Kurzgeschichte
Prestigefrage

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"Es stinkt zum Himmel"
Veröffentlicht am 15. Mai 2014, 16 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich versuche mit guten Geschichten zu unterhalten. Hoffentlich glückt es. Ich bin Jahrgang 1958, in München geboren. Seit meiner Kindheit schreibe ich, habe aber nie eine Profession daraus gemacht. Meine zarten Versuche mal eine meiner Geschichten bei einem Verlag zu veröffentlichen sind gescheitert. Hier gibt es eine Auswahl von Kurzgeschichten aller Art. Sie sind in ihrer Kürze dem Internet und e-pub Medium angepasst.
Es stinkt zum Himmel

Prestigefrage

Vorbemerkung

Jeder Politiker behauptet fürchterlich seriös zu sein. Außerdem sind sie wichtig und bestehen auf standesgemäße Ausstatttung. Auch auf noblen Banketten fühlen sie sich wohl.

Das war im alten Rom natürlich ganz anders, oder?

Mal sehen!

Der Vergleich ist nicht ganz unbeabsichtigt!


Neu eingestellt: (08.04.2016)

Einige Kleinigkeiten wurden ergänzt.


Copyright: G.v.Tetzeli

Cover: Monika Heisig

Sepronius Gracchus wandelte auf der Terrasse seiner Vila Urbana und blickte über die Stadt der Welt: - Rom.

Die Behausung war kein Vergleich zu seinem viel großzügiger angelegten Landsitz. Aber er konnte sich nicht beklagen. Dieses Haus war mit allem ausgestattet, was so als standesgemäß galt. Es hatte ein Bad, Taverne, Gebäude für die Sklaven und das Gesinde, eine hervorragend ausgestattete Küche, natürlich einen schönen Garten, der etwas größer hätte sein können, wenn nicht sowieso die Gelder schon reichlich überstrapaziert gewesen wären. Immerhin betrug der augenblickliche Kontostand eine Million Sesterzen minus. Aber was bedeutete das schon?

Wenn das Senatorenamt ihm übertragen werden würde, konnte man sich in Null Komma nichts sanieren. Das brachte das Amt einfach mit sich. Wenn man es genau nahm, so war dieser Schuldenberg eine Investition in Zukünftiges. Seilschaften haben sich schon immer rentiert!


Endlich eilte sein Adlatus herein.

„Sepronius, es ist geschafft! Sie sind als Senator nominiert! Claudius hat sich auch für sie eingesetzt“, verkündete er glücklich. "Heureka", rief Sepronius.

Er geriet in die üblich griechische Euphorie und ballte die Caesarenfaust.


"Hast du es Antonia schon berichtet?"

"Deiner Frau habe ich es noch nicht gesagt. Ich wollte es dir zuerst vermelden."

"Gut getan", tätschelte ihn Sepronius.

"Nun geh! Eine fürstliche Belohnung sei dir gewiss."

Roxas Liberio entschwand unter Danksagungen und begab sich zu Antonia, der Herrin. Obwohl Roxas kein Sklave, sondern ein ein 'freier Bürger' war, sah er dieser Begegnung mit gemischten Gefühlen entgegen. Sie würde ihn ordentlich züchtigen, weil sie es nicht zuerst erfahren hatte. Schließlich musste sie als zukünftige Gattin eines Senators ihre Garderobe völlig neu anpassen.


Genau das gleiche Kleidungsproblem beschäftigte auch Sepronius. Wie bereits vorsorglich bestellt, meldete sich der reiche Händler Rufius an. Der Einzige, der in Frage kam, denn auch die Creme de la Creme und die Familie der Claudier kauften bei ihm.

In der Empfangshalle harrte Sepronius seiner.


Rufius trat mit einem Gefolge von zwölf Sklaven ein. Nach den üblichen, etwas steif wirkenden Begrüßungsfloskeln, breitete der Händler seine Waren aus. Sepronius glitt an den verschiedenen Stoffen entlang.

"Gestern hast du mit deiner Lieferung Geschmack bewiesen, Rufius", meinte

Sepronius mit gefährlichem Unterton.

"Die Elsternzungen waren ausgezeichnet. Auch dein Wein aus Samos. Schön süß und schwer. Das Bankett ein voller Erfolg."

Immerhin hatte Gracchus bei seinem Fürsprecher Claudius erfolgreich Eindruck schinden können. Auch erlesene Geschenke hatten den Besitzer gewechselt.

"Aber heute?"

"Ich weiß nicht, was eure Herrschaft meinen." "Wirklich nicht?"

Gracchus blitzte ihn an.

"Ich brauche Puprur, nicht so einen Plunder!" "Aber das sind die teuersten und edelsten gewirkten Stoffe, die ich habe", verteidigte sich Rufius.


"Lügner", bellte Sepronius zurück.

Der Hausherr nahm auf einem goldverzierten Hocker Platz.

"Ich weiß, dass du vor 4 Wochen eine Lieferung reinen Purpurs aus Tyros (im heutiges Süd-Libanon gelegen) bekommen hast."

Rufius fasste sich unschuldig mit der Hand an die Brust.

"Leugne nicht", herrschte ihn Sepronius an.

"Ich weiß außerdem, dass du bei Marcus Severus, dem Purpurarius eine Senatsschärpe in Auftrag gegeben hast. Für wen?"

Diesmal wusste Rufius die einzig richtige Antwort.


"Für euch natürlich, ich wollte euch nur überraschen."

Rufius hätte es selbstverständlich auch dem unterlegenen Konkurrenten Varo Gnaius verkauft, aber das behielt er natürlich für sich.


Eine orientalisch verführerische Sklavin trat ein und blancierte auf einem Kissen die purpurne Senatsschärpe.

Sepronius schluckte vor Gier, dann aber riss er sich wieder zusammen.

"Kostet?"

"Sie müssen wissen, Herr, für ein Granum, also 1/3 Chacus (ca. 50 mg) braucht man 5000 Purpur-Muschelschnecken. Einzeln von Hand heraus gepult! Dann erst der

Gärungsprozess, und..."

"Schluss mit dem Geseiere! Wie viel?"

"100.000 Sesterzen!"

Sepronius bekam Schnappatmung.

"Ein Vorzugspreis!"

Das scheint mir auch so", schnarrte Gracchus sarkastisch.

Aber Sepronius hatte keine Wahl.

Wenn er bestätigt und ernannt werden würde, und damit war in den nächsten Tagen zu rechnen, gab es keine Alternative.

"Ich will die Ware vorher prüfen."

Rufius erschrak.

"Es sind genügend Plagiate im Umlauf", knirschte Gracchus (obwohl China damals noch unbekannt war).

Er schnippte und eine alte Frau trat unterwürfig ein.

"Sie ist direkt aus einer Fischerfamilie am tyrrhenischen Meer", erklärte Sepronius Gracchus süffisant und durchbohrte Rufius mit seinem Blick.

"Prüfe", befahl er der Fischerin.

Die Alte schlurfte heran, während die bezaubernde Sklavin den Kopf angeekelt weg drehte. Das hutzlige Weib stülpte die Nase ganz dicht ans Kissen, beäugte und schnüffelte tief, dann nickte sie.

"Ja, stinkt genau richtig."

Auf ein Nicken zog sie sich zurück und man hörte Rufius geräuschvoll ausatmen, schließlich war sein Kopf auf dem Spiel gestanden.

"Sag ich doch", erklärte Rufius erleichtert

"Mit echtem, menschlichem Urin vergoren und an der Sonne richtig durchgetrocknet, schließlich mit Honig aus dem Hymettosgebirge (nahe Athen), verklebt, fixiert, so dass es auch farbecht bleibt - also das Nobelste vom Noblen!"

"Gleich anprobieren", schnalzte Sepronius. Mehrere Diener eilten herbei, gewandeten ihn in die weiße Toga und schließlich legten sie ihm die schöne Sklavin die breite, purpurnerne Schärpe an. Auch Rufius glitt an die Schärpe, zupfte noch gewichtig daran herum.


Sepronius breitete die Arme aus und drehte

sich begeistert.

Seine Eitelkeit und seine purpurnerne Schärpe stanken zum Himmel.


Rufius bemerkte noch geschäftstüchtig.

"Die Sklavin ist übrigens im Preis inbegriffen."



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Anmerkung:

Die Herstellung des so sündteuren Purpur wurde uns u.a. von dem römischen Schriftsteller Plinius überliefert.

An der Luft bekam der Purpurstoff erst seine unvergleichliche Farbe. Den Geruch beschrieb Plinius höflicher Weise nur als sehr störend.

Purpur galt als praktisch unbezahlbar. Nur Senatoren durften die purpurne Schärpe tragen.

Natürlich gab es damals Fälschungen, allein weil es so enorm teuer war. Den beißenden Geruch aber verströmte nur der echte Purpur.


Absolutes Highlight war ein Umhang aus Purpur. Bei einem gewährten Triumpfzug -

trug der Feldherr (der war in den meisten Fällen sowieso schon Senator) einen solchen Umhang.

Weil die Farbe verschiedentlich ausfallen konnte und das Färben viel Erfahrung erforderte (Dauer und Temperatur des Auskochens), waren nur sogenannte Pupurarii (der Purpurarius) dazu berechtigt.

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Über den Autor

welpenweste
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Newcomer Sehr schön lieber Günter, aber mir drängte sich gleich eine Frage auf: Wer hat die Schärpe vergoren? Denn wie ich es verstanden habe, war das ein wichtiges Kriterium. Da sie ja so wertvoll war, muss dieser Vorgang auch von entscheidender Bedeutung gewesen sein!
Herzliche Grüße von Marko
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Abgesehen von abertausenden Muscheln, die einzeln ausgeporgt werden mussten, gab es im alten Rom spezielle Tuchmacher, die damit umgehen durften. Weil so teuer, waren diese Spezialisten dünn gesäht und hoch angesehen. Denn macht man man beim Gärungsprozess etwas falsch, dann gibt es keine schöne, blaue Farbe, sondern braunen Dreck.
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
GertraudW 
Herrlich geschrieben lieber Günter - und "lehrreich" ...
Nur gut, dass man hier davon nix riechen kann.
Liebe Grüße
Gertraud
Vor langer Zeit - Antworten
Bleistift 
"Prestigefrage..."
Na ja, Geld stinkt eben doch nicht,
das wusste auch einstmals schon
der römischen Kaiser Vespasian zu vermelden...
Doch die Art und Weise mit der es damals wie heute
von dem Machern dieser Welt gescheffelt wurde,
allerdings schon. ...grinst*
So präsentierte man ungeniert, was man hatte, ...Macht...

Prima Geschichte zum Thema... ...smile*
LG Louis :-)
Vor langer Zeit - Antworten
Sealord Auch ein Mittel um feine Spürnasen auf Distanz zu halten!
LG Uwe
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Oh, schön, wie doppeldeutig!
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Da stell ich mir vor, wenn unsere Politiker solche Umhänge tragen würden, wie es in den Plenarsäälen riechen würde (kicher).

LG Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Damals hatten die Senatorensitzungen tatsächlich unter freiem Himmel statt gefunden, nämlich im Forum Romanum. Nach Caesars Tod war die Sache überdacht (vielleicht schon vorher), aber mit Durchzug durch die Hohen Säuleneingänge. (Forum Iulium)
klasse Kommentar!!
Lg
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
Rajymbek Ja, ja, früher waren die Sklavinnen im Preis inbegriffen. heute muss man sie extra bezahlen. Schmunzel. Vergleiche mit Lebenden wären rein zufällig.

VLG Roland
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Wen hätte man denn von den lebenden Politikern vergleichen sollen? Das ist doch völlig abwegig. Wer trägt denn heute noch Purpur, wenn es Goldplättchen zum Fressen gibt.
Vor langer Zeit - Antworten
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