mySTORYs Schreibratgeber
Für Anfänger und Fortgeschrittene

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Interview

Das sagt Ju Honisch

Foto: © Ju Honisch

Gewinnspiel

Gewinne eine Einschätzung von mir (Philipp Bobrowski) zu deinem Kurzexposé! Ich verspreche, dir in einigen Sätzen meine ehrliche Meinung dazu abzugeben.

Und so geht es:

Beantworte meine Gewinnspielfrage und sende sie an hfaquote@pb-netz.de. Unter allen richtigen Einsendungen und unter Ausschluss des Rechtsweges ziehe ich einen Gewinner oder eine Gewinnerin. Dieser/diese darf mir dann ein Kurzexposé von maximal 3000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) schicken, und ich gebe meinen Senf dazu ab.

Einsendeschluss ist der 20. August 2016.

Die heutige Frage:

Immer dann, wenn ein Autor sich in einem Text der uneigentlichen Rede bedient, wenn er also Wörter und Wendungen einsetzt, die nicht im eigentlichen, sondern im übertragenen Sinne gemeint sind, verwendet er ein rhetorisches Stilmittel der

a)      Tropen,

b)      Polaren,

c)      Savannen,

d)      Regenwälder.

Na, das ist doch gar nicht so schwer. Viel Glück!

 

Interview

Klar, obligatorische Frage: Wie hat das bei dir mit dem Schreiben begonnen? Gibt es einen Zeitpunkt in deinem Leben, von dem du sagen würdest: „Von da an war ich Autorin/Schriftstellerin“?

Geschrieben habe ich schon als Kind. Aber ich habe mich sicher noch nicht aktiv als Schriftstellerin gesehen. Ich hatte so mit elf oder zwölf Jahren immer gerne eigene Folgen der Lieblingsfernsehserien in ein kleines Notizheft skizziert. Oft waren das damals Western, später dann SF. Mit Freundinnen haben wir dann gelegentlich versucht, das nachzuspielen. Ich fürchte aber, an mein Drehbuch hat sich immer keiner gehalten.

Ab 13 habe ich dann Romane geschrieben nach dem Vorbild von Enid Blyton – also Vierer- oder Fünfergruppe Jugendlicher (meine Clique) löst irgendwo auf der Welt einen geheimnisvollen Fall. Da habe ich dann schon mal festgestellt, dass es wenig gab, das ich lieber tat. Meinen schulischen Leistungen war das dann auch eher abträglich. Wenn man unter der Bank Romane schreibt, beeindruckt das noch nicht mal die Deutschlehrer. Und wenn man gerade in Hinterindien auf einem Elefanten einer Herde Tiger zu entkommen sucht, ist man nicht so gut darin, unterrichtsrelevante Fragen zu beantworten. (Inzwischen weiß ich, dass Tiger keine Herdentiere sind.)

Ich glaube, die Erkenntnis "Ich bin Schriftstellerin" kam wirklich sehr spät und eigentlich nicht in einem positiven Wahrnehmungsakt. Manchmal bin ich ja etwas langsam. Andere Menschen verstehe ich meistens sehr viel schneller als mich selbst.

Ich hatte gerade eine ganze Reihe Kurzgeschichten (zu lesen in "BISSE", www.hockebooks.de) geschrieben und sie – man will ja Leser haben – einer Bekannten zum Lesen gegeben. Diese Bekannte – berühmt dafür, jedes Fettnäpfchen von hier bis zur Antarktis zu finden und weidlich zu nutzen – gab sie mir schließlich zurück mit eigenen Geschichten, die auf meinen aufbauten, sozusagen wie Fortsetzungsgeschichten, die man früher in Illustrierten fand. A) Kurzgeschichten haben eine Quintessenz. Die schreibt man nicht weiter. B) Wenn man Geschichten anderer Leute nimmt und weiterverarbeitet, sollte man diese Leute vielleicht vorher fragen und C) die Geschichten waren grottig.

Ich glaube, es war just in diesem sehr peinlichen Augenblick, dass ich die Erleuchtung bekam: Ich bin Schriftstellerin. Das sind MEINE Geschichten. Ich will die nicht fotokopiert als Fan-Zine (so was gab es vor der segensreichen Erfindung des Internets) mit gruselig formuliertem Fortsetzungen von irgendwem haben. Ich will MEIN Buch. (Stelle mir gerade Gollum vor, wie er die Zähen fletscht und "My book! MY BOOK!" sagt.)

 

Siehst du dein Schreiben heute mehr als Hobby oder mehr als Beruf? Gibt es da überhaupt einen Unterschied für dich?

Das Schreiben ist längst zum Beruf geworden, auch wenn ich einen Brotjob brauche, um meinen Lebensunterhalt zu decken. Von dem, was eine "Midlist-Autorin" an ihren Büchern verdient, kann Frau nun mal nicht leben.

Ich schreibe auch Lieder und mache Musik. Das ist dann Hobby. Aber meine Romane und Kurzgeschichten sind zu sehr Lebensinhalt, als dass man sie als Hobby bezeichnen könnte. Ich schreibe vor der Arbeit, ich schreibe nach der Arbeit. Ich schreibe an allen Wochenenden, wenn ich nicht gerade auf einer Lesung bin, ich schreibe im Zug, ich schreibe im Urlaub. Das macht nicht immer Spaß. Gelegentlich hätte man auch Lust, mal etwas anderes zu machen – oder mal gar nichts.

Doch das ist so eine Sache mit einem Beruf: Da hat man Deadlines, Verpflichtungen, Termine, Marketing muss auch noch gemacht werden. Recherche kommt auch dazu, selbst bei Fantasy.

Hobby geht anders.

 

Welche drei Dinge haben dich deiner Meinung nach auf deinem Weg als Autorin am meisten vorangebracht?

Üben * üben * üben

Schreiben * schreiben * schreiben

Durchlesen *durchlesen * durchlesen

Und weil ich offenbar nicht bis drei zählen kann:

Ändern * ändern * ändern

Keine Seite, gerade mal so hingeschrieben, bleibt gleich. Jede Zeile wird dutzendfach geprüft.

 

Gab es vielleicht auch einen „Fehler“, eine „Schwäche“, die du erkannt und abgestellt hast, um in deinem Sinne als Autorin erfolgreicher zu sein?

Nein. Ich fürchte, ich habe noch alle meine Fehler und Schwächen. Ich bin ein treuer Mensch, und meine Fehler und Schwächen sind es auch.

 

By the way – was bedeutet für dich persönlich Erfolg in deiner Autorinnenkarriere?

Oh, Erfolg. So ein schwieriges Wort. Es klingt immer so ein bisschen nach Hochglanz-Awareness-Kursen bei irgendeiner Sekte.

Es ist ein Erfolg, wenn Leute meine Bücher gern lesen (… und das sagen, sonst weiß ich das ja nicht).

Es ist ein Erfolg, wenn Verlage nach einem Buch das nächste auch kaufen.

Es ist ein Erfolg, wenn man Charaktere schreibt, die geliebt werden.

Dann ist da natürlich auch noch der finanzielle Erfolg. Ich fürchte, da warte ich noch drauf. Ja, ich verdiene Geld mit Büchern. Nein, ich kann nicht davon leben.

Ich weiß aber, dass Erfolg für ganz viele Menschen nur finanziell gemessen werden kann. Wenn das so ist, dann muss ich wohl noch eine Weile strampeln.

 

Glaubst du eher an schriftstellerisches Talent oder Handwerk?

Beides. Es muss immer beides vorhanden sein. Vieles ist bis zu einem bestimmten Punkt lernbar, aber für so manchen Funken braucht es dann doch noch Talent. Ohne Funken gibt’s nur Durchschnitt.

Natürlich muss man sein Handwerkszeug beieinander haben. Man muss Sprache so lieben, dass man sich gerne mit ihr beschäftigt. Man muss so fehlerfrei wie möglich schreiben können, denn es wäre grottenpeinlich, ein Manuskript abzuliefern, das voller Fehler steckt. Eine gute Lektorin findet immer noch genügend zu meckern, doch man sollte ihr nicht die Arbeit überlassen. Wer keinen Respekt vor Orthografie, Grammatik und Sprache hat, der sollte sich einen anderen Beruf suchen. Gibt ja genug.

 

Hattest du Hilfe auf deinem Weg? Welche Möglichkeiten für einen angehenden Autor oder eine angehende Autorin, von anderen zu lernen, kannst du besonders empfehlen?

Ich bin immer ein Autodidakt gewesen. Kein Gruppenlerner. Ich war nie bei einem Schreib-Workshop – empfehle es aber jedem. Man kann sich das Leben dadurch einfacher machen und muss nicht alles "von hinten durch die Brust geschossen" selbst erfahren.

Sicher, Umwege sind auch Wege und manchmal interessanter. Aber wenn ich mich vor dem Schreiben genauer informiert hätte, was gefällig und von Verlagen gewünscht ist, hätte ich mir einiges an Warten und Hadern ersparen können. Doch so sind eben auch Bücher entstanden, die ein wenig aus der Rolle fielen. Vielleicht ist das ja nicht schlecht.

Inzwischen bin ich im "Book-Biz" gelandet und ein bisschen angepasster geworden. Ob das immer gut ist, weiß ich nicht zu sagen.

Die Hilfe, die ich hatte, waren Freunde, die gesagt haben: Schreib weiter, das lässt sich gut an. Oder die da waren, wenn ich verzweifelt war, weil sich so lange nichts tat, oder nur Absagen kamen. Oder die freiwillig mein Manuskript als Betaleser geprüft und Ungereimtheiten gesammelt haben. All denen muss ich danken. Sie sind noch immer da. Wie meine amerikanischen Freunde sagen würden: I'm blessed.

Ich habe Literatur studiert – allerdings englische. Anglistik. So etwas wie "Kreatives Schreiben" als Fach gab es damals noch nicht. Aber die intensive Beschäftigung mit der Literatur schult Stil und Wort.

Wer schreibt, muss viel gelesen haben, nicht nur das eigene Genre, sondern querbeet. Unsere Gehirne verfügen über einen aktiven und einen passiven Wortschatz. Der aktive ist viel kleiner, umfasst nur die Worte, die wir häufig gebrauchen. Ziel muss es sein, seinen passiven Wortschatz – das, was wir beim Lesen verstehen, aber nie so formulieren würden – zum aktiven Wortschatz zu machen.

Lesen – lesen – lesen!

 

Und welche Ratschläge hinsichtlich des Schreibhandwerks findest du für angehende Autoren/Autorinnen besonders wichtig? Was sollte man unbedingt versuchen, was unbedingt vermeiden?

Eigene Ideen zu entwickeln finde ich besonders wichtig. Ich weiß um die Versuchung, auf fahrende Züge aufzuspringen. Wenn man ein Lieblingsbuch oder eine Lieblingsreihe hat, verführt das dazu, sich dranzuhängen. Aber dann sollte man dazu stehen, dass man Fan-Fiction schreibt.

Mir ist natürlich bewusst, dass Verlage mitunter gar nichts dagegen haben, wenn sie das x-te Buch "… ist so ähnlich wie Harry Potter und spielt in einer Zauberschule, nur anders" bekommen. Mitunter, während der Hype noch tobt, kann man damit sogar punkten, weil die Verlage hoffen, damit noch ein paar Fans einzufangen.

Aber man tut sich selbst nichts Gutes. Egal welches Genre man schreibt, das, was wir tun, erfordert Kreativität und ist Kunst. Natürlich ist Kunst ein schwieriger Begriff. Besonders die Bildungsbürger dieses Landes (zu denen ich mich durchaus auch zähle) haben oft ein Verständnis von Kunst, das nicht mit einschließt, dass sie Spaß machen kann. Unsere von E- und U-Kultur geprägte Kunstrezipientenszene tut sich schwer mit Spaß.

Umso mehr muss es unser Anspruch als SchriftstellerInnen sein, keinen Abklatsch zu produzieren. Jeder ist mal besser und mal schlechter. Aber unser Anliegen muss sein, besser zu sein. Immer besser.

Sollte man dann Lorbeeren ernten, dann sollte man sich tunlichst nicht darauf ausruhen. Terry Pratchett, gefragt, was er denn als Belohnung bekäme, wenn er ein Buch fertiggeschrieben hat, lächelte versonnen und sagte "I get to write another book!" (2013 World Fantasy Convention, Brighton)

 

Du schreibst neben deinen Romanen auch immer wieder Kurzgeschichten für Anthologien. Was muss Autorin beachten, wenn sie eine spannende Geschichte auf so wenigen Seiten erzählen will?

So eine Geschichte muss sehr dicht sein. Es gibt keinen Platz, groß die Vergangenheit zu beleuchten. Die Worte müssen so genau gewählt sein, dass man in diesem kurzen Abschnitt von Zeit, den die Geschichte beleuchtet, das Wesentliche erfühlen kann.

Die Literaturwissenschaft spricht bei der Kurzgeschichte über ihre „qualitativ angewandte Reduktion und Komprimierung, die alle Gestaltungselemente einbezieht und sich dementsprechend auf die Suggestivkraft der Kurzgeschichte auswirkt.“ (Marx, Leonie: Kurzgeschichte, in: Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Herausgegeben von Walther Killy, Gütersloh/München 1988, S. 498 f. (498))

Für mich ist eine Kurzgeschichte oft auch ein Stimmungsbild mit Handlung, bissig und ein wenig fies. Intensiv.

 

Was braucht es deiner Meinung nach, um als Autor/Autorin zu einer Verlagsveröffentlichung zu kommen? Welchen Weg schlägst du vor?

Ich habe selbst Jahre gebraucht, deshalb bin ich vielleicht nicht so ganz die Richtige, da etwas zu empfehlen.

Ich persönlich bin dankbar, dass ich eine gute Agentur habe, die mir die Verhandlungen mit Verlagen abnimmt. Tatsächlich wird ein Verlag ein ordentlich ausgearbeitetes Portfolio eines guten Agenten mit weitaus größerem Interesse begutachten als ein unaufgefordert eingesandtes Manuskript von jemandem, den sie nicht kennen. Wenn letzteres überhaupt angeschaut wird, dann vielleicht erst nach Monaten.

Natürlich ist das ein Vorgehen mit "Catch 22" – das heißt, die Katze beißt sich in den Schwanz. Eine gute Agentur wird primär auch wieder nur AutorInnen unter Vertrag nehmen, die schon ihre ersten Gehversuche erfolgreich abgeschlossen haben.

Ich weiß aber, dass meine – wie auch andere – Agenturen mitunter auf den Buchmessen vertreten und ansprechbar sind.

Zu vermeiden sind: Agenturen, die Gebühren unabhängig von Erfolg in Rechnung stellen. Solche gibt es einige. Sie leben von den Gebühren. Vielleicht schicken sie auch mal eine Mail an einen Verlag, aber sie müssen nicht erfolgreich sein, das Geld kommt auch ohne Erfolg rein.

Ein guter Agent verdient nur, wenn er auch was verkauft.

 

Wäre für dich aus heutiger Sicht Selfpublishing generell oder in bestimmten Fällen eine Alternative oder sogar mehr? Wo liegen die Vorteile, wo die Nachteile gegenüber einem klassischen Verlag?

Selfpublishing ist eine tolle Art, den langwierigen Prozess des Verlagfindens abzukürzen. Die Flut von Büchern, die eine finite Leserschaft überrollt, ist der Nachteil.

Kein Buch verkauft sich ohne Marketing. Auch wenn man Verlagsautor ist, muss man mit auf den Marketing-Bus aufspringen und fleißig werben. Aber man ist nicht allein.

Als Selfpublisher muss man alles allein machen. Schreiben, werben, auf Messen und Veranstaltungen gehen, Werbemittel erstellen, mit der Szene in Kontakt bleiben und möglichst noch ein USP (Alleinstellungsmerkmal) haben, das einen aus der Menge herausstechen lässt.

Viele Autoren vermarkten ältere Titel, für die sie die Rechte zurückerhalten haben, selbst als E-Book. Das ist eine gute Sache. Selbst ich habe zwei E-Books, die schon einmal bei anderen Verlagen waren und nun noch mal ein neues Leben als E-Book erfahren. (z. B. "Die Quellen der Malicorn", www.hockebooks.de)

Ich habe das mit dem E-Book Verlag meines Agenten gemacht, der extra dafür eine Möglichkeit geschaffen hat. Natürlich hätte ich es auch selbst machen können. Doch mit zwei Berufen bin ich schon genug ausgelastet, dass ich mich nicht noch darum kümmern wollte. Irgendwann vielleicht mal. Im Moment brauche ich meine spärlich bemessene freie Zeit zum Schreiben, nicht zum Selbstverlegen.

Trotzdem ist es unbedingt eine gute Sache, nicht zuletzt deshalb, weil es den Druckkostenzuschuss-Verlagen ein wenig das Wasser abgräbt. Wenn man sein Werk veröffentlicht haben will, und die Profiverlage "ziehen nicht", dann muss man nicht mehr einem Absahner Tausende von Euro in den Rachen werfen, damit er ein unlektoriertes Manuskript billig druckt und dann verstauben lässt.

Das finde ich sehr gut. http://www.aktionsbuendnis-faire-verlage.com/web/

 

Vielen Dank für das interessante Interview!

Veröffentlicht am 03.08.2016
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