Songtexte
Loreleid

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"Eine traurige Ballade, die schon meine Mutter sang..."
Veröffentlicht am 16. Januar 2014, 8 Seiten
Kategorie Songtexte
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Über den Autor:

Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und ...
Eine traurige Ballade, die schon meine Mutter sang...

Loreleid

Im Winter kommt man auf Ideen, so ernsthaft und wehe und trüb. Kann ich keinen Sonnenschein sehen, hab ich mich bald selbst nicht mehr lieb. Ich sparte so oft das Rasieren als winterschlaftreibender Bär. Doch könnt ich den Schlaf nicht goutieren, ich schleiche schon jetzt nachts umher. Ich weiß nicht, wie alt muß man werden, bis man dieses Leben versteht? Ein Pfuschen und Schummeln auf Erden, gut, daß es auch andern so geht. Ich weiß nicht, was soll das Gebahren, stets fröhlich und siegreich zu sein, daß andre nichts Ernstes erfahren? Dazu fällt mir einfach nichts

ein. Ich stehe am Fenster und träume. Die Nacht ist ganz frostig und klar. Der Mond scheint durch düstere Bäume. Ich kämme mein silbernes Haar. Was blieb mir von allem Erreichten? Was macht wohl mein früherer Schwarm? Warum fängt man nachts an zu beichten? Ich sehn mich nach Morpheusens Arm.


Ich weiß nicht, was braucht man Millionen auf Konten, im Safe, im Depot? Mir scheint, richtig reiche Personen sind darüber grade nicht froh. Und stürzen die Kurse, dann brechen sie um wie ein Hälmchen von

Gras und machen doch größere Zechen als Tausende bei Caritas. Was wollen Begriffe mir sagen, halb englisch, halb deutsch und ganz falsch? Und will ich Kritik daran wagen, dann springt man mir noch an den Hals. Vor Jahren ging es doch noch ohne? Dann fällt es mir schlagartig ein: Die amerikanische Zone paßt sich eifrig an, was soll sein. In welchem Staat möchte ich leben, was wäre mein Wunschkandidat? Ein Jahr lang schien es ihn zu geben, dann schluckte ihn der

Nachbarstaat. Von einem zum andern migrieren, fällt Menschen naturgemäß schwer. Doch kann ich mich oft amüsieren: Sie ähneln sich ungewollt sehr. Ich weiß nicht, was soll ich bedeuten. (Auf Neudeutsch: Wo bring ich mich ein.) Ich lebe seit uralten Zeiten und habe vom Ziel keinen Schein. Den anderen schwellen die Brüste, fragt man nach dem Sinn dieser Welt. Ganz ehrlich: Nicht daß ich es wüßte, die Frage scheint mir falsch gestellt. Warum fürchtet jeder hienieden die letzte und ewige

Ruh? Sie sind ja oft längst schon verschieden, ich gebe es wenigstens zu. Das letzte Bier kommt unausweichlich, das letzte Buch, der letzte Kuß. Freund Hein soll sich grämen, wie reichlich erfreute mich jeder Genuß. Ich weiß, das klingt alles betrüblich und ist doch nur reine Natur. Genauso oft stimmt mich was lieblich, das Lied endet schließlich in Dur: Der Blick holder Frauen spricht Bände, ein Kind lacht, das auf dem Rad thront. So wirst du ein wenig am Ende fürs Lesen hier doch noch belohnt.

Nachbemerkung

Andere Textfassungen stammen natürlich beispielsweise von Lene Voigt, Karl Valentin und von Heinrich Heine. Letzterer wurde im Zwölfjährigen Reich als „Unbekannter Verfasser“ des Originaltextes bekannt. © 2014 Brubeckfan

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Über den Autor

Brubeckfan
Getauft, Geschieden, Geimpft: 3G also, tretet näher, Herrschaften! Was ich so schreibe, ist natürlich erlebt, erlauscht, erlesen und erlogen; von alberich bis böse oder dunkeltrüb, und mit Vorliebe gereimt. Erfreue mich an Musik verschiedener Richtungen, an Literatur und natürlich an Menschlichem wie Situationskomik und liebevolle Reaktionen abseits des jeweiligen Business'. Solange ich die komische Seite der Dinge erkenne, geht's mir gut -- und das ist allermeistens.

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HarryAltona Ach herrliche Worte, ewig möchte man ihnen lauschen.
Aber auch das wird enden, wie alles. Leider.
lg... harryaltona
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Aber laß Dir Zeit bis zum letzten Bier, Harry.
Der Himmel über Berlin!: Du glaubst nicht, wie leuchtend blau der am Wochenende war. Das kann der auch noch.
Prost und Gruß denn,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Oooohhh , eine Tüte Mitleid ... Aber gerade kann ich beim Blick aus dem Fenster deine Gedanken gut nachvollziehen, Gerd. Regen, Regen, Regen, Regen, Wind, Regen, Wind ... Ähm, mit einem Wort: grau und zum Melancholischwerden. Ich glaube, ich hole mir mal einen Gute-Laune-Tee ...
LG
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Ja, solche Tees kenne ich auch, meine heißen Merlot oder Primitivo.
Um Hermann Kant zu zitieren: Herrschen itzund Frost und Winde, balde wird es sein gelinde.
("itzund" sollte vorm Aussterben bewahrt werden, nicht?)

Gruß und Dank,
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Lach ... Jepp. Im Harz (ich glaube, in Bad Harzburg) gibt es ein Hause, auf dessen Fassage mehrere solcher Worte geschrieben stehen, die vor dem Aussterben bewahrt werden wollten. Groschen. Wiegenfest. Kinkerlitzchen. Wohlfeil.
Ich amüsiere mich jedes Mal ... Daran, dass ich noch weiß, was die Worte bedeuten, merke ich, wie alt ich geworden bin :)
LG
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Nee nee, solange Du Dich noch erinnern kannst, biste nicht alt. Und solange Du noch weißt, wie man "Alzheimer" schreibt.

Kennst Du eigentlich "Die Wunderkammer der deutschen Sprache"? Falls nicht, wünsch es Dir unbedingt zu Ostern oder zum Frauentag.
Vor langer Zeit - Antworten
Valerina 
Lieber Gerd,
da ich es gestern Abend schon einmal gelesen habe,
hab ich mich zweimal belohnt mit deinen melancholischen,
doch so wunderschönen Versen!
Begeisterte Grüße
Valeri :-)
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Da haben wir ja wieder die lustige Schildmütze.
Schön, daß es Dir gefällt.
Auf eine vorhandene Melodie einen eigenen Text zu setzen, kann die Sache sehr erleichtern.

Viele Grüße, Valerina, und herzlichen Dank!
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Noch immer - klasse Verse, Gerd. Mein früherer Kommentar hat auch noch Bestand, auch wenn ich heute vom Leben noch viel weniger verstehe, als damals und bei einem "dass" ein "s" weglassen würde ;-)
Liebe Grüße, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan "noch weniger verstehe..." ich glaube, ich weiß, was Du meinst, liebe Merle.

Viele Grüße!
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
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