Krimis & Thriller
Nichts ist, wie es aussieht...

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"Dunkel sind die Wege, die das Schicksal geht... Euripides"
Veröffentlicht am 18. April 2015, 60 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
© Umschlag Bildmaterial: pixabay/ geralt
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich glaube an Liebe auf den ersten Blick, den verlängerten Arm des Schicksals, an wahre Freundschaft und Gefühlstiefe, an Botenstoffe und guten Rotwein und daran, dass Leben Spass machen sollte. . . Außerdem glaube ich, dass Musik eine große visionäre Kraft besitzt und an die Notwendigkeit sozialer Kompetenz, an Eigenständigkeit und die Verantwortung für eigenes Handeln. Ich glaube an heitere, natürliche Sexualität und daran, dass man seine ...
Dunkel sind die Wege, die das Schicksal geht... Euripides

Nichts ist, wie es aussieht...

Der Flieger war pünktlich gelandet und Anna freute sich wie verrückt darauf, ihn endlich zu sehen. Die letzten zehn Tage waren unglaublich arbeitsintensiv und einsam gewesen. Sie sehnte sich danach, ihren Kopf an seine Schulter zu legen und die Wärme seines Körpers zu spüren. Wie erwartet, dauerte die Taxifahrt fast eine halbe Stunde, obwohl der Verkehr um diese Uhrzeit ohne größere Verzögerungen durch die Metropole floss. Sie bezahlte den Fahrer, warf sich ihre Reisetasche über die Schulter und lief die sieben Stufen bis zum Eingang des Hauses hinauf. Beschwingten Schrittes durchquerte sie das Entree, betrat den Fahrstuhl, um ihn

im dritten Stock wieder zu verlassen. Vor der Wohnung No. 135 blieb sie kurz stehen, fingerte im Halbdunkel des Treppenhauses nach dem Schlüssel in ihrer Handtasche und drehte ihn leise im Türschloss um.

Im Flur brannte Licht. Er schien noch nicht zu schlafen, denn sie hörte leise Musik aus den hinteren Räumen der Wohnung. Geräuschlos stellte sie ihr Gepäck ab und ging auf Zehenspitzen den schmalen Gang entlang. Ein merkwürdig süßlicher Parfümgeruch schwängerte die Luft. Anna war irritiert. Intuitiv suchte ihr Blick die Garderobe und blieb an einer kleinen, roten Lederjacke heften, die eindeutig nicht ihr gehörte.

Was war hier los? Sie ging zögernd weiter.

Im Wohnraum herrschte ein heilloses Durcheinander. Kleidung lag verstreut auf dem Fußboden, zwei Weingläser und mehrere Flaschen standen noch halbgefüllt auf dem Tisch. Der Aschenbecher quoll ebenfalls über und passte in das Bild, das sich ihr bot.

Aus den Boxen klang gerade Claptons "Wonderful tonight", was den Knoten, der sich in Annas Kehle gebildet hatte, nur noch anschwellen ließ. Ihr Herz pumpte kräftiger. Mit weichen Knien stieg sie zögerlich die Treppe ins Obergeschoss hinauf und blieb vor der angelehnten Schlafraumtür stehen. Sie schloss die Augen und holte tief Luft. Mit ihren Fingern gab sie der Tür einen kleinen Stoß und hatte freie Sicht auf das

breite Bett. Etwas blondbemähnt Weibliches saß rittlings auf dem Becken ihres Freundes, und ließ das Hinterteil kreisen, was ihr offensichtlich großes Vergnügen zu bereiten schien, denn das kehliges Stöhnen war gar nicht zu überhören.

Anna lehnte sich fassungslos an den Türrahmen. Er erhob seinen Oberkörper, nahm die Blondine in die Arme und blickte über ihre Schulter direkt in die Augen von Anna. Sichtlich schockiert stellte er jede Bewegung ein, was der Dame vor seiner Brust offensichtlich merkwürdig erschien, denn nun starrten zwei nicht besonders intelligent dreinblickende Augenpaare Richtung Tür.

Stille. Eine entsetzliche Stille breitete sich im

Zimmer aus und kroch unter die Haut.

"Es ist nicht so, wie es aussieht, Schatz", versuchte er, das, was völlig offensichtlich war, zu erklären. Anna schluckte. Schluckte, nein, würgte ihre Empörung hinunter und konnte nicht fassen, wie unerhört dämlich er reagierte. Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt oder etwas besonders Hartes an seinen blutleeren Kopf geworfen. Sie schüttelte leicht den Kopf. Ihr Mund war trocken wie die Sahara und es kostete sie Mühe, mit fester Stimme zu antworten:

"Oh nein, natürlich nicht. Was bitte, macht sie denn gerade? Dir die Temperatur messen? Es reicht mir, verstehst du! Ich gehe jetzt duschen und wenn ich damit fertig bin, ist

dieses....dieses Weibsstück verschwunden. Und vergiss nicht die Fenster zu öffnen, damit der widerliche Gestank verschwindet!" Sie drehte sich ohne ein weiteres Wort um, ging wie hypnotisiert die Treppe zum Bad hinunter, zog sich auf dem Weg dorthin aus und ließ die Kleidungsstücke achtlos zu Boden fallen. Das heiße Wasser strömte ganz fein, wie Sommerregen, aus dem großen Duschkopf und hüllte Annas Körper in einem flüssigen Kokon ein, der ihre Haut wärmte und etwas Leben einmassierte.

Nichts davon nahm sie wirklich wahr. Nur das rasende Hämmern ihres Herzens und diese Übelkeit spürte sie, die sich wie ein zäher Schleimfilm langsam in ihr auszubreiteten

schien. Tränen mischten sich unter die anderen glasklaren Tropfen und flossen unerkannt in die Anonymität der Kanalisation hinaus in die Nacht.... Lange Zeit hatte sie regungslos unter der Dusche gestanden, bis die Muskeln ihres Körpers nicht mehr funktionieren wollten, und sie erschöpft zusammen brach. Anna weinte immer noch. Nicht laut - es waren kleine, nicht versiegen wollende Rinnsale, die sich den Weg über ihre Wangen suchten. Mit jeder verlorenen Träne, so empfand sie es, verließ auch ein Quäntchen Energie ihren Körper. Was sollte sie nur tun? In ein paar Minuten würde sie ihm wieder gegenüber stehen. Wahrscheinlich erzählte er ihr irgendeine

unglaubliche Geschichte. Natürlich, denn die Wahrheit, egal, wie gut er sie auch verkaufen würde, war völlig inakzeptabel. Wie sein Verhalten ohnehin...

Fest in ihren großen Bademantel geschnürt, durchquerte sie barfüßig das Wohnzimmer und ging direkt an die Bar. Nachdem sie demonstrativ eine Flasche Wein entkorkt hatte, füllte sie ihr Weinglas randvoll und schaute ihn an.

Er saß rauchend auf der Lehne des großen Ledersessels und beobachtete jede ihrer Bewegungen.

Wenigstens trug er seine Jeans, stellte Anna mit Beruhigung fest, allerdings bedauerte sie zutiefst, dass er darauf verzichtet hatte, auch

seinen Oberkörper zu bekleiden. Selbst jetzt noch, in dieser Situation, hatte sein Körper eine verheerende Wirkung auf sie und das trug nicht gerade zu ihrer Selbstsicherheit bei.

" Möchtest du eine Zigarette", fragte er und zündete sich erneut einen Glimmstengel an. " Nein danke, ich mag jetzt nicht ", antwortete sie leise und nahm stattdessen einen großen Schluck aus dem Glas.

" Können wir jetzt reden?" " Was möchtest du mir denn noch sagen? Dass es nicht so war, wie es aussah, weiß ich ja schon. Oder versuchst du es nun zur Abwechslung mit der Wahrheit? Falls du das hinbekommst, höre ich dir zu. Aber bitte, für Geschichten ist nicht der richtige Moment!"

Dann erzählte er ihr von Probeaufnahmen im Studio und den zermürbenden Stunden, bis das Demo-Band endlich fertig war. Danach war die ganze Band noch um die Häuser gezogen, hatten viel getrunken und die Sau rausgelassen. Irgendwann war die Blonde aufgetaucht. An den Namen der Kaschemme konnte er sich nicht mehr erinnern, aber als er ging, kam sie einfach mit. Gefragt hatte er sie nicht gefragt, aber so genau war ihm das auch nicht mehr in Erinnerung. Irgendwie war es aber ganz selbstverständlich gewesen, und die logische Konsequenz der Sauferei.

" Ich wollte nicht mit ihr ins Bett, ehrlich - aber dann ist es irgendwie doch passiert. Du weißt doch, wie das so läuft, “ schloss er seine

fadenscheinige Erklärung. " Wie? Das ist alles, was du mir dazu erklären kannst? Kein Bedauern, keine Anflug von schlechtem Gewissen, nichts?“ " Naja, du weißt doch genau, dass ich dich liebe. Worüber reden wir hier?" " Ich fasse es einfach nicht. Du hast nichts verstanden, oder? Liebe? Du glaubst, du liebst mich? Meiner Meinung nach, weißt du nicht einmal, wie Liebe geschrieben wird!"

Anna war völlig außer sich. Wie konnte er ihr in der Art und Weise sein mieses Verhalten erklären wollen? Dieser Mann hatte nicht die geringste Ahnung, wie verletzend sein Benehmen war. Er schaute sie verständnislos an, zog an seiner Kippe und wartete, dass Anna weiter sprach.

"Ich will, dass du deine Klamotten packst - sofort! Ich kann dich nicht länger ertragen!" "Komm Schatz, jetzt mach doch nicht so eine große Sache daraus. Es tut mir leid, ehrlich!" " Keine große Sache? Du hast echt Nerven. Ich finde dich mit einer anderen Frau in meinem Bett vor und du besitzt die Stirn, mir zu sagen, ich soll keine große Sache daraus machen." " Hey, die Kleine war außerdem gar nicht mein Typ. Du weißt doch, dass ich diese Langhaarigen unsexy finde. Und blond..., aber ich habe einfach zu viel gesoffen. Mein Hirn fühlt sich ganz weich an…"

Das halbvolle Glas, dass sie ihm mit voller Wucht entgegen schleuderte, traf direkt seine

Schulter. Der Wein verteilte sich in vielen kleinen Rinnsalen auf der nackten Brust und tropfte schließlich auf die hellen Terrakottafliesen des Fußbodens. Er lachte nur und kam jetzt, etwas wankend, auf Anna zu. " Verschwinde endlich! Pack deine Sachen und hau ab...!“ Er griff nach ihren Schultern und wollte sie mit sanftem Druck an sich ziehen, doch Anna stieß ihn mit aller Macht von sich.

Dabei verlor er irgendwie das Gleichgewicht, strauchelte rückwärts und fiel, wie ein Baum, der Länge nach um. Die Flaschen und Gläser auf dem Tisch klirrten und zerbrachen teilweise bei dem Aufprall, als sein Körper die Tischkante berührte.

Auf dem Fußboden unter dem Tisch bildete sich eine kleine rote Pfütze, die von dem Wein gespeist wurde, der sich in den Fugen sammelte. Bewegungslos lag er auf den Fliesen. Anna war zuerst erstaunt - dann begriff sie, dass er anscheinend das Bewusstsein verloren hatte und eilte an seine Seite. Sie schrie ihn an, schlug ihm ins Gesicht, aber er reagierte nicht. Mit ihrem Ohr ging sie ganz dicht an seinen Mund. Verdammt er atmete nicht mehr.

... Das verflixte Neonlicht schmerzte.

Die unnatürliche Helligkeit stach, wie viele kleine Nadeln, in ihren Augen, bis Tränen

unkontrolliert über Annas käsige Wangen liefen. Hier, auf dem Flur der Intensivstation herrschte gespenstische Stille. Nur ab und zu tauchte, wie aus dem Nichts, jemand vom Pflegepersonal auf, huschte über den Gang und verschwand ebenso geisterhaft wieder hinter einer Tür.

Anna wartete. Wartete darauf, dass man ihr endlich sagte, dass Gavin noch lebte. Wieder und wieder malträtierten sie die Bilder der vergangenen viereinhalb Stunden. Seit dem Moment, als das Notarzt-Team eintraf, hatte sie alles nur noch wie einen irrealen Film erlebt, in den sie auf seltsame Weise hinein geraten war. Jede einzelne Kleinigkeit hatte ihr Gedächtnis abgespeichert und sorgte nun in regelmäßigen Abständen dafür, dass ihr

kotzübel wurde. Sonst fühlte sie eigentlich nichts. Wie konnte das alles nur geschehen? Irgendwie wünschte sie sich, dass es nur ein beschissener Traum war, aus dem sie bald erwachte.


Die Flügeltür öffnete sich und drei Ärzte in OP- Grün kamen auf sie zu. Ein Mittvierziger, mit Ansatz von grauen Schläfen und einer beruhigenden Stimme, stellte sich als Doktor Adams vor. Er und die anderen Ärzte hatten Gavin operiert. Man teilte Anna mit, dass die Operation gut verlaufen sei, und sie die Blutung in seinem Gehirn stoppen konnten. Dennoch hatte Gavin erhebliche Schäden in den betroffenen

Arealen erlitten, deren Auswirkung zum jetzigen Zeitpunkt niemand vorhersagen konnte.

Anna war schockiert. Sie fragte nach seinen Überlebenschancen und hoffte inständig auf eine positive Aussage, aber sie wollten ihr nichts versprechen. Die nächsten Stunden würden sehr kritisch werden, denn er war aus dem Koma nicht mehr erwacht. Die Ärzte fragten dann noch nach Gavins Lebensgewohnheiten und ob er übermäßig Alkohol trank oder Drogen nahm. Anna schüttelte nur den Kopf. Er trank Alkohol. Ja, aber nicht übermäßig und mit Drogen hatte er nie etwas zu tun gehabt.

Daraufhin erklärte man ihr, dass sie an der geplatzten Hirnarterie ein großes Aneurysma

entdeckt hatten. Außerdem war sein Körper vollgepumpt mit einem Drogencocktail, der zu einem enormen Blutdruckanstieg geführt haben musste. Bei seinem Sturz ist dann das Gefäß geplatzt. Es hätte aber auch ohne den Sturz geschehen können. Es war nur eine Frage der Zeit. Sie verstand das alles nicht. Drogencocktail? Gavin hatte wirklich nie Drogen genommen. Er wirkte gestern zwar nicht nüchtern, aber... Anna brach in sich zusammen, sie konnte einfach nicht mehr...denken. Aus einem Nebel drangen die gesprochenen Worte zu ihr. „ Es tut mir leid, ihnen das alles sagen zu müssen, aber Mister Sattler hat ja wohl außer ihnen keine Bezugspersonen, soviel wir hier

ermitteln konnten. Das ist doch richtig?“ Anna nickte nur. Sie teilten ihr auch noch mit, dass die Kripo einige Fragen an sie hätte und sicher bei ihr vorbei käme. „ Möchten sie jetzt Mister Sattler sehen?“ " Ja, natürlich...bitte, führen sie mich zu ihm", bat Anna abwesend und folgte wie in Trance den Ärzten über den endlos langen Gang...


...


Wie fremdgesteuert schloss Anna die Wohnungstür auf. Irgendwie hatte sie keine Ahnung, was sie hier machte. Er war allein und brauchte sie, hämmerte eine Stimme in ihrem Hinterkopf? Nein, sie konnte nicht bei ihm sein. Nicht jetzt. Alles in ihr fühlte sich kalt

und leer an. Selbst als sie bei Gavin am Bett stand, ihn sah, mit den vielen gräßlichen Schläuchen, die überall aus seinem Körper zu kommen schienen - hatte sich ihr Pulsschlag lediglich auf die Frequenz des Überwachungsmonitors eingependelt. Ansonsten passierte nichts. Kein Mitleid, keine Trauer. Nicht einmal ein Anflug von Bedauern für ihn…


Im Wohnzimmer sah alles noch so aus, wie vor Stunden, als Anna, zusammen mit dem Rettungsdienst die Wohnung verlassen hatte.

Ihr ausdrucksleerer Blick schweifte ziellos umher. Gedankenlos sammelte sie ein paar Scherben vom Boden auf, legte sie sich auf

ihre Handfläche und starrte geistesabwesend auf die Fragmente aus Glas.

Jemand schellte. Anna schlurfte hinüber zur Gegensprechanlage und nahm den Hörer ab. Es war die Kripo. Die zwei Ermittler vom NYPD, namens Cooper und McCarcey, hatten sehr viele Fragen und Anna versuchte, sie so gut es ging, zu beantworten.

Sie schilderte ihre Rückkehr von der Reise, gab die Eindrücke und Geschehnisse so präzise wie möglich wieder und machte auch aus ihren Empfindungen während der ganzen Abläufe keinen Hehl. „ Seit wann kennen sie Mister Sattler und wie lange wohnen sie schon zusammen, Miss Jacobsen?“

„ Wir kennen uns seit circa drei Jahren. Die Wohnung gehört mir allein. Gavin wohnt nur hier, wenn er nicht mit der Band unterwegs ist.“ „ Wo haben sie ihn kennengelernt?“ fragte Cooper. „ Ich bin freie Journalistin, aber das wissen sie ja schon. Nun, er hatte einen Auftritt in Seattle und ich war gerade in der Stadt und bekam Karten von einer Bekannten für den Backstage-Bereich. Wir begegneten uns dort und irgendwie hat es sofort gefunkt. Danach sahen wir uns regelmäßig. Naja, und irgendwann kam er mit seinen Klamotten hier an und dann ist es dabei geblieben.“

Sie lächelte schwach.


„ So viel wir ermitteln konnten, ist er in London geboren und hat keine nahen Angehörigen mehr. Ist das richtig?“ „ Ich denke schon. Gavin hat mir nur erzählt, dass seine Familie, also Eltern und Schwester, bei einem Unfall ums Leben kamen. Damals war er gerade achtzehn Jahre alt. Danach trampte er lange mit einem Freund durch Irland und Schottland und lebte von dem, was er als Straßenmusiker verdiente.“ „ Und wie kam er in die Staaten? Wir wissen nur, was in seinem Pass vermerkt ist. Demnach reiste er das erste Mal im Januar 2008 ein und bekam 2012 die Permanent Resident Card. Seither ist er noch mehrfach ein und ausgereist. Ich nehme an, aus

beruflichen Gründen, “ stellte McCarcey fest. „ Das ist ganz richtig. Kurz nachdem er die Greencard erhalten hatte, lernten wir uns kennen. Seither spielte er überwiegend im Land, aber es gab auch einige Termine in Europa.“ „Wo war er denn dieses Mal? Sie sagten, er wäre gerade von einer Tour zurückgekommen, erwähnten jedoch bei ihren Schilderungen des Abends auch, dass er ihnen erklärte, noch mit der Band im Tonstudio gewesen zu sein. Wussten sie von dem Vorhaben?“ „ Nein, ich ging nur davon aus, dass er schon hier sein würde, wenn ich zurück komme.

Wir hatten am Abend vorher telefoniert und da waren er noch in Miami und ich in

Washington DC. Das die Band noch ins Studio wollte, wusste ich nicht.“ „ Eine letzte Frage noch, Miss Jacobsen, ,, dann lassen wir sie erst einmal zufrieden“, bemerkte Cooper und sollte wohl aufmunternd klingen, „ haben sie eine ähnliche Situation schon einmal mit Herrn Sattler erlebt? Ähm, will sagen, gab es in der Vergangenheit Entgleisungen dieser Art?“ „ Welche Art meinen sie? Das er gesoffen hatte oder eine andere Frau gefickt hat?“ „ Es tut mir leid. Gab es andere Frauen?

Es wäre hilfreich, wenn sie die Frage beantworten würden.“ „ Nein, meines Wissens nicht.“

Anna starrte ihn an und versteifte sich sichtlich. Cooper beobachtete sie genau,

während er auf sie zuging. Er spürte deutlich, dass die junge Frau auf eine psychische Krise zusteuerte. " Darf ich...?" Weiter kam er mit seiner Frage nicht, denn Anna schloss blitzschnell ihre Hand zu einer Faust und ließ Cooper sofort innehalten.

Beide Männer hörten Glas zerbrechen. Dann tropfte Annas Blut auf die Fliesen. Cooper griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. Anna wehrte sich nicht. Mit glasigem Blick schaute sie auf die blutige Masse ihrer geöffneten Hand. Sie spürte nichts. Keine Schmerzen, kein Bereuen, nichts...

" Hol was zum Verbinden, verdammt, " bellte Cooper seinem Kollegen über die Schulter zu

und versuchte indes die Splitter aus Annas Fleisch zu entfernen. " Sie müssen ins Krankenhaus. Das muss genäht werden!" sagte er so sanft er konnte. Anna sagte nichts. Sie schüttelte nur panisch den Kopf. " Gut. Ist ja gut, " versuchte er sie zu beruhigen, " ich werde sehen, was ich tun kann, um die Schnittwunden zu verarzten."

Ihre Hand war notdürftig versorgt und als das Brennen und Pochen in ihrer Handfläche zunehmend stärker wurde, hatte sie endlich zugestimmt, sich in die Ambulanz fahren zu lassen.



" Wenn sich alles so abgespielt hat, muss ihm jemand den Drogencocktail verabreicht haben. Aber warum? Und wer war diese ominöse Frau?" sinnierte Cooper, auf das Lenkrad gelehnt. " Wo, sagte sie, hatte er diese Blondine kennengelernt?" " In einer Bar hat er sie aufgegabelt. Er konnte sich nicht einmal an den Namen erinnern," antwortete McCarcey. „ Dann werden wir mal hören, was seine Kollegen dazu sagen, mein Alter,“ stellte Cooper fest und startete den Wagen.

...


Nachdem die Polizisten mit allen Musikern geredet hatten, wussten sie nicht viel mehr,

als vorher. Gemeinsam hatten die Männer noch ein paar Drinks genommen, waren durch verschiedene Bars gezogen, aber eine Frau, auf die die Beschreibung von Anna passen könnte, hatten sie nicht getroffen. Ausnahmsweise war der Abend ohne jeden weiblichen Anhang vorübergegangen und da sie ziemlich besoffen waren, fuhren sie alle mit einem Taxi nach Hause. Gavin allerdings bestand darauf, nicht mit ihnen zu fahren, weil er noch ein paar Schritte gehen wollte, um den Kopf wieder klar zu kriegen. Das war zwar überhaupt nicht seine Art, aber manchmal war er ziemlich schräg drauf...


Cooper saß neben McCarcey im Auto und machte ein verkniffenes Gesicht.

" Etwas ist faul an dieser Geschichte! Mein Magengeschwür sagt mir, dass die Sache zum Himmel stinkt," grunzte er.

...

Todmüde stieg Anna aus dem Taxi. Vor dem Haus warteten schon ein Streifenwagen auf sie. Beim Anblick von Cooper, der seinen massigen Körper gerade aus dem Auto schraubte, verlor Anna innerlich völlig die Fassung und begann sich förmlich aufzulösen, denn in ihr schrie jeder Nerv danach, endlich schlafen gehen zu dürfen.

" Hallo! Alles gut gelaufen im Krankenhaus?" erkundigte sich Cooper, während er auf sie zu schlenderte. Anna nickte mit dem Kopf, wie eine Marionette und versuchte ein

Lächeln, was allerdings misslang. " Was wollen sie denn noch von mir? Ich würde so gerne schlafen. Können sie das nicht verstehen?"

" Klar, verstehe ich das, Miss Jacobsen, aber es haben sich noch Fragen ergeben und wir wären ihnen verbunden, wenn sie uns noch etwas Zeit schenken. Danach dürfen sie schlafen, versprochen, " beruhigte er sie und setzte ein versöhnliches Gesicht auf. " Na gut, dann kommen sie schon, bevor ich noch hier auf dem Bürgersteig einschlafe."

Gemeinsam betraten sie den Fahrstuhl und fuhren schweigend bis in den dritten Stock hinauf. In der Wohnung angekommen, fiel Anna förmlich in den Sessel und schaute

desinteressiert in Richtung Tür, wo Cooper und McCarcey immer noch standen. " Wissen sie, Miss Jacobsen, es tut mir leid, aber irgendetwas stimmt nicht an dieser Geschichte, " begann Cooper, nachdem er Anna eine Weile nachdenklich angeschaut hatte. " Ich glaube, ich verstehe nicht. Was meinen sie?" entgegnete sie. " Ich meine die Tatsache, dass niemand diese blonde Frau gesehen haben will. Keiner der Bandkollegen kann sich an eine Person erinnern, auf die ihre Beschreibung passt. Und noch etwas. Mister Sattler hat nicht mit den Anderen das Taxi genommen, sondern ist noch allein unterwegs gewesen. Wohin er gegangen ist, nachdem sie sich

trennten, wissen wir noch nicht. Aber dabei kommt der Zeitfaktor ins Spiel, denn vom Verlassen der Bar bis zu ihrem Eintreffen in der Wohnung bleiben weniger als drei Stunden." Cooper beobachtete Anna genau. Sie ließ keine Regung erkennen. " Ich weiß nicht, worauf sie hinaus wollen, Mister Cooper? Die Frau war hier und hat meinen Mann vernascht. Zu den anderen Details kann ich wirklich nichts sagen, bedaure! " "Offensichtlich muss Mister Sattler schon einige Zeit in der Wohnung gewesen sein, denn man braucht sich hier ja nur mal umzuschauen. Klar ist, dass dieses Gelage nicht im Handumdrehen entstanden ist. Hier

hat jemand ausgiebig gefeiert, und das wohl nicht allein!" " Ja, das sage ich doch. Dieses Weib war bei ihm...und mit ihm in meinem Bett!"

Anna schluckte den Kloß hinunter, der sich gerade in ihrer Kehle zu bilden begann. " Ja, das sagen sie! Aber wer ist denn diese geheimnisvolle Frau, von der sie reden und die keiner kennt?" McCarcey ging im Zimmer umher, während sein Kollege sprach und schaute sich um. " Vielleicht sollten wir abwarten, bis die Spurensicherung hier war,“ warf er ein. "Wieso Spurensicherung? Nimmt das denn gar kein Ende hier? Ich kann nicht mehr," sagte Anna zerknirscht. " Ich nehme mal an, dass sie auch wissen

wollen, wie das hier alles zusammen hängt, oder? Schließlich liegt ihr Lebensgefährte in Koma und noch kann niemand sagen, ob er das überhaupt überlebt. Irgendjemand hat ihm ziemlich übel mitgespielt und ich für meinen Teil werde nicht Ruhe geben, bis ich weiß, was zum Teufel hier abgegangen ist. Warum er sterben sollte?" Anna schaute Cooper nun mit großen Augen fragend an. "Warum er sterben sollte?!" " Ja, junge Frau, ich glaube, es war ein Mordversuch und nicht nur ein dummer Zufall." "McCarcey, frag endlich nach, wo unsere Kollegen bleiben. Die werden hier das Unterste nach Oben kehren und jeden

verfluchten Fussel, jede Hautschuppe will ich identifiziert haben! Ist das klar?" " Und sie, Miss Jacobsen, sollten es sich in ihrem Sessel gemütlich machen. Es wird noch etwas dauern, bis sie ins Bett können, fürchte ich, " meinte er bestimmt.

Die Spurensicherung traf wenig später ein und es dauerte mehr als zwei Stunden, bis das Team der Polizei endlich mit ihrer Arbeit fertig war.

Endlich konnte Anna schlafen. Sie kroch förmlich die Stufen zum Schlafzimmer hinauf, sah das Bett, noch völlig zerwühlt, und riss Decken, Kissen und Laken von der Matratze und ließ alles auf dem Fußboden liegen. Es war ihr egal. Schlafen, endlich schlafen, mehr

konnte sie nicht denken. Anna rollte sich langsam auf die Seite und schlief sofort ein.

...

Es war gegen 13:00 Uhr des folgenden Tages, als die Polizisten ihr Büro betraten und den Bericht der Spurensicherung auf dem Schreibtisch vorfanden.

Cooper brütete lange schweigend über den Ergebnissen und legte dann die Akte zur Seite. "Was steht denn nun in dem Bericht?" wollte McCarcey wissen," Mensch Coop, mach es doch nicht so spannend!" " Das wirst du nicht glauben. Es gibt nicht einen fremden Fingerabdruck. Weder auf Gläsern, Flaschen, Kippen...nicht ein kleiner Anhaltspunkt auf eine dritte Person. Und das

Allerbeste - keine verwertbaren Spuren im Bett. Nur Spermaspuren von ihm. Verdammt, verdammt!" " Das geht doch nicht. Es müssen doch irgendwelche Hinweise auf die andere Frau zu finden sein. Nur Geister hinterlassen keine Spuren," spottete McCarcey. " Genau, nur Geister nicht! Aber was wäre, wenn es die Andere gar nicht gibt?" " Na, das wäre ja ein Ding! Das würde doch bedeuten, dass sie selbst...!" " Jo, genau das würde es bedeuten...aber warum?“ „ Warum sollte sie die Geschichte mit der Blonden erfinden? Nichts spricht dafür, dass sie lügt. Ich kann mir zwar noch keinen Reim darauf machen, aber wir müssen etwas

übersehen haben. Wir sollten in seiner Vergangenheit wühlen. Vielleicht finden wir was. Die Jungs aus der Band waren viel zu bestürzt und das Mitgefühl für Miss Jacobson war echt. Nein. Wie die alle angaben, hatten die zwei eine glückliche Beziehung.“ „ Ja, ich weiß und trotzdem ist da etwas oberfaul. Also, hole dir die Informationen, die du brauchst. Ich gehe noch einmal zur SpuSi.“ Zwei Tage später… Das Telefon klingelte, als Anna sich gerade die Jacke auszog. „ Hallo, hier Jacobson, “ meldete sich Anna. „ Er lebt also noch. Der Scheißkerl will nicht verrecken, oder?“ flüsterte eine Frauenstimme.

„ Was! Was soll das, verdammt? „ Oh, hör auf damit, Süße. Du hast ganz schön blöd aus der Wäsche geguckt, als ich…na du weißt schon.“ Die Stimme kicherte böse. „ Warum nur? Warum diese abscheuliche Tat? Nur ein völlig verrückter Geist kann eine solche Tat begehen.“ „ Verrückt? Du wirst schon sehen. Er wird bezahlen, das Schwein, das verspreche ich!“ Sie hatte aufgelegt. Den Hörer noch immer in der Hand haltend, stand Anna da und zitterte am ganzen Körper. Was sollte sie tun? Sie musste etwas unternehmen? Cooper! Umgehend wählte sie die Nummer des Reviers und kurze Zeit später meldete er

sich. Sie hatte ihm den Inhalt des Gespräches geschildert und er schwieg. „ Was sagen sie dazu, Mister Cooper?“ wollte sie wissen. „ Erstaunlich. Höchst erstaunlich und zugleich beunruhigend. Wir werden bei ihnen eine Fangschaltung installieren, nur für den Fall, dass sich die Dame noch einmal meldet. Wir kommen mit den Kollegen vorbei, es dauert aber noch etwas.“ „ Soll ich ans Telefon gehen?“ fragte Anna noch. „ Nein“, war seine klare Ansage.

Später wurde die Technik angeschlossen und ein Ermittler blieb nun ständig bei ihr. Ebenso

teilte ihr McCarcey mit, dass ein Beamter vor dem Krankenzimmer postiert wurde, was sie sichtlich beruhigte. Inzwischen fühlte sie sich körperlich besser und ging jeden Tag zu Gavin ins Krankenhaus. Sein Zustand war unverändert, aber die Ärzte glaubten nun daran, dass er überleben würde. Überleben! Konnte man diesen Zustand Leben nennen. Selbst wenn er aus dem Koma erwacht, würde seine Finger wahrscheinlich nie wieder eine Gitarre halten können. Dieser Gedanke machte sie fertig.

„ Haben sie schon etwas Neues erfahren?“ fragte sie die Ermittler. „ Es gibt da eine heiße Spur, aber wir brauchen noch die Ergebnisse von Interpol.

Die Kollegen in London gehen zur Zeit verschiedenen Hinweisen nach und bis wir nichts Genaues wissen, möchte ich nicht darüber reden, “ beendete Cooper seine Ausführungen. „ Kann ich irgendetwas tun? Ich fühle mich gerade schrecklich nutzlos…!“ „ Arbeiten sie. Arbeiten ist die beste Möglichkeit, sich abzulenken und nicht ständig zu grübeln!“ „ Wir werden sie kriegen, Miss, “ versprach McCarcey und dann waren sie gegangen. Drei Tage später…. Anne saß in einem Cafe und bereitete sich gerade auf ein Interview vor, als ihr Handy eine SMS empfing. Sie las schweigend und

hätte fast das Telefon fallen lassen, als sie begriff, was dort geschrieben stand: ER WIRD BEZAHLEN. FÜR ALLES, WAS ER MIR ANGETAN HAT. WENN DU NICHT WILLST, DASS ES DIR AUCH SO GEHT, SOLLTEST DU DIE BULLEN DA RAUS LASSEN.

Sie rief Cooper an und der forderte sie auf, das nächste Taxi zu nehmen und zu ihm zu kommen. Das Interview sagte sie ab und nach einer Stunde war sie endlich in seinem Büro. Er las die Nachricht, verschwand mit dem Handy für kurze Zeit und kam ohne das Gerät zurück. „ Wir versuchen den Sender, will sagen, die Nummer des Absenders herauszufinden. Ich glaube zwar nicht, dass es was bringt, aber

man kann ja nie wissen. Manchmal sind Täter derart von ihrer Intelligenz überzeugt, dass sie Fehler machen.“ „ Haben sie einen Kaffee?“ fragte Anna. Cooper kam mit einem Becher lauwarmer, brauner Brühe zurück und stellte ihn vor Anna auf den Tisch. „ Und sind sie schon weiter gekommen?“ „ Wir haben die Unterlagen noch nicht, aber wir wissen jedenfalls jetzt, dass Mister Sattler noch in einer Spelunke am Hafen war. Es gibt zwei Zeugen, die bestätigen können, dass auch die blonde Frau bei ihm war. Sie sind zusammen dort aufgetaucht. Wo sie sich getroffen haben, bleibt weiterhin unklar.“ „ Sind sie von dort aus in die Wohnung

gefahren?“ „ Wenn man die Zeiten zugrunde legt, kann es nur so gewesen sein. Demnach muss also ihr Lebensgefährte den Drogencocktail aller Wahrscheinlichkeit nach, in der Wohnung serviert bekommen haben. Dafür spricht auch der zeitliche Wirkungsgrad, denn eine halbe Stunde später, wäre er wohl kaum noch bei Bewußtsein gewesen. Das sagen jedenfalls die Gerichtsmediziner. Schmeckt der Kaffee.“ „ Nein, nicht wirklich! Und sowas trinken sie hier?“ Anna versuchte zu lächeln. Die Tür wurde aufgerissen und McCarcey stand mit erfreutem Gesicht mitten im Raum. „Das Fax von Interpol ist gerade gekommen. Demnach gab es tatsächlich einen dunklen

Punkt im Leben von Mister Sattler. Hier, schau dir das an, Coop.“

Cooper brütete über dem Fax, las Seite um Seite, schweigend. „ Haben sie schon mal etwas von einem Perry Wilson gehört?“ fragte er Anna. Sie schüttelte den Kopf. „ Wer ist das?“ „ Das kann ich ihnen noch nicht sagen. Wir müssen noch einige Ermittlungen anstellen. Darf ich sie jetzt bitten zu gehen, Miss. Wir haben zu tun. Ein Kollege wird sie fahren und bei ihnen bleiben. Ach ja, das Handy brauchen wir noch. Guten Tag.“ Anna schaute die Beiden irritiert an, verließ dann aber den Raum, wie verlangt.


Der vierte Tag… Büro Cooper: „Bei den Ermittlungen stellte sich heraus, dass Sattler in seiner Zeit in London, mit mehreren Bands spielte. Es waren immer unterschiedliche Musiker dabei, allerdings blieb Perry Wilson stets der Bassist. Wilson hatte ein heftiges Drogenproblem und war zuletzt nicht mehr tragbar. Er durfte nicht mehr spielen und kurz darauf setzte er sich den goldenen Schuss.

Damals wurde gemunkelt, dass Sattler ihm letztendlich den Todesstoß versetzt hatte. Das veranlasste ihn wohl, Europa ganz zu verlassen und seine Karriere in USA neu zu starten. Ansonsten war da nichts. Nachforschungen ergaben jedenfalls, dass

Sattler mit dem Tod von Wilson nichts zu tun hatte.“ „ Hatte Wilson Angehörige, Frau, Kinder?“ „ Ja, eine Schwester. Sie lebte bis vor zwei Jahren in London. Ist dann ausgewandert.“ „Wohin?“ rief Cooper.

„ In die Vereinigten Staaten. Genau nach Washington DC. Sie ist unter dem Namen Terry Ryan ins Register eingetragen. Laut den Unterlagen war sie kurz mit einem Michel Ryan verheiratet, hat sich dann aber im September 2014 scheiden lassen.“ „ Das ist ein dicker Hund. Mein verdammtes Magengeschwür meldet sich wieder. Freunde, ich fresse einen Besen, wenn das nicht unsere Blondine ist. Schickt sofort eine Fahndung raus und holt mir das Weib,“

donnerte Cooper. „ McCarcey, sag den Kollegen in Washington, sie sollen sich mit dem Ex von der Dame unterhalten. Ich will alles über sie wissen.“ „ Was ist eigentlich mit dem Handy von Miss Jacobson? Konnten irgendwelche Daten gesichert werden?“ „ Das Handy, von dem die SMS verschickt wurde, ist abgemeldet. Wahrscheinlich unbrauchbar gemacht. War sowieso nicht registriert.“ „ OK, habe schon so etwas erwartet. Also, an die Arbeit Kollegen!“ Der sechste Tag… „Kommt ihnen eine der weiblichen Personen bekannt vor, Miss Jacobson?“

Anna blickte lange durch die verspiegelte Glasscheibe auf die sieben Frauen, die dort aufgereiht standen und alle ein Schild mit einer Nummer vor ihre Brust hielten. Sie hatten alle lange blonde Haare und glichen sich sehr. Jeder einzelnen Frau blickte sie ins Gesicht, blieb kurz an Nummer Drei hängen, und fuhr mit ihrer Betrachtung fort. „ Und? Irgendwen erkannt?“ „ Sie sehen alle so gleich aus, müssen sie wissen. Ich habe doch quasi nur den Rücken und die langen Haare gesehen,“ gab Anna zu bedenken. „ Können sie sich festlegen oder nicht, Miss Jacobson?“ fragte Cooper ernst. „ Nein, das kann ich nicht!“ „ Gut, dann können sie gehen. Danke!“

Wenig später stürmte Cooper in sein Büro und teilte seinem Kollegen das Ergebnis der Gegenüberstellung mit. Ihm war allerdings nicht verborgen geblieben, dass die Zeugin kurz bei Nummer Drei verweilte. Etwas sagte ihm, dass Miss Jacobson und Miss Ryan sich kannten. Da war mehr, als er sehen konnte.

„ Wenn die Beiden sich kennen, frage ich mich, was die Jacobson uns hier vorspielt,“ dachte McCarcey laut. „ Genau. Lass uns doch den Gedanken einmal weiterspinnen. Sie ist die Schwester von dem Mann, dem Sattler angeblich den Todesstoß versetzt hat, wie es hieß. Das Motiv für Ryan ist klar. Rache! Ok. Aber wo kommt da die Jacobson ins Spiel. Ich kann

keine Verbindungen erkennen. Es sei denn, die Beiden kannten sich schon. Was ist die Ryan eigentlich von Beruf?“ „ Das glaubst du nicht. Ist mir vorher auch nicht aufgefallen. Sie arbeitet bei der Zeitung. In der Recherche der Washington Post. Das wäre doch eine Möglichkeit!“ „ Wir checken das. Alles. Umfeld, Kollegen, Dienstreisen, Essen, Hotels, jede Spesen-abrechnungen…eben alles. Wenn das stimmt, dann kriegen wir sie ….!“ Neunter Tag… Büro Cooper: Wir verhörten in der letzten Nacht Miss Anna Jacobsen und Miss Terry Ryan, die unter dem Verdacht stehen, gemeinschaftlich den

Mord an Gavin Sattler geplant zu haben. Ebenso bleibt die gemeinsame Durchführung des versuchten Mordes noch Tatbestand.

Die beide Verdächtigen wurden getrennt und über einen langen Zeitraum verhört. Sechs Stunden und zweiunddreißig Minuten dauerte es, bis Miss Jacobson ihr Schweigen brach. Sie legte ein umfangreiches Geständnis ab und belastete damit die Mitverdächtige, Miss Terry Ryan ebenfalls schwer.

Der sachliche Hergang, sowie die Tat stellt sich wie folgt dar: Miss Jacobson lernte 2012 über berufliche Verbindungen, Miss Terry Ryan kennen und lieben, die damals schon bei der Washington Post arbeitete und von der sie auch die Karten für Gavin Sattlers

Konzert in Seattle bekam. Unmittelbar nach dem Konzert lernte Miss Jacobson das Opfer kennen und begann eine Beziehung mit ihm. Zu diesem Zeitpunkt planten die beiden Verdächtigen schon das gemeinsame Verbrechen. Man muss davon ausgehen, dass die Kontaktaufnahme zum Opfer nur unter dem Kalkül erfolgte, ihn zu einem späteren Zeitpunkt gemeinschaftlich zu töten. Terry Ryan war, und davon müssen wir zum jetzigen Zeitpunkt ausgehen, dabei die treibende Kraft. Sie überredete ihre Geliebte, Miss Jacobson dazu, Sattler kennenzulernen und eine Beziehung zu beginnen.

Nach Aussage Johannsons, versuchte diese sich immer wieder Zeit zu verschaffen, in der Hoffnung, dass Terry Ryan ihr gemeinsames

Vorhaben aufgeben würde. Doch Ryan verstand die Tötung von Sattler als ihre Bestimmung. Sie musste den Tod ihres Bruders rächen. Je länger Miss Jacobson mit Sattler leiert war, umso eifersüchtiger und bedrohlicher wurde die Beziehung zu Miss Ryan, die sich zwischenzeitlich von ihrem Mann scheiden ließ, um dann, nach dem Ableben von Sattler, ganz mit Miss Jacobson zusammen sein zu können.

Anscheinend wurden die Rachegedanken gegen das Opfer immer stärker und das Vertrauen zu Jacobson schwand, sodass Terry Ryan kurzerhand beschloss, das Verbrechen allein durchzuführen. Sie hegte die Vermutung, Jacobson hätte inzwischen Gefühle für Sattler entwickelt und dies konnte

sie nicht zulassen. Als Miss Jacobson von der Geschäftsreise zurückkehrte und Ryan in flagranti mit Sattler in ihrem Schlafzimmer vorfand, gab es nur eine Möglichkeit, um das Schlimmste noch zu verhindern. Sie forderte Sattler auf, Ryan aus der Wohnung zu entfernen und spielte ihre Rolle weiter. Zu diesem Zeitpunkt war ihr klar geworden, dass Ryan ihr Vorhaben skrupellos umgesetzt hätte, wenn sie nicht rechtzeitig gekommen wäre. Selbst der sexuelle Akt gehörte zu ihrem Plan dazu, denn der Drogencocktail, in Verbindung mit der Anstrengung, sollte zu einem schnelleren Ableben führen, wie Ryan ihr später am Telefon erklärte. Zu diesem Zeitpunkt distanzierte Jacobson sich in Gänze von Ryan

und dem gemeinsamen Vorhaben.

Dass es in dem Streit zwischen Sattler und Jacobson dann zu dem Sturz kam, und den daraus resultierenden Verletzungen, war von Jacobson nicht beabsichtigt. Das irreführende Verhalten der beiden Verdächtigen war der Situation geschuldet.

Unser Dank geht an die Londoner Kollegen, ohne die dieser Fall vielleicht nicht aufgeklärt worden wäre. Terry Ryan hat kein Geständnis abgelegt. Die beiden Verdächtigen wurden vor einer Stunde dem Haftrichter vorgeführt. ©roxanneworks 2015

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Über den Autor

roxanneworks
Ich glaube an Liebe auf den ersten Blick, den verlängerten Arm des Schicksals, an wahre Freundschaft und Gefühlstiefe, an Botenstoffe und guten Rotwein und daran, dass Leben Spass machen sollte. . . Außerdem glaube ich, dass Musik eine große visionäre Kraft besitzt und an die Notwendigkeit sozialer Kompetenz, an Eigenständigkeit und die Verantwortung für eigenes Handeln. Ich glaube an heitere, natürliche Sexualität und daran, dass man seine Geburtstagsgeschenke nicht schon vorher auspacken sollte...und ich glaube an nie enden wollende, sanfte feuchte Küsse und die Macht der Liebe, die ein Leben lang andauert...

Mich inspiriert das Leben und die Menschen darin. Die innere Auseinandersetzung mit all den Stolpersteinen, die das Leben mir vor die Füße legt. In meinen Texten versuche ich mich den unterschiedlichsten Themen des Lebens auf meine Weise zu nähern, sie aufzuschlüsseln und zu verarbeiten. Dabei werde ich das Leben stets von der heiteren Seite betrachten, gleichwohl finden sich auch Gedanken von mir, die mit schwarzer Tinte geschrieben wurden. Meine Präferenz in der Literatur gehört jedoch der Liebe, mit all ihren Facetten.
©roxanneworks
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mohan1948 Spannend geschrieben - habe nicht aufhören können, bis zum Ende! War über den Ausgang total überrascht!
Liebe Grüße
Hannelore
Vor langer Zeit - Antworten
roxanneworks 
Das freut mich wirklich sehr, liebe Hannelore...
zumal es erst mein zweiter Krimi ist...;-)

HERzlichen Dank
und ganz liebe Grüße
roxanne
Vor langer Zeit - Antworten
szirra Es kommt oft anders als man denkt... gut geschrieben und ein Ausgang, den ich so nicht erwartet habe.
Vor langer Zeit - Antworten
roxanneworks 
Danke für Deine Interesse...

Ganz liebe Grüße
roxanne
Vor langer Zeit - Antworten
abschuetze Toller Krimi. Spannend zu lesen.
Schade, Anna hätte mir gefallen und nun ist sie .... Naja, unerwartetes Ende. Eins irritiert mich aber bei den Ermittlungen. Warum waren keine fremden Spuren zu finden ;)

LG von Antje
Vor langer Zeit - Antworten
roxanneworks ;-))))
Vor langer Zeit - Antworten
abschuetze Toller Krimi. Spannend zu lesen.
Schade, Anna hätte mir gefallen und nun ist sie .... Naja, unerwartetes Ende. Eins irritiert mich aber bei den Ermittlungen. Warum waren keine fremden Spuren zu finden ;)

LG von Antje
Vor langer Zeit - Antworten
roxanneworks 
Liebe Antje, ich habe versucht die Geschichte sowohl aus Sicht der Protagonistin zu schreiben, wie auch die Sicht der Polizisten zu schildern...dabei bin ich in vielen Bereichen sehr vage geblieben, nicht zuletzt, um dem Leser die Möglichkeit zu geben, eigene Gedanken zu entwickeln...
Die Scherbe in der Hand z.B. hätte durchaus verwertbare Spuren haben können...oder offen bleibt auch die Möglichkeit eines Lakentausches o.ä. ...
Danke für Dein Interesse
und ganz liebe Grüße
roxanne
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Ein genialer Krimi! Habe ihn sehr gern gelesen, obwohl ich kein Krimi-Fan bin. Ich staune immer wieder, wie man sich diese "Dinge" ausdenken kann.
Mit dem sachlichen Ende war ich nicht ganz glücklich. Nach dem spannenden Verlauf hätte ich mir eine ebenso spannende Auflösung gewünscht, oder zumindest noch einmal eine kurze Rückkehr zu den Verdächtigen.
Trotzdem beide Daumen hoch und viel Glück!
Lieben Gruß Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
roxanneworks 
Freut mich riesig, wenn es Dir gefällt. Der sachliche Schluss ist bewußt gewählt, weil ich genau hier den Leser einladen wollte, sich eigene Bilder und Handlungsräume anhand der fakten zu schaffen...

Ganz liebe Grüße
roxanne
Vor langer Zeit - Antworten
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