Humor & Satire
Erbarmungslos

Erbarmungslos

Ich spürte es bereits schon lange vorher. Irgendwie hatte ich es geahnt, fast schon sicher gewusst, dass das Unausweichliche eintreten würde. Das Unvermeidbare, das mich wie eine Gewitterwolke stetig verfolgte und sich wie ein drohendes Unwetter vor mir auftürmte. Doch was sollte ich dagegen tun? Ich war nur ein kleines Licht, eine Blatt im Wind, ein Regentropfen auf dem großen Ozean. Ich blickte vorsichtig zu ihm hinüber. Sein schwarzes Haar fiel ihm in wirren Locken ins Gesicht, sein Blick war wie versteinert. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Ich hatte soeben eine völlig neue Seite an ihm kennengelernt. Eine Seite, die mir überhaupt nicht gefiel. Und trotzdem fühlte ich mich stark zu ihm hingezogen. Gleich würde er mich rausschmeißen, das war so gut wie sicher. Er hatte es bereits angekündigt. „Gleich schmeiße ich dich raus!“, hatte er gesagt. Er hatte es einfach so gesagt. Mit einer Leichtigkeit, die ich unmöglich fand. Es war nahezu absurd, dass er so etwas sagen konnte, nach allem, was passiert war. Doch irgendwie hatte er auch recht, ich konnte es ihm nicht verdenken. So konnte es beim besten Willen nicht mit uns weitergehen. Trotzdem: Eine gewisse Hoffnung hatte ich doch noch. Es war noch nicht alles verloren. Meine Hände zitterten. Seine Miene: Unerschütterlich. Er blickte an mir vorbei, irgendwie ins Leere. Ich fühlte mich hilflos und verlassen, war ihm noch nie so ausgeliefert wie in diesem Moment. Die Minuten zogen sich hin wie Kaugummi, unendlich lang. Ich hatte das Gefühl für Zeit und Raum verloren. Nervös biss ich auf meiner Unterlippe herum bis sie blutete. Dann die entscheidende Minute sein diabolisches Lächeln ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Er schien den  ängstlichen Blick in meinen Augen zu genießen, freute sich über mein Leid. „Tu es nicht!“, schrie ich ihn an und krallte mich an seinem Arm fest. Ein lautes Klackern durchbrach die Stille, dann ein Knall. Seine Stimme überschlug sich vor Freude. „Sechs! Du bist draußen!“, schrie er auf und fegte mit seiner Spielfigur mein grünes Männchen erbarmungslos vom Brett.