mySTORYs Schreibratgeber
Für Anfänger und Fortgeschrittene

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Interview

Das sagt Hans Peter Roentgen

Foto: © Frank Gerigk

Gewinnspiel: Das sagt Hans Peter Roentgen zu deiner Geschichte

Gewinne eine Einschätzung des Lektors und Autors zu deinem Kurzexposé! Er verspricht, dir in einigen Sätzen seine ehrliche Meinung dazu abzugeben. Sicher, das kann hart werden, aber kompetente Kritik bringt dich schließlich weiter. Und vielleicht ist Hans Peter ja auch ganz begeistert, dann hast du eine Empfehlung aus mehr als berufenem Munde. Schwarz auf weiß! Eine, die vielleicht sogar Türen öffnen kann.

Und so geht es:

Beantworte meine Gewinnspielfrage und sende sie an hfaquote@pb-netz.de. Unter allen richtigen Einsendungen und unter Ausschluss des Rechtsweges ziehe ich einen Gewinner oder eine Gewinnerin. Dieser/diese darf mir dann ein Kurzexposé von maximal einer DIN-A4-Seite schicken, und ich leite es an Hans Peter weiter. Dann heißt es, gespannt sein!

Einsendeschluss ist der 15. Dezember 2014!

Die heutige Frage:

Wenn wir von auktorialem Erzählen sprechen, reden wir dann über …

a) das Erzählverhalten,

b) die Erzählhaltung,

c) den Standort des Erzählers,

d) den Standpunkt des Erzählten?

 

Na, das ist doch gar nicht so schwer. Viel Glück!

 

Interview

Lieber Hans Peter Roentgen, in diesem Interview soll es vor allem darum gehen, welche Ratschläge du als erfahrener Lektor jungen Autorinnen und Autoren, die veröffentlichen wollen, mit auf den Weg geben möchtest. Zunächst interessiert mich aber natürlich, wie du zu deinem Beruf gekommen bist, und was dich daran fasziniert.

Wie die Jungfrau zum Kind. ;-) Ich war in den Neunzigern in den USA, und dort gab es bereits die „Textklinik“ im Writers Digest und manches mehr. Da wurden Texte auseinandergenommen, diskutiert, was gut daran war, was man verbessern müsste und welche Möglichkeiten es dazu gibt. Mich faszinierte das, aber in Deutschland war das noch völlig unvorstellbar. Da herrschte noch die Vorstellung, ein Autor ist ein Genie, das über Nacht die tollen Sachen schreibt, und wenn er das nicht kann, ist er ein talentloser Stümper.

In den Workshops, die ich mitgemacht hatte, zeigte sich ebenfalls, wie nützlich solche Textdiskussionen sind, und dass es durchaus Schreibregeln gibt, die man kennen soll. Auch wenn die nicht in Stein gehauen sind.

Das hat mich fasziniert, so was wollte ich in Deutschland auch. Deshalb entwickelte ich die Kolumne im Tempest mit regelmäßigen Textkritiken, und später kam eben auch meine Tätigkeit als Lektor dazu, der an den Texten anderer Autoren arbeitet. Schließlich habe ich auch Schreibratgeber darüber verfasst. Der dritte über Spannung erscheint im Dezember: „Spannung, der Unterleib der Literatur“. Heute gibt es jede Menge Workshops, und Lektoren, die für Autoren arbeiten, aber damals war das alles noch sehr neu.

 

Wie sieht denn so ein Arbeitstag bei dir aus?

Morgens, wenn ich noch verschlafen bin, lese ich meine Mails, Artikel im Internet, Diskussionen in Foren. Meist viel länger als geplant. Dann gehe ich aus dem Haus mit dem Laptop im Rucksack, gehe ein Stück (gehen regt die Phantasie bei mir sehr an), setze mich in ein Café und arbeite an den Texten meiner Kunden. Wenn ich merke, ich brauche eine Pause – mehr als 2 oder 3 Stunden Lektorat am Stück ist meist nicht drin – dann gehe ich wieder eine halbe Stunde. Und dann kommen das nächste Café und die nächste Überarbeitung. Seltsamerweise kann ich zu Hause schlechter arbeiten, ich weiß nicht, warum.

 

Wann sollte ich als Autor mich an dich als Lektor wenden? Wer sind also üblicherweise deine Kunden?

Kunden wenden sich an mich, wenn sie Zweifel an ihren Texten haben. Wenn sie wissen wollen: Wo hakt der Text, was könnte man verbessern, was ist das Problem? Ich arbeite also nicht für Verlage, um ein Buch druckreif zu machen, ich arbeite mit Autoren, die sich weiterentwickeln wollen. Deshalb arbeite ich nicht am ganzen Manuskript, sondern nur an Teilen. Viele Probleme zeigen sich schon auf den ersten Seiten. Wenn ein Autor mit Dialogen Probleme hat, muss ich nicht 400 Seiten problematischer Dialoge lesen, um ihm zu sagen: Deine Dialoge stimmen noch nicht, du könntest sie so oder so verbessern, achte mal darauf. Oder wir vereinbaren eine Exposédiskussion, das ist dann auch immer eine Diskussion über den Plot.

Der Bestsellerautor Andreas Eschbach hat vor zehn Jahren erzählt, dass er unzählige Anfragen von Autoren bekam: „Wie finde ich einen Verlag?“ Aber nur zwei fragten: „Wie schreibe ich spannend?“ Heute habe ich das Gefühl, dass viele Selfpublisher sich vor allem über das Marketing den Kopf zerbrechen, aber nur wenige darüber, wie sie spannend schreiben, ihre Fähigkeiten entwickeln können, wie sie ihre Stimme finden.

Genau das ist aber wichtig.

 

Wenn ich dir also mein Manuskript für ein vollständiges Lektorat schicke, was erwartet mich dann? Du korrigierst die Rechtschreibfehler? Und die Grammatik? Und …? Ja, was machst du da eigentlich?

Wenn du mir ein vollständiges Manuskript schickst, erwartet dich eine Überraschung. Ich korrigiere keine vollständigen Manuskripte, sondern immer nur Textteile von 25–50 Normseiten, am Anfang ein Schnupperlektorat mit vier Seiten, damit Autoren sehen können, ob es ihnen etwas bringt.

Dann soll der Autor mit dem, was ich ihm gesagt habe, wieder an seine Texte gehen und die überarbeiten. Danach kann er mir einen neuen Textteil mailen. Im Zentrum steht also die Weiterentwicklung des Autors, der soll möglichst viel aus dem Lektorat lernen. Im Idealfall erhalte ich dann irgendwann einen Text, an dem ich nur noch wenig korrigieren muss, dann weiß ich: Ich habe meine Arbeit gut gemacht.

Korrektorat (Rechtschreibung) oder Grammatik mache ich nicht. Da gibt es geniale Korrektoren, ich zähle leider nicht dazu. Natürlich korrigiere ich auch Rechtschreib- und Grammatikfehler, die mir auffallen, doch das ist nicht mein Schwerpunkt. Ein Manuskript, das veröffentlicht werden soll, benötigt immer ein gesondertes Korrektorat. Das findet aber erst statt, wenn Text, Plot und Figuren bereits stimmig sind.

Wie gesagt, ich glaube, dass es für jeden Autor wichtig ist, seine Fähigkeiten zu entwickeln, seine Stimme zu finden. Das wird gerne vergessen, man schreibt eine Geschichte, organisiert vielleicht noch einen Lektor, der sie glattbügeln soll, und dann wird das Marketing daraus einen großen Erfolg machen. Leider läuft das nicht so. Solange man den Leser nicht faszinieren kann, ist jedes Marketing umsonst. Wenn dein Wein nach Kuhpisse schmeckt, kannst du Marketing treiben, bis du grün wirst. Das hilft alles nichts, du musst erst mal einen Wein anbauen und keltern, der dem Kunden mundet. Dann kann (und soll) man dafür Werbung treiben.

 

Wie ist das mit dem Inhaltlichen? Muss ich mir da Sorgen machen? Ich meine, ist das, was da am Ende rauskommt, überhaupt noch meine Geschichte?

Ich bin ja kein Verlag, ich kann niemanden zwingen, das zu übernehmen, was ich vorschlage. Gott sei Dank, das will ich auch gar nicht. Auch ernstzunehmende Verlagslektoren verändern eine Geschichte nicht, sondern verbessern sie.

Wenn Autoren meine Vorschläge nicht gefallen, dann kommen eben Rückfragen, wir diskutieren, finden vielleicht eine dritte Lösung, die besser ist.

Ich muss mich auf die Geschichte des Autors einlassen, aber ich muss ihm auch sagen: An der Stelle passt es nicht. Das ist manchmal bitter. Manche Wendungen einer Geschichte überzeugen einfach nicht, dann muss man sich neue überlegen. Die Kunst besteht darin, dass es dennoch die Geschichte des Autors bleibt. Ein guter Lektor macht eine Geschichte besser, ein schlechter macht eine andere Geschichte daraus, alter Lektorenspruch.

Am Anfang gibt es meist zwei Reaktionen von Autoren: Entweder sie beharren auf ihren Texten und lehnen jede Änderung ab. Oder sie erstarren vor Ehrfurcht und glauben, sie müssten alles übernehmen, was der Lektor, dieses göttliche Wesen, sagt. Auch da müssen Autoren erst einmal ein Gefühl dafür entwickeln, welche Änderungen den Text besser machen und welche man besser nicht übernimmt. Je mehr man schreibt, je mehr man überarbeitet, desto besser kann man es. Das ist nicht anders als beim Schwimmen, Fußballspielen oder Musikmachen auch.

 

Apropos Geschichte: Ist meine Idee, meine Story nicht das Wichtigste? Warum wird immer so viel Wert auf korrekte Rechtschreibung und guten Stil gelegt? Weiß eine tolle Geschichte nicht immer zu überzeugen?

Eine Idee ist ja noch keine Geschichte. Ideen gibt es viele. Man muss daraus eine Geschichte entwickeln, die Geschichte muss den Leser faszinieren. Und da kommt es sehr auf das „Wie“ an. Jeder weiß, dass es Leute gibt, die auch mittelmäßige Witze saukomisch erzählen können. Und man kann auch den besten Witz versauen, wenn man ihn nicht richtig erzählt, die Pointe vorwegnimmt, die Leser mit einer endlosen Vorgeschichte einschläfert etc. pp.

Das ist bei einer Geschichte nicht anders. Die beste Geschichte nützt nichts, wenn sie nicht gut erzählt wird. Wenn schon auf der ersten Seite jede Zeile einen Rechtschreibfehler enthält, dann stört das so, dass kaum jemand weiterliest. Wenn die Geschichte in leierndem Stil erzählt wird, ebenfalls. Wer jeden Absatz mit „Als dies geschah, passierte auch das“ einleitet, der schläfert den Leser ein. Oder macht ihn so wütend, dass er das Buch an die Wand knallt. Gleiches gilt auch, wenn der Autor glaubt, er müsse alles, was er über die Geschichte und deren Hintergrund weiß, dem Leser erzählen. So was klingt dann wie ein Lexikonartikel und ist tödlich.

 

Was macht für dich eine gute Geschichte aus?

Eine gute Geschichte ist eine, die der Leser nicht mehr aus der Hand legen kann, und die lange nachwirkt, immer wieder die Gedanken anregt. Eine gute Geschichte lässt dem Leser Freiheiten, Raum, sie zu füllen, entführt ihn in neue Perspektiven und Welten. Eine sehr gute Geschichte ist eine, die auch in hundert Jahren die Leser nicht mehr aus der Hand legen können.

Dafür gibt es zum Glück kein festes Konzept, deshalb gibt es immer wieder neue fesselnde Geschichten.

Viel einfacher ist es zu sagen, was eine schlechte Geschichte ausmacht. Wenn der Autor zum Beispiel endlose Erklärungen schreibt, statt die Geschichte vorangehen zu lassen. Gerade Jungautoren tun das sehr gerne, weil sie noch kein Gefühl dafür haben, was der Leser wissen muss, und was man ihm besser nicht verrät.

Wenn die Dialoge alle komplexe grammatikalische Konstrukte verwenden und sich die Teilnehmer darüber unterhalten, was beide längst wissen, auch das ist so ein typischer Anfängerfehler. Oder der Autor interpretiert seine Geschichte gleich selbst und will dem Leser vorschreiben, wie er sie zu empfinden hat. Das ist wie ein Kreuzworträtsel, das bereits ausgefüllt ist, das interessiert niemanden. Gibt viele Möglichkeiten, Leser zu verjagen.

 

Und wie sieht für dich als Lektor eine gute Zusammenarbeit mit einer Autorin/einem Autor aus? Wie läuft das Lektorat dann ab?

Eine gute Zusammenarbeit ist eine offene Zusammenarbeit. Jeder sagt, was er meint, man kann über Probleme diskutieren, sucht gemeinsam Lösungen. Ich korrigiere den Text so, dass der Autor erkennt, was ich geändert habe, und das mit einem Klick übernehmen oder ablehnen kann. Bei problematischen Stellen, die ich nicht einfach korrigieren kann oder will, schreibe ich einen Kommentar, warum ich dort ein Problem sehe und welche Möglichkeiten es gibt, das zu lösen. Der Autor übernimmt, was ihm passend erscheint, sagt, was ihm nicht gefällt, warum nicht, und wir diskutieren eine andere Lösung, oder ob es vielleicht doch bei der ersten Fassung bleiben kann.

Schlimm sind Lektoren, die Texte einfach nur abqualifizieren („das ist Schrott“, „das ist Hausfrauenlyrik“) und Autoren, die jeden Änderungsvorschlag als Majestätsbeleidigung verstehen. Aber beides wird zum Glück immer seltener.

 

Bietest du Autorinnen und Autoren über das Lektorat hinaus noch weitere Hilfen an?

Wenn meine Kunden Fragen über das Lektorat hinaus haben, etwa zu bestimmten Verlagen oder Agenten, dann antworte ich schon. Wenn ich das kann. Aber Lektorat, Exposédiskussion, das ist mein Schwerpunkt, da kenne ich mich aus. Man muss auch seine Grenzen kennen.

 

In der Buchbranche hat sich viel getan. Welche Wege zur Veröffentlichung würdest du mir als angehendem Autor empfehlen? Selfpublishing, kleiner Verlag, großer Verlag, Literaturagentur, …? Wovon würdest du abraten?

<Lach> Wenn ich das pauschal beantworten könnte, hätte ich den Stein der Weisen gefunden. Das hängt so stark vom einzelnen Projekt und dem einzelnen Autor ab, da gibt es keine Musterlösung. Ein introvertierter Autor wird mit Selfpublishing Probleme haben, ein Extrovertierter, der bereits in seinem Umfeld gut bekannt ist und so viele potentielle Leser hat, kann damit Erfolg haben.

Da kann man nur die Vor- und Nachteile aufzählen und der Autor muss dann die Entscheidung treffen. Ich kann vielleicht je nach Projekt noch sagen: „Ich würde dafür auf jeden Fall einen Verlag suchen“, oder: „So ein Buch hat es im Verlag schwer, aber ich glaube, dass es sich als Selfpublishing durchsetzen könnte.“ Die letzte Entscheidung liegt aber beim Autor, der muss die Vor- und Nachteile abwägen.

Eins lässt sich aber sagen: Wenn eine Geschichte für einen Publikumsverlag geeignet erscheint, würde ich als Erstes versuchen, einen Literaturagenten dafür zu gewinnen. Die wissen, welche Verlage in Frage kommen, und vor allem wissen sie, was man für ein Manuskript verlangen kann, und können dementsprechend mehr Honorar herausholen.

Abraten würde ich von Literaturagenten, die vorab Geld verlangen, und von Verlagen, die Zuschüsse oder Mindestabnahmen verlangen. Die haben ihre Schäfchen dann bereits ins Trockene gebracht und setzen sich nicht mehr für das Buch ein.

 

Vielen Dank für dieses interessante Interview.

 

Veröffentlicht am 28.11.2014
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