Biografien & Erinnerungen
Heimat? - Was ist Heimat?

0
"Heimat? - Was ist Heimat?"
Veröffentlicht am 13. April 2014, 16 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Mitten im kalten Winter, im Zeichen Steinbock bin ich geboren. Viele Winter habe ich nun schon erlebt, doch ich erlebe auch immer noch gerne die anderen Jahreszeiten. Ich schreibe Kurz-Geschichten, Märchen Geschichten über meinen Hund, oder auch Fantasie. Ich schreibe sehr gerne Gedichte, dazu gehört Lyrik und Poesie. Ich male Bilder, in Acryl, oder Aquarell, zeichne auch, oder ich male mit einem Tablett direkt am PC.
Heimat? - Was ist Heimat?

Heimat? - Was ist Heimat?

Heimat? Hin und her gebeutelt, hat mich mein Leben. Als ich geboren wurde, tobte der zweite Weltkrieg über mein Vaterland Deutschland. Weil ein größenwahnsinniger Mann mit einer Oberlippenbürste, der Mann nicht einmal deutsch war, glaubte, er müsste die Weltmacht erkämpfen. Und genau zu dieser Zeit kam ich in Niederschlesien, dem heutigen Polen zur Welt. War dies meine Heimat? Ganz und gar nicht. Denn ich kenne bis zum heutigen Tag meinen Geburtsort, eine kleine Stadt, die damals Lauban hieß, überhaupt nicht. Meine Mutter ging mit mir nach Berlin, da in

dort ihre Eltern lebten und sie auch hier geboren wurde. Weiter lebten wir bis zu meinem vierten Lebensjahr in Hindenburg Oberschlesien, bei der Schwester meiner Mutter und ihrem sechs jährigen Sohn. Ihre Männer, unsere Väter waren auf dem Feld, wie man so sagte sie waren an der Front. Dann kam unsere erste Flucht, wir flüchteten im letzten Augenblick wieder nach Berlin, zu meinen Großeltern. Ich erinnere mich noch heute daran wie die Bomben auf die Stadt fielen, wie fast unsere ganze Straße ein einziges großes Feuer war. Wie wir ständig in den Luftschutzkeller rannten. Mein Großvater riet unseren Müttern raus aus Berlin zu gehen, denn der

damalige Feind, wie man ihn nannte, der Russe war im Anmarsch. So flohen wir nach Niedersachsen, das ist in Norddeutschland. Wir kamen in ein kleines Heidedorf. Eine Bäuerin, deren Mann auch im Krieg war nahm uns auf. Meine Mutter und meine Tante mussten fürs Wohnen in zwei winzigen Kammern, in denen es auch noch rein regnete, und wo die Mäuse im Strohsack von unserem Bett lebten, mit ins Teufelsmoor zum Torf stechen helfen. Da meine Mutter gehbehindert war, konnte sie dies bald nicht mehr tun, nun musste sie Kühe Melken, Essen kochen, und vieles mehr. Auch hier flogen immer wieder Kampfflieger über unser Dorf dann hieß es,

ab in den Bunker, das war ein tiefes Loch im Boden abgedeckt mit Brettern und Erde drauf. (Lange wusste ich nicht, weshalb ich Immer diese Platzangst hatte, bis es mir dann wie Schuppen von den Augen fiel, Schuld war dieser Bunker). Hier in Reessum kam ich in die Schule, und hatte meine Freunde hier gefunden. 1946 kam mein Vater aus der russischen Gefangenschaft zurück. Mein Onkel, der Mann meiner Tante kam niemals wieder. Dieser Mann, mein Vater, war mir so fremd, und es brauchte lange. Bis wir zu einander fanden. Wir zogen in eine ehemalige Mühle. Die mein Vater etwas ausbaute. Doch mein Vater brauchte dringend Arbeit, die fand er außer als Knecht, hier nicht. So malte er

Ölbilder, in Auftrag, meist waren es Halbakte. Als ich einmal in seine Werkstatt kam, hatte er gerade eine „Liegende“ in Arbeit, es war nach einem Foto. Mein Vater wollte nicht, dass ich damals acht Jahre, dies Bild ansah. Dennoch tat ich dies, und ich war damals begeistert, „so will ich einmal malen, wie du.“ Sagte ich zu meinem Vater. Irgendwie sehe ich auch heute noch in Gedanken dieses Bild, eine wunderschöne Frau, mit bloßem Busen, und eine Hand über der Scham, auf einer Ottomane liegend. Auch fotografierte er immer wieder die Landschaft, meist war es die Heide. Er machte aus seinen Fotos Postkarten, die er in den Läden anbot, und die er auch meisten verkaufen konnte. Er schnitzte Kinderspielzeug. Dies alles hielt uns

über Wasser. Als ich acht wurde bekam ich ein kleines Brüderchen. Wie sehr hatte ich mir ein Geschwisterchen gewünscht. Meine Freude war riesig. Mein Bruder bekam den Namen Jörg. Es war ein süßer blonder Lockenkopf. Er war noch kein Jahr alt, da bekam er Meningitis, eine tuberkulöse Hirnhaut Entzündung. Er kam ins Krankenhaus. Mein Vater versprach sich in Süddeutschland mehr Chancen in seinem Beruf zu haben. So siedelten wir um, wie man damals dazu sagte. Mit so gut wie kein Gepäck, nur was uns lieb und teuer war kam mit. Unser Umzugswagen war die Eisenbahn. Damals mit Dampflock keine Einzelabteile, und mit Holzbänken. Wir waren wirklich drei Tage, und drei Nächte mit

diesem Bummelzug unterwegs. Das war für uns die einzige Möglichkeit, denn etwas anderes konnten wir uns nicht leisten. In Ettenheim kamen wir in eine Art Übergangs Lager. Dies waren zwei riesige Hallen, in der einen Halle waren die Männer untergebracht, und in der anderen, die Frauen mit ihren Kindern. Etwas mehr als eine Woche hielten wir uns dort auf. Dann kamen wir nach Sulz, wir sollten im evangelischen Pfarrhaus unterkommen. Doch der „Herr Pfarrer“, weigerte sich uns auf zu nehmen. Er wollte keine Kinder, und keinen Hund, denn wir hatten unseren kleinen Foxel auch mit genommen. Nun wohnten wir in einem Gasthaus. Wir hatten ein winziges Zimmer mit Aussicht

bekommen. Die Aussicht ging direkt auf das Schlachthaus, denn die Wirtsleute schlachteten selbst. Niemals vergesse ich das wahnsinnige Wehgeschrei der Schweine und Kühe. Ewige Zeit danach habe ich kein Fleisch gegessen, ab und zu mal ein Stückchen Wurst. (Erst in meiner ehe fing ich an, etwas Fleisch zu essen.) Der „Herr Pfarrer“ besuchte uns. Er lud uns zu seinen Gottesdiensten ein. Meine Mutter, eine gläubige Protestantin lehnte dies ab: „Nee, nee Herr Pfarrer zu einem Mann, der von seiner Kanzel Liebe predigt, selbst aber keine Familie mit Kind und Hund, bei sich im Haus auf nehmen will, zu so einem gehe ich niemals in die Kirche.“ Entgeistert sah der Pfarrer meine Mutter an, „ Sind sie etwa die

Familie?“ wollte er wissen. Einige Tage später zogen wir in die obere Etage vom Pfarrhaus ein. Fast zwei Jahre lebten wir in Sulz im Pfarrhaus. Es hatte sich zwischen meinen Eltern und der Pfarrfamilie eine nette Freundschaft entwickelt.

Mein Vater fand in Freiburg i. Breisgau, eine Stellung als Grafiker und Graveur. (Sein Beruf). Und so zogen wir nach Freiburg, gerade, als ich mich hier endlich im Dorf heimisch fühlte. Ich wurde eben zehn Jahre. Heimat? In Freiburg zogen wir in ein Reihenhäuschen, in einer kleinen Siedlung. Hier ging ich auch in die Schule. Ich hatte viele nette und auch liebe Freunde und Freundinnen gefunden. Wir holten nach

einem Jahr meinen kleinen Bruder aus dem Bremer Krankenhaus zu uns. Er war schon etwas älter als zwei Jahre, aber er war wie ein Säugling. Wir weinten sehr, dass er nicht gesund wurde. (Er lebte bis zu seinem siebzehnten Lebensjahr. ER wurde nie mehr gesund.) Hier bekam ich auch endlich noch ein Schwesterchen. Ich war überglücklich, und ich liebte, und liebe sie heiß und innig. Wir sind altersmäßig 13 Jahre auseinander.

Hier in Freiburg fühlte ich mich wohl, hier war ich zu hause. Doch leider nicht lange. Ich machte meinen Schulabschluss, und ging auf die Kaufmännische Handelsschule, ich hatte Berufspläne, die sich zerschlugen, weil mein Vater wieder einmal weg wollte, eine besser bezahlte Stellung fand er in Basel, In der

Schweiz. Heimat? Meinen ganzen Freundeskreis musste ich wieder hinter mir lassen. Wir zogen nach Kandern in Baden. Da ich nicht schüchtern war fand ich auch schnell Freundinnen. Ich war im Turnverein, ich sang im gemischten Chor. Ich war sechszehn als mir mein Vater in Basel eine Lehrstelle als Verkaufstochter besorgte, wie man dort zu einer Verkäuferin sagte. Grundbedingung war, ich musste Schweizer Dütsch, lernen. Es war schrecklich für mich, gerne hätte ich das Selbe gelernt, was mein Vater von Beruf ist, leider war es damals nicht möglich. Mädchen konnten diesen Beruf nicht lernen. Hier kam dann auch noch mein Bruder auf die Welt.

Uns trennen fast 17 Jahre, leider ist der Altersunterschied sehr groß.

Ich war grad siebzehn, trat ein junger Mann in mein Leben, wir verliebten uns, wir verlobten uns, ich war neunzehn, als wir heirateten. Damals war es schwer, eine Wohnung zu finden, In Weil am Rhein verbrachten wir ein halbes Jahr in einem möblierten Zimmer. Schließlich zogen wir zurück nach Kandern. Wir lebten zwei Jahre in einem Gartenhaus. Mit zwei kleinen Kindern, ein Jahr und zwei Jahre. Mein Mann fand in Denkendorf BW eine neue Arbeit, mit, was das wichtigste für uns war, einer Wohnung. Hier kam mein jüngster auf die Welt. Heimat?

Nein, wir zogen zwei Jahre später wieder um, mein Mann fand eine Stelle bei der Bundesbahn. Natürlich mit Wohnung. 26 Jahre lebten wir nun in Stuttgart. Endlich, hier fühlte ich mich zu hause. Heimat? Mein Mann wollte schon immer aufs Land. Ich nicht, ich war ein Städterin geworden. Doch was soll`s, wir zogen nach Schlat, ein Schönes Dorf am Fuße der Alb. Ich musste meine Arbeit aufgeben, doch die Landschaft belohnte mich. Ich machte täglich Stundenlange Ausflüge mit meinem kleinen Dackel. Ich genoss die Landluft. Nie hatte ich geglaubt, dass Ruhe sooo laut sein kann. Und soooo wunderbar.

Ich schien angekommen, obwohl ein Dorf nicht mein Ding war. 27 Jahre lebten wir in diesem wirklich schönen Dorf. Heimat? Nun sind wir vor einem dreiviertel Jahr wieder einmal umgezogen. In den Ort, in dem unsere Tochter lebt. Weil wir nun nicht mehr wirklich jung, besser in ihrer Nähe aufgehoben sind. Es war nicht wirklich schön, der Umzug. Es war der Wahnsinn. Doch langsam fasse ich hier Fuß. Heimat? Das Wort Heimat ist ein dehnbarer Begriff für mich. Man kann es auslegen, man kann sagen, so wie Personen, die immer in ihrem

Geburtsort leben, dass das ihre Heimat ist. Ich stelle fest, Heimat ist für mich kein Ort. Heimat ist mein Leben, unser Leben. Heimat ist mit den Menschen die ich liebe zusammen zu sein. Auch mein neuer kleiner Hund ist ein Stück Heimat. Heimat ist, ------ alles was ich liebe. © Eisblume/Eiskristall 13. 04. 2014

0

Hörbuch

Über den Autor

Eisblume
Mitten im kalten Winter, im Zeichen Steinbock bin ich geboren. Viele Winter habe ich nun schon erlebt, doch ich erlebe auch immer noch gerne die anderen Jahreszeiten.
Ich schreibe Kurz-Geschichten, Märchen Geschichten über meinen Hund, oder auch Fantasie.
Ich schreibe sehr gerne Gedichte, dazu gehört Lyrik und Poesie.
Ich male Bilder, in Acryl, oder Aquarell, zeichne auch, oder ich male mit einem Tablett direkt am PC.

Leser-Statistik
21

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Hofdichter Der letzte Satz ist voller Wahrheit , und so denke ich heute auch über meine Heimat. Meine Mutter ist aus der DDR mit nur einem Koffer und zwei Söhne geflohen ich hab auch keine Verwurzelung mehr zum Geburtsort. Freiburg ist wunderschön meine Schwester wohnt dort und mein Bruder wohnt nah an Basel . Ich hab den Seepark in Freiburg schon sehr oft umrundet :-))

Ich wünsche dir eine unzerstörbare Heimat im Herzen mit allem was dich erfreut!

Lieben Samstagsgruß
Ephraim
Vor langer Zeit - Antworten
Monczi 
hallo Christa,
habe Deine Kurzbiografie zum Thema " Heimat " mit Intreresse gelesen,
ich denke ein Stück Heimat sind wohl die Menschen,die man liebt und in deren Kreis man sich bewegt
dazu fällt mir ein Buch ein * Geh wohin Dein Herz Dich trägt *
schwierig ist es immer wieder Abschied nehmen zu müssen,
weil das tägliche Brot verdienen es so verlangt .....
schade, daß dein Mann nicht mit Dir in den Geburtsort möchte
vllt.reist Deine Tochter ja mal mit Dir dorthin
ich wünsche Dir noch viel Glück für Deine Zukunft,
wo auch immer dies sein mag
lieben Gruß
Monczi
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Sehr interressant, gefällt mir!

Deine Heidrun
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Schön hast du deine Geschichte geschrieben, liebe Eisblume und mir aus dem Herzen gesprochen. Und doch fällt es nicht jedem leicht sich an neuen Orten einzugewöhnen. Ich merke das an meinen Kindern, habe eine Weltenbummlerin und die Kleinste hat schon als kleines Mädchen gesagt: Warum müssen wir im Urlaub denn immer wegfahren, ich möchte zu Hause bleiben, So ist es geblieben. Schätze, nach ihrem Studium wird es auch so werden. Wir sind übrigens sehr viel in deinem Geburtsort, in Niederschlesien, unterwegs, besichtigen die Schlösser im Hirschberger Tal und die vielen Kurorte, Gerhard Hauptmanns Geburtshaus . Es ist da sehr schön geworden, viel wird noch rekonstruiert. Wir haben einen älteren Bekannten, der ist ebenfalls dort geboren, interessiert sich sehr für Geschichte und führt uns dann immer. Meine Großeltern kamen auch aus Schlesien, sie siedelten sich aber eben nur in Niesky bei Görlitz, 20 km von der heutigen polnischen Grenze an.
Am treffendsten finde ich deine letzten Sätze (und für mich als absoluten Hundefan natürlich auch den mit dem Hund - grins!) Das spüre ich ebenfalls täglich. Liebe Grüße Christine
Vor langer Zeit - Antworten
Eisblume Schön liebe Christine, dass du meine Geschichte gelesen hast. Leider kenne ich meinen Geburtsort nicht, früher hieß diese Kleinstadt, Lauban, mein Vater war dort als Sanitäter stationiert. Ich wäre mal so gern hin gefahren, doch mein Mann weigerte sich. Nun ja. Egal, wo ich bin, wichtig für mich ist, dass ich nicht einsam bin.
Herzlichst,
Christa
Vor langer Zeit - Antworten
Albatros99 Lauban heißt jetzt Luban, liegt 20 min von der Grenze und wir sind öfter dort. Mein Mann und ich arbeiten an der Broschüre "Hochzeitsträume" mit, die im ganzen Bundesgebiet erscheint für Heiratswillige. Für jede Ecke arbeitet ein anderer, wir eben für Ostsachsen. Da ist auch Alicja mit ihrem wunderschönen Brautmodengeschäft aus Luban unsere Kundin, eine überaus nette blonde Polin, die fast fehlerfrei deutsch spricht. Meine Oma hat dort früher gelebt, sie war bei einem Arzt "in Stellung". Ja hier an der Grenze, vor allem unter den jungen Leuten gibt es wenig Verständigungsschwierigkeiten, und das finde ich gut so. In den Görlitzer Schulen lernen inzwischen viele polnische Kinder, umgekehrt studieren an den Hochschulen in Lauban und Breslau deutsche Studenten. Nur, das wird noch nicht so angenommen, weil wir zu faul sind, die Sprache zu lernen. Liebe Grüße Christine
Vor langer Zeit - Antworten
Willy Heimat- ein gewiss überstrapazierter Begriff zumal in der heutigen Welt, wo große Entfernungen fast minutenschnell überbrückt werden. Sich selbst- egal wo man lebt- ein Heimat schaffen ist anfangs meist schwierig, aber machbar.Heimat deine Sterne? Zum Kuckuck, die sind überall zu sehen, man muss nur seinen Blick erheben und nicht geduckt durchs Leben gehen .....
Deine Erzählung hat mir sehr gefallen.
LG
Sweder
Vor langer Zeit - Antworten
Eisblume Danke Willy, dass Du reingeschaut hast. Heimat ist ein dehnbarer Begriff. Jeder Mensch versteht etwa anderes als Heimat. Ich habe bisher immer erfahren müssen, dass wenn ich irgendwo Fuß gefasst habe, dann hieß es wieder Abschied nehmen.
LG
Christa
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Da hattest du ja ein bewegtes Leben!
Doch ich kann deine Gedanken zum Heimatbegriff gut verstehen,

Liebe Grüße
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Eisblume Es freut mich sehr, dass Du bei mir gelesen hast.,
Danke dafür.
Herzlichst,
Christa
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
10
0
Senden

110475
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung