Kurzgeschichte
Morgenspaziergang

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"Die Bäume, noch karg vom Winter, ragen gespensterhaft in den Himmel"
Veröffentlicht am 20. März 2015, 14 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Andrea Minutillo
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich - eindeutig rot - freiheitsliebend - in mir drin schon mal unsicher, beinahe verklemmt - nach außen der Fels in der Brandung - die Person, auf die man sich verlassen kann - auch mal anlehnen, kein Problem - ein dunkles samtiges Rot also - richtig viel Farbe - dicke Haufen davon auf der Leinwand - Struktur - Kunstschule Zürich - zahlreiche Ausstellungen in der Region - flippig - flapsig - bunt in mir drin - auch mal ...
Die Bäume, noch karg vom Winter, ragen gespensterhaft in den Himmel

Morgenspaziergang






Die Begegnung mit der eigenen Courage kann ein sehr nachhaltiges Erlebnis sein …



Frei nach einer wahren Begebenheit.

morgenspaziergang


Ich liebe es, die erste zu sein. Ich liebe die Einsamkeit auf meinem Weg.


Und so auch heute: Ein Blick auf den Wecker. Wunderbar!

5:23 Uhr.

Also die beste Zeit für einen morgendlichen Spaziergang. Allein! Ohne Sonnenanbeter, die sonst nicht die Füße vor die Tür bekommen.

Ein Blick aus dem Fenster: Dämmerung. Leichter Dunst in der Luft.

Es nieselt.

Sehr gut.

Bevor ich losziehe, bereite ich die Espressomaschine vor, dann brauche ich später nur noch den magischen Knopf drücken. Mit einem Lächeln auf den Lippen mache ich mich wetterfest.

5:30 Uhr.

Ich schließe die Tür hinter mir und nehme einen tiefen Atemzug Morgenfrische. Das Panorama, das sich mir hier bietet, passt in keinen Bilderrahmen.

Nicht ansatzweise! Die Bäume, noch karg vom Winter, ragen gespensterhaft in den Himmel.


Ein roter labberiger Luftballon.

Wann hat er sich dort oben verfangen?

Ich biege vom Hauptweg ab. Gehe zu den kleinen Seen hinüber. Ein Schwanenpärchen gleitet einvernehmlich durch die Bucht.

Falls man das so nennen kann, bei diesem kleinen Tümpel.


Am Rand des Wassers watschelt eine Ente unbeeindruckt von Uhrzeit und Nieselregen.

Ich ziehe weiter.

Möchte die Tiere nicht aufschrecken.



Nach einer kleinen Biegung tauche ich in den Wald ein.

Der Regen hinterlässt einen leichten Schimmer auf den Baumrinden. Nebelschwaden verschleiern das Unterholz. Äste knacken unter meinen Schuhen.


Aus dem Dunst heraus beobachtet mich ein geheimnisvoller Geselle.

Meine Phantasie spinnt soeben ein wundersames Netz aus Herzklopfen und Gefährlichkeiten.

Ich überwinde mich, trete näher heran. Es handelt sich um eine Wucherung an der Rinde dieses stattlichen Baumes.


Klebrige Harznasen geben dem Pilz sein markantes Aussehen.

Ganz langsam beruhigt sich mein Puls. Ich ziehe weiter.


Muss diesen Waldgeist zurücklassen. Aus meinen Gedanken und Phantasien verbannen, bevor er heranwächst zu einem unvergesslichen Grauen.

Während meine Füße mich weitertragen und mein Geist sich mit dem Verbannen beschäftigt, knacken erneut Äste.

Sie schreien unter den Schuhen.

Nur unter meinen Schuhen?

Nein! Auch in einiger Entfernung!

Wer ist so früh auf den Beinen?

Außer mir, versteht sich!

Ich beschleunige meine Schritte.

Es fehlt nicht viel, und ich laufe. Laufe um die nächste Biegung.

Nebelschwaden grinsen gemein.

Ich schaue auf den Boden.

Steine und Äste bilden ein gezacktes Streifenmuster.




Mein feuchtes Haar verheddert sich im Geäst.

Ein Teil von mir bleibt dort hängen, während ich weiterhetze.

Der Schmerz hallt ein wenig nach.

Das Knacken der Äste kommt immer dichter an mich heran. Meine Nackenhärchen richten sich auf.


Ich versuche meinen Schritt nochmals zu beschleunigen, doch ich stoße bereits an meine Grenzen.

Das Atmen brennt in meiner Brust. Ich weiß, es gibt keine andere Möglichkeit.

An Flucht ist nicht mehr zu denken.


Zu langsam meine Schritte, zu behäbig mein Körper.

Also nehme ich meinen Mut zusammen. Bleibe abrupt stehen und drehe mich blitzartig um.

„WAS SOLL DAS WERDEN?“, schreie ich heraus.

Eine dunkle Gestalt.

Vor meinen Augen verzieht sie sich in eine Nebelschwade. Wie meine Courage verflüchtigt sich mein Gegenüber ins Nichts.


Die Beine butterweich, sacke ich zusammen. Rasender Atem. Aufgeregt kämpft mein Herz.

Es will scheinbar meinen Körper verlassen. Ich halte es mit meinen Händen fest, damit es nicht entwischen kann.

Noch einen Augenblick Stille.

Dann erhebe ich mich mühsam und trete den Rückweg an.

Erlebe den Wald in umgekehrter Richtung. Eine ganz andere Empfindung. Am Ende des Weges wartet das Licht.

Während ich den Wald hinter mir lasse, freue ich mich.

Langsam setzt sich nun doch die Sonne durch.

Ich atme erleichtert auf.

Die Angst rieselt von meinem Nacken herab und hinterlässt nur flüchtige Schatten.


Nun freue ich mich. Meinen Morgenkaffee kann ich, dank bester Vorbereitung, mit nur einem Knopfdruck genießen.


Genau richtig.

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Hörbuch

Über den Autor

Frettschen
Ich
- eindeutig rot
- freiheitsliebend
- in mir drin schon mal unsicher, beinahe verklemmt
- nach außen der Fels in der Brandung
- die Person, auf die man sich verlassen kann
- auch mal anlehnen, kein Problem
- ein dunkles samtiges Rot also
- richtig viel Farbe - dicke Haufen davon auf der Leinwand
- Struktur
- Kunstschule Zürich
- zahlreiche Ausstellungen in der Region
- flippig - flapsig - bunt in mir drin
- auch mal nachdenklich
- manchmal introvertiert
- stets auf der Suche nach Neuem
- in meinem Bereich versteht sich
- Sternzeichen Löwe
- Querdenker und Rebell
- reiße mir die guten Seiten des Alltags unter die Nägel
- manchmal erwische ich auch die weniger Guten,
doch die schüttele ich hastig ab

ich liebe:
- einsame Orte
- den Wind
- das Geklapper der Taue an den Masten
- ob an Fahnen oder Booten, ist mir egal
- die Ruhe im Wald
- der Schutz eines Baumes - wenn man sich darauf einlässt
- das Eintauchen in die Arbeit an der Staffelei
- wenn`s gelingt
- das sichere und untrügliche Gefühl,
etwas Besonderes entstehen zu lassen
- das Spielen mit unserer Sprache
- gutes Essen
- ein unerwartetes Lächeln
- Musik - alle Richtungen
- am besten schön laut
- Tanzen
- Ausdruck
- Profil
...

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AngiePfeiffer Von Sternzeichen Löwe zu Löwe (sind wir nicht einzigartig!):
Du hast eine ganz spezielle Art des Schreibens, die mir einfach unheimlich liegt! Das ist auch wieder so eine Geschichte, die einen packt, mitnimmt und den Schmunzeleffekt in sich birgt.
Klasse einfach
meint
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
Himbeere Sehr schöne und bildhafte Beschreibung eines Morgenspaziergangs mit vielen Aspekten.
Auch dem Grauen.
Herausfinden, was dessen Ursprung ist - und erleben, daß es sich auch auflösen kann und einen dann auch noch Sonne und Cafe erwarten - es mit all dem zu überwinden. ist viel wert finde ich. Danke für den Text :)
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Vielen Dank DIR!
Eigentlich wiedereinmal Zeit für eine Morgenspaziergangsgeschichte - in der ich wohl beinahe wegfliege - - - vom Wind getragen - weiß weiß schon, wohin ...
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Frettschen, Du bist Schuld, dass ich nun noch weniger gern am Morgen spazieren gehe. Habe jetzt noch Gänsehaut!
Glückwunsch zum Treppchenplatz!
Lieben Gruß
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Oh neee! Es ist morgens so wunderbar allein die Nebelschwaden zu erleben. Das solltest du nicht versäumen ...
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Kurz, kmapp, knackig ... und diese ANGST kenne ich auch ... und hinterher die Erleichterung ...
LG Heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Bin eigentlich meist furchtlos unterwegs. Dennoch kann ich mich gut hineinverstezen ...
Vor langer Zeit - Antworten
pepe50 Wer sich auf ein so früh morgendliches Abenteuer einlässt, bei dem kann der Morgenkaffee nichts verkehrt machen.
Übrigens, eine interessante Formatierung des Textes, sie verkürzt nicht nur die Seitenzahl, sondern erleichtert auch das Lesen. :-) - LG Alfred
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Hallo Pepe,
ja, die Formatierung! Die nennt sich "moderner Fließtext".
Und den Morgenkaffee, den schlürfe ich gerade ... ;)
Vor langer Zeit - Antworten
Tintenklecks du nimmst mich mit auf deinen Waldspaziergang und ich zittere und atme, staune und freue mich neben dir. Danke für das schöne Text- und Walderlebnis. sagt der
Tintenklecks
Vor langer Zeit - Antworten
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