Kurzgeschichte
Die Begegnung - Storybattle 39

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"Ein Hellseher hat's schwer"
Veröffentlicht am 17. März 2015, 20 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten. Hoffentlich glückt es. Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren. Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert. Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.
Ein Hellseher hat's schwer

Die Begegnung - Storybattle 39

Vorbemerkung

Eine besondere Begegnung im Flugzeug.


Storybattle 39


Pflichtworte:

Bilderrahmen; umgekehrt; klebrig; Luftballon; flatterhaft; Netz; Rand; Bucht; Wucherung; zurücklassen; Härchen; Schimmer;

Alle verwendet!


Copyright: G.v. Tetzeli

Cover, Foto: Monika Heisig

Bild: Dank an Pixabay

Die Begegnung

Er nahm Platz, Reihe 26a, außen. Auf Sitzplatz 26b saß die nervöse Frau Roswitha Arden. Er sprach sie an. „Machen sie sich keine Sorgen. Ich weiß ohne jeden Zweifel, dass nichts passieren kann.“ Sie nickte verkrampft. Schließlich erreichten sie die vorgesehene Flughöhe.

„Entschuldigen sie, geht’s“, wandte er sich ihr fürsorglich zu. "Wie ich gesagt habe, es ist harmlos hier oben, wie in einem Luftballon."

Roswitha Arden seufzte „Ich heiße Hans Schmidt. Sie freuen sich sicherlich auf ihre erste Flugreise, Frau Arden",erkundigte sich Hans höflich.

„Ja, woher..“, stammelte Roswitha irritiert.

„Ich bin eigentlich beruflich unterwegs.“

Er hüstelte und rückte dann heraus.

"Ich bin nämlich Hellseher!“ „Na, so was!“ Roswitha war richtig baff. „Ach, das ist ja interessant! Wie ein Zauberer?“

„Nein, das nicht. Die arbeiten mit Tricks. Ich aber bin ein echter Hellseher!“ Frau Arden staunte. „Das gibt’s doch nicht! Die Zukunft voraussagen?“

"Nein das nun nicht gerade, auch nicht umgekehrt in die Vergangenheit schauen, ich kann nur in die Gegenwart blicken.“ „So, so“, meinte Frau Arden enttäuscht. „Wenn ich ihnen das erklären dürfte. Ich fixiere eine Person und weiß, woran sie im

Augenblick denkt.“

„Ach, sie Schlimmer! Sie veralbern mich.“ „Nein! Sie müssen über den Tellerrand hinausschauen. Nehmen wir zum Beispiel die Stewardess. Von ihrem Gedankennetz weiß ich, dass sie an die letzte Nacht denkt, an ihren Freund Mark, der Pilot ist."

"Freilich, der übliche Hochstapler", sinnierte Roswitha. "Ein junges Fräulein denkt an ihren Freund, Kunststück!" „Und wie wollen sie denn diese Behauptung beweisen?“

Hans schnippte nach der blonden Stewardess, die gerade vorbei kam. „Entschuldigen sie bitte. Wissen sie, wir machen da gerade ein kleines Rate- spielchen.“

Die Blondine nickte wissend und lächelte.

„Nun, wir haben gewettet, wie ihr Freund heißt. Verzeihen sie diese Indiskretion. Nur den Vornamen! Dann wissen wir auch, wer gewonnen hat.“ „Er heißt Mark“, gab sie Auskunft.

„Ist Mark vielleicht Pilot, Frau Held?“ "Ja, woher wissen sie denn ...?"

Kopfschüttelnd entfernte sich die Stewardess und Hans blickte triumphierend zu Roswitha. Die Arden blickte skeptisch. „Das ist ja erstaunlich! Und ihren Namen haben sie vom Sticker abgelesen?“ „Nein, der war nämlich vom bunten Schal verdeckt.“ Er richtete den Kopf nach oben und sprach: „Alles umschließt uns. Die Atmosphäre, der

Wind, die Erde, das 'Sein'.“ Er fixierte sie. „Und alles sendet Wellen aus, strahlt. Gedanken fliegen durch den Raum, selbst das Atom!“ Roswitha klappte ihren Mund wieder zu. Eindeutig zu viel Star Wars gesehen! Kein Schimmer von der Realität. Die Macht sei mit dir! Zum Lachen!


Sie beschloss eine Mütze Schlaf zu nehmen. "Alles nur Zufall", beschloss sie bockig. Auch er lehnte sich nun zurück, um zu ruhen. Aber ihr Unglaube hatte ihn gedanklich erreicht. Machte nichts, Zweifel war er gewöhnt.


Hans erwachte etwas träge. Bis zur Landung

blieb nicht mehr viel Zeit, denn die Piloten entwickelten starke, gedankliche Aktivität. Er musste noch zur Toilette. Er ging den Gang nach hinten. Eine Warteschlange empfing ihn. Während er so dastand, schnappte er umherschwirrende Überlegungen auf. Er filterte, ja präparierte, bis eine Gedankenwelle, wie ein strukturierter Bilderrahmen vor seinem inneren Auge stand. Wie ein Puzzle, deren Umrandung man schon gelöst hat. Als er in die Mitte eintauchte, durchfuhr es ihn wie ein Stromschlag. Ein intensiver Gedankenlaser explodierte. Um Himmels Willen! Da plante Einer eine Flugzeugentführung! Er verfolgte die Struktur weiter, wie wenn er eine Ankerleine einholen würde. Dieser

Terrorist hatte offensichtlich eine Komplizin. Sie hatten Waffen! Ja sogar mehrere Handgranaten konnte er „sehen“. Schwierig zu orten! Wie in einem Sumpfgebiet. Verdammt! Wie hatten sie das Alles an Bord schmuggeln können? Heutzutage! Die Terror-Gedankenleitung vibrierte förmlich vor Entschlossenheit. Diese Intensität!

„Gehen sie heute noch auf die Toilette?“


Als er zurückkehrte, war Frau Arden inzwischen aufgewacht und fing prompt flatterhaft zu plappern an. „Es tut mir leid, Frau Arden, aber ich habe etwas Kopfweh“, entschuldigte er sich.


„Fehlt ihnen was? Ich habe da wunderbare Tabletten.“ „Nein, nein, es geht schon.“

Nur ja keine Tablette! Nichts durften die Gedankenstrahlen verfälschen, nicht um ein einziges Härchen. Da rief doch diese verblödete Arden tatsächlich nach der Stewardess. Es war wieder Frau Held. „Was kann ich denn für sie tun?“ Roswitha zeigte auf Schmidt.

„Dem Herren ist nicht wohl.“

Da sah er eine Chance für sein Dilemma. Er musste die Stewardess allein zu fassen kriegen. „Hätten sie vielleicht eine Tablette? Ein Glas Wasser?“

„Natürlich!“ „Darf ich mit ihnen gehen? Die Füße sind schon ganz taub.“ "Na gut, wenn sie wollen." Zurückgelassen blieb eine beleidigte Roswitha mit ihren verschmähten Wunderpillen. Ein merkwürdiger, blöder Kauz war er, so schloss Frau Arden.

Hans hatte inzwischen mit Frau Held die Bordküche erreicht. Sie ging hinein und er folgte ihr durch den Vorhang. Dann griff er hart nach ihrem Arm. „An Bord ist ein Killerkommando! Sie wollen die Maschine entführen“, zischelte er.

„So glauben sie mir doch! Wir müssen etwas unternehmen“, bettelte er verzweifelt. Die Stewardess stutzte.

„Woher wissen sie das denn?“

Er stockte kurz. „Ich..äh, ich habe ein Gespräch belauscht.“

Das mit der Hellseherei ließ er vorsichtshalber weg. Sie versuchte sich aus seiner klebrigen, feuchten Hand zu befreien. „Und nun lassen sie doch bitte meinen Arm los.“

Er verstand ihr Entsetzen, bemerkte ihre aufsteigende Angst und ließ los. „Verzeihung!“ Seiner Meinung nach war diese Gans total vernagelt. „Gehen sie ganz still zu ihrem Platz zurück", spielte die Held mit. "Ich mache Meldung beim Kapitän.“ Endlich kam diese Tussi zur Vernunft. Sie griff zum Bordtelefon. Er war schon auf dem Weg, da bekam er

noch die ersten Wortfetzen mit.

„Ja, Passagier...macht Schwierigkeiten. Ja. ..zurück zum Platz...Scheint unberechenbar... Nein, im Moment verhält er sich noch ruhig... Ja, ich gebe den anderen Bescheid“ Also so war das! Dass die blöde Schlampe nur so getan hatte, das hatte er vorher noch nicht verifizieren können. Diese Hilflosigkeit!


Zuerst aber zum Platz zurück. Er musste herausbekommen, wo die Verbrecher genau steckten. Dann hatte er endlich Beweise. Während er sich den Gang zurück bahnte, ärgerte er sich. Diese Held! Brot konnte schimmeln, die nicht mal das! Blond halt und wahnsinnig begriffsstutzig. Fahrig nahm er wieder neben Roswitha Platz.

„Geht’s besser?“ „Es geht schon.“ Er lehnte den Kopf zurück und tat so, als ob er schlafen wollte. Er kalibrierte seine Antennen auf die Nähe des Hecks. Er müsste nur die richtigen Strahlen erwischen. DA! Er hatte sie! Jäh wurde er unterbrochen.


„Verzeihung.“

Frau Arden quälte sich aus ihrem Sitz. Sie kletterte über ihn hinweg und ging nach hinten zu den Toiletten. Fast hätte er die Übertragung abreißen lassen. Da war die Gedankenwelle wieder.

Mein Gott! Es musste die vorletzte Reihe sein. Auf der linken Seite. Mein Gott! Nach einer guten Weile kam Roswitha wieder zurück. Hans musste aufstehen, um sie in ihre

Bucht einfädeln zu lassen. Dann geschah alles blitzschnell.


Ein Steward packte von hinten zu, ein Skysheriff riss ihn zu Boden und hielt ihm eine Spezialpistole in den Nacken, nagelte ihn förmlich am Boden fest. Voll Verzweiflung rannen Hans Schmidt die Tränen durchs Gesicht. Wollten die denn gar nichts kapieren, diese Blödiane? Handschellen schnappten hinter seinem Rücken zu. Er wurde in den vorderen Teil des Flugzeugs gezerrt.

„Ihr Idioten! Ihr verdammten Idioten! In der vorletzten Reihe sind sie!“

Er brüllte verzweifelt.

Frau Held überblickte die Lage und meldete

über Telefon an das Cockpit. „Situation wieder unter Kontrolle.“

Sie hatte alles in die Wege geleitet. Der Skysheriff und der Steward hatten mit Hilfe der mutigen Frau Arden grandios zusammen gearbeitet.

Hans schrie. „Was heißt hier alles unter Kontrolle, ihr Arschlöcher! Ich will nicht sterben!“

Seine Stimme versank zu einem Schluchzen. Sie schnallten ihn auf einem Notsitz fest. Der Skysheriff nahm ihm gegenüber Platz. „Nun gibt er Ruhe“, spuckte er aus.

Die Stewardess nickte.

„Der Kapitän hat schon das Bodenpersonal verständigt. Sie kommen gleich zur Rollbahn hinaus. Psychiatrie erst mal. Vielleicht eine

Wucherung im Gehirn? Die Staats-anwaltschaft will sich auch einschalten.“

Hans hatte aufgegeben. Wahrscheinlich würde das Flugzeug beim Landeanflug gesprengt. Dann war jegliche Überlebenschance zunichte gemacht. Bumm! Hans wurde ohnmächtig.


Das Flugzeug war reibungslos gelandet.

Die Passagiere waren alle noch verwirrt, verängstigt.

Frau Arden lächelte dankbar die nette Frau Hold an. Sie grinste.

„Es ist ja alles vorbei! Er ist schon aus dem Flugzeug gebracht worden.“ „Er kam mir gleich so komisch vor. So ein

Blödsinn! Hellseher! Ich habe schon immer daran gezweifelt!“ „Wie bitte, Hellseher?“ „Ach nichts.“ Frau Arden sah noch, wie ein Krankenwagen den irren Hans Schmidt holte.


In der vorletzten Reihe des Fliegers hatte der kleine Holger von all dieser Aufregung nichts mitbekommen. Er hatte unruhig geschlafen. Jetzt, nach der Evakuierung des Flugzeugs weinte er. "Es ist doch vorbei", beruhigte ihn seine Mutter. „Mama, ich hatte einen fürchterlichen Alptraum. Das Flugzeug ist gesprengt worden!“ Er schluchzte. „Und sie hatten Schießeisen! Eine ganz böse Frau und ein Monstermann!“

Seine Mutter nahm ihn in den Arm und tätschelte seinen Kopf.

"Ist ja schon gut. Es war ja nur ein Traum. Es ist ja nichts passiert.

Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht immer so viele Räuberpistolen im Fernsehen anschauen sollst.“

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Hörbuch

Über den Autor

welpenweste
Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten.
Hoffentlich glückt es.
Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren.
Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert.

Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.

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CHM3663 Eine unglaublich spannende, fesselnde Geschichte mit einer fantastischen Pointe! Super!
Da denkt man darüber nach, wie es einem selbst als Hellseher wohl gehen würde bzw. warum Hellseher so oft verkannt und belächelt werden.
Du gehörst auf jeden Fall in die erste Reihe!
Herzlichen Dank und LG, Chrissie
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Gelungen und spannend erzählt, mit einem nicht erwarteten Ende.
LG Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Ich fand die Idee so überreaschend.
Danke Dir
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
koollook Angesichts der aktuellen Debatte eine gelungene Umsetzung des Themas. Die Schlusspointe ist auch überraschend gut. Alles in allem ein starker Beitrag, der bestimmt nicht in der vorletzten Reihe landet.
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schnief Eine wunderbare Geschichte!
Viel Glück!
Lg Manuela
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NORIS Eine spannende Geschichte ... dennoch gruselt es mich im Zusammenhang mit dem Flugzeugunglück!
LG Heidemarie
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Die Idee hatte mit aktuellen Ereignissen gar nichts zu tun (Zufall!) Ich habe mir überlegt, wie es wäre, wenn jemand Gedanken lesen könnte. Und was wäre wenn.. Den Unterschied würde der Hellseher nicht bemerken und könnte fatal sein.
Gruß
Günter
Danke fürs Lesen!
Vor langer Zeit - Antworten
NORIS Ich weiß, lieber Günter, denn Dein Text wurde vor dem Absturz veröffentlicht ... meine Gedanken hatten aber beides zusammengefügt und sich dann verselbständigt ...
Vor langer Zeit - Antworten
Loraine Eine spannende gut erzählte Geschichte - die bis zum Schluss anhält. Tolle Idee und sehr gut umgesetzt. Viel Erfolg! Liebe Grüße Loraine
Vor langer Zeit - Antworten
KatharinaK Wäre ich Hellseherin, hätte ich die Pointe vielleicht erahnen können! Bin ich aber nicht. Klasse! Der Rest auch. Ein paar Fehlerchen sind Dir ausgekommen, aber sonst eine tolle Geschichte ... "Nehmen Sie bitte in einer der vorderen Reihen Platz."
Liebe Grüße,
Katharina
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