahme. Wie war ich hier her gekommen? Keine Ahnung. Ein Arzt mit Vollbart saß mir gegenüber und musterte mich eingehend. Die Bedeutung seiner Worte verstand ich noch immer nicht. Alles war wie in Watte gepackt. Stand ich unter Schock? Vermutlich.

Kalte Finger strichen über meine Stirn. Ich sah wie mein Blut den weißen Stoff rot verfärbte. Der Schnitt war nicht tief und wurde mit nur wenigen Stichen genäht. Ich spürte keinen Schmerz, keine Trauer, nichts. Ich öffnete die Augen und war wieder an einem anderem Ort. Ein weißes Zimmer mit grünen Polsterstühlen. Sie waren unbequem und rochen etwas muffig. Der Boden hatte die selbe Farbe wie die Wände. An einer Wand hing ein gigantisches Bild von einer Wiese voller Sonnenblumen. Ich hasste es! Am liebsten hätte ich es abgenommen und umgedreht.

Das Geräusch des Wasserautomaten war irgendwie beruhigend. Ich zählte die Blasen, die vom Boden aufstiegen. Nach fünfundneunzig wendete ich meinen Blick ab und beobachtete die Uhr. Es war unmöglich, dass die Zeiger sich so langsam bewegten! Außer mir war niemand sonst hier. Das ältere Paar, das hier gesessen hatte, war längst verschwunden. Nur ich war übrig. Nein, das stimmte nicht. Dawson war bei mir. Auch wenn ich kaum eine Erinnerung an die Geschehnisse des heutigen Abends hatte, so wusste ich eins mit Sicherheit: Dawson war mir nicht eine Sekunde lang von der Seite

gewichen. Er sagte kein Wort, war einfach nur bei mir. So verrückt das auch klang, dieser Umstand half mir am meisten. Er half mir mit seiner bloßen Anwesenheit nicht durchzudrehen. Eine blonde Frau in weißem Kittel betrat den Raum. Sie sah sich kurz um und kam dann direkt auf mich zu. „Ms Hawn?“, sprach sie mich an und setzte sich auf den Stuhl neben mir. Träge nickte ich. Sie besah sich kurz das Pflaster auf meiner Stirn und sagte: „Dr. Woods hat Sie gut versorgt. Wie geht es Ihnen?“ Sorge schwang in ihrer Stimme mit. Dachte sie, ich würde gleich zusammenbrechen? Ich zuckte die Achseln. „Geht schon“,

nuschelte ich kaum hörbar. „Wenn Ihnen schwindlig wird oder Sie Kopfschmerzen bekommen, suchen Sie bitte einen Arzt auf“, bat sie mich. Wieder nickte ich. Die Ärztin holte tief Luft und sagte: „Ihrem Vater geht es den Umständen entsprechend gut. Wenn Sie wollen, können Sie kurz zu ihm. Er wird zur Sicherheit über Nacht auf der Intensivstation bleiben, aber er hat bereits nach Ihnen gefragt.“ Ich realisierte kaum was sie sagte, bis ich Dawsons warme Hand auf meinem Knie spürte. Er drückte es einmal kurz und sah mir tief in die Augen. „Er lebt“, sagte er mit fester Stimme und holte mich mit diesen beiden Worten aus

meiner Starre. Ich atmete aus. Der kalte Griff, der sich um mein Herz gelegt hatte, seit ich Dad das erste Mal auf dem Boden liegen sah, löste sich. Endlich konnte ich wieder frei atmen. Die Welt um mich herum begann sich zu drehen. Glück und Erleichterung durchfluteten mich. „Er lebt“, wiederholte ich Dawsons Worte. Es war nur ein Flüstern, aber ich musste es einmal aussprechen, um es wirklich begreifen zu können. Wieder nickte die Ärztin auf dessen Namensschild „Dr. Chambers“ stand. „Es war gut, dass Sie gleich den Notarzt gerufen haben. Er hat erzählt, dass er gerade damit beginnen wollte, das Essen

zuzubereiten. Er kam nicht mehr dazu einen Arzt zu rufen, denn auf dem Weg zum Telefon stürzte er. Kurz bevor Sie nach Hause gekommen sind, muss er dann das Bewusstsein verloren haben.“ Ihre Stimme war sanft und beruhigend. Sie unterrichtete mich noch kurz über seinen Zustand und darüber, was die Ärzte bisher unternommen hatten. Ich konnte das was sie sagte, nicht aufnehmen. Meine Gedanken kreisten nur darum, dass sein Herz weiterhin schlug und er gesund werden würde. Er hatte einen leichten Herzinfarkt erlitten. Die Ärzte hatten ihm einen Stent eingesetzt. Von nun an gehörten regelmäßige Besuche beim Kardiologen und

Medikamente zu seinem Leben. Zukünftig müsste er sich etwas zurücknehmen und alles ruhiger angehen. Ich folgte der Ärztin, zusammen mit Dawson an meiner Seite, die leeren Korridore des John Radcliff Hospitals entlang. Mit dem Aufzug fuhren wir auf die Intensivstation. Die Besuchszeiten waren längst vorbei, dennoch führte man mich in eines der dunklen Zimmer. Dad lag in einem weißen Bett, seine Arme ruhten auf der Decke neben seinem Körper. Ein durchsichtiger Schlauch führte in seine Hand. Ein Monitor piepste. Er hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig und regelmäßig. Er

schlief. Leise, um ihn nicht zu wecken, zog ich mir einen Stuhl heran und setzte mich neben ihn. Vorsichtig nahm ich seine Hand, die in der keine Schläuche steckten, in meine und klammerte mich an ihr fest. Wieder liefen mir Tränen über die Wangen. Er lebte, nur das zählte. „Es tut mir leid, dass ich nicht da war“, flüsterte ich in die Stille. Ich spürte, wie Dawson hinter mich trat und mir eine Hand auf die Schulter legte. „Es ist nicht deine Schuld“, sagte er eindringlich. „Ich weiß, aber ich mache mir trotzdem Vorwürfe. Wenn ich da gewesen wäre“, „Dann hätte er trotzdem einen

Herzinfarkt bekommen“, unterbrach er mich schroff. Nachdem ich mich mit einem Kuss auf Dads Stirn verabschiedet hatte, bat ich im Schwesternzimmer, mich sofort zu informieren, wenn es etwas Neues gab. Sie gaben mir ihr Wort und riefen mir ein Taxi. Mittlerweile war es nach Mitternacht. Die Straßen von Oxford waren wie leer gefegt. Vor unserem Haus stieg ich aus und bezahlte den Fahrer, nachdem ich Geld von drinnen geholt hatte. Ich hatte weder meine Tasche, noch eine Jacke oder sonst irgendetwas bei mir gehabt. Ich zitterte vor Kälte und war froh darüber, dass wir immer einen Ersatzschlüssel unter der alten

Keramikfigur auf der Veranda aufbewahrten. Kraftlos stapfte ich die Treppen nach oben in mein Zimmer. Das Haus erschien mir groß und leer. Ich traute mich nicht, mir in der Küche ein Glas Wasser zu holen, aus Angst, die Bilder der vergangenen Stunden würden mich heimsuchen. Ohne darüber nachzudenken zog ich den Pulli über meinen Kopf. Ich hörte, wie Dawson scharf die Luft einsog. Dass er da war, hatte ich völlig vergessen! Hastig griff ich nach dem Shirt auf meinem Bett und schlüpfte hinein. Dann entledigte ich mich noch meiner Jeans und kroch unter die weichen Decken.

„Dawson?“, fragte ich, er antwortete sofort. „Ja?“ Er stand nach wie vor neben meinem Sofa, unschlüssig was er jetzt tun sollte. „Würdest du...“, begann ich stockend. Ich wollte diese Nacht nicht allein sein. Würde er meiner Bitte nachkommen? „Würdest du dich zu mir legen?“ Ich traute mich nicht ihn anzusehen, also wartete ich, das Gesicht in den Kissen vergraben, auf seine Reaktion. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, ohne dass er etwas sagte. Plötzlich spürte ich, wie sich die Matratze unter seinem Gewicht senkte. Überrascht schnappte ich nach Luft, dann schlug ich die Decke auf, sodass Dawson

sich darunter legen konnte. Zögernd rutschte ich näher an ihn heran. Sofort legte er einen Arm um mich und zog mich dichter an seinen Körper. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust, zog die Decke über uns beide und schmiegte mich an ihn. Sein warmer Atem strich über meinen Nacken. Augenblicklich bekam ich eine Gänsehaut. Mit dem stetigen Herzschlag, den ich spüren und hören konnte, wurde ich in einen traumlosen Schlaf getragen. Am Morgen wachte ich auf und war im ersten Augenblick völlig verwirrt. Ich spürte eine Bewegung unter mir und erschrak, bis mir wieder einfiel, dass Dawson neben, oder besser gesagt, unter

mir lag und mich nach wie vor in den Armen hielt. Unterbewusst wollte ich ein Stück von ihm abrücken, doch Dawson zog mich gleich wieder zu sich heran. Ich hob meinen Kopf und sah ihm ins Gesicht. So einen entspannten Ausdruck hatte ich nie zuvor bei ihm gesehen. Er sah so friedlich aus wenn er schlief. Die Lippen hatte er leicht geöffnet, seine Wimpern ruhten auf den Wangenknochen und schienen sie zärtlich zu liebkosen. Das zerzauste Haar fiel ihm in die Stirn. Mein Blick wurde von seinen geschwungenen Lippen angezogen. Kurz schloss er sie, nur um sie gleich darauf wieder zu öffnen, als würde er etwas sagen wollen. Wie es sich wohl anfühlt,

von diesen Lippen geküsst zu werden?, fragte ich mich unweigerlich und fuhr mir mit der Zunge über meine eigenen. „Gefällt dir was du siehst?“, sagte er plötzlich und öffnete die Augen. Sein tiefer Blick durchbohrte mich. Ich war unfähig zu antworten oder mich zu bewegen. Sein Blick hielt meinen gefangen. „Guten Morgen“, hauchte ich schließlich, als ich meine Stimmer wieder gefunden hatte. Sein Mund verzog sich zu einem sinnlichen Lächeln, das ein Grübchen auf der rechten Wange erscheinen ließ. „Guten Morgen“, wiederholte er meine Worte. Seine Stimme war rauer als üblich. „Wie geht es dir?“, wollte er nun wissen.

Sofort verflog meine gute Laune. Erinnerungen an den gestrigen Abend schossen blitzschnell auf mich ein. Ich zuckte zusammen, Dawson streichelte beruhigend über meinen nackten Arm. „Es wird alles gut“, versicherte er mir. Auch wenn es nur einfach so dahingesagt war, ich glaubte ihm. Ich glaubte in diesem Moment tatsächlich, dass alles gut werden würde. Nachdem ich eine ausgiebige Dusche genossen und in frische Kleidung geschlüpft war, ging ich die Treppe nach unten, um etwas zu frühstücken. Bevor ich die Küche betrat, atmete ich einmal tief durch. Mein Blick wanderte sofort zu der Stelle, an der ich Dad gestern reglos

vorgefunden hatte. Ein schwerer Kloß bildete sich in meinem Hals. Es ist alles gut, beruhigte ich mich selbst und machte mich auf den Weg zum Kühlschrank. Abrupt blieb ich stehen und starrte auf die Szene vor mir. Ungläubig beobachtete ich Dawson dabei, wie er Tee kochte und Marmeladentoast schmierte. Mit offenem Mund rutschte ich auf einen der Hocker und sah ihn weiter stumm bei seiner Arbeit zu. Schwungvoll drehte er sich zu mir um und platzierte einen Teller vor mir, der neben dem Toast, mit frischem Obst dekoriert war. Dann stellte er auch den Tee vor mir ab und setzte sich neben

mich. „Du hast mir Frühstück gemacht?“, fragte ich perplex, unfähig meinen Blick vom Teller zu nehmen. „Klar, warum nicht?“, stellte er eine Gegenfrage. Ich zuckte die Achseln. Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf „Moment mal!“, rief ich aufgeregt. „Du existierst nicht wirklich. Jedenfalls nicht aus Fleisch und Blut“, fügte ich schnell hinzu, nachdem sich Dawsons Miene mürrisch verzogen hatte. „Wie konntest du das hier bewerkstelligen?“ Geistesabwesend fuhr er sich mit einer Hand durch das Haar, das er zwischenzeitlich gekämmt haben musste. Jetzt stand es ihm wieder wild vom Kopf

ab und gab ihm so eine verwegene, düstere Note. „Möglicherweise solltest du dir endlich eingestehen, dass ich nicht bloß deiner Fantasie entspringe. Ich bin real Mira. vielleicht nicht aus Fleisch und Blut, wie du es gerade so schön ausgedrückt hast, aber ich bin hier.“ Er sah mir tief in die Augen, sodass ich mich auf der Stelle in diesem wahnsinnig verführerischem Grün verlieren könnte. „Ich bin nicht verrückt?“, wisperte ich. Es war eigentlich eine rhetorische Frage, die ich mehr an mich selbst als an Dawson gestellt hatte. Aber Dawson ließ es sich natürlich nicht nehmen, darauf zu antworten: „Verrückt bist du schon,

allerdings nicht krankhaft“, er lachte. Erleichtert schlang ich das Frühstück herunter und eilte dann zu meinem Auto. Auf dem Weg warf ich einen Blick auf mein Handy. Kein Anruf aus dem Krankenhaus. Das ist gut, sagte ich mir und überflog schnell die Nachrichten, die seit gestern Nachmittag eingegangen waren. Die Nachricht, dass Dad im Krankenhaus war, hatte sich bereits verbreitet. Cumnor war eben eine kleine Stadt. Toby fragte, wie es mir und meinem Dad ging, ob er vorbei kommen sollte und ob ich irgendetwas brauchte. Auch Beths und Coras Nachrichten waren vom Inhalt ähnlich. Ich antwortete ihnen mit knappen Worten und fuhr dann ins

Krankenhaus. Die Gänge waren zu dieser Uhrzeit um einiges belebter als gestern Abend. Schwestern und Ärzte hetzten durch die Gänge, Besucher standen oder saßen mit Patienten zusammen. Ich beeilte mich, die Intensivstation zu erreichen, doch als ich dort nach Jackson Hawn fragte, sagte man mir, dass er bereits auf die Kardiologische Abteilung verlegt worden war. So viel zum Thema „Wir informieren Sie“. „Da hab ich dir wohl einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Tut mir leid“, entschuldigte sich Dad mit zerknirschter Miene. Ich rang mir ein Lächeln ab und schüttelte langsam den Kopf. „Ich bin

froh, dass es dir besser geht. Ich hatte Angst um dich!“ Eine Träne stahl sich aus meinen Augenwinkeln. Dad wischte sie fort und zog mich an sich. Ich atmete seinen Duft ein, versuchte ihn mir einzuprägen und schwor mir, ihn niemals zu vergessen. Seine Bartstoppeln kratzten an meiner Haut als er mir einen Kuss auf die Stirn drückte. Er sah müde aus. Auch wenn er betonte, dass es ihm gut ginge, sprach sein Körper eine andere Sprache. Deshalb verabschiedete ich mich bald von ihm, damit er ein wenig schlafen konnte. „Ich liebe dich Dad“, flüsterte ich ihm ins Ohr als ich ihn ein letztes Mal an mich drückte. „Ich liebe dich auch mein

Schatz“, erwiderte er und war beinahe augenblicklich eingeschlafen. „Wie geht es ihm?“, fragte mich Dawson als wir wieder im Auto saßen. Er hatte Dad und mir ein bisschen Privatsphäre gegeben und auf dem Gang gewartet. „Er sieht so schwach und gebrechlich aus“, seufzte ich und fuhr aus der Parklücke. „Er hatte gestern einen Herzinfarkt. Gib ihm Zeit sich zu erholen. Das wird schon wieder.“ Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend. Es war nicht unangenehm, ganz im Gegenteil. Zu Hause angekommen, kochte ich mir einen Tee und verzog mich mit einer Tafel Schokolade und anderem Süßkram auf

das Sofa im Wohnzimmer. Ich legte eine DVD ein und schlüpfte unter eine kuschelige Decke. „Warum bist du eigentlich plötzlich so...naja du weißt schon, nicht so unausstehlich wie sonst?“, durchbrach ich das Schweigen. Seit heute Morgen hatte ich neben Dad kaum an etwas anderes gedacht als daran, dass Dawson noch nicht einen einzigen beleidigenden Spruch gebracht hatte seit er wieder da war. Er legte es nicht wie üblich darauf an, mich bis zur Weißglut zu reizen. Er war einfühlsam und nett. Er hatte mir heute Nacht Trost gespendet und war mir im Krankenhaus nicht von der Seite

gewichen. Dawson zuckte die Achseln und fuhr sich durch die Haare. Unwillkürlich musste ich lächeln. Diese Angewohnheit hatte ich schon so oft bei ihm beobachtet. „Auch wenn du mir das vielleicht nur sehr schwer glauben kannst Prinzessin, doch ich bin kein Sadist! Ich streue nicht auch noch Salz in die Wunde. Aber wenn du willst, höre ich sofort auf und werde wieder das Ekel, für das du mich hältst“, sagte er eisig und durchbohrte mich mit seinen Blicken. Stirnrunzelnd betrachtete ich ihn. Etwas stimmte nicht. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass er mich anlog. Aber warum sollte er das tun? Ich forschte in seinem Gesicht nach

einem Anzeichen, das mir verriet, welches Spiel er hier trieb, stieß aber nur auf eine abweisende Maske. „Ich halte dich nicht für ein Ekel“, gab ich widerwillig zu. Vielleicht würde er mir gegenüber ehrlicher sein, wenn ich es auch war. Überrascht hob er eine Augenbraue. „Ach nein?“, knurrte er und rückte ein Stück von mir ab. Ich biss mir auf die Lippen. „Nein. Warum hast du dich am Mittwoch so verhalten? Ich dachte, du würdest dich über meine Schwäche lustig machen, stattdessen hast du mich getröstet.“ Ich verstand es noch immer nicht. Aber vielleicht würde ich nun Antworten bekommen. „Ich weiß auch nicht. Normalerweise

habe ich diesen unüberwindbaren Drang dich zu reizen bis du ausflippst. Als ich dann gesehen habe, wie traurig du am Todestag deiner Mum warst, aber dennoch versucht hast, deinem Vater eine Stütze zu sein, habe ich eine ganz andere Seite von dir gesehen. Du warst so verletzlich und dann hast du plötzlich in meinen Armen gelegen und geweint.“ Er schloss für einen Augenblick die Augen. „Ach und weil ich so schwach war, konntest du es natürlich nicht verantworten, gemein zu mir zu sein? Dachtest du, ich würde durchdrehen und irgendetwas Dummes tun, wenn du mich so behandelst, wie du es sonst auch tust?“, giftete ich. Heißer Zorn brannte

sich durch meine Adern und hielt mich fest im Griff. Jäh öffnete er die Augen. Wut stand in seinem Blick. „Was denkst du eigentlich von mir?“, herrschte er mich an. „Du hast jemanden gebraucht, der dich in den Arm nimmt, also habe ich das getan.“ „Wie ritterlich von dir!“, schnauzte ich. „Kann man es dir eigentlich nie recht machen? Du regst dich darüber auf, wenn ich dich ärgere und gemein zu dir bin, aber wenn ich nett bin, passt dir das auch nicht. Was ist dein Problem?“ Ungehalten stand er auf und lief vor mir auf und ab. Das machte mich wahnsinnig! „Könntest du bitte damit aufhören!?“, forderte ich, doch er

beachtete mich gar nicht. „Du weißt scheinbar selbst nicht, was du willst. Monatelang hast du mir beinahe jeden Tag gesagt, dass ich verschwinden soll, dann tue ich dir den Gefallen. Aber macht es dich glücklich? Nein! Du sagst du hasst mich, liegst mir dann aber in den Armen und weinst dich bei mir aus. Du hast mich gestern Nacht darum GEBETEN, neben dir in deinem Bett zu schlafen“, energisch fuhr er sich ständig mit den Händen durch die Haare. Ich stand nun ebenfalls auf und trat ihm in den Weg. „Ich weiß ganz genau was ich will!“, unterbrach ich seine Schimpftirade über mich. Skeptisch sah er mich an. „Das

glaubst du doch selbst nicht!“ Mittlerweile war er stehen geblieben, nur eine Armeslänge von mir entfernt. „Ich will Tänzerin werden! Das ist alles, was ich je wollte“, sagte ich bedeutungsvoll. Er schnaubte. „Meinen Glückwunsch. Du erfüllst dir gerade deinen Traum. Aber Tanzen kann nicht dein ganzes Leben bestimmen. Was ist mit deiner Familie, deinen Freunden? Wann warst du das letzte Mal so richtig verliebt?“ „Das geht dich doch wohl überhaupt nichts an!“, fauchte ich ungehalten. Röte schoss mir augenblicklich in die Wangen. Natürlich bemerkte er es. „Was? Warst du noch nie verliebt?“,

fragte er voller Unglauben. „Natürlich war ich schon verliebt!“, widersprach ich. Dabei war meine Stimme viel zu hoch und enttarnte so meine Lüge. Ein selbstzufriedenes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Sag bloß, du hast noch nie einen Jungen geküsst.“ Er lachte. „Oh Mira, das ist wirklich traurig.“ Er schüttelte den Kopf und zwinkerte mir zu. Ich erdolchte ihn mit meinen Blicken. „Ich habe schon geküsst!“ Beim Flaschendrehen auf einer Geburtstagsparty. Peter Tait. Er war ein Jahr älter als ich, schmeckte nach Pfefferminzbonbons und hatte eine Zunge, die in ihrem früherem Leben vermutlich ein Schwamm gewesen war.

Saugstark und glitschig. Nicht gerade die Erinnerung, die ich von meinem ersten Kuss zurückbehalten wollte. Aber das würde ich Dawson garantiert nicht auf die Nase binden! „Ich wette, du lügst mich an“, sagte er überheblich und trat einen Schritt auf mich zu und noch einen, bis er ganz dicht vor mir stand. Ich konnte die goldenen Punkte in seinen Augen sehen, die Lichtreflexe auf den Pupillen, jede einzelne Wimper, die winzige blasse Narbe, die unter seinem Haaransatz hervorlugte. Sein warmer Atem strich über mein Gesicht und ließ mich erschaudern. Die Elektrizität zwischen uns war

beinahe greifbar. Beide sahen wir uns tief in die Augen, ertranken beinahe in den Blicken des anderen. Seine Lippen teilten sich. Ich folgte dieser kleinen Bewegung und fuhr mir aufgeregt mit der Zunge über meine Lippen. Auch er beobachtete mich ganz genau. Wieder röteten sich meine Wangen. Hitze kroch durch meinen Körper. Die Welt um uns herum hörte auf sich zu drehen. „Nein ich lüge nicht“, wisperte ich. Meine Stimme war kaum mehr als ein tonloses Seufzen. Er hob eine Augenbraue. „Er hieß Peter und war echt heiß“, log ich. Dawsons Blick verhärtete sich. „Achja?“, knurrte er mit finsterem

Blick. Ich nickte. „Ja, er war wirklich unglaublich. Und erst seine Zunge.“ Es machte mir Spaß, ihn so zu reizen. „Treib es nicht zu weit Mira“, mahnte er mit drohendem Unterton. Zuckersüß lächelte ich ihn an. „Ich weiß nicht was du meinst.“ „Nein? Wir können ja Peter fragen, was er von deiner Schwärmerei hält.“ Was? Nein! Er machte Anstalten sich von mir abzuwenden. Stopp! Ich musste handeln bevor es zu spät war und er mich frustriert zurück lassen würde. Ich nahm all meinen Mut zusammen, schloss die winzige Lücke, die sich noch zwischen uns befand und drückte meinen Mund auf seinen. Überrascht zuckte er kurz unter meiner

Berührung zusammen, fing sich aber sofort wieder und erwiderte meinen Kuss. Seine Zunge strich über meine Lippen. Willig ließ ich ihn ein, sodass er meinen Mund erforschen konnte. Unsere Zungen fochten einen Kampf miteinander, der in einen zärtlichen Tanz überging. Vorsichtig legte er seine Arme um meinen Körper und zog mich noch dichter an seine Brust. Es war nun kaum mehr ein Millimeter Luft zwischen uns. Ich vergrub meine Hände in seinen Haaren, zupfte und zog an ihnen, glitt seinen Hals entlang in seinen Nacken. Sein verführerischer Atem mischte sich mit meinem. Seine Hände malten Muster

auf meinem Rücken. Nach einer Ewigkeit, die mir endlos erschien, lösten wir uns voneinander. Atemlos hielten wir uns weiter fest umschlugen und sahen uns einfach nur an. „Das ist definitiv auch etwas, was ich wirklich will“, flüsterte ich ehrfürchtig. Ich traute mich nicht laut zu sprechen, denn ich wollte diesen wundervollen Moment nicht zerstören. Ein unwiderstehliches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und ließ wieder dieses süße Grübchen erscheinen. „Dann sollten wir dafür sorgen, dass du das bekommst, was du willst“, sagte er ebenfalls flüsternd und senkte noch

einmal seine Lippen auf meine.

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Über den Autor

LilaLilime
22 Jahre jung und Studentin im 6.Semester Soziale Arbeit. Schon als ich klein war, habe ich es geliebt mir Geschichten auszudenken und diese aufzuschreiben, außerdem lese ich viel und gerne. Es ist einfach ein tolles Gefühl neue Welten, Charaktere und Handlungen zu erschaffen. Ich liebe das Gefühl völlig ins Schreiben vertieft zu sein und sowohl die Zeit als auch alles andere um mich herum zu vergessen.

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minimaus21 Superschön. Na eeeendlich haben die zwei sich gefunden ... so einen Dawson hätt ich auch gern! ;P
LG minimaus21
Vor langer Zeit - Antworten
LilaLilime ja darauf habe ich ehrlich gesagt auch gewartet :D Du kannst ja Mira fragen, ob sie ihn dir mal ausleiht ;)
LG von Andrea
Vor langer Zeit - Antworten
minimaus21 Haha ;D
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Na heut komme ich etwas später zur Fangemeinde dazu, aber genauso begeistert. Ach, hast du das schöööön hinbekommen. Ich möchte auch noch mal so jung sein - schmacht, seufz! Aber viele Jahre Beständigkeit hat ja auch was und das andere Feld überlass ich jetzt meinen hübschen Töchtern und dir.
Ganz liebe Grüße
Christine
Vor langer Zeit - Antworten
LilaLilime Besser spät als nie liebe Christine ;) Danke für die lieben Worte und die Geschenke, die du mir mitgebracht hast.
Dir und deinen Töchtern einen herrlich sonnigen Tag
wünscht Andrea
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Na so langsam kommen wir der Sache und dem Buchtitel doch etwas näher...
*schmunzel*
War wieder mittendrin und freu mich auf mehr!
Lieben Gruß Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
LilaLilime ja so langsam wird es. Schön dass du weiterhin dabei bist :)
LG von Andrea
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Tintenklecks spannend
Vor langer Zeit - Antworten
abschuetze Oh man ... schmacht.
Du kannst das soooo schön .... alles beschreiben und doch... als wäre man mittendrin. Ich denke immer, schon wider so viele Seiten, aber die sind so kurzweilig geschrieben, schwups... zu Ende, das Kapitel.
Ich will mehr und zwar bald. Bitte, bitte :))

LG von Antje
Vor langer Zeit - Antworten
LilaLilime danke liebe Anje, dass du weiterhin dabei bist. Ich freue mich immer sehr über deine Kommentare. Du willst mehr, du bekommst mehr...und zwar bald ;)
LG von Andrea
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