Ich bin am Morgen aufgewacht.
Etwas läuft falsch, habe ich bei mir gedacht.
Ich öffnete die Augen sacht
und habe sofort Licht gemacht.
Der Schreck mir in den Gliedern saß.
Ich war zu spät, das war kein Spaß.
Also kurz Wasser in das Gesicht gespritzt,
sodann zum Bahnhof losgehetzt.
Und eine Stimme sprach von oben:
„Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben.
Der Zug, der stand schon auf dem Gleis.
Von meiner Stirne rann der Schweiß.
Schnell noch die Türe aufgerissen,
die Tasche auf den Sitz geschmissen,
dann saß ich schweratmend da,
froh, dass ich grad noch rechtzeitig war.
Doch nach wenigen Stationen schon
Erklang eine Stimme aus dem Mikrofon:
„Personenschaden, die Fahrt ist vorbei.“
Und dass Ersatzverkehr eingerichtet sei.
„Schon bald treffen hier Busse ein,
sie müssen nur etwas geduldig sein.
Und eine Stimme sprach von oben:
„Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben.“
Da stand ich nun und kalt war mir.
Ich gab nicht zu, wie sehr ich frier,
ich habe ein Lächeln aufgesetzt,
aber tief im Innern war ich sehr gehetzt.
Fast eine Stunde haben wir gestanden,
bevor wir im Bus ein Plätzchen fanden.
Neben mich setzte sich ein Mann,
dem sah man die Trunkenheit schon an.
Kaum dass er saß, schlief er schon ein.
Ich fragte mich, muss das wirklich sein?
Und eine Stimme sprach von oben:
„Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben.“
Vor einem Bahnhof hielt der Bus.
Ich wusste, dass ich aussteigen muss,
aber der Mann dort neben mir
schlief noch, in seiner Hand ein Bier.
Ich habe geschubst, ich habe gerüttelt.
Ich habe an seinen Schultern geschüttelt.
Dann ist er endlich aufgewacht,
glitt aus dem Sitz mit Ruhe und Bedacht.
Ich rannte schnell zum Bahnsteig hin,
nur dass ich diesmal zu spät gekommen bin.
Und eine Stimme sprach von oben:
„Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben.“
Nach einer halben Stunde dann,
kam der nächste Zug schon an.
Die Menschen saßen dichtgedrängt.
Ich habe mich dazugezwängt.
‚Einen Sitzplatz habe ich nicht mehr bekommen.
Dennoch habe ich diese Bahn genommen.
Es roch nach Bier, es roch nach Schweiß.
Mir wurde übel und auch heiß.
Ich freute mich wie ein kleines Kind,
als wir auf meinem Bahnhof angekommen sind.
Und eine Stimme sprach von oben:
„Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben.“
Ach, wäre ich nur im Bett geblieben.
Der Arzt hätte mich sicher krankgeschrieben.
Mich aber rief zu laut die Pflicht.
Einfach Zuhause bleiben, das kann ich nicht.
Doch als ich abends in den Spiegel sah,
waren viel mehr graue Haare da.
Tiefe Augenringe waren zu sehen.
Ich wollte nur noch schlafen gehen.
Im Traum saß wieder dieser Mann neben mir.
Er hielt in seiner Hand ein Bier.
Er hat mich hämisch angelacht.
Dann bin ich plötzlich aufgewacht.
Das war ein Tag, den man knicken kann.
Das nächste Mal geh ich ihn anders an.
Und eine Stimme sprach von oben.
Am Abend darfst du den Tag dann loben.