Science Fiction
Attikas Erbe - Forumsbattle 33

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"SF, Mystik, Götter und Käfer"
Veröffentlicht am 09. August 2014, 38 Seiten
Kategorie Science Fiction
© Umschlag Bildmaterial: Silbenfäller
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Bin ein Jahrgang 67, Married with children und wenn ich schon ins Burnout steuere, dann zumindest glücklich. Meine besseren 3/4 nennen meinen Beruf meist Computer-Heini, was nicht so schlimm ist, da ich ihren Internet-Zugang kontrolliere und somit daheim zumindest etwas in der Hand habe. Mein Credo nehme ich von Wigald Boning "Bleiben Sie neugierig" - nein, das gleichnamige Buch habe ich nicht gelesen - und füge hinzu "Höre nie auf zu ...
SF, Mystik, Götter und Käfer

Attikas Erbe - Forumsbattle 33

Attikas Erbe - Beitrag zur Formusbattle 33


Eine Kurzgeschichte zum Thema Metamorphose,


mit den Wortvorgaben:


Tischtennisarm rudimentär Schilddrüsenunterfunktion antizipieren angeln glorreich Schmetterling Universum Püree Mimose hingebungsvoll kariert



Cover und Text: Silbenfäller im Juli 2014

Attikas Erbe

Mit hoher Geschwindigkeit näherte sich das Raumschiff dem Sonnensystem. Die ersten Anzeichen von Gravitation machten sich bemerkbar und der Einfluss kosmischer Strahlung wich den typischen stellaren Energiefeldern. Anzeigen auf den Pulten änderten die Farben, begleitet von einem akustischen Signal.

Der Kapitän blickte auf, nickte zufrieden und schaltete mit einem Klick seiner Krallen das Sprachmodul um. Im ganzen Schiff war nun seine Stimme zu hören. „Leute, wir haben den Einflussbereich von Sol erreicht. Los, rollt eure Schuppenschwänze aus und macht euch an

die Arbeit. Kontaktiert den Sammler und schaut was inzwischen auf Terra passiert ist!“ Zufrieden lehnte er sich zurück, wetzte seinen Reptilienschweif am Bein des Sessels und fügte noch hinzu: „Weckt auch unseren Gast aus dem Tiefschlaf und holt ihn auf die Brücke. Dze-us Ende.“ Ein Blick zu Hey-ra, seiner Gefährtin, die soeben aus dem Aufzug trat und eine Mahlzeit brachte, zeigte ihm, dass sie über seine letzte Bemerkung lachen musste. Sie stellte die Schüsseln neben der Konsole ab. „Ich bin sicher, er hat weiterhin Angst, dass sein Weibchen noch lebt. Die Sache mit der Zeitverschiebung wird er wohl erst glauben, wenn er es mit eigenen Augen gesehen hat.“

Dze-us griff zur Schüssel und kostete. „Wunderbar, Algenpüree mit Käfern! Die mit den roten Punkten sind mir zwar lieber, weil sie noch knuspriger sind, aber die hier sind auch nicht schlecht!“ Dabei kratzte er sich ein Insektenbein zwischen den spitzen Zähnen heraus. „Auf Terra gab es doch auch diese flatternden Dinger mit den großen, bunten Flügeln, wie haben sie die genannt?“ „Schmetterlinge“, antwortete Hey-ra. „Ja, richtig! Die waren auch ganz vorzüglich. Dieses Mal sollten wir einige davon mitnehmen und versuchen sie zu züchten.“ Gemeinsam löffelten sie die breiige Masse und knackten genüsslich an den Käfern. Die

Anzeigen lieferten laufend Informationen und zeigten, dass alles normal verlief. Der Bordcomputer hatte die Bahn bis zu dem blauen Planeten bereits genau berechnet. In einigen Schlafzyklen würde das Ziel erreicht sein. Das Bremsmanöver verlief gleichmäßig, der Konverter zapfte laufend Bewegungsenergie ab und wandelte sie in Bremsmasse um, die er vor das Schiff spie. Nach der Mahlzeit begannen sie mit der Auswertung der ersten Daten, die mittlerweile von den Sensoren und Antennen geliefert worden waren. „Die Terraner haben sich entwickelt. Diese verstümmelten Signale kommen von ihrem System. Ich hab doch gleich gesagt, dass das Objekt vorhin nicht

natürlichen Ursprungs war, sondern irgendein mickriger Satellit.“ „Du glaubst, sie haben inzwischen die Technik entwickelt, um ihren Planeten zu verlassen? Wie viel Zeit ist vergangen, seit wir zuletzt hier waren?“ fragte Dze-us. „Das müssen bei ihnen etwa 2500 Sonnen-Zyklen gewesen sein, also ungefähr 100 Generationenwechsel ihrer Rasse.“ „Und das soll gereicht haben, um die Technik für Raumfahrt zu entwickeln – bei denen?“ Ungläubig schüttelte Dze-us den Kopf. „Ja, unerwartet bei den körperlichen Voraussetzungen, vor allem beim Gehirn“ und nach einer Pause fügte Hey-ra schnippisch hinzu: “Aber es sind ja wohl auch die anderen Eigenschaften – besonders bei der weiblichen Spezies - wegen derer wir so oft zu diesem

Planeten kommen, oder?“ „Ja, das gebe ich offen zu", schmunzelte Dze-us. "Ich finde sie attraktiv - und - sie waren immer so leicht zu beeindrucken!“ Er verwandelte sein Aussehen in einen Adler, stieß ein spitzes Kreischen aus und spreizte die Schwingen, um sich gleich wieder in seinen Reptilien-Körper zurück zu verwandeln. „Seit sie nicht mehr am ganzen Körper behaart sind, gefallen sie dir ja auch besser. Wer wollte unseren Soki denn mitnehmen?“ Hey-ra verdrehte die Augen. „Ich mag die Gespräche mit ihm! Sonst hat mich an den männlichen Exemplaren dieser Rasse nie etwas gereizt. Allein diese Fortpflanzungsorgane. Bäh!“ „Da musste ich mich auch immer überwinden, aber

je größer ich diesen Körperteil bei der Metamorphose erscheinen lies, umso mehr beteten mich die Weibchen an. Aber jetzt mal ehrlich, du hast wirklich nie mit unserem Gast verkehrt?“ Ein weiteres Verdrehen der Augen, kombiniert mit einem entrüsteten Schnauben, das ein wenig künstlich klang, folgte. „Sage ich doch. Außerdem glaube ich, dass diese Funktion bei ihm nur mehr sehr rudimentär gegeben ist. Vielleicht hat unsere Krankenstation das bei ihm nicht mehr ganz heilen können. Dieser Schierlingsbecher war doch ziemlich heftig. Wir sollten ihn noch einmal in den Medi-Tank stecken, vielleicht wird er ja wieder voll funktionstüchtig.“ Dze-us nickte. „Ja möglich, aber das könnte auch schon vorher kaputt gewesen sein und wegen

anderer Ursachen irreparabel bleiben. Mir hat er einmal erzählt, dass er froh war, seiner Gefährtin Xanthippe nicht mehr beiwohnen zu müssen. Die dauernden Gespräche mit ihr hatten ihn körperlich und geistig komplett ausgelaugt und er dankte dem Universum für den Segen seiner … wie nannte er es … Schilddrüsenunterfunktion. Dabei hatte er so einen seltsam leidenden Ausdruck im Gesicht.“ „Oh“, kam es leicht enttäuscht von Hey-ra. Die Momente nachdenklichen Schweigens wurden von einem Signal des Computers unterbrochen. Der Sammler hatte sich gemeldet. Am Trabanten von Terra stationiert und mit eigenen, ferngesteuerten Satelliten

inklusive kleinster Sensor-Drohnen ausgestattet, hatte er den Planeten seit ihrer letzten Abreise überwacht und laufend Daten gesammelt. Sie machten sich sogleich an die Auswertung der übermittelten Protokolle. „Da wird sich Soki aber nicht sehr freuen. Seine glorreiche Demokratie in Athen hat sich scheinbar nach kurzer Zeit und einigen Kriegen aufgelöst.“ Dze-us setzte einige Filter über die übermittelten Daten. „Kriege scheinen überhaupt sehr in Mode gekommen zu sein. Ein ständiges Hin und Her auf allen Kontinenten des Planeten. Immer neuere und zerstörerische Waffen, immer mehr Opfer. Versuchen sie dadurch vielleicht die Überbevölkerung in den Griff zu bekommen?“ Hey-ra entgegnete: „Ich glaube nicht, dass sie

mit ihrer limitierten geistige Kompetenz soweit denken können. Da, schau dir zum Beispiel an, wie sie ihre Erde verschmutzen. Die Atmosphäre hat wesentlich schlechtere Werte, als bei unserem letzten Besuch und auch auf der Oberfläche, an Land und im Wasser, sammeln sich Müll und Giftstoffe. Wie wollen sie darin langfristig überleben?“ „Vielleicht bereiten sie die Flucht auf einen anderen Planeten vor? Wie weit ist ihre Technik wirklich fortgeschritten?“ Sie wendeten sich wieder den Auswertungen zu. „Eierbruch und Dotterfäule!“ entfuhr es Hey-ra. „Der Speicher des Sammlers ist vollgelaufen. Wir haben aus der letzten Zeit keine Daten mehr. Wie konnte das passieren?“

„Aufgezeichnete Bild- und Tonaufnahmen, die von den Terranern produziert wurden. Das Archiv scheint voll davon zu sein. Der Sammler hat die elektromagnetisch gesendeten Informationen entschlüsselt und aufbewahrt. Die Sende- und Verschlüsselungsmuster wurden ebenfalls übermittelt, sobald wir näher kommen, können wir empfangen und aktuelle Informationen beziehen. Vorläufig können wir nur die alten Daten verwenden.“ Sie widmeten sich weiter der Auswertung. „Die Inselzivilisation im Atlantik von unserem vorletzten Besuch hat sich scheinbar nicht mehr erholt. Da hast du vielleicht ein wenig überreagiert.“

„Pah, Euenor war ja ganz in Ordnung aber dieses Weib Leukippe hat mich nicht nur angeschrien, sondern mir sogar einen Schlag verpasst, als ich mich ihr einmal in meiner natürlichen Gestalt gezeigt habe. Woher hätte ich wissen sollen, dass sie eine Reptilien-Phobie hat? Dann hat sie mich noch angespuckt - das hätte leicht eine Infektion geben können! So etwas konnte ich mir doch nicht gefallen lasen. Tja, und dann habe ich die Stabilität der Erdkruste an dieser Stelle falsch eingeschätzt. Es sollte doch nur der innere Bereich der Insel mit der Stadt zerstört werden.“ „Und warum hast du dann die restlichen

Überlebenden beseitigt?“ Dze-us lehnte sich zurück, seufzte gedankenverloren und meinte: „Irgendwie war es mir dann doch etwas peinlich und ich dachte, so wird nichts davon in die Geschichte des Planeten eingehen.“ Sokrates, der die letzen Worte mitbekommen hatte, betrat die Brücke. „Unser angebeteter, mächtiger Gott - Zeus - der Blitze wirft und das Geschick ganzer Völker lenkt. Wenn die Menschen wüssten, dass dahinter Dze-us, eine gestaltwandelnde, lüsterne Mimose in Form eines zu groß geratenen Feuersalamanders steckt. Wie ich vermutet hatte, eine Idee ohne Gehalt und leider noch schlimmer, als befürchtet.“ Direkt an ihn gewendet fuhr er dann fort, „Lurch, erkenne

dich selbst, dann weißt du alles!“ Der Angesprochene blieb für einige Augenblicke ungläubig und mit offenem Mund erstarrt in seinem Sessel sitzen. Dann drehte er sich zu seiner Gefährtin, um zu fragen. „Sind das Nebenwirkungen des Langzeitflug-Narkotikums? Vielleicht hätte er noch nicht aufstehen sollen.“ Hey-ra antwortete nicht, sie hatte wohl unbewusst ihren Körper in den einer menschlichen Frau verwandelt. Ihr Blick hing hoffnungsvoll in Hüfthöhe des Umhanges von Sokrates, wo sich allzu deutlich eine mächtige Erhebung abzeichnete. Dieser wandte sich nun ihr zu. „Wohingegen Hera, die gütige und

verständnisvolle Göttin zwar auch nur Trug und Blendung ist und doch selbst hier, in den unerfindlichen Tiefen zwischen den Welten, ihr Herz einem verlorenen Sohn schenkt und ihm die Gnade eines bekannten Gesichtes erweist. Hey-ra, meine Liebe, kannst du mir bitte helfen und die Urinflasche abschnallen? Ich komme einfach nicht zu dem Verschluss da hinten am Rücken.“ Dabei drehte er sich von ihr weg, hob seinen Umhang und hielt ihr seinen blanken Hintern entgegen. Ein erneutes, enttäuscht klingendes „Oh“ begleitete die Rückverwandlung in ihre natürliche Reptiliengestalt. Sie fummelte lange und von verschiedenen Seiten an dem Verschluss des Gurtes herum, wobei sie

immer wieder an Sokrates Hintern herumdrückte. Schließlich war sie ihm noch behilflich, indem sie behutsam und hingebungsvoll nach vorne griff, um die Flasche abzustreifen, da er ja, wie sie bemerkte, seine Hände nicht frei hatte, weil er seine Kleidung hochhalten musste. „Seid ihr dann bald fertig?“, meldete sich Dze-us spöttisch. „Ja, Danke. Das wahre Glück ist: Gutes zu tun“, antwortete Sokrates erleichtert, während er sich umdrehte, sie dankbar anlächelte und sich dann in einen freien Sessel fallen ließ. Er begann, seine vom Drücken des Gurtes juckenden Beckenknochen zu kratzen und arbeitete sich langsam vor, bis zu seinem Schoß, heimlich

verfolgt von Hey-ras gierigen Blicken. „Nun, Soki, seit deiner Abreise sind etwa zweieinhalb Jahrtausende vergangen. Was glaubst du nun, wer mittlerweile auf diesem Planeten regiert?“, fragte Dze-us mit ätzendem Unterton. Sokrates machte eine bedeutungsvolle Pause, hielt, sehr zu Hey-ras Bedauern, mit dem Kneten in den Falten seines Umhanges zwischen den Knien inne, um schließlich zu antworten. „Gleichwohl ich hoffe, dass die kleinkarierten Politiker das Aufkeimen Athens, sowie den Weg der Gerechtigkeit und Selbsterkenntnis nicht mit Steinen und Starrsinn verbaut haben, weiß ich doch, dass ich nichts weiß und zumindest um diesen Unterschied klüger bin, als die

anderen.“ Nach kurzer Pause, während derer Dze-us seufzend seine Vorderbeine vor der Schnauze zusammenschlug, fuhr er fort. „Nun gut, wenn ich in mich gehe, die Lage und die Fakten zum Zeitpunkt meiner Entführung durch euch abwiege, die richtigen Fragen stelle und versuche zu antizipieren, würde ich sagen – die Phönizier regieren die Welt. Die hatten coole Götter mit Opfergaben, eine vielversprechende Kriegskunst, geniale Ideen für Schriftzeichen und haben es einfach draufgehabt mit Seefahrt und Handel. Die hätten sogar einem Juden in der Wüste ein Boot verkauft. Na, hab ich recht?“ Sogar Hey-ra löste ihren Blick nun von Sokrates Schoß und sah ihm verdutzt in die

Augen. „Nicht ganz. Unsere aktuellsten Daten sind etwa 20 deiner Jahre alt, aber nichts weist darauf hin, dass die verschiedenen Stämme eurer Rasse jemals aufgehört haben und je aufhören werden, sich zu hassen und zu bekriegen. Keiner der Kriege hat jemals dauerhaft einen Sieger hervorbringen können, die Länder spalten sich auf und laufend werden neue Grenzen und Mauern gezogen. Zudem vermehren sie sich explosionsartig und bevölkern jeden Winkel obwohl schon lange zuwenig Platz, zuwenig Nahrung und zuwenig Ressourcen vorhanden sind. Sie verschmutzen und vergiften jeden Flecken, wo sie eigentlich leben wollen. Sie sind wie eine Krankheit, die den Planeten befallen hat!“

Sokrates schluckte und versuchte aus dem Strudel seiner Gedanken etwas Hoffnungsvolles zu angeln. „Aber von den letzten 20 Jahren wisst ihr nichts. Kann das nicht ein Hinweis darauf sein, dass die Menschen sich verändert haben? Zu einem bestimmten Zeitpunkt müssen die Menschen genug Wissen und Möglichkeiten entwickelt haben, um den Bedarf Aller gleichermaßen zu befriedigen. Ab diesem Zeitpunkt werden Neid und Habgier hinfällig sein und Wohlstand und Frieden einziehen in allen Häusern und die ganze Welt wird eine gemeinsame Polis bilden. Könnt ihr ausschließen, dass dieser Zeitpunkt endlich gekommen ist?“

Eine Träne kullerte ungesehen über Hey-ras schuppige Wange und Dze-us antwortete nach kurzem Zögern: „Nein, das können wir nicht. Es ist unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen. Wir werden das frühestens in fünf Schlafzyklen wissen, wenn wir nahe genug an eurer Welt sein werden, um die Wahrheit aus den Sendungen herauszulesen.“ Sokrates erhob sich, „So werde ich mich in meine Kammer begeben und keine weiteren Fragen stellen, zu denen es keine Antworten gibt. Ruhe und Entspannung sollen mir Kraft geben. Muße ist der schönste Besitz von allen.“. Er raffte seinen Umhang und verließ die Brücke.

Hey-Ra folgte ihm kurze Zeit später mit den Worten, „Ich glaube, er bedarf des Trostes“. Nachdem sie die Türe passiert hatte, nahm sie die Gestalt einer menschlichen Frau an. Sie blickte an sich herunter, lies den Körper noch etwas jünger aussehen, die Taille schlanker und die Brüste größer. Zufrieden nickte sie und öffnete die Tür zu Sokrates Kabine. *** Der Duft des Aufgussgetränkes von getrockneten Algen hing in der Luft. Der Gemeinschaftsraum bot den größten Bildschirm und die bequemsten Sitze im Raumschiff. Zu dritt saßen sie dort,

knabberten an getrockneten Käfern mit verschiedenen Gewürzen und warteten, bis der Computer meldete, dass die Signale unterbrechungsfrei empfangen und entschlüsselt werden konnten. Hey-ra hatte - Sokrates zuliebe, wie sie betonte – wieder den Körper einer menschlichen Frau angenommen, diesmal sogar bekleidet. Sie tätschelte ihm die Hand und meinte, es werde nun sicher nicht mehr lange dauern. Da er etwas mürrisch erschien, wollte sie ihn aufmuntern, indem sie mit ihrer Zunge sein Ohr umschmeichelte. Verstört stellte sie nach einigen erfolglosen Versuchen fest, dass dies in Menschengestalt nicht aus ihrer sitzenden Position möglich war, weil die

menschliche, im Gegensatz zu ihrer praktischen Reptilienzunge, viel zu kurz war. Sie musste sich so nahe zu ihm beugen, dass sie beim Einatmen nahezu seine Haare inhalierte. Befriedigt merkte sie, dass ihre Maßnahmen eine Gänsehaut bei Sokrates erzeugten und er sich etwas entspannte. „Gefällt dir das?“ hauchte sie ihm zu, um danach einige seiner Haare aus ihrem Mund zu entfernen. Er grunzte zustimmend und sie fuhr fort: „Ich habe Dze-us den Frauenkörper gezeigt, mit dem ich dich geheilt habe. Er hat ihm auch sehr zugesagt“. Nachdem sie ihm dies mitgeteilt hatte, verkrampfte er sich seltsamerweise wieder und sie musste ihn erneut aufmuntern. Wenn das so weiter ging, würde sie nachher die Krankenstation

aufsuchen müssen, um sich ein Haarknäuel aus ihrem Magen entfernen zu lassen. Dze-us beschäftigte sich währenddessen mit den Knabbereien. Er übte sich darin, die Käfer hoch in die Luft zu schnipsen und sie dann direkt in seinem Maul landen zu lassen. Er hatte darin schon einige Erfahrung und war heute in Level sechs aufgestiegen, was bedeutete, dass er gleichzeitig mit sechs seiner Klauen am Schnipsen war. Level sechs war richtig schwierig, wie er feststellen musste. Wenn er sich im Sitz bewegte, knackste es überall rund um ihn herum. Der Reinigungsroboter würde eine ziemliche Sauerei zu bewältigen haben. Vielleicht war auch das ein neuer Rekord? Konnte man das

irgendwie feststellen? Er konnte sich nicht erinnern, ob das Volumen des aufgesaugten Materials vom Facility-Management-Modul des Bordcomputers protokolliert wurde. Ein Pfeifen riss ihn aus seinen tiefgründigen Überlegungen. Die Monitorwand erwachte zum Leben und alle Augen richteten sich gespannt darauf. Die Stimme des Bordcomputers informierte sie noch, dass auch Tonsignale verfügbar waren, eine Übersetzung erkennbarer Sprachmuster aber erst nach Verzögerung möglich war. Das Bild flackerte einige Male und Muster in verschiedenen, grellen Farben spritzten über das Sichtfeld. Dann schälte sich die Gestalt

einer Frau, die einen seltsamen, roten Mantel trug, hervor. Die Details gewannen an Schärfe und es wurde deutlich, dass das Kleidungsstück aus rohem Fleisch bestand. Die Frau drehte sich einige Male hin und her, winkte und lachte während es um sie herum blitzte. „Ekelhaft!“ stöhnte Sokrates, während er sich wegdrehte. „Ich dachte, sie hätten eine Nahrungsknappheit“, wunderte sich Hey-ra. Dze-us fügte noch hinzu „Sie sollte schnell eine Behausung aufsuchen, die Blitze kündigen sicher einen Regen an und diese Fleischrobe ist wohl kaum ein passender Schutz“. Unverständliche Schriftzeichen huschten, begleitet von einer noch nicht übersetzbaren

Hintergrundstimme, vorbei und machten Platz für eine neue Szene. Einige Figuren wurden sichtbar, von denen jede einen eng-anliegenden Ganzkörperanzung in einer knalligen Farbe zu tragen schien. Auch die Gesichter waren teilweise hinter Masken mit Sehschlitzen verborgen. „Sind das Raumanzüge?“ fragte Dze-us, als plötzlich ein ohrenbetäubender Lärm den Raum füllte. „Leiser!“ kam nach dem Überwinden einer Schrecksekunde das Kommando an den Computer, woraufhin die Geräusche auf ein erträgliches Maß gedämpft wurden. Hey-ra fragte, „Sind das überhaupt Menschen?“. Der Lärm änderte sich und begann in rhythmischen Kaskaden ein verstörendes, akustisches Chaos zu verbreiten. Gleichzeitig fingen die

Figuren an hilflos und unkontrolliert zu zucken und sich zu verrenken. Sokrates entfuhr ein „Bei den Göttern!“, und meinte dann entsetzt, „Die Anzüge sollen sie wohl wehrlos machen. Dann werden sie gefoltert und mit diesem infernalischen Getöse in den Wahnsinn getrieben. Dieses spastische Zucken ist eine Vorstufe des endgültigen Zusammenbruchs.“ Erneut erschienen Schriftzeichen und der Computer stotterte seinen ersten Übersetzungsversuch „Nächste Ziffer.“ Diesmal blieb der Lärm erträglicher, es schien sich um etwas Ähnliches wie ein Lied zu handeln. Die Sängerin wurde bald in Form einer nackten jungen Frau sichtbar, die auf einer riesigen Metallkugel schaukelte, was

Dze-us und Sokrates sogleich ein erfreutes Grinsen ins Gesicht zauberte. Die Frau war abwechselnd nackt und angezogen zu sehen und hatte auch einmal einen riesigen Hammer in der Hand. Der Computer hatte es scheinbar geschafft, einige der wiederkehrenden Zeilen ihres Liedes zu übersetzen: „Ich .. komme hinein.. zerstören .. Hoden“. Dabei saß sie wieder auf der Metallkugel, leckte anzüglich an der Kette, an der diese hing und blickte scheinbar direkt auf sie hinunter. Das Grinsen war aus ihren Gesichtern verschwunden und Hey-ras Hand schwebte plötzlich schützend über Sokrates Schoss. Dze-us fand als erster seine Sprache wieder: „Computer, zeige eine andere Übertragung!“.

Die Bildwand flackerte wieder und es wurde ein riesiges Oval um eine Wiese sichtbar. Sokrates meinte, „Das sieht aus wie ein Amphitheater, oder ein Tempel, nur viel größer! Die Menschen kommen her um die Natur zu genießen, Ruhe zu finden und sich an den Blumen zu erfreuen“. Tatsächlich wurden gerade bunte Flecken sichtbar, die langsam größer wurden. Der nun hörbare Lärm schien allerdings nichts mit Ruhe und Entspannung zu tun zu haben. Auch wurde langsam deutlich, dass sich die bunten Flecken bewegten und in Wirklichkeit zwei Gruppen von Menschen darstellten, die auf dem Grün herumliefen. Die Bilder wurden noch größer und es wurde klar, dass sich die Gruppen gegenseitig bekämpften. Sie wollten scheinbar eine Kugel

erobern, nur, um sie mit dem Fuß wieder wegschießen zu können. Sie waren dabei in der Wahl ihrer Mittel nicht zimperlich, sie stießen den Gegner um, traten auf ihn ein, rissen, boxten und schrien sich an. Dreckig und verschwitzt hetzten sie ohne erkennbaren Sinn herum, von der ebenfalls zügellosen Meute, die im Theater saß, hysterisch angefeuert. „Einen derart abartigen Götzen-Kult habe ich noch nie gesehen“, wunderte sich Hey-ra. „Übertragung wechseln“. Ein Roboter erschien, der mit einem Kind redete und spielte. Er war offensichtlich vielseitig verwendbar, denn er erschien in verschiedenen Varianten. Der Computer übersetzte nach kurzer Zeit: „für

Kinder mit einem Tischtennisarm und für die einsame Hausfrau mit ausdauernder Massagehand! Angebot nur für kurze Zeit“ Dze-us schüttelte den Kopf, „Trotz Überbevölkerung vereinsamen sie und ersetzten den zwischenmenschlichen Kontakt durch Maschinen“. „Andere Übertragung!“. Es erschien ein Schwein, welches mit Menschen redete. Hey-ra erschrak „Mutationen! Das kann nur eine Folge ihres leichtsinnigen Umgangs mit Atombomben und der Kernkraft sein.“ „Übertragung!“. Neue Bilder tauchten auf, von kämpfenden Menschen, zerstörten Häusern und Rauchschwaden, die über Trümmer und

Leichen zogen. „Wie in Potidaia“ seufzte Sokrates und senkte bedrückt den Kopf. „Übertragung Ende“ rief Dze-us und die Bildwand erlosch. Er blickte sich um und sah nur betroffene Gesichter. „Krankheit, Folter, Wahnsinn, Zerstörung, Hass, Einsamkeit, und Mutationen - was ist nur aus diesem Planeten geworden?“ seufzte Hey-ra und legte mitleidig eine Hand auf Sokrates Schulter, der ungläubig klagte: „Das ist nicht mehr meine Menschheit.“ „Nein, das ist keine intelligente Lebensform mehr. Ich hätte nicht gedacht, dass du so sehr recht hast, als du sagtest, diese Zivilisation habe den Planeten wie eine Krankheit befallen.“ Dze-us blickte entschlossen zu Hey-ra. „Aber sie haben trotz

ihres Wahnsinns die Raumfahrt entwickelt“, und nach einer bedeutungsvollen Pause ergänzt er, „Wir müssen dafür sorgen, dass dieser Wahnsinn sich nicht ausbreitet.“ Mit einem Klick aktivierte er wieder sein Sprachmodul und machte eine Durchsage an das Schiff, „Macht das Planetenserum bereit, wir müssen wieder einen krankes Geschwür entfernen. Dze-us Ende.“

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Über den Autor

Silbenfaeller
Bin ein Jahrgang 67, Married with children und wenn ich schon ins Burnout steuere, dann zumindest glücklich. Meine besseren 3/4 nennen meinen Beruf meist Computer-Heini, was nicht so schlimm ist, da ich ihren Internet-Zugang kontrolliere und somit daheim zumindest etwas in der Hand habe.

Mein Credo nehme ich von Wigald Boning "Bleiben Sie neugierig" - nein, das gleichnamige Buch habe ich nicht gelesen - und füge hinzu "Höre nie auf zu Lernen, vor allem aus deinen Fehlern". Eine Zahnfüllung, verbeultes Blech, gebrochene Knochen oder Herzen - aus allem kann man eine Lehre ziehen.

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FLEURdelaCOEUR 
Wow, ich bin sehr angetan von deiner Story. Thematisch, sprachlich und im Aufbau finde ich sie sehr gelungen!
LG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
koollook Fantasievolle Geschichte. Ich sehe mich zwar nicht als ein krankes Geschwürr an, aber dem Sinn nach kommt es hin.
Vor langer Zeit - Antworten
Phil_Humor Stützt Erich von Dänikens These: Aliens in Mythen wüten.

Wenn sie schon beliebig mutieren können, wieso bevorzugen sie ihre eigentliche Gestalt? Spricht daraus eine gewisse Unfreiheit - man möchte doch man selber sein? Engt das die Freiheit der Magier und Zauberer ein?
Vor langer Zeit - Antworten
Silbenfaeller Da musst du sie wohl selber fragen. Probier mal eine Mail an dze-us@altair.milkyway
Vor langer Zeit - Antworten
bluemaxx 
Die Geschichte gefällt mir gut. Und .... Ich bin überrascht von Dir so eine Geschichte zu lesen. Schmunzel ..... In welchen Büchern hattest Du wohl Deine Nase drinnen ?!?

LG Bluemaxx
Vor langer Zeit - Antworten
Silbenfaeller Welche Bücher? Gaaaanz viele - angefangen vor ungefähr tausend Jahren mit Perry Rhodan und den griechischen Sagen. Dann hab ich bei Karl May (oder wars Marx) reingeschnuppert und, und, und. Meine letzte Neubeschaffung war übrigens der Qur'an, aber bis ich da durch bin, wird´s ein Weilchen dauern...
lg SF
Vor langer Zeit - Antworten
Zentaur deine Geschichte ist wirklich fantastisch gut. Das Lesen hat mir sehr viel Spaß gemacht. Hey, aber die Schmetterlinge geben wir nicht her, deine Repis können sich ja aus Mücken einen leckeren Burger braten.^^
Für das Battle wünsch ich dir viel Glück und drück dir alle Daumen.

LG Helga
Vor langer Zeit - Antworten
Silbenfaeller Danke!
Schmetterlinge liebe ich auch - unsere Kleine bekommt nächste Woche zum Geburtstag sogar so eine Schmetterlingsfarm. Sie kann beim Verpuppen und Schlüpfen zusehen und sie dann frei lassen.
lg SF
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste 
Die Herren Chamälions (Krokodil-ähnlich?)sollten froh sein. Sie haben Zungen, wovon wir nur Träumen, haben Schuppen - äußerst praktisch wegen der dem reduzierten Pflegeaufwand (Wegfall der Werbelüge) , und brauchen sich eigentlich wegen der Entwicklung der fremden Terra nicht beklagen. Es war halt ein Experiment, ist halt schief gegangen. Ein paar Käfer noch in den Rachen geschnalzt und gut ist.
Silbenfäller, ich zähle Sience Fiction nicht unbedingt zu meinen bevorzugten Genres, aber was Du hier abgeliefert hast, bereichert das Battle ungemein!
Von mir für Idee, Ausführung, Handwerk und These, sowie die beigemengte, intensive Gesellschaftskritik ein Favo.
Nebenbei liest sich die Geschichte flüssig und unterhaltend.
Nur weiter zu empfehlen!
kritische
Grüße
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
Silbenfaeller Danke für den ausführlichen Kommi, nehme ich von dir errötend und wie einen Orden entgegen.
Ich hatte jedenfalls eine Menge Spaß, nicht nur beim Schreiben, sondern beim Entwickeln der Idee und vor allem bei der Recherche - die du ja in Perfektion beherrschst. Die Story darf ja nicht völlig aus der Luft gegriffen sein - Zeiten, Personen, Zitate sollen ungefähr passen.
Dazu noch Inspirationen - wer kommt darauf, aus welcher SF-Serie die noch längere Zunge kommt ? :-)
Gruß SF
Vor langer Zeit - Antworten
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