Romane & Erzählungen
Mira & Dawson - 9. Kapitel

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"Mira & Dawson - eine unmögliche Liebe"
Veröffentlicht am 29. September 2015, 32 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

22 Jahre jung und Studentin im 6.Semester Soziale Arbeit. Schon als ich klein war, habe ich es geliebt mir Geschichten auszudenken und diese aufzuschreiben, außerdem lese ich viel und gerne. Es ist einfach ein tolles Gefühl neue Welten, Charaktere und Handlungen zu erschaffen. Ich liebe das Gefühl völlig ins Schreiben vertieft zu sein und sowohl die Zeit als auch alles andere um mich herum zu vergessen.
Mira & Dawson - eine unmögliche Liebe

Mira & Dawson - 9. Kapitel

9. kapitel

Nachdem meine Recherche nur wenig, oder besser gesagt, gar keinen Erfolg, gebracht hatte, vermutete ich, dass Dawson mich nun wieder quälen würde. Aber da hatte ich mich wohl geirrt. Er ließ mich schlafen, spielte mir keine Streiche und tauchte nicht unerwartet in der RDA auf. Sobald ich nach Hause kam, saß er allerdings in meinem Zimmer und wartete auf mich. Er wollte, dass ich ihm auch weiterhin half und er wusste, dass ich das nicht tun würde, wenn er wieder anfing mich zu belästigen. Er beobachtete, wie ich meine Tasche auf den Boden fallen ließ und meine nassen

Socken gegen trockene tauschte. Ich war heute nicht in Stimmung für seine Spielchen. Den ganzen Tag musste ich an Mum denken und den Unfall, der vielleicht gar keiner war. Es wurde nie geklärt, warum der Wagen von der Straße abgekommen und von der Brücke gestürzt war. Ich konnte mich noch gut an diesen Tag erinnern, der nun schon drei Jahre her war. Ich hatte gerade erst das Angebot für ein Stipendium an einer Dance-Academy in New York bekommen. Nach meinem Schulabschluss sollte ich unter den ganz Großen lernen. In einer neuen Stadt. In einem neuen Land. Auf einem anderen Kontinent. Tausende Meilen von

meiner Familie entfernt. Aber ich wollte diese Chance ergreifen. Ich wollte eine der besten werden. Zwar hatte ich auch damals schon den Traum, an der RDA zu studieren, aber das Angebot für das Stipendium kam eben aus New York. Und wenn ich die Wahl hatte, eine hervorragende Schule, ohne auch nur einen Penny zu zahlen, zu besuchen, oder eine andere hervorragende Schule mit einem Schulgeld von mehreren Tausend Pfund im Jahr, wofür würde ich mich dann wohl entscheiden? Meine Eltern hatten mir immer wieder versichert, dass ich auch die RDA wählen konnte, wenn ich es wollte. Das Geld hatten sie seit Jahren für mich

gespart. Aber ich wollte ihnen nicht auf der Tasche liegen. Das war noch ein Grund, warum ich meine Ferien und Wochenenden mit kleinen Jobs zugebracht hatte. Nach Mums Tod war an New York allerdings nicht mehr zu denken. Dad hatte gesagt, dass es in Ordnung wäre, aber ich wollte ihn nicht im Stich lassen. Also machte ich meinen Abschluss ohne das Stipendium in Anspruch zu nehmen und hielt mich im Jahr danach mit diversen Aushilfsjobs über Wasser. Ich wusste, dass Mrs Caprice ihren Absolventen ein Vortanzen ermöglichen konnte. Aber bis sie mir dieses Angebot wirklich unterbreitet hatte, wollte ich

davon nichts wissen. Dad hatte mir gut zugeredet, mit dem Tanzen nicht aufzuhören und mein Talent nicht zu vergeuden. Ich war ihm unendlich dankbar, dass er mir den Kopf zurecht gerückt hat, denn sonst wäre ich jetzt nicht hier. „Du hast ganz schön schlechte Laune Prinzessin. Ich hoffe, dass deine Aufgabe mir zu helfen, nicht darunter leidet“, riss mich Dawson in die Gegenwart zurück. Ich starrte ihn einfach nur finster an und versuchte die Tränen zu ignorieren, die mir in die Augen stiegen. „Nimm es mir nicht übel. Aber heute bin ich dir ganz sicher keine Hilfe“, schniefte ich und wischte mir mit dem Armrücken über die

Wangen. Dawson sah mich mit schräg gelegten Kopf an. „Was ist los? Hat es dir diese blonde Schlange mal wieder richtig gegeben?“, wollte er mit einem neckischen Grinsen wissen. Natürlich hatte er mitbekommen, wie Cicely auf mir herumhackte. Aber ich brachte es nicht übers Herz, ihm den wahren Grund für meine traurige Stimmung zu verraten. Also schüttelte ich einfach den Kopf und verließ mein Zimmer, um Dad Gesellschaft zu leisten. Letztes Jahr hatte er sich an diesem Tag von jedem zurückgezogen. Er ging nicht zur Arbeit und wollte mit niemandem sprechen. Heute würde ich ihm keine Gelegenheit dazu bieten. Er hatte sich

den Tag zwar wieder freigenommen. Aber ich hatte dafür gesorgt, dass er nicht allein war. Richard hatte den Tag mit ihm verbracht. Soweit ich wusste, sollte Dad ihm bei irgendwelchen Bauarbeiten in seinem Haus helfen. Das hatte ihn hoffentlich von seinen Gedanken abgelenkt. Ich hörte, wie Dawson mir folgte. „Du musst doch nicht gleich weglaufen!“, rief er mir nach. Ich ignorierte ihn. In der Küche saß Dad und sah Richard beim Kochen zu. Oh, ganz großer Fehler! Da sah man mal, wie schlecht es Dad gehen musste, wenn er sogar seinem besten Freund gestattete, die Küche zu benutzen. Bevor noch eine größere

Katastrophe passieren konnte, schob ich Richard vom Herd. „Ist nicht böse gemeint“, sagte ich entschuldigend und nahm ihm auch den Schneebesen aus der Hand. Er lächelte und hob die Hände. „Schon kapiert. Ich bin eine wandelnde Katastrophe in der Küche.“ Er nahm es mit Humor. Das mochte ich so sehr an ihm. „Wie geht es ihm?“, wollte ich flüsternd wissen, damit Dad mich nicht hörte. Richard warf einen kurzen Blick über seine Schulter. Dad sah grauenhaft aus. Mit tief eingesunkenen Schultern und hängendem Kopf saß er am Küchentresen und starrte seine ineinander verschränkten Hände an.

„Das ist schon seine bessere Laune. Vorhin war er ziemlich übel drauf. Aber mach dir keine Sorgen Mira. Das wird schon wieder.“ Er setzte sich neben Dad, schnappte sich die „Oxford Mail“ und kommentierte die Nachrichten, die er darin las. Dad ignorierte ihn. Ich wendete meine Aufmerksamkeit dem zu, was Richard als Essen bezeichnet hatte. Ich schielte in den Topf und verzog das Gesicht. Auch der Geruchstest ließ mich seine Kochkünste nicht gerade bejubeln. „Was sollte das eigentlich werden?“, fragte ich, nahm den Topf vom Herd und ließ den Inhalt heimlich im Müll verschwinden. Richard

hob den Kopf und zuckte mit den Schultern. „Nudeln mit Tomatensoße“, sagte er betont beiläufig. Ich runzelte die Stirn. „Und warum ist deine Tomatensoße grün und riecht nach Fisch?“ Er grinste und versank wieder in seiner Zeitung. Kopfschüttelnd sah ich ihn noch einen Moment lang an. Mein Blick streifte auch meinen Vater. Am liebsten würde ich mich neben ihn setzen und ebenfalls Trübsal blasen. Aber ich musste stark sein. Wenn konnte ich von ihm verlangen, stark zu sein, wenn es nicht war? Nein. Dad würde mich heute nicht eine Träne verdrücken sehen. Ich nahm ein Messer aus der Schublade und begann Tomaten für eine neue Soße

zu schneiden. „Was ist hier eigentlich los?“ Dawson war unbemerkt neben mir aufgetaucht. Ich hätte mir beinahe in den Finger geschnitten. Vorwurfsvoll sah ich ihn an. „Sorry“, entschuldigte er sich sogar bei mir. „Also?“, hakte er noch einmal nach. Ich wendete den Kopf in seine Richtung und sagte so leise wie möglich: „Heute ist der Todestag meiner Mum.“ Dawson machte ein überraschtes Gesicht. „Das... das wusste ich nicht. Tut mir leid!“ Was war denn heute nur los mit ihm? Er hatte sich noch nie bei mir entschuldigt und jetzt gleich zwei Mal hintereinander? „Wie ist sie gestorben?“, fragte er weiter. Ich seufzte. Was war das jetzt hier, eine Therapiestunde?

Warum war er auf einmal so nett? Damit konnte ich nicht umgehen. Hätte er mich angeschrien oder beschimpft, wäre ich damit klar gekommen. Aber mit einem netten und handzahmen Dawson? Nein! „Autounfall“, presste ich zwischen meinen Zähnen hervor. „Und hast du...sie gesehen? Nach ihrem Tod meine ich?“ Ah daher wehte der Wind also. Ich schüttelte den Kopf, unfähig auch nur einen Ton herauszubringen. Die nächsten Minuten verbrachten wir schweigend. Ich bereitete das Abendessen zu, Richard las weiterhin in der Zeitung, Dad starrte auf seine Hände und Dawson beobachtete mich. Kurz bevor die Nudeln fertig waren, holte ich

Teller und Besteck aus dem Schrank und ging zur Esstisch. Dawson folgte mir und setzte sich vor einen der Teller. Auch Dad und Richard setzten sich. Dad runzelte verwirrt die Stirn. „Erwartest du jemanden Mira? Nimm es mir nicht übel, aber ich bin heute nicht in Stimmung für Besuch.“ Er warf Richard einen bedeutungsschweren Blick zu. Der hob wieder nur die Schultern und sagte: „Hey Mann, du wirst mich nicht los. Das dürftest du doch mittlerweile wissen.“ Schnell räumte ich das vierte Gedeck wieder ab. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich ganz automatisch auch einen Teller für Dawson hingestellt hatte. Reiß dich

zusammen Mira! Wir aßen schweigend, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft. Dawson warf den Nudeln einen sehnsuchtsvollen Blick zu. Ich dachte an meine Freunde. Toby verbrachte sicher einen gemütlichen Abend vor dem Fernseher. Beth und Cora hatten hingegen vermutlich eine ähnlich miese Stimmung wie ich. Coras Date mit Leander war alles andere als gut gelaufen. Er hatte nur von sich selbst geredet und sie gar nicht zu Wort kommen lassen. Als er sie von dem kleinen Restaurant, in denen sie zu Abend gegessen hatten, zurück zum Campus fuhr, wollte er ihr sogar an die Wäsche. Sie verstand die Welt nicht

mehr. Zuvor hatte er sich ganz normal benommen. Aber irgendwann zeigte eben jeder sein wahres Gesicht. Beth hatte bei ihrem Date mehr Glück gehabt. Sie hatte einen wundervollen Abend mit Carson verbracht. Er führte sie zum Essen aus, danach sahen sie sich gemeinsam einen Film an und spazierten schließlich durch die Straßen von Oxford. Alles war einfach perfekt, bis sie all ihren Mut zusammen genommen und ihn einfach geküsst hatte. Er hatte den Kuss erwidert, danach aber kein Wort darüber verloren und sie zurück zum Campus gebracht. Sogar bis vor ihre Zimmertür. Heute im Unterricht war er sehr schweigsam gewesen und

hatte nicht ein Wort über den Kuss verloren. Sie wusste nicht, was sein Verhalten zu bedeuten hatte. Versuchte er ihr so etwa zu zeigen, dass er kein romantisches Interesse, sondern nur eine einfache Freundschaft im Sinn hatte? Nun saßen also meine beiden Freundinnen in ihrem gemeinsamen Zimmer und ertranken in ihrem Liebeskummer. Na wenigstens waren sie nicht allein. Sie hatten einander. Ich hatte nur Dawson, der mir ständig diese unergründlichen Blicke zuwarf, wenn er dachte, ich würde es nicht merken. Falsch gedacht! Nachdem ich das Geschirr in die Spülmaschine geräumt hatte, wünschte

ich Dad und Richard eine Gute Nacht. So egoistisch es auch von mir war, ich konnte es nicht ertragen, meinen Vater so zu sehen. Es brach mir das Herz. Aber ich wusste, dass er es mir nicht übel nehmen würde. Und er hatte ja auch noch Richard, der ihm den Rest des Abends nicht von der Seite weichen würde. Ich würde das heute nicht aushalten können. In meinem Zimmer warf ich mich auf das Sofa und vergrub mein Gesicht in den zahlreichen weichen Kissen. Ich spürte, wie sich Dawson neben mich setzte und mich stumm betrachtete. „Was willst du?“, fragte ich. Es sollte bissig klingen. Leider kam nur ein erschöpftes Flüstern über meine Lippen.

Er antwortete nicht. Aufgebracht setzte ich mich auf und funkelte ihn an. „Willst du dich über mein Unglück lustig machen?“, bohrte ich weiter. Wieder antwortete er nicht. Er sah mich einfach nur an. Das machte mich wahnsinnig! Warum zum Teufel sagte er denn nichts? „Was ist bloß los mit dir?“, schrie ich ihm entgegen. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. Sein Schweigen und der Blick, den er mir aus diesen außergewöhnlichen Augen zuwarf, trieben meine Wut auf ihn immer weiter an. Ich warf mich auf ihn. Hämmerte mit meinen geballten Fäusten auf seine harte Brust ein. Er blieb stumm, hielt mich

nicht auf, versuchte nicht einmal sich zu wehren. Was war sein Problem? Meine Schläge wurden schwächer bis sie nur noch einem zarten Streicheln glichen. Plötzlich öffneten sich alle Dämme. Tränen strömten über meine Wangen. Ich konnte es nicht kontrollieren. Alles was sich in den letzten Monaten und Jahren angestaut hatte, suchte nun seinen Weg nach draußen. Meine Versuche Dawson zu verletzen, erstarben. Mein Zorn ihm gegenüber verpuffte. Er sah mich weiter mit diesem Ausdruck an, der so viel Mitgefühl und Verständnis ausdrückte, dass es mir die Luft zum Atmen raubte. Ich sank an seine Brust und lehnte meine Wange an sein dunkles T-Shirt. Binnen

Sekunden war es völlig durchnässt. Es schien ihn nicht zu stören. Behutsam legte er einen Arm um meine Taille und zog mich näher an seinen warmen Körper. Gierig sog ich seinen Duft ein. Er erinnerte mich an lange Nächte im Freien, unter abertausenden Sternen, an unseren letzten gemeinsamen Familienurlaub in den Bergen. An einen erfrischenden Regenschauer im heißen Sommer. So frisch, wie klare Bergluft und doch würzig und exotisch. Ich wollte mehr davon. Wollte diesen Duft inhalieren, mich in ihm verlieren und alles um mich herum vergessen. Dawson legte seine freie Hand auf meinen Rücken und streichelte mich in

gleichmäßigen beruhigenden Bewegungen. Ich krallte meine Finger in den Stoff seines Shirts und drängte mich noch dichter an ihn, wollte ihn nie mehr loslassen. Er sagte noch immer kein einziges Wort. Aber das brauchte er auch nicht. Er war in diesem Moment einfach für mich da und das brauchte ich jetzt mehr als irgendwelche belanglosen Floskeln. Irgendwann versiegten meine Tränen. Die Haut an meinen Wangen spannte, meine Augen waren verklebt und geschwollen. Ich musste wirklich ein tolles Bild abgeben. Noch einmal fuhr Dawson mir mit seiner warmen Hand über den Rücken, dann gab

er mich frei. Ich lehnte mich zurück, weg aus seiner intimen Distanzzone. Sofort spürte ich, wie die Kälte von meinem Körper Besitz ergriff. Es war mir unangenehm, ihn nicht mehr zu berühren. Aber noch unangenehmer war die Scham, die sich nun in mir ausbreitete. Was war das gerade!? Ich hatte mich Dawson, DAWSON!, gerade an den Hals geworfen und sein T-Shirt mit meinen Tränen getränkt! Was war bloß in mich gefahren!? Da hätte ich ihm genauso gut meine tiefsten Geheimnisse erzählen können. Was sollte er jetzt bloß von mir denken? Verdammt! Ich räusperte mich und wartete darauf, dass er etwas sagte. Aber den Gefallen tat er mir nicht. Er

sah mich weiter aus diesen verlockenden Augen an und verzog keine Miene. „Ich...ähm“, ich räusperte mich noch einmal. Meine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Kratzen. „Ich geh dann mal duschen“, teilte ich ihm gedankenverloren mit und erhob mich vom Sofa. Sehr reife Reaktion von dir Mira, wirklich toll!, schimpfte ich mich selbst und verließ das Zimmer, ohne einen weiteren Blick in seine Richtung. Ich ließ das warme Wasser über meinen Körper prasseln und sann über die letzten Minuten nach. Wie hatte ich nur so die Kontrolle verlieren können? Ich mochte ihn doch nicht einmal und dann schmiss ich mich ihm in der erst besten

Gelegenheit an den Hals. So kannte ich mich überhaupt nicht. Was er wohl jetzt über mich dachte? Ich schäumte das Duschgel in meinen Händen auf und verteilte es auf meinem Körper. Ich musste seinen Duft loswerden! Also schrubbte ich so lange, bis meine Haut feuerrot war und unter jeder weiteren Berührung brannte. Ich war unfähig einen klaren Gedanken zu fassen und ertappte mich schließlich beschämt dabei, dass ich mir vorstellte, wie Dawson jetzt hier bei mir wäre. Wie seine Hände über meinen feuchten Körper gleiten würden... STOP! Hör auf damit! „Er ist nach wie vor der fiese Typ, der

dich so arrogant von oben herab behandelt, dich ärgert und demütigt wenn sich ihm nur die kleinste Gelegenheit bietet. Er macht dir dein Leben zur Hölle. Er hasst dich. Und du hasst ihn! Punkt. Aus. Keine weitere Diskussion.“ Ich hasste es Selbstgespräche zu führen. Aber in diesem Fall schaffte ich es nur so, den umherirrenden Gedanken Einhalt zu gebieten. „Tu einfach so, als wäre nichts gewesen. Bleib cool. Du schaffst das!“ Wie ich befürchtet hatte, wartete Dawson in meinem Zimmer darauf, dass ich zurückkam. Seine Miene war nach wie vor undurchdringlich. Ich hätte zu gern gewusst, was in seinem Kopf vorging.

Nein, das willst du nicht!, rief ich mich zur Ordnung. Ich zupfte mein Sweatshirt zurecht und schlich mich an ihm vorbei. Vielleicht war ich wirklich so dumm zu glauben, dass er mich übersah, und das obwohl das Licht leuchtete und er direkt in meine Richtung blickte. Aber natürlich war das nur ein Wunschgedanke. „Ich kann dich sehen“, sagte er vollkommen emotionslos. Nichts deutete darauf hin, was er gerade dachte. Ertappt blieb ich stehen, drehte mich aber nicht zu ihm um. „Dann hast du einen Vorteil gegenüber der über sieben Milliarden Menschen auf diesem Planeten, die dich nicht sehen können.“ Ich legte soviel

Verachtung und Spott in meine Stimme wie ich konnte. Ein Teil von mir schrie mich an, dass ich das sofort zurücknehmen und mich entschuldigen sollte. Er bettelte mich an, mich wieder in Dawsons Arme zu werfen und mein Gesicht an seine Brust zu schmiegen, um wieder seinem stetigen Herzschlag lauschen zu können. Schon merkwürdig. Er war doch tot, warum schlug sein Herz dann noch? Ich brachte den Teil in mir, der so dachte, zum Schweigen und sperrte ihn in das tiefste Verlies in meinem Herzen. Den Schlüssel dazu warf ich weg. Dawson schluckte schwer. Das war die erste Regung, die er seit meinem

Zusammenbruch zeigte. Was sie zu bedeuten hatte, wusste ich allerdings nicht. Dazu hätte ich mich vermutlich umdrehen und ihm ins Gesicht sehen müssen. Aber dazu fühlte ich mich außer Stande. „Werden wir morgen weiter recherchieren?“, wollte er nun wissen. Er hatte sich wieder unter Kontrolle und sprach mit zurückgehaltener Wut in der tiefen Stimme. „Morgen nicht. Und überhaupt niemals“, erwiderte ich und schlüpfte unter die Decke. Ich musste wieder Normalität in mein Leben bringen und das beinhaltete nicht, einem vermeidlichen Geist dabei zu helfen, herauszufinden, warum er noch immer auf der Erde verweilte. Er würde

schon irgendwann verschwinden, wenn er merkte, dass er sich an mir die Zähne ausbiss. „Wie du willst“, stieß Dawson aus und noch einige andere Worte, die ich allerdings nicht verstand. Dann war es plötzlich still. Seufzend drehte ich mich auf die Seite. Wieder liefen mir Tränen über die Wangen. In mir herrschte ein derartiges Gefühlschaos, das an Schlaf nicht zu denken war. Hatte ich ihn mit meinem Verhalten verletzt? Ach Unsinn!, er hasste mich genauso, wie ich ihn. Er hatte sich vermutlich über meinen kleinen Zusammenbruch köstlich amüsiert. Nun war er verschwunden und ich hatte endlich meine Ruhe. Für

Schuldgefühle gab es keinen Grund.

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Über den Autor

LilaLilime
22 Jahre jung und Studentin im 6.Semester Soziale Arbeit. Schon als ich klein war, habe ich es geliebt mir Geschichten auszudenken und diese aufzuschreiben, außerdem lese ich viel und gerne. Es ist einfach ein tolles Gefühl neue Welten, Charaktere und Handlungen zu erschaffen. Ich liebe das Gefühl völlig ins Schreiben vertieft zu sein und sowohl die Zeit als auch alles andere um mich herum zu vergessen.

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minimaus21 Nachdem ich die Woche gar nicht dazu gekommen war, hier vorbeizuschauen, hab ich gleich 8. und 9 Kapitel hintereinander gelesen. Weiterhin toll! Bin noch immer gespannt, wie es weitergeht. Der Titel verrät eine Liebesgeschichte, aber noch sieht's nicht so danach aus ...
Bin gespannt!
LG minimaus21
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Moscito Ist er wohl doch nicht so ein Idiot :D mir tun gerade beide leid. Ich freue mich darauf zu erfahren wie es weitergeht. Ein paar Tippfehler am Anfang, aber das hatten wir schon gesprochen ;) kann ich dir wenn nötig morgen sagen. Ist am Tablet schlecht
Lieben Gruß Silke
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Schon eine bedrückende Angelegenheit, der Todestag der Mom. Das kriegt dann wohl sogar Dawson mit.
Ich finde es okay, dass sie ihn in ihrem Kummer "benutzt", bin nun aber natürlich gespannt, welche Auswirkungen das hat und wie er auf ihre Abfuhr am Ende reagiert.
Lieben Gruß Sabine
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LilaLilime ja der Gute kann einem schon irgendwie leidtun. Da kümmert er sich so liebevoll um sie und sie lässt ihn abblitzen...
lG von Andrea
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abschuetze Ist sich Mira da sicher, das mit den Schuldgefühlen?

LG von Antje
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LilaLilime Das wird sich wohl bald zeigen :)
LG von Andrea
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Albatros99 Voller Spannung verfolge ich jedes Mal die Geschichte der beiden. Dein Stil gefällt mir wirklich, es liest sich flüssig und ist gut formuliert. Hin und wieder paar Flüchtigkeitsfehler, naja, das passiert uns allen. Aber wie du die Personen charakterisierst, also, alle Achtung! Ich habe gestern noch mal alle deine Geschichten gelesen, und es hat absolut Spaß gemacht.

Liebe Grüße
Christine
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LilaLilime vielen Dank für deine Lieben Worte. So etwas erwärmt doch das Herz eines jeden Autors :)
LG von Andrea
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