Kurzgeschichte
Schockdiagnose - Nierenzellkarzinom

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"Und diesmal bist du selbst betroffen..."
Veröffentlicht am 02. März 2014, 54 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Wenn Gefühle einen übermannen, fällt es oft leichter seine Gedanken, Empfindungen oder die Phantasie in Worte zu Papier zu bringen.
Und diesmal bist du selbst betroffen...

Schockdiagnose - Nierenzellkarzinom

Das können nur die Wechseljahre sein....

Sie, Christine ging nun mit großen Schritten auf die fünfzig zu, und seit einiger Zeit plagten sie die einen oder anderen Wehwehchen. Sie machte dann Späße wie: " Ich bin jetzt im knackigen Alter, mal knackt`s hier, und mal knackt`s da. Und dann lachte sie mit den Anderen über ihren Scherz. Tatsächlich fand sie es aber gar nicht so witzig. Zwei Bandscheibenvorfälle der Halswirbelsäule waren diagnostiziert worden. Der Termin für die OP stand bereits fest, und in 3 Tagen sollte sie ins Krankenhaus. In der Nacht vor der Voruntersuchung bekam Christine hohes

Fieber. Das Thermometer zeigte 39,8 C° an. Sie machte sich mit schweren Gliedern auf ins Krankenhaus. Der Neurochirurg erklärte ihr dann auch sogleich, dass bei einer Infektion mit so hohem Fieber, keine Operation durchgeführt werden dürfe. Als Christine dann auch noch erwähnte, dass sie wahnsinnige Angst vor dieser OP hat, und auch ein ganz ungutes Gefühl, sagte er zu ihrem Erstaunen, dass man manchmal auf sein Unterbewusstsein hören sollte. Er riet ihr, die Schmerzen erst einmal mit alternativen Methoden  behandeln zu lassen. Christine fuhr wegen des Fiebers auf dem nach Haus noch bei ihrem Hausarzt vorbei,

denn es kam zusätzlich  immer häufiger vor, dass sie über Gelenkschmerzen, starke nächtliche Schweißausbrüche, und neuerdings auch noch starke Wassereinlagerungen in den Beinen und Händen klagte. Auch die Gynäkologin hatte ihr nach einem Hormontest bereits bestätigt, dass sie nun mitten in den Wechseljahren war. Der Hausarzt machte einen Check up, nahm Blut ab und schlug eine Ultraschalluntersuchung vor, um den Grund des Fiebers zu finden. Die Blutwerte waren alle ok, nun noch eine Abdomenkontrolle, um zu sehen ob die Organe alle in Ordnung waren. Leber, Galle, Milz, Bauchspeicheldrüse alles

war o.k. Nun noch die Nieren. Da sagte ihr Hausarzt:" Also Frau Burg, hier an ihrer linken Niere ist was, dass sollte sich mal der Urologe ansehen. Es ist schlecht zu erkennen, aber dass sollten sie kontrollieren lassen. Naja dann schau ich doch gleich mal bei ihrem Kollegen vorbei, vielleicht ist es ja nicht so voll, und ich komme heute noch dran.


Gesagt, getan, sie hatte Glück und konnte in der Praxis bleiben. Der Arzt machte ebenfalls eine Ultraschalluntersuchung, rutschte ratz fatz mit dem Gerät über ihre Nierengegend und meinte:" Nun ich weiß ja nicht was ihr Hausarzt da gesehen hat,

aber da ist nichts !!! Na wunderbar, dass freut mich. Anziehen und ab nach Hause...

Wasser, Wasser, Wasser


Die Wassereinlagerungen in ihren Händen und Beinen gingen einfach nicht weg. Mittlerweile schwitze sie Nachts so stark, dass sich ihr Schlafzeug so anfühlte als hätte sie darin geduscht. Auch ihre rechte Hand schmerzte zunehmend, weil das Wasser die Gelenke anschwellen ließ. Ihr blieb nichts anderes übrig als noch einmal ihren Hausarzt aufzusuchen. Dr. Hoffmann war auch mit seinem Latein am Ende und nach einer erneuten Untersuchung, verließ sie die Praxis mit allerhand Überweisungen. Nephrologe,

Rheumatologe, Endokrinologe. Du lieber Gott, sie hatte gar nicht gewusst das es diese Begriffe überhaupt gab. Der erste Termin führte sie zum Nephrologe, das ist ein Arzt für Nierenerkrankung. Dort wurde ihr soviel Blut entnommen, dass sie glaubte `ne ganze Woche zu brauchen um den Verlust wieder aufzuholen. Die Praxis war brechendvoll. Unmengen von Menschen warteten auf ihre Untersuchungen. Dann endlich war sie dran, der Arzt stellte Unmengen an Fragen. Als erstes zu den derzeitigen Beschwerden, dann Vorerkrankungen, auch innerhalb der Familie, Beruf, Lebensgewohnheiten und, und, und. Dann musste sie 2 Tage lang den Urin in

Spezialbehältern sammeln, und sollte sich dann erneut in der Praxis vorstellen. Der Arzt rief sie ins Sprechzimmer und teilte ihr freundlich mit, dass alle ihr Werte jungfräulich seien. Vielleicht sollte sie doch besser einen Endokrinologen aufsuchen, dass ist ein Arzt für Drüsenerkrankungen. Ja danke Herr Doktor, dafür habe ich schon eine Überweisung in der Tasche. Der nette Doktor wollte als Abschluss noch einen Ultraschall machen und dann sollte sie entlassen werden. Auch er kontrollierte alle Organe, und plötzlich kam von Ihm ein langes Ohhh. Christine sah ihn an und fragte, was dieses Ohhh zu bedeuten hat. Er sagte da sei etwas an ihrer Niere,

und dass gehöre da auf keinen Fall hin. Sie sagte, dass ihr Hausarzt das schon vor 3 Monaten gesehen hat, der Urologe aber meinte das dort nichts sei. Der nette Dr. Hoffmann griff zum Telefon, und bat seine Helferin einen möglichst zeitnahen Termin für ein CT zu machen

In der Radiologie


Eine Woche später war es dann soweit. Sie fühlte sich schlecht, seit Wochen kämpfte sie schon mit einer Bronchitis, die trotz 2 maliger Antibiotika Einnahme überhaupt nicht verschwinden wollte. Vom vielen Husten tat mittlerweile schon der ganze Brustkorb weh. Nüchtern sollte sie sein, weil ihr ein radioaktives Mittel gespritzt werden sollte, damit man die Organe besser röntgen konnte. Christine fror als sie mit nacktem Oberkörper unter dem CT -Gerät lag. In dem Raum war es außerdem sehr kalt. Das Gefühl, als ihr dieses Gift durch die Adern gedrückt

wurde war, als würde ihr glühende Lava vom Arm bis in den Schoß schießen. Es war sehr unangenehm. Dann musste sie ganz still liegen, und die Aufnahmen ihres Innenlebens wurden gemacht. Anschließend musste sie zur Besprechung in das Zimmer der Radiologin. Die Radiologin zeigte ihr auf dem Röntgengerät einen "Rundherd" an der linken Niere wie sie es nannte, und sagte dass Doktor Hoffmann sie über die weitere Vorgehensweise aufklären würde. Was? Das war jetzt die Erklärung? Na super. Gleich am nächsten Morgen würde sie Dr. Hoffmann aufsuchen, denn er machte nur bis 14 Uhr

Dienst in der Praxis, danach war er meist im Dialysezentrum. Etwa eine Stunde später bekam sie einen Anruf der Radiologin, die ihr mitteilte dass sie am nächsten Tag für eine weitere Röntgenaufnahme noch einmal in die Praxis kommen müsse. Sie hätte eben mit Doktor Hoffmann gesprochen und sich die Ultraschallbilder faxen lassen, und wolle sich mit einer Aufnahme ohne Kontrastmittel noch einmal absichern. Christine wurde immer nervöser. Auch ihr Mann, auf den die Angst und Nervosität inzwischen ebenfalls übergegriffen hatte, konnte ihr die Unsicherheit nicht nehmen. Sie wollte heute nicht mehr darüber reden, und

wünschte sich es wäre schon morgen.

Die Diagnose

Gleich um acht am nächsten Morgen war Christine schon in der Praxis. Dort teilte man ihr mit, dass der Doktor erst um 10 Uhr kommen würde, aber sie könne ja die CD schon einmal da lassen, und sich dann nach 10 telefonisch melden. Sie fuhr also wieder nach Hause und kam gleichzeitig mit ihrem Mann vor dem Haus an. Er kam immer um diese Uhrzeit, um eine kurze Kaffeepause einzulegen. Sie berichtete was ihr gesagt worden war. Er nahm sie in den Arm, und drückte ihr einen Kuss ins Haar und sagte:" Schatz, mach dich jetzt nicht verrückt. Ich bin bei dir und gemeinsam

schaffen wir alles. Christine war froh diesen wundervollen Menschen an ihrer Seite zu haben. Gemeinsam hatten sie schon viele Hürden gemeistert, und ihre Liebe ist dadurch sogar noch gewachsen. Sie liebten sich wie am ersten Tag, und waren nicht nur Eheleute sondern auch beste Freunde. Kurz nach 10 Uhr hatte Christine ihren Nephrologen dann an der Strippe. Er sagte, dass laut gestrigem Telefongespräch mit der Radiologin der Verdacht auf einen gutartigen Tumor an der Niere besteht. Es sei ein Tumor der aus Fettgewebe besteht und wohl früh genug erkannt wurde. Allerdings müsste das weitere Röntgenergebnis abgewartet werden. Christines nächster Gang war

dann wieder einmal in die Röntgenpraxis. Nach dem Vorgang musst sie dann noch einmal ins Sprechzimmer. Die Radiologin fasste sich ziemlich kurz, und sagte das sich "leider" nicht bestätigt habe, dass es sich um Fettgewebe handelt. Dann kam:" Es tut mir leid, ihr Arzt wird am Montag den Bericht haben, um eine Operation werden sie leider nicht rum kommen. Ich wünsche ihnen alles Gute. Bäääm !!! Es war als würde man Christine einen K.O. versetzen.

Diagnose bestätigt Verdacht auf Nierenzellkarzinom


Als Christine am Montag die Arztpraxis betrat, hatte sie ein hartes Wochenende voller Grübeleien hinter sich. Sie wurde von den Arzthelferinnen mit Guten Morgen Frau Burg begrüßt, auweia.... Ihre Mutter hatte einmal gesagt: " Kind, wenn man Dich irgendwo, wo sehr viel Publikumsverkehr ist, und man dich kaum kennt, mit Deinem Namen begrüßt, dann hast du dort entweder einen Kredit über `ne halbe Millionen laufen, oder man hat schlechte Nachrichten für Dich. Naja, meine Mutter hatte recht...

Genauso war es. Verdacht auf bösartiges Nierenzellkarzinom. Nach einer kurzen Aufklärung, bekam sie sofort einen Termin für`s Krankenhaus. Das nächste was Christine tat, als sie die Praxis verlassen hatte, war ihren Urologen anzurufen. Sie sagte der Empfangsdame, dass diese ihrem Chef einen Gruß von ihr ausrichten soll. Sie solle ihm sagen, dass Christine einen bösartigen Tumor von 5 cm Durchmesser an der Niere habe, den "ER" vor 3 Monaten nicht gesehen hat. Wie ihr Hausarzt damals festgestellt hatte, war das Ding zu dieser Zeit auch noch um die Hälfte kleiner heute. Der Chef von Frau Scholtisch hatte nach der Untersuchung

von Christine aber nur dumm gesagt: " Ich frage mich was ihr Hausarzt da gesehen hat. Da ist nichts. Bitte Frau Scholtisch, sagen sie ihrem Chef, dass ich mich frage was "ER" nicht!!! beim Ultraschall gesehen hat ??? 3 Ärzte haben diesen Rundkörper sofort gesehen, nur "ER" nicht. Frau Scholtisch wirkte sehr schockiert, und wünschte Christine alles Gute. Christine war stinksauer, als sie auflegte. 3Tage später hatte sie dann den Termin im Krankenhaus. Christine war so aufgeregt, dass sie beim zurücksetzten ihres Autos auf dem Parkplatz die Halteschranke touchierte. Diese hing anschließend auf halb Acht und öffnete sich nicht mehr. Scheiße...

dachte Christine das fängt ja super an. Die Schlange vor dem Parkplatz wurde immer länger. Christine ging zur Annahme und erklärte dem Portier was sie da angerichtet hatte. Der junge Mann, sah sich mit ihr gemeinsam den Schaden an, entfernte die Schranke komplett und klopfte ihr auf die Schulter. Keine Sorge, ich ruf jetzt unseren Techniker an und der macht das Ding wieder dran, und gut ist. Gehen sie mal zu ihrem Termin, und machen sie sich keinen Kopf. Christine bedankte sich lächelnd, und ging zur Untersuchung auf die Station. Die Ärztin hatte schon eines der Bilder auf ihrem PC, und sagte dass sie die Diagnose der Radiologin bestätigt. Sie erklärte

Christine das CT Bild, und zeigte ihr wo genau das Karzinom saß, und erklärte die Methoden, wie man es entfernen könnte. Die schonendere Methode sei

die Da Vinci Methode. Diese wird mittels eines Robotors laparoskopisch durchgeführt, indem die Instrumente durch kleine Schnitte in der Haut ins Körperinnere geschoben werden, und dort mit Hilfe einer Kamera operiert wird. Die andere Methode sei der Flankenschnitt, Ein großer Schnitt der Quer über die Körperseite geht. Die erste Methode sei allerdings mit einer längeren Wartezeit verbunden, da es schonender sei und nur winzige Narben zurück bleiben. Christine war das egal.

Sie wollte nur so schnell wie möglich dieses Ding los werden. Außerdem war sie davon überzeugt, dass man durch diese Schlüsselloch OP - Methode auch schneller was übersehen kann, und dann stände in naher Zukunft schon die nächste Operation auf dem Plan. Nein das wollte sie nicht, sie bat die Ärztin den nächst möglichen Termin für den Flankenschnitt für sie fest zu machen. Christine bekam den Termin, mit dem Hinweis das ein Tag vor der Operation noch ein Angiogramm gemacht werden muss. Dabei wird mittels einer 1mm breiten Nadel ein Hohldraht in die Aorta eingeführt, der bis an das Organ geschoben wird. Dann wird ein

radioaktives Kontrastmittel in das Blutgefäß injiziert. Auf dem Bild der aufgenommenen Körperregion zeichnet sich dann der mit dem Kontrastmittel gefüllte Gefäßinnenraum ab. Hierbei soll nun vor der Operation festgestellt werden, ob die Niere erhalten werden kann, oder ganz entfernt werden muss. Das schlimmste an den vergangenen letzten Wochen, war für Christine allerdings nach außen gefasst zu wirken. Zugegeben, sie  hatte alles sehr ruhig aufgenommen. Das könnte aber auch daran liegen, dass sie auf Grund einiger Schicksalsschläge in der Vergangenheit, eine Mauer um sich aufgebaut hatte. Es hatte ihr bisher, ganz gut geholfen um

sich zu schützen. Was sie  zur Zeit überhaupt nicht ertragen konnte, war wenn jemand sie wegen dieses "DINGS" in den Arm nehmen wollte um sie zu trösten. Nein das wollte sie nicht, dann war sie jedes Mal kurz davor in Tränen auszubrechen. Das konnte sie wirklich nicht gebrauchen. Sie wusste, dass würde heißen das die Angst die Oberhand gewinnt. Christine wollte diesem Ding nicht soviel Aufmerksamkeit zukommen lassen, außerdem sollte ihre kleine Tochter jetzt noch nicht die Diagnose kennen. Gut so klein war sie mit ihren 16 Jahren auch nicht mehr, aber Christine wusste, wenn ihre Kleine Bescheid wüsste, würde sie nirgends mehr hin

gehen wollen, und versuchen ihrer Mama den Popo hinterher zutragen. Außerdem würden die schulischen Leistungen ebenfalls darunter leiden, denn das alles würde sie rund um die Uhr beschäftigen. Es sollte nur zu ihrem Schutz sein, dass Christine ihr vorerst die Wahrheit verschwieg. Christines große Tochter und ihr Ehemann allerdings wussten Bescheid, sie waren angesichts der Diagnose genauso geschockt, wie der Rest der Familie.

Ihre Große hatte sie nach dem Krankenhausbesuch, ganz fest in den Arm genommen und gesagt:" Mama, es ist Wahnsinn wie gefasst Du bist, aber ich weiß wie es in Dir aussehen muss.

Das war das erste Mal das Christine die Tränen kamen. Als ihre Tochter dann noch sagte, das alles gut gehen würde, und sie eine starke Frau sei, die noch gebraucht wird, war es fast um sie geschehen, und ihre Mauer bekam die ersten Risse. Die nächsten Tage drückte man ihr dann ihren kleinen süßen Enkel auf Auge, und sie konnte ganz in ihrer Lieblingsrolle als Oma aufgehen. Außerdem hatte es den Vorteil, dass Christine angesichts des Umgangs mit diesem kleinen Energiebündel, kaum Zeit hatte zu grübeln. Was ihr nämlich außerdem noch zu schaffen machte, war dieser elende Husten, der sie nun seit Wochen im Griff hatte. Er wollte einfach

trotz zahlreicher Behandlungen nicht verschwinden. Hoffentlich war da nicht auch noch was mit der Lunge oder den Bronchien. Nur nicht dran denken.... Christines Mann hatte sich für die Tage vor und nach der OP Urlaub genommen, um seiner Frau zur Seite zu stehen. Sie war froh diesen liebevollen Mann an ihrer Seite zu haben, ihm konnte sie all ihre Ängste anvertrauen, und mit ihm über alles reden was sie sonst noch bedrückte. Er war der Einzige bei dem sie sich fallen lassen konnte, der sie mit all seiner Liebe auffing. Mit ihm an ihrer Seite, würde sie alles was nun in der nächsten Zeit auf sie zukommen würde meistern. Der Koffer mit allem

Notwendige für die nächsten zwölf Tage Krankenhausaufenthalt war gepackt, morgen würde es losgehen.....

Tag der Aufnahme

Heute ist Montag, mein Aufnahmetag im Krankenhaus. Nach der Aufnahme heißt es erst einmal warten. Sehr lange warten. Dann endlich geht es los, als erstes einmal werde ich Unmengen von Blut los. Der nette Pfleger ist ganz vorsichtig, da meine Adern die dumme Angewohnheit haben weg zu rollen. Nach weiterer Warterei geht es dann endlich aufs Zimmer. Gott sei Dank ein Zweibettzimmer, hier gibt's nämlich auch noch Zimmer mit 5 Betten, aus ganz alten Zeiten. Lächelnd begrüßt mich eine sehr sympathisch wirkende junge Frau, im Bett neben meinem. Was bin ich

froh, es ist ja immer so eine Sache für mehrere Tage ein Zimmer mit einem völlig fremden Menschen zu teilen. Keine 5 Minuten später kommt eine Krankenschwester ins Zimmer, und erzählt mir welche Untersuchungen für heute noch vorgesehen sind. Nachdem mir mein Mann geholfen hat mich einzurichten, verabschieden wir uns erst einmal. Ich weiß ja, dass er es sich nicht nehmen lässt, heute noch einmal nach mir zu schauen. Wie sehr ich ihn doch liebe, er ist wirklich mein Fels in der Brandung. Er versucht seit Wochen, mir Kraft zu geben und die Angst zu nehmen, und ich bin verzweifelt ihn so leiden zu sehen. Er und seine/unsere Töchter, die

er als alleinerziehender Witwer mit in unsere Ehe gebracht hat und die nun auch meine Töchter sind, stehen immer und voll und ganz hinter mir. Anders als mein Sohn aus meiner ersten Ehe, der den Kontakt abgebrochen hat, weil er ein Problem damit hat, dass ich mich von seinem Vater getrennt habe. Ich verstehe bis heute nicht, wie ein Mensch aus Hass auf den Ex-Partner seine Kinder in den eigenen Krieg mit einbeziehen und gegen den anderen Elternteil beeinflussen kann. Ich denke mangelnde Intelligenz ist sicherlich einer der Hauptgründe für so ein Verhalten, denn wäre diese vorhanden, würde man sein Kind aus so einem Rosenkrieg heraus halten und es

nicht noch zusätzlich belasten. Was würde passieren, wenn ich dass hier nicht überlebe, würde sich irgendwann bei meinem Sohn das Gewissen regen? Würde er bereuen, dass er sich so hat beeinflussen und kaufen lassen? Andre, der Sandkastenfreund meines Sohnes, der vor einiger Zeit Kontakt zu mir aufgenommen hat, nachdem wir uns durch einen Umzug aus den Augen verloren hatten, hat sich die letzten Wochen auch regelmäßig gemeldet, nachdem er gehört hatte was mir bevor steht. Er bat mich inständig Kontakt zu meinem Sohn aufnehmen zu dürfen, um ihn über meine Situation aufzuklären. Am Telefon sagte er:" Christine ich weiß

wie schlimm es ist, einen Elternteil zu verlieren, ohne ihm die Gelegenheit gegeben zu haben, die Dinge aus ihrer Sicht zu sehen. Heute bereue ich es inständig, dass ich so stur war und den Kontakt zu meinem Vater  abgelehnt habe. Ganz besonders jetzt wo ich selber Vater bin. Ach Andre sagte ich, du hast es doch schon einmal versucht mit ihm zu reden und er hat sofort gebloggt und auch zu dir keinen Kontakt mehr haben wollen. Es ist schon traurig, dieser junge Mann, der einen Teil seiner Kindheit mit meinem Sohn verbracht hat, bringt mir soviel Aufmerksamkeit entgegen, ruft mich 10 Minuten nach den Geburt seines Sohnes an um mir freudig mitzuteilen,

dass er Vater geworden ist. Er, der mir sagt dass er meinen Sohn nicht versteht, weil ich doch eine tolle Mutter war, die alles für ihr Kind getan hat. Was soll ich sagen, ich verstehe es ja selbst nicht. Es ist nun 11 Jahre her, und mein Sohn ist inzwischen ein erwachsener Junger Mann von Mitte Zwanzig der in kürze heiraten wird, wie ich von ehemaligen Nachbarn gehört habe, sollte eigentlich so vernünftig sein, mal den Verstand einzuschalten. Sein Vater und ich waren schließlich nicht das Erste und auch nicht das letzte Ehepaar, dass sich getrennt hat. Ach was soll`s, jetzt muss ich erst einmal zusehen diese Krankheit zu überstehen.  Mein Mann mag mich gar

nicht alleine lassen, aber ich schicke ihn lächelnd zu den Kindern nach Hause. Sie brauchen ihn jetzt, denn sie haben Angst nun auch noch ihre zweite Mama zu verlieren. Als er das Zimmer verlassen hat, machen sich Sarah meine Bettnachbarin, und ich uns miteinander bekannt. Sie ist genauso nett wie ich sie eingeschätzt habe. Wir zwei sind gleich auf einem Nenner und schon nach kurzer Zeit, haben wir das Gefühl uns ewig zu kennen. Dann geht es für mich zum CT. Es soll kontrolliert werden wie der Tumor mit der Niere verbunden ist. Danach habe ich das Gespräch mit der Narkoseärztin und der Operateurin. Sie, erklärt mir das beim CT heraus

gekommen ist, dass der Tumor mit einer dicken Arterie mit der Niere verbunden ist. Man würde versuchen Nierenerhaltend zu operieren. Das heißt, sie will den Tumor und Teil der Niere entfernen, in dem sie einen Keil in die Niere schneidet um das Umfeld des Tumors mit zu entnehmen. Ich werde über Risiken aufgeklärt, welche Schäden, sprich Nerven- und Muskelverletzungen auftreten können, dann dass bei Problemen sogar die komplette Niere entfernt werden könnte und dann bin ich aus dem Gespräch entlassen. Komisch, nach allem was ich gehört habe bin ich immer noch die Ruhe selbst. Langsam glaube ich es auch, ICH BIN EINE

STARKE FRAU, UND ICH SCHAFFE DAS !!! Das waren die motivierenden Worte, von einigen lieben Menschen in meinem Umfeld. Zurück auf dem Zimmer, unterhalten Sarah und ich uns noch ein wenig, und dann bekomme ich ein Schlafmittel für die Nacht. Für morgen früh um 9 Uhr ist die Operation angesetzt. Ratz, Fatz bin ich dann auch schon eingeschlafen.

Das Schlafmittel war echt ganz schön stark, die Krankenschwester muss mich sogar wecken, damit ich mich auf die OP vorbereiten kann. Sie legt mir ein Engelhemd hin, eine Beruhigungstablette und eine Flasche Desinfektionswaschmittel, und sagt :" So

sie gehen damit jetzt duschen, und waschen sich die Haare, damit sie Keimfrei sind. Ich denke Aha, ich muss Keimfrei sein und dieses uselige Zimmer strotzt nur so vor Dreck. Na is ja toll..... Als sie weg ist, rege ich mich erst Mal auf. Haare waschen also auch noch, dabei hatte ich sie erst sorgfältig geföhnt bevor ich hier her gekommen bin. Also gut, ab unter die Dusche. Als ich fertig bin, setzte ich mich aufs Bett, und beginne erneut meine Haare ordentlich zu föhnen. Ich weiß ja schließlich nicht wann ich das nächste Mal dazu komme. Dann ziehe ich das Hemd an, werfe mir die Beruhigungspille ein, und nehme mir ein Magazin, dass ich vom Empfang

mitgenommen habe. Während Sarah frühstückt, beginne ich ein wenig darin herum zu blättern und mir die Anzeigen durchzulesen. Irgendwann bin ich völlig benommen und weiß nur noch, dass ich zur OP abgeholt werde. Dann wird's dunkel. Später wird mir Sarah erzählen, dass ich sie mit riesigen Augen angesehen, und versucht habe ihr einige Männer aus den Kontaktanzeigen anzudrehen, lach.

OP gut überstanden


Gegen 15 Uhr kam ich einigermaßen klar zur Überwachung auf die Zwischenintensivstation. Neben mir lag ein laut stöhnender Mann, der wohl einen kleinen Eingriff mittels der Da Vinci Methode hatte. Ein Eingriff, der mit einer Art Roboter unter drei kleinen Schnitten gemacht wird. Der Typ machte so einen Zirkus, dass er die komplette Aufwachstation in Atem hielt. Die Schwester versuchte ihn ruhig zu bekommen, denn wie ich hörte hatte er wohl nur einen ganz kleinen Eingriff an sich vornehmen lassen.

Leider ließ das Gejaule nicht nach, bis ich ihn genervt fragte, ob Da Vinci ihm die Mona Lisa auf den Hintern tätowiert hat, oder warum er sonst so rum heult. Danach war Ruhe. Nur die Krankenschwester hörte man noch verhalten lachen. Ca. 1 1/2 Stunden später war ich dann endlich zurück auf dem Zimmer, wo ich schon sehnsüchtig, und beunruhigt von meiner besseren Hälfte erwartet wurde. Jetzt erst wurde mir bewusst, dass ich schon vor 8 Stunden aus dem Zimmer gefahren worden war. Relativ fit rief ich meine Kinder und Eltern an, um ihnen zu sagen, dass ich alles gut überstanden hätte. Meine Mutter war völlig aufgelöst, und

vor lauter weinen kaum in der Lage mit mir zu reden. Weil die OP so ewig lange gedauert hat, ist sie doch stutzig geworden, denn einen Nierenstein zu entfernen dauert schließlich nicht so lange. Mein Vater musste dann doch mit der Wahrheit heraus rücken, und meine Mutter brach nach der schlechten Nachricht völlig zusammen. Es ist ja auch nicht einfach zu hören, dass sein Kind einen bösartigen Nierentumor hat. Gott sei Dank konnte ich sie nach dem Gespräch mit der Operateurin beruhigen, und ihr sagen, dass alles vollständig entfernt werden konnte. OK, alles habe ich nicht erzählt, dass konnte man später noch mal nachholen. Die Ärztin hatte mir

erklärt, dass ein Teil meiner Rippen entfernt werden musste, damit man besser an den Tumor kommen konnte. Leider wäre dieser durch eine dicke Arterie mit der Niere verbunden gewesen, und bei der Durchtrennung wäre es zu starken Blutungen gekommen, so dass auch ein Teil der Niere entfernt werden musste. Das erklärte nun auch den langen OP- Aufenthalt. Mir war das alles egal, dass einzige was mich interessierte war, ob alles entfernt werden konnte, und ob nicht noch Lymphknoten betroffen waren. Gott sei Dank, konnte das verneint werden. Sie haben den Jackpott, oder einen sechser im Lotto waren Aussagen, die ich bei den

Nachuntersuchungen zu hören bekam. Wäre der Tumor nicht durch diesen Zufall gefunden worden, hätte man mir ein halbes Jahr später nicht mehr helfen können......Ich nahm mir nun vor, so schnell wie möglich gesund zu werden, und war mir sicher, dieses auch mit der Liebe und Unterstützung meiner Familie zu schaffen.

6 Monate später

Sechs Monate und unzählige Nachuntersuchungen, CT´s Szintigramme und Ultraschalle später, habe ich heute die erfreulich Mitteilung bekommen,

dass die nun deutlich kleinere Niere, keinerlei Zellneubildung aufweist, und die Lymphknoten auch unauffällig sind.

Ich bin froh und dankbar, freue mich jeden Tag aufs Neue endlich wieder arbeiten zu können, und hoffe von ganzem Herzen, dass das auch so bleibt.

                               Si.Ch.Ma .Lafelice


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Lafelice
Wenn Gefühle einen übermannen, fällt es oft leichter seine Gedanken, Empfindungen oder die Phantasie in Worte zu Papier zu bringen.

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KaraList Ein berührendes aber auch Mut machendes Buch. Fast fatalistisch hast Du diese den Alltag aus den Fugen hebende Situation gemeistert. Alles erdenklich Gute für Dich.
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Lafelice Mein von Herzen kommender Dank.
LG
Silke
Vor langer Zeit - Antworten
SternVonUsedom 
********************sollen dir ewig leuchten

Herzlichst
Der Stern
Vor langer Zeit - Antworten
Lafelice Das ist sehr lieb, vielen Dank. Ich denke ich hab dort oben ein paar Liebe auf ihren Sternen sitzen die auf mich acht geben.
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Sehr berührend und mutig, deine eigene Krankengeschichte hier offen zu legen! Hut ab und allen Respekt der Welt, wie bravourös du das gemeistert hast, alles Gute weiterhin!
Lieben Gruß
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Lafelice Vielen lieben Dank. Schreiben kann auch eine Art Heilungsprozess sein.
Liebe Grüße
Lafelice
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