Krimis & Thriller
Das Hospiz - Kapitel 6 (Letztes Kapitel)

0
"Eine recht üppige Kurzgeschichte für nicht ganz zartbesaitete Gemüter."
Veröffentlicht am 24. November 2013, 14 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich bin PhanThomas, aber Leute, die mich kennen, dürfen mich auch gern Thomas nennen. Oder ach, nennt mich, wie ihr wollt. Denn ich bin ja ein flexibles Persönchen. Sowohl in dem, was ich darzustellen versuche, als auch in dem, was ich schreibe. Ich bin unheimlich egozentrisch und beginne Sätze daher gern mit mir selbst. Ich bin eine kreative Natur, die immer das Gefühl hat, leicht über den Dingen zu schweben - und das ganz ohne Drogen. Man ...
Eine recht üppige Kurzgeschichte für nicht ganz zartbesaitete Gemüter.

Das Hospiz - Kapitel 6 (Letztes Kapitel)

Kapitel 6

Nils hatte sich beruhigt. Vielleicht, dachte er, kam man unbewusst auf solchen Unsinn, um sich selbst von dem immer gleichen Elend abzulenken, das man Tag für Tag durchlief wie ein Zahnrädchen in einem alten, rostigen Uhrwerk. Was blieb einem denn, wenn keine Hoffnung darauf bestand, dass sich irgendwann im Leben etwas zum Besseren wendete? Wenn es nichts Aufregendes gab, als immer nur dieselbe scheiß Arbeit, die so schlecht bezahlt wurde, dass man davon allenfalls über die Runden kam? Trotzdem, es gab Dinge, die wollte

Nils nicht erleben. Es passierte schon genug Schlimmes, hier, wo der Tod ein meistens nicht gern aber allzu oft gesehener Gast war. Genug, um nicht länger hier malochen zu wollen, als unbedingt nötig, bis sich etwas Besseres ergab. Das war leider immer noch nicht der Fall, und so saß Nils im Aufenthaltsraum für das Pflege- und Reinigungspersonal seine Pause ab. Die Nachtschicht war ruhig, niemand schrie herum, somit hätte alles durchaus schlimmer sein können. Außerdem gab es nicht viel zu tun, da nur tagsüber auf den Zimmern geputzt wurde, während nachts lediglich Verwaltungs- und

Gemeinschaftsräume, sowie das Lager und hin und wieder der Keller anstanden. So hatte auch keiner was dagegen, wenn die Pausen mal etwas länger ausfielen. Da sich an der Qualität des Kaffees im Hospiz zwischenzeitlich nichts geändert hatte, begnügte Nils sich mit einer Thermoskanne Früchtetee, den er selbst von zu Hause mitgebracht hatte. Davon musste er zwar schiffen wie ein Elch, aber so hatte er auch als Nichtraucher wenigstens einen Grund, sich hin und wieder die Füße zu vertreten. Als die Blase wirklich drückte, erhob Nils sich aus der uralten, durchgesessenen Couch, deren Leder auf den Sitzflächen bereits abbröckelte, und

schlurfte über den Flur in Richtung Toilette. In der nächtlichen Stille wuchs das Quietschen der Latschen auf dem Linoleum zu einem schrillen Ton an. Aber fast jedes Geräusch war besser, als diese Totenstille. Nils konnte sich nur allzu gut vorstellen, wie der Sensenmann in dunklem Gewand lautlos durch die Gänge schlich, um sich zu holen, was ihm zustand. Ein schauriger Gedanke, und am liebsten hätte Nils wieder zu pfeifen begonnen. Aber dann hätte er vermutlich Ärger von der Nachtschwester bekommen. Nicht, dass all die schwerhörigen Alten hier von seinem Gepfeife aufgewacht wären, aber es ging einfach ums Prinzip: So viel

Anstand hatte Nils noch, dass er nachts, wenn die Gäste schliefen, gefälligst die Schnauze hielt. Die Toiletten im Hospiz waren gerade nachts besonders ungemütliche Orte. Es war, als würden die gekachelten Wände einen beobachten. Und nicht zum ersten Mal schoss Nils der Gedanke durch den Kopf, dass sich irgendwer auf einem der abschließbaren Klos verstecken könnte, um ihn dann hinterrücks zu überfallen. Warum auch immer jemand so etwas tun sollte. Geld hatte er hier ganz bestimmt keines dabei. Es plätscherte, und mit dem Gefühl der Erleichterung waren die Schauerfilmvorstellungen

vergessen. Auf dem Rückweg zum Aufenthaltsraum hielt Nils inne. War da gerade ein Geräusch gewesen? Natürlich, da waren immer Geräusche, wenn man sie hören wollte, oder nicht? Vermutlich eine der Nachtschwestern auf dem Weg nach Wohin-auch-immer. Unbemerkt von sich selbst schüttelte er den Kopf und ging weiter. An der Kreuzung, die zwei Gänge miteinander verband, bog er rechts ab. Zum Aufenthaltsraum ging es links lang. Warum er das jetzt getan hatte, wusste er selbst nicht. Es gab hier nachts nichts zu wischen, alles war sauber, alles war ruhig. Hilfe, die kommen mich holen. So

hatte Locke es erzählt. Wenn nun wirklich jemand nachts kommen würde, um einen von den Alten wegzuholen, genau über diesen Gang, wer würde es denn bemerken, wenn derjenige nicht zufällig hier entlang kam, um dem Klo einen Besuch abzustatten? Und am nächsten Morgen würde es niemand glauben. So wie auch Nils es nicht glauben würde, wie er es aber doch fast geglaubt hatte. Unbewusst war Nils genau vor einer der Türen stehen geblieben. Nicht vor irgendeiner Tür. Was machte er hier? Er starrte die Tür an und hörte sich selbst beim Atmen zu, dem einzigen Geräusch weit und breit, das dadurch klang wie

ein lautes Schnaufen. Zwei Schritte, schon stand er direkt vor der Zimmertür. Vorsichtig legte Nils ein Ohr gegen das kühle Holz. Nichts. Natürlich nicht. Was hatte er denn hier erwartet? Nils hatte niemanden hereinkommen sehen, und die einzigen Schritte, die er innerhalb der letzten Stunden gehört hatte, waren entweder die der Nachtschwester oder seine eigenen gewesen. Er wollte umkehren, doch statt einen Schritt rückwärts zu gehen, sah Nils wie ein stiller Beobachter dabei zu, wie seine eigene Hand sich um die Türklinke schloss. Flüsterleise und ohne,

dass er etwas dagegen tun konnte, drückte er sie herunter. Es passierte ganz von selbst, lief wie ein Film vor seinen Augen ab, den er nur ansehen konnte und in dem er ganz bestimmt nicht der Protagonist war. Die Tür schwang langsam auf. Gott sei dank regten sich genug alte Leute hier regelmäßig über quietschende Scharniere auf, sodass das Öffnen der Tür völlig geräuschlos vonstattenging. Vom dunklen Gang aus setzte Nils einen Fuß über die Türschwelle in das noch viel dunklere Zimmer. Er erwartete das Geräusch erschöpften Schnarchens, oder doch wenigstens, die alte Dame atmen hören zu können. Aber da war

nichts. Doch dann ... Was war das? Ein Scharren, ein Rascheln, irgendwas in der Art? Herrgott, dachte Nils, vielleicht hatte sie sich einfach herumgedreht. Er selbst tat das dauernd, vor allem, wenn der Arsch im Haus gegenüber wieder mal meinte, nachts mit seinen Lampen den ganzen Hof ausleuchten zu müssen. Da war nichts weiter gewesen, doch natürlich spielte sein Verstand ihm jetzt einen Streich. Und natürlich hätte er umkehren sollen, das war Nils durchaus bewusst. Hätte ihn jetzt eine der Schwestern entdeckt, so hätte man sicher nicht lange gefackelt und ihn ein für alle Mal vor die

Tür gesetzt. Nicht unbedingt ein schlechter Gedanke, davon abgesehen, dass ihm die Kohle definitiv fehlen würde. Und dennoch ging er weiter, hoffend, dass hier nichts im Weg stand, worüber er stolpern könnte. Dann wäre die alte Emmerling sicherlich sofort aufgewacht und hätte zu allem Überfluss vielleicht sogar geschrien. Nichts, hier war einfach nichts. Ein Schritt, ein weiterer Schritt, dann vernahm Nils wieder ein leises Geräusch. Doch diesmal kam es nicht aus der Richtung, in der das Bett stand. Nils' Kopf fuhr herum. Nur mit Mühe konnte er ein Schreien unterdrücken. Die

kleine rote Leuchte funkelte ihn an wie ein böses Auge in der Finsternis. Und dann nehmen die das auf. Auf ... auf ... na, wie heißt das denn jetzt? Mit so Kassetten. Dahinter eine Silhouette, nur ganz schwach zu erkennen. War das ... »Locke?« Nils hatte die kurze Frage kaum zu Ende gestellt, als ihn etwas mit Wucht am Hinterkopf traf. Und während der Boden näher kam und das Bewusstsein schwand, schossen ihm mehrere Gedanken gleichzeitig wie Blitze durch den Kopf. Hatte er eben tatsächlich flüsternd gefragt? Und ob das wohl sein Schädelknochen gewesen war, der dieses

Geräusch von zerbrechendem Holz von sich gegeben hatte? Und wie zynisch es war: Alles, was Nils gewollte hatte, war hier raus zu kommen, und jetzt war er es, dessen Lichter in diesem verdammten Laden ausgingen. Selbst das saubere Linoleum würde nicht einmal sein letzter Anblick sein, weil es hier drinnen so beschissen dunkel war.

0

Hörbuch

Über den Autor

PhanThomas
Ich bin PhanThomas, aber Leute, die mich kennen, dürfen mich auch gern Thomas nennen. Oder ach, nennt mich, wie ihr wollt. Denn ich bin ja ein flexibles Persönchen. Sowohl in dem, was ich darzustellen versuche, als auch in dem, was ich schreibe. Ich bin unheimlich egozentrisch und beginne Sätze daher gern mit mir selbst. Ich bin eine kreative Natur, die immer das Gefühl hat, leicht über den Dingen zu schweben - und das ganz ohne Drogen. Man trifft mich stets mit einem lachenden und einem weinenden Auge an. Das scheint auf manche Menschen dermaßen gruselig zu wirken, dass die Plätze in der Bahn neben mir grundsätzlich frei bleiben. Und nein, ich stinke nicht, sondern bin ganz bestimmt sehr wohlriechend. Wer herausfinden will, ob er mich riechen kann, der darf sich gern mit mir anlegen. ich beiße nur sporadisch, bin hin und wieder sogar freundlich, und ganz selten entwischt mir doch mal so etwas ähnliches wie ein Lob. Nun denn, genug zu mir. Oder etwa nicht? Dann wühlt noch etwas in meinen Texten hier. Die sind, äh, toll. Und so.

Leser-Statistik
11

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Moena90 So, nun hab ich's auch endlich geschafft, dank schlafloser Nacht. Und während du nebenan noch zwei einhalb Stunden schlummerst, sage ich dir ... ja, was sag ich dir denn? Erst mal, dass die Geschichte einerseits vorhersehbar war (ich hab ja von Anfang an gesagt, dass Frau Emmerling sich das wohl nicht nur einbilden wird) und andererseits überhaupt nicht (der Rest). Dass Nils am Ende eine auf den Deckel kriegt und den Täter auch noch kennt, hätte ich nicht vermutet.

Insgesamt war mir das Ende für die Geschichte aber ein bisschen zu offen. Ich hab offene Enden ja meistens ganz gerne, aber auch ein offenes Ende muss ein Abschluss für die Geschichte sein und der fehlte mir hier ein bisschen, irgendwie. Obwohl ich nicht wirklich erklären kann, warum. Immerhin hat ja jeder Faden sein Ende gefunden - Nils braucht sich vermutlich keinen neuen Job mehr zu suchen und den Fall um Frau Emmerling hat er aufgeklärt. Und doch ...

Immerhin soll mein Kommentar aber den gewohnten Abschluss kriegen. Weil ich ja weiß, dass bei dir alles seine Ordnung haben muss und so. ;)

"es war wenig zu tun, somit hätte alles durchaus schlimmer sein können. Außerdem gab es nicht viel zu tun"
Mjoa, viel zu tun gibt's ja hier nich, wie's aussieht.

"Geld hatte hier ganz bestimmt keines dabei"
Keines der armen Schafe, die das Klo dort benutzen müssen, oder wie?

"um sich holen, was ihm zustand"
Da fehlt was.

"dass hier nichts im Weg stand, über das stolpern konnte"
Hier auch. Auch Wörter mit nur zwei Buchstaben wollen nicht diskriminiert werden. ;)

Liebste Grüße,
deine Maus
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Huhuuu. :-* Du immer mit deinem "kann ich auch nicht genau erklären". :-D Ich weiß schon, was du meinst, und so vorhersehbar wie die Geschichte für dich ist, war für mich, was du so insgesamt wohl dazu meinen würdest, hihi.

Kurz zu meinen Motiven: Eigentlich wollte ich die Themen Hoffnungslosigkeit bzw. Aussichtslosigkeit eher und gewisse Abgründe des menschlichen Wesens in den Vordergrund rücken. Vor allem aber das Aussichtslose. Deswegen auch der insgesamt sehr düstere Tonfall. Ein überraschendes Ende hatte ich gar nicht mal im Sinn, zumindest keines, bei dem der narrative Große Zampano das große Tuch wegzieht und jeder "ah" und "oh" ruft. ;-)

Ach und die Fehler wieder... Bäh, die mach ich jetzt aber erst morgen oder übermorgen raus. ;-) Dann kann ich's gleich überall durchziehen. :-P

Küsschen und liebste Grüße aus dem Hotel
Dein Mäuserich
Vor langer Zeit - Antworten
Moena90 Wenn du als Autor deine Motive erklären musst, ist das ein schlechtes Zeichen. ;)

Ich glaube, das was du wolltest, war genau mein Problem beim Lesen: Du schneidest beide Themen an - die Aussichtslosigkeit von Nils und die Abgründe im Wesen des möglichen Täters. Aber für mich war's eben beides nur so halb, aber keins von beidem wirklich überzeugend oder überwiegend, sodass ich mich gefragt habe, worum es in der Geschichte jetzt eigentlich geht. Lag vielleicht auch am Aufbau. Möglicherweise kommt das Ganze besser raus, wenn man den Text in einem Rutsch liest.
Übrigens wartet man bei deinen Texten schon aus Prinzip auf das "Ah!" am Ende. ;)

Und die Fehler haben Zeit bis übermorgen. Die laufen ja nicht weg. :P
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Hmm, schon komisch. Mir gefällt die Erzählung eigentlich ganz gut, so wie sie ist. Obwohl ich gegen einen schönen Twist natürlich auch nichts gehabt hätte. Dann hätte ich aber was grundsätzlich anders machen müssen. Das wollte ich allerdings gar nicht. Na ja, wurscht. ;-)
Vor langer Zeit - Antworten
Moena90 Klar, wenn dir die Geschichte nicht gefallen hätte, hättest du sie vermutlich nicht hier reingestellt. ;)
Und dass unsere Geschmäcker öfter mal auseinandergehen, wissen wir ja nach fast drei Jahren dann doch schon. :-*
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Öh, ja doch, das haben wir inzwischen schon ganz gut rausbekommen, dass wir da nicht immer einer Meinung sind. Schade eigentlich, bei deiner Bibliothek bräuchte ich auf Jahre hinweg keine Bücher mehr kaufen. :-*
Vor langer Zeit - Antworten
Brubeckfan Hallo Thomas,
erst fühlte ich mich auch vom Ende recht alleingelassen, aber jetzt beim 2. Lesen fand ich es lustig. Die ganze Geschichte ist vom Tempo quasi eine Kremserfahrt mit Nachdenken usw., wo ganz am Ende der Kutscher den Jetantrieb zündet.
Gib's zu, die Aufklärung der Missetaten war Dir bloß zu anstrengend... Übrigens, ich habe den Verdacht, spitz wie Dame Emmerling auf Nils war, hätte sie ihn hier erkannt, sie hätte ihn vielleicht mit Gewalt zu sich genommen. Es gibt so Themen, die vergißt man nie.
Na ja, danke Dir für die gute Unterhaltung!
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Hallo Gerd,

na nun hast du mir ja ein Bild in den Kopf gesetzt! Hätte zwar nicht zum Tonfall der Geschichte gepasst, aber deine Auflösung wäre auf jeden Fall die unerwartetere gewesen. Da sehe ich wieder, dass ich noch Einiges lernen muss.
Und tatsächlich, wie ich schon weiter unten in den Kommentaren schrieb, hatte ich das Ende eigentlich zuerst im Kopf und habe den Rest drumrumgesponnen. Ausgangspunkt war die kleine rote Leuchte im Dunkeln. Irgendwas wollte ich damit machen, und das ist eben das Ergebnis. Also keine Faulheit, was Enden angeht. ;-)

Viele Grüße und besten Dank
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Na. nu wird´s aber spannend, ist das am Ende gar ein Krimi? Dann schreib mal schnell weiter!!!

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Hallo Bärbel,

ich sage es nur ungern, aber, ähhh, das war jetzt das Ende. Hab extra in Klammern hinter "Kapitel 6" geschrieben, dass es sich um das letzte Kapitel handelt. Das leicht offene Ende war beabsichtigt, damit die Geschichte sich im Kopf des Lesers weiterspinnen kann. Zumindest ich mag solche Enden in Geschichten sehr gern, gerade weil ich doch gern wüsste, wie's nun weitergehen könnte.

Liebe Grüße
Thomas

PS: Ich hatte für die Geschichte auch eher das Genre "Thriller" vorgesehen, welches ja hier mit dem Krimi-Genre zusammengeht.
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
15
0
Senden

100369
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung