Kurzgeschichte
Der unsichtbare Gast

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"Ein Schatten begleitet immer das gegenwärtige Leben"
Veröffentlicht am 12. August 2015, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Elena Okhremenko - Fotolia.com
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Mein Seelenherz führt meine Lyrikfeder - will Liebe wie Achtsamkeit für wichtige Themen und Begegnungen ans Alltagslicht schöpfen. Zu Dir - der sich Zeit nimmt zum Lesen wie Fühlen. DANKE und eine interessante Entdeckungsreise zwischen und in den Gedankenwortzeilen. Ehrenamtlich für Poesie-Begegnung in Augsburg sowie Freundes- und Förderkreis Blaue Blume Kaufbeuren Mein aktuelles Buch heißt "LebensFARBspuren" ISBN-Nr.: ...
Ein Schatten begleitet immer das gegenwärtige Leben

Der unsichtbare Gast

Der unsichtbare Gast


Das kleine überschaubare Zimmer blickt mit seinen Fensteraugen hinaus in den grünen Park. Ein segensreicher Spruch begrüßt einen an der Türe. Rechts  davon befindet sich das Bade-zimmer. Lädt nicht ein zum Ebenenwechsel. Leise trete ich ein und begrüße freundlich meinen Vater. Im stillen vorbeiziehenden Schlaf bemerkt er meine Anwesenheit. Die mitgebrachte englische Duftrose stelle ich an seinen Tisch, damit er seine Lieblingsblume wahrnimmt.


Liebevoll drücke ich seine schmal gewordene  Hand. Streichele ihn. Meine Mutter kommt später hinzu. „Wo bin ich?“ fragt er. „Paps, du bist im Krankenhaus“, antworte ich. „In Stuttgart?“ „Nein, im Diakonissenkrankenhaus

in Augsburg.“

Sein Blick sucht ratlos in meinem Gesicht nach Antwort. „Ich bin im Zug!“ Paps, in welchem Zug?“ „In einem normalen Reisezug. Sitze im Abteil.“ „Hast Du einen schönen Fensterplatz?! Er überlegt kurz. Ja! „Gut so siehst Du alles Schöne von der Landschaft!“ Schwerer sinkt er ins Kissen zurück.

Sein Handdruck ist kurz und kräftig. Vergewissert sich meiner Nähe!

 Atmet gleichmäßig ruhig. Angstvolle Verzweifelung spricht aus dem Gesicht meiner Mutter. Nehme diesen kurzen Notfaden und beginne: „Weißt Du noch Papschi als Du mit Mutti diese wunderschöne Kanadareise unternommen hast. Vancouver, Niagarafälle und Banf. Da fallen mir Bilder ein von Butchers Garden. Blumen, Farben und bilddurch-strömende Düfte in üppigsten Formen!! Eine

Blumenoase - wie vom lieben Gott persönlich erschaffen!“ Mutti fängt den Fadenball auf und erzählt von dieser einzigen großen Reise die sie gemeinsam erlebten.


Danach folgt Stille. Abwechselnd mit heftigen Schmerzattacken meines Vaters. Mutti rinnen Tränen herab. Furcht breitet ihren dunklen Samtmantel über uns! Ruhig lese ich aus einer Traumreisegeschichte beiden vor. Ein wenig Entspannung zeichnet sich ab. Die Zeit schleppt vollgepackt schwer übers Zifferblatt. Angst kriecht von unseren Körperwänden und dem Bettlacken merklich hoch.

Da spüre ich das erste Mal den unsichtbaren Gast. Schaut interessiert vorbei schenkt uns Zeit. Schweigend und mehr wissend als wir. Muntere Mutter auf mit ihrem Mann zu sprechen. Zu vergeben. Liebe winkelt und knickt aus fast vergessenen Sackgassen heraus.

Finden den Weg über die Lippen ans Ohr. Plötzlich sitzt Vater aufrecht im Bett, sieht uns an „ich will nicht sterben!“ Zuerst zaghaft leise, danach laut bestimmend.

Erzählt all seine Kraft zusammen nehmend von der Liebe! Zu ihr, zu mir und zu meiner nicht anwesenden Schwester. Umarmt jede einzeln mit einer nie dagewesenen INNIGKEIT! Herzpochen erschallt tief pulsierend im Zimmer. Erinnerungen schwelgen zwischen diesen Dimensionen in feinsten Zellstaub-teilchen hin und her. Besonderer Reichtum wird ausgetauscht! Findet neue Besitzer. Als tiefer Schlaf der Erschöpfung meinen Vater aufs Kissen niederdrückt. Sein röchelnder Atem durchdringt die Stille des Raumes. Mutter legt kraftlos eine Pause ein und geht.

Setze mich neben Paps, streichle zart seine Hand und beginne ihm von Gott zu erzählen.

Gott wie ich ihn erlebe, spüre und wahrnehme. Im Gestern und HEUTE. Der unsichtbare Gast betritt das Zimmer, sein kühler Hauch streift vorüber. Sieht in unsere Gesichter, unsere Herzen. Wortlos lässt er uns wieder zurück. Unruhe und Angst treiben ihr Unwesen mit Vater. „Paps erinnerst Du Dich an meinen schweren Fahrradunfall? Habe ich Dir je erzählt, was nach dem Aufprall geschah?

Das Auto erfasste mich mit rasender Geschwindigkeit, katapultierte das Rad und mich Kopf voraus auf den Betonboden! Harter dröhnender Aufschlag! Schwarzer Teppich verschleierte die Augen.

Mein Körper nicht gewahr! Stimmen hörbar jedes einzelne gesprochene Wort klar verständlich. Wo war ich? Blickte mich selbst von oben an! Dreht mich  verwundert um. Ging über einen wunderschönen grünen Weg ins Licht!

Umhüllt von einer besonderen Liebe und tiefem Frieden wie nie zuvor! Das Licht blendete nicht, warm tauchte es mich ein! Leicht und vollkommen sicher ging ich den nächsten Schritt. Als sanft eine Stimme sagte: „Beate, was tust Du hier?“ Natürlich suchte ich blickend die Gestalt. Niemanden konnte ich sehen. Schüttelte mich verwundert und trotzdem vertrauend.

„Beate, Deine Zeit ist nicht diese Zeit! Konzentriere Dich!“ Paps ich könnte Dir genau diesen magischen Ort beschreiben. Faszinierend schön! Wohltuend. Vollkommenes Glücksgefühl durchflutet mich. Soviel LIEBE! Nein Deine Zeituhr läuft! LEBE!“ Und als ich aufblickte sahen meine Augen direkt in die Augen des behandelnden Arztes im Krankenhaus. Überrascht und staunend nahm ich mich selbst wieder körperlich wahr.

„Weißt Du Paps diese spürbare Liebe löst alle irdischen Ängste, Nöte und Sorgen im Licht auf! Meine Liebe fließt stärkend zu Dir! Vertrau mir. Ich wünsche Dir von ganzem Herzen das Du frei, friedlich und gut die Ebene wechseln kannst! Ohne Schmerzen! Ohne Kampf! Ohne schweres Gepäck! Paps ich will das Allerbeste für Dich! Ich bete für Dich weil ich Dich liebe es mit weh tut Deine Schmerzen zu sehen, mitzuerleben! Hilflosigkeit als Wegbegleitung zu fühlen.. Mit all meiner Kraft möchte ich Dich beschützen!“

Ruhiger gleichmäßiger Atem antwortet mir. Die durchwachte Nacht ist ein Stück geteilte Ewigkeit! Momente ausgefüllt von Liebe. Friedlicher Entspannung. Durchrissen von extremen hautnahen Schmerzphasen. Morgengrau klopft mit zwei funkelnden Sternen freundlich grüßend an unser Fenster! „Papschi

der Begleitstern hat Zuwachs bekommen“ Aufmunternd blinken leuchten sie zu uns!“ Trete an die wachsende Lichtquelle. „Paps exakt bei uns!“ Sanft streift der unsichtbare Gast draußen den endlosen Korridor entlang. Klopft er an eine Türe? Nahe oder weit? Lese Textpassagen aus „Wege ins Licht“ meinem Vater vor!

Herzlich verbunden mit der Hand des Anderen beginnt ein neuer Hoffnungstag! Gott begleitet uns fürsorglichst spürbar. Deshalb kann ich mich vertrauensvoll von meiner Mama ablösen lassen! 24 Stunden sollen notdürftig überbrückt werden. Zuhause ein warmes Bad für die starren schmerzenden Knochen und Muskeln. Rundruf bei meinem Gebetskreis. Bitte um heilsamen Beistand für meinen Paps! Als ich im Bett müde Schlaf finden will höre ich seine Seele rufen! Döse für einen kleinen Moment. Seine Seelenstimme spricht deutlicher!  Sanft

energievoll steht er neben mir. Springe auf, ziehe mich an und fahre mit dem Taxi ihm! Hoffnungslos traurig empfangen mich die Augen meiner Mutter. Verblüfft das ich bereits da bin. Worte suchen formend die Wieder-geburt. Insbesondere diese trostlose tod-geweihte Situation setzt Mutter zu. Kraftlos traurig verabschiedet sie sich bis morgen...

Ergreife liebevoll die Hand meines Vaters. Fülle die Stille mit Erinnerungen auf. Spreche mit ihm über den tragischen Unfalltod meines Bruders. Er wusste als EINZIGER von der Vergewaltigung und der versuchten Tötung des Täters an mir. Viel Leid folgte damals diesen dramatischen Ereignissen. Furcht zog breite Lebensbahnen! Zeichnete uns!

In diesem Erzählmoment umarmt Gott uns bewusst voller Liebe! Gütigst nimmt er das schwere Seelengepäck von den niedergedrückten

Menschenschultern. Heilend gleitet seine fließende Energie um die Körper. „Paps ich liebe Dich und sage DANKE, für alle Erfahrungen die wir teilten. DANKE für die positiven Lebensbereicherungen! Danke für Deine indirekten und direkten Aufgaben an mich. Einiges löste ich erstklassig.

Schön, das Du für mich da warst als die Vergewaltigungsgeschichte in mir hochgekommen ist. Wie ein Orkan an einem still-harmonisch sonnigen Tag. Viele Lebensaugenblicke beschwingten wir mit der ganzen Spannbreite der lebbaren Vielfalten. Kleine- und große Glückszeitgeschenke überreichte ich Dir!“

Friedvolle Ruhe entfaltete sich wie eine blühende Rose! Der unsichtbare Gast kommt still als Freund, nicht als Feind zur Tür herein! Frieden und Liebe aus einer lichtvollen

Dimensionen breiten Ihre wunderbaren Flügel aus.

Zärtlich ergreift er die Hand meines Vaters. Atemlose Stille! Tränen lösen sich von meinem Herzen und fließen an meinem Gesicht entlang.

Abschiede sind selten willkommen.

Schwestern kommen holen die Ärztin Exitus.

Verständige telefonisch auf dem Korridor meine Familie. Rufe die Seelsorgerin für das wichtige Licht-Ritual des Erden-Abschied-Nehmens an! Kerzenlicht leuchtet das neue andere Gesicht meines Paps aus! Zärtlich streichle ich seine gefalteten Hände. .Bleibe längere Zeit bei ihm. Bereichere seine Hülle in diesem gegenwärtigen Moment mit Liebe als kleine Wegzehrung für sein neues mir unbekanntes - wunderschönes Reiseziel!.

Ich wünsche Dir das Allerbeste!!



Aus meinem Buch "Farbpalette des Lebens" 2008

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Hörbuch

Über den Autor

Loraine
Mein Seelenherz führt meine Lyrikfeder -
will Liebe wie Achtsamkeit für
wichtige Themen und Begegnungen
ans Alltagslicht schöpfen.
Zu Dir - der sich Zeit nimmt
zum Lesen wie Fühlen.
DANKE und eine interessante
Entdeckungsreise zwischen
und in den Gedankenwortzeilen.

Ehrenamtlich für Poesie-Begegnung in Augsburg sowie Freundes- und Förderkreis Blaue Blume Kaufbeuren
Mein aktuelles Buch heißt "LebensFARBspuren" ISBN-Nr.: 978-3-96409-116-1

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Enya2853 Liebe Loraine,
fast fehlen mir die Worte, so sehr berühren mich deine Zeilen, die so viel vermitteln. Trauer, Erinnern, Sehnsucht, Angst, Zuversicht - aber über allem liegt der Mantel der Demut vor dem Leben und vor dem Tod, der unendlichen Dankbarkeit und der Liebe.
Du hast deinem Vater alles gegeben, was ein Mensch einem anderen in diesen Stunden geben kann.

Deine Worte erinnern mich an das Abschiednehmen von meiner Mutter.
Danke, dass du das hier geteilt hast.
Liebe Grüße
Enya
Vor langer Zeit - Antworten
Loraine Liebe Enya -
herzlichen Dank - es ist schon länger her und ich begleitete beide Elternteile beim Abschiednehmen des Lebens. Bei meiner Mutti war es ein anderer tieferer Prozess - da sie bis zum Schluss ihrer Krebserkrankung geistig voll da war.
Ja - voller Liebe und Demut - das ist wichtig es dort nochmals üppig einflie0en zu lassen.
Dein Kommentar berührt mein Herz - Deine Zeilen sind sinnig begreifend schön.
Wehen Erinnerungsblätter ins Jetzt.
Gerne.
Hab heute einen kreativ wunderbaren Tag
Herzlichst
Loraine
Vor langer Zeit - Antworten
sugarlady Ein sehr spannendes Thema.
Es nimmt einen etwas die eigene Furcht vor dem Tod.
L.G.
Vor langer Zeit - Antworten
Loraine Vielen Dank für Deine Zeilen!…
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"Der unsichtbare Gast..."
Gern gelesen, weil es zum einen gut (sehr menschlich) geschrieben ist
und mich zum anderen, an meine selbsterlebte Nahtoderfahrung erinnerte.
LG Louis
Vor langer Zeit - Antworten
Loraine Danke - das es Dir gefällt. Liest es anders mit einer solchen Erfahrung. Schönen Abend und viel POSITIVES Loraine
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Bin gerade sprachlos und betroffen.
Lieben Gruß Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
Loraine Liebe Sabine -
das war bestimmt nicht meine Absicht. Trotzdem hast Du mir eine Favo gegeben - DANKESCHÖN. Schönen Sommertag und liebe Bachgrüße Loraine
Vor langer Zeit - Antworten
SternVonUsedom 
Gut gemacht

Herzlichst
Der Stern
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