mySTORYs Schreibratgeber
Für Anfänger und Fortgeschrittene

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Interview

Das sagt Thomas Finn

Foto: © Florian Lacina

Interview

Klar, obligatorische Frage: Wie hat das bei dir mit dem Schreiben begonnen? Gibt es einen Zeitpunkt in deinem Leben, von dem du sagen würdest: "Von da an war ich Autor/Schriftsteller"?

Ich habe zwar schon mit vierzehn Jahren erste Kurzgeschichten sowie die Skripte für zwei oder drei Hörspiele verfasst, die ich dann mit einem Freund vertont hatte. Wirklich als Autor oder gar Schriftsteller habe ich mich aber nicht gefühlt. Das ging erst allmählich ab 1984 los, als ich mich immer stärker werdend als Fantasyrollenspielautor engagierte. Auch in den folgenden Jahren habe ich das stets als wunderbares Hobby begriffen, nie als (möglichen) Beruf. Diese ganz bewusste Entscheidung habe ich erst nach meinem Studium gefällt. Ich würde also sagen, dass ich bis dahin hobbymäßig als Autor aktiv war; als Schriftsteller im beruflichen Sinne arbeite ich hingegen erst seit 2002/2003.

 

Siehst du dein Schreiben heute mehr als Hobby oder mehr als Beruf? Gibt es da überhaupt einen Unterschied für dich?

Ganz klar, bei mir wurde aus einem Hobby ein Beruf. Ich schreibe, weil ich es wunderbar finde, mir spannende Geschichten auszudenken und damit ein Publikum zu unterhalten. Allerdings schreibe ich nie aus Selbstzweck. Ich schreibe dann, wenn ich einen Auftrag dazu bekomme. In der Zwischenzeit plotte ich, um den Verlagen neue Exposés vorlegen zu können.

 

Welche drei Dinge haben dich deiner Meinung nach auf deinem Weg als Autor am meisten vorangebracht?

Zunächst einmal die Entdeckung der Fantasy-Rollenspiele, durch die ich überhaupt erst dazu gekommen bin, für ein größeres Publikum zu schreiben. Durch sie habe ich nahezu alles über das Handwerk des Geschichtenerzählens, von der Dramaturgie bis hin zum Weltenbau, erlernt. Dann durch eine Reihe von blitzgescheiten Personen in meinem Freundeskreis, mit denen ich in den letzten zwanzig Jahren lange Nächte darüber diskutiert habe, wie und warum bestimmte Techniken beim Geschichtenerzählen einen Effekt erzielen - und warum manchmal nicht. Und ich bin dankbar, über genug Selbstvertrauen zu verfügen, um gute von schlechter Kritik unterscheiden zu können und an das zu glauben, was ich ersinne.

 

Gab es vielleicht auch einen "Fehler", eine "Schwäche", die du erkannt und abgestellt hast, um in deinem Sinne als Autor erfolgreicher zu sein?

Ehrlich gesagt fällt mir da wenig ein. Ich halte mich für recht bodenständig, neige nicht zu Schnellschüssen und habe meine Arbeit eigentlich immer mit großer Ernsthaftigkeit betrieben. Oder meinst du den üblichen Reifungsprozess als Autor, was Stil und Form anbelangt? Da habe ich selbstverständlich kontinuierlich dazugelernt. Andererseits habe ich aber auch früh begriffen, dass es viele Wege gibt, die nach Rom führen. Geschichten können so oder so geschrieben werden und dennoch ihr Publikum finden. Jeder Autor verfolgt seinen eigenen Ansatz. Das zeichnet ja gerade ihren oder seinen Stil aus. Meines Erachtens machen viele Neulinge den Fehler, sich vorzunehmen, wie X oder Y schreiben zu wollen. Das klappt nicht. Du musst deinen eigenen Stil finden. Es ist ein Trugschluss, zu glauben, es gäbe eine Erzählweise, durch die ein Buch wirklich allen und jedem gefällt. Solche Bücher gibt es nicht. Seit ich das begriffen habe, konzentriere ich mich auf die Idee und ihre Umsetzung und schreibe sehr viel lockerer. Aaaaber ... dieses Selbstvertrauen muss natürlich erst einmal erarbeitet werden.

 

By the way - was bedeutet für dich persönlich Erfolg in deiner Autorenkarriere?

Erfolg bedeutet für mich, ob ich meinen Lesern aufregende und vergnügliche Lesestunden bescheren konnte. Ich möchte spannend unterhalten. Das allein treibt mich beim Schreiben. Klar, Verkaufszahlen sind auch wichtig, denn auch ich muss meine Miete bezahlen. Aber das hat oft nichts mit der Originalität oder der Qualität einer Geschichte zu tun, sondern eher damit, ob es dem jeweiligen Verlag gelingt, dein Buch ins Interesse des Lesers zu rücken. Das heißt nun nicht, die Gründe für einen etwaigen Misserfolg lediglich bei anderen zu suchen - wie man es in den einschlägigen Autorenforen allzu oft mitverfolgen kann. Ein gewisses Maß an gesunder Selbstreflektion steht dir als Autor ebenfalls gut zu Gesicht ;-).

 

Glaubst du eher an schriftstellerisches Talent oder Handwerk?

Beides ist wichtig, wobei die Sinnhaftigkeit von Zweiterem oft sträflich unterschätzt wird. Ehrlich gesagt, fasse ich es manchmal nicht, wenn ich angehende Kollegen treffe, die sich noch nie ernsthaft mit dem Handwerk des Schreibens auseinandergesetzt haben, und die glauben, sie könnten all das aus sich selbst heraus schöpfen, was die Menschheit in ihrer mehrtausendjährigen Tradition des Geschichtenerzählens an erzählerischen Tipps, Tricks und Kniffen zusammengetragen hat. Der Umstand, dass du leidenschaftlich gerne kochst, macht aus dir ja noch keinen 5-Sterne-Koch. Mit Talent verhält es sich wie mit einem Rohdiamanten. Wer darauf verzichtet, ihn zu schleifen, wird ihn nie zum Strahlen bringen.

 

Hattest du Hilfe auf deinem Weg?

Im Nachhinein betrachtet kann ich drei Personen benennen, die mir in entscheidenden Stadien meines Schaffens als Mentoren dienten. Anfang der 90iger war das Jürgen Pirner, heute Herausgeber des Magazins Nautilus Abenteuer & Phantastik, der mir nach Jahren der Fanzine-Schreiberei die Gelegenheit verschaffte, erstmals professionell zu veröffentlichen. Ihm verdanke ich meine journalistische Grundausbildung. Um 2000, während meiner Zeit als Lektor & Dramaturg in einem Drehbuch- und Theaterverlag, lernte ich meinen damaligen Chef und späterer Schreibpartner Volker Ullmann kennen, über den ich viel über die geschäftliche Seite der Branche gelernt habe und mit dem zusammen ich dann einige Theaterstücke und mehrere verfilmte Drehbücher schrieb. Und schließlich mein Kollege Bernhard Hennen, der mir mit dem Gezeitenwelt-Projekt den professionellen Einstieg in die große Verlagswelt ermöglichte.

 

Welche Möglichkeiten für einen angehenden Autor, von anderen zu lernen, kannst du besonders empfehlen?

Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Der einfachste Weg ist der, viel zu lesen und dann zu versuchen - gegebenenfalls zusammen mit anderen -, methodisch nachzuvollziehen, wie die Kollegen es geschafft haben, eine bestimmte Stimmung oder einen bestimmten erzählerischen Effekt zu erzeugen. Da sind wir dann auch gleich wieder bei den Stichworten Handwerk und Dramaturgie. Denn eine Idee alleine macht noch keine gute Geschichte. Einiges kann man sich durch Fachbücher aneignen. Langfristig praktikabler ist es, zu versuchen, mit anderen (möglichst erfahrenen) Kollegen Kontakt aufzunehmen. Dazu bieten Stammtische, Foren im Internet, Schreibkurse und natürlich spezielle Seminare Gelegenheit, wie etwa unser "Grundlagen des professionellen Schreibens", das ich gerade gemeinsam mit meinen Kollegen Markus Heitz, Sina Baerwald und Boris Koch abgehalten habe. Als Anfänger habe ich mich oft darüber geärgert, dass erfahrenere Kollegen auf ihrem Wissensschatz hockten wie die berühmte Henne auf ihrem Ei. Schon damals habe ich mir vorgenommen, meinen Erfahrungsschatz mit anderen zu teilen, sollte ich mich je in der anderen Position befinden. Und dann heißt es schreiben, schreiben, schreiben. Der Rest ist dann nämlich individuelles Talent. Aus dir wird ja auch kein guter Chirurg, nur weil du theoretisch weißt, wie die chirurgischen Instrumente funktionieren.

 

Und welche Ratschläge hinsichtlich des Schreibhandwerks findest du für angehende Autoren besonders wichtig? Was sollte man unbedingt versuchen, was unbedingt vermeiden?

Dazu fehlt hier ehrlich gesagt der Platz. Wo sollte ich auch anfangen? Bei der Drei-Akt-Struktur? Bei der Orchestrierung von Szenen? Beim Weltenbau? Oder dem inzwischen fast ausgelutscht klingenden Rat, ein Zuviel an Adjektiven zu vermeiden? Das Handwerk des Schreibens umfasst nicht bloß zwei, drei übersichtliche Regeln, es handelt sich um ein ganzes Bündel an Erfahrungswerten, über das andere dicke Fachbücher geschrieben haben. Alles was ich in Kürze raten kann, ist, nie den Spaß am Schreiben zu verlieren und sich möglichst früh auch kleinere Publikationsmöglichkeiten zu suchen, um als Autor so nach und nach Selbstvertrauen aufzubauen. Ich will nicht wissen, wie viele aufregende Geschichten uns allen entgangen sind, weil die jeweiligen Autoren zu früh das Handtuch geschmissen haben.

 

Was braucht es deiner Meinung nach, um als Autor zu einer Verlagsveröffentlichung zu kommen? Welchen Weg schlägst du vor?

Vorausgesetzt, du kannst eine knackige Idee und auch ein gewisses Maß an Schreiberfahrung liefern, schlage ich stets vor, sich in einem ersten Schritt an einen Literaturagenten zu wenden. Wenn der sich für dich als Autor interessiert und deinen Stoff interessant findet, dann ist das bereits ein großer Erfolg. Denn die Verlage wissen ihrerseits, dass ein Agent nichts anbietet, was nicht wenigstens den ersten Qualitätscheck bestanden hat. Was er dafür von dir als Autor benötigt, teilt er dir dann schon mit. Und noch eines: Wenn du diesen Schritt wagst, musst du 100%ig verlässlich sein. Will heißen: du musst deinen Roman auch fristgemäß fertig bekommen und pünktlich liefern! Wer sich künstlerische Attitüden a la "Sorry, ich hatte die letzten Monate über leider eine Schreibblockade" leistet, kann sich einsargen lassen. Vor allem: Das spricht sich herum. Die Verlagsszene ist kleiner, als mancher denkt.

 

Wäre für dich aus heutiger Sicht Selfpublishing generell oder in bestimmten Fällen eine Alternative oder sogar mehr? Wo liegen die Vorteile, wo die Nachteile gegenüber einem klassischen Verlag?

Ich schätze, du zielst mit der Frage auf den E-Book-Markt ab? Nun, solange die Lesegeräte noch so wenig verbreitet sind, halte ich die Aussage, dass Selfpublishing im kommerziellen Sinn eine echte Alternative zu einer Publikation bei den klassischen Printverlagen bietet, zumindest mal für sportlich. Denn so lange E-Book-Anbieter einige hundert verkaufte Bücher bereits als riesigen Erfolg verbuchen, ist das für einen Autor, der von seinen Publikationen leben will, keine echte Alternative zu einem Vertrag im Print mit Vorschuss und Aussicht auf Tantiemen. Derzeit jedenfalls. Und das auch, obwohl einigen wenigen Kollegen durchaus Erfolg mit diesem Weg beschieden war. Aber das sind die absoluten Ausnahmen. Davon ab halte ich es für eine Illusion, zu glauben, man könne als Einzelner bei Marketing und Verkauf jenen Job leisten, den üblicherweise der Verlag mit seinem Stab an Spezialisten übernimmt. Als Zusatzangebot finde ich E-Books hingegen phantastisch. Und ich bin mir sicher, dass der Markt weiter wachsen, das Printbuch aber nicht verdrängen wird. Das alles wird sich meiner Meinung nach erst dann radikal ändern, wenn billige Tablet-Computer in den Schulen Standard werden.

Veröffentlicht am 03.11.2013
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