mySTORYs Schreibratgeber
Für Anfänger und Fortgeschrittene

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Ratgeber

Sachlich und ratend

Mir geht es wie vermutlich der überwiegenden Mehrheit. Wenn ich an Autoren denke, denke ich in aller Regel an solche, die uns mit Geschichten unterhalten. Dabei nehmen Sachbücher durchaus einen großen Raum in den Regalen der Buchhandlungen, Bibliotheken und der meisten Privathaushalte ein. Und all diese Bücher wollen geschrieben werden. Von Autoren natürlich. Solchen, die ausschließlich Sachbücher schreiben, solchen, die sowohl fiktional als auch nonfiktional unterwegs sind und solchen, die nur deshalb hier und da ein Buch schreiben, weil das Wissen, das sie in einem bestimmten Themenbereich besitzen, als interessant und verkäuflich eingeschätzt wird.

Gleich vorweg sei gesagt, dass es mich ein bisschen vor diesem Artikel (das Thema wurde sich gewünscht) graut.

Das liegt zum einen daran, dass ich weit weniger Erfahrung mit Sachbüchern als mit Fiktion habe. Gut, ich schreibe derzeit selbst an einem, aber das ist auch mein erstes. Immerhin habe ich inzwischen einige Non-fiction-Artikel für Zeitschriften und vor allem das Internet geschrieben (wozu ja auch die Artikel auf dieser Plattform zählen). Und auch als Lektor durfte ich mich immer wieder mit Sachtexten verschiedenster Art auseinandersetzen.

Da kommen wir aber auch schon zum zweiten Problem: Das Sachbuch gibt es nicht. Der Begriff ist so unscharf und umfasst derart unterschiedliche Werke, dass es in einem Artikel wie diesem unmöglich ist, Kriterien für das Verfassen eines Sachbuchs aufzustellen, die auch nur einen kleinen Teil der Autoren, die sich in irgendeiner Form einem Sachbuch widmen wollen, zufriedenstellen können.

Betrachten wir diesen Beitrag also als eine Art Einstieg in die nonfiktionale Welt und erhalten uns die Möglichkeit, einzelne Unterarten des Sachbuchs in weiteren Artikeln genauer zu betrachten.

1 Wann sprechen wir von einem Sachbuch?

Ein Sachbuch widmet sich einer Sache. Im Sinne eines Themas, eines Gegenstands. Ein Sachbuch behandelt dabei seinen Gegenstand mit dem Ziel, ihn dem Leser näherzubringen und zu erklären. Im Unterschied zur fiktionalen Literatur ist dieses Ziel primär und wird in der Regel nicht oder nicht ausschließlich über fiktionale Inhalte vermittelt.

Dass die Wissensvermittlung Primärziel ist, kann man wohl als das entscheidende Merkmal der Sachliteratur ansehen. Schon bei den fiktionalen Inhalten verschwimmen dagegen die Grenzen, denn vor allem im Kinderbuchbereich finden wir durchaus solche Sachbücher, die ihre Themen zum großen Teil oder sogar ausschließlich fiktional an den jungen Leser bringen.

Tatsächlich steht auch das Primärziel, sachbezogenes Wissen zu vermitteln, nicht immer so eindeutig im Vordergrund. Eine gute Biografie etwa wird den Aspekt der Unterhaltung nicht unbeachtet lassen. Auch in der Reiseliteratur, denken wir nur an das Genre der Reiseerzählung, spielt der Unterhaltungswert nicht selten eine ebenso große oder gar größere Rolle als der reine Informationsgehalt. Selbst Kochbücher sind heutzutage meist keine reinen Rezeptbücher mehr. Überhaupt kann man wohl schon mal festhalten: Auch der Sachbuchautor sollte dem Grundsatz Du sollst nicht langweilen folgen und kann sich dabei eben nicht immer nur auf den reinen Informationswert verlassen.

1.1 Themenabhängig

Es gibt kaum ein noch so kleines Thema, das sich vor einem Sachbuch verstecken könnte. Allein in dieser Hinsicht zeigt sich also schon die tatsächliche und potenzielle Vielfalt des Sachbuchs. Von den Hintergründen des Nahostkonflikts über das Schwarmverhalten des Zwergkärpflings bis hin zum Zähneputzen – alles kann als Anlass genommen, um es im Sachbuch näher zu beleuchten. Und da sich Themen in aller Regel größeren Themenbereichen zuordnen lassen, ist das sicher auch die häufigste Methode, Sachbücher in Gruppen zusammenzufassen. Es gibt also Sachbücher zu politischen Themen, solche, die sich in irgendeiner Form mit Geschichte befassen, andere haben religiöse Inhalte oder klären über philosophische Themen auf, wir kennen Sachbücher über Gesundheit, Länder und Reisen, Essen und Kochen, Esoterik und vieles mehr.

Dabei kann ein einzelnes Buch mehrere Themenbereiche berühren, gleichzeitig sind Bücher eines Themenbereichs oft vollkommen unterschiedlicher Art. So kann uns das eine Werk über die Geschichte der Kartoffel informieren, das zweite über die gesundheitlichen Vorzüge oder Risiken derselben, während wir im dritten die (angeblich) besten Kartoffelrezepte finden. Obwohl alle drei vollkommen unterschiedlicher Art sind, unterschiedliche Leser ansprechen und Unterschiedliches vom Autor fordern, gehören sie alle in den großen Themenbereich Essen und Kochen und werden in mancher Buchhandlung oder Bibliothek möglicherweise sogar direkt nebeneinander im Regal stehen.

1.2 Vom Sachbuch zum Ratgeber

Unabhängig vom Themenbereich lassen sich Sachbücher also nach vielen weiteren Kriterien unterscheiden. Manche davon sind gerade aus Autorensicht die wesentlich relevanteren. Das Alter der Zielgruppe etwa. Oder die „didaktische“ Intention. Das klassische Sachbuch will den interessierten Leser über den behandelten Gegenstand informieren. Am Ende hat der Leser hoffentlich viel Neues und Interessantes über die Herkunft und die Geschichte der Kartoffel erfahren und kann fortan mit diesem Faktenwissen glänzen. Aus dem Kartoffelkochbuch wird der Leser dagegen lediglich das eine oder andere Rezept auswählen, um es nachzukochen. Auch ein Nachschlagewerk, in dem die Kartoffelsorten der Welt gelistet sind, dient eben zum Nachschlagen, nicht zum Durchlesen. Und dann wäre da noch der Ratgeber, mit dessen Hilfe der Leser angeleitet wird, wie er mit einer Kartoffeldiät abnehmen kann oder wie Kartoffeln ihm zu einer glücklicheren Lebenseinstellung und besserem Sex verhelfen können.

Gerade die Zielsetzung des Ratgebers, den Leser zu beraten, sorgt für eine gewisse Sonderstellung unter den Sachbüchern. Natürlich nur dann, wenn man übersieht, dass jedes Sachbuch der Subjektivität und Intention des Autors unterworfen ist. Dennoch traut man dem Ratgeber eher als dem sachlichen Sachbuch zu, dem Interesse des Autors widersprechende Auffassungen und Erkenntnisse auszuklammern und somit in gewisser Weise manipulativ zu argumentieren. Sicher ein Grund dafür, dass manche den Ratgeber aus dem Sachbuchbereich ausklammern.

Auch Schul- und Lehrbücher werden häufig vom klassischen Sachbuch abgegrenzt.

Relativ unumstritten ist die Unterscheidung in Sach- und Fachbücher, denn während sich erstere an den relativ unbedarften Leser, also den Laien richten, werden letztere für den Fachmann geschrieben. Ein Buch, das neue Anbaumethoden von Kartoffelpflanzen behandelt und dessen Zielgruppe demzufolge Landwirte sein dürften, fällt in den Fachbuchbereich.

2. Was macht mich zum Sachbuchautor?

Logisch, werden viele sagen, wer über Kartoffeln schreibt, sollte auch über Kartoffeln Bescheid wissen. Erstaunlicherweise ist das gar nicht so. Tatsächlich sind Sachbücher und Ratgeber häufig Auftragswerke. Und es qualifizieren sich entweder Leute, die bereits bewiesen haben, dass sie sich im nämlichen Bereich gut oder noch besser auskennen, oder aber solche, die bereits bewiesen haben, dass sie gute Sachbücher schreiben können. Es kann also durchaus vorkommen, dass ein Autor, der ein Sachbuch zum Thema Kindererziehung veröffentlicht hat, von seinem Verlag angefragt wird, ob er auch eines über Kartoffeln verfassen könnte, weil es dafür gerade einen Markt gibt. Obwohl dieser Autor vielleicht gerade mal weiß, wie man Pell- von Salzkartoffeln unterscheidet, und obendrein viel lieber Pasta isst, sagt er zu, denn er weiß, wie man ein Thema recherchiert, wie man es aufbereitet, strukturiert und in einen gut lesbaren Text verwandelt.

Anders gesagt: Es ist unter Umständen leichter, sich themenspezifisches Wissen anzueignen, als es handwerklich gut aufzuarbeiten. Oft ist der Experte in einem Gebiet der bessere Ratgeber für denjenigen, der der bessere Autor ist.

Damit ist auch gesagt, dass eine Voraussetzung für den Sachbuchschreiber letztlich keine andere ist als für den Autor spannender Kriminalromane: Er sollte sich mit seinem Handwerk, dem des Schreibens, auseinandersetzen. Eine Geschichte kann nur so gut sein, wie sie erzählt wird, ein Thema gewinnt erst durch seine Aufbereitung, seine Präsentation. Auch der Sachbuchautor muss formulieren, strukturieren und letztlich begeistern können.

Um ein Sachbuch zu schreiben, muss man also kein Experte sein, sollte aber die Möglichkeit und den Ehrgeiz besitzen, einer zu werden. Und zwar auch hinsichtlich des Schreibens eines Sachbuchs (ein Blick in ein bereits veröffentlichtes Sachbuch kann da sicher nicht schaden). Wenn dann vielleicht auch noch eine besondere Affinität zum oder gar Leidenschaft für den behandelten Gegentand dazukommt, ist das die beste Voraussetzung, aus dem Werk ein besonders gutes zu machen.

3 Dann mal los

Wie gesagt, Sachbücher sind sehr unterschiedlich. Das wirkt sich natürlich auch auf die Arbeit des Autors aus. Wie viel man recherchieren muss, wie viel Argumentation notwendig ist, wie sachlich man den Tonfall wählen sollte, ob und wie intensiv man mit Beispielen oder Bildern arbeitet, all das und viel mehr ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Welches Thema wird behandelt, welche Zielgruppe will man erreichen, welche Intention wird verfolgt, …? Daher sollte am Anfang der Arbeit immer stehen, dass man sich über diese Eckdaten gründlich Gedanken macht. Dazu gehört auch (sollte man nicht bereits mit einem konkreten Auftrag gesegnet sein), sich darüber zu informieren, was markttauglich ist, was bereits am Markt vorhanden ist und was ganz speziell das eigene Buchvorhaben dem Markt noch hinzufügen könnte.

Solche Fragen sollten beantwortet sein, bevor man sich endgültig entscheidet, ob man sich überhaupt ans Werk macht oder nicht. Falls man das Sachbuch mithilfe eines Exposés an einen Verlag bringen will, sollte man außerdem versuchen, dieses Präsentationsexposé anzufertigen, bevor die Recherche sehr aufwendig wird.

3.1 Was man nicht weiß …

Ob man nun bereits Experte ist oder ob man sich dem Gegenstand bestenfalls angenähert hat, Recherche wird in den wenigsten Fällen ausbleiben können, um sich einzuarbeiten, sich einen Überblick zu verschaffen, Material zu sammeln und Wissenslücken zu schließen.

Dabei hilft es, die Recherchearbeit gezielt anzugehen, indem man sich stets die Zielgruppe vor Augen hält und bedenkt, dass ein Sachbuch nicht für Fachleute, sondern für Laien geschrieben wird.

Fragen, die ganz allgemein bei der Recherche von Bedeutung sein dürften, könnten sein:

  • Welche Informationen sind wichtig und notwendig für den Leser, um einen Zugang zum Gegenstand zu bekommen?
  • Welche Grundbegriffe müssen erklärt werden, welche gehören zum Allgemeinwissen?
  • Welche Konkurrenzprodukte haben den Gegenstand bereits behandelt?
  • Wie kann sich mein Sachbuch von diesen unterscheiden?
  • Lässt sich eine thematische Spezialisierung vornehmen, ein neuer Aspekt finden, unter dem der Gegenstand betrachtet werden kann?
  • Gibt es Quellen/Fachleute, mit deren Hilfe das Sachbuch Authentizität gewinnen kann?
  • Wie komme ich an Bildmaterial?
  • Wie lässt sich das Thema eingrenzen und strukturieren?
  • Welche Schwerpunkte können gesetzt werden?
  • Welche Aspekte kann das Sachbuch vernachlässigen?

Darüber hinaus wird jedes Sachbuch, je nach Thema und Zielen, ganz eigene Ansprüche an die Recherche stellen. Je genauer man weiß, in welche Richtung es gehen soll, bevor man sich ernsthaft in die Recherche stürzt, desto zielgerichteter wird die Recherche ausfallen. Andererseits kann es demjenigen, der in verschiedener Hinsicht noch unschlüssig ist, durchaus helfen, ein wenig ins Blaue hinein zu recherchieren.

3.2 Vom Strukturschwächeln

Will man mit seinem Ratgeber einen guten ersten Eindruck hinterlassen, sollte man der Gliederung in Unterthemen ein wenig Zeit und Aufmerksamkeit schenken. Eine übersichtliche und logische Struktur, die sich bereits im Inhaltsverzeichnis wiederfindet, spricht den Leser an und vermittelt das Gefühl, der Autor habe sein Werk gründlich durchdacht. Und – nicht weniger wichtig – es hilft tatsächlich dabei, gründlich zu durchdenken.

3.3 Sachlich oder nicht?

Ansprechend soll ein Sachbuch auch sprachlich sein. Die sprachlichen Anforderungen eines Sachbuchs zu unterschätzen, kann sich schnell rächen. So sehr man auch geneigt sein mag, zu glauben, es käme letztlich nur darauf an, wie informativ und/oder zweckdienlich die Inhalte sind, man muss sich nur in Erinnerung rufen, wie leicht man selbst die Kompetenzen eines Gegenübers anzweifelt, wenn es uns mit zweifelhafter Sprachbeherrschung gegenübertritt. Wer uns beraten oder gar belehren will, sollte uns zunächst einmal sprachlich mindestens gewachsen sein.

Doch das ist nur die Basis. Korrekte Sprachverwendung ist längst nicht alles. Je nach Zielgruppe, Thema, Gegenstand und Wirkungsabsicht muss auch der Sprachstil im Sachbuch nicht immer sachlich und schon gar nicht trocken sein. Mehr noch: Möglicherweise erreicht man gerade durch einen außergewöhnlichen Stil, das Durchbrechen tradierter Muster ein Alleinstellungsmerkmal auf dem Markt. Wer sagt, dass nicht gerade auch ein Kochbuch frischen Wind bringen kann, in dem die Rezepte nicht nach dem üblichen „Man nehme…“-Schema aufgebaut sind.

Allerdings hilft es auch nicht, wenn durch die möglichst originelle Darreichung des Rezepts das Nachkochen nahezu ein Ding der Unmöglichkeit wird. Wer sich also über ansprechenden sprachlichen Stil Gedanken macht, darf dabei nicht das Ziel aus den Augen verlieren. Sachbücher und Ratgeber haben eben vor allem einen praktischen Wert, der stilistisch nicht weniger als in jeder anderen Hinsicht Beachtung finden muss.

Im Allgemeinen lässt sich also sagen: Die Sprache eines Ratgebers benötigt viel Aufmerksamkeit. Sie muss klar und verständlich sein, aber nicht eintönig. Sie sollte der Zielgruppe entsprechen und der Intention nicht im Weg stehen, stattdessen den Zielen des Werkes unter die Arme greifen.

Ebenso generell lässt sich wohl sagen, dass es nicht immer leicht ist, den richtigen Ton zu treffen. Zwar soll der Autor dem Leser kompetent erscheinen, aber gleichzeitig dürfte ein übermäßig belehrender Tonfall manchem Leser sauer aufstoßen. Für viele Sachbücher, vor allem für Ratgeber, ist es ratsam, wenn der Autor im Text präsent ist, dem Leser quasi als ein Gegenüber auftritt, andererseits soll auch dann der Leser nie das Gefühl bekommen, es ginge dem Autor mehr um Selbstdarstellung als um den Gegenstand.

Abschließend noch zwei Sätze zum Humor im Sachbuch: Der ist nämlich durchaus gefragt. Ob und in welchen Dosen wird immer vom Gegenstand abhängen.

Veröffentlicht am 30.01.2013
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