© Text, Grafiken und Figuren liegen bei der Autorin Wer Fehler in der Grammatik und Rechtschreibung findet, darf sie gern behalten oder teilt sie mir unter feenwinter@freenet.de mit. vielen Dank Eure Katja
Die Figuren aus dieser Geschichte sind alle frei erfunden, die Namen ebenfalls. Alle Ähnlichkeiten in Namen, Orten oder Beschreibungen sind zufällig gewählt, es sollte sich niemand angesprochen fühlen. Ich lasse die Geschichte in der Vergangenheit spielen. Warum kann ich nicht einmal genau begründen. Vielleicht, weil es eine Zeit ist, in der ich mich auskenne, die ich selber erlebt habe und die ich sehr mochte. An die ich mich zum Teil gern erinnere und die ich aber auf der anderen Seite gern vergessen möchte. Vor allem, weil ich finde, wir sollten die guten alten Zeiten nicht ganz a acta legen. Gespickt ist die Geschichte, mit sehr viel Fantasie. Nichts von dem, was die Helden erleben, geschah wirklich. Jedenfalls nicht so, wie ich es erzähle. Es ist eine Mischung aus Fantasie, Abenteuer, Horror und Leben. Das
Beschreiben von Gefühlen, die man durchleben kann, von extrem, bis hin zum Wunschdenken, wie es sein könnte… Der Wunsch nach dem perfekten Soldaten, ist glaube ich so alt, wie die Menschheitsgeschichte und die Kriegsführung überhaupt. Ist es wirklich möglich, einen perfekten Soldaten und damit eine perfekte Mord- bzw. Kampfmaschine zu erschaffen? Kann man durch Mischen von Genen erreichen, dass ein Lebewesen, wie eine Art Roboter funktioniert? Kann sich ein hochintelligentes Wesen auf diese Weise überhaupt entwickelt? Kann es ohne Gefühle, ohne Emotionen aufwachsen? Kann es nur mit Gewalt und ohne wirkliche Werte großgezogen werden? Könnte es sein, dass dieses Geschöpf als nicht denkendes, nur Befehle ausführendes Wesen, existiert, obwohl es hochintelligent auf diese Welt kam. Ist es möglich, dass dieses
Wesen keinerlei Moral besitzt? Allerdings entsteht daraus nicht nur eine andere Frage. Ist es möglich, Menschen zu finden, die so etwas zulassen und unterstützen. Die Züchtung von Soldaten? Diese Gedanken beschäftigen mich schon lange. Warum? Das ist schwer in wenigen Worten zu erklären. Es ist halt so … Eine der größten Fragen die mich beschäftigt, ist und bleibt folgende und ich versuche sie hier in diesem Buch zu beantworten. Wie könnte sich solch ein Wesen entwickeln? Ein Wesen, das minimalistisch lebt, keine Liebe und keine Gefühle kennt. Geschaffen, um dem Staat zu dienen und für diesen zu sterben. Ein Wesen, das nur mit Gewalt groß wurde und keine Familie kennt:
Wird es ein aggressives Wesen sein? Hat oder kann es trotzdem Gefühle entwickelt? Findet es einen Zugang zu denjenigen, denen es genauso ergeht, wie ihm selber? Kann es Freundschaften aufbauen, zu seinesgleichen? Hat solch ein Wesen Vorstellungen von Moral, Achtung, Ehre und Ehrlichkeit? Braucht es vielleicht Hilfe diese Tugenden zu erlernen oder sind es Grundfertigkeiten, die in den Genen verankert sind? Wie groß muss diese Hilfe sein? Lernt es, Verantwortung für andere zu übernehmen? Kann es Vertrauen aufbauen? Was wird das überhaupt für ein Wesen, sieht es menschlich aus? Wie fühlt es, wie ein Mensch? Handelt es, wie ein
Mensch? Was denkt es, über uns Menschen? All diese Fragen gehen mir durch den Kopf … Lest selbst, was aus diesen Gedanken, für eine Geschichte entstanden ist. Wie gesagt, ich habe meiner Fantasie freien Lauf gelassen, etwas Wunschdenken hinein gezaubert und auch etwas Horror. Dann alles, gut durchgeschüttelt …
Jacob schaltete sein Diktiergerät ein und lehnte sich bequem zurück. Kurz überdachte er sein Vorhaben und holte noch einmal tief Luft. Leise begann er mit seiner Erzählung: "Stolz betrachte ich unser Anwesen, in dem wir, das sind meine Frau Anna und ich, Fritz Jacob, seit drei Monaten wohnen. Meine Frau Anna ist Apothekerin und ich, bin Arzt. Nicht irgendein Pillen-Verschreiber, sondern einer, der seinen Beruf mit Herz ausüben. Ich liebe meinen Beruf über alles. Allerdings ist es so, dass nicht jede Entscheidung im Leben richtig ist. Eine falsche Entscheidung die man trifft, muss man oft bitter bezahlen. Sehr bitter …" Fritz Jacob schwieg plötzlich, um einen Moment nachdenklich in die Ferne zu schauen. Seine Gedanken drifteten ab und ein bitterer Zug machte sich in seinem Gesicht breit. Es hatte den Anschein, als ob sich ein dunkler Schatten
über sein Gesicht legte. Schlimme Erinnerungen stiegen in ihm hoch und man sah, wie er gegen seine Emotionen und diese schlimmen Erinnerungen ankämpfte. Plötzlich straffte sich seine gesamte Haltung. Er nahm seine Schultern zurück und schüttelte sich, als ob er alles Negative und all die schlechten Erinnerungen von sich abschütteln wollte und atmete nochmals tief durch. Er sprach entschlossen weiter: "… nein, dies wollte ich jetzt noch gar nicht erzählen. Wir sollten ganz am Anfang der Geschichte beginnen und nicht am Ende. Oder wir fangen einfach hier an, bei diesem wunderschönen Haus, welches teuer bezahlt wurde. Sehr teuer! Unserem Haus, in dem sich eine Arztpraxis und eine kleine privat geführte Apotheke befinden. In der Letzteren, fertigt Anna, meine Frau, Medikamente für meine jetzigen, aber auch für meine ehemaligen Patienten an. Wir wollen hier,
an diesem schönen Ort, unser neues Leben beginnen. Ein Leben ohne Horror, Angst und Verzweiflung. Ob uns dies gelingt? Ich weiß es nicht. Hoffen tun Anna und ich es sehr. Wir haben genug Horror in unserem bisherigen Leben erlebt und uns endlich etwas Frieden und Ruhe verdient. Umgeben ist unser neues Zuhause von einem großen Grundstück. Auf der einen Seite, stößt es an einen kleinen Wald, auf der anderen Seite an den See. Den See, der am gegenüberliegenden Ufer, in den letzten Jahren unser altes Heim beherbergte. In dem wir lange Zeit lebten und arbeiteten. Der Zeit unseres Alptraums. Unseres Horrors. Unserer Angst. Unserem goldenen Käfig. Im Moment verbringen wir sehr viel Zeit auf unserer großen Dachterrasse. Von der man eine herrliche Rundumsicht hat, die sich von Nordwesten nach Südwesten erstreckt. Wir genießen jede Sekunde unsere Freiheit, unseres
neuen Lebens, als wenn es die Letzte wäre und können immer noch nicht fassen, dass es vorbei ist. Endlich ist die Sicht frei in Richtung Nordsee und ins Land hinein, ohne, dass man auf Sicherungszäune schaut, die mit S-Draht gesäumt waren und über denen Wachtürme hinausragten, wo die Wachmannschaften, rund um die Uhr, ihren Dienst verrichteten. Es ist so friedlich hier. So gänzlich anders, als in unserem langjährigen "Paradies", unserem "goldenen Käfig". Indem wir so lange gefangen waren und aus dem wir uns nicht mehr befreien konnten und wollten. Eingepackt in eine dicke Decke, genießen wir diese herrliche Aussicht und schauen zu, wie die ersten Schneeflocken fallen. Es fängt gerade wieder an zu schneien. Gestern Nacht gab es einen richtigen Schneesturm. Dieser hat alles mit einer weißen Decke zugedeckt, so als ob man ein Kind liebevoll zudeckt. Es ist friedlich hier,
einfach schön. Die Luft ist klar und riecht nach Freiheit. Einer Freiheit, die wir uns so viele Jahre wünschten, aber erst vor wenigen Wochen erhielten. Glücklich schaue ich zu meiner Frau Anna, die gerade für uns beide eine Tasse heißen Tee geholt hat und sich neben mich auf die Hollywoodschaukel setzt. Zärtlich ziehe ich sie in meine Arme, als sie sich mir lächelnd zuwendet." Jacob schaltete das Gerät aus und machte eine kleine Pause, bei der Aufzeichnung seiner Geschichte und der Geschichte der "Hundert". Er wandte seine ganze Aufmerksamkeit seiner Frau zu, die er über alles liebt und die all die Jahre, sein Ruhepol und sein Lebenswille geblieben war. Genauso, wie seine Kinder. Anna kuschelte sich an ihren Mann. Sie war so glücklich und konnte noch gar nicht richtig glauben, dass jetzt alles vorbei war. Vor allem, dass sie es einigermaßen gesund überlebt hatten.
Es war immer noch wie ein Traum für sie. "Schatz, schau mal. Es ist wie damals. Weißt du noch? Genau am 2. Januar 1958, vor fast achtzehn Jahren kamen wir hier an. Damals schneite es genauso schön, wie heute", versuchte sie, ihre Gefühle zu erklären. Jacob legt ihr seine dicke Decke mit um die Schultern und zieht Anna fest an sich. Eng aneinander gekuschelt, tranken sie das leckere und heiße Gebräu, welches sie vom Tisch genommen haben. "Engelchen, wie recht du hast. Damals war es auch bitterkalt, die Luft roch genauso gut und es schneite genauso schön wie heute", bestätigte Jacob Annas Gedanken und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Schläfe. "Nur wussten wir damals noch nicht, auf was wir uns da eingelassen haben. Nur gut." Wieder sah er Anna lächelnd an und gab ihr noch einen Kuss. "Hätten wir das gewusst, Anna, wären wir bestimmt nicht hierhergekommen. Allerdings
hätte ich dich dann nie kennen gelernt. Vor allem, hätte ich etwas Wichtiges in meinem Leben versäumt", ernst sah Jacob seine Frau an. Anna lächelte ihn wehmütig an und flüsterte traurig. "Dann hätte Kahlyn, nie gelebt und …", Anna fing an zu schluchzen. Fritz konnte sie gut verstehen. Denn auch ihm fehlten die Kinder sehr. Alle Hundert, waren ihm wichtig. So wenige konnte er retten. "Hoffen wir, dass nicht nur für uns, sondern auch für Kinder, diese Zeit endlich vorbei ist und ein neues und friedlicheres Leben, für uns alle beginnt", haucht er Anna ins Ohr. Jacobs Blick wanderte in Richtung des Ortes, der nur reichliche sechs Kilometer südwestlich von ihrem jetzigen Wohnort lag und die letzten achtzehn Jahre ihr Zuhause war. Morgen endete das Jahr 1975 und mit ihm endete ein Abschnitt ihres Lebens, der wunderschön, aber auch grauenvoll war. Wenn sie zurückblickten, auf die vergangenen achtzehn
Jahre, mussten sie sich eingestehen, dass sie getäuscht und betrogen wurden und in einem goldenen Käfig gefangen waren. In dieser Zeit lernten sie Abgründe der Menschheit kennen, von denen die Jacobs nicht einmal ahnten, dass sie existieren könnten. Sie lernten Menschen kennen, denen sie anfangs vertrauten und die sie bitter enttäuschten. Viele mussten mit ansehen, wie aus Freunden, Feinde wurden und alle sahen viele liebenswerte Menschen sterben. Aber, sie erfuhren auch, dass man immer an das Gute im Menschen glauben sollte. Die Hoffnung starb bekanntlich zum Schluss. Ein Lächeln huschte über Jacobs Gesicht, als seine Gedanken zu der Zeit zurück wandern, als alles begann. Zurück zu ihren Kindern…
Josef schüttelte sich wie ein nasser Hund, nur bei dem Gedanken an einen Grog. "Gustav, du willst mich wohl umbringen?", ein schallendes Gelächter ertönte. Denn nicht nur der Wirt lachte, sondern alle heute anwesenden Gäste. Es waren heute nur noch drei. Keiner der Anwesenden verstand, dass Josef nach all den Jahren hier an der Waterkant, immer noch nicht vom Grog zu überzeugt war. Josef winkte ab und wandte sich wieder Sigi zu, der immer noch lachend den Kopf schüttelte. "Was ist denn los Sigi?" Wiederholte Josef seine Frage. "Wo sind denn die Anderen? Trauen die sich bei dem Wetter nicht raus? Das ist ja was ganz neues", stänkerte Josef nun auch etwas. Denn der harte Kern der Kneipe, kam bei jedem Wetter. Da musste etwas Ernstes dazwischen kommen, dass sie wie heute allein waren. So wenige waren sie noch nie. Hier muss
irgendetwas geschehen sein. "Sag bloß Jo, du hast es noch nicht gehört?" Völlig perplex sah Sigi Josef an. Der sonst eigentlich immer derjenige war, der über alles und jeden Bescheid wusste. "Jo, ich musste heute früh, Albert nach Rostock bringen, in die Klinik. Ich war den ganzen Tag unterwegs und bin erst vor einer reichlichen halben Stunde zurückgekommen." Sigi sah ziemlich geschafft aus und gähnte verstohlen. "Aber sag mal, wo sind denn die anderen?" Gustav der Wirt der Kneipe, grinste seinen alten Freund an. "Na ja, dann weißt du ja, dass Albert nicht kommt. Ekke …", damit war Ekkehart Schwarz, der dritte des Quartetts, gemeint. Der aus dem benachbarten Harkensee stammte."… kommt heute auch nicht und genauso wie Heiner", erklärte er Sigmar und den anderen, das auch Heiner Friese, Ekkes Nachbar, nicht kommen würde. "Warum das denn nicht? Och Manne. Was ist
denn heute los?", schnaufte Josef wütend, weil er seinen Skatabend in Gefahr sah. "Verdammt nochmal. Ich hab mich so auf den Abend gefreut." "Tja Jo, das ist nun mal so, wenn man nicht hören will. Ekke und Heiner hatten einen unschönen Zusammenstoß mit den Jungs vom verbotenen Wald." Besorgt wandte sich Gustav an Sigi. "Was ist denn mit Albert? Wieso ist Albert eigentlich im Krankenhaus? Es ist hoffentlich nichts Ernstes." Eck, Sigi, Gustav und Heiner kannten sich schon seit den Kindertagen und waren zusammen in die Schule gegangen. Eine Freundschaft die auch der Krieg und die Nachkriegszeit nicht zerstören konnte. Man nannte sie oft das Schwanenseer Quartett. Es war wirklich oft so, wo einer der vier auftauchte, waren auch die anderen nicht weit. Dass alle mittlerweile verheiratet waren und selber schon Kinder hatten, tat dieser Freundschaft keinen Abbruch. Selbst ihre
Kinder waren untereinander befreundet. Gustav war der Mittelpunkt ihrer Freundschaft und bei ihm trafen sie sich regelmäßig einmal die Woche zum Skaten. "Ach Gustav, ist nichts Schlimmes, musst dich nicht gleich wieder sorgen. Der Albert hatte plötzlich mit dem Blinddarm Probleme und musste sofort operiert werden. Das fing gestern Nacht urplötzlich an. Ist alles wieder in Ordnung mit ihm. Zum Glück ist nichts passiert. Aber sag mal, was hatten denn die beiden für einen Zusammenstoß mit den Jungs vom verbotenen Wald? Konnten die beiden wieder mal nicht hören?", breit grinste Sigi seinen Freund an. "Was für ein verbotener Wald eigentlich?" Josef verstand mal wieder nur Bahnhof. So ging es ihm oft, wenn Sigi und Gustav sich etwas erzählten. "Gustav, bring mir mal einen Grog. Bitte einen richtigen Grog, doppelt stark und doppelt groß", verlangte Sigi nach etwas zu trinken, was
Herz und Seele erwärmt. Der Wirt grinste von einem Ohr zum Anderen, schließlich kannte er seinen Freund und verschwand in der Küche. Sigi grinste zurück. Er wusste, dass der Wirt ihm heute einen anständigen Grog machen würde. Schließlich ging es um ihre Freunde aus dem alten Schwanensee und sie waren alle vor vielen Jahren umgesiedelt wurden. Das hatte sie noch mehr zusammen geschmiedet, in ihrer Freundschaft. Die vier Alteingesessenen aus Schwanensee, liebten es diese Geschichte zu erzählen, obwohl es ihnen eigentlich verboten war. Aber heute waren nur Leute in der Kneipe die sie alle seit vielen Jahren kannten, man vertraute sich. Was sollte ihnen nach all den Jahren noch geschehen, dachte sich Sigi und zuckte mit den Schultern. Josef dagegen gehörte zu den wenigen Umsiedlern aus Schlesien, die hier geblieben waren und erst nach 1951 in Rosenhagen richtig Fuß gefasst hatte. Er kannte diese ganzen Geschichten um Feldhusen nicht,
da darüber kaum gesprochen wurde. "Was ist…" setzte Josef zu einer Frage an. "Jo, warte bis ich meinen Grog habe. Zu einer Geschichte gehört etwas zu trinken. Anders erzählt man hier keine Geschichten. Du weißt das ist Tradition, hier bei uns an der Küste." Josef lachte und schüttelte den Kopf. "Ach du alter Suffkopp. Komm lass mich nicht dumm sterben und klär mich auf. Ihr immer mit eurer Geheimniskrämerei", forderte sich Josef eine Erklärung ein. Im selben Augenblick kam der Wirt mit einem großen Tablett voller dampfender Grog-Gläser und setzte sich zu den beiden Männern an den Stammtisch. Er winkte die anderen beiden Gäste ebenfalls heran. "Kommt setzt euch zu uns. Heute gibt’s Grog auf meine Kosten. Sigi hat uns etwas zu erzählen." Kaum, dass sich alle ein Glas mit Grog gegriffen hatten und vor Josef eine weiteres Bier und ein Korn standen, fing Sigi auch schon an zu
erzählen. "Ihr wisst ja, dass diese Gegend hier, nicht gerade besonders ertragreich ist, für uns Bauern. Oft ist das Wetter rau und der Boden der Felder, dass wisst ihr ja selber, gibt nicht besonders viel her. Nach dem Krieg ... ich nenne es einfach mal so ... gab es hier einige Umstrukturierungen und viele von uns wurden kurzerhand umgesiedelt. Das betraf vor allem die Bauern in Rosenhagen, Harkensee und Feldhusen. Diese drei Dörfer wurden dem Erdboden gleich gemacht und an einer anderen Stelle neu errichtet. Viele von uns bekamen dadurch neue Höfe." Sigi nahm einen großen Schluck aus seinem dampfenden Glas und sah zum Wirt hinüber. "Wann war das gleich Gustav? Du weißt, mit den Jahreszahlen habe ich es nicht so." "Das war kurz nach dem Kriegsende, Sigi. Also im Sommer und Herbst 1945. Da bekamen die
Bauern die ersten Angebote unterbreitet. Bei mir war das allerdings erst Anfang 1946." "Ja, also im Sommer 45 kamen einige Herren von der russischen Besatzungsmacht und fingen an, hier den Bauern die Höfe abzunehmen. Einige der großen Höfe, wurden kurzerhand enteignet. Anderen, vor allem den Kleinbauern boten man Unsummen an. Ihr wisst ja alle noch wie das damals war. Vieles war zerstört nach dem Krieg und die meisten Großgrundbesitzer hatte man vertrieben und deren Bauernhöfe wurden aufgeteilt oder in LPGs verwandelt. Die meisten größeren Höfe waren sowieso zerbombt oder niedergebrannt. Es kam vielen von uns gerade recht und die meisten haben da gar nicht lange überlegen müssen. Fast alle haben diese Angebote ohne zu zögern angenommen und waren froh darüber, einen neuen und vor allem besseren Hof zu bekommen. Vor allem bekamen wir nicht nur eine Entschädigung für unsere Höfe und neue größere Grundstücke, sondern
auch neue Wohnhäuser, Vieh, Landmaschinen, Saatgut und Düngemittel. Das alles ohne finanzielle Aufwendungen und Anstrengungen von unsereins. Einige ganz Schlaue haben dabei noch gutes Geld verdient. Einzige Bedingung war, das wir in die LPG eintraten. Das war für uns der einzige Haken. Wir hatten also kein eigenes Land mehr, bis auf das wenige ums Haus. Damit konnten wir alle gut leben. Vor allem konnten wir uns so eine sichere Existenz aufbauen. Es gab im Prinzip nichts, was wir nicht bekamen. Bei einigen Sonderwünschen mussten wir zwar etwas dazu bezahlen, aber meistens nicht mal ein Zwanzigstel der eigentlichen Kosten. Zu was die das Gelände brauchten, haben die uns natürlich nicht verraten. Aber wenn ich ehrlich sein soll, war mir persönlich, das auch ziemlich egal. Nicht wahr Gustav?" Sigi schaute hinüber zum Wirt, der zu allem nickte, was der Bauer
erzählte. "Na ihr seht es ja selber. Der Gasthof hier, der wurde auch erst im Mai 1946 fertig gestellt. Im März 46 fingen die an zu bauen. Vor allem müsst ihr wissen, die haben alles genau nach meiner Vorstellung gebaut. Ich konnte den Jungs, die dieses Gebäude in Rekordzeit hochgezogen haben, genau sagen, so und so will ich das haben. Egal, was ich an Vorstellung eingebracht habe, die haben mir einfach alles gebaut. Sogar den Anbau mit dem Gästezimmer bekam ich. Obwohl das meine alte Gastwirtschaft gar nicht hatte. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass ich mich da nicht zurück gehalten habe." Josef nickt und verstand sehr wohl, was der Wirt meinte. Er hatte sich immer gewundert, dass dieses Anwesen so wunderschön war. Jetzt ging ihm ein Licht auf. "Wo habt ihr denn da vorher gewohnt? Hier gibt es doch gar kein Gebiet, das vom Militär besetzt ist", verwirrt
schaute Josef in die Runde. Sigi, wie auch Gustav grinsten breit. "Jo, genau dort ist ja der verbotene Wald." Immer noch verstand Josef nicht, was die Männer ihm sagen wollten. "Hier gibt es doch nur einen Wald und dort kommt man …", mit einem Male fiel bei ihm der Groschen und er verstand, was die Männer ihm die ganze Zeit sagen wollten, ohne es auszusprechen. "… am Deipsee unten. Dieses große eingezäunte Waldgebiet westlich des Deipsees. Dort, wo das große Gebäude am Waldrand steht?" Sigi und auch Gustav nickten heftig mit dem Kopf. "Genau da", sagten beide wie aus einem Mund. "Aber dieser Wald ist doch riesengroß, Gustav", wunderte sich Josef. Sigi übernahm wieder das Zepter der Erzählung. "Klar ist das Gelände riesig, das sind gute fünfundvierzig Quadratkilometer und es erstreckte sich von Harkensee im Nord-Osten
bis Wilmsdorf im Süd-Osten, von Neuhagen im Süden-Westen, bis kurz vor Wieschendorf, in Richtung Feldhusen nach Norden-Westen. Das war ja das komische an der ganzen Sache. Zu was braucht man so ein riesiges Waldstück. Aber es kommt noch eigenartiger. Hört erst mal fertig zu. Das ist ja noch nicht alles. Kaum dass die Militärs das Gelände ihr Eigen nannten, bauten sie als Erstes, im Süden des Geländes, ein großes Gebäude. In dem wohnt seitdem die Wachmannschaft. Danach wurde eine regelrechte Sicherheitsanlage um dieses Gelände hochgezogen und alles, was auf dem Grundstück noch stand abgerissen und eingeebnet. Fünf Meter hohe Zäune und obendrauf noch Stacheldraht, haben die um das gesamte riesige Gelände errichtet. Wir dachten erst, die bauen hier eine Art Konzentrationslager auf. Weißt du, ähnlich dem damals in Ahrensbök. Du kannst sicher vorstellen, dass wir kein gutes Gefühl dabei hatten und richtige Angst bekamen. Aber
nichts dergleichen geschah, das Gelände liegt einfach brach. In dem Gebäude der Wachmannschaft wohnen, soviel wir wissen, immer zwölf Leute, ein Förster und elf Forstarbeiter. Alle sind beim Militär angestellt, denn die tragen alle Overalls in Flecktarn. Im Frühjahr 1946 begannen die dann damit, im Inneren des Zaunes einen Ring aus Hecken zu pflanzen. Dann pflanzten sie Fichten und im Anschluss nochmals Hecken. Es ist nicht das gesamte Gebiet Wald, wie man jetzt denken könnte. Innen in diesem Gebiet gibt es eine riesige Freifläche. Glaub mir Josef, wir haben uns nicht nur einmal an den Kopf gegriffen. Keiner von uns hat je verstanden, warum das Militär so einen Quatsch macht." Sigi griff nach seinem Glas und nahm immer noch kopfschüttelnd, einen Schluck Grog, der in der Zwischenzeit kalt geworden war. Gustav stand auf, holte einen Kessel mit heißem Wasser und noch eine Buddel mit Rum und
füllte noch einmal nach. Sogar Josef griff sich jetzt einen Grog. Er war so fasziniert von den Erzählungen Sigis und Gustavs, dass er dies gar nicht mitbekam, sondern einfach nach dem Glas griff und sich den Mund verbrannte. "Mist …", schimpfte Josef, wie ein Rohrspatz und hatte Tränen in den Augen. Die anderen mussten wieder einmal, über Josef lachen. Er würde es wohl nie lernen. Gustav erbarmte sich des Stammgastes und holte ihm ein Bier und ein Korn. "Hier Jo, damit du dir nicht wieder dein Mäulchen verbrennst." Josef war aber immer noch nicht richtig bei der Sache. "… und dann?" "Dann gar nichts mehr Jo. Die pflegten und hegten die Bäume und Hecken, sonst nichts. Das ist ja das komische an der Sache." Sigi nahm noch einen kräftigen Schluck und grinst breit. "Na ja, Ekke, Heiner, Gustav und meine Wenigkeit gehen seitdem regelmäßig dort Pilze suchen. Es gibt eine Stelle am Deipsee, dort
konnte man gut unter dem Zaun durch. Genau da, wo der Wald direkt ans Ufer grenzt. Man kommt direkt in den Waldgürtel und kann dort herrlich Pilze und Beeren finden. Es traut sich ja keiner dort rein. Es ist ja der verbotene Wald, Sperrzone. Aber du weißt ja, wo kein Kläger ist …", vielsagend zieht Sigi die Schultern hoch und sieht zu den anderen. "… nach drei Jahren, war der Gürtel aus Hecken und Bäumen so dicht, dass keiner mehr etwas sehen konnte. Mittlerweile, sind die Bäume riesig geworden und der Wald sieht aus, als wenn er schon immer da gewesen wäre. Ich glaube das war der ganze Zweck dieser Aktion. Nur wir alten Bauern, die mal im alten Schwanensee gewohnt haben, wissen, dass dies nicht der Fall war. Es redet keiner mehr drüber. Aber vergessen haben wir das nicht. Das Militär hat uns das Versprechen abgenommen, darüber zu schweigen. Deshalb halten wir auch fast immer die Klappe. Aber so wie heute, muss man auch mal drüber reden.
Aber zurück zum verbotenen Wald. Der ist wie gesagt völlig abgeriegelt, so dass da niemand rein kann. Nur eine schmale Schneise führt in das Innere des Waldes. Aber was im Inneren ist haben wir nie herausgefunden. Da am inneren Rand des Waldringes noch einmal ein genauso hoher Zaun ist. Begreife jemand die Militärs. Na ja, das ging die ganzen Jahre gut. Nur heute haben die Forstleute am Durchschlupf auf Heiner und Ekke gewartet und haben die Beiden festgenommen. Denen ist das Herz tief in die Hose gerutscht. Zurzeit sitzen die beiden noch in Rostock in einer Zelle hat mir Ekkes Frau unter Tränen erzählt. Wie lange, das wusste sie allerdings nicht. Ich hoffe nur die Beiden bekommen keinen richtigen Ärger. Ich hab vorhin den einen Förster getroffen, mit dem ich mich etwas angefreundet habe, der meinte die werden wohl ein paar Tage einsitzen müssen. Tja wer nicht hören will muss fühlen. Aber Sorgen bräuchte ich mir nicht um unsere Freunde
machen. Den Durchschlupf haben die vom Forst jetzt so dichtgemacht, da kommt nicht mal mehr eine Maus rein in das Gelände. Schade, jetzt gibt es keine Pilze mehr", beendete Sigi seinen Bericht. "Und was passiert dort jetzt? Die wussten bestimmt die ganze Zeit, dass ihr euch dort Pilze geholt habt." Ein großes Achsenzucken auf allen Seiten. Weder Gustav noch Sigi konnten darüber Auskunft geben. Sigi versuchte trotzdem zu antworten. "Klar vermutet haben die das bestimmt, Jo. Sonst hätten die ja nicht genau an der Stelle auf die beiden gewartet. Es war die einzige Stelle von wo aus man in den Waldgürtel hinein kam. Ehrlich so blind können die ja gar nicht gewesen sein. Wir waren ja oft genug alle vier dort drinnen und vorsichtig waren wir nicht gerade. Wie du ja weißt ich putze meine Pilze beim Sammeln, ist besser für den Wald. Außerdem wussten wie ja immer durch Gustav,
in welchem Gebiet die Förster gerade unterwegs waren. Die Jungs dort sind schon immer in Ordnung und waren auch der Meinung wie wir, es wäre ja schade um die schönen Pilze gewesen. Die Pilze wären einfach verkommen, da es ja auch kein Wild in dem Waldring gibt. So viele Pilze konnten die Forstleute gar nicht alleine essen, wie dort standen. Vor allem, haben uns die Forstleute immer Tipps gegeben, wo wir nicht hingehen sollten. Die Wachmannschaften holten sich bei Gustav schon immer ihre Getränke oder ließen sich diese liefern, je nach Jahreszeit. Sie waren eigentlich schuld daran, dass wir in die Waldgürtel rein sind, weil sie immer davon geschwärmt haben, dass es da so viele Pilze gäbe. Vorige Woche gaben sie Gus durch die Blume zu verstehen, dass wir nicht mehr in den Wald gehen dürfen. Dass dort jetzt ein anderer Wind weht. Die Bestellung an Getränken ist ins Unendliche geschossen. Also sind dort jetzt wesentlich mehr Leute. Aber ihr
wisst ja selber, wie Ekke und Heiner sind, die hören ja auf niemanden. Wir hatten sie gestern noch gewarnt. Gustav hat den Waldleuten vor zwei Tagen ihre Getränke geliefert und bekam extra noch einmal eine Warnung. Wir wissen durch die Förster, dass die dort in dem Gebäude alles haben, was zum Wohlfühlen notwendig ist. Durch Zufall bekam Gus das mit. Einer der Förster mal etwas viel getrunken hatte, hier in der Kneipe. Hatte wohl tüchtigen Liebeskummer und musste mal raus aus seinem Wald. Gustav hat ihn dann lieber zurückgebracht. Aus Dank hat ihm der Förster das Gebäude mal gezeigt. Die haben dort nicht nur Schlafräume, sondern auch Wohnräume, Küche und Sanitärräume. Vor allem alles vom Feinsten. Vor allem haben die Arbeitszeiten, die man sich nur wünschen kann. Auch wenn die einen Knochenjob haben, denn das Gebiet, das sie hegen und pflegen ist riesengroß, ist es genial. Die bleiben drei Wochen dort am Wald,
dann haben die drei Wochen Frei und können zu ihren Familien. So möchte ich auch mal arbeiten. Aber wie es scheint, tut sich da jetzt wieder etwas. Denn seit voriger Woche, geht dort richtig die Post ab. Ich bin gestern extra mal dort lang gefahren, oder vielmehr wollte ich das. Du kommst dort gar nicht mehr ran, die riegeln alles ab. Von weiten habe ich nur das große Lager gesehen. Dort stehen haufenweise Zelte und es wurde ein richtiges Materiallager errichtet. Elf Jahre war hier Ruhe und nun dass, weiß der Teufel, was da auf uns zu kommt. Mir ist gar nicht wohl bei der ganzen Sache." Beendet Sigi seinen langen Bericht und nahm den letzten Schluck Grog. "Mir auch nicht", kam von allen Seiten. "Ach du lieber Himmel, ist das schon spät", stellte Josef erschrocken fest. Ein Blick auf die Uhr teilte ihm mit, dass der neue Tag schon über eine Stunde alt war und es bereits der 1. April 1957 war. "Leute ich muss heim, sonst bringt
mich meine Frau um. Sagt mal, wo ist denn die Zeit geblieben." Grinsend sah ihn Gustav an. "Die hat dir Sigi geklaut. Mit seiner Erzählerei. Schaust nicht mal dein Skat hast du heute vermisst und vor allem, hast du nicht mal Geld verloren und zahlen musste auch nichts. Heute geht mal alles aufs Haus", teilte der Wirt lachend mit. "Dann komme ich öfters. Nein, keine Angst Gustav, bis nächsten Freitag." Sofort zog sich Josef an, genau wie die Anderen. Gemeinsam machten sie sich auf den Heimweg. Jeder hing seinen Gedanken nach und alle machten sich mehr oder weniger Sorgen, um das, was im Waldgürtel vor sich ging und was da auf sie zukam. Da keiner etwas Genaues wusste, war viel Platz für Spekulationen. Die durch viele Ungereimtheiten, neue Nahrung bekommen würde. Die Bevölkerung kam auf immer absurdere
Gedanken. In dem so geheimnisvollen Waldstück, passierte nichts für die Bevölkerung gefährliches oder bedrohliches. Hier wurde ein langfristiges Projekt umgesetzt, das mit dem Aufkauf der Bauernhöfe seinen Anfang genommen hatte. Dies sollte den Namen "Projekt Dalinow" tragen. Der Name stammte von dem Begründer des ursprünglichen Gedankens, einem russischen Wissenschaftler, der für das Militär arbeitete und forschte. Seit Ende März 1957, kaum, dass die Temperaturen etwas gestiegen waren und das Tauwetter einsetzte, fuhren deshalb immer mehr LKWs mit Baumaterialien die Landstraße aus Richtung Feldhusen nach Norden. Die Fahrzeuge bewegten sich von der L1 geradeaus in Richtung des Waldes, der vor elf Jahren angepflanzt wurde. In den man jetzt eine Schneise geschlagen
hatte. Nur wenige Tage nach dem Gespräch in der Kneipe Gustavs, begann man damit eine provisorische Zufahrtsstraße zu bauen. Die Baumaschinen des Straßenbaus fraßen sich Meter für Meter durch den Ring, in das Innere des Waldes hinein, um eine zeitweilige Zufahrtsstraße anzulegen. Es wurde in einem unvorstellbaren Tempo gearbeitet. Danach brachten Schwertransporter einen riesigen Bagger der innerhalb des künstlich angelegten Waldes, über eine Fläche von fünftausend sechshundert mal fünftausend achthundert Metern, eine dreißig bis sechsunddreißig Meter tiefe Grube aushob. Dies dauerte keine drei Tage. Der Abraum aus der Grube wurde sofort vor den geplanten elektrischen Zäunen, im Abstand von drei Metern als Wall aufgeschüttet. Zwischen dem Wall und dem Zaun, würden später kontinuierlich, Patrouillen auf einer extra dafür
angelegten Straße fahren. Unzählige LKWs fuhren die L1 entlang, so viele Fahrzeuge hatten die Anwohner des Gebietes sonst in einem Jahr nicht gesehen. Sie brachten Kräne, Zäune, Pfeiler, Baumaterial, Zement, große schwarze Glasscheiben und Unmengen an Kabelrollen. Es wurden neue Hochspannungsleitungen und Telefonleitungen verlegt, und Trafo-Stationen gebaut. Tagelang kämpften unzählige Pumpen gegen das Grundwasser und den Wasserrückfluss, um die Grube trocken zu legen. Zusätzlich zu den geplanten Fundamenten der Gebäude, wurden Wasserschutzmauern gebaut und versiegelt, um die zukünftigen Gebäude vor Wasser zu schützen. Dies war bei dem niedrigen Grundwasserspiegel gar nicht so einfach. Es war aber notwendig um das Fundament, für diese riesige Anlage fertigen zu können. Auf die gelegenen Fundamente, wurden in die Grube hinein, unterirdische Bauten errichtet. Jedes
dieser Gebäude umfasste sechs Etagen, eins sogar sieben Etagen. Alle Gebäude wurden unterirdisch miteinander verbunden. Dies alles geschah, ohne dass die Bewohner der Region etwas mitbekamen. Sonst hätte es noch mehr Spekulationen gegeben. Es kamen natürlich immer mal einige Leute in die Nähe des Waldes. Einfach um zu sehen, was dort gebaut wurde. Allerdings gab es keinen Durchschlupf, denn das Gebiet wurde hermetisch abgeriegelt. Keiner kam auch nur in die Nähe dieser Baustelle. Dort entstand ein riesiges Heerlager, in denen hunderte Baubrigaden lebten und versorgt wurden. In den neu errichteten Gebäuden entstanden Laboratorien, Werkstätten und Schulungsräume. Ganz unten gab es sogar zwei große Schwimmhallen. Es gab unzählige Wohneinheiten, eine Großküche, Friseur, Wäscherei, zwei kleine Krankenhäuser, sogar eine Einkaufsstraße entstand hier. Alles, was
man fürs tägliche Leben brauchte, würde man später einmal hier vorfinden. Hier entstand eine kleine unterirdische Stadt, ohne dass die hiesige Bevölkerung etwas davon mitbekam. Insgesamt waren es sechs riesige Bauwerke, die errichtet wurden. Sie erstreckten sich über das gesamte Terrain, im Inneren des Waldes. Diese Gebäude wurden Etage für Etage durch großzügige Tunnelröhren miteinander verbunden, von denen zwei sogar an die Oberfläche führten. Parallel zu den großen Röhren, verliefen kleinere Tunnelröhren, die für das Wartungspersonal bestimmt waren. In den einzelnen Gebäuden waren die Gänge, wie auch die großen Tunnel so konstruiert, dass man darin mit Multicars herumfahren konnte. Das sind kleine elektrisch angetriebene Fahrzeuge. Die größeren Tunnel, besaßen alle eine Höhe von circa vier Metern. Die kleineren Tunnel allerdings, waren gerade mal zwei Meter zehn hoch, so dass man bequem darin laufen konnte. Auf diese Weise gelangte
das Wartungspersonal, schnell von einem Ort zum anderen, in dieser riesigen Anlage. An den unterirdischen Gebäuden führten im Abstand von fünfzig Metern, breite Schächte nach oben, an die Oberfläche. Deren Zwecke man jetzt noch nicht erkennen konnte. Anfang Juli 1957, waren diese Gebäude bereits fertiggestellt. Es wurde in Rekordzeit gebaut, so wie nur das Militär bauen konnte. Das Erdreich wurde bereits wieder aufgeschüttet und eingeebnet. So dass keines dieser Bauwerke mehr zu sehen war. Das übrig gebliebene Erdreich bildete eine Art inneren Wall. Dieser wurde sofort bepflanzt. Zum Wald hin mit Obstbäumen, damit man den elektrischen Zaun weniger sah. Ins Innere des Objektes, mit Beeten für Blumen und Steingärten. Zum Teil wurde der Wall auch mit Beerensträuchern bepflanzt, die dem Küchenpersonal, zur Versorgung des Personals mit Frischobst diente. Es war ein gut durchdachtes Konzept, das eine
Wohlfühloase schuf und keine Wünsche offen ließ. Nichts erinnerte mehr daran, dass dies eine militärische Anlage war. Würde jetzt jemand über das Gelände fliegen, ähnelte es eher einer Wohnanlage oder einem Sanatorium. Genau das wollte das Militär erreichen. Erstaunt stellte man fest, dass sich jetzt nur noch fünf an Wohnblocks erinnernde, zweistöckige Gebäude auf diesem riesigen Gelände befanden. Diese waren in einen großzügig angelegten Park eingebettet. Ein etwas größeres, nur einstöckiges, flaches Gebäude, dagegen sah aus, wie eine Mensa mit angebauter Sportanlage. Zwei schmale Zufahrtsstraßen verrieten allerdings, dass sich unter diesem Gebäude eine Tiefgarage befinden musste. Wie groß diese war, konnte man nicht erahnen. Die Bauarbeiten gingen zügig voran. Bereits im Juli 1957, fuhren immer häufiger Fahrzeuge die für den Innenausbau zuständig waren, die
Zufahrtsstraße entlang. Hunderte von Möbelwagen, fuhren in den Wald hinein, in dieses undurchschaubare Projekt. Dass die Bevölkerung zu immer neuen Spekulationen veranlasste. Die alten Stacheldrahtzäune wurden abgerissen und durch sehr hohe elektrische Zäune ersetzt. Zäune, die eine Höhe von mindestens fünfzehn Metern hatte und deren Kronenschutz mit S-Draht versehen war. Dieser S-Draht verhinderte ein übersteigen des Zaunes. Er würde die Person, die das versuchen wollten, regelrecht festhalten und dabei schwer verletzten. Verhedderte sich jemand in diesem S-Draht, kam er alleine und ohne fremde Hilfe, nicht mehr frei. Die Personen mussten dann regelrecht aus dem Draht herausgeschnitten werden. Zusätzlich wurde die Zaunanlage, mit Glas verkleideten Wachtürmen bestückt, die das Terrain zusätzlich überwachen und beschützen sollten. Das gesamte Gebiet im Inneren des Waldes
wurde zusätzlich, zur äußeren Zaunanlage, nochmals mit einem ausfahrbaren Zaun versehen, der eine Höhe von dreißig Metern erreichen konnte. Obwohl dieses Gebiet circa fünfundvierzig Quadratkilometer umfasste. Das gesamte Terrain wurde systematisch abgesichert, so dass nicht einmal ein Maus, ungesehen hinein oder hinaus schlüpfen konnte. Selbst einen kleinen Flugplatz mit einer ausreichend langen Landebahn, von fast zweieinhalb Kilometer Länge, baute man für dieses Projekt. Durch die gepflanzten Hecken und Bäume, die sich vor den elektrischen Zäunen befanden, wurde Fremden die Sicht ins Projekt verwehrt. Keiner sah, was hinter den Zäunen vor sich ging. Selbst die provisorische Zufahrtsstraße zu dem Projekt, wurde so angelegt, dass diese in wenigen Monaten wieder verschwunden war. Nur ein Forstweg würde noch zum "Projekt Dalinow" führen. An dessen Eingang sich ein, in
die elektrischen Zaunanlage eingearbeitetes Tor, befand. Davor war ein großer Parkplatz, der an den Komplex für das Pflege- und Wachpersonal angebaut wurde. Dieser war ebenfalls gesichert. Das Militär plante, das "Projekt Dalinow" im Geschlossenen durchzuführen. Diese Geheimhaltung konnte man allerdings nur erreichen, wenn man der zivilen Bevölkerung den Zutritt verwehrte. Selbst eine eigene Tankstelle besaß dieses Projekt, die über den Luftraum, mit speziellen Flugzeugen versorgt wurde. Man ging davon aus, dass in spätestens zwei Jahren, von der Masse der Bevölkerung, niemand mehr an die Baumaßnahmen dachte. Man diese einfach wieder vergaß. Was man nicht sah, geriet nach und nach in Vergessenheit, so die Gedankengänge des Militärs. Es war dem Planer des Projektes keineswegs entgangen, dass es allerlei Spekulationen das Gebiet des verbotenen Waldes gab, aber dies war auch nicht
zu verhindern. Im Gegenteil, solange die Bevölkerung der Realität nicht zu nahe kam, würden sie diese Gerüchteküche dulden und sogar anheizen. Würde man gezielter gegen die Neugier der unmittelbaren Nachbarn vorgehen, würden diese Gerüchte ganz andere Dimensionen annehmen. Man konnte zwar hohe Mauern bauen um die Neugier zu dämpfen und ein gewaltsames Eindringen zu verhindern. Unsichtbar, konnte man das Projekt leider nicht machen. So war es die beste Lösung die Anwohner spekulieren zu lassen, denn dann waren die Leute beschäftigt und zufrieden, und man konnte in Ruhe arbeiten. Nach dem Start des Projektes, würden alle notwendigen Transporte, nur noch von Flugzeugen und Hubschraubern durchgeführt. Ebenfalls alle notwendigen An- und Abreisen. Da die Zufahrtsstraße, zum Projekt, dann nicht mehr existieren würde. Der zuständige Förster, plante schon die Neubepflanzung der Schneise. Vor Ort waren, jetzt, im Oktober 1957, schon
die Parkanlagen fertiggestellt. Selbst ein kleiner Hain mit den uralten Buchen und Kastanien wurde in den Park integriert. Viele verschiedene Möglichkeiten zur Entspannung, bot das circa sieben mal sechs Kilometer umfassende Parkgelände. Kleine Gärten vor den Häusern, luden zur Entspannung der Angestellten ein, genau so, wie der Volleyballplatz und das Fußballfeld. Sogar ein kleines Freibad, wurde für die Mitarbeiter angelegt. Hier entstand ein richtiges kleines Paradies. Der Architekt der dieses Projekt geplant hatte, dachte wirklich an alles. Die großzügige Parkanlage mit vielen Bänken und Springbrunnen luden einfach nur zum Verweilen ein. Endlich, Ende Dezember 1957, waren bis auf Kleinigkeiten, alle Gebäude und auch die Parkanlage fertiggestellt. Verwundert sah man sich die Gebäude an, die nicht in der üblichen Ziegelbauweise errichtet
wurden, sondern in einer Plattenbauweise. Diese waren zusätzlich verputzt und mit großen schwarzen, in Rahmen montierten Glasscheiben verkleidet. Man sah diese eigenartigen Platten, ebenfalls auf den Dächern der Gebäude. Solarzellen wurden diese Glasplatten genannt und dienten zur Stromgewinnung. Die Fotovoltaik oder auch Solartechnologie diente der direkten Verwandlung von einfallendem Licht, in elektrische Energie. Die Geschichte der Fotovoltaik, begann im Jahr 1839, als der zugrunde liegende fotoelektrische Effekt entdeckt wurde. Alexandre Edmond Becquerel entdeckte durch Zufall, bei einem Experiment mit dieser Technik, dass der Fluss des Stromes, bei Licht geringfügig größer war, als im Dunkeln. Seit einiger Zeit versuchten russische Wissenschaftler, diesen Effekt für die Stromgewinnung zu nutzen. Da man sehr viel Strom brauchen würde, im "Projekt Dalinow",
wollte man diesem Pilotprojekt eine Chance einräumen und zur Stromgewinnung nutzen. Die Schächte, die sich um die unterirdischen Gebäude befanden, blieben allerdings offen und wurden vollständig in die Parkanlagen integriert. Sie wurden jedoch alle mit Schutzgittern versehen, so dass man nicht in die Tiefe stürzte. Jetzt wurde auch die Funktion dieser Schächte sichtbar. Sie leiteten, über ein Spiegelsystem, das Tageslicht in die unteren Ebenen, um diese Bereiche, auch mit etwas Sonnenlicht zu versorgen. Lediglich, der hinterste dieser Blöcke, besaß nur einen dieser Sonnenschächte, wie diese vom Architekt bezeichnet wurden. Das war der Block, der am nächsten am Flugplatz stand. Der einzige Block, der sieben Etagen, aber auch einem freien Zugang nach draußen besaß. Jedoch war er im Inneren durch dicke Stahltüren, gegen unerlaubtes Verlassen und Betreten gesichert. Dort entstand ein großer
Hochsicherheitsbereich. Dieser war nur minimalistisch ausgestattet. Man durfte diesen Bereich, nach Beginn des "Projektes Dalinow" nur betreten, wenn man speziell dafür autorisiert wurde. Hier wurden die eigentlichen Forschungen durchgeführt. Alles war sehr praktisch und funktionell gehalten. Ganz anders, als die anderen Bereiche in dieser militärischen Anlage, die regelrecht im Luxus ertranken. Sämtliche überirdisch errichteten Gebäude, besaßen Balkons die um das gesamte Haus liefen und waren inmitten des Parks gelegen. Von dem Balkon aus schaute man, egal, wohin man blickte, auf die wunderschönen Grünanlagen. Entweder, hatte man einen Blick auf den Park oder den künstlich angelegten Wald. Hier ließ es sich schön wohnen. Am 30. Dezember 1957 kurz vor 13 Uhr, kam ein Konvoi von Fahrzeugen auf der Zufahrtsstraße von Feldhusen in das Objekt
gefahren. Es waren überwiegend schwarze und schwere Regierungsfahrzeuge, die zum großen Teil von hohen Militärs besetzt waren. Fünfzehn Generäle, vom Generalmajor bis hin zum Armeegeneral des Warschauer Paktes, nahmen das Projekt ab. Auch ein ziviler Beamter der Regierung war zugegen. Zufrieden mit der erbrachten Leistung, äußerten sich die Militärs und der von der Regierung Beauftragte, lobend gegenüber Hunsinger und den Baubrigaden, über die erbrachte Arbeit. Oberst Hunsinger wurde für die Organisation und Durchführung dieses Projektes geehrt. Es war allen bewusst, dass dieses Vorhaben für ein schwieriges Unterfangen darstellte. Man inspizierte die Einrichtungen für das Personal, so wie die, für die zukünftigen Bewohner des Blocks 6, um die es in diesem Projekt ging. Einstimmig war man der Meinung, dass man das beste Material zum Gelingen des "Projektes Dalinow" zur Verfügung gestellt
hatte. Jetzt lag es nur noch am Personal, dies auch erfolgreich durchzuführen. Man setzte große Erwartungen in Hunsinger und seine Teams. Die Abnahme-Kommission gab das Projekt frei für den Start. So konnte das "Projekt Dalinow", abgesegnet von den Führungsebenen, pünktlich Anfang des Jahres 1958 beginnen. Man wünschte Oberst Hunsinger und seinen zukünftigen Teams viel Erfolg.
Fritz Jacob betrat die Mensa seiner neuen Arbeitsstelle, im "Projekt Dalinow". Neugierig sah er sich um und lief nach vorn zur Fensterfront, um einen Blick in den schönen Park werfen zu können, ohne, dass man im Kalten stehen musste. Dabei sah er sich erst einmal in dem riesigen Raum um. Sein neugieriger Blick kreuzte sich mit vielen neuen und unbekannten Gesichtern, die zum Teil aufgeregt und zum Teil aber auch ängstlich umher schauten. Alle nutzten dieses stille Beobachten, um die neuen Kollegen unauffällig zu mustern. Wie gut konnte Jacob die Gefühle der Anderen nachempfinden, es ging ihm ja selber so. Auch er hatte ein flaues Gefühl im Magen und wusste nicht, was auf ihn zukam. Er wurde das Gefühl nicht los, dass das "Projekt Dalinow" von ihm mehr, als es ihm bis jetzt bewusst war, fordern
würde. Aber er war ja, auf der Suche nach neuen Herausforderungen, deshalb war er ja hierhergekommen. Jacob lächelte still vor sich hin und erinnerte er sich, wie schwer ihn die Zusage für das Projekt gefallen war. Wie lange er die Zusage hinausgezögert hatte. Jacob war sich nicht sicher, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Er bekam mehr und mehr das Gefühl, dass diese neue Arbeit von ihm unmenschliches verlangen würde. Mit keinem Wort konnte er diesen inneren Zwiespalt wirklich erklären. Immer noch hatte er schwer an der Reaktion seines Mentors zu schlucken. Wie sehr hatte er sich gewünscht, dass dieser sich ihm nur offenbart hätte. Jacob hoffte im Stillen, dass er seine Entscheidung nie bereute. So schwer war sie im gefallen und so viel hatten ihn diese Entscheidung genommen. Jacob stand in Gedanken versunken an der Glasfront der Mensa, nahm nichts mehr um sich
herum wahr. Er blickte hinaus in den wunderschönen Park, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Seine Gedanken drifteten ab und wanderten einige Monate zurück. In jene Zeit, als das Leben noch nicht aus dem Gleichgewicht geraten war und die Welt noch seine Ordnung hatte, als er sich noch nicht entscheiden musste: Welchen Weg er einschlagen wollte und sollte, nach seinem Studium. Es war uninteressant, dass er gerade erst hier angekommen war. Er fragte sich, was er hätte noch länger in Greifswald verweilen sollen. Durch eine Frage war alles zerstört, was er sich aufgebaut hatte. Was sollte er also an einem Ort, der viele schöne Erinnerungen barg, in dem er eine schöne Zeit verbrachte, aber auch eine große Enttäuschung erlebte. Eine Enttäuschung, die er bis heute nicht verstand und die es nicht zuließ, dass Freude über die neue Herausforderung, in ihm heranwachsen konnte. Diese Enttäuschung verstärkte jenes ungute
Gefühl, dass sich in Jacob eingenistet hatte und die er einfach nicht los wurde. Trotz allem zog es ihn magisch zum "Projekt Dalinow". Das Verrückte an der Sache war jedoch, er konnte sich nicht erklären, warum … ~ Greifswald 25. Juni 1957 ~ Festlich war die Aula der MMS, der Militär-Medizinischen-Sektion, an der Universität Greifswald geschmückt. Jacob, war mit seinen fast dreißig Jahren, im besten Alter. Mit seinen einhundert neunundachtzig Zentimeter Größe, den dunkelblondem zu einer Bürste geschnittenen Haar war er ein gut aussehender junger Mann. Seine haselnussbraunen Augen, der durchtrainierten und muskelbepackter Körper, mit seinen fünfundachtzig Kilo unterstrichen dieses Bild. Er war einem Schwiegersohn den keine Schwiegermutter von ihrem Tisch
verstoßen hätte. Der gestählte Körper Jacobs, war ohne ein Gramm Fett. Man sah ihm an, dass sein Besitzer sehr viel Sport trieb, nicht weil er das musste, sondern, weil er Spaß daran hatte. Fritz Jacob kam ursprünglich aus der Oberlausitz, wohnte aber lange Zeit in Dresden, bei seiner Großmutter. Sein Vater starb kurz nach seiner Geburt, bei einem schweren Unfall. Seine Mutter, die mit dem Tod ihres Mannes nicht klar kam, ließ den Jungen im zarten Alter von einem Jahr, als Vollwaise zurück. Die Großeltern nahmen Fritz Jacob bei sich auf und zogen ihn liebevoll groß. Allerdings starb auch Jacobs Großvater sehr früh, bei einem Kampfeinsatz 1941 in Griechenland. Manchmal, so ging es Jacob durch den Kopf, kam es ihm vor, dass alle Menschen die er liebte, wie durch einen Fluch, aus seinem Leben gerissen wurden. Er war sich darüber im Klaren, dass dies nicht stimmte. Allerdings hatte er oft das Gefühl, der Tod, würde ihn verfolgen. Nur vier Jahre,
nachdem sein Großvater an der Front starb, folgte seine Großmutter ihrem Mann und verstarb nach einem Bombardement der Alliierten auf Dresden, im Februar 1945. Bei diesem Luftangriff, wurde Jacob ebenfalls schwer verletzt und hatte nur durch ein Wunder, unter den Trümmern des eingestürzten Hauses, überlebt. So dass der erst siebzehnjährige Fritz Jacob, sehr zeitig auf sich selber gestellt war. Während seines langwierigen Aufenthaltes im Hospital, in dem er sich von seinen schweren Verletzungen erholte, begegnete er einem engagierten Arzt. Der ihn aus seinem Selbstmitleid riss und wieder auf seine eigene Beine stellte. Dieser Arzt weckte in ihm den Wunsch, Medizin zu studieren. Nach seiner Genesung, begann er im Hospital als Pfleger zu arbeiten und machte seine Ausbildung in der dortigen Chirurgie, die er mit hervorragenden Leistungen beendete. Als 1949 an der Humboldt Universität Berlin
erstmals eine militärmedizinische Ausbildung angeboten wurde, meldete Jacob sich kurzerhand an. Aufgrund seiner hervorragenden Kenntnisse und seinen guten Beurteilungen, wurde er ein Jahr später, an eben dieser Universität, immatrikuliert. Sein damaliger Lehrer und Mentor, Professor Hillinger, nahm ihn, als er einige Monate später die Universität wechselte, mit nach Greifswald, an die dortige Universität. In der Jacob immer noch studierte und an der dortigen Universitäts-Klinik, in der Unfallchirurgie nebenbei tätig war. Jacob war ein Arzt, dem man sich gern anvertraut. Er strahlte Zuversicht, Ehrlichkeit und Freundlichkeit aus. Sein offenes und verständnisvolles Wesen, fand fast immer Zugang zu den Patienten. Seine liebenswürdige Art, baute schnell eine feste Vertrauensbasis auf. Dadurch, dass er immer zu dem stand, was er sagte und tat, wurde dieses Vertrauen auch niemals erschüttert. Es war eine besondere
Beziehung, die man nur selten zwischen Patienten und einem Arzt erlebte. Er nahm sich stets Zeit auch für die kleinen privaten Sorgen seiner Patienten und half, wo es nur ging. Vor allem, wurde Jacob auch von seinen Kollegen gemocht. Der oft harte Konkurrenzkampf zwischen den Ärzten, prallte an Jacob ab wie ein Prellball. Sein so offenes Wesen, lies dies gar nicht zu. Er verzichtete lieber auf eine höhere Position, als sich jemanden zum Feind zu machen. Vordrängen und sich ins Rampenlicht stellen, gehörte einfach nicht zu seinem Wesen. Trotzdem fiel Jacob immer wieder auf. Einfach durch seine unglaubliche Kompetenz, sein ungeheures Wissen und vor allem durch sein höfliches und rücksichtsvolles Auftreten. Dadurch eroberte er nicht nur das Herz seiner Patienten, sondern auch, dass seiner Kollegen und Kolleginnen. Seine humorvolle Art und sein Bescheidenheit, trugen dazu bei, dass ihn alle respektierten.
Dabei spielte es keine Rolle, ob es der Hausmeister oder die Reinigungskraft war. Oder aber der Gärtner, der den Park pflegte. Jacob hatte für jeden ein nettes Wort und man merkte, dass dieses nicht nur eine Mache war, sondern vom Herzen kam. Jacob packte auch in seiner knapp bemessenen Freizeit einmal mit an, um ein Krankenzimmer zu malen oder im Park bei der Bepflanzung oder der Unkraut Beseitigung zu helfen. Dies machte ihn zu etwas Besonderen. Seine Haut war braungebrannt, allerdings von einer gesunden Bräune. Obwohl er sich beruflich nur in Räumen aufhielt, sah man, dass er auch viel an der frischen Luft unterwegs war. Trotzdem Jacob so viel Ansehen genoss, war er immer noch ledig und hatte nicht einmal eine Freundin. Dies lag aber daran, dass er all seine gesamte Kraft in sein Studium investierte und darüber hinaus, für seinen Unterhalt selbst aufkommen musste. Gerade deshalb nutzte er
jede Möglichkeit die Hillinger ihn bot und arbeitete mit seinem Mentor zusammen, intensiv in der Forschung. Dieser Bereich faszinierte Jacob unwahrscheinlich. Hatte sich der junge Student, einmal an einem Problem festgebissen, gab er nicht so schnell auf, sondern forschte, bis er eine Lösung gefunden hatte. Oftmals ging es dabei um das Leben, eines ihm anvertrauten Patienten. Dadurch kam es häufiger als ihm selber lieb war vor, dass Jacob mal wieder nächtelang nicht ins Bett kam. Das Resultat war, dass ihm einfach keine Zeit für private Liebelein blieb und hatte er mal eine Freundin, löste die sich schnell wieder in Luft auf, als es Jacob lieb war. Daher hatte er beschlossen, während seines Studiums keine ernsthaften Damen Bekanntschaften mehr zu machen, dann blieb ihm wenigstens die Enttäuschung erspart. Dies wollte Jacob nach seiner Promotion ändern. Er hatte die Absicht, nach bestandener Prüfung endlich eine eigene Familie zu gründen. Beruf,
Forschung und Familie, waren seine wichtigsten Ziele und diesen kam er immer näher. Jacob trug heute die Galauniform der Sanitäts-Transportkompanie. Er erhielt, wie alle anderen Studenten seines Studienganges, endlich seine Letzten, jedoch wichtigsten Promotionen. Die er alle mit der Note "summa cum laude" bestanden hatte. Der besten Note die man erhalten konnte. Bereits drei dieser Promotionen hatte Jacob in den vergangen vier Jahren erhalten. So war der fleißige Student schon: Doktor der Chemie, der Physik und der Biochemie. Stets feierte er diesen wunderschönen Moment, mit seinem Mentor zusammen. Diesmal war alles anders. Nur konnte sich Jacob nicht genau erklären, was eigentlich geschehen war. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er zu Hillinger hinüber blickte. Was war nur in seinen Mentor gefahren? Gerade diese letzten Promotionen, waren für ihn
die Wichtigste und das wusste sein Mentor genau. Das gute Bestehen seiner Promotion als Arzt, waren Jacobs größten Ziele gewesen. Dafür hatte er auf alles Private verzichtet, nur dafür hatte er so schwer abgeschuftet. Stets leistet Jacob mehr als andere und nun stand er hier alleine herum. Sein Mentor hielt sich von ihm Fern, als hätte er die Pest und sprach kein Wort mehr mit ihm. Warum nur? Die Promotionen die Jacob in vier zusätzlichen Fachrichtungen abschloss: der Kinderheilkunde, der Oto-Rhino-Laryngologie, landläufig auch HNO genannt, der Chirurgie, mit einer Spezialausbildung für Militär- und Katastrophenmedizin und Gynäkologie (Frauenheilkunde), sollten Jacob helfen seinen großen Traum zu verwirklichen. Er wollte nach seiner militärischen Laufbahn einmal als Landarzt arbeiten. Durch dieses breit gefächerte Studium, vereinte er alle wichtigen Ausbildungen eines Arztes, die auf dem Land
notwendig waren. Er konnte also später in einer Landarztpraxis, in fast jeder, das Leben bedrohenden Situation, richtig helfen. Dies war Jacobs Motivation gewesen. Hillinger hatte ihn immer wieder gewarnt sich nicht zu verzetteln. Mit den Jahren sah sein Mentor allerdings ein, dass Jacob sehr wohl in der Lage war, mit den vielen Informationen umzugehen. Im Gegenteil, diese weit gefächerte Ausbildung machte es ihm möglich, mit seinen jungen Jahren schon ein brillanter Arzt zu sein. Der durch sein ungeheures Fachwissen, viele ältere Ärzte verblüffte und oft Lösungsansätze fand, die gestanden Ärzten, vor Verblüffung staunen ließen. Die allerdings, den ihm anvertrauten Patienten halfen, schneller zu gesunden. Gerade deshalb war es dem jungen Arzt stets wichtig gewesen, seinen Mentor beratend an seiner Seite zu wissen. Alle seine Promotionen hatte er mit der Note "summa cum laude" bestanden. Er hatte seinen Mentor also
auch nicht enttäuscht. Dies alles zeugte von den hervorragenden Leistungen Jacobs. Er war vor allem ein Arzt der nicht nur dieses umfangreiche Wissen vorweisen konnte, sondern auch in der Lage war dieses Wissen anzuwenden. Dies war etwas Seltenes und hatte ihm von Seiten Hillingers, immer viel Respekt und Anerkennung eingebracht. Jacob war mit Abstand, der beste Student seines Jahrgangs, in allen Fachrichtungen. Selten gab es so einen engagierten, vor allem begabten Studenten. Der vor allem genau wusste, was er wollte und was nicht. Professor Hillinger, sein Mentor und väterlicher Freund, reichte viele seiner Forschungsaufträge, an seinem begabtesten Studenten weiter. Jacob beendete im Laufe der letzten fünf Jahre, viele dieser Arbeiten, mit sehr gutem Erfolg und erhielt sehr viele Auszeichnungen. Hillinger, machte seinem Schüler immer wieder Mut, weiter in der Forschung zu arbeiten.
Traurig sah Fritz Jacob zum wiederholten Mal in die Richtung, in der sein Mentor mit einer Gruppe Studenten stand und lachte. Er begriff einfach nicht, warum sich dies alles so plötzlich geändert hatte. Wieso ihn sein Mentor so mied? Jacob, der so auf seine Promotion hingearbeitet hatte, konnte diese gar nicht richtig genießen. Er wollte eigentlich, gemeinsam mit seinem Mentor feiern. Da Hillinger seine Familie war, sein väterlicher Freund. Jedoch hielt der Professor eine unüberbrückbare Distanz bei dieser Feier. Nur die nötigsten Worte wechselte Hillinger mit Jacob. Gerade so viel, um nach außen hin nicht unhöflich zu wirken. Seit fast zwei Wochen ging das nun schon so, dass Hillinger seinen Schüler komplett ignorierte. Seit diesem verhängnisvollen Gespräch. Jacob verstand die Welt nicht mehr. Hillinger hatte ihm immer dazu geraten, in die Forschung zu gehen. Jacob wollte das nie, er suchte immer
den Kontakt zu Menschen. Er konnte sich nicht vorstellen seine Fähigkeiten, nur im Forschungslabor zu vergeuden. Jetzt bekam er die einmalige Möglichkeit, gerade diese Kombination, Forschung und Patienten zu vereinen und dies passte Hillinger auch nicht. Dann sollte er ihm einfach sagen, was er für ihn geplant hat. Jacob war völlig durcheinander. Vor allem verstand er nicht, warum Hillinger ihm das nicht erklären konnte und wollte. Jacob grübelte immer noch, was das alles ausgelöst haben könnte. Hatte er etwas falsch gemacht? Er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern. Er wollte doch nur Hillingers Meinung wissen. Nochmals wanderten seine Gedanken zurück, zu jenem verhängnisvollen Gespräch. Vor knapp zwei Monaten bekam Jacob, von einem gewissen Oberst Hunsinger, einen Anruf und wurde gebeten, sich umgehend mit ihm in der Hauptabteilung Kader und Schulung zu
treffen. Deshalb war Jacob auf die dringende Bitte Hunsinger’s, sofort nach Berlin-Lichtenberg, auf die Normannenstraße gefahren, um sich das Angebot anzuhören. Da sich Hillinger in dieser Zeit auf einem Kongress in Prag befand, konnte er sich nicht mit seinem Mentor absprechen. Dies war allerdings nicht der eigentliche Grund für dessen Verhalten. Der Termin war sehr kurzfristig angesetzt, so dass Jacob seinen Mentor nicht erreichen konnte. Also fuhr Jacob einfach nach Berlin, um sich über alles unverbindlich zu informieren zu lassen. Immer nach dem Motto, erst mal anhören. Das schadet ja nichts. Nein sagen, konnte man immer noch. Das, was ihn dieser Oberst Hunsinger am Telefon erläuterte, klang für Jacob überaus interessant. Es verband genau das, was Jacob suchte. Nämlich die Zusammenarbeit mit Menschen, aber trotzdem die Möglichkeit der intensiven Forschung. So
eine Kombination, würde er so schnell nicht wieder finden. Allerdings musste er eins zugeben. Er traf dort auf diesen Major Mayer, dessen herrische Art, hatte keinen guten Eindruck auf Jacob gemacht. Als er Mayer etwas näher kennenlernte, entpuppte sich dieser als lustiger und angenehmer Geselle. Gemeinsam gingen sie im Anschluss an das Gespräch, etwas essen. Man hatte am Abend sehr viel Spaß zusammen und es wurde viel gelacht. Mayer erklärte Jacob, dass er kurz vor ihrem Gespräch schlimmen Stress, privat, aber auch mit seinem Vorgesetzten hatte. Er entschuldigte sich immer wieder, mit den Worten. "Jacob, ich bin Vollblutsoldat, kein Diplomat. Ich kann mit fast jeder Waffe umgehen, aber nicht mit Worten. Könnte ich mit Worten umgehen, wäre ich Diplomat und nicht Soldat", er zuckte dabei breit grinsend, aber auch verlegen mit den Schultern und lächelte gequält.
Damit war die Sache für Mayer erledigt. Oberst Hunsinger allerdings, war für Jacob ein wirklich angenehmer Gesprächspartner, mit dem man sich sehr gut unterhalten konnte. Jacob war auch vollkommen bewusst, dass er nie wieder so ein Glück, wie mit Hillinger haben würde. Seine Chefs, konnte man sich nicht aussuchen. Schon gar nicht, wenn man wie Jacob, beim Militär war. Jacob nahm sich die Unterlagen erst einmal mit, um diese in Ruhe durchzuarbeiten. Er erbat sich eine Bedenkzeit, da er sich mit diesem Projekt sehr lange festlegte. Versprach aber, sich innerhalb der nächsten sechs Wochen bei Hunsinger zu melden, um ihm eine endgültige Entscheidung mitzuteilen. Dieses "Projekt Dalinow", wie es sich nannte, übte von Anfang an einen gewissen Reiz, auf Fritz Jacob aus. Einiges an dieser Sache, irritierte ihn allerdings sehr. Deshalb ging er nach reichlichen drei Wochen, mit den
Unterlagen zu Hillinger, dessen Urteil er stets vertraute. Genau hier fing das ganze Drama an. Statt mit ihm, wie sonst auch vernünftig über das Für und Wider zu diskutieren, brüllte ihn sein Mentor sofort an. Er fragte ihn, ob er wahnsinnig sei, sich auf so etwas einzulassen und es kam noch schlimmer. Am meisten jedoch ärgerte sich Jacob darüber, dass sein Mentor sich nicht einmal die Mühe machte in die Unterlagen hineinzusehen. Jacob war über das Verhalten seines Freundes entsetzt und blickte ihn entsetzt an. So etwas hatte er von seinem Lehrer noch nie erlebt. Als er Hillinger fragte, was denn um Himmels Willen los sei, bekam er keine erklärende Antwort mehr. Der Professor hatte nur noch Beschimpfungen für seinen Schüler übrig und verschloss sich am Ende komplett vor Jacob. Als dieser versuchte mit seinem Mentor zu reden und ihm erklärte, so schlecht wäre die Sache gar nicht und Hillinger möchte sich den
Ordner erst einmal ansehen. Rastete Hillinger völlig aus. Den Ordner den Jacob ihm in die Hand gedrückt hatte, warf er seinem Schüler vor die Füße und beschimpfte diese auf eine für Jacob unverständliche Weise, als Menschenfeind, sogar als Nazi. Jacob raufte sich die Haare, starrte ihn an und bat darauf hin, dass er ihm dies bitte erklären sollte. Hillinger starrte seinen Schüler nur noch hasserfüllt an. Vorsichtig auf das aufgebrachte Wesen seines Mentors Rücksicht nehmend und jedes Wort abwägend, versuchte er dennoch eine Erklärung zu finden. "Arthur, bitte, was habe ich dir denn getan, dass du mich so anschreist? Ich wollte deine Meinung wissen, zu dem Projekt Dalinow. Kennst du dieses Projekt? Weißt du etwas darüber, was nicht in den Unterlagen steht? Oder hast du schon für mich etwas geplant, von dem ich noch nichts weiß? Bitte erkläre mir doch einfach, was du weißt und vor allem, was an diesem Projekt
menschenunwürdig ist. Warum beschimpfst du mich als Nazi? Ich verstehe deine Reaktion nicht. Außerdem steht die Entscheidung doch noch aus. Ich weiß noch gar nicht ob ich dort überhaupt anfangen will. Deshalb will ich ja mit dir reden. Arthur, bitte ..." Hillinger unterbrach Jacob wütend, der ruhig und vernünftig mit seinem Mentor gesprochen hatte und schrie ihn nur hasserfüllt an. "In so etwas wie dich, habe ich meine Zeit und Liebe investiert. Du bist der letzte Dreck. Lass dich nie wieder bei mir sehen. Verschwinde aus meinem Leben", waren die letzen Worte, die Hillinger Jacob entgegen schrie. Bei den ersten Worten drehte sich Hillinger um und ließ seinen Schüler fassungslos zurück. Er verschwand einfach, ohne eine weitere Erklärung und ohne die Möglichkeit eines weiteren, klärenden Gespräches. Seit diesem Zeitpunkt, sprach Hillinger nicht ein privates Wort mehr mit Jacob. Dieser
verstand die Welt nicht mehr, er begriff nicht, was vor sich ging. Was seinen Mentor, so gegen ihn aufgebracht hatte. Jacob war sich keiner Schuld bewusst, irgendetwas falsch gemacht zu haben. Er wollte sich eigentlich nur mit Hillinger beraten. Etwas, dass er schon tausende Male vorher getan hatte. Nichts reinweg gar nichts, war an diesem Projekt menschenfeindlich. Es ging darum, die Leistungsfähigkeit von Soldaten zu verbessern. Sie durch gezielte Ernährung und Training, zu höheren Leistungen zu animieren. Jacob fragte sich immer wieder: Was daran Schlimmes war? Vor allem menschenfeindlich und weshalb ihn Hillinger als Nazi bezeichnet hatte. Die ganzen letzten beiden Wochen, arbeitete Jacob akribisch die Unterlagen von hinten nach vorn und von vorn nach hinten durch. Alles, wirklich alles, hatte er sorgfältig überprüft, weil er sich die Reaktion seines
Mentors nicht erklären konnte. Ihm kam der Gedanke, etwas überlesen zu haben. Dass ihm etwas Wichtiges entgangen wäre. So achtete Jacob genau, auf jedes noch so kleines Detail. Ein einziger Punkt an diesem Projekt war Jacob unklar und zwar nach welchen Gesichtspunkten, die Auswahl der Soldaten erfolgen sollte. Nach welchen Spezifikationen, diese Menschen konkret geschult werden mussten. Aber das würde er gleich bei dem ersten offiziellen Treffen erfragen. Er fand wirklich keinen Grund, für Hillingers unmögliches Verhalten. Vor allem, all die nachfolgenden Reaktionen seines Mentors, die ihn regelrecht zu dem Projekt trieben. Ob Jacob wollte oder nicht, musste hier weg, denn so konnte er nicht weiterarbeiten. Hillinger machte ihm an der Uniklinik, das Leben zur Hölle. Wenn er also keine Möglichkeit fand, sich mit seinem Mentor auszusprechen und dadurch nicht mehr mit Hillinger zusammenarbeiten
konnte, blieb ihn nur die Möglichkeit die Uniklinik zu verlassen. Er müsste sich also eine neue Anstellung suchen. Dann konnte er auch gleich zum Projekt Dalinow gehen. Denn das, was er in den Ordner las und was er von Hunsinger und Mayer erfahren hatte, sagte ihm zu. Nicht war an diesem Projekt als menschenfeindlich einzustufen. Das Verhalten seines Mentors verletzte Jacob sehr und ihm tat sein Herz bluten. Denn Jacob verlor durch die Reaktion Hillingers, nicht nur seinen Lehrer, sondern einen sehr guten Freund und Vertrauten. Jacob kam sich von seinem besten Freund, in Stich gelassen und verraten vor. Da sich Jacob auf keine Weise schuldig fühlte. Hillinger wusste, dass er für seinen Schüler mehr als nur ein Mentor war. Für Jacob war Hillinger wie ein Vater, den er nie hatte. Mehrmals noch versuchte er, mit Hillinger zu sprechen. Dieser ließ sich allerdings stets verleugnen, ging nicht an sein Telefon, selbst
auf Jacobs Briefe antwortete Hillinger nicht mehr. Die ganzen Jahre besprachen sein Mentor und er alles gemeinsam, berieten sich stets gegenseitig. Auf einmal so etwas? Gerade jetzt, wo er den Rat seines Mentors so dringend bräuchte. Er, Hillingers Rat so gern haben wollte, ließ er ihn einfach im Stich. Im Gegenteil, er verbot ihn die Labore in der Uni zu benutzen, hatte Jacob sogar aus seinem Unterricht verbannt. Jacob war völlig durch den Wind. Für Jacob war das Verhalten Hillingers unbegreiflich. Aber egal was zwischen ihm und seinem Mentor war, Jacob musste heute und hier, eine Entscheidung treffen. Fritz Jacob gefiel das gar nicht. Aber so ging es auch nicht weiter. Es ging schließlich um sein Leben. Wenn Hillinger der Meinung war ihn aus der Uni zu ekeln, würde er halt gehen. Er konnte einfach nicht mehr mit Hillinger zusammen arbeiten. Jeden Tag seinem
ehemaligen Vertrauten zu begegnen und dessen Sticheleien und Spot zu ertrage, war zu viel. Dafür hatte er nicht jahrelang auf alles verzichtet und gearbeitet. Er wollte für die Menschen da sein und sein erworbenes Wissen anwenden. Dies konnte er auch im Projekt Dalinow. Wenn es dort etwas gab, das menschenunwürdig war, würde er dagegen ankämpfen. So wie es ihm sein Mentor beigebracht hatte. Dass sein Mentor ihn jetzt gerade verließ hieß ja nicht, dass er alles vergessen musste, was er bei ihm gelernt hatte. Er würde ihm beweisen, dass er sich irrte. Jacob atmete erleichtert auf, denn er hatte einen Entschluss gefasst, dem "Projekt Dalinow" beizutreten. Er würde seine Chance nutzen und einfach die Möglichkeit nutzen, mit Menschen zusammenzuarbeiten und gleichzeitig Forschung zu betreiben. Eine Mischung, die es im Bereich der Medizin nur selten gab und die Jacob als sehr wichtig ansah. Vor allem auch deshalb, weil
dies ein Projekt war, welches siebzehn Jahre lang lief und ihm dadurch, die Möglichkeit einer Langzeitstudie eröffnete. Entschlossen lief Jacob zum nächsten Münztelefon. Müde rieb er sich sein Genick. Die letzten schlaflosen Nächte, mit ständigem Grübeln, forderten langsam ihren Tribut. Er musste dies alles beenden, sonst würde er an der Situation kaputt gehen. Vergeblich versuchte Jacob heute noch einmal seinen Mentor, um Rat zu fragen. Die Wahrscheinlichkeit auf eine weitere Gelegenheit, nochmals mit Hillinger zu sprechen, hatte er begriffen, war gleich Null. Jetzt musste er also ohne seinen Mentor entscheiden, was er tun würde. Die geplanten gemeinsamen Forschungen mit Hillinger, hatten sich durch den Streit, ebenfalls im Nirwana aufgelöst. Deshalb musste der frisch gebackene Arzt seine eigenen Wege finden und gehen. Egal, wie Jacob es drehte, ihm blieb nur dieser eine
Weg. Er hoffte sehr, dass es der Richtige war. Entschlossen griff er zum Hörer in der Telefonzelle, die er gerade erreicht hatte und wählte die Nummer von Oberst Hunsinger. Nachdem sich Hunsinger´s Adjutant meldet hatte, brachte Jacob sein Anliegen vor. "Guten Tag, hier ist Oberstabsarzt Major Jacob, verbinden sie mich mit Oberst Hunsinger. Dieser erwartet seit Tagen meinen Anruf?", erklärte er seinem Gegenüber am Telefon. "Zu Befehl Genosse Major, ich verbinde sie." Keine halbe Minute später, erklang eine angenehme warme Stimme, am anderen Ende der Leitung. "Oberst Hunsinger, am Apparat", meldete sich dieser kurz und bündig. "Genosse Oberst, hier ist Oberstabsarzt Major Jacob, wir haben vor reichlich fünf Wochen in Berlin miteinander gesprochen. Nach intensivem Studium der Unterlagen des "Projekt Dalinow" bin ich zu einem Entschluss gekommen. Genosse
Oberst, ich wollte ihnen mitteilen, dass sie mich für das "Projekt Dalinow" einplanen können. Ich habe mich nach reichlichen Überlegungen für dieses Projekt entschieden. Ich wäre sehr daran interessiert." Man hörte ein erleichtertes Aufatmen, am anderen Ende der Leitung. Hunsinger war sehr wohl klar, dass er Jacob per Befehl in dieses Projekt hätte ordern können. Ihm war es allerdings bei diesem Langzeitprojekt wichtig, die freiwillige Teilnahme zu gewährleisten. Auch ihm waren einige Dinge in diesem Projekt nicht ganz geheuer und er hatte einiges an Bauchweh. Durch den freiwilligen Beitritt zum Projekt konnte er sicherstellen, dass dieses erfolgreich durchgeführt wurde. Daher gab Hunsinger, dem Arzt, mit einer Stimme, der man ein Lächeln anmerkte, klare Instruktionen, ohne sich auf lange Diskussionen einzulassen. "Genosse Major, das freut mich sehr. Ich hatte schon nicht mehr mit ihrer Zusage gerechnet. Ich
bin erfreut, dass sie sich entschlossen haben, am "Projekt Dalinow" teilzunehmen. Sie sind eine Bereicherung für das Team und eine gute Ergänzung. Ich erwarten sie, Genosse Jacob, zu einer ersten Planungsbesprechung, am Donnerstag den 2. Januar 1958 in Dassow. Die Uhrzeit geben wir ihnen rechtzeitig bekannt. Sie werden vom dortigen Bahnhof abgeholt und zu der Besprechung ins "Projekt Dalinow" gebracht. Sie erhalten mit der Post, eine Fahrkarte für die Anreise und genaue Instruktionen. Können sich vor Ort, so hoffe ich, schon ihre Wohnung und ihre Laboratorien ansehen und sich einen ersten Eindruck vom "Projekt Dalinow" machen. Ich hoffe, dass die Bauarbeiten, bis dahin so weit vorangeschritten sind. Bis dahin wünsche ich ihn alles Gute. Vielen Dank, für ihre Bereitschaft," bekam der Arzt zu hören und Hunsinger wollte sofort wieder auflegen. Jacob ließ dies aber nicht zu, denn er hatte noch einige Fragen.
"Moment Genossen Hunsinger, schicken sie mir weitere Unterlagen zu oder wie verbleiben wir in der Zwischenzeit? Ich würde mich gern im Vorfeld intensiver, mit dem Thema beschäftigen. Leistungssteigerungen bei Soldaten, sind nicht einfach zu realisieren. Vor allem, interessieren mich die Auswahlkriterien der Soldaten", forderte sich Jacob mehr Informationen über dem Forschungsauftrag ein. Oberst Hunsinger schnitt eine Diskussion über dieses Thema, einfach ab. "Major Jacob, haben sie Verständnis, dass sie erst nach Unterzeichnung des Bindungsvertrages, genauere Einblicke in das Projekt erhalten. Das ist einfach aus Sicherheitsgründen notwendig. Nachdem sie im Januar nächstes Jahr, den Bindungsvertrag unterschrieben haben, bekommen sie alle wichtigen Unterlagen." Damit musste sich Jacob zufrieden geben. Wie so viele Forschungsprojekte des Militärs, war
dies eine geheime Verschlusssache. Daran konnte man nichts ändern. "In Ordnung Genosse Oberst. Können sie mir schon den genauen Beginn des Projektstartes mitteilen? Ich muss ja meinen jetzigen Arbeitgeber, davon unterrichten", fragte Jacob, gleich nach dem nächsten Punkt, der ihm am meisten interessierte. "Genosse Major, der Start steht noch nicht genau fest. Das kommt darauf an, wann die Baumaßnahmen des Projektes beendet sind. Anfang nächstes Jahr, es kann sehr kurzfristig sein. Informieren sie ihre Vorgesetzten, dass wir die Informationen rechtzeitig bekannt geben", erklärte Oberst Hunsinger, dass er keine genauen Aussagen machen konnte. "Genosse Oberst, das mache ich. Vielen Dank, dann sehen wir uns Anfang nächsten Jahres", schon legte Jacob auf. Wenn Jacob dachte, dass nach dem Anruf, Freude in ihm in ihn hochkommen würde, so
hatte er sich schwer getäuscht. Ein eigenartiges und sehr ungutes Gefühl, schlich sich in seine Magengegend. Jacob schob es darauf, dass sein Mentor, so böse gegen das Projekt eingestimmt war. Obwohl er sich nicht einmal die Zeit genommen hatte, in die Mappe hineinzuschauen. Langsam schlenderte Jacob zurück in die Aula. Feierte seine Promotion, ohne seinen väterlichen Freund. Er ging nach der schönen und trotzdem, sehr einsamen Feier, wieder seiner Arbeit im Krankenhaus und der Uni nach. Jacob informierte seine Vorgesetzten darüber, dass er Anfang nächsten Jahres eine andere Stelle antreten würde. So dass dieser sich rechtzeitig nach einem Ersatz umsehen konnten. Den genauen Zeitpunkt, könne er ihm allerdings erst nach dem 2. Januar 1958 bekannt geben. Es könnte möglich sein, dass dies dann auch sehr kurzfristig geschah. Jacob ging zum normalen Alltag über.
Das einzige, das sich geändert hatte, war die Tatsache der er keinen Kontakt mehr, mit seinem Mentor bekam. Dieser lehnte strikt, jedes klärendes Gespräch mit Jacob ab. Hillinger ließ Jacob sogar Hausverbot in sämtlichen Laboren erteilen und entzog ihm sämtliche Forschungsaufträge. Jacob verstand die Welt nicht mehr. Den ganzen Sommer über versuchte es Jacob immer verzweifelter, ein klärendes Gespräch herbeizuführen. Es war jedoch nicht möglich. Umso härter traf Jacob die Nachricht, am Donnerstag den 26. September 1957, dass man seinen Mentor tot in seiner Wohnung aufgefunden hatte. Als er nachfragte: Woran der Professor verstorben sei, teilte man ihm mit, an einem Herzinfarkt. Verwundert fragte Jacob sich, wieso? Hillinger war einer der gesündesten Menschen, die er kannte. Oft hatte er seinen Mentor untersucht, weil er sich immer Sorgen um ihn
machte. Da dieser, wie ein Wiesel, ständig in Bewegung gewesen war. Durch seine geringe Größe, er war nur einhundert sechsundfünfzig Zentimeter groß, hatte Hillinger ständige Gewichtsprobleme. Was auch nicht, durch die ständige Bewegung herunter ging. Seine siebenundachtzig Kilo, machten Jacob immer Sorgen. Egal, was Jacob versuchte, wie er die Ernährung des Professors umstellte, er bekam Hillinger nie unter die achtzig Kilo. Deshalb untersuchte er den Professor sehr oft, um eventuelle gesundheitliche Schäden, frühzeitig festzustellen. Zu keiner Zeit, hatte Hillinger Probleme mit seinem Herzen. Wieso war dieser, aber an einem Herzinfarkt gestorben? Diese Frage beschäftigte Jacob noch viele Monate. Egal, wie er es drehte, er kam zu keiner klaren Antwort. Deshalb gab Jacob seinem Freund, Professor Hillinger, einen Platz in seinem Herzen und schloss ihn in seine glücklichen Erinnerungen
ein. Auch, wenn sie sich nie versöhnt hatten. Hillinger war einer der wichtigsten Menschen in seinem Leben gewesen und würde es für immer bleiben. Hillinger war ihm mehr Freund, als Mentor war und hatte ihm vor allem, viel Verantwortung beigebracht. So verging das Jahr 1957. Es neigte sich langsam aber sicher, seinem Ende zu. Erwartungsvoll sehnte sich Jacob dem Beginn seines neuen Lebens entgegen. Am 2. Januar 1958, würde er endlich mehr über dieses "Projekt Dalinow" erfahren. Vor allem, würde er erfahren, wann es endlich losging. Er konnte den Beginn, kaum mehr erwarten. Endlich am 22. Dezember 1957, also zwei Tage vor Heiligabend, bekam Jacob Post. Eine Einladung zu einer Arbeitsbesprechung und dem Unterschreiben des Bindungsvertrages. Gleichzeitig bekam Jacob die Information, dass am 2. Januar 1958 sein Dienst beginnen würde.
Ein Vertrag, der ihn bis Ende September 1975 in die Forschung einband. Jacob sollte so anreisen, dass er gleich im "Projekt Dalinow" verbleiben konnte. Seine Wohnung, soweit es ging zusammenräumen, so dass die zuständige Transportkompanie, seine privaten Dinge abholen konnte. Lachend sah sich Jacob, als er die Post las, in seiner sogenannten Wohnung um. Die einzigen persönlichen Sachen die er besaß, waren Bücher. Luxus, war ihm nie wichtig. Er brauchte ein Bett, einen Tisch, einen Stuhl und viele Regale. Egal, wo man sich in dem nur acht Quadratmeter großen Raum umsah, stapelten sich Bücher. Jacob kratzte sich am Kopf und fing noch mehr an zu lachen, nicht einmal die Möbel gehörten ihm. Diese waren Leihgaben von seiner Vermieterin. Diese hatte Mitleid mit dem jungen Medizinstudenten, der für seinen Unterhalt selber sorgen musste. Jacob hatte es nie für
notwendig erachtet, sich eigene Möbel anzuschaffen, da seine Vermieterin nie darauf bestanden hatte. Das erwies sich jetzt als Vorteil. ‚Viel werden die von der Transportkompanie, bei mir nicht zu tun haben‘, ging es Jacob durch den Kopf. Schnell hatte Jacob, die wenigen Habseligkeiten die ihm wichtig waren, zusammen gepackt und für den Abtransport bereitgestellt. Der zukünftige Mitarbeiter des Forschungszentrums des "Projektes Dalinow" sollte am 2. Januar 1958, um 9 Uhr 30 in Dassow am Bahnhof sein. Dort würde ihn ein Einsatzfahrzeug der zuständigen Polizeidienststelle abholen. Sehnsüchtig und aufgeregt, fieberte Jacob diesen Tag entgegen. Er saß auf den gepackten Kisten und statt Weihnachten zu feiern, meldete sich der junge Arzt freiwillig, zum Dienst im Krankenhaus. Jacob arbeitete damit die Zeit
schneller verging, lieber bis Neujahr 1958, dem Tag des Dienstantrittes, durch. So hatte der junge Arzt genügend Ablenkung und konnte seinen "alten" Patienten noch etwas nahe sein. Zugegebener Maßen, fiel ihm der Abschied nicht leicht. Denn er ließ Freunde zurück, von denen er jetzt noch nicht wusste, ob und wann, er sie jemals wiedersehen würde. Dadurch kam Jacob am Neujahrsmorgen, völlig geschafft, das letzte Mal zurück in sein Zimmer und legte sich einige Stunden schlafen. Da er am späten Nachmittag mit seinen Freunden, noch eine kleine Abschiedsfeier, in der gegenüberliegenden Studentenkneipe, feiern wollte. Die letzten Sachen stopfte er noch in eine Reisetasche, die er heute Nacht auf der Fahrt mitnehmen würde. Die schwer bepackten sieben Bücherkisten, würden in den nächsten Tagen von der zuständigen militärischen Transportkompanie abgeholt und ins Projekt gebracht, genau wie seine Uniformen. Er
informierte seine Vermieterin über diese Tatsache. Jacob bat sie darauf aufzupassen, dass diese Leute wirklich nur die Kisten und die Kleidersäcke mitnahmen und nicht das ganze Zimmer ausräumten. Er konnte darauf keinen Einfluss mehr nehmen konnte. Jacob verabschiedete sich von der netten Vermieterin, bei der er fast acht Jahre gewohnt hatte und versprach, sich wieder einmal zu melden. Er nahm seine Reisetasche, mit den wichtigsten privaten Dingen und den wenigen Wertsachen, machte sich auf den Weg. Kleidung, so stand es in den Unterlagen, bekäme er komplett vom Projekt, da dort ständig vorgeschriebene Kleidung zu tragen wäre. Jacob stieg am Neujahrsabend, nach der kleinen Abschiedsfeier mit seinen alten Freunden, in den Zug nach Dassow. Er trug seine Uniform und eine Reisetasche, um pünktlich am 2. Januar 1958, auf dem dortigen Bahnhof anzukommen und in sein neues Leben zu starten. Wie würde
es werden und was kam alles auf ihn zu? Dies alles ging ihm durch den Kopf. Immer noch plagten den jungen Arzt arge Bauchschmerzen, diese musste er nun akzeptieren. Jacob war eins klar geworden in den letzten Wochen, er würde es nehmen müssen, wie es kam. ~ Dassow 2. Januar 1958 ~ Wie würde es werden? Was kommt auf ihn zu? Wie würden die Kollegen sein? Ob man Freundschaften schließen konnte? So vieles ging Jacob durch den Kopf. Er schüttelte den Kopf über sich selber. Wieso grübelte er eigentlich? Schließlich würde er es nehmen müssen, wie es kam. Jacob kehrte mit seinen Gedanken zurück in die Mensa, des "Projektes Dalinow".
Immer noch stand Jacob an der Glasfront zur Terrasse, wie lange er hier gestanden hatte, vermochte er nicht genau zu sagen. Es musste allerdings eine ganze Weile gewesen sein. Er starrte hinaus in den Park und grübelte darüber nach, weshalb es ihn hierher gezogen hatte. Er konnte es einfach nicht begründen. Nur eins stand für ihn felsenfest, dieses Projekt zog ihn magisch an und er wusste, dass er hier her gehörte und hier mehr gebraucht wurde als anderswo. Ihm wurde immer bewusster, dass seine Entscheidung die Richtige war. Es war für die nächsten 17 Jahre sein Wirkungsfeld und er würde sich hier für alle positiv einbringen. 'Schluss jetzt mit diesen sinnlosen Grübeleien', sagte sich Jacob, 'geh hin zu deinen Kollegen und macht dich mit ihnen bekannt.' Das warum, spielte jetzt keine Rolle mehr, für den noch so jungen Arzt. Er hatte sich diese
Entscheidung nicht leicht gemacht und würde immer dazu stehen, mit allen daraus resultierenden Konsequenzen. Jacob riss sich nun vollends aus seinen Grübeleien und sah sich um. In der Mensa wurde es immer lauter und Jacob erschrak als er sich umsah. Er wunderte sich, wie viele Menschen auf einmal hier versammelt waren. Dreißig bis fünfunddreißig, ihm völlig fremde Menschen standen in seiner unmittelbaren Nähe und schauten, wie er, hinaus in den wunderschönen Park. Es kamen ständig neue Fahrzeuge an und diesen entstiegen, unsicher umher blickende Zivilisten. Tief holte Jacob Luft und sah sich nach einer dieser Gruppen um. Überlegte wie er diese am günstigsten anzusprechen konnte, um sich mit den neuen Kollegen bekannt zu machen. Neugierig schauten einige der jungen Frauen und Männer daher. Einigen sah man an, dass sie sich
sorgten. Andere wiederum lachten und sprachen miteinander, als würden sie sich schon ewig kennen. Jacob gab sich einen Ruck und ging zielstrebig, auf eine dieser Gruppen zu, die lachend bei einander standen und wenige Minuten später, lachte er mit ihnen. Es war wie immer. Jacob hatte kein Problem Kontakte zu knüpfen, er war sofort mitten drin. Er liebte es, wenn gelacht wurde und tat sein Bestes, um zu einem guten Arbeitsklima beizutragen. Schnell wurde der nett junge Arzt, in der Gruppe aufgenommen und die strahlenden Augen seiner neuen Kolleginnen, bestätigten Jacob wieder einmal, dass er auf dem richtigen Weg war, um ein gesundes Arbeitsklima zu schaffen.
Immer mehr Wagen rollten durch das Tor des "Projektes Dalinow". An diesem bedeutungsvollen Tag, dem 2. Januar 1958, dem erste Donnerstag des neuen Jahres. Der das Leben so vieler Menschen, nachhaltig verändern sollte. Jacob, der zu einem der ersten gehörte, die hier im "Projekt Dalinow" ankam, sah sich immer öfter staunend um und konnte nicht glauben, wie viele neue Kollegen hier noch erscheinen würden. So umfangreich hatte er sich dieses Projekt nicht vorgestellt. Natürlich konnte man dies, nicht nur mit zwanzig Mitarbeitern bewerkstelligen. Dass es allerdings so viele seine würden, hätte er sich nicht träumen lassen. So groß war das Projekt überhaupt nicht. Wo in Gottes Namen sollten all die Menschen unterkommen. In den fünf kleinen Wohnhäusern? Dies würde nicht
ausreichen... ... Oberst Hunsinger, der am Bürofenster seines Projektleiters, Major Mayer stand und dem Treiben vor der Mensa, mit einem Lächeln im Gesicht zusah, atmete noch einmal tief durch und sah seinen Untergebenen und langjährigen Freund erleichtert an. Dieser nickte ihm, ebenfalls lächelnd, zu. Die letzten Wochen waren sehr stressig gewesen und bis vor einer Woche war nicht klar, ob das "Projekt Dalinow" wirklich am heutigen Tag starten würde. Aber sie hatten das Unmögliche geschafft und konnten mit Recht, stolz auf sich sein. "Na dann wollen wir mal loslegen", gab Hunsinger das Kommando an Mayer und beide gingen zum Fahrstuhl, um kurz vor 9 Uhr 30 nach unten zu fahren. Sie hatten einen Fußmarsch von fast fünfzehn Minuten vor sich und wollten nicht zu spät kommen, zur Eröffnungsveranstaltung, vorn in der Mensa.
Auch Mayer atmete noch einmal tief durch. Es war die letzte Ruhe, vor dem Sturm und ihm graute vor dem, was da auf ihm zukam. Er hoffte inständig, dass seine Kollegen mit denen er eng zusammen arbeiten musste, umgängliche Menschen waren und man mit den Mitarbeitern der Führungsebene, gut zusammen arbeiten konnte. Gemütlich liefen die beiden Offiziere nach vorn und setzten sich die letzten Minuten, bis zum Start des Projektes in die Offiziersmesse. Genau zwei Minuten vor 10 Uhr erhoben sich Beide, um in die benachbarte Mensa zu gehen. Das "Projekt Dalinow" konnte nun starten. Es war endlich so weit… … Aus den ankommenden Wagen, stiegen diesmal jedoch mehr Zivilisten, als Militärpersonal. Die Taxis und Polizeifahrzeugen kamen im Minutenrhythmus
angefahren. Neugierig sahen sich die Neuankömmlinge, auf dem Gelände um. Sofort wurde der wunderschöne Park gelobt. Trotz des Schnees, sah man die Schönheit dieser Anlage. Man ging sofort in die Mensa, es war bitterkalt, am heutigen zweiten Tag des neuen Jahres und es fing gerade wieder an tüchtig zu schneien. Das Thermometer zeigt 21°C unter null. Vor allem, wehte ein eisiger Wind, aus Richtung der Nordsee. Das war wirklich kein Wetter, um im Park spazieren zu gehen. Deshalb gingen alle gleich, in die wunderschöne Mensa. Deren Glasfront einen Blick in den Park erlaubte, ohne dass man frierend in der Kälte stehen musste. In der Mensa herrschte eine angenehme Temperatur. Insgesamt betraten einhundert fünfundsechzig neue Mitarbeiter, die Mensa. Sofort nach dem Eintreten, mussten sich alle Ankommenden in Listen einschreiben, in denen sie namentlich aufgeführt waren. Auch konnten sie durch die
sofortige Zuweisung der Quartiere, ihr Gepäck abgeben, so dass sie die Hände frei bekamen und ihre warme Winterkleidung ablegen konnten. Die dicken Jacken, übergaben sie den Mitarbeitern Hunsinger, die dieser nur für den heutigen Tag, von anderen militärischen Abteilungen abkommandierte. Diese wurden gleich in das zugewiesene Quartier gebracht. Die Neuankömmlinge sahen sich neugierig in ihrem neuem Zuhause und ihrem neuen Arbeitsplatz um. Sie empfanden das System, als wohl durchdacht. Die Mensa war zweigeteilt. In einem Bereich wurde gegessen und davon abgetrennt, gab es einen großen Aufenthaltsraum. Dieser lud sofort zum Verweilen ein. Fünfzehn große Sitzgruppen gab es hier. Diese waren für jeweils sechs bis zehn Leute konzipiert. Wirklich jeder dieser kleinen Wohlfühloasen, hatte ein anderes Thema und drückte dies durch Farben oder Gestaltung aus. In einer etwas dunkleren Ecke, gab es fünf
riesige Aquarien, mit einem Fassungsvolumen von dreitausend Litern. Gefüllt waren diese entweder mit Salzwasser oder aber auch Süßwasser. Es war einfach traumhaft und entspannend. Die Aquarien wurden, durch mit Bedacht gesetzter Beleuchtung, wunderschön ins Licht gerückt und waren zum Teil sogar untereinander verbunden. So dass die Fische von einem Aquarium in das andere wandern konnten. Es gab verschiedenartige Fischarten, Krebse, Seepferdchen und Unterwasserpflanzen zu sehen. Etwas abseits des Lärms, gab es zwei weitere Sitzgruppen, in denen man entspannt lesen konnte. Dort war sogar eine kleine Bibliothek eingerichtet. Diese war, wie eine Art Wintergarten gestaltet, um eine Ruhezone zu schaffen. Wenn man nach vorn zu der Fensterfront lief, waren weitere Sitzgruppen, um kleine, in die Tische eingearbeitete Springbrunnen, zu
entdecken. Man hatte von dort aus, eine freie Sicht auf den Park. Es wurde viel Wert darauf gelegt, dass eine Wohlfühl-Atmosphäre, für das Personal, geschaffen wurde. Im Sommer konnten die Glasfronten zur Seite geschoben werden, so dass man die zur Mensa gehörende Terrasse mit nutzen konnte. Diese lud zum draußen Sitzen ein. Man saß praktisch, mitten im Park. Nicht weit von der Terrasse entfernt, befand sich ein Schwimmbecken, welches zurzeit leer stand und nur mit den leuchtenden blauen Fließen, auf das sommerliche Vergnügen hinwies. Um die Mensa allerdings komplett zu machen fehlte noch eine Kleinigkeit. Sobald man in den Raum hineinsah, entdeckte man eine Bar, die nicht nur von der Optik her überzeugte, sondern auch das Herz aller Anwesenden höher schlagen ließ. Denn diese Bar ermöglichte es den neuen Mitarbeitern nach Feierabend richtig zu entspannen. Dazu gehörte halt die Möglichkeit, auch einmal etwas zu trinken oder halt bei Anlässen richtig zu
feiern. Auch wenn man hier zum Arbeiten war, brachte man etwas Entspannung. Zufrieden blickten sich die meisten um. Diejenigen die dies nicht taten, waren einfach überfordert, von all den neuen Eindrücken, die das Auge kaum erfassen konnte. Es gab Tische an denen man Karten oder Schach spielen konnte, sogar einige Billardtische standen hier. Genauso wurde für Möglichkeiten zum Malen oder für andere Handarbeiten gesorgt. Hobbys, die man in seiner sehr knapp bemessenen Freizeit gern betrieb. In dem hinteren Bereich, der für die Einnahme des Essens vorgesehen war, gab es noch zwei große Schiebetüren, sowie eine große Bühne. Auf diese Weise konnte man die Bereiche gut voneinander trennen. Am heutigen Tag wurden die Tische, an denen man sonst die Mahlzeiten einnahm, zu langen Tafeln zusammengestellt, auf denen viele leckere Sachen standen: Nüsse, Erdnussflips,
Salzstangen, Brezeln, aber auch Süße Leckereien wie Dominosteine, Lebkuchen, Pralinen, Kekse. Tassen, Gläser, Getränke, wie Wasser, Säfte, Cola, selbst Thermoskannen mit Kaffee und Tee standen auf den Tischen, um die Mitarbeiter zu verwöhnen. Vorn auf der Bühne, hing ein Banner mit der Aufschrift. "Herzlich Willkommen", darunter stand ein Pult, daneben rechts und links ein Tisch, auf denen lauter Dossiers lagen. Punkt 10 Uhr waren alle einhundert fünfundsechzig geladenen Mitarbeiter, des "Projektes Dalinow" in der Mensa versammelt. Auf der Bühne erschien ein einhundert neunundachtzig Zentimeter großer und knapp hundert Kilo schwerer, etwas schwerfällig wirkender Oberst. Das schwarze Haar trug er zu einer, auf acht Millimeter geschorener Bürste. Mit einem angenehmen dunklen Bass, begrüßte Hunsinger die Anwesenden. "Guten Tag meine Damen und Herren, nehmen sie an den Tische Platz, wir wollen anfangen."
Fast sofort gingen alle Neuankömmlinge zu den Tischen und setzten sich gemäß der entsprechenden Nummern auf ihren Stuhl. Der Oberst rief allerdings einige Personen gesondert auf. "Folgende zukünftigen Mitarbeiter, kommen sofort zu mir auf die Bühne. Major Mayer, Major Jacob, Major Zolger." Nach dem die Aufgerufen nach vorn gelaufen waren, die anderen an den Tafeln saßen, trat eine gespannte Ruhe ein. Der Oberst begann mit seiner Eröffnungsrede, die sehr knapp gehalten war und nichts Genaues, über sich und dieses Projekt aussagte. "Ich hoffe sie hatten alle eine angenehme Anreise, ich freue mich sehr darüber, dass sie wirklich alle gekommen sind. Die meisten der Anwesenden, kennen mich: Ich bin Oberst Franz Hunsinger, der Leiter dieses Projektes. Ich
möchte hier nicht stundenlang, das für und wider dieses Projektes erläutern, das am heutigen Tag startet. Davon würde ihnen nur der Kopf brummen", erklärte er lachend. Dabei blickte er beobachtend, in die Runde. Hunsinger stellte fest, dass er den richtigen Ton getroffen hatte. Die Atmosphäre, entspannte sich Zusehend. "Auch möchte ich ihnen keinen ellenlangen Vortrag halten, über Sinn und Zweck dieses Projektes. Das haben sie alle in ihren Unterlagen lesen können. Sie werden nach dem Essen ihren Arbeitsverträge, beziehungsweise den Bindungsverträge unterschreiben und sich dadurch für lange Zeit, in dieses Projekt einbringen. Glauben sie uns, wir haben versucht, an alle Eventualitäten zu denken, um ihnen das Leben im "Projekt Dalinow" so angenehm, wie möglich zu gestalten", tief holte der Oberst Luft. Hunsinger und beobachtete die Reaktionen seiner Untergebenen genau. Er war mit den
Reaktionen, die er sah, voll und ganz zufrieden. Er bekam von allen Seiten ein Nicken oder aber wenigstens aufmerksame Blicke. Im gleichen lockeren Ton, fuhr Hunsinger deshalb fort. "Jetzt werden sie erst einmal die Verträge ausgehändigt bekommen. Lesen sie sich diese, aufs Genauste und in Ruhe durch. Haben sie diese einmal unterschrieben, wird es für sie kein Zurück mehr geben. Sie binden sich dann, für die im Vertrag stehende Zeit, fest in dieses Projekt ein. Die Vertragsdauer ist variabel, je nach ihrem Einsatzgebiet. Achten sie deshalb also sehr genau, auf die Laufdauer des Vertrages. Ein Ausstieg, aus diesem Langzeitprojekt, wird nur schwer möglich sein. Sie wurden mit Bedacht ausgesucht und sind dadurch, nur schwer zu ersetzen." Hunsinger machte nochmals eine kleine Pause und sah in die Runde, der zukünftigen Mitarbeiter. Ein Lächeln huschte über dessen markantes Gesicht. "Bedenken sie, meine Damen und
Herren, die gesamte Zeit, in der sie sich hier einbringen, wird ihnen als Arbeitszeit angerechnet. Sie sind also vierundzwanzig Stunden im Dienst. Das sieben Tage die Woche und dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr. Sie leisten also in nur siebzehn Jahren, achtundfünfzig Dienstjahre ab. Deshalb können sie frühzeitig in den Ruhestand gehen. Sie, meine Damen und Herren, haben sich diesen, dann auch redlich verdient", anerkennend sah Hunsinger in die Runde und deutete mit einem Kopfnicken an, dass er sehr wohl wusste, was dieses Projekt von seinen Untergebenen abverlangen würde. "Es hat also einen Vorteil, hier einmal ein paar Jahre die Zähne zusammenzubeißen. Mitarbeiter, einer anderen, mir unterstellten Abteilung, werden ihnen jetzt die Verträge vorlegen und diese, unterschrieben von ihnen, um 14 Uhr wieder einsammeln." Er wandte sich an die Drei, neben ihm stehenden
Offiziere und sah diese ernst an. "Sie, Major Mayer, Zolger und auch sie Major Jacob, folgen bitte mit nach hinten, in die Offiziersmesse. Wir müssen uns dort besprechen, wie wir im Projekt weiter vorgehen. Vor allem, müssen wir mit der Einteilung ihrer Mitarbeiter beginnen. Wir müssen von ihnen wissen, wie die Kollegen, dem jeweiligen Einsatzgebiet zu zuordnen sind." Jacob sah die beiden Kollegen verwundert an. Er hatte bis zum jetzigen Augenblick, keine Ahnung davon, dass er hier im "Projekt Dalinow" eine leitende Position einnehmen sollte. Wie Jacob an der Reaktion von seinem etwa gleichaltrigen Kollegen sah, dieser auch nicht. Nur, der ihm ja seit Berlin bekannte Major Mayer, schien dies bereits zu wissen. Verwundert sah Jacob, den ihm noch unbekannten Kollegen an, der Major Zolger hieß. Dieser zuckte verunsichert mit den Schultern. Zolger überraschte die Übernahme einer Führungsposition ebenso, wie Jacob. Beide
verfolgten aufmerksam, den weiteren Worten Hunsinger’s und sahen Mayer fragend an, dieser machte den Beiden ein Zeichen, abzuwarten. Hunsinger erklärte in der Zwischenzeit den weiteren Ablauf des heutigen Tages. "Bei Fragen zu den Verträgen, wenden sie sich bitte, an Oberstleutnant Walter und Sorge. Die zwei Kollegen aus unserer Rechtsabteilung, stehen ihnen bei Fragen zu den Verträgen, beratend zur Seite. Gegen 12 Uhr, wird es Mittagessen geben, lassen sie es sich schmecken." Hunsinger zeigte er auf zwei an der Seite stehende Offiziere, die leicht mit dem Kopf nickten. "Um 14 Uhr, werden wir dann einen Rundgang durch das Projekt machen, danach ist für heute erst einmal Schluss." Hunsinger lächelte allen aufmunternd zu. "Gegen 20 Uhr haben wir dann ein kleines Willkommensfest, zur Begrüßung vorbereitet. Gegen 1 Uhr bitte ich sie, ihre Quartiere aufzusuchen. Morgen früh um 9 Uhr, gibt es dann Frühstück, um 10 Uhr ist eine erste
Arbeitsbesprechung angesetzt. Mit allen Mitarbeitern der entsprechenden Abteilungen. Die Einteilung der jeweiligen Abteilungsinternen Bereiche, wird vorgenommen. Es erfolgt außerdem, die Zuordnung der Bereichsleiter. Das war es erst einmal von meiner Seite. Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit. Außerdem wünsche ihnen einen angenehmen ersten Tag", mit diesen Worten drehte sich Hunsinger um und winkte Jacob, Zolger und Mayer zu, ihm zu folgen. Die vier Offiziere verschwanden von der Bühne und liefen durch eine kaum sichtbare Tür, die in einen der großen Korridore führte. Gleich neben der Mensa, gab es noch einen zweiten, wesentlich kleineren Raum, die Offiziersmesse. Dort führte Hunsinger seinen Stab hin und bat seine drei leitenden Offiziere, Platz zu nehmen. Als sich alle an dem runden Tisch gesetzt hatten, begann Hunsinger, seine erste
Lagebesprechung. Unkonventionell, genau wie draußen, ohne lange um den heißen Brei zu reden. "Meine Herren, auch an sie ein herzliches Willkommen beim "Projekt Dalinow". Ich freue mich sie an Bord begrüßen zu können. Ich möchte ihnen jetzt kurz ihren Aufgabenbereich erklären. Wir haben lange überlegt, mit wem wir die wichtigsten Positionen im Projekt besetzen. Wir sind auf Grund ihrer Personalakten und nach Rücksprache mit ihren ehemaligen Abteilungsleitern, zu dem Schluss gekommen, dass sie hervorragend geeignet sind, diese Posten zu besetzen. Trotzt ihrer Jugend, mehr Erfahrungen einbringen, als manch anderer Kollegen. Vor allem, weil sie stets breit sind, mehr zu leisten, als das Notwendige", aufmunternd nickte Hunsinger den beiden jungen Männern zu. Erklärt den völlig verdattert dasitzenden Jacob und auch Zolger. "Major Mayer, wird das gesamte Wachpersonal,
Hilfspersonal, die Betreuer unter seine Fittiche nehmen. Er übernimmt die Projektleitung hier vor Ort. Er wird alles koordinieren müssen. Mayer ist mir direkt unterstellt, steht mit mir im ständigen Kontakt. Er erhält alle Anweisungen direkt von mir. Mayer wird ihre Bitten zur Genehmigung, an mich weiterleiten. Sie, Major Zolger, werden die Leitung der wissenschaftlichen Bereiche übernehmen. Ihre Aufgabengebiete, werden sie mit Major Jacob absprechen und abgrenzen müssen. Sie haben die Verantwortung über die Laboratorien, die Einhaltung der Forschungsaufgaben und deren Überwachung, sowie den Mitarbeitern, die direkt diesen Gebieten zugeordnet werden. Sie haben ja an der Universität, genügend Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln können. Bringen sie diese ins Projekt ein. Was sie an Mitteln benötigen, werden sie erhalten." Offen sah er Zolger an, als dieser durch ein Kopfnicken bestätigt, dass er einverstanden
war, wandte sich Hunsinger an Doktor Jacob. "Sie, Major Jacob, werden die Stelle des leitenden Chefarztes übernehmen. Ich weiß, dass sie seit fünf Jahren, die inoffizielle Leitung der Notaufnahme, in der Uniklinik innehatten. Da der dort eingesetzte leitende Arzt, diesem Posten schon lange nicht mehr gewachsen war. Sie sind auf Grund ihrer dortigen Erfahrungen, vollauf geeignet, für diese Position. Die Organisation, für die medizinische Abteilung haben wir ihnen deshalb gern übertragen. Sie sind für die Ärzte und das Pflegepersonal zuständig. Sie sind für alle Bereiche verantwortlich, die mit medizinischen Dingen zu tun haben, inklusive des Küchenbereiches, in dem sie auch die Aufsicht für die Einhaltung der Hygiene im Projekt verantwortlich sind. Doktor Zolger wird sie dabei unterstützen. Sie sind der Chefarzt, Major Zolger ist ihnen unterstellt, sie Major Mayer, Mayer ist wiederum, ist meiner Abteilungsleitung unterstellt. So dass wir eine
funktionierende Befehlsstruktur haben. Sind sie damit einverstanden meine Herren? Oder gibt es Fragen dazu?", bat er seine direkten Mitarbeiter, Fragen zu stellen. Völlig perplex nickten Jacob und Zolger, die Beide nicht mit dieser verantwortlichen Position gerechnet hatten. Es war ihnen bewusst, dass es nicht leicht werden würde. Die meisten der neuen Kollegen, schienen um einiges älter zu sein, als sie selber. Damit konnte man allerdings leben. Jacob, der eine ihm zugewiesen Verantwortung, sofort übernahm, forderte sich von Hunsinger, sofort mehr Informationen ein. Er war es gewohnt, schwierige Aufgaben, sofort zu übernehmen, das hatte sein ehemaligen Mentor, stets von ihm gefordert. Es spielte dabei keine Rolle, dass ihm der volle Umfang seiner Verantwortung, noch nicht klar war. Er würde in seine Verantwortung hineingewachsen. "Wann, Genosse Oberst, bekommen wir die
Auswahlkriterien für die Soldaten und wann, detailliertere Unterlagen, um einen besseren Einblick in das Projekt zu bekommen", stellte er die beiden Fragen, die ihm am meisten interessierten. "Major Jacob, sie haben alle Unterlagen bekommen, die ich auch habe. Sie konnten die Zeit bis jetzt nutzen, diese einzusehen. Wissen deshalb im Groben, um was es im diesem Projekt geht. Ich verstehe den Sinn ihrer Frage nicht. Der reguläre Start des Projektes ist erst im Mai, er wurde um einen Monat verschoben. Bis dahin, werden sie alle wichtigen Unterlagen bekommen, die sie haben müssen. Die Feinheiten der Details selber, sind wohl noch in der Ausarbeitung. Leider sind die Wissenschaftler, damit nicht bis heute fertig geworden. Dies obliegt nicht meiner Verantwortung, sondern in den Händen der zuständigen Wissenschaftler im Institut. Diese unterstehen nicht meiner Zuständigkeit, somit habe ich auf deren Arbeit
keinen Einfluss. Glauben sie mir eins. Sonst hätte die Kollegen schon längst Feuer bekommen", breit musste Hunsinger grinsen. Mayer fing schallend an zu lachen. Scheinbar hatte er schon einige solcher Feuerwerke, seines Chefs, erlebt. Hunsinger wurde wieder ernst. "Major Jacob, wir erwarten in den nächsten drei Wochen, genauere Planungsunterlagen. Haben sie einfach, noch ein wenige Geduld. Auf alle Fälle, müssen alle Mitarbeiter ihrer Teams bis dahin, auf ein gleiches Niveau gebracht werden. Oben in den Büros, die sich in ihren Wohnungen befinden, liegen im Tresor Unterlagen, die Vorschläge für Schulungen enthalten. Diese sollten sie bis Mai dieses Jahr, alle abgearbeitet haben. Sie haben also genug zu tun, um diese Zeit zu überbrücken. Wir müssen bis Mai sicherstellen, dass alle Mitarbeiter genauestens geschult wurden. So dass jeder Kollege, ohne große Probleme auf seinem Posten ist. Bis dahin, wird
ein etwas lockerer Dienst dafür sorgen, dass sie sich untereinander etwas besser kennenlernen und vor allem, hier richtig einleben können. Es ist wichtig, dass sich jeder Mitarbeiter, aufs Genauste hier im Objekt auskennt und jeder weiß, worauf er in seinem speziellen Fachgebiet zu achten hat." Mit dieser Erklärung war Jacob einverstanden. Ihm wurde bewusst, dass ein solch großes Projekt, schwer zu planen war. Dass man durchaus, in der Planungsphase, zeitliche Probleme bekam. Es entstanden daraus auch Vorteile. Diese Verzögerung, ließ ihm genügend Zeit, in seine Rolle, als Chefarzt hineinzuwachsen. Ohne, dass ihn die Verantwortung gleich erschlug. Ihm war es sogar recht, dass alles noch etwas Zeit hatte. Außerdem ahnte Jacob nur zu gut, in welcher Zwickmühle sich der Oberst befand. Deshalb gab sich der zukünftige Chefarzt, mit dieser vagen Entschuldigung zufrieden.
Oberst Hunsinger ließ von Mayer die Bindungsverträge von Zolger und Jacob holen und zog sich dann mit Mayer, in dessen Wohnung zurück, um letzte Anweisungen zu geben. Jacob studierte seinen Vertrag genau. Er war mit allem, was darin aufgeführt wurde einverstanden. Das Geld stimmte, das umrissene Arbeitsgebiet war genau das, was er sich wünschte. Zwar gab es keinen Urlaub, für den Zeitraum in dem das "Projekt Dalinow" lief, dafür hatte er Handlungsfreiheit in den Arbeitszeiten. Am meisten gefiel Jacob, dass er schon mit achtundvierzig Jahren, in den verdienten Ruhestand gehen konnte. Das hieß, er würde in der Blüte seines Lebens stehend, sich ganz der Forschung widmen können. Die Abschlussprämie des Projektes, war ebenfalls mehr als großzügig bemessen. Diese würde
ausreichen, um sich eine eigene Praxis aufbauen zu können. Ihm ging durch den Kopf, dass er mit achtundvierzig Jahren noch nicht zu alt war, um eine eigene Familie zu gründen. Der einzige Punkt der Jacob wirklich böse aufstieß, war, die Tatsache, dass eine Heirat nur unter dem Personal möglich wurde. Da auf Grund der Arbeitszeitstruktur, keine Freizeiten eingeräumt werden konnten. Eine Schwangerschaft in dieser Zeit, würde zum sofortigen Ausschluss des Ehepaares aus dem Projekt führen, da keine Kinderversorgung innerhalb des Objektes möglich war. Allerdings, waren das alles Sachen mit denen man leben konnte. Jacob überlegte noch einen Moment, ob das, was er hier tat, richtig war. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Jacob wurde bewusst, dass er bedingt durch sein Studium, bis jetzt nicht einmal Zeit hatte, sich nach einer Frau umzusehen. Also was soll’s, dachte er so bei sich. Major Zolger schien sich nicht einmal die Mühe
eines genauen Durchlesens gemacht zu haben. Denn dieser stand schon seit fast einer halben Stunde am Fenster, sah hinaus und betrachtete den wunderschönen Park. Jacob holte tief Luft und unterzeichnete den Vertrag, der sein Leben vollkommen verändern sollte. Nach dem Jacob den Vertrag unterschrieben hatte, ging er auf Major Zolger zu und stellte sich neben ihn. "Dann wünsche ich uns eine gute Zusammenarbeit, Major Zolger", versuchte er ein Gespräch mit seinen neuen Kollegen anzufangen. Lächelnd hielt er Zolger die Hand hin. "Ich heiße im Übrigen, Fritz …", er machte eine kurze Pause und sprach dann weiter. "… Fritz Jacob", stellte sich Jacob vor. Major Zolger, ergriff die Hand des Gegenübers und sah diesen verschmitzt an. "Ich heiße Walter Zolger. Ich hoffe auch, dass
wir uns gut verstehen. Schließlich werden wir sehr eng zusammenarbeiten müssen", antwortete Zolger mit dem ihm eigen Akzent, dem man anmerkte, dass Deutsch nicht seine Muttersprache war. Dabei sah Zolger den Kollegen offen an. Jacob musterte sein Gegenüber, stellte fest, dass dieser noch sehr jung aussah. "Darf ich fragen Walter, was deine Fachgebiete sind?", stellte Jacob die Frage, die ihn am meisten interessierte, da er sein Gegenüber, gern etwas besser einschätzen wollte und musste, um zu wissen, wo dessen Stärken und Schwächen lagen. "Tja, es gibt einige Bereiche in denen ich nicht schlecht bin. Ich habe in Biochemie, Chemie, Physik eine Spitzenausbildung gehabt. Ebenfalls in dem Bereich der Genetik und Gentechnik, habe ich in der Leningrader Universität, einige Jahre intensiv geforscht." Entgeistert sah Fritz seinen Kollegen an. Zolger
lächelte verlegen zurück und versuchte den Sachverhalt zu erklären. "Ja ich weiß, ich bin noch ziemlich jung. Es ist so Fritz, ich fing mit vierzehn Jahren an Biochemie, Chemie und Physik zu studieren. Machte meine Professor mit zwanzig in Biochemie und den Doktor in Mathematik, Physik und Chemie. Alles ungefähr zeitgleich. Mit vierundzwanzig hab ich meinen Professor in Genetik gemacht, dann fing ich noch ein Studium für Germanistik an. Dass ich in diesem Sommer, mit einem Doktortitel beendet", erstaunt starrte Fritz, seinen noch so jung wirkenden Kollegen an. "Darf ich dich fragen, wie alt du bist?" Walter konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, so ging es ihm jedes Mal, wenn er jemand Fremdes gegenüberstand und sich vorstellte. "Natürlich, ich werde nächste Woche, am Neunten, neunundzwanzig Jahre." Fritz Jacob konnte es nicht verhindern, der
Gedanke war so schnell aus seinem Mund, dass er diesen nicht mehr zurückhalten konnte. "Und ich dachte immer, ich bin schlau." Immer noch lachend wischte er sich, die Tränen aus den Augen. "Das hat mein Mentor immer zu mir gesagt, weil ich vier Fachrichtungen, gleichzeitig belegt habe. Ich bin auch erst dreißig, also auch nicht viel älter als du. Was machst du gerne? Was hast du für Hobbys? Vielleicht können wir ja einiges zusammen unternehmen? So sehr viel Freizeit, werden wir hier ja nicht haben." Walter Zolger nickte, sah den Chefarzt ernst an. "Na ja, ich würde sagen, dass mein Beruf mein Hobby ist. Ich forsche für mein Leben gern. Außerdem, suche ich immer noch nach neuen Möglichkeiten, genetische Schäden im Frühstadium einer Schwangerschaft zu erkennen, das heißt noch vor der Geburt. Vor allem aber, nach Möglichkeiten solche Schäden, während der Schwangerschaft noch zu korrigieren. Leider sind die technischen Möglichkeiten in dieser
Hinsicht, noch nicht sehr weit. Aber in den nächsten Jahren, werden wir da bestimmt einige Möglichkeiten finden." Es dauerte gar nicht lange und die beiden Männer begannen eine Fachdiskussion, ergänzen ihr Wissen über Genetik und Frühkindliche Schäden, fachsimpelten über die verschiedenen Möglichkeiten, die es schon gab. Dadurch bemerkten die Beiden gar nicht, wie die Zeit verging. Erst als einige Mitarbeiter der Versorgungskompanie, das Mittagessen auftrugen, stellten die beiden Ärzte fest, dass Oberst Hunsinger und Major Mayer wieder den Raum betreten hatten. Die beiden Projektverantwortlichen saßen amüsiert am Tisch und verfolgten das Gespräch der beiden Ärzte, mit Interesse. "Sie haben sich, wie ich mit Freude feststelle, schon bekannt gemacht. Setzen sie sich. Damit wir nach dem Essen, einen ersten Rundgang durch das Objekt beginnen können. Vor allem
möchte ich sie, ihren Mitarbeitern vorstellen." Hunsinger zeigte er auf die noch freien Plätze am Tisch. Die beiden Ärzte setzten sich und betrachten die schon sitzenden Männer, aus den Augenwinkeln heraus. Oberst Hunsinger schien wirklich ein sehr aufgeschlossener netter Mensch zu sein, dies strahlte er jedenfalls aus. Dieser Major Mayer dagegen, war ein mürrischer Mann, der mit seinem Beruf, des befehlenden Soldaten verheiratet war. Ihn mochte man sich nicht zum Feind machen. Nach einigen Minuten korrigierte Fritz Jacob seine Meinung über Mayer, ein zweites Mal. Wie er schon damals in Berlin erlebte, hatte Mayer einen besonders trockenen Humor, der vom feinsten war. Er brachte dadurch alle Anwesenden, nicht nur einmal zum Lachen. So viel, wie bei diesem Mittagessen, hatte Jacob schon lange nicht mehr gelacht. Man speiste und erzählte über dieses und jenes, eigenartiger Weise, schnitt niemand das Thema "Projekt
Dalinow" an. So, als wenn man jetzt noch nicht darüber sprechen wollte. Nach dem Essen, gingen die vier leitenden Offiziere, zurück in die Mensa. Oberst Hunsinger ergriff nun noch einmal das Wort. "Meine Damen und Herren, wir hoffen sehr, dass ihnen das Mittagessen genauso gut geschmeckt hat, wie uns. Wie ich erfreut feststellen konnte, haben alle der Anwesenden die Verträge unterschrieben. Dann herzlich Willkommen noch einmal von mir. Im Anschluss machen wir einen ersten Rundgang durch das Objekt. Da wir aber einfach zu viele sind, denke ich, ist eine Gruppenaufteilung die beste Lösung." Hunsinger winkte Mayer, Jacob und Zolger zu sich heran. "Außerdem möchte ich ihnen, die Leitung des Projektes vorstellen. Die offizielle Leitung liegt in meiner Hand. Da ich aber mehrere Projekte gleichzeitig betreue, habe ich mir erlaubt, die
Projektleitung Major Mayer zu übertragen. Alle Anträge werden von den entsprechenden Abteilungsleitern, an Major Mayer weitergeleitet. Major Mayer, untersteht das gesamte Dienstpersonal des Wachregimentes, sowie des Flugplatzes und die Betreuer. Zur Leitung des Projektes gehört außerdem, Professor Dr. med. Jacob, er ist der leitende Chefarzt hier. Professor Dr. rer. nat. Zolger, ist der leitende Wissenschaftler, der Laboratorien", wieder machte Hunsinger eine kleine Pause und blickte auf seinen Zettel. "Des weiteren, fordere ich die nachfolgenden Personen auf, sich kurz zu erheben, um sich ihren zukünftigen Kollegen vorzustellen." Hunsinger machte nach dem Aufrufen der entsprechenden Person, immer eine kleine Pause. So dass sich diese erheben und wieder setzen konnten. "Unser Chefingenieur, ist Oberleutnant Siegesmund, … verantwortlich für die Bereiche
der Funküberwachung und Radarkontrollen … Oberschwester Anett Seliger, … ist die leitende Schwester für die Laboranten … Oberschwester Susanne Schmitz, … ist die leitende Schwester, für das Pflegepersonal … Oberschwester Ingrid Dorner, … wird die ärztliche Einrichtung, für das Personal und die Physiotherapie leiten ... Hausmeister und Gärtner, … ist Herr Zimmermann. Stellt euch gut mit dem Mann, er wird immer viel zu tun haben", ein Lachen erschallte im Raum. In das Hunsinger einstimmte, dann fuhr er fort. "So, wir werden es wie folgt machen, die Laboranten und Servicekräfte, gehen zu Major Zolger, diese Gruppe wird von Leutnant Rudolf geführt." Rudolf stand auf der linken Seite des Bühnenaufgangs und hob die Hand. "Die Ärzte und das Pflegepersonal, gehen bitte, zu Major Jacob. Dort übernimmt die Führung, Leutnant Martin." Martin hob jetzt ebenfalls die Hand, er befand sich auf der rechten Seite der Bühne.
"Alle Technischen Mitarbeiter, sammeln sich um Chefingenieur Oberleutnant Siegesmund, diese werden von Leutnant Müller geführt." Ein weiterer Mitarbeite machte auf sich aufmerksam, der vor der Bühne stand. "Der Rest kommt zu mir. Damit wünsche ich ihnen viel Spaß. Ich hoffe ihnen sagt das Objekt, vor allem die Quartiere zu. Es nehmen alle, am Rundgang teil. Bei dem Rundgang werden ihnen auch ihre Quartiere zugewiesen. Nehmen sie sich die Wege-Karten, aus ihren Wohnungen mit. Das Objekt ist riesig. Sollten sie sich verlaufen, scheuen sie sich nicht um Hilfe zu rufen. Wir haben extra eine Rettungsmannschaft, bereitgestellt", als er die verdutzten Gesichter seiner Mitarbeiter sah, musste Hunsinger wiederum schallend lachen. "Glauben sie mir, meine Damen und Herren, die wird heute einige Mal ausrücken. Auch ich habe diese, schon zwei Mal um Hilfe bitten müssen, da ich mich hoffnungslos verlaufen hatte", jetzt
stimmten alle in das Lachen ein. "Wie sie die Rettungsmannschaft erreichen, erklären ihnen, ihr Führer. Also warten sie mit dem Verlaufen, bis sie die nötigen Informationen haben. Dann also, bis 20 Uhr zur Begrüßungsfeier, viel Spaß." Hunsinger wollte sich gerade von der Bühne begeben, als ihm noch etwas Wichtiges einfiel. "Einen kleinen Augenblick noch. Beachten sie, das ab sofort, das heißt auch heute Abend bei der Begrüßungsfeier, die Dienstkleidung zu tragen ist. Es ist keinerlei zivile Bekleidung, im Projekt erlaubt. Kurz zur Erklärung des Warum. Dies ist ein unter militärischer Führung stehendes Projekt. Das Wachpersonal, ist angewiesen, sämtliche Personen, die nicht in der Projekt eigenen Kleidung herumläuft, festzunehmen. Um ihnen und uns, Arbeit und Ärger zu ersparen, halten sie sich bitte alle an die vorgeschriebene Kleiderordnung. Die Wachkompanie, braucht eine Weile, um sich die
Gesichter alle Mitarbeiter zu merken. Bitte haben sie dafür Verständnis." Alle nickten, konnten sie sich vorstellen, wie kompliziert das sonst werden würde. Es bildeten sich die Gruppen, alle gingen mit den jeweiligen Führern, einen ersten Rundgang machen. "Guten Tage, meine Damen, meine Herren. Ich bin Leutnant Christoph Martin, sie können sich mit mir ganz ungezwungen unterhalten. Nennen sie mich einfach nur Chris. Ich werde ihnen jetzt das Objekt zeigen. In ihren Quartieren, finden sie diese Wege-Karten." Chris hielt eine dieser Karten hoch, es war eine Art Fächer, der farblich unterteilt war. "Die nach Farben der einzelnen Etagen, kurz Ebenen sortiert sind", fragende Gesichter sahen Chris Martin an. Dieser lachte die ihm zugeteilte Gruppe an. "Glauben sie mir, das ist wirklich notwendig. Ich habe einen Monat Zeit gehabt, mir dies alles
einzuprägen. In vier Stunden denken sie anders. Bitte stecken sie sich diese Wege-Karten ein, tragen sie diese am Anfang immer bei sich. Ich habe mich wirklich, die erste Zeit nur nach diesen Karten bewegen können. Ohne diese Karten, habe mich trotzdem ständig verlaufen. Eigentlich dachte ich immer, dass ich habe einen ausgeprägten Orientierungssinn habe. Dieses Objekt ist so riesig, es ist der blanke Wahnsinn", immer noch sahen Chris, die vierzig um ihn versammelten Menschen, verwundert an. "Kommen sie einfach mit, dann werden sie meine Worte verstehen. Wir fangen hier in der Mensa an. Bitte stellen sie, wenn sie Fragen haben, diese sofort", damit drehte sich Christoph Martin um und zeigte in den Raum. "Wie sie sehen, haben wir hier eine sehr großzügig geschnittene Mensa, bei der sich die Architekten viel Mühe gegeben haben, um diese auf alle Eventualitäten einzustimmen. Wenn ihnen irgendetwas fehlen sollte, scheuen sie sich
bitte nicht, sich an Major Mayer zu wenden. Hier in diesem Bereich wird einmal im Monat ein Kinoabend, eine Theateraufführung, aber auch Buchlesungen stattfinden. Durch die Betreuer, können sie an verschiedenen Kursen teilnehmen. Töpferei, Malerei, Handarbeiten, Theaterclub, nur, um einiges zu nennen. Es wurde für viel Abwechslung gesorgt, sie müssen diese nur wahrnehmen", aufmunternd lächelnd, sah Chris die von ihm geführte Gruppe an. "Folgen sie mir bitte. Wir gehen jetzt ins Sportzentrum. Bitte hier entlang", eilig lief er voraus. Chris hielt sich rechts, ging auf eine kaum sichtbare Tür zu, die in einen der breiten Gänge mündet. "Bitte seien sie in diesen Gängen vorsichtig. Bei Alarm, werden hier Multicars, im schnellen Tempo unterwegs sein. Die unsere Sicherheitskräfte, an ihren Einsatzort bringen. Träumen sollten sie auf diesen Straßen nicht. Dies sind wirklich keine Gänge, sondern
Straßen. Dies ist durch die Größe des Objektes einfach notwendig. Deshalb beachten sie bitte die Lauffläche für die Fußgänger, die nur auf einer Seite vorhanden ist. Nutzen sie diese vorgeschriebenen Wege bitte", schon ging Chris weiter. Den Gang entlang der spürbar nach unten führte. "Wie sie sehen, befinden wir uns im Moment noch auf der Ebene Weiß und begeben uns auf die Ebene Rot. Weiß sind die Ebenen, die ihr von zuhause aus als Keller betrachten würden, sie liegt zur Hälfte noch über dem Nullpunkt, der die Oberfläche vom Erdreich trennt. Die Eben Rot, ist die erste Ebenen die vollständig unterirdisch liegt. Dies ist also das erste Untergeschoss", erklärte Chris und lief zu einer der nächsten Türen. Die mit roten Buchstaben und Zahlen markiert waren. Öffnete eine Seite der Doppeltür, ließ die Gruppe eintreten. "Heute dürfen sie diese Halle in Straßenschuhen betreten, gewöhnen sie sich aber bitte an, um die
Pflege der Halle zu erleichtern, im Vorraum andere nur für diese Halle bestimmte Schuhe anzuziehen." Sofort öffnete er eine zweite Tür, die in eine große, gut durchdachte Halle führte. "Dies hier ist die Fitnesshalle für das Personal. Wie sie sehen hat man versucht, an alles zu denken. Es gibt eine Laufbahn, die eine Gesamtlänge von vierhundert Meter hat, die an den Wänden entlang führt. Im Inneren der Bahn gibt es einen Bereich mit Matten für das Turnen, Kampfsport, Verteidigungstraining. Ich soll ihnen ausrichten, dass auch verschieden Kurse angeboten werden. Sollten sie an einem bestimmten Kurs teilnehmen möchten, schreiben sie sich am Memoboard einfach ein", Leutnant Martin zeigte auf eine an der linken Wand hängende Schwarze Tafel, auf der ordentlich einige Listen angebracht waren. Teilnahmelisten für: Tischtennis, Ringen, Boxen, Schwimmen, künstlerische Gymnastik, Judo und Ballett. Aber auch Bogenschießen, Laufgruppen,
Wasserball und Fuß-, sowie Handballtraining waren hier aufgelistet. Schon fuhr er fort mit seinen Erklärungen. "Bitte bleiben sie auf der Lauffläche. Es tut mir sehr leid, durch den Zeitdruck den wir heute haben, kann ich alles nur anreißen. Wenn sie spezielle Fragen haben, kommen sie einfach zu mir und stellen sie diese, beim Weiterlaufen. Folgen sie mir bitte", weiter ging es zu einer weiteren Tür, die in einen Fitnessbereich führte. In dem sich an einer Wand, Spiegel für Gruppenübungen befanden, ein Boxring, eine zusätzliche Spiegelfläche mit Ballettstangen, vor der man bestimmte Turn-, Gewicht-, Fitnessprogrammen durchführen konnte. Kurz angerissen erläuterte Chris die Geräte. Wies drauf hin, dass hier ein Betreuer in den ersten Monaten, die Übungen anleiten würde. Erfreut stellten die Mitarbeiter fest, dass es also sogar einen Trainer gab. Chris ging zurück auf den Gang, lief etwas
weiter, kam zu einem Aufzug. "Meine Damen und Herren, dies hier ist einer der sieben großen Aufzüge, die es im Objekt gibt. Diese sollten sie während eines Alarms, niemals benutzen. Sehen sie hier…" er zeigte auf die Zahlen und Buchstaben neben dem Aufzug. "…steht um welchen Aufzug es sich handelt. Dies ist der Aufzug 1L/rot. Das bedeutet, es ist der linke Aufzug des Hauses 1, der Ebene rot. Haus 1 bedeutet alles, was sich unterhalb der Mensa befindet. So haben sie immer einen Anhaltspunkt, zu den überirdischen Gebäuden. Wie gesagt, bitte nutzen sie diese großen Aufzüge nicht, während des Alarms. Rechts neben jedem Aufzug gibt es für den Alarmfall, extra eine Treppe. Diese Aufzüge sind für bis zu fünfzig Leute bestimmt. Hiermit fahren aber auch die Multicars, also seien sie bitte vorsichtig. Es gibt noch zwölf kleinere Aufzüge, in denen allerdings nur maximal zehn Leute Platz finden. Diese zeige ich ihnen später noch",
weiter ginge es im zügigen Tempo. Chris erklärte viele Einzelheiten. Jetzt langsam wurde den ihm nachlaufenden Mitarbeitern, die Größe des Objektes bewusst. Wenn man ehrlich war, keiner wusste mehr, wie er zur Mensa zurück kommen sollte. Alle hatten schon lange die Orientierung verloren. Kurz blieb Chris an einer Art Kreuzung stehen. Hier befand sich in einer Nische, ein Telefon. "Meine Damen, meine Herren, dies hier sind Notrufsäulen. Von hier aus, können sie die Rettungsmannschaften kontaktieren, falls sie einmal Hilfe brauchen. Diese Notrufsäulen befinden sich an wirklich allen Kreuzungen und sind nur für Notrufe da. Es sind keine Telefonzellen. Es gibt ihrer im Objekt viel mehr, als sie denken. Wir haben uns die Mühe gemacht, sie zu Nummerieren, um sie im Notfall besser finden zu können. Wir waren selber erstaunt, wie viele es sind. Nämlich zweihundertfünfundvierzig Notruftelefone gibt
es im Objekt. Zusätzlich hat jedes Quartier ebenfalls ein Telefon, für interne Gespräche. Alle anderen Gespräche, laufen über die Zentrale. Von diesen Notrufsäulen, haben sie eine sofortige Verbindung zur Zentrale. Nennen sie nur die Nummer die am Apparat steht, schon wissen die Sicherheitskräfte, wo man sie findet", fragend sahen die Mitarbeiter Chris an. "Sie werden es dann noch verstehen, ich gehe gleich noch einmal auf dieses Thema ein." Chris lief eilig weiter, kopfschüttelnd folgte ihm die Gruppe und bekam immer mehr Bauchweh. Immer noch war man auf der Ebene Rot, allerdings lief man bereits eine Stunde durch dieses Objekt. Immer weiter folgten die Neuankömmlinge ihrem heutigen Führer, durch dieses riesige Objekt. Chris blieb stehen und bat plötzlich die Mitarbeiter. "Wer von ihnen ist Oberschwester Anett Seliger, Susanne Schmitz, Ingrid Dorner? Diese drei Damen, bitte einmal zu mir. Ich
werde jetzt die ersten Quartiere zuweisen." Die drei genannten Damen traten vor. "Ich muss sie um Erlaubnis fragen. Darf ich in ihrem Beisein den anderen ihre Quartiere zeigen oder möchten sie dies als Privatsphäre betrachten?" Alle Drei schüttelten sofort den Kopf. "Dann folgen sie mir alle. Wenn jemand nicht möchte, dass wir alle seinen persönlichen Bereich eintreten, sagen sie mir dies sofort. Im Großen und Ganzem, sind die privaten Bereiche alle gleich. Das individuelle Einrichten, wird erst im Laufe des Jahres erfolgen. Jeder von ihnen, hat die Möglichkeit, sich seinen Wohnraum so zu gestalten, wie er es für richtig hält und es für ihn schön ist. Einer mag es bunt, der nächste eher schlicht, der übernächste lieber altmodisch. Äußern sie ihre Wünsche. Wenn diese realisierbar sind, werden diese auch erfüllt. Sie werden nicht viel Freizeit haben, sollen sich hier jedoch wohlfühlen. Ihre persönlichen Möbel, aus ihren alten Wohnungen
wurden in Lagern sichergestellt. Auch können sie ein Teil ihrer Möbel, für ihre hiesigen Räumlichkeiten nutzen. Alles werden sie jedoch, hier nicht unterbringen können", erklärte er den Anwesenden. Gleichzeitig sah er zu eine der Oberschwestern, forderte sie mit der Hand winkend auf, ihr Quartier zu betreten. "Schwester Anett, dies ist ihr Quartier, es hat die Nummer 3/Rot 1. Das bedeutet Haus 3, die Farbe steht immer für das Untergeschoss, also Untergeschoss Eins, Wohnung Eins. Merken sie sich bitte diese Nummer, sonst stehen sie eines Tages, vor dem verkehrten Quartier und wundern sich, wieso die Tür sich nicht öffnen lässt", alle begannen zu lachen, fanden diese Vorstellung übertrieben. "Bitte treten sie ein. Herzlich Willkommen", Chris öffnete die Tür, ließ Schwester Anett eintreten. Obwohl man unter der Erde war, wirkte die Wohnung Lichtdurchflutet. Verwundert sahen
sich die Eintretenden an. Man betrat einen großen Vorraum, auf der linken Seite befand sich ein riesiger Wandschrank und rechts ein kleineres Türchen in der Wand. "Wie sie bereits bei dem Einstellungsgespräch bekannt gegeben haben, wurden nach den damaligen Angaben, in all diesen Schränken, eine ausreichende Anzahl von Dienstbekleidung untergebracht. Falls diese nicht passen oder nicht ausreichend ist, geben sie einfach Bescheid. Sie bekommen innerhalb weniger Stunden die passende Größe geliefert." Chris öffnete einen Schrank und zeigte auf die darin befindliche Bekleidung. "Dann wird diese, in die entsprechenden passenden Größen getauscht. Sie haben dazu allerdings immer zwei Türen, für ihre private Kleidung. Diese können sie auch einlagern lassen, wenn sie lieber nur die Objektkleidung tragen wollen. Die private Kleidung dürfen sie allerdings, nur hier in diesen Räumen tragen. Sobald sie ihre Wohnung
verlassen, haben sie die Objektkleidung zu tragen", wies Chris nochmals auf die Bekleidungsordnung hin. Der Vorraum war fünfzehn Quadratmeter groß, von diesem gingen vier Türen ab. "Folgen sie mir bitte. Auf der rechten Seite geht es in den Schlafbereich, der an das Ventilationssystem angeschlossen ist. Alle anderen Zimmer werden über das sogenannte Lichtnetzwerk mit Frischluft und Tageslicht versorgt. Bitte, sollten sie Probleme mit der Lautstärke des Ventilators haben oder aber, mit der Dunkelheit des Raumes, melden sie dies umgehend beim Hausmeister. Wir haben den Fehler im Ventilationssystem, zwar schon beheben lassen, allerdings hat jeder Mensch, ein anderes Gehör. Dann wird dies noch einmal geändert. Es ist auch möglich, für eine gedämpfte und nicht störende Beleuchtung zu sorgen. Viele von uns, hatten die ersten Tage Probleme, beim Einschlafen. Diese absolute Dunkelheit, machte
vielen von uns zu schaffen." Alle nickten und sahen sich in den fünfzehn Quadratmeter großen Raum um. Der bestückt war, mit einem sehr bequem aussehenden zwei Meter breiten und zwei Meter zwanzig langen Polsterbett, dazu gab es noch einige Regale und einen kleinen Tisch, sowie einen bequemen Sessel. Chris ging wieder zurück in den Vorraum, betrat den nächsten Raum, ein lautes. "Oh ist das schön", folgte von den meisten der Frauen. Die Männer nickten anerkennend. Man stand in einem großzügig angelegten Bad, von ungefähr zwölf Quadratmeter, mit einer großen Badewanne, zusätzlich einer Duschkabine. "Hier meine Damen und meine Herren, befindet sich der Wäscheschacht. Das Schöne hier im Objekt ist, dass sie nicht selber waschen brauchen. All ihre Kleidung, fällt durch den Wäscheschacht in einen Behälter, diese Wäsche wird getrennt, von der anderen Wäsche gewaschen, getrocknet und gebügelt. Dies gilt
auch für ihre private Kleidung. Sie müssen sich also nicht darum kümmern", schon ging es weiter. Hinter dem Wäscheschacht befand sich kein Fenster, sondern eine Glasfront, hinter der sich ein Wintergarten, mit üppiger Vegetation ausbreitete. "Bitte meine Damen, wenn sie über den Tag duschen oder baden wollen, lassen sie die Jalousien nach unten. Diese Wintergärten, werden von den Bediensteten des Hausmeisters und Gärtners, täglich von 8 bis 18 Uhr gepflegt. Mit der Zeit, werden sie wissen, wann diese in ihrem Bereich tätig sind. Am Anfang könnten sie sich allerdings erschrecken, wenn plötzlich jemand in ihren Wintergarten steht. Wenn sie also in dieser Zeit duschen und baden, dabei nicht gestört werden wollen, sorgen sie durch das Herablassen der Jalousien, für eine Privatsphäre. Anders ist dies nicht machbar gewesen. Ab 18 Uhr, können sie diese herrliche Aussicht, aus ihrer Badewanne jederzeit
genießen, diese Gärten werden beleuchtet. Natürlich, wenn es sie nicht stört, können sie die Rollos auch offen lassen. Nur erschrecken sie nicht, wenn auf einmal der Gärtner an ihrem Badezimmer entlang läuft", erklärte Chris mit dem puren Schalk im Gesicht. Fritz Jacob der sich bis jetzt zurück hielt, konnte sich eine Bemerkung nicht verkneifen. "Mein Gott, warum bin ich nur Arzt geworden? Bei so vielen schönen Frauen hier", rutschte es ihm heraus. Lachend sah er sich um. Die Schwestern konnten sich das Lachen ebenfalls nicht verkneifen, da diese Bemerkung so ehrlich von ihrem Chefarzt kam. Die Worte kamen so tief aus dem Herzen, dass man darüber nur lachen konnte. "Na sie sind mir einer, Herr Doktor", meint eine noch sehr junge, schwarzhaarige Schwester, mit einem dicken geflochtenen Pferdeschwanz und lächelte den Arzt an. "So bin ich halt", kam es wie aus der Pistole
geschossen von Fritz Jacob. Der spitzbübisch grinste und verlegen mit den Schultern zuckte. "Kommen sie weiter", forderte Chris seine Gruppe auf. Die nächste Tür führte in eine achtzehn Quadratmeter, große Wohnküche, in der alles vorhanden war, was sich eine Frau, aber auch Mann wünschen konnte. Eingerichtet mit einem Esstisch, mit sechs Stühlen und genügend Schränken, für Stauraum. Es fehlte an nichts, alles war vorhanden: ein Kühlschrank, ein Eisschrank, ein E-Herd, Kaffeemaschine, Mixer, nicht mal die Regale mit Gewürzen hatte man vergessen. Chris ging zu einer weiteren Tür, zeigte nur kurz hinein. Darin befanden sich alle möglichen Putzutensilien, wie Besen, Schrubber, Eimer, halt alles, was man täglich brauchte, auch ein Staubsauger war vorhanden. Auf der anderen Seite war ein Regal eingebaut, zum Lagern von Vorräten. Immer öfter schüttelten alle den Kopf, hier wurde wirklich an alles gedacht. "Na dann kommt, sehen wir uns noch den
Wohnraum an", damit ging Chris zurück in den Vorraum und auf die letzte Tür zu. Sprachlos blieb Oberschwester Anett stehen. "Das gibt es nicht, bin ich wirklich im Paradies?", konnte sie sich nicht verkneifen, zu fragen. Sie schaute sich sprachlos in den circa fünfundzwanzig Quadratmeter großen Raum um. Auf der einen Seite gab es Bücherregale, auf der anderen eine Anbauwand und eine wunderschöne Sitzgruppe, die direkt vor einem Fenster stand und den Blick in einem großen Garten zuließ. Durch eine Glastür kam man, in einen lichtdurchfluteten Wintergarten. In dem sogar ein Kamin eingebaut wurde. "Wunderschön ist es hier, da kann man es aushalten", sagte Fritz Jacob. Aber auch die anderen neuen Bewohner des Projektes, waren dieser Meinung. "Da haben wir ja geschafft, was wir erreichen wollen", erwiderte Chris. Damit ging er zurück in den großen Vorraum.
"Bitte wir müssen weiter, ich muss ihnen allen, noch ihre Quartiere zuweisen. Die alle ähnlich, nur unterschiedlich von der Größe sind", sofort kamen alle zurück. "Schwester Anett, bitte nehmen sie sich ihre Wege-Karte mit. Damit sie nach dem Rundgang, ihr Quartier wiederfinden. Ach, ich habe noch etwas Wichtiges vergessen, sehen sie, diese Klappe hier?" Chris zeigte auf eine kleine Tür, die hundert Zentimeter hoch, aber auch tief und fünfzig Zentimeter breit war und sich rechts neben der Eingangstür befand. "In dieser Durchreiche, finden sie immer ihre gewaschene Wäsche, ihre Post oder die bestellten Lebensmittel, die sie nicht hier auf dem Gelände bekommen. Geöffnet wird diese mit ihrer Schlüsselkarte, so dass keiner von außen in ihr Quartier kann. Sehen sie also immer einmal nach, ob sie eine Lieferung bekommen haben. Sonst wundern sie sich, wenn Ihre Bestellung
von Lebensmitteln, Beine bekommt. ", wies Chris lachend darauf hin, immer einmal in diese Durchreiche nachzuschauen, ob etwa eine Lieferung gekommen war. Damit verließ er Schwester Annettes Wohnung und lief über die Straße. "Bitte Schwester Susanne, hier ist ihre Wohnung. Holen sie bitte ihre Wege-Karte. Achten sie bitte beim Verlassen ihrer Wohnung immer auf den Verkehr. Im Übrigen die Ausweise, die an den Wege-Karte hängen sind gleichzeitig ihre Schlüsselkarte. Für ihre Wohnung, aber auch, für die, für sie zugängigen Bereiche. Verlieren sie diese nicht. Es gibt hier keine Schlüssel. Sie kommen nur mit ihren Sicherheitskarten in und aus den Gebäuden", sofort lief er weiter, zur nächsten Tür. "Hier Schwester Ingrid ist ihre Wohnung", er öffnete diese. Eilig holt Schwester Ingrid ihre Wege-Karte, hing sich ihre Schlüsselkarte um. "Dann werden wir einmal, in eine der
Ärztewohnungen gehen. Bitte, wir müssen auf vier Etappen hoch fahren, dazu müssen wir die kleineren Aufzüge benutzen. Folgen sie mir bitte." Zügig liefen alle hinter Chris her, sich lobend über diese Luxuswohnung äußernd. Schnell hatte man die Aufzüge erreicht. "Doktor, März, darf ich ihre Wohnung zeigen?", erkundigte Chris. März schüttelte den Kopf, wollte dies absolut nicht. "Dann warten sie alle bitte hier, ich muss mit Doktor März nach oben fahren, wegen der Wege-Karte und der Schlüsselkarte. Einen kleinen Moment bitte." Alle bleiben stehen, keine zwei Minuten später, kam Chris mit Doktor März zurück. "Doktor Anderson? Möchten sie auch alleine nach oben fahren?", wiederholte Chris seine Frage, dem zweiten Arzt gegenüber. Anderson schüttelte den Kopf und erklärte verschmitzt grinsend. "Ach klar können die Damen die Wohnung sehen. Da ist doch nichts
dabei. Noch ist sie aufgeräumt", konnte dieser sich einen dummen Kommentar nicht verkneifen und sah die Schwestern dabei grinsend an. Wobei er eine sehr kleine etwas ältere Schwester, mit einem besonders netten Lächeln ansah. Diese war ihm sofort aufgefallen und sehr sympathisch. "Na dann, bitte fahren sie mit der ersten Gruppe nach oben, ich muss die anderen dann nachholen. Nur mit ihrer Wohnungskarte, kann man bis in die Wohnung fahren, anders öffnet sich der Aufzug nicht. Ansonsten kann man diese nur über den Park erreichen", eilig wollte Anderson in den offenen Aufzug steigen. Chris schüttelte den Kopf. "Bitte, die Herren Doktoren, es sind immer zwei Aufzüge vorhanden pro Haus, für jede Wohnung ein separater. Für die Abteilungsleiter, sogar je zwei pro Wohnung. Da beide Aufzüge bis zu dieser Wohnung hochfahren, da sich ja dort auch die Besprechungszimmer befinden. Doktor März
sie müssen immer in den Aufzug mit der Nummer 3/Ebene und der 2 benutzen, sie Doktor Anderson, den mit der Nummer 3/ Ebene und der 1. Sehen sie hier. Die Zahl Drei nennt das Haus, der Buchstabe hinterm Strich die Ebene und die letzte Zahl steht für die Wohnung." Damit zeigte er auf die unterschiedlichen Zahlen. Schon fuhr man nach oben, in Doktor Andersons Wohnung. Genau sahen sich alle die wunderschöne Arztwohnung an, die sogar ein kleines Labor besaß. Die Augen der Ärzte strahlten. Schnell ging es weiter. Chris fuhr wieder nach unten. Um nicht hinaus in die Kälte zu müssen, fuhr er bis in das fünfte Untergeschoss und holte alle nach. Dann lief er innen entlang, weiter zum Haus 4, um sich die Bibliothek anzusehen. Viele bekamen große Augen, es war wie in einem Traum. Viele hatten noch nie so eine riesige Bibliothek gesehen. In der man sogar Bücher käuflich erwerben konnte. Erfreut sagte die junge dunkelhaarige Schwester,
die vorhin Fritz Jacob schon Paroli geboten hatte. "Oh ist das toll, endlich kann ich lesen ohne Ende". Lief sofort zu der Abteilung Fachliteratur, sah sich nach einem bestimmten Buch um und griff zielsicher ins Regal. Chris überlegte krampfhaft, wie diese junge Schwester hieß, er kam nicht darauf. "Schwester …?" "Anna", kam prompt, die halb abwesende Antwort der jungen Krankenschwester, die ihre Nase in das Buch gesteckt hatte. Dabei Zeit und Raum sofort vergaß. "Bitte heute keine Bücher mitnehmen, das geht erst ab Montag", wurde sie von Chris zu Recht gewiesen, jedoch schmunzelte er. "Ja ja, ist schon in Ordnung, entschuldigen sie bitte Chris. Ich und Bücher. Da vergesse ich mich immer", verlegen stellte sie das Buch ins Regal zurück und kam sofort zur Gruppe zurück. "So ist es brav Schwester Anna. Wenn sie heute
schon alles lesen, haben sie die nächsten siebzehn Jahre, nichts mehr zu tun", frotzelte Fritz Jacob lachend. Dem diese junge Schwester auf Anhieb gefiel. Da er diese natürliche Unbefangenheit, einfach mochte. "Na, die Bibliothek muss ja nur zwei Jahre reichen, Herr Doktor. Länger geht mein Vertrag leider nicht", gab diese grinsend zur Antwort. Chris wie die anderen schüttelten über die kesse Schwester den Kopf, die sich von dem Arzt nichts gefallen lies. Ein Grinsen huschte über das Christoph Martins Gesicht, die Kleine gefiel ihm. Allerdings konnte er darauf nicht eingehen. "Kommen sie bitte mein Damen und Herren, wir müssen weiter. Uns läuft langsam die Zeit weg", drängelte Chris. Da er fest feststellen musste, dass man schon fast zweieinhalb Stunden unterwegs war. Seine Uhr zeigte an, dass es schon auf halb Fünf zuging. Kurz schien Chris zu überlegen, ob er jetzt alles gezeigt hatte. Er ging in Gedanken seine
Stichpunktliste durch und hakte diese ab. "Mmmhhh … In Ordnung, gehen wir einmal hoch zu den Gemeinschaftsquartieren. Auf die Ebene rot des Hauses 5. Wie sieht es aus Schwester Anna, fangen wir bei ihnen an", stichelte Chris etwas, bei der netten schwarzhaarigen Schwester. "Na klar, ich will auch wissen, wo ich wohne", gab diese schnippisch zur Antwort und lief grinsend neben Chris her. Es dauerte gar nicht sehr lange, da erreichte man das Haus 5. "Wir gehen als erstes nach unten in die Ebene schwarz, das ist die Ebene 6 und damit die sechste Ebene unter der Oberfläche. Zum Schluss erkläre ich eure Gemeinschaftsquartiere, an Hand von Annas Quartier", frech sah er Anna dabei an. Die stellte sich vor Chris, die Hände in die nicht vorhandenen Hüften stemmte und schaute ihren Führer, gespielt böse an. Sie zog so eine Flunsch1 dabei, dass wirklich alle lachen
mussten. "Das ist gemein, erst neugierig machen, Hoffnung sähen und dann zappeln lassen", aber sie hielt es nicht durch und blickte kichernd sie den Objektführer an. Chris ging auf Annas Spiel ein. "Na in Ordnung, dann werde ich mal nicht so sein. Ich erkläre die Räumlichkeiten, bei einer der unten wohnenden Damen. Schwester Alma, wie sieht es aus, darf ich ihre Wohnung allen zeigen?", diese sah amüsierte zu Chris und nickte bestätigend. "Dann wollen wir mal. Schwester Alma ihre Wohnung trägt die Nummer 5/schwarz 1. Ach im Übrigen, falls sie mal vergessen sollten, wo sie wohnen, sehen sie einfach auf ihren Overall." Er zeigte auf seinen eigenen. Auf einem runden Emblem, in dem ein lila Pfeil und der Zahl 5/2, auf der rechten Brustseite, seines grünen Overalls angebracht war. "Die Farbe des Pfeiles entspricht der Ebene, die erste Zahl ist das Haus, die Zweite die der Wohneinheit. Bei uns
geht keiner verloren", breit grinsend öffnete er, auf der rechten Seite des Ganges eine Tür. Man betrat einen sehr großen Vorraum, fast wie bei der ersten Wohnung. Allerdings gab es hier nur zwei Türen. Als erstes betraten alle ein ebenso großes Bad, das genauso aufgebaut war, wie das, der ersten Wohnung. Begeistert sahen sich die Schwestern an. Jeder dachte, man würde über Jahre in einem Raum mit jemand leben, sich ständig mit anderen das Bad teilen müssen. Das hatte vielen der jungen Frauen Angst gemacht. Nun stellte es sich heraus, dass jeder eine kleine Wohnung, sein eigen nannte. Weiter ging Chris in den nächsten Raum, dieser war abgeteilt. "Hier meine Damen, ist ihr kombinierte Wohn- und Schlafbereich. Wir sollen uns bei ihnen entschuldigen. Leider war es nicht möglich, für alle eine komplette Zwei-Raumwohnung, zu schaffen. Der Platz hatte leider dafür nicht ausgereicht. Da sie allerdings die gesamte Zeit
bekocht werden, denke ich, ist die Wohnung ausreichend. Sie werden bestimmt nur ab und zu einmal kochen wollen. Daher haben immer zwei, beziehungsweise drei Wohneinheiten, eine gemeinsame Küche. So haben wir etwas Raum gespart und konnten ihnen aber trotzdem, etwas Luxus bieten. Sehen sie selbst. Ich finde die Lösung, die hier gefunden wurde, optimal und das nach über einen halben Jahr", schon öffnete er die Tür. Ein erstauntes "Oh wie schön", kam von den meisten der jungen Frauen. Es war ein wirklich schön gestaltetes Zimmer, das keinen Wunsch offen ließ. Der achtundzwanzig Quadratmeter große Raum, wurde in einen Schlaf-, Wohn- und Arbeitsbereich unterteilt. Jetzt begriffen viele, wieso der Vorraum etwas kleiner gestaltet war. Diese wenigen Quadratmeter, die dort fehlten, fielen gar nicht ins Gewicht und fehlten niemand im Eingangsbereich. Diese ermöglichten, allerdings eine geniale Lösung, für das fehlende
Schlafzimmer. Gleich, wenn man den Raum betrat, sah man linker Hand, auf eine Trennwand. Die auf der dem Raum zugewandten Seite, ein großes Bücherregal beherbergte. Ein Durchgang mit Schiebetür verschloss die Schlafnische. Hinter dieser Trennwand, war ein ebenso großes Polsterbett versteckt. Dazu noch ein Bettkasten, in dem man die Decken über den Tag verstecken konnte. Auch auf der Schlafnischen Seite gab es Regale, die als zusätzlicher Stauraum dienen sollten. Sogar ein kleines Büro hatte man auf der Seite zum Wohnzimmer eingerichtet. Den Wohnraum und das Büro, trennte ein ebenfalls decken hohes Regal, in den man private Sachen abstellen konnte. So hatte man trotzdem eine räumliche Trennung von Wohn-, Arbeits- und Schlafbereich erreicht. Im Arbeitsbereich befand sich, in das Regal eingearbeitet ein großer Schreibtisch, mit vielen Schüben und Ablagemöglichkeiten. In Richtung
des Wintergartens, stand eine gemütliche Sitzgruppe, die gut sechs Personen Platz bot und einen schönen Blick in den Garten zuließ. Es war einfach schön hier. "Sehen sie, hier diese Tür können sie nur von einer Seite, nämlich vom Wohn-, Arbeits- und Schlafraum aus öffnen. So ist ihre Privatsphäre geschützt. Sie können aber jederzeit, bequem die Küche benutzen. Um sich einen Kaffee zu kochen oder um sich noch etwas Essen zu zubereiten. Aber eine kleine Überraschung habe ich noch für sie, sehen sie bitte hier. In der Anbauwand ist eingebaut ein kleiner Kühlschrank. Im Wintergarten, gibt es eine kleine Kochnische, mit Kaffeemaschine und einen kleinen Tresen. So dass sie sich am frühen Morgen, bequem in ihren Räumen, ein Frühstück zubereiten können, wenn sie dies einmal nicht in der Mensa einnehmen wollen", glücklich sahen sich die Krankenschwestern an. Sie hatten mit allem gerechnet, aber nicht, mit so viel
Privatsphäre. "Es ist einfach wunderschön. Man hat wirklich an unser Wohlergehen gedacht", sprach Alma aus, was den meisten Anderen wohl durch den Kopf ging. Das Strahlen von Almas Augen, sagte noch mehr aus, als ihre Worte. "Dann nehmen sie bitte ihre Wege-Karte und kommen sie. Wir müssen uns langsam beeilen. Sie wollen sich bestimmt noch etwas frisch machen", Chris hielt innen und disponierte kurz um. "Eigentlich ist es Quatsch, was ich hier mache. Wir machen das anders. Schwester Alma, wenn sie wollen, können sie jetzt hier bleiben. Diejenigen, die ihren Wohnraum schon zu gewiesen bekamen, sollten versuchen ihre Quartiere zu finden. Ich weise jetzt sowieso nur noch die letzten Quartiere zu. Da müssen sie nicht mehr alle mitkommen", bot Chris seinen zukünftigen Kollegen an, um Zeit zu sparen. Alle waren einverstanden und signalisierten dies, durch Nicken oder positiver Zurufe.
Der Führer durch das Objekt, erinnert diejenigen, die in ihre Wohnungen wollten, nochmals an die Rettungsmannschaften. "Denken sie daran, an jeder Kreuzung gibt es Notruftelefone. An den Apparaten befinden sich Nummern. Sollten sie sich verirren und gar nicht mehr zu Recht finden, rufen sie bitten die Null-Null-Null-Eins an. Also drei Nullen und die Eins. Scheuen sie sich nicht, um Hilfe zu rufen. Sagen sie einfach die Zahl am Telefon, schon werden sie mit einem Multicar abgeholt. Wir haben uns hier, in den ersten vierzehn Tagen, ständig verlaufen. Wir haben extra für heute, eine Rettungskompanie mit vierundzwanzig Kollegen und Fahrzeugen eingerichtet. Die ihnen, wenn nötig zu Hilfe eilen. Wir haben das auch gebraucht, es muss sich dafür niemand schämen", lachend sah er die von ihm geführten neuen Mitarbeiter an. Alle nickten, die Oberschwestern, die beiden Ärzte, nahmen sich
ihre Wege-Karte zu Hilfe. Bekamen von Chris noch einige Tipps, für den schnellsten Weg und liefen los. Chris wies jetzt, das übrig gebliebenen Pflegepersonal die Wohnungen zu. Bis nur noch Fritz Jacob übrig war. "Tut mir leid Genosse Major, sie mussten leider bis zum Schluss warten. In das Haus 6, dürfen zurzeit nur sie hinein. Die anderen haben diese Sicherheitsstufe noch nicht. Folgen sie mir bitte. Ich zeige ihnen jetzt ihren Arbeits-, Forschungs- und Wohnbereich. Sie müssen für jeden, der diesen Bereich betreten soll, einen Antrag, bei Major Mayer stellen. Das hört sich jetzt kompliziert an, ist eigentlich nur ein Telefonat. Dann werden die entsprechenden Schlüsselkartencodes, für diesen Bereich freigeschaltet. Für Stunden, Tage, Woche oder für immer, wie sie das wollen." Chris ging an eine Stahltür, gab einen Zahlencode über einer Türklinke ein, zog zusätzlich seine Generalkarte durch.
Chris Martin, war einer der wenigen im "Projekt Dalinow", der über eine solche Karte verfügte. Dadurch konnte er alle Türen öffnen. Schon gab es ein leises Klicken, die Tür öffnete sich automatisch. Verwundert sah Jacob sich im Haus 6 um, hier war alles ganz anders. Bis jetzt war alles hell erleuchtet, weiß gestrichen. Hier war es dunkel, nur eine Art Notbeleuchtung war an. "Wieso ist es hier so dunkel? Hier kann man gar nicht vernünftig arbeiten?", verwundert sah Jacob Chris an. "Das kann ich ihnen nicht sagen. Ich führe sie jetzt nur in die Krankenstation, nach unten komme ich mit dieser Karte nicht. Da müssen sie Major Mayer oder Oberst Hunsinger fragen. Soviel ich weiß, sind die hier noch nicht ganz fertig", Fritz Jacob nickte. "Das ist möglich, der offizielle Start ist ja erst
im Mai. Also in vier Monaten", bestätigte Jacob, den Gedankengang von Chris. Damit liefen beide auf eine weitere Stahltür zu. Sein Begleiter öffnete diese, auch mit der Kombination von Code und Karte. Irgendwie beschlich Jacob ein ungutes Gefühl. Aber da musste er jetzt wohl durch. Er hatte den Vertrag unterschrieben, jetzt gab es kein Zurück mehr. Ganz schwach, nistete sich ein Gedanke bei ihm ein. Hatte sein Mentor irgendwo Recht gehabt? Dieser Gedanke wurde fast sofort wieder beiseite Seite geschoben, denn Jacob fielen die Augen aus dem Kopf, in dem Moment, als er die Krankenstation betrat. Er war vorhin schon begeistert, von der Krankenstation für das Personal, die sich auf der Ebene 1/gelb, unterhalb der Mensa, befand. Solche Arbeitsmöglichkeiten, hatte er nicht mal in der Uniklinik und diese war schon vom feinsten ausgerüstet. Was er hier sah, toppte das ganz Gesehene, noch um das Vielfache. Er sah mitten
in der Krankenstation, ein mit künstlichem Licht beleuchteter Wintergarten. Chris machte ihn sofort darauf aufmerksam, dass am Tag, alles vom Tageslicht erhellt wurde. Allerdings war dieser, abgeschottet zum Patientenbereich. Es gab einen extra abgetrennten Bereich für das Pflegepersonal, eine eigene kleine Apotheke, ein Röntgenapparat, fünf kleine aufs feinste ausgestattete Operationssäle, mit wirklich allem, was sich ein Arzt nur wünschen konnte. Fritz Jacobs Herz machte einen doppelten Salto. Es war wie in einem Traum, Arbeitsbedingungen vom Allerfeinsten. "Da stauen sie wohl Doktor?", sprachlos wie Fritz Jacob war, konnte keinen Ton sagen. Etwas das bei ihm selten vorkam. "Dann kommen sie mal mit Doktor, wenn ihnen das hier schon die Luft zum Atmen nimmt. Dann sehen sie sich erst einmal das Labor an. Mein Vater ist auch Arzt, der würde für das Labor, sein Leben geben", berichtete Chris dem
Chefarzt und zog den immer noch staunenden Fritz Jacob einfach hinter sich her. Der folgte widerspruchslos, seinem Begleiter. Dieser ging zu einem Aufzug, fuhr zwei Etage nach oben. Als sich die Aufzugtür öffnete, konnte sich Fritz Jacob ein: "Das gibt es gar nicht", einfach nicht verkneifen. "Ich bin im Paradies", entfuhr es ihm und er ging los, um sich die neuen Geräte anzusehen: Dispergiergerät, Zentrifugen, Verdampfer, Standautoklaven, Spektralphotometer, Binokularmikroskop und vieles mehr, entdeckte der Chefarzt. Fassungslos sah er seine Laboreinrichtung, dann Chris an. Der nickte ihm aufmunternd zu. Jacob schüttelte den Kopf. "Buahaw. Ich bin im Paradies", zu mehr, war Jacob einfach nicht in der Lage. "Sie können sich das heute Abend ganz in Ruhe ansehen. Ich möchte ihnen noch ihre Wohnung zeigen, Herr Doktor. Ich muss gleich zu einer Besprechung", schon zeigte Chris fordernd auf
den Aufzug, den er mit Jacob zusammen betrat. Gemeinsam fuhr man noch eine Etage nach oben. Wenn Fritz Jacob beim Einsteigen in den Aufzug dachte, jetzt ginge es nicht noch besser, verschlug es ihm gleich noch einmal die Sprachen. Als sich die Aufzugtür öffnet betrat er, in seinen Augen keine Wohnung, sondern einen Palast. Jacob war schon von den Wohnung Anderson begeistert und wähnte sich im Paradies. Das, was er jetzt zu sehen bekam, toppte alles bis jetzt Gesehene. Er wäre selbst mit einer so kleinen, wie nannte Chris sie gleich, Gemeinschaftswohnung zufrieden. Selbst diese waren ein Palast, gegen das, was er bis zum gestrigen Tag bewohnte. Jacob hauste in einem nur acht Quadratmeter großen Zimmer, dass er zur Untermiete bewohnte. In dem er nicht mal ein eigenes Bad hatte. Er durfte dort nur die Gästetoilette mitbenutzen. Jetzt stand Jacob im Wohnzimmer, seiner Sechs-Zimmerwohnung.
"Ich bin im Paradies", stammelte dieser zum wiederholten Male. "Bitte Chris, kneifen sie mich einmal. Ich glaube, ich träume." Chris, zwickte den ihm sehr sympathischen Doktor, einfach in den Arm. Jacob schrie laut auf. "Auwa. Ich träume nicht", brachte er nur hervor und rieb sich den Arm. Nach einer Weile des Staunens, lief er in den Raum hinein, ging mal hierhin, lief mal dahin. Dann sah er fassungslos zu Chris. "Chris, was in drei Teufels Namen, soll ich mit so viel Platz?" Chris lachte schallend über Jacob. Der völlig fassungslos da stand, wie ein kleines Kind, dem man seinen größten Wunsch erfüllt hatte. "Ach Herr Doktor, sein sie froh, zu viel Platz, kann man nie haben." Jacob schüttelte jedoch den Kopf. "Wissen sie Chris, ich habe bis gestern, auf acht
Quadratmetern gewohnt. Ich verlaufe mich hier drinnen doch", völlig von der Rolle, schüttelte dieser den Kopf und raufte sich die Haare. Chris versuchte den Arzt zu beruhigen. "Ach Herr Doktor, da gewöhnen sie sich schnell dran", meinte Chris lachend, ein Blick auf die Uhr, ließ ihn ernst werden. "Herr Doktor, es tut mir leid, ich muss wirklich los. Hier ist ihre Zugangskarte, sie können in alle Bereiche des Hauses 6 frei bewegen. Außer die Bereiche blau, grün, gelb, lila und schwarz, diese Bereiche sind noch für niemanden, außer Major Mayer und dem Hausmeister freigegeben. Also Herr Doktor, sie ziehen die Karte einfach durch, geben einen Code ein. Diesen Code bestimmen sie selber, merken sie sich diesen Code gut, sonst gibt es dann Probleme. Diese Karten lassen sich nicht so einfach umprogrammieren. Damit ist ihre Karte gespeichert. Soll ich ihnen dabei noch helfen?" Jacob schüttelte den Kopf, er hatte dies schon
einige Male gemacht, er kannte diese Art Karten aus der Uni in Greifswald. "Nein Chris gehen sie ruhig, ich komme schon klar. Um 20 Uhr muss ich in der Mensa sein? Dann kann ich mich ja noch zwei Stunden hinlegen. Ich bin fix und fertig. Vielen Dank für die tolle Führung. Einen schönen Abend noch, vielleicht trinken wir heute Abend ein Gläschen." Chris schüttelte den Kopf. "Tut mir leid. Das wird nicht gehen, meine Aufgabe ist hiermit leider beendet. Ab 18 Uhr beginnt mein regulärer Dienst hier im Objekt, ich gehöre, zur Rettungsmannschaft, später dann zum Bodenpersonal des Flugplatzes. Aber wir werden uns schon noch sehen. Also alles Gute, eine schöne Zeit noch, Herr Doktor", sofort drehte er sich um, verließ Jacobs Wohnung über die Treppe. "Auf Wiedersehen", rief ihm Jacob noch hinterher, die Tür war jedoch schon ins Schloss gefallen. Chris musste es wirklich sehr eilige
haben. Fassungslos schaute sich Jacob erst einmal um. Immer noch sprachlos über diese wunderschöne Wohnung, ging er, obwohl es eisig kalt war, auf den um die ganze Wohnung laufenden Balkon. Von dem aus er Blick auf den Flugplatz hatte. Verwundert stellte er fest, dass die Brüstung zum Teil aus einer Art Glas war. Im ersten Moment, dachte Jacob es würde ein Stück Brüstung fehlen. Als er aber genauer hinsah, stellte er fest, dass dieser Teil der Brüstung durchsichtig war. Vom Balkon aus konnte man über die Bäume und den Zaun hinweg sehen. Wenn man nach Norden sah und die Sicht es zuließ konnte man von hier aus bestimmt die Ostsee sehen. Sein Weg führte auf dem Balkon weiter einmal um seine Wohnung herum. Von jedem Zimmer konnte er den Balkon betreten, außer vom Bad aus. Es war im Sommer wahrscheinlich herrlich hier, da man praktisch
mit der Sonne wandern konnte, wenn man sich die Zeit dazu hatte. Jacob riss sich los, von dem wunderschönen Ausblick und betrat wieder seine Wohnung. Nach einigem Suchen, fand Jacob sogar das Bad und ging hinein. Glücklich drehte er den Hahn an der Badewanne auf, nahm sich aus dem Regal Badezusatz, schüttete diesen hinein. Oh Gott, ging es Jacob durch den Kopf. Wann hatte er das letzte Mal die Gelegenheit in einer Wanne zu liegen? Das war bestimmt zwölf Jahre her. Damals im Krankenhaus, als er verwundete war, durfte er baden. Sonst konnte er, immer nur im Krankenhaus duschen und das auch nur, wenn er mal keinen Zeitdruck hatte. Diesen Luxus würde er sich heute gönnen. Weiß der Teufel, wann er wieder einmal dazu Zeit hatte. Schon zog er sich aus, legte seine Sachen auf den Boden und stieg in das heiße Wasser. Was für ein Genuss? Schon deshalb hatte sich der Entschluss gelohnt, diesem Projekt beizutreten.
Fast eine Stunde blieb er in der Wanne liegen, genoss einfach die Entspannung. Dann stand Jacob auf, wusch sich und duschte sich nochmals ab. Frottierte sich richtig trocken und lief hinüber in seinen Schlafraum, um den Kleiderschrank zu öffnen. Lauter weiße Overalls mit einem Emblem ein schwarzer Kreis in dem sich ein weißer Pfeil befand, über dem eine 6/1 stand, auf der rechten Brustseite. Er nahm sich T-Shirt, Turnhose, Socken aus dem Schrank zog diese an. Auch ein Paar weise Schuhe, selbst darauf befand sich das Symbol für seine Wohnung. Jacob schaute auf die Uhr. Es war nicht einmal 18 Uhr 30, also konnte er sich sein neues zu Hause, erst einmal in Ruhe ansehen. Völlig begeistert stellte er fest, dass er sogar einen eigenen Kamin besaß. Eine vollständig eingerichtete Küche, sogar der Kühlschrank wurde schon gefüllt. Kaffeemaschine, Herd waren da. Eisschrank, Mixer, Obst lag in einer
Schale. Weiter ging er, in sein zukünftiges Arbeitszimmer. Indem ein großer Schreibtisch so stand, dass man aus dem Fenster sehen konnte, davor ein Tisch mit zehn Plätzen. Links vom Schreibtisch befand sich ein großes Bücherregal, voller Fachliteratur. Die er sich sonst nie hätte leisten können. Ein Aktenschrank, in dem leere Dossier mit den Nummern von 1 bis 100 hingen. Nebenan, hatte er sogar noch ein eigenes kleines Labor, für Forschungen die er nach Feierabend, noch hier oben weiter fortführen musste. Selbst ein Gästezimmer war eingerichtet, stand ihm also zur Verfügung. Aber auch einen Fitnessraum besaß er. So musste er nicht einmal nach vorn in die Halle, um sich fit zu halten und sparte sich so den weiten Weg. Sogar eine kleine Sauna entdeckte er, in seinem Badezimmer, als er eine Holztür öffnete. Diese ließ den Blick frei nach draußen in den Park, da die Frontseite der Sauna gänzlich aus Glas bestand. Jetzt wurde
ihm auch der Sinn der Glasbrüstung klar. Trotzdem ging er nochmals auf den Balkon nur um sich eine Bestätigung dessen zu holen, was er vermutete. Ein Blick vom Balkon aus in die Sauna, klärte ihm darüber auf, dass man zwar hinaus, aber nicht hinein schauen konnte. Kopfschüttelnd ging er zurück ins Schlafzimmer, um sich fertig anzuziehen. Unter den Overall zog er einen langärmligen Pullover, um sich warm zu halten. Denn Jacob hatte sich überlegt, dass er durch den Park zur Mensa laufen würde. Wenn er ehrlich war, hatte er keine Ahnung, wie er durch das Wirrwarr der Gänge, den Weg zurück finden sollte. Das musste er sich morgen einmal in Ruhe ansehen. Im Spiegel begutachtet er sich, nickte sich lachend zu. "Jetzt musst du dich aber, mit Sie ansprechen", erklärte er seinem Spiegelbild und fing schallend an zu lachen. Dann fuhr er sich durch seine Stoppeln, zog den Reißverschluss des Overalls
richtig hoch, hing sich die Schlüsselkarte um. Jacob verließ mit der Wege-Karte in der Hand, die Wohnung. Eilig lief er nach unten und aus dem Haus. Halb rennend, da es eisig kalt war, hastete er auf die Mensa zu, zog die Karte durch den Schlitz und öffnete die Tür. Schon war er wieder im Warmen. Der Diensthabende in der Anmeldung, blickte ihm lachend entgegen. "Na Herr Doktor, innen entlang war ihnen wohl zu gefährlich." Jacob grinste zurück und nickte. "Da wäre ich wahrscheinlich, in drei Wochen noch nicht hier oder unterwegs irgendwo erbärmlich verhungert. Ich glaube nicht, dass ich den Weg überhaupt gefunden hätte", konterte der Chefarzt, jetzt schallend lachend. "Das glaube ich ihnen gern", der Posten an der Anmeldung, nickte Jacob grüßend zu. Jacob lächelte ihn nochmals zu und betrat den großen Saal.
Als der zukünftige Chefarzt des "Projektes Dalinow" die Mensa betrat, in der schon viele Leute versammelt waren, staunte er nicht schlecht. All seine neuen Kollegen, waren schon versammelt, mit den vielen verschiedenen farbigen Overalls, waren es ein wirklich bunter Haufen. Auch die Pfeile in den Emblemen hatten unterschiedliche Farben. Da entdeckt er Anna, die wie er einen weißen Overall trug, mit einem roten Pfeil darüber die Zahl 5/1. Sie gehört also zu seinem Team, genau wie Alma, Anett und Ingrid. Also hieß, dass nichts anderes, als dass das medizinische Personal, weiß trug. Die Laboranten dagegen trugen hellblau, stellte Jacob fest. Gerade hatte er Walter Zolger entdeckt. Den Hausmeister hatte er auch schon entdeckt, dieser trug orange. Dann schien das Wachpersonal grün zu tragen, denn Chris trug einen grünen Overall. Na das war doch
übersichtlich, dachte sich Jacob. Die Kollegen mit den schwarzen Overalls, konnte er noch nicht zuordnen, aber dies würde er in den nächsten Tagen noch herausbekommen. Zielstrebig steuerte Jacob auf die Gruppe seiner Mitarbeiter zu. "Guten Abend die Damen und die Herren. Na wie ich sehe, haben auch sie, alle den Weg hierher gefunden", gab Jacob lachend seinen Untergebenen kund. Diese lachten vergnügt zurück. Anna, wie von Anfang an freimütig. "Ich wurde gerettet. Nach einer dreiviertel Stunde, des Herumirrens, fand ich ein Telefon und habe furchtbar laut, um Hilfe geschrien", alle anderen nickten, ihnen erging es nicht besser. "Ich auch", kam von allen Seiten. Fragend sah man Jacob. Dieser zog verlegen die Schultern hoch. "Ich habe gemogelt, bin einfach durch den Park. Ich hätte sonst niemals hier her gefunden. Ich denke
wir müssen morgen als Erstes, eine Exkursion im Objekt machen. Wie finde ich mich zurecht?", machte er einen sinnvollen Vorschlag und sah die neuen Kollegen an. So schwatzen, flachsen man eine Weile herum. Punkt 20 Uhr betrat Oberst Hunsinger die Bühne. "Guten Abend meine Damen, meine Herren. Wie ich erfahren habe, hatte unsere Rettungskompanie, alle Hände voll zu tun. Aber das macht nichts. Keine Angst, in ein paar Wochen haben sie sich an die Größe des Objektes gewöhnt. Dann finden sie den Weg in Richtung Mensa immer. Herzlich Willkommen, noch einmal von mir. Nehmen sie Platz und genießen sie diesen Abend. Ich wünsche ihnen allen viel Spaß, tanzen sie etwas und trinken sie nicht zu viel. Bis später", schon war Hunsinger wieder von der Bühne verschwunden. Ein ganzer Trupp, der Versorgungskompanie, betrat den Saal und brachte Klöße Gänsebraten Rotkohl. Schweinebraten, Schnitzel,
Mischgemüse, Kartoffeln, aber auch Nachspeise auf den Tisch. Der sich unter der Last zu biegen begann. Es wurde gegessen, gelacht und geschwatzt. Eine dreiviertel Stunde später, wurden die Tische genauso schnell wieder abgeräumt und neu mit Gläsern und Getränken gedeckt. Plötzlich standen hinter der Bar, Mitarbeiter des Servicebereiches, die auf ihre Gäste warteten und auf die Tische, wurden Weinkühler gestellt. Man fragte die Gäste, was sie trinken wollten, die Stimmung wurde immer besser. Plötzlich jedoch wurde es dunkel in der Mensa. Das Licht auf der Bühne ging an. Ein Kulturprogramm wurde vorgeführt: mit Kabarett, Zauberei, Artistik, alles vom Feinsten. Die Künstler bekamen viel Applaus, die Stimmung wurde immer entspannter. Kurz vor 23 Uhr begann eine Band zu spielen und viele fingen an zu tanzen. "Herr Doktor, haben sie auch Lust zum Tanzen,
wollen wir es einmal zusammen versuchen, ob es mit uns klappt? Oder ob wir uns eher auf den Füßen herum hopsen?", fragte Schwester Anna den Chefarzt, der ihr sofort sympathisch war. Da Jacob nicht wie die anderen neun Ärzte, auf Distanz und Abstand bedacht war. Dieser junge gut aussehende Arzt, hatte sofort ihr Herz erobert. "Na klar, versuchen können wir es ja mal, aber auf eigene Gefahr. Zur Not leiste ich erste Hilfe", antwortet ihr Jacob sofort, auf seine natürliche und unkomplizierte Art. Dies brachte ihm von Seiten der Schwerstern schallendes Gelächter ein und von Seiten seiner Kollegen missbilligende Blicke und ein Kopfschütteln. Die nicht verstehen konnten, dass der Chefarzt sich mit den Untergebenen amüsierte. Fritz Jacob war sich in den letzten Stunden bewusst geworden, dass er nicht siebzehn Jahre auf Distanz, zu den Leuten hier bleiben konnte. Deshalb hatte er vorhin in der Badewanne schon
darüber nachgedacht, wie er sich heute, bei der Willkommensfeier, verhalten sollte. Ob er auf Distanz gehen oder ein offenes respektvolles freundschaftliches Verhältnis zu den Schwestern und Ärzten aufbauen sollte. Ihm wurde bewusst, was ihm sein Mentor über Menschenführung beigebracht hatte. Hillinger sagte immer zu ihm. "Fritz, eine strenge freundschaftlich, respektvoll geführte Hand, bewirkt stets mehr, als absoluter Gehorsam. Dies ist auch beim Militär so. Deine Mitarbeiter werden dann offener, bringen mehr gute Ideen ein und Kritik eher zur Sprache. Da sie dann keine Angst vor Konsequenzen haben müssen, als wenn man diese auf Gehorsam trimmt." Mit viel Wehmut dachte Jacob an seinen Mentor. Kurz huschte ein dunkler Schatten über Jacobs Gesicht, den er gleich wieder verscheuchte. So war sein Mentor nun einmal und genauso, war er mit seinen Leuten
umgegangen. Hillinger fand es stets eine Bereicherung, wenn neue Leute ins Team eingeführt wurden. Deshalb tanzte, lachte und sang Jacob zum Schluss sogar mit den Frauen. Um ein Uhr beendete Hunsinger die Feier, wünschte allen eine gute Nacht. Gemeinsam gingen Schwester Anna, Doris, Sabine, Pia, Alma und Jacob in Richtung des Haus Nummer 5 und versuchten sich an Hand der Wege-Karte zu orientieren. Lachten schließlich über sich selber, als sie das dritte Mal an derselben Stelle herauskamen. Sie liefen ständig im Kreis. Nach fast einer Stunde ziellosen Herumirrens, bat man dann schließlich die Rettungstruppe um Unterstützung. In dem man die Notrufsäule benutzte. Nur drei Minuten später kam ein Multicar, auf dem zehn Personen Platz fanden, um alle zu ihren Quartieren zu fahren. Lachend erklärte der Fahrer der Rettungskompanie, dass wirklich alle der
hundertfünfundsechzig Leute, heute irgendwo abgeholt werden mussten. Jacob wäre der letzte gewesen, der bis jetzt noch nicht gerettet wurde. Der Fahrer gab einige sehr nützliche Tipps, zum Umgang mit den Wege-Karte. Jacob bestellte sich den jungen Unterleutnant, für früh um 6 Uhr in seine Wohnung. Wo dieser ihm im ausgeschlafenen, wieder aufnahmefähigen Zustand, dies noch einmal genau erklären sollte. So dass er in der Lage war, dieses Wissen an seine Leute weiterzugeben. Der junge Mann war gern dazu breit und nickte. Bat aber daraufhin den Chefarzt um Verständnis, dass man das Treffen auf 6 Uhr 30 verlegen müsste. Da früh erst eine Besprechung bei Mayer angesetzt war. Jacob stieg vom Multicar und ging auf die Sicherheitstür zu, durch die er zum Aufzug in seine Wohnung gelangte. Dann fuhr er das erste Mal in seinem Leben, in seine eigene Wohnung. Dort fiel er, so wie er war ins Bett, zu müde von den vielen Informationen, von dem Erlebten
und von der Feier. Traumlos schlief er bis früh um 6 Uhr 30. Genau um diese Zeit, wurde der Chefarzt wach geklingelt. Unterleutnant Corsten, der Fahrer vom Vorabend, stand an der Tür des Chefarztes. Jacob sah Corsten, total verschlafen an. "Genosse Major, soll ich später wieder kommen?" Jacob schüttelte den Kopf. "Kommen sie rein. Ich heiße im Übrigen, Fritz. Lassen sie den Major in meinen privaten Räumen weg", Corsten nickte. "Gern, bin der Heiko, Heiko Corsten." "Dann komm rein Heiko, willst du auch einen Kaffee? Ich glaube der letzte Kaffee gestern, war wohl schlecht", erklärte Jacob grinsend. Blickte sich suchend in der Wohnung um. Verdammt nochmal, dachte er bei sich. Wo war gleich die Küche? Dann ging er auf eine Tür zu und schüttelte den Kopf. Das war das Labor. "Heiko, hilf mir suchen, ich weiß nicht mehr, wo die Küche ist. Wir müssen sie erst finden, wenn
du ein Kaffee willst", stellte er lachend fest. Es war ihm zwar irgendwie peinlich, dass er nicht mehr wusste wo die Küche war, aber es war auch lustig. Jacob konnte in solche Situationen immer noch herzhaft über sich selber lachen. Deshalb versuchte er es einfach an der nächsten Tür. Heiko fand das auch gar nicht schlimm und beteiligte sich an der Suche. Jacob war froh, er hatte das Bad gefunden. Schließlich wurde Corsten fündig, er rief auf Jacobs Stichelei eingehend. "Fritz, hier ist die Küche, ich hab mir meinen Kaffee verdient." "Na danke dir, Heiko. Verdammt ich verlaufe mich hier drinnen. Die Wohnung ist viel zu groß für mich. Setze dich, gleich gibt's Frühstück", schon war er ebenfalls in der Küche verschwunden. Schnell suchte Jacob alles zusammen, was man zum Frühstück brauchte und stellte es auf den Tisch. Kochte Kaffee, röstete Schnitten in einem Toaster, kochte Eier. Es dauerte keine
zwanzig Minuten und schon saßen die beiden Männer am Frühstückstisch, tauschten ihre Gedanken aus. Corsten erklärte Jacob noch einmal die Wege-Karte, die ganz einfach zu handhaben waren, wenn man denn wusste wie. Straußend und scherzend frühstückten die Beiden dabei, Jacob erfuhr viel über dieses Projekt. Corsten war schon sehr lange Zeit auf dem Gelände und hatte die gesamte Bauphase miterlebt. Es waren interessante Informationen, die der zukünftige Chefarzt bekam. Immer wieder wies Corsten daraufhin, dass Jacob sich unter den Ärzten positiv hervorhob. "Fritz, du bist ja super drauf. Die meisten anderen Ärzte haben uns behandelt, wie Abschaum. Dabei bist du hier der Chefarzt." Jacob zuckte mit den Schultern. "Na und. Das ist auch nur ein Titel. Ich wasche mich deshalb, auch nur mit Wasser. Was sagt ein Titel über einen Menschen aus. Wichtig ist, wie der Mensch hier drinnen ist", damit zeigte Jacob auf
sein Herz. Gähnend saß Corsten am Frühstücktisch, rieb sich die Augen. "Na ich glaube, du musst auch einmal ins Bett", stellte Jacob trocken, zu seinen neuen Bekannten fest. "Ja, ich bin todmüde. Wir sind seit Wochen, kaum zum schlafen gekommen. Du glaubst nicht, was in den letzten Monaten hier los war. Wir waren hier nicht nur zur Bewachung da, sondern waren auch Bauhelfer und Handwerke. Glaube mir, sonst wäre das bis heute nicht fertig geworden. Wir haben hier nie länger als vier bis fünf Stunden geschlafen. Ich hoffe nur, dass es jetzt etwas ruhiger wird." Jacob grinste breit. "Wo bist du eigentlich eingeteilt, Heiko?" "Fritz, ich gehöre eigentlich zum Bodenpersonal des Flugplatzes und der Luftüberwachung. Aber die fängt erst im Februar an, wenn das Objekt völlig versiegelt ist. Bis dahin gehöre ich zur
Rettungsmannschaft, die hier mehr als notwendig ist. Dieses Objekt macht mich wahnsinnig. Immer, wenn ich dachte, jetzt finde ich etwas ohne diese verdammte Wege-Karte, habe ich mich prompt wieder verlaufen", berichtete er betrübt. Jacob nickte. "Das kann ich mir vorstellen. Verdammt vom Eingang aus, sieht das hier so winzig und unscheinbar aus. Aber durch die Röhren, von denen du mir vorhin erzählt hast, ist das schon vorstellbar. Trotzdem verstehe ich nicht, wo die diese ganzen Korridore her gezaubert haben, so groß ist das Gelände überhaupt nicht." Corsten zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung Fritz. Ich denke die haben hier überall Spiralen eingebaut, damit das Gefälle nicht zu stark wird. Aber du kannst mir eins glauben, mit der Zeit wird’s besser, Fritz. Du wirst es sehen. Danke für den Kaffee, soll ich dich irgendwo mit hinnehmen oder abholen?", der Chefarzt
schüttelte den Kopf. "Nein, sehe mal zu, dass du ins Bett kommst und vor allem etwas schläfst, Heiko. Wir sehen uns bestimmt in den nächsten siebzehn Jahren nochmal", meint der Chefarzt trocken. "aus den Augen, können wir uns trotz der Größe des Geländes, bestimmt nicht verlieren. Irgendwann trinken wir bestimmt noch mal einen Kaffee zusammen. Danke noch einmal für die tolle Erklärung der Karten, das wird uns sehr helfen." Sofort stand Heiko Corsten auf und hielt Jacob die Hand hin. "Dann auch von mir noch ein "Herzlich Willkommen, bis später", sofort verschwand Heiko aus der Küche und man hörte nur noch die Tür ins Schloss fallen. Es war bereits kurz nach 8 Uhr, als Jacob auch den Frühstückstisch verließ, den Tisch abräumte und duschen ging. Sofort machte sich Jacob auf den Weg zur Mensa. Er wollte nicht gleich am ersten Tag zu spät kommen. Durch das Erklären der
Wege-Karte, fand Jacob sofort den Weg. Da er damit gerechnet hatte, sich zu verlaufen, traf er viel zu zeitig ein, aber er war wenigstens pünktlich. Jacobs Ärztekollegen nahmen ihn sofort in Beschlag. Kurz vor 9 Uhr 30 holte Mayer, Jacob und Zolger, zu einer ersten Dienstbesprechung ab. Der Alltag hielt Einzug im "Projekt Dalinow". Eine Schulung jagte die nächste, die Besprechung der Mitarbeiter und des Führungsstabes löste einander ab. Trotzdem war es ein gemäßigtes Arbeiten, in dem man auch noch Zeit für die schönen Dinge im Leben hatte. Es waren einige Schlichtungen zwischen den Ärzten und Schwestern nötig. Einige seiner Ärztekollegen, behandelten ihre zugeordneten Schwestern, wie den letzten Dreck. So verging Woche um Woche, schnell war ein viertel Jahr vorüber, in dem die Teams Zeit hatten zusammenzuwachsen. Es gab viele "blaue
Flecken" und auch einige tiefe und ernsthafte "Blessuren", aber dadurch konnten sich viele Ecken und Kanten abschleifen. Der Chefarzt hatte alle Hände voll zu tun, um aus dem Haufen zusammengewürfelter Menschen ein Team zu formen, in dem sich einer auf den anderen verlassen konnte. In einer Sache waren sich, bis auf wenige Ausnahmen alle einig, man freute sich über die Zusammenarbeit mit Jacob. Der Chefarzt führte seine Truppe nach dem Vorbild seines ehemaligen Mentors. Viele bauten zu Fritz Jacob ein freundschaftliches Verhältnis auf. Selbst mit Mayer hatte er sich angefreundet, der genauso leidenschaftlich, wie Jacob lief und Billard spielte. Vor allem hatte sich ein Rhythmus im Leben des neu ernannten Chefarztes herauskristallisiert. Früh um 5 Uhr, stand Jacob auf und lief eine dreiviertel Stunde, eine Runde um den Park, oft in Begleitung von Sigmar Mayer oder seinem neuen Freund Heiko Corsten. Danach ging er
duschen, im Anschluss gegen 7 Uhr 30 in die Mensa, zum Frühstücken. Zum Leidwesen, seiner zum Teil sehr hochnäsigen Ärztekollegen, zog er sich nicht in die Offiziersmesse zurück. Jacob Frühstückte in der Mensa zusammen mit seinen Mitarbeitern, an einen Tisch. Er nutzte diese Zeit, um kleinere Probleme in seinem Team zu besprechen. Durch diese offene "Personalpolitik" stand er auf der gleichen Stufe mit seinen Mitarbeitern und konnte bei Spannungen schneller reagieren. Einige seiner Ärztekollegen hatten sich schon den Gepflogenheiten des Chefarztes angeschlossen und aßen ebenfalls in der Mensa, so dass die meisten der Ärzte zu den Schwestern ebenfalls ein freundschaftliches Verhältnis aufbauten. Von den wenigen Ärzten, die sich absonderten, wurde er als Außenseiter betrachtet. Das konnte Jacob allerdings nicht ändern. Dies waren auch die Ärzte, mit denen es ständig Probleme gab. Wichtig war ihm, dass er
zu der Mehrheit seiner Untergebenen ein gutes Verhältnis aufbaute. Schließlich musste er mit den Schwestern und Ärzten eng zusammenarbeiten. Da Walter Zolger sein Team nach der gleichen Methode führte und stets mit seinen Laborantinnen aß, fand er es nicht schlimm. Er konnte es nicht allen Rechtens machen. Dass ein Teil der Ärzte ihn nicht sonderlich mochten, lag in Jacobs Augen nicht daran, dass er nicht in der Offiziersmesse speiste, sondern an deren Überheblichkeit. Sie hielten sich für etwas Besseres. Wahrscheinlich waren sie so gegen ihn eingestellt, weil vom Alter her ihnen der Chefarztstuhl zugestanden hätte. Mit der Missgunst einiger Kollegen, hatte er schon in der Uniklinik zu kämpfen gehabt. Diese Kollegen konnte er nur mit viel Feingefühl, vom Gegenteil überzeugen, das brauchte Zeit und die hatte er zur Genüge. Es waren drei von insgesamt fünfzig Mitarbeitern. Mit diesen zum
Teil hochnäsigen Kollegen konnte er nur zusammenarbeiten, in dem er sie akzeptierte wie sie waren. Wenn sie sich nicht anpassen konnten oder ständig weiter gegen das Team arbeiteten, würden sie zu denen gehören, die als erstes gingen. Selbst zum Wachpersonal war Jacobs Verhältnis sehr gut, vor allem aber zum Team des Hausmeisters und vor allem, zum Team der Küche. Immer wieder einmal mussten kleine Blessuren behandelt werden und so kam der Chefarzt, der sich nicht zu schade war jeden der zu ihm kam zu behandeln. Die Zusammenarbeit mit dem Küchen- und Servicekräften, war sehr gut, dies war auch wichtig. Ab und zu, hatte Jacob schon mal die eine oder andere Mahlzeiten verpasst. Die Küchenfeen, wie Jacob, das Küchenpersonal immer liebevoll nannte, versorgten ihn auch später noch mit einer warmen Mahlzeit. Da den Chefarzt alle mochten. Also würde er es auch bei den drei Ärzten noch schaffen.
Fast vollständig zufrieden war Jacob mit seinem derzeitigen Leben. Nur eine winzige Sache störte ihn von Tag zu Tag mehr. Das war die Tatsache, dass er immer noch keine genauen Unterlagen über das eigentliche Projekt in der Hand hielt. Täglich vertrösteten ihn Mayer, aber auch Hunsinger. Beide entschuldigten sich in regelmäßigen Abständen, wegen der zeitlichen Verschiebung. Langsam aber sicher, brannte Jacob die Zeit unter den Nägeln. Denn es ging mit riesigen Schritten auf Ende April zu. Der Chefarzt hatte alle Schulungen, die man ihn vorgeschlagen hatte, durchgeführt. Auch einige in seinen Augen unzweckmäßige Weiterbildungen. Zu was bitte, brauchte man Kinderheilkunde hier in diesem militärischen Projekt. Jacob war allerdings der Meinung, dass ein mehr Wissen nicht schaden konnte. Deshalb führte er auch diese Schulungen gewissenhaft durch. Irgendwie musste er seine
Kollegen beschäftigen und bei guter Laune halten. Langeweile konnte er sich nicht leisten, das würde für das Arbeitsklima nicht gut sein. Mittlerweile, brauchte kaum noch jemand die Rettungskompanie, weil alle mit den Wege-Karte zurechtkamen. In einem waren sich alle Kollegen einig, sie fanden es immer noch wunderschön und erholsam hier...
~ 29. April 1958 ~ Am Dienstagmorgen, kurz nach 5 Uhr schreckte Jacob aus dem Tiefschlaf. Verdammt er hatte es verschlafen. Schnell sprang er aus dem Bett und zog sich, ungeduscht, die Trainingssachen an. Lief hinunter in den Park, vor zum Haus 2, vor dem Sigmar Mayer schon seit zehn Minuten ungeduldig auf ihn wartete. "Morgen Sigmar, entschuldige ich habe es total verschlafen. Ich habe gestern viel zu lange gearbeitet und habe dann bis heute früh um 3 Uhr einen Test ausgewertet. Ich wollte einfach fertig werden und nicht heute noch einmal von vorn anfangen.", verlegen zog Jacob die Schultern hoch und rieb sich den Nacken. Lachend sah Mayer zu dem völlig verschlafen aussehenden Jacob. "Nicht schlimm Fritz, komm lass uns loslaufen."
Sofort setzten sie sich die beiden Freunde in Trapp, liefen die gewohnte Runde: einmal auf dem Wachstraßenring, ums Objekt. Das war eine Strecke von reichlichen zwanzig Kilometern. Jacob zog das Tempo etwas an, damit man die verlorenen zehn Minuten wieder aufholte. Er wusste mittlerweile, dass Mayer einen sehr enggesetzten festen Zeitplan besaß. Den Mayer, egal was kam, nie aus den Augen ließ. Oft hatte sich Jacob gewundert, wie der ihm am Anfang sehr unsympathische Kollege, sein Arbeitspensum schaffte. Langsam wurde es ihm klar, ein sehr gut durchorganisierter Tagesablauf ermöglichte dies. Dieser Zeitplan wurde gepaart mit einer wahnsinnigen Disziplin, in allem, was Sigmar Mayer tat. Nichts konnte ihn von seiner einmal festgelegten Reihenfolge in der Arbeit abbringen. Stur wie ein Stier, ging er diese, Schritt für Schritt durch, kam es zum Verzug, knappte er die fehlende Zeit, stets von seiner
kurz bemessenen Freizeit ab. Deshalb lief Jacob jetzt ein schärferes Tempo, damit Mayer wenigstens in Ruhe, mit seiner kleinen und schwer behinderten Tochter Frühstücken konnte. Zur gewohnten Zeit, kurz nach halb Sieben, erreichten sie den Ausgangspunkt des Laufes. Beide waren völlig aus der Puste. Sigmar Mayer, schüttelte den Kopf und sah Jacob lächelnd an. Er wollte gerade ins Haus gehen, als ihn Jacob, kurz an Arm packte und ihn so, um einen Augenblick Zeit bat. Schwer atmend, wandte er sich an Mayer. "Sigmar … hast du schon etwas ... von Hunsinger gehört? … Wann bekommen wir ... endlich die Unterlagen … zum Durcharbeiten? … Es sind nur noch zwei Tage. … Ich möchte wenigstens einmal ... in Ruhe hineinsehen. ... Bevor der ganze Spaß hier anfängt …oder wird der Start noch einmal verschoben?" Mayer schüttelte den Kopf. "Fritz, der Start
erfolgt wie geplant, um 9 Uhr, am Donnerstag. Heute ist erst Dienstag, wir bekommen heute Abend die Unterlagen von Hunsinger, soviel ich weiß. Zur ersten Sichtung. So viele neue Informationen, stehen dort bestimmt nicht drin. Die meisten Sachen weißt du doch schon, aus deinen Unterlagen. Du hast also noch anderthalb Tage", Mayer sah prüfend und vorwurfsvoll auf seine Uhr. "In Ordnung und danke Sigmar, lass dir das Frühstück schmecken. Gib Ilka ein Küsschen", er ließ Mayer stehen, der in seinem Haus verschwand. Jacob selber lief im lockeren Tempo, die kurze Strecke nach hinten, in Richtung Flugplatz, zu seinem Haus, um zu duschen. Kaum zwanzig Minuten später, erschien er, pünktlich wie immer, beim Frühstück. Die geplante Schulung über frühkindliche Funktions- und Sprachstörungen, hatte er gestern schon vorbereitet. Also genoss er das Frühstück, im
Kreise seiner Freunde. Schnell wie die ganzen anderen Tage, neigte sich dieser vorletzte, normale Arbeitstag, seinem Ende zu. Kurz vor 21 Uhr des 29. April 1958, landete ein Flugzeug im "Projekt Dalinow". Einige Minuten später, kam es zu einer personengebundenen Lautsprecherdurchsage, die nur in bestimmten Räumen und für die betreffenden Personen, zu hören war. Da man auf Grund der Schlüsselkarten, stets nachvollziehen konnte, wer sich an welchen Ort gerade aufhielt. "Die Führungsoffiziere, bitte in der Offiziersmesse einfinden." Mayer schaltete jetzt alle Lautsprecher im Projekt frei, so dass er eine Durchsage für alle Anwesenden machen konnte. "Für den morgigen Tag ist für alle Kollegen, außer der Wachmannschaft, ab 9 Uhr ein Ausflug geplant. Dieser ist Pflicht. Bitte erscheinen sie alle pünktlich zum Abflug, um 9 Uhr, in der Mensa. In ziviler Kleidung. Danke,
schönen Abend noch", beendet Mayer seine Durchsage an das Personal. Sofort verabschiedete sich Jacob, von seinen Kollegen am Tresen der Mensa und lief nach hinten in die Offiziersmesse. Dort saßen schon Walter Zolger, aber auch Hunsinger und Mayer. "Guten Abend, nehmen sie Platz", fuhr Hunsinger ungehalten Jacob an, der als letzter erschienen war. Jacob setzte sich verwundert. Er hatte keine zwei Minuten bis hierher gebraucht. Aber was soll´s, da musste er jetzt wohl durch. Er verstand zwar überhaupt nicht, mit was er sich diesen Anpfiff eingehandelt hatte, aber was sollte er dagegen tun. Normalerweise, hatte man fünfzehn Minuten Zeit, um auf diese Durchsage zu reagieren. Durch die Größe des Objektes, war dies einfach notwendig. Selbst durch den Park brauchte Jacob von seinem Labor oder seiner Wohnung bis in die Offiziersmesse, gute zehn Minuten
und das im Laufschritt. Da musste er aber richtig Gas geben. Im normalen Tempo brauchte er eine reichliche halbe Stunde. Etwas genervt und vor allem ungerecht behandelt, fühlte sich der Chefarzt schon. Aber er wusste auch, dass es nichts bringen würde, sich darüber zu beschweren. Jacob schluckte den Ärger einfach herunter und setzte sich erwartungsvoll auf einen Stuhl. Er konnte es sich allerdings nicht verkneifen, etwas zu provozieren und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. Hunsinger war gar nicht bewusst geworden, dass er Jacob derart angeschnauzt hatte. Der Projektleiter war einfach nur genervt, von dem heutigen Tag und wusste nicht, wie er seinen Untergebenen diesen ganzen Mist, den auch er heute erst erfahren hatte, beibringen sollte. Er war regelrecht geladen und könnte explodieren oder laut schreiend an die Decke gehen, was er aber nicht tun konnte. Manchmal stank ihm sein Job zum Himmel. Er hasste ihn manche Tage nur
noch. Er sehnte sich so nach Ruhe und Entspannung, dieser Stress machte ihn einfach kaputt. Hunsinger hatte wieder einmal einen Horrortag hinter sich gebracht. Er wolle nur nach Hause und ins Bett. Aber erst musste er dieses Gespräch, vor dem es ihm graute hinter sich bringen und dann brauchte er bis nach Hause, nochmal gut zwei Stunden. Es würde wieder einmal eine sehr kurze Nacht werden. Müde rieb er sich den Nacken und holte noch einmal tief Luft. Gestresst sah er seine Führungsoffiziere an. Im Stillen hoffte er, dass diese Männer sich wie Offiziere verhalten würden und nicht wie diese gewissenlosen Wissenschaftler. Das seine Offiziere hier vor Ort, das, was er zu sagen hatte, als Befehl annahmen, ohne zu diskutieren. "Meine Herren, guten Abend. Für meine miese Laune, gibt es keine Entschuldigung. Dies kommt bei mir nur sehr selten vor. Aber ich denke, sie werden es gleich verstehen, warum
ich so mies drauf bin. Dass sie erst heute die Projektunterlagen erhalten, denke ich wurde vom Institut mit Absicht so gehandhabt, darauf konnte ich keinen Einfluss nehmen. Ich bekam diese selber erst heute ausgehändigt und langsam begreife auch warum. Ich schlucke immer noch an dem, was ich heute früh erfuhr. Erst heute Vormittag, bekam ich das vollständige Projekt, vom Institut und den zuständigen Wissenschaftlern komplett erläutert. Ihre schriftlichen Unterlagen erst vor zwei Stunden ausgehändigt. Oder besser gesagt erst, als ich schon mit einem Bein, im Flugzeug hier her war. Was ich da zu hören und zu lesen bekam, brachte mich fast dazu, dieses gesamte Projekt zu kippen. Leider habe ich genau wie sie, keinerlei Einfluss mehr darauf. Wir haben "A" gesagt, müssen jetzt also auch mit dem "B" leben. Das wurde mir von ganz oben befohlen. Es gibt kein Wenn und Aber. Nachdem ich, während der Besprechung in Berlin, regelrecht
ausgeflippt bin, hat man mir die Pistole auf die Brust gesetzt. Wir müssen deshalb alle versuchen, aus dieser verfahren Situation, das Beste zu machen. Egal, ob es uns gefällt oder nicht. Hier ist der Befehl, den ich heute bekam", damit griff er in die Innentasche seiner Uniformjacke und schmiss wütend einen Briefumschlag, auf den Tisch. Schwer atmend und sich die Haare raufend, sah er die vor ihm sitzenden Männer an. Mit Verzweiflung in der Stimme und einem Blick der mehr aussagte, als die nachfolgenden Worte, fuhr er fort. "Wir kommen alle wie wir hier sitzen, nicht mehr aus diesem Projekt heraus. Wir müssen dieses bis zum bitteren Ende, das heißt bis Ende September 1975, durchziehen. Es gibt kein Zurück mehr. Ich frage mich allen Ernstes, wie wir das schaffen und mit unserem Gewissen vereinbaren sollen. Mir ist klar, dass wir Soldaten sind und gelernt haben Befehlen zu
gehorchen. Aber das hier ist schon verdammt starker Tobak. Verdammt nochmal, was haben wir uns da nur eingebrockt …", müde rieb sich Hunsinger das Gesicht. Jacob starrte den Vorgesetzten fassungslos an. Er wusste nicht, was er von der eigenartigen Rede und dem Verhalten Hunsinger’s halten sollte. Er konnte dies alles, irgendwie nicht richtig einordnen. Der Chefarzt wollte sich gerade erkundigen, was denn überhaupt los wäre, als der Projektleiter schon weitersprach. "… es sind einfach schon zu viele Gelder, in dieses Projekt geflossen. So dass wir jetzt keinen Rückzieher mehr machen können. Ich weiß, dass ich die nächsten achtzehn Jahre, nicht mehr ruhig schlafen kann. Aber es lässt sich nun nicht mehr ändern. Wir müssen alle für uns selber einen Weg finden, wie wir damit klar kommen. Genau wie sie, meine Herren, bin ich die ganze Zeit davon ausgegangen, dass wir erwachsene Soldaten für dieses Projekt
zugewiesen bekommen, die nach bestimmten Kriterien ausgesucht wurden. Sie, werden genau wie ich vor zwölf Stunden, schockiert sein, wenn sie erst einmal, in diese Unterlagen hineinsehen. Ich kann mich bei ihnen dafür nicht einmal entschuldigen, warum auch. Ich habe es bis heute früh ebenfalls nicht gewusst. Ich bekam die gleichen Informationen über dieses Projekt, wie sie. Bitte sehen sie sich, diese verdammte Sauerei mal an. Ich bin völlig fertig mit den Nerven. Ich bin viel gewohnt, dies ist allerdings zu viel." Wütend stand Hunsinger auf und lief auf einen mit einer Codekarte gesicherten Tresor-Koffer zu. Langsam öffnete er diesen. Der Projektleiter entnahm ihm, drei dicke Ordner. Legte Mayer, Zolger, wie auch Jacob, je einen dieser Ordner vor die Nase und ließ sich schweratmend auf den Stuhl fallen. Man sah ihm an, dass er völlig fertig war. Hunsinger legte den Kopf in den Nacken und rieb sich ständig abwechselnd den
Nacken und das Gesicht. Jacob beobachtete in Sorgen seinen Vorgesetzten. ‚Um Himmels Willen, was war mit Hunsinger los?‘, ging es dem Arzt durch den Kopf. Jacob sah Hunsinger fragend an. Ohne auch nur einen Blick, in die vor ihm liegenden Unterlagen zu werfen oder diesen auch nur einen Funken Beachtung zu schenken. "Franz, geht es dir nicht gut? Kann ich etwas für dich tun?", wollte Jacob besorgt von seinem Chef wissen. Hunsinger schüttelte den Kopf und sah Jacob völlig entnervt an. "Fritz, sieh dir erst einmal diesen ganzen Mist an. Dann weißt du, was mit mir los ist", gab er ihm bedrückt Auskunft. Jacob zog sich daraufhin den Ordner heran. Bange öffnete er diesen und begann zu lesen. Er ahnte schlimmes, wie ein Film, jagten die Erinnerungen an das Verhalten seines Mentors, durch seinen Kopf, er hoffte inständig das Hunsinger übertrieb. Nach den ersten Seiten
schon, verlor Jacob jegliche Gesichtsfarbe, mit jeder Seite die er mehr las, wurde ihm noch schlechter. Er konnte Hunsinger gut verstehen. Kopfschüttelnd und ungläubig überflog er Seite für Seite. Es wurde immer schlimmer. Es artete, in ein immer unmenschlicheres Unternehmen aus. Jetzt begriff Jacob das Verhalten von Hillinger, seinem Mentor. Der an diesem Projekt mitgearbeitet haben musste. Es befanden sich einige seiner Ideen, aus der Biochemie, aber auch aus der Genetik in diesen Unterlagen. Deshalb wusste Hillinger also sofort, was es mit dem "Projekt Dalinow" auf sich hatte. Deshalb musste Hillinger nicht in die Unterlagen sehen. ‚Verdammt noch mal‘, ging es Jacob beim Lesen immer wieder durch den Kopf, ‚weshalb hat er nicht mit mir darüber gesprochen? Wenn ich das gewusst hätte, dann wäre ich nie, zu diesem menschenunwürdigen Projekt gegangen‘. Keiner von den vier im Raum Anwesenden, war
in der Lage etwas zu sagen. Alle, kämpften viel zu sehr, gegen ihre Wut und gegen ihre Angst, vor dem, was sie jetzt tun mussten. Jacob sprach wohl wieder einmal aus, was die anderen dachten. Oder besser, stellte wohl die eine Frage, die alle am meisten beschäftigte. "Was machen wir nun?", verzweifelt stützte er seinen Kopf auf die Hände und starrte auf die Tischplatte. Hunsinger antwortete ihm offen und ehrlich. "Ich weiß es nicht." Zolger wandte sich mit einer weiteren Frage, an den Projektleiter, die wohl alle interessiert. "Können wir noch aussteigen? Ich kann da nicht mitmachen. Das kann ich nicht verantworten." Ein Kopfschütteln von Hunsinger bekam er und folgende Erklärung. "Ihr habt, genau wie ich, alle diesen Vertrag unterschrieben. Wir kommen aus diesem Vertrag nicht mehr heraus. Ich habe sie heute früh von meiner Rechtsabteilung prüfen lassen, auf irgendein Schlupfloch. Es gibt keins.
Die Herren vom Institut haben sich völlig abgesichert. Wir stecken bis zum Hals in diesem Schlamassel. Es gibt einen Befehl von ganz oben, der für uns bindend ist. Es sind in dieses Projekt schon Millionen geflossen. Wir können es nicht mehr abbrechen. Vor allem, überlegt einmal, was aus diesen armen Wesen wird. Heute Vormittag, bei der Stabssitzung, als man mir das Projekt im Detail vortrug, bin ich aus dem Anzug gesprungen. Die Wissenschaftler sagten, es geht nicht anders. Die gewünschten Erfolge, können nur durch eine Züchtung erreicht werden. Sie hätten seit Jahren, in dieser Richtung Versuche unternommen. Diese sind jetzt seit zwei Jahren soweit, dass man sie in die Realität umsetzen konnte. Als ich sie fragte, wieso man dann ständig von Soldaten gesprochen hätte, uns so getäuscht hatte? Meinten die glatt weg. Wieso, es wären die versprochen Soldaten. Nur, dass diese extra gezüchtet würden. Wir sollen uns nicht so
haben. Es sind nie irgendwelche Altersangaben gemacht worden. Es würde keine Rolle spielen, wie alt diese Soldaten wären. Man könnte uns sonst, auch per Befehl dazu zwingen. Dann müssten wir es sowieso tun. Außerdem wären diese Züchtungen, in einem halben Jahr so, als wenn wir Erwachsene Soldaten vor uns hätten. Ich musste rausgehen, um mich zu übergeben. Verdammt nochmal, ich habe eine Tochter von vierzehn Jahren. Für so etwas, hätte ich mich nie hergeben. Es tut mir so leid, dass ihr so getäuscht wurdet. Ich wurde selber getäuscht. Ich habe es wirklich nicht gewusst." Hunsinger rieb sich verzweifelt das Gesicht und schüttelte ständig den Kopf. Weil er das, was gerade passierte, immer noch nicht fassen konnte. Mayer schon immer der Soldat schlechthin, versuchte alle, mit seiner unerschütterlichen Ruhe, etwas zu beruhigen. "Tja Leute, dann müssen wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Ich habe auch eine Tochter
von zehn Jahren. Die sitzt sogar hier oben in meiner Wohnung. So hat sie wenigstens jemanden zum Spielen. Es hilft alles nichts. Wir sind alles Offiziere. Wir müssen tun, was man uns befiehlt. Auch, wenn es uns nicht immer gefällt." Hunsinger und Zolger nickten Mayer zustimmend zu. Jacob aber, war fassungslos. "Wie konnte ich mich nur auf diese Sache einlassen? Ich, verstehe nur nicht, dass mein Mentor, mich nicht davor bewahrt hat." "Fritz, was bitte, hat dein Mentor, mit diesen ganzem Schlammassel in dem wir jetzt stecken, zu tun?" Verwunderte Blicke trafen Jacob, nicht nur von Zolger, sondern auch von den anderen Beiden. "Walter, das ist einfach zu erklären. Als ich damals vor der Entscheidung stand, diesem Projekt beizutreten, wollte ich die Meinung von Hillinger, meinem Mentor, wissen. Der schmiss
mir den Ordner vor die Füße, als er ihn sah und meinte wütend zu mir: "Du verdammter Nazi. So etwas wie dich habe ich unterstützt. Wie kannst du mir mit diesem Projekt kommen. Es ist menschenunwürdig." Von diesem Tag an, hat er nie wieder, auch nur ein privates Wort mit mir gesprochen. Hillinger hat mich aus all seinen Forschungsprojekten ausgeschlossen. Seit diesem Tag, hat er mich völlig ignoriert. Egal, was ich versuchte, ich kam nicht mehr an ihn heran. Ich habe es bis eben nicht verstanden. Jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Jetzt erst kann ich ihn begreifen. Nur verstehe ich nicht, dass er mich nicht gewarnt hat. Er hätte nur sagen brauchen, er kennt das Projekt. Ich hätte auf ihn gehört", verstehend nickte Zolger. Hunsinger sah allerdings beim Namen Hillinger auf. "Fritz, das hätte dir nichts genutzt. Mache deinem alten Mentor keine Vorwürfe. Hättest du dich gegen das Projekt entschieden, hättest du
von ganz oben den Befehl bekommen dich hier im Projekt einzufinden. Dein Name stand ganz oben auf der Personalliste. Aber eine andere Frage, du meinst doch nicht etwa Professor Arthur Hillinger?", fragen sah er zu Jacob. Dieser nickte bestätigend. "Doch, Arthur Hillinger war mein Mentor, vom ersten Tag meines Studiums. Er war mir mehr als nur Mentor. Ich dachte eigentlich immer, er wäre mein Freund." Kopfschüttelnd sah Hunsinger auf Jacob. "Kein Wunder, dass Hillinger dich so angemacht hat, Fritz. Er ist einer der Gründer, dieser Idee. Zusammen mit Dalinow, kam er Ende 1945 auf diese Idee. Der Züchtung eines perfekten Soldaten. Er stieg allerdings nach zwei Jahren, aus dem Projekt aus. Hillinger war mit einigen der Ideen, von Dalinow, nicht einverstanden. Es gab einen schlimmen Streit zwischen den Beiden. Danach schmiss Hillinger alles hin. Von diesem Augenblick an arbeitet dein Mentor
systematisch, gegen Dalinow und gegen dieses Projekt. Kurz nach seinem Austritt aus diesem Projekt, beendete Hillinger auch seine militärische Laufbahn vollständig. Er nahm sogar in Kauf, dass er seine Rente einbüßte. Seit diesem Tag, legte er Dalinow, alle Steine in den Weg, die er finden konnte. Das ging soweit, dass Dalinow, sogar den KGB, den russischen Geheimdienst, bat, etwas gegen Hillinger zu unternehmen. Damit er endlich wieder in Ruhe, arbeiten kann. Erst seit dem Hillinger voriges Jahr gestorben war, kam wieder Ruhe in die ganze Sache." Fassungslos und sichtbar erschrocken, schlug Fritz Jacob seine Hand vor den Mund und starrte Hunsinger mit Schreckensweiten Augen an. Mit einem Schlag wurden alle Fragen, die er seit Hillingers Tod hatte, beantwortet. Jacob ging ein Licht auf, als hätte man ihm gerade ein Tuch von den Augen genommen. "Ich glaube das jetzt alles nicht. Sagt mir, dass
dies nicht wahr ist. Die ganze Zeit fragte ich mich, wieso Hillinger an einem Herzinfarkt gestorben sein sollte. Hillinger, war der gesündeste Mensch, den ihr euch vorstellen könnt. Jetzt wird mir einiges klar und ich kapiere, was passiert ist. Man hat ihn einfach ausgeschaltet. Verdammt nochmal, auf was, haben wir uns da eingelassen? Wir müssen versuchen das Beste aus der Sache zu machen. Schon deshalb, um unsere Mitarbeiter zu beschützen", ernst sah er die Kollegen an. Denen bei den Worten von Jacob erst völlig bewusst wurde, wie ernst die Lage wirklich war. "Versuchen wir, für die Kinder und uns das Beste aus der verzwickten Situation zu machen. Es hilft ja jetzt nichts", appellierte Zolger an seine Kollegen. Vor allem, um die Gedanken der Anderen, in die richtigen Bahnen zu lenken. Hunsinger stand auf und lief zum Fenster, blickte hinaus in den schönen Park, in dem schon überall der Frühling Einzug hielt.
"Wann kommen die Embryonen und die Brutkästen?", ging Jacob müde, zur Tagesordnung über. Ihm war durch Hunsingers Worte auf die er nicht weiter eingegangen war, klar geworden, dass er so oder so in diesem Projekt gelandet wäre. Wahrscheinlich war dies Dalinow´s Rache an seinem ehemaligen Mitstreiter und Weggefährten Hillinger. Dass Dalinow Hillingers begabtesten Schüler, und denjenigen der dessen Herz erobert hatte, diesem Projekt verpflichtete. Jacob wurde schlagartig klar, weshalb er die Stelle des Chefarztes inne hatte. Dalinow wollte seinen Mentor fertig machen, in dem er Jacob auf die Position Eins neben Mayer stellte. Dieser gewissenlose Wissenschaftler, wollte nur seine Rache an Hillinger, dessen Tod ihm jetzt nicht mehr genug war. Er wollte dessen Schüler auf seine Seite ziehen und sein Lebenswerk und Moral zerstört sehen. Dies
würde Jacob nicht zulassen. Er war es dem Andenken an seinem Mentor schuldig, dessen Ideale zu vertreten. Wie immer wenn Jacob einen weitgreifenden Entschluss gefasst hatte, nahm er die Schultern zurück, reckte das Kinn trotzig vor und trat für seinen Glauben und seinen Entschluss ein. Nichts und niemand, würden seine Entscheidung ändern. Es nutzte keine jetzt zu jammern. Hier hieß es jetzt, aktive Schadensbegrenzung zu betreiben und das Schlimmste zu verhindern. Dies konnte aber nur gelingen, indem man sich intensive mit der Materie befassen würde und diese nach humanen Gesichtspunkten, soweit das möglich war, durchzuplanen und durch zu kalkulieren. Das nahm sich Jacob vor. Dazu brauchte er aber mehr Fakten, die er sich mit seiner Frage eingeforderte. "Morgen im Laufe des Tages, kommt eine Kompanie Techniker, die unten im Kinderraum
alles einrichten. Zur gleichen Zeit, kommen die Brutkästen. Die Abnahme wird morgen Abend, um 22 Uhr 45 sein. Die Embryonen selber, kommen am 1. Mai, also am Donnerstag früh, um 9 Uhr. Diese werden mit einem speziell ausgerüsteten Flugzeug gebracht. Unsere Leute, so wurde es befohlen, bekommen morgen früh gesagt, dass sie noch einmal kurz nach Hause fahren können, zu ihren Familien. Das ist der erste und letzte Urlaub, während des Projektes", gab Hunsinger seinen Offizieren das Wissen weiter, das ihm selber erst heute Morgen bekannt gegeben wurde. Jacob nickte verstehend. Ihm wurde bewusst, dass sie niemanden mehr, aus dem Projekt heraus lassen konnten. Wenn das an die Öffentlichkeit kam, dann gab es eine Katastrophe. "Wer sagt dies alles unseren Leuten. Sigmar, kannst du bitte eine Durchsage machen. Ich kann den Kollegen, heute nicht mehr in die Augen
sehen. Ich muss damit erst einmal selber klar kommen. Vor allem, würde ich diese Durchsage, nicht erst morgen früh machen. Die Leute müssen ein paar Sachen einpacken", dabei sah er Hunsinger und Mayer ernst an. "Ach so. Wer betreut eigentlich die Embryonen, bis zur Rückkehr unserer Leute?", fielen Jacob noch mehr Fragen ein, auf die er dringend eine Antwort brauchte. Hunsinger sah dankbar zu Jacob. Er war froh, dass ihn sein Führungsstab nicht in der Luft zerrissen hatte. Denn dies war seine größte Angst. "Die Wissenschaftler bringen fürs Erste ihr eigenes Personal mit. Sie weisen dich und Walter in alle Details ein. Nach einer Woche, steht dann fest, welche der Embryonen weiter im Projekt verbleiben, es werden wohl nicht alle Wesen, dieses mehrmalige Umlagerung überleben. Die einhundert besten Embryonen, werden weiter durch euch versorgt. So meine letzte Information. Die restlichen fünfzig,
werden soweit noch am Leben, wieder eingefroren. Des weiteren, werden euch zwölf der Institutsmitarbeiter für die nächsten vierzehn Tage, bis drei Wochen unterstützen, bis ihr sicher eingearbeitet seid. Also pro Schicht, immer vier, um euch mit Rat und Tat, zur Seite zu stehen. Die Leute sollst du dir aussuchen, nach Sympathie und Fachwissen. Du hast da frei Hand. So hat man es mir heute früh erklärt. Mit der Durchsage, das könnte Sigmar heute Abend gleich noch machen, oder?", fragend sah Hunsinger zu Mayer hinüber. Jacob, wie auch Zolger nickte, dass sie diese Informationen so annahmen. Als Mayer nicht reagierte, sah ihn Hunsinger verwirrt an, weil er nicht verstand, was los war. Mayer saß völlig in sich gekehrt und stierte schweigend vor sich hin. Sich den Kopf stützend begriff Mayer erst jetzt, den vollen Umfang der Informationen, die in seinem Ordner standen. In dem er gerade weitergelesen hatte.
Dann sah er auf, blickte seinem unmittelbaren Vorgesetzten direkt in die Augen. Mayer war eben klar geworden, was da auf ihn zukam. "Franz, ich kann das nicht. Ich war darauf eingestellt, hier mit erwachsenen Menschen zu arbeiten. Nicht aber mit Kindern. Franz, du weißt, wie sehr ich Kinder mag. Wie soll ich die hart heran nehmen? Wie soll ich bei denen das durchsetzen, was man da von uns verlangt hat? Franz, ich kann das nicht", kopfschüttelnd saß Mayer da. Hunsinger versuchte ihn zu beruhigen. "Sigmar, warte erst einmal ab. Vielleicht löst sich das ganze Projekt, in Wohlgefallen auf. Wir wissen nicht einmal, ob diese Wesen überhaupt überleben. Sonst musst du halt einfach nur Befehle ausführen. Einfach nicht darüber nachdenken. Wie oft mussten wir im Krieg Dinge tun, die uns nicht gefallen haben? Sigmar, warte einfach ab." Verstehend nickte Mayer. Wenn auch immer
noch skeptisch, zu Hunsinger blickend. "Da hast du Recht Franz, warten wir ab. Ich mache dann gleich noch die Durchsage, für alle die Mitarbeiter, die noch einmal in den Urlaub fahren können." Damit stand er auf. "Brauchst du mich noch?", erkundigte Mayer sich bei Hunsinger. "Mir läuft die Zeit weg, Franz." Hunsinger schüttelte den Kopf. "Nein Sigmar, ich muss dann auch los. Also danke, dass ihr mich nicht in der Luft zerfetzt habt. Ich hatte richtiggehend Angst, euch die Unterlagen zu zeigen." Gezwungen lächelnd sah Jacob Hunsinger an. "Du kannst doch nichts dafür, Franz. Du führst genau wie wir, auch nur die Befehle aus." Hunsinger nickte traurig, stand auf und verließ ebenfalls den Raum. "Walter ich gehe dann auch mal. Ich muss diesen Mist hier, erst einmal verarbeiten." Zolger gab Jacob im Stillen recht und erhob sich ebenfalls, nahm wortlos seine Mappe und ging
gemeinsam mit Jacob, aus der Offiziersmesse. Zolger folgte dem Weg, der innen im Objekt entlang, zu seinem Quartier führte. Jacob dagegen folgte dem Weg zur Mensa. Er brauchte erst noch einen Kaffee. Kaum, dass er die Mensa betrat, kam schon seine Freundin, Schwester Anna, auf ihn zu. Im Laufe der vergangenen vier Monate, entwickelte sich eine kleine Liebelei zwischen den Beiden. Jacob holte sich von den Bediensteten an der Bar, einen großen Pot Kaffee und ging nach hinten zu den Aquarien, seinem Lieblingsplatz und ließ seine Freundin einfach stehen, so war er in seine Gedanken vertieft. Dort konnte er seinen Gedanken nachhängen. Anna Siebenzahn folgte ihm. "Na sag mal Fritz, was ist dir für eine Laus über die Leber gelaufen?", wollte sie von ihrem Freund und Chef wissen. So schlecht gelaunt war der sonst
immer zuvorkommende Jacob in den ganzen Monaten noch nie gewesen. "Bitte Anna, sei nicht böse, ich muss das hier erst einmal verdauen", er wies verbittert, auf den vor sich liegenden Ordner. "Du weißt ich genieße jede Sekunde, die wir für uns alleine haben. Aber heute, brauche ich wirklich einmal Zeit für mich. Bitte sei mir nicht böse. Ich muss über eine verdammt heikle Sache nachdenken. Wir sehen uns in ein paar Tagen wieder. Ich wünsche dir, einen wunderschönen Urlaub. Die Durchsage wird Mayer gleich machen. Ihr bekommt alle, einen letzten Urlaub. Seid froh, denn in einer Woche geht hier der Stress los. Genieße deine freien Tage, denke ab und an mal an mich", überschüttete er seine Freundin mit Informationen, die nur so aus ihm heraussprudelten und mit der Anna gar nichts anfangen konnte. Auch versuchte er ihre Nähe abzublocken, er musste alleine sein. Im nächsten Moment jedoch, überlegte es sich
Jacob allerdings anders. Er würde seine geliebte Anna, jetzt eine Woche nicht mehr sehen und beschloss die letzten Stunden einfach mit ihr zu genießen. Grübeln konnte er, ab morgen früh, da hatte er noch genug Zeit. "Ach, komm mal her mein Engel", im gleichen Augenblick zog er sich die zu ihm herunter gebeugte Anna, auf seinen Schoss und gab ihr erst einmal einen Kuss. Wenn er sich hätte alles träumen lassen, dann aber nicht, dass er hier fast sofort, die Frau seines Lebens kennen lernen würde. Es war bei Anna, wie auch bei Jacob, Liebe auf den ersten Blick. Ein Gefühl, als wenn man für einander bestimmt war und eine Vertrautheit, als wenn man sich schon eine Ewigkeit kennen würde. Anna kuschelte sich an Jacob und sog dessen Wärme förmlich in sich auf. Anna war süchtig nach Zuneigung und Geborgenheit, dies hatte Jacob in den letzten Monaten sehr schnell festgestellt.
"Kann ich dir vielleicht etwas helfen, Schatz?" Jacob schüttelte den Kopf. "Anna, damit muss ich erst einmal alleine klar kommen. Jeder von uns, muss das für sich alleine schaffen. Komm genieße einfach die schönen Tage noch. Lass mir die eine Woche. Du hast mich sowieso, noch siebzehn Jahre auf den Hals", versuchte er scherzend, vom Thema abzulenken. Was ihm aber nicht ganz gelang. Anna lachte zwar, sie sah allerdings, dass es Fritz Jacob nicht gut ging. "Ach Manne. Komm lass uns eine Runde schwimmen gehen und danach in die Sauna. Grübeln kannst du morgen, wenn du mich weg geschickt hast. Lass uns einfach, die schöne Zeit genießen. Die uns noch bleibt." Fritz Jacob stimmte ihr lächelnd zu. "Aber erst muss ich den Ordner in meine Wohnung schaffen. Komm!", fordernd fasste er Anna an der Hand, zog sie einfach hinter sich her. Recht
hatte sein Engel, mit den schwarzen Augen. Schon liefen sie lachend, in den Park und dann nach hinten auf das Haus 6 zu. Hinauf, in die Wohnung des Chefarztes. Jacob ging an seinen Tresor, öffnete diesen, legte den Ordner hinein. Sofort verschloss er ihn wieder. "Was denn Schatz, so geheim? Dass es sogar in den Tresor muss", frotzelte Anna. Fritz nickte, halb lachend und halb böse guckend. Er griff sich seinen Engel, der fast dreißig Kilo leichter war, als er selber und hob sie einfach hoch, um sie zu küssen. "Wollen wir schwimmen und Sauna oder nur Sauna", wollte er von Anna wissen. "Nur Sauna", legte Jacobs Freundin entschlossen fest. Sie wollte, wenn sie Jacob jetzt eine Woche nicht sah, jede Minute mit ihm alleine verbringen. Ohne ständig durch die Anderen, beobachtet zu werden. Schnell heizte Jacob den Kamin an und legte genug Feuerholz auf, um die Zeit in der Sauna zu überbrücken. Wieder einmal
beglückwünschte er sich dazu, dass die Sauna bei ihm immer an war. So sparte er sich jetzt viel Zeit. Keine drei Minuten später, ging das verliebte Pärchen zusammen ins Bad. Dort zog Jacob, seine Anna einfach aus. Gemeinsam gingen sie erst in die Sauna und genossen dort, die Wärme und den schönen Ausblick. Danach unter die Dusche. Eine Stunde später lagen die Beide, vor dem brennenden Kamin, auf dem Sofa. Eng aneinander gekuschelt. "Weißt du, was doof ist, Schatz?", Anna sah zu Fritz hoch. "Was denn, Engelchen?", müde streichelte er, Annas Gesicht. "Fritz, ich weiß gar nicht, wo ich hinfahren soll. Meine Freundinnen, kann ich so schnell nicht erreichen. Die eine ist in Afrika, mit Missionaren unterwegs. Und die andere, in den Flitterwochen." Erschrocken fiel Jacob ein, dass Anna ihm erzählt hatte, dass sie genau wie er selber,
Vollwaise war. Tja, das war wirklich ein Problem. "Dann reden wir einfach mit Mayer, dem wird schon etwas einfallen. Vielleicht kann er dir kurzfristig, einen Urlaubsplatz besorgen?" Erklärte Jacob, dass es gar kein Problem ist und man bestimmt eine Lösung fände. "Ja das werden wir machen. Sonst verstecke ich mich in der Bücherei", machte Anna lachend noch einen alternativen Vorschlag. Der ihr gerade so einfiel und mit dem sie gut leben konnte. Jacob drehte den Kopf zu ihr herum. "Anna, dort kannst du dich gar nicht verstecken. Dort findet dich jeder. Wenn man dich nirgends findet, aber in der Bibliothek wird man immer fündig. Du mit deiner verdrehten Logik", neckte er Anna und erklärte ihr, dass dies kein gutes Versteck für sie wäre. Anna lachte, ihre Glocken klare Lache. "Na eben, deshalb würde mich dort nie einer suchen."
So albern die beiden noch eine Weile herum. Bis Anna in Jacobs Armen, vor dem brennenden Kamin, einfach einschlief. ~ 30. April 1958 ~ Kurz vor 5 Uhr stand Jacob auf, zog sich das Trainingszeug an und ging wie gewohnt, erst einmal eine Runde laufen. Jacob brauchte das jetzt, um seinen Kopf wieder frei zu bekommen. Pünktlich um 5 Uhr, traf vor dem Haus 2, auf Mayer, der ebenfalls schon angelaufen kam. "Guten Morgen, Fritz." "Morgen Sigmar, na konntest du ein bisschen abschalten?" Mayer schüttelte den Kopf. "Nein, aber es nützt nichts. Ich habe beschlossen es zu nehmen, wie es kommt. Was sollen wir denn auch sonst tun?" Jacob bestätigte dessen Aussage, durch ein
Nicken. "Hast du dir den Mist schon angesehen, Fritz?" Jacob schüttelte den Kopf und lief los. "Nein Sigmar, ich konnte nicht. Anna war heute Nacht bei mir. Aber sobald sie weg ist, sehe ich mir das Alles in Ruhe an. Ich bin auch zu der Meinung gekommen, dass wir es nehmen müssen, wie es ist. Sigmar, ich habe allerdings ein Problem und zwar ein riesengroßes. Bei dem ich dringend, deine Hilfe brauche." Mayer musterte Jacob von der Seite. "Das da wäre?" "Sigmar, meine Anna ist Vollwaise. Wo soll sie in der Woche hinfahren? Bei ihren Freundinnen, kommt sie so kurzfristig nicht unter. Könntest du ihr auf die Schnelle, einen Urlaubsplatz besorgen. Es ist egal wohin. Sonst muss sie hier bleiben. Eigentlich, bräuchte ich dringend ein paar Tage Luft, um mit der ganzen Sache klar zu kommen. Verstehst du?" Mayer nickte lachend und musterte Jacob beim
Laufen von der Seite. "Fritz, das ist kein wirkliches Problem. Irgendwo, wo es auch schön ist, bekomme ich deinen Engel unter. Du weißt ja, wie ich bin. Das organisiere ich dann gleich." "Danke Sigmar, du rettest mir meinen Seelenfrieden. Ich habe nämlich Angst, dass ich Anna unabsichtlich, aus irgendeinem Grund angehe. Ich muss mit der ganzen Sache erst einmal klar kommen. Vor allem, will ich mich die ersten Tage voll auf das konzentrieren, was uns die Wissenschaftler erklären. Da kann ich keine ständige Ablenkung gebrauchen. Wir haben alle keine Ahnung, was da wirklich auf uns zu kommt. Ich habe bei der ganzen Sache, verdammte Bauchschmerzen." "Kann ich verstehen, Fritz." Durch die viele Rederei, waren sie schon wieder vor Sigmars Haus angekommen. Mayer ging gleich hoch in seine Wohnung. Rief bevor er sein Haus betrat, seinem Freund über die Schultern zu. "Bis später. Ich kümmere mich sofort um
einen schönen Urlaubsplatz, für deine Anna." "Bis später, Sigmar und danke." Jacob legte noch einen Endspurt ein und kam wenige Minuten später, in seiner Wohnung an. Anna schlief immer noch selig mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Jacob sah ihr einige Augenblicke dabei zu und prägte sich diesen Anblick ein. Dann ging sofort unter die Dusche und weckte dann Anna. Zum wiederholten Mal, sah er ihr einige Augenblicke beim Schlafen zu. Er konnte sich nicht satt sehen an ihr. Zusammengerollt wie ein Embryo lag sie auf der Couch. Traurig sah er sie an, dann holte er tief Luft. Was sollte das Grübeln? Sie mussten das Beste aus der Situation machen. Er musste auch für Anna stark sein, sie würde ihn brauchen. "Komm Engelchen, du musst aufstehen und duschen. Ich mache derweilen Frühstück." Anna verschwand im Bad, in der Zwischenzeit deckte Jacob den Frühstückstisch. Auch rief er seinen Freund Heiko an, ob es möglich wäre, ein
paar Brötchen in seine Wohnung zu schicken. Nur zehn Minuten später, klingelte es an der Tür. Heiko brachte ihm die Brötchen selber vorbei. "Willst du mit frühstücken, Heiko?" Der schüttelte den Kopf. "Fritz, ich muss zurück, heute ist hier der Teufel los, vielleicht können wir zusammen Abendessen?" "Kann ich dir jetzt noch nicht sagen. Ich muss sehen, wie ich zeitlich hinbekomme. Heiko, bis später, ich melde mich." Ein kurzes Nicken von Corsten, schon verschwand er, sichtbar im Stress. Jacob schloss kopfschüttelnd die Tür. Anna erschien im gleichen Augenblick, nur in zwei Badehandtücher bekleidet, aus der Dusche. Eins um den Kopf und eins um den Körper geschlungen und setzte sich an den Frühstückstisch. Zog so, wie sie es immer machte, die Füße auf den Sitz. Lächelnd sah Anna ihren Freund an. "Guten
Morgen Fritz, hast du gut geschlafen. Da sind wir wohl gestern Abend, auf der Couch eingeschlafen. Aber, das war so schön", kam sie ins Schwärmen, ihre Augen bekamen einen Glanz wie zwei Sterne. Jacob griff über den Tisch und streichelte Annas Gesicht. "Ich weiß. Willst du einen Tee oder Milch?" erkundigte sich Jacob bei Anna, die überhaupt keinen Kaffee mochte. Nach einem kurzen Moment des Nachdenkens, folgte die Antwort, der total verschlafen wirkenden Anna. "Schwarzen Tee, bitte", immer noch gähnend, sah sie Jacob zu, wie er den Tee aufgoss und vor Anna hinstellte. "Engelchen, mit Milch oder Zitrone?" "Milch ...", ein Gähnen verhinderte das Anna weitersprach. "Ich habe vorhin mit Sigmar gesprochen. Er hat dir einen Urlaubsplatz besorgt. Engelchen, sei bitte nicht böse. Aber ich brauche die paar Tage wirklich, zum Durcharbeiten der Unterlagen. Es
bringt mir nichts, wenn ich mich ständig ablenken lasse. Außerdem, habe ich Angst, dich anzuschnauzen. Du wirst meine Reaktion, in einer Woche besser verstehen. Vertraue mir bitte einfach." Ein wenige enttäuscht, aber mit Einsicht, stimmte Anna zu. "Das kann ich verstehen. Es ist ja nur eine Woche. Aber ich schreibe dir jeden Tag eine Karte", bestand sie darauf ihm zu zeigen, wie sehr sie ihn vermissen würde. Jacob lächelte in sich hinein. An solchen Bemerkungen, merkte er halt, dass Anna zehn Jahr jünger war, als er. Mit ihren gerade mal zwanzig Lenzen, war sie noch eine sehr junge, aber engagierte Krankenschwester, die wahnsinnig gern lachte. Der große Altersunterschied machte den Beiden nichts aus. Im Gegenteil, dadurch, dass Anna sehr engagiert in ihrem Beruf war und ein überdurchschnittliches Wissen besaß, half sie
Jacob damit sehr. Er genoss ihre Unbeschwertheit und ihr Temperament. Schon einige Male waren bei solchen Diskussionen mit Anna sämtliche Pferde durchgegangen und es flogen nur so die Fetzen. Jacob liebte allerdings, diese oft sehr hitzigen Streitgespräche, über medizinische Themen, die er mit Anna führte. Es gefiel ihm sehr, dass Anna sagte, was sie dachte. Vor allem aber, gefiel Jacob Annas ungeheurer Wissensdurst. Waren sie über ein Thema am Diskutieren, konnte es passieren, dass Anna auf einmal für Stunden verschwand, sie ließ ihren Freund dann einfach sitzen. Sie ging einfach in ihre heißgeliebte Bibliothek und suchte sich alles Wissen, über dieses Thema heraus. Kam sie zurück, trumpfte Anna oft mit Fakten auf, die Jacob so manches Mal, zum Staunen brachten. Selbst er, als ein erfahrener Arzt, hatte schon einiges, von ihr gelernt. Da Anna durch ihre offene Art, einfach anders an verschieden Themen heran ging. Dadurch sah sie
bestimmte Fakten, die von Jacob schon manchmal unbeachtet gelassen wurden. Bei den Schulungen, in denen ihre Kollegen oft schweigend alles hinnahmen, hinterfragte Anna solange das Thema, bis sie es vollständig verstanden hatte. Dies trug im Laufe der Zeit dazu bei, dass sich auch andere wagten Fragen zu stellen. So wurden bei vielen der abzuarbeitenden Themen, tiefsitzende Problem beseitigt, so dass das Kollektiv der Schwestern richtig fest zusammenwuchsen und sich einer auf den anderen verlassen konnte. Vor allem hatte Annas Art dazu geführt, dass niemand in seinem Team Angst hatte, Fragen zu stellen oder sich schämte zuzugeben etwas nicht zu wissen. Anna schaffte es sogar, dass die Kolleginnen zu ihr kamen und obwohl sie die jüngste im Team war, um Hilfe baten. Jeder mochte diesen kleinen schwarzhaarigen Teufel. Ihr Stellung in dem Team der Schwestern, war etwas Besonderes. Obwohl es eine leitende
Oberschwestern gab, kamen viele mit ihren Problemen zu Anna und ihren Freundinnen. Schon lange beobachtete Jacob, dass die Auswahl der Oberschwestern, nicht gut getroffen war. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn er die Oberschwestern hätte benennen können. Alleine der Nachweise über Qualifikationen waren nicht ausreichend für die Vergabe dieser Position, Vertrauen und Organisationstalent waren viel wichtiger. Jacob hatte schon einige Male mit Hunsinger und Mayer darüber gesprochen, einige Veränderungen im Bereich der Oberschwestern vorzunehmen, da diese Stellen nicht zu seiner Zufriedenheit besetzt wurden. Die Damen die diese Stellungen inne hatten, erwiesen sich als Enttäuschungen. Die beiden Projektleiter waren jedoch der Meinung, Anna wäre zu jung. Als ob das Alter etwas über den Wissenstand einer Person aussagen konnte. Erst, wenn das Projekt richtig am Laufen war, würde sich zeigen ob die
Stellen der Oberschwestern wirklich falsch besetzt waren oder sie sich vielleicht noch bewähren würden. Nur würden dann im Stress, erst die richtigen Probleme entstehen, wenn diese Positionen falsch besetzt waren. Er musste sich gerade auf seine Oberschwestern verlassen können und das konnte er nicht. Oft wurden Aufträge nicht richtig weitergegeben oder nur halb ausgeführt. So konnte er nicht arbeiten. Gab er allerdings Anna einen Auftrag, dann klappte es wie am Schnürchen. Es bewies sich dadurch jeden Tag, dass Anna die bessere Wahl gewesen wäre. Auch deshalb, da sie mit offenen Augen durchs Projekt lief und den engen Kontakt zu ihren Kollegen suchte. Selbst die Ärzte, kamen oft zu Anna, wenn es Probleme mit den Schwestern gab und dies hatte nichts mit der Beziehung auf privater Ebene zu tun. Oft regelte Anna die Probleme mit dem Kolleginnen, ohne das Jacob etwas davon erfuhr. Erst neulich erfuhr Jacob von Doktor Anderson
von Annas Schlichtungen im Kollektiv der Schwestern. Es machte Jacob stolz, dass seine Freundin sich so engagierte. Vor allem dass sie dies tat, ohne ihre Freundschaft zu Jacob auszunutzen. Ein Lächeln huschte über Jacobs Gesicht, als er an die unbekümmerte Art seiner Freundin dachte. Sie sprach einfach aus, was ihr auf dem Herzen lag und ließ nicht zu, dass der Kummer ihr das Leben schwer machte. Vor allem konnte Anna auch mit Kritik umgehen und sah Fehler die sie machte ein. Dies war eine seltene Gabe. Schon kurz nach dem Beginn ihrer Beziehung, zu Jacob, erzählte Anna ihm von ihrem größten Wunsch. Sie würde gern ein Studium zur Apothekerin absolvieren. Sie wäre hier gern mehr, als nur eine einfache kleine Krankenschwester. Nicht, weil sie Karriere machen wollte, das wäre ihr egal. Ihr kam allerdings der Gedanke, dass man hier an alles gedacht hatte, nur nicht daran, dass schnell mal
ein Medikament hergestellt werden musste. Jacob gab Anna in dieser Hinsicht voll und ganz Recht. Die Versorgung mit Medikamenten, würde sich auf Dauer, sehr schwierig gestalten und vor allem sehr teuer werden. Als Chefarzt leitete deshalb schon alles in die Wege, um Anna diesen Wunsch zu erfüllen. Jacob war der Meinung, dass dieses Ausbildung wirklich sinnvoll und vor allem, als dringend notwendig war. Dabei spielte es keine Rolle, dass Anna seine Freundin war. Er wäre auf diesen Vorschlag auch eingegangen, hätte ihn Alma oder Ingrid gemacht. Der Chefarzt hatte hier im Moment knapp zweihundert Mitarbeiter, die er medizinisch versorgen musste. Da waren seine zukünftigen hundert Schützlinge, noch gar nicht mit eingerechnet. Es war verdammt umständlich, jedes Mal erst die ferne Apotheke in Berlin zu kontaktieren, um bestimmte anzufertigende Medikamente herstellen zu lassen. Diese, dann
auch noch sofort einzufliegen. Auf Dauer würde dies einfach zu umständlich, vor allem viel zu teuer. Wer sollte das alles bezahlen? Auch wenn er einiges selbst anfertigen konnte, alles ging leider nicht, dazu fehlten ihm einfach die Zeit und auch die Möglichkeit. Daher kamen ihm die Ambitionen seiner Freundin sehr recht und er setzte diese sinnvolle Idee, sofort um. Auch, wenn ihm, im Nachhinein der Gedanke kam, dass er seine Freundin, den anderen Mitarbeitern vorzog. Dies würde auch das einzige Mal bleiben. Allerdings war es seiner Meinung nach, auch richtig so. Es war schließlich Annas Idee. Denn Anna sprach als Einzige, der dreißig Krankenschwestern und neun Ärzte, dieses Problem an. Das zeigte, dass sie sich Gedanken, über das Funktionieren der medizinischen Abteilung machte. Dies war ein Charakterzug und Einstellung zum Beruf, der nicht bei vielen Menschen ausgeprägt war. Viele taten nur das,
was sie tun musste. Ja nicht einen Finger mehr rühren, als man unbedingt musste. Eine Unart, die Jacob gar nicht mochte. Er hatte hier einige Ärzte und Schwestern, die das genau so machten. Das brachte Jacob jedes Mal auf die Palme. Er hatte es in den vier Monaten nicht geschafft, an diesen Doktor März und Doktor Richter heranzukommen. Seine drei Oberschwestern, na ja, das Arbeiten hatten diese drei Damen auch nicht erfunden. Die Arbeitsleistungen, das Wissen und das Betragen eben dieser fünf Mitarbeiter, lies zu Wünsche offen, als erfüllt wurden. Vor allem, sorgte deren Verhalten ständig für Streit und Stress. Da diese sich den Schwestern gegenüber, unhöflich, von oben herab benahmen und diese wie den letzten Dreck behandelten, selbst aber keine Ahnung von der Materie hatten. Jacob wollte damit ein Zeichen setzen, dass es sich lohnte, sich ins Projekt einzubringen. Auch
für die anderen würde er Möglichkeiten finden, das Engagement zu würdigen. Einige seiner Schwestern, brachten sich richtig ins Projekt ein und er sah das mit wachsender Begeisterung. Walli, Doris und Pia, waren seine besten und vertrautesten Schwestern, die viel retteten, was die zuständigen Oberschwestern versäumten und auf die er immer zählen konnte. Vielleicht würde dieses Engagement auch auf andere Schwestern übergreifen und es würden sich noch mehr Gedanken über die Arbeitsabläufe machen. Warum also, sollte er Anna, nicht belohnen werden, dafür dass sie für das Projekt einsetzte. Es spielte keine Rolle, dass sie seine Freundin war. Es nutzte dem Projekt, für das er arbeite und hatte für alle, einen großen Vorteil. Vorgestern bekam er die Information, dass Anna zum Studium zugelassen wurde. Er hatte mit all seinen Mitarbeitern einen Test geschrieben. Den allerdings nur Anna und Walli bestanden hatten. Deshalb bekam, da der Vorschlag von Anna kam,
auch diese den Zuschlag. Anna würde mit Jacobs und Zolgers Hilfe, die nötige theoretische Ausbildung machen konnte. Die nötigen Praktika, würden hier im Projekt sein, im Beisein eines zugelassenen Diplom-Pharmazeuten. Die ersten Prüfungen, als approbierte Apothekerin und später dann, als Diplom-Pharmazeutin, würde sie allerdings in Berlin in der Militärapotheke machen. All diese Gedanken gingen Jacob durch den Kopf, als er gemütlich mit Anna das Frühstück einnahm. Heute war dieses sehr schweigsam verlaufen. Der Abschied von Jacob fiel Anna schwer und es hatte sich irgendwie ein betrügendes Schweigen breit gemacht. Immer wieder versuchte Jacob lächelnd seine Freundin aufmunternd. Kaum dass sie fertig mit Essen waren, wollte Anna aufstehen und sich anziehen. Jacob hielt sie noch einmal kurz zurück. "So mein Engelchen, ich habe noch eine kleine
Überraschung für dich. Gestern Mittag, bekam ich einen Anruf aus Hunsinger’s Büro. Dein Studium, zur Diplom-Pharmazeuten, ist bewilligt. Die Theorie machst du hier, Zolger und ich, sind deine Mentoren. Die kleinen Praktika ebenfalls. Es kommt jemand für diese Zeit, extra aus Berlin hierher. Die Prüfungen, machst du dann in Berlin. Außerdem wird hier vor Ort in den nächsten Tagen eine Apotheke eingerichtet, in der du vernünftig arbeiten kannst." Anna sprang auf, plötzlich war die bedrückte Stimmung wie weggeblasen. Sie fiel ihrem Chef und Freund, um den Hals. "Danke, oh man bin ich glücklich. Ich hole mir dann schnell noch Material, aus der Bücherei. Jetzt wird die Woche gar nicht mehr so schlimm", völlig abgedreht und aus dem Häuschen, vor Aufregung, lief Anna ins Bad, um sich anzukleiden. Kaum, dass sie wieder da war, nahm Jacob sie in den Arm, gab ihr einen letzten
dicken Kuss. "So mein Engelchen, jetzt bringe ich dich noch auf die Ebene Rot, so bist du schneller in deinem Quartier, dann packst du. Ich wünsche dir einen schönen Urlaub und wenn du Eis essen gehst, denke an mich. Isst immer eine Kugel für mich mit. Ich werde mir dann diesen ganzen Horror einmal genauer ansehen, der da auf uns zukommt. Engelchen, mache dich bitte auf etwas Schlimmes gefasst. Ich habe es auch erst gestern Abend erfahren. Leider darf ich dir vorher, noch nichts darüber erzählen. Aber richte dich bitte auf einen Schock ein", schon liefen beide, Hand in Hand los. Anna, so auf ihre Freude über das Studium konzentriert, bekam diese Worte von Jacob gar nicht richtig mit. Jacob froh, dass es jetzt nicht erst eine lange Diskussionen gab, ließ es auf sich beruhen. Er fuhr stattdessen, nach unten auf die Ebene Rot. Dort öffnete er die Sicherheitsschleuse und ließ Anna aus dem
Sicherheitsbereich heraus. Traurig sah er seine Freundin an. Er ließ sie ungern gehen, aber es war das Beste, was er tun konnte. "Dann bis in einer Woche. Viel Spaß, denk ab und zu einmal an mich." Jacob gab Anna einen letzten Kuss, drehte sich um und war schon wieder auf dem Weg in seine Wohnung. An der Tür drehte er sich nochmals nach seiner Freundin um, winkte ihr zu und verschwand durch die Schleusentür. Er lief zum Aufzug, um nach oben zu fahren und sich endlich diesen Horrorordner genau anzusehen. Sigmar Mayer übernahm in der Zwischenzeit die Aufgabe, die Urlauber nach Hause zu schicken. Vor allem, der Mannschaft, das Warum und Weshalb, zu erklären. Keiner der fünfundsiebzig Mitarbeiter, die heute in den Urlaub geschickt wurden, war böse über diese unverhofften freien Tage. Im Gegenteil, alle freuten sich über diesen plötzlich und völlig
ungeplanten Besuch, den sie bei ihren Familien machen konnten. Die vier Mitarbeiter, die gar keine Familie hatten, waren, wie auch die Freundin von Jacob, von Mayer mit einem schönen Urlaubsplatz versorgt wurden. So dass auch sie einige schöne und erholsame Tage verbringen konnten. Für das Erklären und Wegschicken der Mitarbeiter, brauchte der Projektleiter, weder den Chefarzt, noch den wissenschaftlichen Abteilungsleiter. Die Beiden hatten wichtigere Dinge zu erledigen. In dieser Zeit, konnten sich die beiden Abteilungsleiter schon, sehr intensiv, um die Durcharbeitung ihrer Unterlagen kümmern. Vor allem aber, hatte man sie aus der Schusslinie. Zeitgleich kamen die Techniker und das Material an. Mayer hatte alle Hände voll zu tun, um dies alles zu koordinieren. So liefen die beiden Ärzte niemanden im Weg herum und Mayer hatte alle dort wo er sie haben wollte. Denn dass, was
man heute hier vorhatte, war Schwerstarbeit. Nicht nur für das Wachpersonal, sondern auch für das Hausmeisterteam, die Küche. Vor allem aber, für dem Projektleiter, der hier im Projekt, für die Sicherheit aller, verantwortlich war. Hatte man diesen Tag hinter sich, würde das Leben für eine Woche, auch für die anderen im Projekt etwas ruhiger werden. Die Mannschaft, konnte sich dann das erste Mal seit Projektstart wieder etwas erholen. Auch die Wachmannschaft konnte endlich einmal etwas ruhiger treten. Das Hausmeisterteam, konnte sich um die liegen gebliebenen Arbeiten kümmern und auch die Küche hatte weniger Arbeit. So zog die Ruhe vor dem Sturm, in das "Projekt Dalinow" ein. In einer Woche, würde dann wieder alles auf Hochtouren laufen. Dann würde es, die nächsten Jahre, keine Pause mehr geben. Die Einzigen Mitarbeiter, die wirklich voll durcharbeiten mussten, waren die
Abteilungsleiter. Für die Drei gab es auch in diesen Tagen keinen Stillstand, im Gegenteil. Zolger wie auch Jacob, hatten mehr denn je zu tun. Sie mussten die Vorarbeiten planen und den Einsatz der vorhanden Schwestern und Ärzte koordinieren. Vor allem mussten sie in dieser einen Woche, alle Informationen speichern: die wichtig und notwendig waren, um die ungeborenen Kinder gesund durch die Embryonen-Stadium zu begleiten, ohne, dass diese Schaden nehmen würden. Ein sehr umfassendes Programm, das nicht ganz unproblematisch war. Der Organisationsaufwand, hier im Projekt, war so enorm, so dass es einfach keinen Freilauf gab. Dachte Mayer am Anfang des "Projektes Dalinow" und der Beendigung der Bauphase, dass es etwas ruhiger werden würde, so hatte er sich getäuscht. Der Arbeitsaufwand des täglichen Einerlei, wurde einfach nicht weniger. Nicht nur einmal kam Mayer der Gedanke, dass
er sich übernommen hatte. Der Tag war einfach nicht lang genug, um all die vielen Arbeiten zu erledigen. Kaum einen Tag, bekam der Projektleiter mehr als fünf bis sechs Stunden Schlaf. Auf der anderen Seite, musste Mayer aber ehrlich zugeben, machte ihm dieser Job wahnsinnigen Spaß. Es war die Herausforderung, die er sich schon lange gewünscht hatte. Organisieren, war etwas, dass ihm einfach lag. Es war wie ein Zwang für ihn, immer alles unter einen Hut zu bekommen. Schien etwas noch so unmöglich zu sein, er fand immer eine Lösung. "Es geht nicht" oder "Ich kann das nicht" waren Wörter, die Sigmar Mayer niemals in den Mund nehmen würde. Bei ihm ging alles. Es war nur die Frage, wie man das Problem anfasste. Je undurchführbarer etwas war, umso mehr ging der Projektleiter, in dieser, seiner Arbeit auf. Kurz vor dem 14 Uhr, waren endlich alle Urlauber aus dem Projekt entlassen und auf dem
Nachhauseweg, oder dem Weg zu ihrem Urlaubsziel. Schon seit 10 Uhr nahmen die Techniker ihre Arbeit auf und waren mitten in ihrer Arbeit. Endlich konnte sich der Projektleiter, eine halbe Stunde Zeit nehmen, um wenigstens Mittag zu essen. Kurz nach dem Essen, ging dieser "Höllentag" weiter. Die Flieger mit den Materialien für das Inkubatoren-Zimmer oder wie es von Mayer getauft wurde "das Kinderzimmer" kam schneller, als Mayer es mit seiner Mannschaft ausladen konnte. Zusätzlich forderte das Team um Otto Korpus, dem Cheftechniker, noch mehr Material an. Heute standen sogar Mayer alle Haare zu Berge und der Schweiß lief ihn aus allen Poren. Es gab viele Materialien, an das bei der Planung des Kinderzimmers, nicht gedacht wurde. Da dieses Material noch nicht einmal bestellt war, wurde es zu einem harten und schier unlösbaren Problem. Trotzdem brachte es Mayer fertig und
organisierte, sogar noch dieses Material in kürzester Zeit. Am Ende des Tages, es war kurz vor halb Eins am frühen Morgen, des nächsten Tages, fiel der Projektleiter, so wie er war ins Bett. Er hatte, wie seine Kollegen aus der Wachmannschaft, nicht einmal mehr die Kraft sich auszuziehen. Dieser Tag, hatte ihn und seine Teammitglieder, an die Grenze des Ertragbaren gebracht. Alle brauchten ganze drei Tage, um sich etwas zu erholen und wieder klar denken zu können. Man verkürzte, für die Wachmannschaft, sogar die Arbeitszeiten und setzte das freiwerdende Personal, aus dem Service, zum Wachdienst ein, damit die Wachmannschaft, sich einmal ausschlafen konnten und etwas zur Ruhe kam. Der Projektleiter war stolz auf seine Jungs die seit Anfang des Jahres 1957, rund um die Uhr im Einsatz waren und sogar, während der Bauphase tüchtig auf der Baustelle angefasst hatten. Ohne deren Engagement wäre das Objekt
gar nicht fertig geworden. Es war eine tolle Truppe, die immer zusammen hielt. Wirklich keiner des Teams, um Mayer, hatte sich jemals beschwerte. Alle packten einfach dort an, wo Hilfe gerade dringend gebraucht wurde. Mayer hatte es geschafft die Mannschaft als Team zusammen wachsen zu lassen. Das "Projekt Dalinow", konnte also beginnen. Zu mindestens die Wachmannschaft war mehr als bereit dazu. In der Zeit, in der die Teams von Mayer und Korpus das Kinderzimmer aufbauten, begann nicht nur Zolger und sondern auch Jacob damit, seinen Ordner aufzuarbeiten. Nachdem Jacob wieder in seiner Wohnung war, nahm er sich die Unterlagen aus dem Tresor. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und begann sich in die Sache hineinzulesen. Da er nun einmal seine Zustimmung zu diesem Projekt gegeben hatte, musste er jetzt das Beste daraus machen. Vor allem, für diese armen
Geschöpfe musste er Möglichkeiten des Schutzes finden. Egal, was diese Militärs und diese gewissenlosen Wissenschaftler aus dem Institut sagten, es spielte für den Arzt keine Rolle, ob gezüchtet oder nicht, es waren und blieben Kinder. In der vergangenen Nacht, grübelte Jacob darüber nach, was er jetzt machen sollte. Vor allem, wie er am besten aus diesem Schlamassel, in den er hineingeraten war, wieder herauskommen konnte. Jacob wollte auch in siebzehn Jahren noch in einen Spiegel schauen können, ohne, dass er in das Antlitz eines Mörders oder Unmenschen blicken musste. Er wollte sich trotz allem menschlich bleiben und sich im Anschluss, noch in die Augen schauen können. Deshalb hatte er seine Freundin auch nicht nach Hause geschickt. Sein kleines Mädchen, hielt ihn die ganze Nacht wach. Annas stets sehr unruhiger Schlaf, sorgte dafür, dass der Chefarzt munter blieb und genügend Zeit
zum Nachdenken hatte. Schritt für Schritt war der noch so junge Arzt, die Empfehlungen seines Mentors, zu solchen verzwickten Situationen durchgegangen. Jacob rief sich Hillingers stetigen Warnungen ins Gedächtnis, sich bei Forschungen vorzusehen. Dieser machte seine Studenten immer wieder darauf aufmerksam, dass bei allen Forschungsprojekten, gleich welcher Art, immer die Gefahr des Missbrauchs bestand. Jacob erinnerte sich nur zu gut, an all die Tipps und Kniffe, die er von Hillinger bekam, um in einem solchen Falle, den Missbrauch verhindern zu können. Vor allem aber, dafür zu sorgen zu tragen, dass dies in dem Moment, nicht zu einer allzu großen Gefahr wurde. Man konnte sehr gut gegensteuern und eine Wiederholung von solchen Experimenten verhindern. Indem man dafür Sorge trug, dass die Ergebnisse nicht die Gewünschten waren. Aber dabei sollte man trotzdem für Menschlichkeit und Gnade sorgt.
Jacob wollte auch in siebzehn Jahren, noch stolz auf seine geleistete Arbeit sein. Auch, wenn ihm klar war, dass er nicht alles verhindern konnte, was diese Wissenschaftler ohne Skrupel, geplant hatten. Allerdings würde er alles in seiner Macht stehende tun, um diese noch ungeborenen Kinder zu schützen. All diese, für ihn stets herausfordernden Streitgespräche, fielen Jacob heute Nacht wieder ein. Die Ratschläge, die ihm Hillinger gab, würde er stets, so gut es ging berücksichtigen. Er war seinem Mentor dankbar dafür, dass er von ihm, auf solche Situationen gut vorbereitet war. Er würde ihm alle Ehre machen. Jacob war sich sehr wohl darüber im Klaren, dass seine Einsicht zu spät kam und er jetzt nichts mehr an dem Entschluss ändern konnte. Er hatte einen Schritt in die falsche Richtung getan. Nun musste er versuchen, aktive Schadensbegrenzung zu betreiben und sich für das Wohl dieser armen Geschöpfe einsetzen.
Beim Durcharbeiten seines Ordners, kam Jacob sogar der Gedanke, dass es gut war, dass er am "Projekt Dalinow" teilnahm. Dadurch konnte er verhindern, dass so etwas noch einmal versucht würde. Unter all diesen Gesichtspunkt begann Jacob, die Unterlagen des "Projektes Dalinow" durchzuarbeiten. Er fand viele Möglichkeiten, die er als Chefarzt würde nutzen können, um diese Unmenschlichkeiten zu verhindern. Der sehr enge Kontakt, den er zu den Kindern haben würde, konnte Jacob dazu nutzen, um diesen kleinen Geschöpfen Moral und Anstand zu vermitteln. Er würde auch versuchen, Vertrauen zu den Kindern aufzubauen. Er wollte diesen kleinen Wesen, vor allem viel Liebe und Geborgenheit geben. Er würde sie wie seine eigenen Kinder behandeln, denn es würden seine Kinder sein. Er konnte dadurch die Möglichkeit nutzen, ein freundschaftliches Verhältnis
aufbauen. Ob dies machbar war, das musste aber die Zeit bringen. Er ahnte, dass dies nicht einfach sein würde. Seine erste wichtige Aufgabe war zu verhindern, dass die Kinder die nicht in der von den Wissenschaftlern willkürlich fest gelegten Norm lagen, getötet wurden. So schrieben es ihm vorliegenden Forschungsunterlagen vor. Jacob musste Wege suchen und finden, diese Morde zu verhindern. In seinen Augen, hatten die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Berliner Institutes, weder ein Herz, noch eine Seele, geschweige denn etwas menschlichen Verstand. Dass sich der Schutz der Embryonen als sehr kompliziert herausstellen würde, war dem Chefarzt bereits klar und wurde ihm, mit jeder Zeile die er las, bewusster. Vor allem musste Jacob eine Lösung finden, falls er diese Morde, nicht verhindern konnte. Er musste nach der Lösung suchen, wie diese Tötung, am humansten zu bewerkstelligen war.
Bei diesem Gedanken wurde ihm schlecht und sein Herz begann zu rasen. Daran wollte er jetzt noch nicht denken. Diesen Gedanken wollte er bis zur letzten Sekunde vor sich her schieben. Danach, so wurde Jacob mit jeder Zeile die er las bewusster, wäre er nicht mehr, derselbe Mensch. Etwas in seiner Seele würde für immer zerbrechen. Mit diesen Morden würde er nicht umgehen können. Er würde deshalb, ab der ersten Sekunde alles in seine Macht stehende tun, damit alle seine Kinder in eben dieser Norm liegen. Eins stand für ihn fest, er würde niemanden damit beauftragen können, diese Morde auszuführen. Musste eins dieser Wesen sterben, dann konnte er das nur selber machen und verantworten. Auch, wenn er die meisten seiner Ärzte-Kollegen nicht mochte, konnte er dieses Töten, von niemand verlangen. In Jacobs Augen, war dass, was er dann tun musste, Mord. Einige der Ärzte, die Jacob in seinem Team
hatte, waren nur an Geld und Forschung interessiert. Menschlichkeit und Freundlichkeit interessierte diese Kollegen nicht. Dies war auch der Grund, weshalb er keinen Zugang zu ihnen fand. Sie waren habgierige, nach Luxus strebende Ärzte, ohne jegliches Gewissen. Genau wie diese Wissenschaftler, die sich für solche Versuche an lebenden Geschöpfen hergegeben hatten. Trotzdem konnte Jacob niemand befehlen, Kinder zu töten. Er hatte vor sich aus seinen Teams, vertrauenswürdige Personen heraus zu picken, so wie Anna, Walter, denen er reinen Wein einschenken würde. Die anderen gewissenlosen Ärzte, musste er versuchen schnellst möglich aus dem Projekt zu entlassen. So dass er im Laufe der Jahre, nur noch Mitarbeiter in seiner Nähe hatte, auf die er hundertprozentig verlassen konnte. Zügig arbeitete Jacob die Unterlagen durch. Kurz vor 10 Uhr, erhielt Jacob von Mayer einen
Anruf, dass er bitte schnellstmöglich auf die Ebene 6 blau kommen möchte. Die Techniker wären soeben gelandet, bräuchten dringend seine Hilfe. Sie wären völlig überfordert und hätten keine Ahnung, wie die vielen Inkubatoren am besten aufgestellt werden sollten. So, wie es im Plan vorgesehen wäre, würde es nicht funktionieren. Der Raum wäre viel zu klein. Mayer erklärte Jacob, er habe ihn, den Chefarzt, für alle Ebenen des Gebäudes 6 freigeschaltet. Er könne sich jetzt überall frei bewegen und sich unten in allen Ebenen des Forschungszentrums umschauen. Also legte Jacob den Ordner erst einmal wieder in den Tresor. In diesem Augenblick wurde ihm auch klar, weshalb er in seiner Wohnung einen Tresor brauchte. Diese Unterlagen konnte er nicht einfach so herumliegen lassen. Wenn da ein Uneingeweihter, aus Neugier auch nur einen Blick hineinwarf, gab es eine Katastrophe. Selbst dann, wenn er nicht alle Einzelheiten
verstanden. Jacob begriff plötzlich, weshalb alle Telefonate nach außerhalb, überwacht wurden. Seit gestern Abend fragte sich der Chefarzt nicht nur einmal, wieso er so blind war und all die Anzeichen, die er jetzt sah, nicht schon eher bemerkt hatte. Wieso er so völlig ahnungslos in diese Falle und dieses Projekt gestolpert war? Hatte er sich, wie alle anderen, vom Luxus täuschen lassen? Oder war es der Drang zu forschen, der ihn so blind gemacht hatte? War es vielleicht nur Bestimmung, dass er hier war? War dies seine Lebensaufgabe? Diesen Wesen zu helfen und zu verhindern, dass noch mehr solcher Projekte in Auftrag gegeben wurden? Eins wurde Jacob immer klarer. Er musste verhindern, dass dieses Projekt wiederholt wurde. Dies konnte er aber nur im Geheimen machen, ohne offensichtlich zu werden. Vor allem musste er es so tun, dass diese armen Seelen, diese kleinen unschuldigen Geschöpfe, kein noch größeren Schaden nahmen.
Humane Schadensbegrenzung, hatte das Hillinger immer genannt. Jetzt wurden dem Chefarzt erst viele Dinge klar, die ihm sein Mentor erklärte. Er war ihm heute, umso dankbarer, dass sein Mentor ihm diese Wege vorgezeigt hatte. Er entschuldigte sich immer wieder gedanklich bei Hillinger, dass er nicht aufmerksamer gewesen war. Aber er machte Hillinger, im Stillen auch Vorwürfe, dass dieser seinen Schüler nicht vor diesem falschen Weg abgehalten hatte. Vielleicht musste er diesen Weg gehen, um zu wachsen. Was wäre, geschehen, wenn einer dieser gewissenlosen Ärzte, hier das Sagen hätten. Dann würde es in Zukunft, noch mehr Supersoldaten geben, nicht nur Hundert. Ein Gedanke, der Jacob erschauern ließ. Es war gut, so wie es war. Zu diesem Schluss war er heute Nacht gekommen. Alles hatte seinen Sinn im Leben. Auch, dass er diesen falschen Schritt getan hatte. Er würde es in etwas Positives
verwandeln. Dies war er Hillinger, diesen kleinen unschuldigen Wesen und sich selber schuldig. Tief in diese Gedanken versunken zog Jacob einen Overall über und fuhr das erste Mal, nach unten auf die Ebene blau. Erschrocken sah er sich hier um. Obwohl alle Lichter angeschaltet waren, wirkte es hier dunkel und ungemütlich. Im Gang standen überall zusätzliche Strahler, um für mehr Licht zu sogen. Nichts war hier von dem Luxus der anderen Häuser zu spüren. Ein etwas älterer Techniker kam auf Jacob zugelaufen. "Sind sie Major Jacob?", wollte er ohne Gruß wissen. Man merkte ihm an, dass er unter Zeitdruck stand. "Ja und mit wem habe ich die Ehre?", wollte Jacob wenigstens wissen, mit wem er es zu tun hatte. "Entschuldigen sie, Genosse Major. Nennen sie mich einfach Otto. Otto Korpus. Ich bin der
Cheftechniker. Bitte Ma…", Jacob unterbrach ihn einfach und lachte. "Sagen sie einfach du und Fritz, das erleichtert den Umgang." Korpus nickte. "In Ordnung, Fritz. Wie willst du die Brutkästen stehen haben? Ihr könnt die dann nicht mehr groß verschieben. So, wie die sich das die feinen Herren aus Berlin vorgestellt haben, geht das wieder einmal überhaupt nicht. Wir müssen die gleich richtig hinstellen. Wir haben keine Zeit lange zu probieren." Jacob war das schon klar. "Komm Otto, sehen wir uns das einmal in Ruhe an. Einer deiner Jungs, soll bitte Zolger Bescheid sagen. Ich weiß nicht, was die Laboranten an Platz brauchen. Darüber haben wir noch gar nicht sprechen können. Wir haben die Unterlagen gestern Abend erst bekommen." Korpus rief einen seiner Mitarbeiter, um nach Zolger zu schicken. "Otto, sag mal es müssen doch nur hundert der
Geräte im Raum sein. Kann man die anderen nicht darüber stellen?" Korpus schüttelte den Kopf. "Fritz, diese Geräte sind so groß und schwer, die müssen alle auf dem Boden stehen. Auch müssen alle einhundertfünfzig Inkubatoren, über den gesamten Zeitraum in Betrieb bleiben, da dies ein in sich geschlossenes System ist. Es ist verdammt schwierig, das zu installieren. Bitte, wir müssen hin machen, wir haben nur zehn Stunden für die Montage." Jacob sah den Techniker verwirrt an. "Warum seid ihr dann nicht schon vor ein paar Tagen gekommen?" Korpus verzog genervt das Gesicht. "Weil die Herren Wissenschaftler der Meinung waren, diese zehn Stunden würden genügen, um die paar Kästen hinzustellen. Vier Minuten würden reichen, um so einen Kasten abzustellen. Wir sollen die nur hinstellen und nicht aus Einzelteilen zusammenbauen. Aber keine Angst,
ich schaffe das mit meinen Jungs, schon irgendwie", dabei fuhr sich Otto nervös durch die Haare. Wohl war dem Techniker, dabei nicht. Das sah man ihm an. "Hast du einen Zollstock? Oder weißt du wie groß der Raum ist? Ich bin jetzt das erste Mal hier unten. Ich weiß deshalb nicht, wie viel Platz wir zur Verfügung haben." Otto nickte. "Fritz, der Raum hat eine Größe von fünfundzwanzig Metern mal fünfunddreißig Metern. Wir müssen einhundertfünfzig solcher Kästen aufbauen. Aber auch noch Arbeitstische, Schaltschränke und Regale. Ich habe keine Ahnung, wie die sich das vorstellen. Vor allem, wo ich das hin bauen soll. Der Raum ist viel zu klein." Jacob schlug den gestresst wirkenden und um viele Jahre älteren, jedoch völlig überforderten Korpus, lachend auf die Schulter. "Bleib mal ganz ruhig, Otto. Dafür hast du den Papa. Der rechnet dir das aus und richtet das alles."
Schallend lachend sah Korpus, den umso vieles jüngeren Jacob an. "Na du erst noch", konnte sich der Techniker, nicht verkneifen. Jacob interessierte allerdings etwas anderes, er erkannte das eigentliche Problem. Immer mehr Leute, hasteten mit Sackkarren an ihm vorbei. Ihm wurde klar, dass einhundert fünfzig nur eine Zahl war. Nichts aber, über die wirkliche Menge aussagte. Diese Brutkästen waren riesige Kolosse. "Hast du bitte mal einen Zettel und einen Stift? Dann erkläre ich dir, wie wir das am besten stellen können. Sobald ich den Raum gesehen habe", schon betraten sie den Kinderraum, der dunkelgrün gestrichen war. Keinen Lichtschacht gab es, kein Fenster, nur ein Ventilationssystem, das für Frischluftzufuhr sorgte. Kopfschüttelnd sah sich Jacob hier um. Hier sollten Kinder groß werden? Er musste mit den Wissenschaftlern, ein ernstes Wort reden.
Aber erst einmal musste er Korpus helfen, der vollkommen überfordert schien. Das Kinderzimmer war ein riesiger Raum. Gleich, wenn man den Raum betrat, war auf der rechten Seite genügend Platz für die Schaltschränke, da störte die Tür nur bedingt. Durch einen Türstopper konnte man verhindern, dass die Tür gegen die Schränke schlug. "Otto, sieh mal her. Hier vorn könnt ihr den Arbeitsbereich anlegen. Die Schalttafel, gleich hinter die Tür, daneben die Arbeitstische, Regale für die Arbeitsmaterialien, Laborausrüstung." Otto nickte und gab sofort seinen Leuten, die entsprechenden Anweisungen. "Wie groß sind die Brutkästen?", wollte Jacob von Korpus wissen. "Fritz, das sind Würfel von einem mal einem Meter Grundfläche und dreieinhalb Metern Höhe. Darunter befindet sich ein Pumpensystem, für die Reinigung des Wassers, für die Sauerstoffversorgung und die
Ernährung." "Otto, das wäre also eine Grundfläche pro Inkubator, von einen mal einem Meter?" "Ja", kam die kurze Antwort, von Korpus. Kurz rechnete Jacob einige Stellvarianten durch. "Pass auf Otto. Ich würde folgendes vorschlagen. Ihr stellt die Geräte erst einmal alle auf. Damit wir sehen, ob das, was Theoretisch gut klingt, auch Praktisch gut ist. Du stellst die Inkubatoren von der Wand da hinten, links in der Ecke, im Abstand von einem halben Meter in der Breite, nach vorn zu der Tür. So haben wir fünfzehn hintereinander, der halbe Meter muss sein, damit wir genug Bewegungsfreiheit haben. Vor allem, damit wir diesen Raum auch ordentlich sauber halten können. Von dort hinten links, zur rechten Wand hin, im Abstand von zwei Metern und fünf Reihen. Das Gleiche machst du von der rechten Wand aus. So haben wir in der Mitte, einen breiteren Gang. Indem wir eventuell später
noch Tische oder Rollwagen aufstellen können. Schon stehen alle einhundert fünfzig in Reih und Glied. So wie es sich gehört. Vor allem, dass die Wege nicht zu weit sind. Sag mal könntet ihr eventuell…" Jacob zeigte auf die jetzt noch theoretisch stehenden Brutkästen. "…hier vorn an der Tür, eine Art Trennwand bauen. Sonst kommen, die Vorderen nie zur Ruhe." Otto nickte dankbar, gab sogleich die Anweisungen die Brutkästen in dem besagten Schema abzustellen, an seine Mitarbeiter weiter. Dankbar sah er Jacob an. "Danke Fritz, ich bin ja eigentlich nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen, aber hier war ich grade total überfordert. Mit der Trennwand muss ich sehen. Ich habe kein Material dabei, für solche Extras. Aber das kann der Hausmeister, in den nächsten Tagen nachträglich einziehen. Ich bespreche das später mit Mayer, ob der mir das Material so kurzfristig besorgen kann. Der ist ein Organisationsgenie. Wir werden sehen, danke
Fritz." "Macht doch nichts, Otto. Zu was hab ich Jahre lang Mathematik studiert. Stellt einfach alle auf. Ich weiß ihr habt Zeitdruck. Fangt an die an der Wand anzuschließen, ich sehe mir das gleich noch einmal an, wenn alle da stehen. Aber ich denke, wir können sie so stellen. Schön, dass ich helfen konnte. Bei dem, was ihr hier vorhabt, wäre ich völlig überfordert." Immer größer wurden Jacobs Augen, als er die Masse von Brutkästen sah, die in den Raum wanderten. "Brauchst du mich noch Otto, ich würde mich hier unten gern einmal umsehen." Korpus schüttelte den Kopf. "Nein, ich brauche dich nicht mehr. Du stehst jetzt nur im Weg herum", meinte dieser lachend, da Jacob ständig den Technikern ausweichen musste. "Aber bevor du hoch gehst, sehe bitte noch einmal kurz hier in den Raum. In einer bis anderthalb Stunden müssten alle Inkubatoren, an ihrem Platz stehen. Damit wir wissen, ob wir vielleicht noch etwas
ändern müssen und bitte nicht erst kurz vor 22 Uhr." Jacob nickte und lief einfach los, um aus dem Weg der Techniker zu kommen. Die ständig schimpfend, um das Hindernis, dass er darstellte herumliefen und ihn ständig anrempelten. Deshalb beschloss Jacob sich erst einmal den gesamten Bereich des Forschungszentrums in Ruhe anzusehen. Fast zwei Stunden brauchte der Chefarzt, bis er alles gesehen hatte. Jacob war fassungslos, über das, was er erblickte. Alles war auf Kampf eingestellt. Es gab Schießstände vom Feinsten auf der Ebene Grün. Einen riesigen über zwei Ebenen aufgebauten Parcours, gab es auf der Ebene gelb. Auf der Ebene Lila war eine wunderschöne Turnhalle, die keine Wünsche offenließ. Darunter befand sich eine riesige Schwimmanlage. Deren spätere Verwendungszwecke der einzelnen Becken, man
noch gar nichts erahnen konnte. Aber nirgends, waren Quartiere für diese Kinder vorgesehen. Es gab keinen Spielbereich, keine persönlichen Rückzugsmöglichkeiten und keine Schulungsräume. Kopfschüttelnd kehrte Jacob zurück, auf die Ebene blau. Auf der sich das jetzige Kinderzimmer und ein noch nicht fertiggestellter Sanitärbereich befand. Erstaunt sah er sich um. Korpus Leute waren bereits dabei, die Brutkästen anzuschließen. Die Arbeitsbereiche vorn an der Tür, waren bereits fertiggestellt. Der Schaltschrank war ebenfalls schon vorbereitet. Fassungslos sah er sich um. Was diese Techniker in nur zwei Stunden alles montiert und aufgestellt hatten, war für ihn einfach nicht zu begreifbar. Es war wie ein Wunder. Jacob ging einfach einmal durch die Reihe, es war genügend Platz. Zolger der nun auch eingetroffen war, kam auf Jacob zu. "Die Brutkästen stehen gut, wie sie jetzt stehen. Finde ich. Es ist genug Platz
vorhanden, um an jeden dieser Brutkästen heranzukommen. Eine gute Aufteilung, finde ich." Jacob lächelt den müde aussehenden Kollegen an. "Walter, sag mal, wann hast du das letzte Mal geschlafen? Du siehst schlecht aus", intensiv musterte der Chefarzt seinen Freund. "Na ja, ich dachte, so stehen die Kästen am besten." Zolger nickt gähnend, rieb er sich das Gesicht. "Der Gang in der Mitte ist gut, da können wir zur Not noch Tische mit Laborausrüstung hinstellen. Was mir allerdings nicht gefällt, siehe dir mal diese vielen Kabel an. Hier kann man kaum laufen." Jacob war das auch schon aufgefallen. "Keine Angst, ich kümmere mich da gleich noch darum", sah sich nach Otto Korpus um. Da er den Cheftechniker nirgends sah, fragte er einfach einen der Techniker. "Wo ist Otto Korpus?" "Da hinten irgendwo in der Ecke", gab der
Angesprochene zur Antwort und zeigte nach hinten links. "Danke", schon ging Jacob in die gezeigte Richtung, in der er nur ein paar Beine auf dem Boden und vor einem Kasten liegen sah. "Otto hast du einen Moment?", sprach er die Beine an, die so hoffte er zu Korpus gehörten. "Moment." rief dieser aus dem Brutkasten, den gerade anschloss. Fast zehn Minuten brauchte der Techniker, dann erschien sein Kopf vor dem Kasten. Der Techniker stand stöhnend auf und kam auf Jacob zu. "Tut mir leid, Fritz, das ist so kompliziert mit dem Anschließen der Geräte. Wenn ich da mitten drinnen aufhöre, komme ich nicht mehr rein. Muss noch einmal von vorn anfangen. Das kostet viel Zeit. Etwas, dass ich nicht habe. Was kann ich für dich tun? Wie kann ich dir helfen, Fritz?" Jacob konnte sich schon denken, dass dies alles nicht einfach war. In technischen Sachen war er so unbeholfen, dass er nie verstehen würde, wie
solche Dinge funktionierten. "Otto wie ist das mit den Kabeln und Schläuchen hier? So kann das nicht bleiben. Wie sollen die Leute hier laufen?" Korpus fing an schallend zu lachen, ein schönes klares Lachen. "Na du erst noch, das bleibt doch nicht so", kopfschüttelnd sah er Jacob an. "Was ihr so denkt? Keine Angst Fritz. Da kommen noch Laufstege drauf, mit Linoleum. Damit ihr auch wischen könnt. Deshalb sind ja die Brutkästen, so sehr hoch. Allerdings müssen wir vorne die Tür aushängen oder umbauen, so dass sie sich nach außen öffnet. Sonst bekommen wir die Tür nicht mehr bewegt. Oder ich mache hier ein paar Stufen hin, die auf den Laufsteg führen. Anders geht das wirklich nicht zu machen." Jacob verstand, was der Techniker meinte. "Otto, das musst du mit dem Hausmeister und Mayer absprechen. Eine Tür würde ich schon gern hier drinnen haben. Ich denke die Idee mit den Stufen ist nicht schlecht."
Korpus nickte. "Dann kläre ich das mit Mayer ab. Also, lass mich weiter machen. Wir haben alle Hände voll zu tun. Um 22 Uhr 15, muss ich mit allem fertig sein. Denn um 22 Uhr 30 ist der Testlauf. Drücke mir die Daumen, das alles klappt. Wenn ich dich noch einmal brauche, lass ich dich rufen. Ansonsten, sehen wir uns um 22 Uhr 45 zur Abnahme", schon war er im nächsten Brutkasten verschwunden, ohne auch nur auf eine Antwort von Jacob zu warten. Jacob ging wieder nach vorn zu Zolger. "Walter, hier kommt noch Laufstege drüber. Also denke ich, können wir bestimmt Wagen benutzen. Komm gehen wir Mittagessen. Dann mein Freund, legst du dich hin, sonst weise ich dich auf die Krankenstation ein", lächelte seinen Freund und Kollegen an, der fix und fertig aussah. Zolger nickte müde. Er fuhr mit Jacob nach oben in die Ebene weiß und von dort aus liefen die
beiden Abteilungsleiter durch den Park nach vorn in die Mensa. Die frische Frühlingsluft tat beiden Freunden gut. Vor allem die Ruhe, nach der Hektik, die unten im Bereich blau herrschte. Die Mensa wirkte heute irgendwie leer und trostlos, nach dem Trubel der die ganzen letzten Wochen, hier ständig herrschte. "Wollen wir hier essen oder hinten in der Offiziersmesse?" Zolger zuckte lustlos mit den Schultern. "Ist mir egal. Eigentlich habe ich gar keinen Hunger. Mir ist schlecht", erklärte er dem Chefarzt und ließ sich einfach auf den nächsten Stuhl fallen. Jacob setzte sich neben den Freund. "Walter, es hilft doch niemanden, wenn du dich so durchhängen lässt. Wir haben einen Schritt in die falsche Richtung gemacht, da stimme ich dir zu. Aber wir können noch beeinflussen, in welche Richtung wir segeln. Es liegt nur an uns, ob wir zulassen, dass man aus diesen Kindern gefühllose Monster macht."
Zolger sah Jacob verzweifelt an. "Fritz, du hast gut reden. Du hast das hier nicht zu verantworten, ich aber schon. Viele der Sachen, die sie dort gemacht haben, sind auf meinen Mist gewachsen. Ich habe in der Uni in Leningrad, theoretisch in der Genmanipulation gearbeitet. Einbindung von bestimmten genetischen Merkmalen, tierischen Ursprungs, in die menschliche Genetik. Ich dachte, es wäre nur theoretische Spinnereien. Aber, die haben meine Forschungen missbraucht. Fritz, die haben in die Gene, dieser Föten, tierische DNS eingebettet. Diese Wissenschaftler merken absolut nichts mehr. Haben die denn gar kein Gewissen? Fritz, die haben dort unten keine Menschen geschaffen, sondern Monster. Ich kann und will da nicht mitmachen. Das ist gegen alle meine Prinzipien. Ich werde aussteigen, aus diesem Projekt. Egal, was die mit mir machen. Lieber lasse ich mich umbringen, als das zu
verantworten. Ich kann damit nicht leben." Fassungslos starrte Jacob, seinen Freund an. "Wie tierische DNS integriert? Walter, du weißt ich bin in Genetik nicht so firm, wie du. Ich habe mich immer nur sehr oberflächlich damit befasst." Walter winkte ab, stützte müde seinen Kopf auf die Hände, starrte auf die Tischplatte. "Komm Walter erkläre es mir. Ich muss verstehen, was da auf mich zukommt. Außerdem bist du nicht verantwortlich, du hast es doch nicht gemacht." Walter sah hoch. Jacob erschrak, sein noch so junger Kollege weinte. Er rutschte mit seinem Stuhl zu Zolger, zog ihn in seine Arme und versuchte ihn zu beruhigen. Walter erklärte ihm, als er wieder ruhiger war. "Klar bin ich verantwortlich. Durch mich wurde das alles erst möglich. Das habe ich nicht gewollt, wirklich nicht. Es waren Spinnereien, die wir als Genetik-Studenten gemacht haben.
Weißt du, wie bei diesem Wortspiel mit Elefant und Krokodil. Da wird ein Krokofant oder Eledil draus. Wie sollte ich wissen, dass diese Unmenschen das umsetzen. Wie krank muss man eigentlich sein, wenn man so etwas macht? Fritz, die haben die Augen, die Ohren, den Geruch, aber auch die Schnelligkeit dieser Wesen, durch gezieltes Einsetzen von tierischer DNS in die menschliche DNS, verbessert. Ich habe keine Ahnung, wie die das hinbekommen haben. Sieh dir die DNS-Stränge der Föten an, dann siehst du das auch. Jeder dieser Serien hat bestimmte genetische Merkmale. Deshalb ist es dort unten alles so dunkel. Diese Kinder werden einmal im Dunkeln besser sehen, als wir im Hellen. Auch werden die meisten oder was wahrscheinlicher ist, alle, eine Kombination aus einem menschlichen Auge und einem Facettenaugen haben. Keine Ahnung, was mit diesen Kindern noch alles passiert. Die haben so viele verschiedene DNS Stränge hinein gemischt,
dass keiner vorher sagen kann, was da unten entstehen wird. Es ist einfach unmenschlich. Das hat nichts mehr mit dem zu tun, was ich unter Genetik verstehe. Ich wollte verhindern, dass Missbrauch mit der Gentechnik betrieben wird. Jetzt soll ich das unterstützen, das kann ich nicht", verzweifelt sah Zolger seinen Kollegen und Freund an. "Lass es dir schmecken. Ich gehe Hunsinger anrufen. Ich steige aus." Jacob war entsetzt, fassungslos, über das, was ihm Zolger gerade gesagt hatte. "Verdammt nochmal. Walter, dann brauche ich dich erst recht. Bitte, du musst mir helfen, diese Kinder zu beschützen. In unserer Hand liegt es jetzt, was aus den Kindern wird", ernst sah er den Freund an. Der wissenschaftliche Leiter des Projektes schüttelte den Kopf. Er konnte und würde dieses Experiment nicht unterstützen. Zolger stand auf, als Jacob ihn festhalten wollte,
schüttelte er dessen Hand ab und ging einfach fort. Mit hängenden Schultern, seine ganze Körperhaltung, war besorgniserregend. Zolger verließ völlig verstört und resigniert, die Mensa. Jacob stand jetzt ebenfalls auf und ging nach hinten in die Offiziersmesse. Da war Mayer, um diese Zeit immer zu finden, da er mit seiner Tochter Mittag aß. "Mahlzeit, Sigmar. Wo hast du Ilka, meine kleine Freundin gelassen?", grüßte er seinen Freund und Vorgesetzten, setzte sich zu ihm an den Tisch. "Mahlzeit, Fritz. Meine Kleine, ist heute mit Reimund in Berlin bei ihren Großeltern, einen Stadtbummel machen. Fritz, ich wollte die Kleine hier raus haben. Die kommen übermorgen erst zurück. Sag mal, wie geht es dir, hast du den ersten Schock schon überwunden? Was ist denn los Fritz? Wo ist Walter?" Jacob schüttelte den Kopf, das Gespräch mit Zolger ließ ihm keine Ruhe. "Sigmar, ich habe so
ein verdammt ungutes Gefühl im Bauch. Ich denke, dass Walter kurz vor dem Durchdrehen ist. Er will aussteigen. Ich habe die Vermutung, wenn er dazu keine Genehmigung bekommt, haben wir hier unseren ersten Toten. Kannst du organisieren, dass man bei ihm regelmäßig nach dem Rechten sieht? Ich habe solche Bauchschmerzen." Mayer sah den Chefarzt verwundert an. Da dieser noch nie, so etwas von ihm verlangt hat und auch, weil Jacob wusste, dass er heute jeden seiner Leute brauchte. "Sieh mich nicht so an Sigmar. Leider behalte ich mit solchen Gefühlen fast immer Recht. Schicke einfach ab und an mal eine Wache, zum Nachsehen vorbei, bitte. Wenn ich mich täusche, ist das doch gut." Mayer stimmte zwar mürrisch zu, gab Jacob insoweit Recht. Schaden würde es nicht und so war man auf der sicheren Seite. "In Ordnung, Fritz, das organisiere ich dann gleich. Lass uns
erst einmal in Ruhe etwas Essen. Du kannst dir nicht vorstellen was ich heute für einen Stress habe. Die Flieger kommen schneller an, als ich sie ausladen lassen kann. Noch zwei solche Tage und du kannst mich wegschmeißen. Na hoffentlich, wird es bald ruhiger." Jacob nickte, er konnte sich gut vorstellen, was für ein Problem, dies für den Sicherheitschef war. "Na ich denke nächste Woche läuft alles wieder seinen geordneten Gang. Lass es dir schmecken, Sigmar." Jacob griff ordentlich zu, heute früh hatte er nicht viel gegessen, da seine Gedanken viel zu sehr abgelenkt waren. Nachdem man in Ruhe gegessen hatte, gingen beide wieder ihren Arbeiten nach. Jacob ging als erstes noch einmal, nach oben zu Zolger, um nach dem Rechten zu sehen. Der war allerdings nicht da oder macht die Tür nicht auf. Dadurch beunruhigt, dass ihm sein Kollege nicht geöffnet hatte, rief er von seiner Wohnung aus, den Wachdienst an. Damit jemand nach Zolger sah.
Nur wenige Mitarbeiter von der Sicherheit, besaßen die Generalkarten, um sich überall Zutritt zu verschaffen können. Jacobs Bauchweh, wurde immer schlimmer. Da er keine Ruhe fand, rief er Zolger nochmals zu Hause und im Labor an. Aber, obwohl die Telefone nicht besetzt waren, ging dieser nicht ans Telefon. Selbst in der Mensa ließ Jacob nachschauen ob Zolger vielleicht noch zum Essen dort erschienen war. Nirgends war sein Freund zu sehen. Immer unruhige wurde Jacob, stand auf und lief hinüber ins Haus 3. Dort kam er zeitgleich, mit den vier Wachleuten an, die er zwischenzeitlich um Hilfe gebeten hatte. Jacob bat darum, gleich nach oben zu fahren. Sofort gingen alle zum Aufzug und fuhr nach oben in Zolgers Wohnung. Jacob hieß die Wachleute am Aufzug zu warten, betrat rufend die Wohnung Zolgers, bekam jedoch keine Antwort. Der Chefarzt ging ins Schlafzimmer, dort war Zolger auch nicht. Dann
weiter ins Bad, auch dort fand er Zolger nicht. Besorgt sah Jacob im Büro und dann im Labor nach. Dort entdeckte er Zolger, mit dem Kopf auf dem Labortisch. Erleichtert atmete der Chefarzt auf. Also war Walter nur vor Müdigkeit eingeschlafen. Der Chefarzt schüttelte den Kopf und ging auf Zolger zu, wollte den Freund wecken. "Walter, komm werde munter und lege dich ins Bett", dieser rührte sich nicht. Besorgt fühlte Jacob nach dem Puls von Zolger, der schlug gleichmäßig und kräftig. "Jungs kann mir bitte mal jemand von euch helfen kommen", rief er zu den Wachleuten, die immer noch am Aufzug warteten. Sofort kamen zwei der Wachleute ins Büro. Lachend sahen sie auf den schlafenden Professor. "Na, der hat ja einen gesunden Schlaf. Warten sie Herr Doktor, wir tragen ihn rüber ins Bett." Die Beiden fassten, Zolger unter den Achsen und an den Beinen, trugen ihn nach drüben in
sein Bett, legten ihn angezogen wie er war, darauf. "Danke meine Herren. Damit konnte keiner rechnen, ich dachte hier ist etwas passiert. Sagen sie Major Mayer bitte Bescheid, dass alles in Ordnung ist." "Jawohl, Genosse Major", schon verschwanden die Vier lachend im Aufzug und gingen wieder ihrer Arbeit nach. Jacob zog dem schlafenden Freund die Schuhe aus, deckte diesen zu. Blieb allerdings in Zolgers Wohnung. Dieses ungute Gefühl ließ ihn, auch jetzt nicht los. Deshalb ging er ins Labor von Zolger. Jacob wollte, in der Annahme das Zolger die gleichen Unterlagen wie er bekommen hatte, einfach weiterlesen. Stellte jedoch fest, dass Zolger völlig andere Informationen vorlagen, als ihm. Intensiv las Jacob in Zolgers Ordner. Ihm wurde klar schon nach den ersten Seiten klar, was
seinem Kollegen so zu schaffen machte. Vor allem, wieso es Zolger so schlecht ging. Was man diesen Embryonen antat, war der blanke Wahnsinn. Man konnte von Glück reden, wenn diese Kinder annähernd menschlich aussehen würden. Selbst mit seinem nicht sehr tiefschürfenden genetischen Wissen war ihm klar, dass dies eine verdammte Gratwanderung wurde. Es war Wahnsinn, was die Wissenschaftler da erschaffen hatten. Trotzdem würden es fühlende und denkende Wesen sein und sie würden all ihre Hilfe brauchen, um in diesem Leben klar zu kommen. Fast vier Stunden hatte Jacob Zeit und las in den Unterlagen seines Kollegen. Als er bemerkte, dass Zolger munter. "Walter ich bin in deinem Labor", rief er diesem zu, um sich gleich bemerkbar zu machen. Sofort stand Jacob auf, um Zolger entgegenzugehen. "Wieso bist du, in meiner Wohnung, Fritz?" Entschuldigend sah Fritz Jacob seinen Kollegen
an. "Tut mir leid Walter, aber ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Heute Mittag machtest du einen so deprimierten Eindruck auf mich. Ich versuchte dich dann zu erreichen. Du bist nicht ans Telefon gegangen, auch nicht an die Wohnungstür. Da hab ich die Wachleute angerufen. Entschuldige, ich dachte, du tust dir etwas an." Den Kopf schüttelnd sah Zolger, den Beichtenden an. "Keine Angst Fritz, ich tue mir so schnell nichts an. Ich war einfach nur fertig. Ich hatte die ganze Woche schon wenig geschlafen, da ich ein wichtiges Experiment fertig machen wollte. Dann dieser Mist hier. Das war einfach zu viel." "Na da bin ich aber froh, Walter. Ich hab mir wirklich Sorgen gemacht. Komm lass uns Abendbrot essen gehen. Hast du Hunsinger erwischt?" Zolger schüttelte den Kopf. "Der ist ein paar Tage im Urlaub. Aber ich habe im wahrsten
Sinne des Wortes, noch einmal drüber geschlafen. Du hast Recht mit dem, was du vorhin sagtest. Wir müssen Schadensbegrenzung betreiben." Jacob sah seinen Freund und Kollegen dankbar lächelnd an. "Na Gott sei Dank. Ich dachte schon, ich muss die Kastanien alleine aus dem Feuer holen. Walter, entschuldige bitte, ich habe in deinen Ordner gesehen. Ich dachte du hast die gleichen Unterlagen wie ich und wollte dich nicht alleine lassen. Du hast ja ganz andere Unterlagen, wie ich. Jetzt begreife ich erst einmal, warum du so von der Rolle warst." Verwundert sah Zolger Jacob an und fragte immer noch nicht ganz munter nach. "Hast du denn andere Unterlagen, wie ich?" "Ja Walter, völlig andere. Zusammen ergeben beide erst einen wirklichen Sinn. Wollen wir die Ordner später zusammen durchgehen? So würden sich die Lücken füllen." Zolger nickte zustimmend. "Klar. Komm, gehen
wir erst einmal zum Abendessen. Ich nehme meine Unterlagen mit, dann gehen wir zu dir und arbeiten zusammen." Sogleich verschwand Zolger im Bad. Nur fünf Minuten später kam er geduscht und rasiert wieder. Griff sich den Ordner und klemmte ihn sich unter den Arm. "Wir bringen ihn besser erst hoch zu mir. Wir sollten diese Unterlagen nirgends herumliegen lassen. In den falschen Händen gibt das eine Katastrophe", erklärte Jacob seinem Kollegen. Dieser stimmte dem zu. Deshalb drehte er sich nochmals um und schloss seine Unterlagen in den Tresor ein. "Ich hole sie, wenn wir zu dir hinter gehen. Lass uns etwas Billard spielen, dann arbeiten wir die Nacht durch. Ich muss mal kurz abschalten", bat er lächelnd. Jacob war sofort damit einverstanden, diese Pause würde ihm auch gut tun und klopft Zolger dankbar auf die Schulter. "Vielleicht hat Heiko
auch Lust auf ein Spiel. Bis um 22 Uhr 30, können wir ruhig auch etwas Spaß haben. Dann nehmen wir das Kinderzimmer ab und im Anschluss, sehen wir uns den Mist an." Schon liefen sie zusammen vor zur Mensa und setzten sich zu den Wachleuten an den Tisch. "Abend Jungs, Abend Heiko. Na habt ihr einen ruhigen Tag gehabt", foppte Jacob lachend die Flugsicherung. Wohl ahnend, dass die Wachleute heute einen Höllentag hatten. So fertig, wie die Jungs aussahen, war dieser Tag noch schlimmer, als sich Jacob, das vorstellen konnte. "Oh Manne, ich bring dich um Fritz. Einen ruhigen Tag? Wir hatten heute mehr Maschinen gehabt, als in den letzten vier Monaten zusammen. Ich bin so gut wie tot", antworte Corsten wütend. "So ein Mist, aber auch", stichelte Zolger, um die Laune des Wachpersonals etwas zu heben. Die alle ziemlich genervt und mürrisch am Tisch saßen. Ein Billardmatsch würde die Stimmung
schnell heben. Dabei hatten sie immer ihren Spaß. "Gerade heute, bin ich super schlecht drauf. Du hättest mich glatt weg, beim Billard schlagen können", gestand Zolger breit grinsend. "Na dann, muss ich heute ja mal gegen dich antreten. Vielleicht gewinne ich ja mal, Walter", ging Corsten auf Zolgers Sticheleien ein. Schwatzend aßen die Männer zu Abend. Gesellten sich dann, bei einem Kaffee, beziehungsweise Bier an den Billardtisch, um ein kleines Matsch zu machen. Schnell war die Zeit verflogen, um 22 Uhr verabschiedeten sich die Leute der Flugsicherung, diese mussten wieder zum Dienst. Da Corsten wie immer keine Chance gegen seinen Freund hatte, musste dieser wegen seiner Niederlage noch etwas los werden. Deshalb raunte er Zolger, während er sich umdrehte, um loszulaufen, nochmals zu. "Irgendwann Walter, irgendwann gewinne ich mal gegen dich." Zolger sah belustigt zu Corsten. "Klar
irgendwann bestimmt. Wir haben ja immer noch siebzehn Jahre Zeit, zum Üben. Da kann viel geschehen. Manchmal, sogar ein Wunder, Heiko", feixend klopfte er den Freund auf die Schulter. Der sich jedes Mal ärgerte, weil er ihn nicht besiegen konnte. Zolger spielt schon seit fast zwanzig Jahren Billard. So dass er einfach viel mehr Übung, als Corsten darin besaß. Der erst vor vier Monaten mit Billard spielen anfing. Allerdings hatte er sich in den letzten Wochen sehr verbesserte. Es machte einfach immer mehr Spaß, gegen Heiko Corsten anzutreten. Jacob und Zolger gingen nach dem Spiel, als erstes in Zolgers Wohnung, dann in die des Chefarztes. Dort schlossen sie die Unterlagen wieder in den Tresor. Gemeinsam fuhren sie auf die Ebene Blau, um das fertiggestellte Kinderzimmer abzunehmen. Sprachlos standen die Beiden Abteilungsleiter im Raum. Sie konnten nicht fassen, was man in
nicht einmal elf Stunden, für einen Arbeitsmarathon geleistet hatte. Der Raum war nicht wiederzuerkennen. Wirklich alle Inkubatoren waren fertig angeschlossen, die Bodenplatten verlegt, selbst die von Jacob gewünschte Trennwand, wurden von Korpus und seinen Kollegen hochgezogen. Das Hausmeister-Techniker-Team bekam gerade die letzte Einweisung, in die Wartung und Reparatur der Anlagen. Schon kam Mayer, um den Raum abzunehmen. "So, Oberleutnant Korpus, kann ich die Anlagen abnehmen und an Major Zolger, Major Jacob übergeben?" Der Angesprochene nickte. "Genosse Major, alle Brutkästen wurden geprüft und abgenommen. Die Techniker habe ich eben noch eingewiesen. Hiermit übergebe ich ihnen die Anlage. Viel Erfolg." Korpus, salutierte vor Mayer. Übergab dem Projektleiter, den für die Anlage bestimmten Ordner. Damit war seine Aufgabe
hier vor Ort erst einmal erledigt und die Anlage aus seiner Verantwortung. Jacob sah Korpus fragend an. "Otto, bekommen wir keine Einweisung?" Korpus schüttelte den Kopf. "Fritz, die bekommt ihr erst übermorgen. Ihr werdet direkt von den Mitarbeitern des Forschungsteams eingewiesen." Anerkennt nicke Jacob und Zolger, dem Techniker-Team zu, nahm die Information von Korpus ohne Kommentar an. Was hätte der Chefarzt dazu auch sagen sollen? Beide Abteilungsleiter schüttelten dem Cheftechniker anerkennt die Hand. "Mein Gott, habt ihr geschuftet. Das hätte ich nicht gedacht, dass ihr heute wirklich mit allem fertig werdet", stellte Zolger bewundernd fest. Mayer fing an zu grinsen und Otto Korpus an, klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Er kannte Korpus schon seit vielen Jahren. Man hatte viele gemeinsame Aufträge abgearbeitet.
Deshalb konnte er sich eine letzte Bemerkung nicht verkneifen. "Mensch Otte altes Haus. Ich brauche ja länger, um das alles kaputt zu mache, als ihr zum Aufbauen. Das war wirklich eine tolle Leistung." Der Projektleiter wurde wieder ernst. Offiziell erklärte er, im ernsten Ton. "Oberleutnant Korpus, unser Dank gehört ihnen und ihren Jungs. Ihr habt wieder einmal ein handwerkliches Akrobatenstück hier hingelegt und zwar eins vom Feinsten. Alle Achtung. Ich wünsche euch einen guten Heimflug und schönen Feierabend. Den habt ihr euch verdient. Gern wieder." Mayer grinste über das ganze Gesicht. Korpus wusste dass diese Worte von Mayer mehr waren als ein Lob. Selten hatte Mayer so viele Worte für sein Team über. Bei ihm bekam man das größte Lob durch ein anerkennendes Nicken. Die Worte des Dankes taten Korpus deshalb doppelt gut. "Na ja, Genosse Major, wir haben auch nicht
wirklich daran geglaubt, dass wir das dieses Mal schaffen würden. Aber wie immer, machen wir Wunder möglich. Vielleicht bekommen wir ja mal nicht nur von euch ein Lob, sondern auch von denen dort oben…", damit zeigte Korpus die Augen verdrehend nach oben. "…von denen, die immer nur an uns herum meckern. Aber einmal sehen wir uns ja noch. Da sind wir allerdings schneller. Kaputtmachen, geht halt immer noch schneller, als das Aufbauen. Es dauert nur die halbe Zeit. Jetzt haben wir nur noch einen Wunsch. Ab unter die Dusche und ins Bett. Guten Abend die Herren", Korpus nickte allen zu, winkte seinen Männern zu und die Handwerker verschwand mit ihrem Chef aus dem Raum. Tief holten die drei Zurückgebliebenen Luft. Ab morgen war die Zeit des Wartens vorbei. Jetzt würde es richtig ernst werden und es gab kein Zurück mehr. Allen drei leitenden Offizieren wurde es mulmig zumute. Sie ahnten, dass es
nicht einfach werden würde, was in den nächsten Monaten auf sie zukam. Der Projektleiter sah Zolger und Jacob kurz an und holte tief Luft. "Na dann. Ich werde mal noch den Schriftkram erledigen, bis morgen ihr zwei. Um 9 Uhr kommen die Wissenschaftler, wollen morgen allerdings ihre Ruhe haben. Erst ab Übermorgen, wollen sie euch Beide dabei haben. Ihr bekommt dann, die vollständige Einweisung. Guten Nacht", mit diesen Worten verschwand auch Mayer aus dem Raum. Jacob sah Zolger völlig irritiert an. Das war ja eine etwas eigenartige Übergabe. Na ja, hier lief einiges nicht so, wie man sich das vorstellte. Trotzdem begutachten die beiden Abteilungsleiter, noch einmal den Raum, vor allem die Brutkästen. Es war erschreckend, wie viele es waren. Einhundert fünfzig Inkubatoren standen hier. Es war so schon eine große Zahl. Wenn man aber diese ganzen Geräte sah, war diese noch beeindruckender.
Tief in ihren Gedanken versunken, gingen die beiden Männer nach oben, in Jacobs Wohnung. Dort begannen sie zusammen, die beiden Ordner durchzuarbeiten. Erklärten sich das, was sie nicht verstanden und ergänzten die Informationslücken, durch die Informationen des Anderen. Dadurch, schafften sie alle Unklarheiten aus dem Weg. Schnell war es 10 Uhr am Morgen, aber sie hatten es geschafft. Sogar auf das Laufen, verzichtete Jacob an diesem Morgen. Die Ebene 6/blau war wieder einmal für alle, auch für die Leitungsebene des Projektes, gesperrt. Deshalb beschlossen die Beiden, sich nach dem Frühstück hinzulegen, um für den morgigen Tag fit zu sein. In den nächsten fünf Tagen, wurde zu einem Arbeitsmarathon, den die Beiden kaum bewältigen konnten. Der Chefarzt und sein Teamkollege, bekamen so viele Informationen und arbeiteten sich mit den Inkubatoren ein. Zu
ihrem Erstaunen, sah man schon die Körperumrissen der Embryonen. Diese waren alle schon in der zehnten Woche, würden hier allerdings noch vierzig Wochen im Inkubator verbleiben. Der Kampf um die Kinder hatte begonnen. ~ 7. Mai 1958 ~ An diesem Tag, einen Mittwoch, kamen alle Mitarbeiter, aus dem Urlaub zurück. Schwatzend, gut gelaunt saßen sie in der Mensa und tauschten ihre Urlaubserlebnisse aus. Keiner von ihnen ahnte, dass sie gleich den Schock ihres Lebens bekommen würden. So, wie es Zolger und Jacob es vor sechs Tagen durchleben mussten. Keiner der Anwesenden wusste bis zu diesem Augenblick, dass man es hier nicht mit erwachsenen Soldaten, sondern erst einmal mit Säuglingen zu tun bekam, die in Inkubatoren heran gezogen werden mussten.
Anna die nach einer Woche Urlaub, erholt und vor Freude strahlend, zu ihrem Freund zurückkehrte, erschrak als sie Fritz Jacob sah. Müde, vor allem mit eingefallenem Gesicht, saß dieser am Frühstückstisch. Lange diskutierten Mayer, Zolger und Jacob gestern Nacht, wie man weiter vorgehen sollte. Sie überlegten, wie sie ihren Untergebenen, diese Sache schonend beibringen konnten. Nach vielen langen und vor allem, endlosen Diskussionen, einigte man sich darauf, dass es kaum eine Möglichkeit gab, den Mitarbeitern diese Tatsache behutsam beizubringen. Egal, welche Worte man wählte, der Schock würde immer der Gleiche bleiben. Deshalb beschloss man, das gesamte Pflegepersonal, wie auch die Laboranten, einfach vor die vollendeten Tatsachen zu stellen. Die Mitarbeiter des Institutes wurden angewiesen, am morgigen Tag alle zur Frühschicht zu bleiben, beziehungsweise zu erscheinen, um
Jacob und Zolger bei der Beruhigung ihrer Mitarbeiter, unter die Arme zu greifen. Man war sich bewusst, dass die Bekanntgabe dieser Horrorbotschaft, nicht ohne Komplikationen vonstattengehen würde. Mayer war der gleichen Meinung, egal wie vorsichtig man versuchte, es den Frauen wie auch den Männern beizubringen, es würde immer ein Schock bleiben, wenn diese das Kinderzimmer das erste Mal betraten. Also wartete Jacob in der Mensa auf seine Kollegen, allerdings mit sehr gemischten Gefühlen. Alle kamen lachend und vor Freude strahlend, an den Tisch. Auch Zolger erschien. Er sah genauso zerzaust und geschafft aus, wie der Chefarzt. Zolger fuhr sich immer wieder nervös, durch die Haare und rieb sich nervös sein müdes Gesicht. Die letzten sechs Tage waren aufreibend und Kräfte raubend gewesen. Vierzehn der einhundert fünfzig Kinder, hatte man schon
verloren. Die aus irgendwelchen, nicht erkennbaren Gründen, urplötzlich aufhörten zu atmen. Gestern Nacht, war es wieder ganz besonders schlimm. Gleich bei sieben der Kinder, gab es zur gleichen Zeit, akute Probleme. So dass, die sich beiden Männer, bis vor einer knappen Stunde, im Kinderzimmer um das Überleben ihrer Sprösslinge kämpften. Ihnen blieb gerade einmal so viel Zeit, um schnell duschen gehen und sich neu einzukleiden. Denn alle Beide waren schweißgebadet. Die Kraft hatte nicht einmal mehr dazu gereicht, dass sie sich rasierten. Danach gingen sie sofort nach vorn in die Mensa, um ihre Mitarbeiter zu begrüßen. Immer wieder, sah Zolger seinen Freund Jacob an. Ihm war alles, aber nicht wohl bei der ganzen Sache. "Na guten Morgen, erst einmal von mir. Ich hoffe ihr hattet alle einen wunderschönen Urlaub, habt euch noch etwas erholt?", begrüßte
Jacob seine Mitarbeiter, als alle am Tisch saßen. Von allen Seiten kam ein Nicken und Lachen. Jacob wie auch Zolger, ging es durch den Kopf: ‚Verdammt gleich werden wir unseren Leuten, ihre gute Laune ruinieren. Es wird bei den Frauen bestimmt Tränen geben. Aber es nutzt nichts, da müssen sie durch. Genau wie wir.‘ Also versuchten Beide so gut es halt ging, auf die Scherze ihrer Mitarbeiter einzugehen. Aber sie konnte nicht wirklich mit lachen. Tiefe Falten hatten sich nicht nur bei Zolger, sondern auch bei Jacob, in den letzten Tagen, ins Gesicht gegraben. Beide sahen um Jahre gealtert aus. Es waren Falten des Kummers und des Ärgers. Beide Chefs, hatten einige böse Auseinandersetzungen mit den Wissenschaftlern, des Berliner Institutes. Deren unmoralisches Verhalten, sie einfach nicht begreifen konnte. Anna Siebenhaar, die ständig besorgt zu ihrem Chef, aber auch Freund blickte, konnte es sich
nicht verkneifen zu fragen. "Es war wohl eine harte Woche, Fritz?" Damit stellte sie wohl die Frage, die alle Anwesenden interessierte. Alle sahen ihren sonst so lebenslustigen Chef an, der auf einmal müde mit hängenden Schultern, am Frühstückstisch hockte und Appetitlos im Rührei herumstochert. Genauso, wie der sonst immer lachende Zolger. Erschrocken wurde den beiden Abteilungsleitern bewusst, wie sehr sie sich hängen ließen. Also nahmen sie die Schultern zurück und fingen an zu essen. Jacob lächelte gezwungen zu seiner Freundin und sah dann traurig in die Runde. Die Leute taten ihm so leid. Ihnen stand der Schock noch bevor, den sie vor einer Woche hinter sich gebracht hatten. "Anna, seht mich nicht so an. Die letzte Woche war der reinste Alptraum. Es war Stress pur. Glaube mir eins, ihr könnt froh sein, dass ihr noch eine Woche zum Ausspannen hattet. Aber Frühstückt erst mal in Ruhe, dann erzähle ich
euch alles." Mit diesen Worten schob er das leidliche Thema, einfach noch etwas vor sich hin. Jacob sah verlegen und mit zuckenden Schultern Zolger an. Der seinen Freund, um das, was dieser gleich tun musste, nicht beneidete. Es war kurz vor 9 Uhr, als alle fertig waren mit Frühstücken. Jacob stand auf. "Also Leute, ich mache es kurz und schmerzlos," tief holte der Chefarzt Luft. Überlegte kurz, ob er vielleicht erst einiges umreisen sollte, dies würde aber nicht den Schock verhindern. Denn Zolger und er wussten genau, was auf sie zukam. Als sie das erste Mal den Kinderraum betraten, dachten Beide, sie würden gleich verrückt werden. Obwohl sie ja genau wussten, was auf sie zukam. Sie hatten beide keine Ahnung wie man dies in Worte fassen sollte, dass alle es verstanden. Jacob und Zolger waren vor sechs Tagen so geschockt, dass sie sich erbrechen mussten. Fast eine
Stunde, saßen beide völlig geschockt vor der erste Reihe Inkubatoren. Diese Szene kam in Jacob wieder hoch und dieses Gefühl der Panik, des sofort wegrennen zu wollen, ergriff ihn aufs Neue. Man hörte, seiner Stimme, eben diese Gefühle an. "Ich begrüße euch alle herzlich zurück. Ich hoffe sehr, ihr hattet alle eine bessere Woche, als Walter und ich", gezwungen lächelnd sah er in die Runde. "Aber schlechter, kann eine Woche bald gar nicht werden oder Walter?" Der wissenschaftliche Abteilungsleiter, schüttelte betrübt den Kopf. ‚Schlimmer, geht es nimmer‘, dachte Zolger so bei sich. Verwundert sahen sich die Schwestern, Ärzte und Laboranten an. Sie begriffen einfach nicht, was mit den Beiden los war. Wie denn auch? Jacob holte tief Luft. Ob er wollte oder nicht, er musste es irgendwann zur Sprache bringen. Egal, wie lange er es vor sich hin schob, es wurde davon nicht besser. Fragend sah er Zolger an,
der ihm aufmunternd zunickte. "Also dann, werde ich mal anfangen mit diesem ganzem Horror", murmelte er vor sich hin. Man merkte, dass es Jacob schwer fiel, seinen Leuten die gute Laune zu verderben. Aber es half nichts. Müde rieb er sich das Gesicht, fuhr sich nervös durch die Haare und holte noch einmal tief Luft. "Also Leute, kommen wir zu dem, weshalb wir hier in diesem Projekt angefangen haben. Zu unserer Arbeit. Ich bitte euch alle um einen Gefallen, lasst mich nachher erst einmal ausreden, bevor ihr mich in der Luft zerreißt. Ich weiß, dass ihr jetzt meine Worte nicht verstehen könnt. Aber in zwanzig Minuten, werdet ihr euch alle nicht mehr darüber wundern. Ich bin todmüde und völlig genervt im Moment. Deshalb möchte ich euch um Verständnis bitten, nicht jedes Wort, das ich heute sagen werde, auf die Goldwaage zu legen. Wir sind hier schon eine Woche durch diese
Hölle gegangen. Doktor Zolger, wie auch ich, sind unschuldig, wir können nichts für das, was hier läuft. Genauso wenig, wie Mayer oder Hunsinger. Wir bekamen, dass was ihr gleich erfahrt, auch erst vor sieben Tagen mitgeteilt. Also bitte versucht, dann ruhig zu bleiben. Mit Absicht sage ich vorher nichts, seht euch den Mist einfach selber an. Bestimmt versteht ihr meine Worte, dann besser. Ich weiß einfach nicht, wie ich euch diesen ganzen Scheiß, schonend beibringen soll. Kommt einfach einmal alle mit." Jacob stand auf und bat seine Mitarbeiter, ihm zu folgen. Schon verließ er die Mensa, wartet draußen im Park, auf die ihm verwirrt folgenden Mitarbeiter. Auch, wenn die Laboranten eigentlich nicht wissen mussten, um was es ging, hatte man sich gestern Abend im Führungsstab darüber geeinigt, allen im medizintechnischen Bereich tätigen Mitarbeitern, reinen Wein einzuschenken. Einfach, um dadurch entstehende
Gerüchte und Spekulationen vorzubeugen. So lief Jacob, über den Park, zur Landebahn. Ging von der Seite der Landebahn, in die Unterführung. Er öffnete die Schleuse und betrat den dunkelgrün gestrichenen Gang. Ein vielstimmiges Stöhnen war zu hören, man betrat genau das Gegenteil von dem, das man gerade verlassen hatte. "Leute, wenn ihr jetzt schon stöhnt, was wollt ihr dann in wenigen Minuten machen? Bitte, dass was ihr gleich seht, lässt euch an euren Verstand zweifeln. Diesen Horror, durchleben Walter und ich jetzt seit einer Woche. Nur ist es so, wir haben uns alle blenden lassen. Egal, was wir tun, wir müssen jetzt da durch. Ich weiß jetzt, warum man uns so verwöhnt. Also macht euch, auf euren schlimmsten Alptraum gefasst", sprach Jacob weiter in Rätseln und ging, von verwirrten Blicken verfolgt, auf die Tür des Kinderzimmers zu und öffnete dessen Tür.
Die noch anwesenden zwölf Mitarbeiter des Institutes, begrüßten Jacob. "Guten Morgen Fritz, bringst du uns endlich unsere Ablösung?" Jacob blickte den Kollegen vom Institut böse an. "Detlef, na klar. Wenn mir meine Leute nicht alle gleich einen Herzinfarkt bekommen, könnt ihr in ein paar Tagen nach Hause. Also übe dich in Geduld, hole die Sanikästen heraus und stelle dich in die Startlöcher", versuchte Jacob im Anflug von Galgenhumor zu scherzen, was ihm allerdings nicht sehr gut gelang. Jacob nickte den Mitarbeitern des Wissenschaftler Teams ernst zu, denen gestern erst bewusst wurde, was heute auf sie zukam. Auch sie konnten sich, noch zu genau, an die Szene vor sechs Tagen erinnern. Allerdings waren es da nur zwei Leute die aus den Schuhen kippten. Detlef und seine Kollegen nickten deshalb, dem Chefarzt des Projektes, gezwungen lächelnd zu. Sie wussten, durch die gestrige
Besprechung, was Jacob befürchtete. Auch ihnen war klar geworden, dass die Kollegen gleich den Schock ihres Lebens bekommen würden. Jacob ließ seine Mitarbeiter eintreten und war dankbar über den Sichtschutz den man hatte, wenn man den Raum betrat. Man hatte vor die erste Brutkastenreihe an der Tür und im Mittelgang, rechts und links, eine Bretterwand gestellt. So dass auch diese Kinder, ein wenig Ruhe finden konnten. Auch musste man zwei Stufen nach oben steigen, um auf den Laufsteg zu gelangen. Dadurch sah man nicht gleich, was auf einen zukam. Man stand erst einmal in einem kleinen Vorraum, der kaum zwei Meter breit, dafür über zehn Meter lang war. Als die Ersten gleich weiter gehen wollten, hielt Jacob diese zurück. "Bitte wartet." Hielt der Chefarzt Doktor März zurück, einer der Ärztekollegen, den Jacob gar nicht mochte.
Da dieser sich stets für etwas Besseres hielt und dies all seine Kollegen merken ließ. Vor allem, waren die Leistungen die März erbrachte, nicht einmal annähernd so gut, wie die, die er hätte erbringen sollen. Viele der Schwestern die Jacob hier im Team hatte, besaßen einen höheren Wissenstand, als dieser Arzt. März, war einer der erste im Raum und sah Jacob verächtlich an. "Na Herr Chefarzt, sie machen es aber spannend", konnte er sich eine zynische Bemerkung nicht verkneifen. "Ja Kollege März, ich will ihnen halt den Spaß nicht verderben", gab Jacob seinem unbeliebten Kollegen, böse Widerpart. Die beiden hatten in den letzten Monaten, schon einige sehr unschöne und vor allem böse Auseinandersetzungen. Zolger ging auf Jacob zu und klopfte seinen Freund beruhigend auf die Schulter. "Bleib ruhig Fritz, in fünf Minuten redet der anders." Mit einigen tiefen Atemzügen, versuchte Jacob
sich zu beruhigen. Zolger sorgte dafür, dass alle blieben, wo sie gerade waren. Jacob ging weiter nach hinten, um seine aufgeputschten Nerven zu beruhigen. Es nutzte nichts, so überreizt vor dem Team zu stehen. Er würde bestimmt etwas sagen, was er hinterher bereute. Seit Tagen, lagen bei beiden Abteilungsleitern, die Nerven blank. Wobei es bei Jacob noch um einiges schlimmer war, da dieser seit sechs Tagen, so gut wie nicht geschlafen hatte. Vor allem, weil er sich schon einige Male, sehr böse mit den Mitarbeitern des Institutes in den Haaren bekommen hatte. Anna wollte zu Jacob hinterher gehen, um ihn zu beruhigen. Sie wurde jedoch von Zolger gestoppt. "Bitte nicht, Anna." Zolger hielt Anna am Arm zurück. Er wusste, dass Jacob in den letzten Tagen, oft überreagierte. Verständnislos sah diese Zolger an. "Bitte." Flehentlich sah Zolger die junge Krankenschwester an, mit so viel Qual
in den Augen, dass diese instinktiv gehorchte. Anna nickte und ging zurück zu ihrer Freundin Doris. In der Zwischenzeit, hatte sich Jacob wieder beruhigt, kam zu seinen Mitarbeitern zurück. "Entschuldigt bitte. Aber wir haben die letzten Tage so gut wie nicht geschlafen. Bei mir liegen einfach die Nerven blank. Also hört mir jetzt genau zu. Als kleine Vorinformation für euch. Wir sind alle böse getäuscht wurden. Ausgegangen sind wir alle davon, dass wir Soldaten zu betreuen haben. Dies werden wir auch, allerdings erst in circa ein und einem viertel Jahr. Die Soldaten, die wir betreuen sollen, müssen erst noch geboren werden. Kommt einfach mit und seht euch selbst diesen Mist an", erklärte er mit fester Stimme und gab den Weg, für seine Mitarbeiter frei. Jacob lief in den mittleren Gang nach hinten, um für die Kollegen den Weg zu machen. Damit
diese den Raum der Kinder betreten konnten. Worauf ihm die Kollegen folgten. Als die ersten den Gang betraten. Darunter auch Doktor März, der sich rücksichtslos, an den Anderen vorbei drängelte, um der Erste zu sein. Kaum jedoch hatte März den Gang betreten, gab dieser einen entsetzten Schrei von sich. März war fassungslos und blieb wie angewurzelt stehen. Der sonst so arrogant, selbstherrliche Arzt, torkelte ein Stück zurück. Das blanke Entsetzen in den Augen, starrte er in den Raum der Kinder. März fing am ganzen Körper an zu zittern, hielt sich schwankend und gegen den Brechreiz ankämpfend, am Arm des Chefarztes fest. Er sah fassungslos in den Raum, der eine ungewohnte Panik in ihm hervorrief. Am liebsten wäre er laut schreiend hinaus gerannt. Er konnte sich allerdings nicht mehr bewegen, war wie in einer Art Schock-Starre gefangen. Er konnte kaum mehr atmen. Sein Körper reagierte ohne, dass er darauf Einfluss
hatte. Den Anderen, die den Gang als Erstes betraten, erging es nicht besser. Auch sie schreckten entsetzt, zurück. Rufe wie: "Oh nein." "Das kann nicht wahr sein." "Was für ein Wahnsinn." "Wie entsetzlich." "Das ist unmenschlich." "Wie grauenvoll." Oder panische Schreie, brachten zum Ausdruck, auf was die anderen Kollegen sich vorbereiten mussten. Es war wirklich ein furchtbares Bild, welches sich den Mitarbeitern der medizinischen Abteilung offenbarte. Es war, wie in einem Horrorszenario, wie diese Inkubatoren, aufgereiht im Raum standen. In denen die Embryonen, in der elften Entwicklungs-Woche schwammen. Jeder hat bestimmt schon einmal, ein Foto einer Schwangerschaft in einem Buch oder besser eine
Abbildung eines Fötus in einem Glas gesehen. Wenn man sich dieses Bild hundertmal in einem Raum vorstellte, hatte man ein ungefähres Bild von dem Ausmaß, dass die Mitarbeiter hier zu sehen bekamen. Das schreckliche an der ganzen Sache war wohl, dass die Embryonen sich bewegten und Menschen, schon so ähnlich sahen. Es sah aus, als hätte man kleine Menschen in Wasserbehälter eingesperrt. Diese Inkubatoren waren nichts anderes, als riesige Glasbehälter, in denen die Embryonen lagen. Sie schwammen in einer klaren Flüssigkeit und waren über eine Nabelschnur mit den Maschinen verbunden. An den Schläfen, den winzigen Händen, den Füßen und der Stelle, an der das Herz war, befanden sich kleine Messfühler, die permanent Daten, über die Zöglinge sammelten und aufzeichneten. Ein einzelner dieser Inkubatoren, war bestimmt, gar nicht so schlimm anzusehen. Es war einfach die Masse der Brutkästen, die einen den Schock
verpassten. Es sah aus, wie eine Werkhalle, zum Züchten von Menschen, was es ja auch irgendwo war. Es war ein grauenhaftes Bild. Das selbst Jacob und Zolger vor sechs Tagen, völlig aus den Schuhen warf. Diese wussten, allerdings durch das Durcharbeiten der Ordner, was auf sie zukam. Aber mit solch einem Anblick, kamen beide nicht klar. "Bitte, geht weiter nach hinten. Ich weiß es ist schlimm, aber es nutzt nichts", forderte Jacob müde, die Ersten auf. Kümmerte sich jedoch erst einmal, um seinen am ganzen Körper zitternden Kollegen. "Kollege März, atmen sie bitte ruhig. Tief ein und ausatmen. So ist es gut." Langsam kam März wieder zu sich und wurde ruhiger. "Geht es wieder? Ich muss mich um die Anderen kümmern." Mühsam nickte März, immer noch nicht wieder in der Lage, zu sprechen. Da ließ Jacob seinen Kollegen einfach stehen. Es waren noch mehr
Leute hier, die völlig durchdrehten. Schwester Moni, wollte schreiend den Raum verlassen, Schwester Alma erbrach sich und Schwester Katja klappte einfach aus den Schuhen. Schwester Walli, schrie wie am Spieß und Anna stand mir riesigen Augen da und reagierte gar nicht mehr, auf ihre Umwelt. Alle standen unter Schock. Mühsam versuchte Jacob, mit Hilfe Zolgers und der Mitarbeiter aus dem Institut, seine Leute zu beruhigen. Langsam wurden alle mit dem Schock fertig. Nur durch die Hilfe der Mitarbeiter aus dem Institut für Genforschungen und Zolger, gelang es Jacob, die völlig verstörten Mitarbeiter auf eine Ebene herunterzufahren, auf dem sie ihrem Chef wieder zuhören konnten. Über anderthalb Stunde ließ der Chefarzt den Mitarbeitern Zeit, sich an den Anblick der Embryonen zu gewöhnen. Nach dem sich alle wieder etwas beruhigt hatte, sprach Jacob mit müder Stimme, seine Mitarbeiter an. "So, geht es euch allen wieder so
gut, dass ihr mir wieder zuhören und geistig folgen könnt", fragend schaute er sich in die Runde um. Sein trauriger Blick blieb bei seiner Anna hängen, die schneeweiß, am ganzen Körper zitternd, an Doris gelehnt stand. "Könnt ihr euch vorstellen, dass ich euch darauf mit Worten, hätte nicht vorbereiten können. Leute mir gefällt das, was hier läuft genauso wenig, wie euch. Aber wir sind alle, diesem Projekt blauäugig gefolgt. Nun müssen wir sehen, dass wir das Beste aus der Situation machen. Es sind hier immer noch einhundert Kinder, die wir beschützen müssen, für dessen Wohl wir Sorge tragen. Reißt euch bitte zusammen. Ich weiß, dass ihr schockiert seid. Walter und ich waren das vor einer Woche auch, aber es nutzt niemandem etwas, wenn ihr hier alle durchdreht. Ihr habt alle, so wie ich, ohne Bedenken den Vertrag unterschrieben. Sagt mir, was ich machen soll, ich bin für jede Idee dankbar", verzweifelt suchte er den
Blickkontakt mit seinen Mitarbeiter. Alle sahen verlegen auf ihre Füße. Keiner hatte eine Ahnung, was er hätte anders machen sollen. Also machte Jacob das einzig Richtige, er ging zum Tagesablauf über. Auch deshalb, weil er dringend etwas schlafen musste. Ihm war schlecht vor Müdigkeit und er wollte einfach nur eine Stunde die vorwurfsvollen Blicke seiner Kollegen nicht mehr sehen. Was hätte er auch anders machen sollen. Das, was man nicht ändern konnte, musste man akzeptieren. Genau erklärte er die Aufgabenbereiche des Pflegepersonals, übergab dann an Zolger, der den Laboranten den genauen Ablauf ihrer Tätigkeit hier erklärte. Dann teilte Jacob die Schichten ein, die zwei Schichten die Frei hatten schickte er in die Quartiere, die anderen wurde in die Überwachungsarbeit eingewiesen. So ging man zum Alltag über. Jacob beaufsichtigte die Spätschicht, sowie die Nachtschicht. Da es in den beiden Schichten,
immer die meisten Probleme gab. Zolger die Frühschicht, da die Laboranten nur tagsüber arbeiten mussten. Nachts war immer nur je ein Laborant da, der Notdienst hatte. Gegen 11 Uhr verschwand Jacob nach oben in seine Wohnung um etwas zu schlafen. Man ging zu den alltäglichen Abläufen über. Zwei Wochen noch blieben die Mitarbeiter des Institutes und unterstützten Jacob und Zolger bei der Betreuung der Embryonen. Das Team um den Chefarzt und den wissenschaftlichen Leiter, Doktor Zolger, war endlich soweit, die Betreuung ihrer Zöglinge alleine sicherzustellen. So dass man keine Hilfe von außen mehr benötigte. Man hatte sich gefasst und tat alles, in der Kraft stehende, für die heranwachsenden Kinder. Ende September kam Zolger, der ständig Genanalysen während der Entwicklung der Embryonen machte, zu einem unheilvollen Ergebnis. Welches das gesamte Projekt zum
Kippen bringen konnte, wenn man nicht bis Anfang Februar eine akzeptable Lösung fand. Dies bedeutete intensive Forschung, zu der umfangreichen Arbeit der sowieso schon völlig überlasteten Abteilungsleiter. Allerdings auch eine zusätzliche schwere Last auf den Schultern der beiden Freunde, die diese Arbeit immer mehr zusammengeschweißt hatte. ~ 28. September 1958 ~ Entsetzt und völlig fertig, kam Zolger an diesem Tag an den Frühstückstisch. Man sah ihm an, dass er wieder einmal eine Nacht durchgearbeitet hatte. Der völlig übermüdete, wie zerrupft aussehende Jacob, machte auch keinen besseren Eindruck. In der Spät, wie auch in der Nachtschicht, gab es ständig beängstigende Probleme mit der Zweier Serie. Aber auch einige heftige Zwischenfälle mit den Serien Null, Fünf, Sechs und der Sieben. Geradeso konnte Jacob
diese Kinder retten. Es machte ihn langsam aber sicher verrückt, aber er fand einfach die Ursachen für diese Probleme nicht. Ständig bekamen diese Kinder Muskelzuckungen, eine Art Muskelkrämpfe und auch schlimme Atemprobleme. Jacob, der schon immer eine ausgeprägte Beobachtungsgabe hatte, war aufgefallen, dass das Fruchtwasser in den Inkubatoren dieser Kinder, eine kaum merklichen Farbunterschied zu den anderen Behältern aufwies. Die Flüssigkeit war etwas dunkler, als das der anderen Serien, wo es weniger Probleme gab. Deshalb holte der Chefarzt seinen Laborleiter, gestern Nacht aus dem Bett und nach unten in den Kinderraum, um einige der Fruchtwasserproben zu entnehmen und vor allem zu untersuchen. Diese Ergebnisse brachten Zolger nun dazu, völlig fertig mit an den Frühstückstisch zu erscheinen. "Fritz, wir haben ein riesiges Problem. Es ist eine Katastrophe, ein fast unlösbares Desaster.
Ich weiß nicht, wie wir das lösen können und vor allem, wann wir das auch noch lösen sollen. Wenn wir das Problem aber nicht schnellstens lösen, können wir das ganze Projekt knicken. Wir müssen uns unbedingt Hilfe holen. Vor allem, müssen wir sofort Hunsinger davon informieren und das Genlabor um Hilfe bitten. Die müssen meine Analysen überprüfen und bestätigen oder korrigieren. Wir sollten gleich anfangen damit nach einer Lösung zu suchen, bis zur Geburt der Kinder brauchen wir dringend eine gute Alternative. Fritz, sonst verhungern uns die Kinder, gleich nach der Geburt", verzweifelt sah Zolger den Kollegen an und ließ sich auf den Stuhl fallen. Jacob verstand immer noch nicht, um was es eigentlich ging. "Wieso verhungern unsere Kinder? Was ist denn los Walter? Von welchem Desaster redest du. Du sprichst in Rätseln", wollte Jacob, von dem regelrecht panisch wirkenden Kollegen wissen. "Fritz, unsere Kinder reagieren auf fast alle
Nahrungsmittel allergisch. Die Kinder werden eine spezielle für sie angefertigte Nahrung brauchen. Vor allem, ist es so, falls ich nicht totalen Bockmist heute Nacht gebaut habe, werden diese Kinder einen viel höheren Energiebedarf haben, als wir. Den kann man durch normale Nahrung gar nicht abdecken. Der liegt im Ruhezustand bei fünfzigtausend Kalorien." Jacob starrte seinen wissenschaftlichen Abteilungsleiter an, wie einen Alien. Er verstand immer noch nicht, was Zolger ihm damit sagen wollte. Er war viel zu müde, um noch klar denken zu können. "Wie bitte? Wie gegen alle Nahrungsmittel allergisch? Fünfzigtausend Kalorien? Bitte erkläre das mal ganz langsam, für müde Chefärzte." Zolger raufte sich die Haare. "Man, wie erkläre ich dir das nur auf die Schnelle. Ganz grob umrissen, verhält es sich so. Während des Studiums machten wir, wie ich dir schon ein
paarmal erklärt habe, gentechnische Spielereien: wie das mit dem Eledil und Krokofant." Jacob konnte sich daran erinnern. Sie hatten darüber schon einige Male gelacht. Ein schönes Wortspiel, aber er verstand nicht, was das mit den Kindern und der Geburt zu tun hatte. "Ich verstehe trotzdem nicht, worauf du hinaus willst." Zolger wirkte genervt und unterbrach Jacob einfach. "Lass mich doch erst einmal ausreden, verdammt noch mal", fuhr er seinen Freund ungewollte heftig an. Seine Augen funkelten böse. Jacob legte beruhigend die Hand auf Zolgers Schulter. Dieser holte tief Luft. "Also damals, haben wir an Hand von verschiedenen Fruchtwasseruntersuchungen versucht herauszufinden, an welchen Allergien die Kinder später einmal leiden würden. Weiß du, viele dieser biochemischen Abwehrreaktionen im Körper, kann man bei genauen Untersuchungen in Frühstadium der Schwangerschaft schon
feststellen. Deshalb kann man praktisch voraussagen, was auf denjenigen zu kommen könnte. Gestern, als du mir die Proben hoch geschickt hast, konnte ich erst nichts finden. Ich fand wirklich nichts, mit was ich die Krämpfe der Kinder erklären könnte. Deshalb habe ich zum Schluss, aus purer Verzweiflung, die Proben auf diese Art untersucht. Halt auf Allergien, weil mir partout nichts anderes mehr einfallen wollte. Fritz, die Kinder, sind gegen Milch hochgradig allergisch. Ich vermute, wenn diese Kinder mit Milch in Berührung kommen, erleiden sie Verbrennungen. Ungefähr so, als wenn sie mit Säure in Berührung kommen würden. Genauso allergisch sind sie gegen Mehl, Fruchtsäuren, Zucker. Ich habe noch nicht alles durch getestet, aber ich kann schon sagen das achtzig Prozent der handelsüblichen Lebensmittel allergische Schocks bei unseren Kindern auslösen. Ich fand in der Probe von Nummer 6 komischerweise Rückstände von
Orangensaft. Bei Nummer 28 und 29 Rückstände von Milch. Deshalb krampften die Kinder. Sie sind in einer Art Schockzustand. Einem allergischen Schock. Die Kleinen kämpfen regelrecht um ihr Leben. Ich untersuchte die Proben weiter. Aus den Genen kann man auch herauszulesen, ob ein Kind mal dick oder dünn werden wird. Also, wie gut es als Futterverwerter mal sein wird. Diese Kinder, bekommen durch die Ernährung im Fruchtwasser, täglich einhundert fünfzig tausend Kalorien, in konzentrierte Form, durch uns an Nahrung zugeführt. Das heißt, sie brauchen nach der Geburt auch diese Menge an Kalorien, um zu überleben. Wer das verzapft hat, rechnete das nicht bis zum Schluss durch. Wir brauchen bei normaler Belastung, circa zweitausend Kalorien. Die Kinder können gar nicht so viel essen, damit sie den Kalorienbedarf abdecken können." Alle Farbe wich aus dem schon blassen Gesicht
des Chefarztes und das blanke Entsetzen machte sich auf dessen Gesicht breit. Fassungslosigkeit stand in den Augen der am Tisch sitzenden Schwestern. Anna, wie immer diejenige die Fragen, auf dem Punkt brachte, stellte die alles entscheidende Frage. "Wie sollen wir unsere Kleinen denn versorgen, wenn die keine Milch trinken dürfen? Alle Babynahrung ist mit Milch versetzt. Milch ist das gesündeste Lebensmittel, dass es überhaupt gibt, für Kinder die wachsen müssen." Zolger zuckte mit den Schultern. "Anna, ich weiß es nicht. Wir müssen nach einer Ersatzlösung suchen. Aber keine Ahnung, ob wir so schnell etwas finden", müde rieb sich Zolger, wie auch Jacob das Gesicht. Den Beiden wurde schlagartig klar, dass hier wieder viel zusätzliche Arbeit, auf sie zukam. Jacob holte tief Luft und forderte seine Mitarbeiter zur Mitarbeit auf. "Mädels, ihr
müsst uns helfen. Und zwar alle, durch die Reihe weg. Holt euch Bücher aus der Bibliothek. Alles, was ihr an ernährungswissenschaftlichen Themen findet. Lest und schreibt uns alles auf, was ihr findet. Was man verwenden kann, bei Milchallergie, Fruchtsäureallergie, Mehlallergie. Selbst dann, wenn es euch noch so unsinnig vorkommen sollte. Wir überprüfen das dann nach und nach. Wenn Walter und ich das alleine machen müssen, dann schaffen wir das nie. Dies ist zusätzliche Arbeit. Wir kommen schon so kaum zum schlafen. Bitte." Ernst sah er seine Mitarbeiterinnen an, diese nickten. "Geht klar Chef", gab Walli zur Antwort und alle anderen nickten. Ihnen war klar geworden, was hier auf den Spiel stand. "Das bekommen wir schon hin." Kam von Doris. Jacob war der Hunger vergangen. Er war eh schon viel zu müde, zum Essen. Diese Hiobsbotschaft, musste er erst einmal verkraften.
"Lasst es euch schmecken, ich informiere Hunsinger und Mayer. Die müssen das Genlabor mit hinzuziehen. Alleine bekommen wir das, in der Kürze der Zeit nicht hin", schon stand Jacob auf. Er verließ die Mensa. Die besorgten Blicke die ihm folgten, nahm er gar nicht mehr wahr. Sorgen machten sich die Kollegen nicht nur um die Kinder, sondern auch um Jacob. Da dieser wieder einmal nichts gegessen hat. Der Overall schluderte, sowieso nur noch, an dem viel zu dünn gewordenen Chefarzt herum. Zolger, aber auch Walli, nahmen sich vor, mit Jacob mal ein ernstes Wort zu reden. Jacob allerdings ging nach oben zu Mayer, der wie immer um diese Zeit, mit seiner Tochter Ilka am Frühstückstisch saß. "Guten Morgen", begrüßte er alle, als Reimund ihn in die Wohnung gelassen hatte.
"Guten Morgen, Fritz. Hast du schon gefrühstückt." Der schüttelte den Kopf. "Nein, das Frühstücken ist mir gerade vergangen. Kann ich hier reden oder soll ich später wieder kommen. Sigmar, du weißt, ich würde dich nie um diese Zeit stören, wenn es nicht etwas arg Wichtiges wäre." "Ilka mein Engel, es tut mir leid, du weißt…" "…Arbeit geht vor. Ich weiß Papa. Geh nur. Es ist nicht schlimm. Bis heute Mittag." Traurig sah Ilka ihren Vati hinterher. Jacob hatte ein richtig schlechtes Gewissen. Er wusste, dass Ilka diese wenigen Momente mit ihrem Vati genoss. "Ilka nicht traurig sein, ich beeile mich. Der Vati hat gleich wieder Zeit für dich." Ilka lächelte erfreut. Jacob folgte Mayer in dessen Büro. "Sigmar du musst mir helfen. Ich brauche eine Verbindung zu Hunsinger und zwar sofort. Wenn ich dort
anrufe, hat der nie Zeit für mich. Dann gehst du zu Ilka, ich informiere dich im Anschluss." Mayer schüttelte den Kopf. "Fritz, was ist denn los? Ilka stirbt nicht gleich, wenn wir mal einen Tag nicht zusammen frühstücken. Ich schiebe dann etwas, so dass ich mich noch kurz zu ihr setzen kann. Ich weiß du würdest nicht kommen, wenn es nicht kurz vor eine Katastrophe wäre. Also raus mit der Sprache." Jacob setzte sich auf einen der Stühle, sah Mayer an. "Sigmar, nach der Geburt, verhungern uns die Kinder…" Genau erklärte er dem Projektleiter, was Zolger ihm gerade berichtet hatte. Bei jedem Satz den Jacob sprach, der sich wegen Ilka sehr kurz faste, wurde Mayer blasser. Dann nickte Mayer, er sah das Problem, genauso wie Jacob. Sofort griff er zum Hörer. Nur eine Minute später, bei Jacob hätte das viel Nerven und bestimmt eine Stunde gedauert, bekam er Hunsinger am Apparat. "Guten Morgen Franz, ich rufe an, um dir
deinen Tag zu ruinieren. Ich gebe dir mal Fritz, der kann das alles besser erklären…", Mayer hält Jacob den Hörer hin. "… Fritz, ich bin draußen bei meiner Kleinen. Wenn du mich brauchst, holst du mich", übergab Jacob den Hörern. "Guten Morgen Franz. Es tut mir leid, dass ich am frühen Morgen mit schlechten Nachrichten komme. Aber je eher wir nach einer Lösung anfangen zu suchen, um so eher haben wir diese gefunden. Ich brauche sämtliche Hilfe, die ich bekommen kann, sonst kippt das ganze Projekt…", zum wiederholten Male erklärte Jacob die Fakten. Ein Stöhnen auf der anderen Seite, war die Antwort. "Das ist sicher?" erkundigte Hunsinger bestimmt zehnmal. "Wie das Amen in der Kirche. Wenn Zolger das sagt, dann stimmt das auch. Bis jetzt, hat er in allem recht gehabt, sogar die verkrüppelte Hand von Nummer 6, hat er aufs Genauste
vorausgesagt. Du kannst dich auf seinen Vorhersagen hundertprozentig verlassen." Hunsinger stöhnte gleich nochmal. "Oh je. Fritz, ich kümmere mich darum. Auch setze ich mich gleich nochmals mit Zolger in Verbindung. Bitte Fritz, falls du irgendwo eine Sekunde Zeit hast, forsche mit nach einer Lösung." "Franz, das mache ich sowieso. Keine Angst. Aber alleine sind wir nur zu viert. Außer Anderson und Mai, kannst du die restlichen Ärzte, in die Tonne klopfen. Selbst viele meiner Studenten im ersten Semester in Greifswald, waren weitaus fähiger, als diese, Möchtegern Ärzte. Ich bitte auch Anderson und Mai um Hilfe. Aber wir brauchen die Hilfe vom Genlabor. Vielleicht haben die auch ein paar Ideen oder Studenten, die sich damit beschäftigen können. Gebt es am besten, als Forschungsprojekt, an die Uni. Kannst du mir einen Ernährungswissenschaftler besorgen und vier Wochen ins Projekt schicken, dass ich mich
mit ihm austauschen kann? Ich bin nicht so firm, in Ernährungswissenschaften. Es ist nicht gerade mein Fachgebiet." "Fritz, ich sehe zu, was ich machen kann." Erleichtert atmete Fritz Jacob auf. "Danke, du rettest mir gerade meine Seele. Nur gut das Walter, das jetzt schon herausgefunden hat. Stell dir mal vor, wir hätten das erst nach der Geburt gemerkt. Das wäre nicht auszudenken", stöhnend und vor allem schwer atmend, hielt sich Jacob am Tisch fest. "Fritz, was ist?" Jacob konnte nicht gleich antworten. "Fritz?", rief Hunsinger mehrmals erschrocken, als er das mühsame Atmen vernahm. Nach über drei Minuten hatte sich Jacob wieder im Griff. Müde mit schleppender Stimme, antwortete er endlich. "Es ist nichts weiter, ich muss nur etwas schlafen. Franz, ich war vor fünf Tagen das letzte Mal in einem Bett. Ich bin todmüde. Bitte wir machen jetzt Schluss. Ich muss etwas
schlafen, sonst falle ich in Sigmars Büro noch um." "Dann legt dich hin, schlafe mal wieder richtig. Wir finden schon eine Lösung", eilig verabschiedete sich Hunsinger. Jacob legte den Hörer auf und ging nach draußen in die Küche. "Sigmar, ich geh. Dann bis später, ich muss unbedingt ins Bett. Sonst falle ich dir hier noch um." Mayer jedoch wollte davon nichts hören. "Erst isst du etwas, weißt du wie du aussiehst Fritz. Sieh mal, Ilka hat dir extra ein Brötchen geschmiert und zwar ganz alleine. Sogar der Kleinen fällt schon auf, wie dünn du geworden bist. Also setze dich, ich hole dir dann ein Taxi." Als Jacob wieder sprechen wollte, schimpfte Ilka in einem Ton, der einem General zu Ehre gereicht hätte. "Setzten hat Papa gesagt und essen." "Ey, ey, Mam." Jacob konnte sich da nicht
widersetzen, lachend nahm er Platz und das Brötchen von Ilka. Das sah zwar etwas zerrupft aus, aber es war Teewurst drauf. Etwas was Jacob für sein Leben gern aß. "Danke Ilka, du bist ein Engel." Von Reimund bekam der Chefarzt noch einen Kaffee. Zwei Brötchen und zwei Tassen Kaffee später, erschien der Fahrer des bestellten Taxis. "So, jetzt darfst du ins Bett Onkel Fritz, schlafe schön", verabschiedete Ilka ihren großen Freund. "Träume was Schönes." Jacob gab der Kleinen einen Kuss. "Danke ihr Drei", schon wollte er die Wohnung von Mayer verlassen, an der Fahrstuhltür jedoch drehte er sich noch einmal um. Mayer der in der Küchentür stand, sah Jacob verwundert an. "Sigmar, bitte ich weiß, du hast viel um die Ohren. Trete den Leuten vom Genlabor und Hunsinger in den Hintern, dass die das nicht aus den Augen verlieren." Mayer nickte beruhigend. "Keine Angst. Geh
schlafen, Fritz du siehst furchtbar aus." Jacob drehte sich um und verschwand im Fahrstuhl und fuhr dann zum Haus 6. Als er nach unten in den Kinderbereich fahren wollte, funktionierte seine Karte nicht mehr. Mayer hatte Jacobs Zugangsberechtigung in der Zwischenzeit gesperrt, wie er drei Minuten später erfuhr. Kaum war er in seiner Wohnung, rief dieser nämlich Mayer an. "Sigmar, meine Karte geht nicht mehr. Wieso das denn?" Mayer lachte schallend. "Damit du gar nicht erst in Versuchung kommst, nach unten zu fahren, um nach dem Rechten zu sehen. Die Karte ist genau für acht Stunden gesperrt, solange müssen die auf der 6/blau alleine klar kommen. Du kommst ab jetzt, nicht mal aus deiner Wohnung. Ich habe dich gerade eingesperrt. Du hast für die nächsten acht Stunden, Hausarrest. Nur dann, wenn ich mein Segen gebe, dürfen die dich anrufen. Ich habe nämlich auch dein Telefon
gesperrt. Ab jetzt ins Bett, das ist ein Befehl." "Jawohl Herr General. Das liegt wohl in der Familie", stellte Jacob müde lächelnd fest. Aber Jacob wäre auch so schlafen gegangen. Er war an einem Punkt angekommen, an dem er einfach schlafen musste. Er hatte sein Limit schon lange überschritten. Jacob wurde also auf diese Art gezwungen, endlich einmal richtig zu schlafen. Allerdings wurden aus den geplanten acht Stunden, ganze fünfzehn Stunden erholsamen Schlafes. Erst nach dieser Zeit, wurde Jacob nämlich wieder munter. Da Mayer angeordnet hatte, das erst, wenn Jacob seine Karte durch den Öffner zog, alles wieder freigeschaltet wurde. Blieb deshalb auch das Telefon so lange stumm. Aber diese fünfzehn Stunden Schlaf, taten dem Chefarzt gut. Frisch geduscht und rasiert, erschien er unten bei den Kindern. Vor allem konnte er endlich wieder klar denken. Mit neuer Kraft und neuem Elan, ging Jacob das neue Problem an.
Bereits Ende November, fand Jacob eine Lösung, für das Problem der Ernährung, durch das gute Zuarbeiten von den Schwestern und zum Teil sogar von den Wachleuten. Die von den Schwestern, darum gebeten wurden mitzulesen. So brauchten die Abteilungsleiter nur noch überprüfen und die entsprechenden Tests durchzuführen. Jacob entwickelte eine Spezialnahrung für die Kinder, nach dem er sich mit einem Ernährungswissenschaftler kurzschloss. Die auf einer Basis von Bambussprossen hergestellt wurde. Diese wurde durch ein spezielles Verfahren immer mehr eindickt und zu einem hochdosierten und kalorienreichen Nahrungsmittel hergestellt. Das in Pulverform aufbewahrt werden konnte. Diese wurden zusätzlich mit einem sehr hohen Anteile an Vitaminen, Spurenelementen und Mineralien versetzt. Außerdem gab man dieser
Spezialnahrung noch einige andere Zusatzstoffe bei, die für normale Menschen giftig wären, unter anderen eine Arsenverbindungen, ein Stoff der zur Reproduktion des Blutes, bei den Hundert, benötigt wurde. Auch fand Zolger schon heraus und war eine sehr wichtig Erkenntnis, die Blutzusammensetzung würde eine völlig andere sein, als die normaler Menschen. Es war nicht mit dem Blut normaler Menschen kompatibel. Außerdem wurde Chloracetophenon, der Nahrung zugesetzt. Das war ein Stoff, der bei der Herstellung von Tränengas Verwendung fand, um das Austrocknen der sehr empfindlichen Augen zu verhindern. Aus all diesen Zutaten, wurde ein hochkonzentriertes Nahrungsmittel hergestellt, das man mit Wasser zubereiten musste. Leider würde man diese Nahrung immer aufgekocht müssen, leider würde dies nicht anders funktionieren. Jacob hoffte im Laufe der Jahre,
noch eine andere Möglichkeit zu finden. Wichtig war nur, dass man erst einmal eine Lösung für diese armen Kinder hatte, damit diese nicht verhungern mussten. Allerdings waren alle mit dieser Lösung mehr als zufrieden. Ein Messbecher dieses Konzentrats, enthielt fünf Gramm dieses Pulvers, dies würde mit fünfundvierzig Milliliter Wasser aufgekocht, einmal fünfzig Gramm Brei ergeben. Dieser Brei wiederum enthielt fünfzigtausend Kalorien. Das erstaunliche an der ganzen Sache war, obwohl diese Nahrung speziell für diese Kinder angefertigt werden musste, würde sie sehr preiswert sein. Jacob fand mit Hilfe von Zolger eine Verfahrensweise, die schon bei der Produktion von Babynahrung verwendet wurde. Dadurch konnte die Produktion, mit herkömmlichen Maschinen erfolgen und war deshalb nicht teuer. Daher würde die Herstellung eines Breis, von der Menge von fünfzig Gramm, also
fünfzigtausend Kalorien, nur fünfzig Pfennige kosten. Bei der Produktion, konnte man sehr große Mengen dieser Spezialnahrung auf einmal herstellen, da diese sehr lange haltbar war. Eine Kilobüchse, ausreichend für fünfzig Portionen á zweihundert Gramm, also das, was die Kinder pro Mahlzeit brauchten, hielt angebrochen einen Monat. War im geschlossen Zustand mit Versiegelungsfolie, mindestens fünfzehn Jahre haltbar. Jacob war erleichtert, eine Lösung für diese armen Kinder gefunden zu haben. Vor allem so schnell. Am Anfang würden die Kinder, einfach den Brei mit etwas mehr Wasser bekommen, so dass man sie mit der Flasche füttern konnte. Zolger testete, dieses Nahrungsmittel an den Inkubatoren aus und es kam zu keinerlei Krämpfen. Erleichterung machte sich bei allen breit. Auch, weil alle langsam aber sicher Angst, um ihren Chefarzt bekamen. Der die letzten beiden Monate, fast gar nicht mehr schlief. Langsam
wuchsen und gediehen die Embryonen und wurden Kindern immer ähnlicher. Zur großen Freude von Zolger, sahen wirklich alle aus, wie Menschen. ~ 22. Dezember 1958 ~ Fritz Jacob dagegen sah aus, als wenn er den nächsten Tag nicht mehr überstehen würde. Der sonst so gepflegte Jacob, war nicht nur äußerlich vernachlässigt, sondern war im Allgemeinen, in einem erbärmlichen Zustand. Mayer, dem das miserable Aussehen seines Freundes, erst durch die Hinweise andere Mitarbeiter aufgefallen war, beobachtete Jacob eine ganze Weile. Deshalb zitierte er Jacob zu sich ins Büro. Zwei Tage vor Weihnachten, erschien Jacob wieder einmal abgehetzt und unrasiert, mit tiefen Augenringen, am Mittagstisch in der Offiziersmesse. In der er seit der Offenlegung des Projektes, immer aß.
Um Anna, die seit diesem Tag nicht mehr mit ihm sprach und ihm ständig aus dem Weg ging, nicht sehen zu müssen. Jeden Tag wurde es ihm schwerer, ihr am Tisch gegenüber zu sitzen. Müde ließ er sich am Tisch nieder, die Nachtschicht war stressig, bei drei der Kinder gab es wieder einmal massive Probleme. Die Serie 2 machte ständig Probleme. Die Kinder mit der Nummer 28 und 29 hatten ständig Atemprobleme und schlimme Muskelzuckungen. Mehrmals schon war Jacob kurz davor, diese Kinder zu erlösen. Die Blut und Vitalwerte waren allerdings im normalen Bereich. Er konnte sich das alles einfach nicht erklären. Müde rieb er sich das Gesicht und den verspannten Nacken. "Na Fritz, legst du dich dann etwas hin? Du siehst einfach nur Scheiße aus", forderte Zolger seinen Freund auf, einmal etwas für sich zu tun. Mayer dagegen, sah seinen Untergebenen ernst an. "Fritz ich möchte dich nach dem
Mittagessen, oben bei mir im Büro sehen. Das ist keine Bitte, sondern ein Befehl. Egal, was mit den Kindern ist, die müssen unten auf der 6/blau eine Weile ohne dich auskommen. Walter, du übernimmst das bitte. Ich muss mit Fritz reden." Jacob nickte. Trank seinen Kaffee, biss zweimal in sein Brötchen und legte es wieder zurück. Die Suppe rührte er gar nicht erst an. Er war einfach zu müde zum Essen, wollte nur noch ins Bett. So zerschlagen wie heute, hatte er sich seit Jahren nicht mehr gefühlt. "Wenn du fertig bist Sigmar, können wir hoch gehen. Ich muss ins Bett", forderte der Chefarzt Mayer auf. Dieser nickte, stand auf und bat Jacob zu ihm zu folgen. Lief weiter zum Lift 2/2, um hoch in dessen Büro zu fahren, welches in Mayers Wohnung lag. "Guten Tag, Ilka", grüßte Jacob, als er Mayers Wohnung betrat. Ilka Mayer, war ein kleines süßes Mädchen von
zehn Jahren. Blonde Haare, genau wie ihr Vater und hatte die gleichen wasserblauen Augen. Ilka saß wegen ihre spastische Lähmung in einem Rollstuhl. Dadurch lebte sie bei ihrem Vater. Ihre Mutter wollte nichts, von dem körperlich schwerstbehinderten Kind wissen. Seit dem Sigmar Mayer hier in diesem Projekt war, hatte Betreuer Reimund, die Pflege von Ilka übernommen und unterrichtete diese in allen Schulfächern. Ilka war mathematisch hochbegabt, ein richtiger Rechenkünstler. "Guten Tag Onkel Fritz, du siehst aber müde aus. Soll ich dir meinen Teddy geben, damit du besser schlafen kannst", erkundigte sich die Kleine, in ihrer lieben Art. Hielt Jacob die verkrampfte Hand hin. "Spielst du dann etwas mit mir", bat sie ihn. "Ilka mal sehen, wie lange dein Papa mir den Kopf wäscht. Eigentlich nicht, ich bin nämlich hundemüde. Deinen Teddy behalte mal lieber, der schnarcht mir zu sehr."
Ilka lachte und nickte Jacob zu. "Na ja du wolltest ihm ja die Nase heile machen, aber das hast du immer noch nicht geschafft. Deshalb schnarcht er so. Ist nicht schlimm Onkel Fritz, dann spielen wir ein anderes Mal", schon rollte sie zu ihrem Schreibtisch, um ihre Hausaufgaben zu machen. Was ihr immer sehr schwerfiel, durch die spastischen Lähmungen in den Händen. Wieder einmal nahm sich Jacob vor, einen Scann von Ilkas Kopf zu machen. Er war bis jetzt einfach nicht dazu gekommen. Ständig war irgendetwas los. Er winkte Ilka noch einmal zu, folgte Mayer in sein Büro. "Setzt dich Fritz." Mayer zeigte auf einen Stuhl. "Fritz, so geht das nicht weiter mit dir. Bitte flippe nicht gleich wieder aus. Ich weiß, dass du alles für diese Kinder tust. Du musst aber auch lernen Verantwortung, auf die Schultern anderer zu legen. Du kannst nicht
siebzehn Jahre lang für alles alleine die Verantwortung tragen. Hast du dich mal im Spiegel angesehen?" Jacob nickte. "Sigmar, du hast ja Recht. Aber, was soll ich machen? Der März und der Richter hatten gestern die Spätschicht, ich traue denen einfach nicht. Heute Nacht war wieder die Höhle los. Die sind so groß mit dem Maul. Aber, wenn es drauf ankommt, wissen die nie, was sie machen sollen. Der Einzige auf den ich mich wirklich verlassen kann ist Anderson. Aber gestern hat der das einfach nicht geschafft. Es waren fünf Kinder die gleichzeitig Probleme gemacht haben. Ich wollte mich gestern Nachmittag gerade hinlegen, da er holte mich der März, schon wieder wegen einer Lappalie. Manchmal denke ich, der macht das nur, um mich kaputt zu spielen. Aber sag mir, was ich machen soll. Gehe ich nicht runter und es ist etwas, stirbt das Kind. Verstehst du." Mayer nickte, er konnte sich die Zwickmühle
vorstellen, in der sein Chefarzt steckte. "Sag mal ehrlich Fritz: Wann warst du das letzte Mal joggen? Wann das letzte Mal im Kino? Wann hast du dir das letzte Mal etwas gegönnt, ein Buch, ein Billardspiel, einfach mal etwas abspannen? Ehrlich." Jacob starrte Mayer irritiert an, dann zuckte er mit den Schultern. "Keine Ahnung, ich hab es vergessen. Ich glaube vor hunderttausend Jahren oder so", antwortete er verbittert und vom Gähnen unterbrochen. "Fritz, ich weiß, dass du mit Anna irgendein Problem hast, kläre das endlich. Das ist der Grund, warum du dich in der Arbeit vergräbst. Du hast noch über sechzehn Jahre, die du mit ihr zusammen arbeiten musst. Du kannst ihr nicht ständig, im privaten Bereich, aus dem Weg gehen. Kläre das, dies ist ein Befehl. Der nächste Befehl. Du legst dich jetzt hin, es ist erst 12 Uhr. Vor 19 Uhr, will ich dich nirgends auf dem Gelände sehen. Ich blockiere bis dahin
alle deine Zugänge, du bekommst nicht einmal deine Wohnungstür auf. Du schläfst, dann gehen wir heute Abend ein kleines Spielchen machen. Um 23 Uhr legst du dich hin, schläfst bis morgen früh. Um 5 Uhr will ich dich vor meinem Haus, in Joggingsachen sehen. Das kannst du auch als einen Befehl ansehen. Ich habe mit Anderson gesprochen, er kümmert sich um die Spät und Nachtschicht. Morgen früh bereitest du, eine funktionierenden Dienstplan vor. Nach dem Mittagessen, um 13 Uhr ist eine Versammlung in der Mensa, mit deinen Leuten. Dort werden die Probleme offen gelegt. Hast du das verstanden?" Jacob grinste Mayer breit an. "Jawohl, Herr Generalmajor", gab der Chefarzt schnippisch zu Antwort, dabei bekamen sein Ohren Besuch von einem breiten Grinsen. Mayer hat ja Recht, deshalb widersprach ihm Jacob auch nicht. "Also ich gehe dann mal. Bis heute Abend", schon stand er auf. "Guten Nacht Fritz, schlafe wirklich etwas.
Kein Labor, keine Unterlagen, nur das Bett ist erlaubt oder muss ich Zimmermann hoch in deine Wohnung schicken, um Büro und Labor zuzunageln?" Mayer forderte seinen Freund nachdrücklich zum Schlafen auf und blickte ihm kopfschüttelnd hinterher. Jacob ging aus dem Büro und huschte aber noch einmal zu Ilka, gab der Kleinen einen Kuss auf die Stirn. "Ilka sei nicht böse. Ich bin wirklich müde. Ich verspreche dir, wir spielen wieder einmal zusammen. Außerdem hat mir dein Papa gerade Stubenarrest gegeben. Was soll ich also machen kleine Maus. Also sei ein braves Mädchen", bat Jacob lachend, seine kleine Freundin um Entschuldigung. Der Chefarzt verließ sofort Mayers Wohnung, ging hinüber in seine eigene und schmiss sich so wie er war, aufs Bett. Jacob war einfach zu müde, um noch zu duschen oder zu baden. Gerade, dass er noch seine Schuhe abstreifen konnte, schon schlief er fest ein. Nichts hätte
ihn mehr wecken können, sein Körper hatte sich das Recht auf Ruhe eingefordert. Der Chefarzt wurde erst kurz nach 20 Uhr wieder munter, erschrocken sah er auf die Uhr. Schnell zog er sich aus, ging unter die Dusche, rasiert sich und kleidete sich wieder an. Setzte sich dann sofort an seinen Schreibtisch, um einen diesmal funktionierenden Dienstplan aufzustellen. So dass in jeder Schicht ein Arzt war, dem er vertraute, damit er nicht mehr ständig geholt werden musste. März allerdings, nahm er aus dem regulären Dienstplan heraus. Teilte März nur noch für Botentätigkeiten zwischen Labor und Kinderraum ein. Zu mehr, war dieser Quacksalber, der sich Arzt nannte, nicht zu gebrauchen. Selbst Tätigkeiten, die das Pflegepersonal machte, konnte dieser nicht vernünftig ausführen. Selbst dort mussten ständig seine Tätigkeiten auf Richtigkeit kontrolliert. Fertig mit dem Dienstplan sah er
auf die Uhr. Erschrocken stellte Jacob fest, dass es schon 21 Uhr durch war. ‚Na prima‘ ging es ihm durch den Kopf. ‚Jetzt muss ich wieder einmal in der Küche fragen, ob die mir noch etwas zu essen machen‘, zügig lief er nach vorn in die Mensa und ging an die Bar. "Guten Abend Jungs, könnt ihr mir bitte etwas Essbares besorgen. Ich habe das Abendbrot verschlafen", erkundigte sich Jacob bei den Barkeeper, mit einem Blick der Steine zum Erweichen gebracht hätte. "Klar Genosse Major, für sie doch immer. Es hat ihnen aber gut getan. Herr Doktor, sie sehen fast wieder aus wie ein Mensch. Major Mayer hat uns sowieso aufgetragen, ihnen alles zu machen, auf was sie Lust haben, egal wann sie hier erscheinen. Er meinte, dies wäre keine Bitte, sondern ein Befehl. Auf dessen Nichteinhaltung der Tod stände. Also, was
sollen wir ihnen machen, Herr Major? Bei der Androhung der Todesstrafe, müssen wir doch auf unseren großen Cheffe hören", über das ganze Gesicht grinsend, sah er Jacob an und zuckte verlegen mit seinen Schultern. "Schnitzel mit Bratkartoffeln, wäre echt etwas ganz tolles. Da hätte ich richtig Appetit drauf und würde dafür sogar mein Leben geben. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal zu Mittag gegessen habe." Der Barkeeper sah Jacob schmunzelnd an. "Geht klar, das mache ich ihnen sofort. Schenke ihnen sogar ihr Leben. Das dauert aber etwas, setzen sie sich ruhig, ich finde sie schon." Daraufhin stellte er Jacob breit grinsend, einen großen Pot mit Kaffee hin. Der Barkeeper wusste, dass Jacob nichts anderes trank. Er mochte diesen Doktor sehr, der immer einen lustigen Spruch auf Lager hatte. Daraufhin, drehte er sich um, ging hinter in die Küche, in der man ihn bald hantieren hörte. Eine halbe
Stunde später, kam er mit einer extra großen Portion zurück, die er Jacob vor der Nase hinstellte. "Lassen sie es sich schmecken, hab es extra scharf gewürzt." "Danke du bist ein Engel", schon fing Jacob an zu futtern. Bekam von dem gerade eintreffenden Mayer, ein großes Lob. "Na das gefällt mir doch schon besser. Lass es dir schmecken Fritz, entschuldige ich bin nicht eher weggekommen. Meine Kleine, wollte unbedingt die eine Geschichte zu Ende hören. Du weißt, ich kann da nie nein sagen." Mit vollem Mund nickte Jacob nur, kaute schnell herunter. "Ich weiß, aber die Kleine hat ja auch selten etwas von ihrem Paps, es ist ihr zu gönnen. Ich muss mir wieder mal Zeit für dein Mädchen nehmen. Den Dienstplan habe ich fertig, willst du dir den mal ansehen?" Mayer schüttelte den Kopf. "Fritz, du weißt
doch besser als ich, wer bei dir miteinander harmoniert. Wenn es mit dem März noch lange Probleme gibt, ist das der Erste der fliegt." Jacob nickte bestätigend. "Sigmar, dieser Bursche regt mich langsam aber sicher, richtig auf. Der geht mir nur noch auf die Nerven. Der hat von nichts keine Ahnung, ist wirklich nur mit dem Maul groß. Ich habe keine Ahnung, wie der sein Studium geschafft hat. Ich glaube fast, der hat sich seinen Doktortitel, auf dem Schwarzmarkt gekauft. Ich teile den jetzt nur noch als Laufburschen ein. Aber ich denke, selbst da schafft März es noch, Probleme zu machen. Lange kann ich mich nicht mehr beherrschen. Irgendwann, hau ich dem mal eine auf die Zwölf", brachte Jacob seine Wut über März zum Ausdruck. Mayer gab seinem Chefarzt vollkommen Recht. "Wenn du willst, nehme ich ihn mir mal zur Brust. Es gibt nicht nur von deiner Seite Beschwerten. Seine Wohnung sieht ständig aus,
wie ein Schweinestall. Die Reinigungskräfte weigern sich schon, bei ihm zu putzen. Nie machen sie es ihm gut genug. März ist permanent am meckern, beschimpft ständig das Personal. Vor allem, ruft März wegen einer kaputten Glühlampe den Hausmeister, als Notfall an. Das sind lauter solche Sachen, die sich summieren. Jetzt geht er mir auch noch die Wachleute an. Ruft den Rettungsdienst an, weil er zu faul ist zum Laufen. Es reicht wirklich langsam. Vor allem, kam vor zwei Tagen Schwester Sonja zu mir, hat sich bei mir über ihn beschwert, weil er sie angetatscht hat", wütend sah Mayer den Chefarzt an, der scheinbar noch gar nichts von der Sache wusste. "Als ich ihn zur Rede stellte, sagte mir März lachend ins Gesicht … "Die wollen das doch nicht anders, die Häschen. Die wollen betatscht werden, damit sie unter die Haube kommen." … Kannst du dir das vorstellen, wie ich mich beherrschen musste. Es hätte nicht viel gefehlt,
ich wäre dem an die Kehle gegangen. Ich habe jetzt bei deinen weiblichen Mitarbeitern, beim Reinigungspersonal, bei den Laboranten nachgefragt. Fritz, dies ist nicht das erste Mal das so etwas passiert ist. Selbst beim Küchenpersonal, wurde er schon aufdringlich. Dann scheint er ein großes Alkoholproblem zu haben und hat oft eine Fahne. So geht das nicht. Am besten ich knöpfe ihn mir morgen früh, nach dem Laufen einmal richtig vor. Teile dir dann, meine weiteren Entscheidungen mit", fast beim Sprechen Mayer einen Entschluss. Jacob war damit einverstanden. Jedoch begriff er nicht, dass er selber von diesen Problemen, nicht mitbekam. Ärgerlich raufte sich Jacob die Haare. "Fritz, nun mach dich nicht schon wieder fertig, deswegen." "Sigmar, das macht mich allerdings fertig. Wieso habe ich das nicht mitbekommen? Warum sind die Mädels, nicht einfach zu mir gekommen?
Herr Gott nochmal, bin ich so abweisend, dass man mir nicht vertrauen kann", Jacob sah Mayer fragend an. Der Projektleiter schüttelte den Kopf, klopfte dem Freund auf die Schulter. "Fritz, du hast im Moment einfach zu viel um die Ohren. Die Mädels wissen das. Ich habe Sonja gefragt, warum sie nicht zu dir gegangen ist? Da meinte sie … "Genosse Major, haben sie sich unseren Chefarzt mal angesehen? Der hat seit Tagen nicht geschlafen. Ist die letzten Tage nicht mal essen gewesen, weil ständig irgendetwas los war. Der kann bald nicht mehr, soll ich ihm dann auch noch damit belasten? Sie sind doch derjenige, der für Sicherheit zuständig ist. Deshalb komme ich ja zu ihnen." …" Mayer sah Jacob ernst an, aber auch entschuldigend. "Bitte entschuldige Fritz, mir wäre sonst nicht aufgefallen, wie schlecht du aussiehst. Ich frage mich ernsthaft, wie du das alles unter einen Hut bekommst. Ich dachte immer, ich bin ein
Organisationsgenie. Aber du bist noch einen Zahn schärfer als ich. Mir geht es im Moment ähnlich, wie dir. Ich habe einfach zu wenig Stunden, am Tag", geistesabwesend sah er Jacob an und seufzte, ganz tief von unten heraus. "Könnte der Tag nicht achtundvierzig Stunden haben?", fragt er seinen Gegenüber. Jacob sah Mayer schelmisch an. "Den würden wir dann auch voll bekommen", kam trocken von ihm. Mayer fing schallend an zu lachen. "Ich glaube du hast Recht. Aber es ist wirklich so, wie ich es sage. Ich bekomme einfach nicht alles hineingepackt. Egal wie ich es schiebe. Ich habe mehr Arbeit als Zeit. Aber bald wird es ja ruhige, nur noch zwei Monate." Jacob schüttelte den Kopf. Er konnte sich das einfach nicht vorstellen. "Na ja, hoffen wir´s. Der Glaube stirbt bekanntlich, zuletzt", schon hatte Jacob den letzten Bissen in den Mund geschoben und war fertig mit dem Essen.
"Wollen wir ein kleines Billardspielchen machen? Oder lieber eine Runde Schach?" Mayer sah Jacob bittend an. "Eine Runde Schach. Mir tut jeder Knochen weh. Ich will einfach nur etwas entspannen und vor allem sitzen." Sofort stand Jacob auf und holte ein Bier für Mayer, einen Kaffee für sich und ein Schachspiel. Gemütlich spielten die Beiden, ein schönes Spiel. Sogar für eine Revanche reichte die Zeit noch. Danach verabschiedete sich Mayer gutgelaunt, wenn auch mit tiefen Bedauern, er wäre gern länger geblieben. "Fritz, tut mir leid, ich habe noch so viel Arbeit auf dem Tisch liegen, ich muss los. Danke für das Spiel. Morgen früh um 5 Uhr laufen wir zusammen?" Jacob nickte, freute sich schon auf das Laufen, viel zu lange hat er nicht mehr an sich gedacht. "Ja, ich freue mich schon darauf." Mayer verließ die Ecke mit den Aquarien und
Jacob lehnte sich zurück, beobachtete einfach eine Weile die Fische und ließ dabei seinen Gedanken freien Lauf. Er war so auf die Fische fixiert, dass er nicht einmal mitbekam, dass er seit fast zehn Minuten von jemand beobachtet wurde. Als Jacob um 21 Uhr in die Mensa kam, wollte die bei ihren Freundinnen sitzende Anna, sofort aufstehen und gehen. Sie wurde aber von Pia, Doris, Grit und Walli zurück gehalten. Doris, die neben Anna saß, zog diese einfach zurück auf ihren Platz. "Anna, hiergeblieben. So geht das nicht weiter mit euch Beiden. Habt ihr euch immer noch nicht ausgesprochen?" Anna schüttelte den Kopf. "Was ist los mit euch Zweien? Erst wart ihr unzertrennlich, seit dem Urlaub, sagt ihr euch kaum mehr guten Tag. Was soll das? Was hat dir Fritz eigentlich getan, dass du so dumm zu ihm
tust?", wollte Pia endlich von Anna wissen. Der dieses Herumgeziere von ihrer Freundin, langsam aber sicher auf den Nerv ging. "Ach Pia, was soll ich dazu sagen. Er guckt mich einfach nicht mehr an. Deshalb gehe ich ihm aus dem Weg." Pia schüttelte den Kopf. "Warum?" Anna fing sofort an zu weinen. "Ach komm. Lass die Schleuse zu Anna. Davon löst sich dein Problem nicht", stauchte die immer sehr direkte Walli, ihre junge Kollegin zu Recht. "Erzähle uns mal, was los ist. Vielleicht wissen wir alten Jungfern eine Lösung, für dein Problem", brachte sie zum Ausdruckt, was sie dachte. Walli war schon sechsundfünfzig Jahre alt, aber immer noch nicht verheiratet. Weshalb, wusste keiner von den Anderen. Diese Tatsache hatte ihr unter den Krankenschwestern, so etwas wie eine Mutterrolle eingebracht, die sie gern übernommen hatte. Da sie nun mal mit Abstand
die Älteste und erfahrenste war. Anna lehnte sich schluchzend, an Wallis Schulter. Die streichelte ihr liebevoll den Rücken. "Komm meine Kleine, rede. Sonst können wir dir nicht helfen. Du musst uns schon einmal im Detail erzählen, was los war." Anna nickte und versuchte sich krampfhaft zu beruhigen. "Weißt du noch am 7. Mai, als wir das erste Mal in dem Kinderzimmer waren. Danach wollte ich mit Fritz, noch reden. Ich habe seine Nähe gesucht", wieder liefen Tränen über das Gesicht der jungen Frau. "Na ja, ich war so wütend auf ihm. Er hätte mich vorwarnen können. Ich habe ihm das auch sehr direkt gesagt. Da schrie er mich an, was ich von ihm wollte. Es würde keine Rolle spielen, dass wir eine Beziehung haben. Er würde mich genauso behandeln, wie jeden anderen hier. Ich könne nicht, nur weil ich seine Freundin wäre, ständig eine Extrawurst gebraten
bekommen. Was ich, von ihm wolle? Fragte er mich immer wieder. Außerdem hätte er mich vorgewarnt. Ich solle ihm sagen, wie er mir das hätte schonend, beibringen können. Da hab ich ihn angebrüllt, dass er sie nicht mehr alle hat und noch schlimmeres habe ich ihn an den Kopf geschmissen. Ich war so verdammt wütend, an dem Tag." Weinend lehnte Anna sich, an die Schulter von Walli, am ganzen Körper zitternd. "Na, da hast du ihn ja auch ganz schön vor den Kopf gestoßen. Manchmal bist du aber auch, eine dumme Ziege", erklärte Walli in ihrer trockenen und offenen Art, ihrer kleinen Freundin. Walli war dafür berüchtigt, stets zu sagen was sie dachte. "Warum, er war mein Freund. Hätte er mir das nicht etwas schonender beibringen können. Vor allem, weil er weiß, wie sehr ich Kinder liebe. Er wusste genau, was das für ein Schock für mich werden würde." Anna starrte Walli und die anderen wütend an.
Die sahen jetzt ihrerseits, Anna böse an. "Dann meine liebe Anna, muss ich Fritz, in einem Recht geben. Du willst eine Sonderbehandlung. Anna das ist nicht fair", ernst sagte ihr das, Schwester Grit und sah Anna dabei böse an. "Warum? Wenn er euer Freund wäre, hättet ihr das nicht auch erwartet?", verwirrt, sah Anna ihre Mädels an. Alle schüttelten den Kopf. "Warum denn nicht?", stellt Anna jetzt zum wiederholten Mal, diese Frage. Weil sie die Mädels nicht begriff. Dachte sie immer, diese wären auf ihrer Seite. Walli drehte den Kopf ihrer Freundin so, dass Anna ihr in die Augen sehen musste. "Anna, du bist zwar noch jung, aber du bist nicht dumm. Überlege einfach mal. Wenn du an Fritz seiner Stelle gewesen wärst, wie hättest du dich verhalten? Kannst du dir eigentlich vorstellen,
durch welche Hölle Fritz und auch Walter eine Woche lang gegangen sind? Hast du nur einmal hingesehen, ein wenig darauf geachtet, wie die Beiden aussahen, als sie an diesem Morgen am Tisch saßen? Ich weiß von den Mitarbeitern aus dem Institut, dass Fritz und Walter bis eine Stunde vor dem Frühstück bei den Kindern waren. Da es in der Nacht, einige schlimme Zwischenfälle gab. Fritz hatte schon seit Tagen, so gut wie nicht geschlafen. Er konnte sich vor Müdigkeit kaum noch auf den Füßen halten. Dann musste er uns erklären, dass man uns belogen und betrogen hat. Was denkst du eigentlich, wie Fritz sich gefühlt hat? Denke einfach mal darüber nach. Eine andere Sache noch. Auch, wenn Fritz dein Freund war oder noch ist, bist du um keinen Deut besser, als Grit oder Doris, Pia oder ich. Da gebe ich Fritz recht und ich finde es richtig, dass er keinen Unterschied macht, zwischen dir und den anderen. Obwohl, das noch nicht mal stimmt.
Du bist nämlich ganz schön ungerecht und egoistisch. Wer von uns bekam eine Möglichkeit, ein Studium zu machen, noch dazu in der Traumfachrichtung. Keiner. Also bekommst du sogar mehr als wir. Nun schalte bitte dein Gehirn dazu. Denke vor allem mal über das nach, was ich dir gerade gesagt habe. Du solltest dich bei Fritz entschuldigen. Vor allem, dich mit ihm aussprechen. Der hat es nicht verdient, von dir ignoriert zu werden", böse verließ Walli den Tisch. Die Selbstgefälligkeit und Ignoranz ihrer jungen Freundin, regten die schon ältere erfahrenere Schwester auf. Sie sah, nur zu genau, dass Beide litten. Anna lief ihr hinterher. "Walli warte", fast sofort hatte sie ihre ältere Kollegin ein, nahm sie in den Arm, gab ihr einen Kuss. "Komm setze dich, warum bist du so sauer auf mich, Walli? Du hast recht, vielleicht habe ich mich blöd benommen. Aber, deshalb musst du doch
nicht so sauer auf mich sein." Walli winkte ab. "Das verstehst du nicht Anna." Das junge Mädchen wolle jetzt wissen, warum Walli so sauer auf sie war. "Dann erkläre es mir doch." Walli holt tief Luft. "Weil ich den Fehler, den du gerade machst, vor dreiunddreißig Jahren auch gemacht habe. Ich habe aus purem Egoismus, den Menschen vor den Kopf gestoßen, den ich von ganzem Herzen geliebt habe und immer noch liebe, Anna. Nur deshalb, weil ich eine Sonderbehandlung haben wollte. Ich mich für etwas Besseres hielt, ist er gegangen. Mit Recht. Liebe, meine kleine Anna, heißt nichts anderes, als Respekt vor dem anderen zu haben. Denjenigen zu unterstützen, wo man nur kann. Selber auch einmal hinten an zu stehen, damit man den Partner Luft zum Atmen lässt. Verständnis haben, dass man im Beruf, genauso behandelt wird, wie alle anderen. Wenn du das nicht kannst Anna, wirst du einmal
genauso einsam alt werden, wie ich. Komm lass mich gehen. Ich habe gerade Selbstmitleid mit mir. Da bin ich nicht ansprechbar. Ich arme Walli", fügte diese selbstironisch hinzu. Sah ihrer Freundin, mit einer solchen Wut an, die sie aber nicht auf Anna, sondern auf sich hatte, dass diese einen Schritt zurück machte. Das junge Mädchen sah traurig, ihre Freundin an. "Bin ich wirklich so ein Ziege?" Walli nickte. Anna setzte sich einfach auf Wallis Schoß und legte ihre Arme um Wallis Hals. "Oh je und was mache ich jetzt? Hab ich alles kaputt gemacht?" Walli streichelte liebevoll das Gesicht von Anna, die ihr sehr ans Herz gewachsen war. Sie sah in diese junge Krankenschwester, eine Ziehtochter, da sie selber nie Kinder hatte. Anna aber Vollwaise war. "Anna gehe hin, rede mit ihm. Entschuldige dich bei Fritz und gebe ihm, einen Knutscher. Von mir aus sage ihm, dass du eine dumme, arrogante, eingebildete
Ziege bist. Fritz hat so viel um die Ohren, der kann keinen Beziehungsstress gebrauchen. Sondern braucht eine Frau, die Verständnis hat. Die ihm den Rücken frei hält und ihm zuhört, wenn er reden will. Nicht so eine Ziege, wie dich. Sonst meine Gute, schnappe ich ihn dir weg, ich mag ihn nämlich. Er ist ein sehr guter Arzt, der mit den Füßen auf dem Boden bleibt, obwohl er ein Genie ist. So etwas findet man selten. Wichtig ist nur eins, gehe zu ihm hin und rede mit ihm. Höre einmal in deinem Leben, auf deine olle Mama." Schmunzelnd sah sie Anna an. "In Ordnung Mama, ich höre auf dich. Aber nur, wenn ich ab heute, Mama zu dir sagen darf. Komm wieder mit nach hinten. Ich bin auch ganz brav, Mama. Aber Selbstmitleid und Alterskrise, gibt es nicht. Das wird von mir verboten. Schließlich hast du ja noch mich", foppte Anna lachend ihre Freundin. Anna stand von Wallis Schoss auf und reichte
Walli eine Hand. Die griff danach, zog sich hoch und ging wieder mit zurück, zu den Anderen. Die beide schon beobachtet hatten. "Na, alles wieder klar, ihr Beiden, Kriegsbeil begraben?", wollte Doris lachend wissen. Walli setzte sich wieder auf den Platz und Anna setzte sich einfach auf deren Schoss und gab Walli einen Kuss auf die Wange. "Klar, wir haben uns jetzt eine Runde gezankt. Jetzt sind wir wieder nett zu einander. Außerdem habe ich gerade mit mir beschlossen, Walli zu adoptieren, als meine Mama. Ich hab ja so etwas nicht. So beschaffe ich es mir einfach", damit bekommt Walli, einen noch einen dicken Kuss. Der nie im Traum eingefallen wäre, dass dieses für Anna nicht so angenehme Gespräch, so eine schöne Wende nehmen würde. "Na dann hole mal für uns alle was zum Anstoßen, Anna. Eine Adoption muss doch gefeiert werden", meinte Grit mit ernstem Gesicht.
So tranken die Mädchen in der anderen Ecke der Mensa, ein gute Flasche Wein, um die freundschaftliche beschlossene Adoption von Anna und ihrer Walli zu feiern. In der gegenüberliegenden Ecke der Mensa, saß Jacob nun schon allein in der Aquariumecke und hing seinen Gedanken nach. Kurz vor 23 Uhr verabschieden sich die Mädels, denn sie mussten morgen zum Frühdienst, so dass alle beizeiten ins Bett mussten. Der Dienst im Kinderzimmer war sehr anstrengend und verlangte höchste Konzentration. "Guten Nacht ihr, schlaft schön. Ich bleibe noch einen Moment hier. Vielleicht kann ich noch mit Fritz reden. Ich will es hinter mich bringen. Ihr kennt mich ja. Träumt etwas Schönes und drückt mir die Daumen. Bis morgen früh. Kann mich bitte jemand wecken?" Walli nickte und freute sich, dass Anna endlich
diese, für alle belastende Situation, klären wollte. Dieser Streit der Beiden, tat allen nicht gut. Sie war in dieser Hinsicht, alle ein wenige egoistisch. Sie wollte ihre strahlende Anna und den gutgelaunten Doktor Jacob zurück. "Ich rufe dich an, Kleines", gab Walli Bescheid. Schon verschwanden die Vier, in Richtung Betten. Anna allerdings ging zur Ecke mit den Aquarien, in der Jacob alleine saß. Fast zehn Minuten beobachtet sie Jacob, nun schon. Schmal war er im Gesicht geworden, vor allem sah er müde aus. Tiefe Falten hatten sich in den letzten Monaten, in sein sonst noch so jung wirkendes Gesicht gegraben. Er wirkte um Jahre gealtert. Fritz tat Anna auf einmal, unendlich leid. Hatte Walli wirklich recht, mit dem, was sie ihr gesagt hatte. Anna dachte darüber nach, wie sie an Stelle von Jacob reagiert hätte. Wahrscheinlich genauso. Sie erinnerte sich an seine traurigen Augen, als sie Jacob anbrüllte.
Hörte noch seine letzten Worte. "Anna bitte geh nicht, ich brauch dich so sehr, gerade jetzt." Anna war so wütend an diesem Tag. Sie konnte einfach nicht mehr klar denken. Walli hatte Recht, mit allem, was sie ihr erklärt hatte. Sie wurde sich mit jeder Minute bewusster, wie egoistisch sie gewesen war. Anna gab sich einen Ruck und ging in die Aquarienecke. Sie setzte sich einfach auf die Lehne des Sofas, auf dem Jacob saß. Da Jacob nicht reagierte, räusperte sich Anna. Jacob schien aus einer ganz anderen Welt aufzutauchen. Verwundert sah er Anna an, völlig desorientiert und geistig abwesend. "Fritz, hast du einen kleinen Moment Zeit für mich? Ich habe da ein kleines Problem", bat sie Jacob um Gehör. Der zuckte mit den Schultern, wusste nicht so richtig, wie er sich verhalten sollte. "Wenn du mich wieder nur anbrüllen willst, kannst du gleich wieder gehen, Anna. Ich habe genug
Stress, ich brauche wirklich nicht noch mehr davon", sagte er leise, mehr so, als wenn er nur laut denken würde. Deutete mit keiner Bewegung an, ob Anna näher kommen durfte. Er sah Anna einfach nur müde an. Deshalb blieb die junge Frau, lieber auf der Lehne sitzen. "Fritz, ich möchte mich bei dir nur für mein Verhalten entschuldigen. Ich war wohl am 7. Mai, das, was man ungezogen nennt. Vielleicht hätte ich schon eher, mit meinen Freundin darüber reden sollen. Damit die mir sagen konnten, dass ich eine doofe, eingebildete, arrogante Ziege bin. Aber ich hab es erst heute gemacht. Weißt du, die Weiber haben mir ganz schön den Kopf gewaschen. Aber sie haben in allem recht. Ich habe darüber nachgedacht. Ich mein über das, was sie gesagt haben. Fritz, ich liebe dich, verdammt noch mal. Du bist allerdings, mein erster Freund. Ich weiß nicht so richtig, wie ich das richtig machen soll. Bitte, ich kann ohne dich nicht leben. Jede Nacht,
weine ich mich in den Schlaf. Wenn ich dich sehe, möchte ich ständig weglaufen. Nur, weil ich nicht weiß, wie ich mich verhalten soll. Am liebsten würde ich immer weinen", Tränen kullerten über Annas Gesicht, sie konnte sie einfach nicht zurück halten. "Fritz, ich weiß, dass ich irgendwie falsch gelegen habe. Aber ich verspreche dir, mich zu bessern. Walli hat mir ganz schön die Meinung gesagt, aber sie hat wirklich Recht", traurig wischte sie sich mit dem Ärmel, die Tränen vom Gesicht. Jacob sah seine Anna an, sagte kein Wort. Hin und her gerissen von seinen Gefühlen, konnte er Anna aber nicht gleich verzeihen. Die Vorwürfe, die Anna ihm am 7. Mai gemacht hat, waren schon ganz schön böse. So bezeichnete sie ihn, als Menschenfeind, als Verbrecher, als Kinderschänder und warf Jacob vor, eines dieser selbstherrlichen Schweine zu sein. Das egoistisch, nur seinem Forschungsdrang nach ging und dass er nicht besser wären als die Leute
aus dem Institut. Er wusste natürlich, dass Anna nur eine wahnsinnige Wut auf diese Leute hatte, die dieses Verbrechen begingen. Dass sie nicht wirklich ihn meinte, sondern einfach irgendwo, ihre unbändige Wut ablassen musste. Aber, es tat so verdammt weh. Außerdem war Jacob viel zu müde, um klar denken zu können. Nahm Annas Worte, mehr unbewusst, als bewusst auf. Anna deutete das Schweigen völlig falsch. Sie dachte, dass Jacob nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Jacob schüttelte, ohne, dass er es merkte, den Kopf. Blickte regelrecht durch Anna hindurch. So, als ob sie gar nicht da wäre. Er war mit seinen Gedanken ganz weit weg. Anna stand auf, lief einfach aus der Mensa, um in ihre Wohnung zu kommen. Jacob dagegen blieb weiter auf dem Sofa sitzen und drehte seinen Blick wieder, den friedlich im Wasser schwimmenden Fischen zu. Er stand völlig neben sich und hatte gar nicht richtig registriert,
was geschehen war. Er tat so, als ob nichts geschehen war. Kehrte in seinen Gedanken wieder zurück, in seinen Tagtraum. Nach einer weiteren Stunde, in der er einfach nur die Fische beobachtete und träumte, stand auch der Chefarzt auf und ging müde, nach oben in seine leere einsame Wohnung. Erst als er im Bett lag, wurden ihm das Gespräch mit Anna und deren Worte bewusst. "Verdammt", dachte Jacob bei sich, "jetzt habe ich es versaut." Aber das konnte sich bestimmt regeln lassen. Er würde morgen Früh, Anna zu sich ins Büro bestellen, die ja Dienst hatte und hier in Ruhe noch einmal mit ihr reden. Man würde sehen, was die Zukunft brachte. Anna allerdings lief weinend und völlig verzweifelt in ihre Wohnung. Am nächsten Morgen, brauchte Walli sie gar nicht zu wecken. Anna saß immer noch weinend, auf ihrem Sofa. Walli hörte schon am Telefon, dass dieses
Gespräch, mit Jacob, nicht so gelaufen war, wie sich das ihre kleine Freundin vorgestellt hatte. Sie holte also Brötchen aus der Mensa, informierte die gemeinsamen Freundinnen, dass man bei Anna frühstücken würde. Keine zehn Minuten später, stand Walli vor der Tür der Freundin, klopfte so lange, bis diese öffnete. "Komm Anna höre auf zu weinen, lass uns gemeinsam Frühstücken. Dann erzählst du uns, was schiefgelaufen ist", dabei drängelte sie sich, in deren Wohnung. "Du gehst duschen, ich mache Frühstück. Los mach hin." Keine zehn Minuten später saßen Anna, Pia, Doris, Grit und Walli in der gemeinsamen Küche am Frühstückstisch. So, wie sie es in letzter Zeit oft machten. Gemeinsam schmeckte es halt besser, als alleine. Anna allerdings, wollte nichts essen. "Komm erzähle uns erst einmal. Was los war?" Anna zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung, was los gewesen ist. Das macht mich ja so
fertig. Das Einzige, was er gesagt hat war, das, wenn ich ihn wieder anbrüllen will, gleich gehen kann. Er hätte genug Probleme, er braucht nicht noch mehr. Danach hat er gar nichts mehr gesagt, nur zugehört." Walli streichelte Anna das Gesicht. "Ach Anna, hast du dir unseren Chef, die letzten Tage einmal genau angesehen. Ich glaube der ist so müde, dass er gar nicht mehr klar denken kann. Gestern früh nach der Nachtschicht, ihr wisst ja ich bin für Clara eingesprungen die mit Grippe im Bett liegt, konnte sich Jacob kaum mehr auf den Beinen halten. Anna lass ihn einfach etwas Zeit. Vielleicht sind deine Worte gestern gar nicht, bis zu ihm vorgedrungen." Anna nickte, so etwas in der Art, hatte sie sich auch gedacht. Jacob sah sie an, wie ein Mondkalb. Er hatte so gar nicht reagiert. "Du meinst also, ich kann noch Hoffnung haben." Alle Vier nickten ihr aufmunternd zu. "Na, dann gebt mir auch ein Brötchen", forderte
Anna. Die jetzt auch noch etwas essen wollte. Keine dreißig Minuten später begannen die Vier, ihren Dienst im Kinderzimmer. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen stellten sie fest, dass ein neuer Dienstplan ausgehängt war. Auch sahen sie alle erleichtert, dass sie nicht mehr mit diesem arroganten Arzt, Doktor März, zusammenarbeiten mussten. Da dieser nur noch für ganz unwesentliche Aufgaben, eingeteilt wurde. Kurz vor 8 Uhr klingelte das Telefon. "Station 6/blau, Schwester Waltraud am Apparat", bekam Jacob, seine zuverlässigste Schwester ans Telefon. "Schwester Waltraud, ist bei den Kindern alles in Ordnung?" Walli freute sich. Sie stellte nämlich erfreut fest, dass Jacob nicht mehr so müde klang, wie die letzten Tage. "Genosse Jacob, es ist hier unten alles in bester Ordnung, auch bei den Sorgenkindern. Im Schichtbuch standen auch
keine besonderen Vorkommnisse. Nummer 28 und 29 hatten keine Aussetzer mehr auch, mit Nummer 49, auch bei 98 war alles in Ordnung. Wann kommen sie zur Visite?" Jacob atmete erleichtert auf. Seinen vier Sorgenkindern ging es also gut. Dann konnte er sich wagen, das Gespräch mit Anna zu führen. "Schwester Waltraud, kann ich ihnen für anderthalb Stunden, Schwester Anna entführen? Schaffen sie das Arbeitspensum, auch einmal ohne Anna? Ich muss dringend mit Anna reden, damit hier wieder einmal Ordnung rein kommt." Walli lachte in den Hörer. "Herr Doktor, das wird aber auch langsam einmal Zeit, dass ihr beiden euch endlich aussprecht. Das konnte sich ja keiner mehr, mit ansehen. Da hat es einen ja das Herz zerrissen. Ich schicke sie ihnen gleich hoch." Jacob stutzte. "Wieso?" "Ach, Herr Doktor. Wir sind doch nicht blind. Sprecht euch endlich aus. Aber, wenn sie mir
meine Anna nicht glücklich machen, bekommen sie es mit mir zu tun", setzte Walli immer noch lachend nach. In diesem Moment fiel Jacob ein, dass die Schwestern, in Waltraud Ziegler alle eine mütterliche Freundin sahen. "Ich verspreche mein bestes zu tun, Schwester Waltraud. Schicken sie mir Anna hoch, damit wir uns aussprechen können. Bis später. Wenn ich mit Anna fertig bin, komme ich runter zur Visite. Ich beeile mich auch. Ich denke gegen 10 Uhr." "Geht klar Herr Doktor, lassen sie sich Zeit. Wir schaffen das auch einmal eine Weile, ohne euch beide. Wenn wir dafür unsere fröhliche Anna zurückbekommen", schon legte Walli auf und lief nach hinten zur Neuner Serie, die in Annas Aufgabenbereich lag. Anna stand bei ihrem Sorgenkind, der Nummer 98. Ein süßes Mädchen mit milchkaffeefarbenen Haut, mit schwarzen Schillerlocken, die viel zu klein war. Alle anderen der Serie, hatten die der
Norm entsprechende Größe. Nur dieses Mädchen, es wollte einfach nicht mehr wachsen. Oft stand Anna an dem Brutkasten und sprach der Kleinen zu, sie solle endlich wachsen. Als ob das helfen würde. Alles hatte Anna versucht, ihr die doppelte Menge der Nahrung gegeben. Aber es führte nur dazu, dass die Kleine etwas an Gewicht aufholte. Allerdings wollte das Mädchen, einfach nicht weiter wachsen. Langsam machte sich Anna richtig schlimme Sorgen. Die anderen Kinder der Serie, waren schon bei einer Größe, von mindestens dreiundfünfzig Zentimeter. Nummer 98 war erst bei zweiundvierzig Zentimetern. Auch das Gewicht, lag weit unter der Norm. Die anderen würden die Geburtsnormen alle erreichen, zum Teil sogar, weit überschreiten. Bei Nummer 98, war sich Anna nicht so sicher. Tief in Gedanken versunken, sah sie auf ihr Sorgenkind. So dass sie gar nicht bemerkte, dass Walli auf sie zukam. "Na, am träumen Anna?"
Erschrocken sah Anna zu Walli runter. "Nein Walli, in Sorge, um die Kleine hier. Sie ist immer noch nicht gewachsen, liegt immer noch elf Zentimeter hinter den anderen in der Größe. Ich hab so eine Angst um sie. Sieh mal die Nummer 91 ist schon siebenundfünfzig Zentimeter, die Kleine hier ist fünfzehn Zentimeter kleiner, ich will nicht, dass man sie tötet. Aber ich weiß nicht mehr, was ich noch machen soll. Ich habe alles versucht", ängstlich sah sie zu ihrer Freundin. Jacob hat bei der letzten Dienstbesprechung, die vor drei Tagen stattfand, offen mit seinen Leuten gesprochen. Obwohl er schon die ganzen Monate, um die zu klein gewachsenen Kinder kämpfte. Er bekam er keine Genehmigung, diese am Leben zu lassen. Er musste deshalb seinen Leuten, reinen Wein einschenkt. Jacob war fix und fertig, von einer Besprechung aus Berlin zurück gekommen. Bei der er sich
wohl tüchtig, mit den Leuten der Forschungsabteilung angelegt hatte. Kaum war er aus dem Flieger gestiegen und ins Kinderzimmer gegangen, um nach seinen Schützlingen zu sehen, kam es zu einem heftigen Streit. Mayer stürzte regelrecht in den Raum und stauchte Jacob vor versammelter Mannschaft zusammen. Was er sich in Berlin wieder geleistet hätte? Man überlege ernsthaft, ihm das Projekt zu entziehen. Da flippte der sonst immer ruhige Jacob völlig aus. Er war immer noch so aufgebracht, von diesen abscheulichen und selbstgefälligen Wissenschaftlern, dass auch er vollkommen die Beherrschung verlor. Jacob brüllte, den erschrocken Mayer dermaßen an, dass dieser erschrocken vor dem Chefarzt zurück wich. Fragte diesen, ob er ernsthaft mit Kindermord leben könnte. Er würde ihm gern den Part dazu überlassen. Er wäre ja als Soldat ans Töten gewöhnt. Er sei Arzt, habe
geschworen Leben zu erhalten, nicht es zu nehmen. Er könnte nicht töten. Dann schmiss sein Stethoskop auf den Boden, vor Mayers Füße, verließ wütend den Raum. So hatte noch nie jemand den Chefarzt erlebt. Fassungslos standen nicht nur Mayer sondern auch alle Ärzte und Schwestern im Raum und starrten auf die Tür die laut ins Schloss geflogen war. Am nächsten Morgen, mussten alle zu einer außerordentlichen Dienstbesprechung, nach vorn in die Mensa. Dort erklärte ihnen ihr Chefarzt, warum er so ausgeflippt war. Er entschuldigte sich vor versammelter Mannschaft bei Mayer, für sein ungebührliches Verhalten. Seit diesem Zeitpunkt, lebten alle in ständiger Angst, um die hinter der Norm liegenden Kinder. Walli der das alles durch den Kopf gegangen war, riss sich zusammen. "Anna, glaubst du wirklich, dass Jacob zulässt, dass auch nur eins seiner Kinder getötet wird. Er wird auch um die anderen Serien kämpfen. Aber ich glaube nicht,
dass er zulässt, dass aus seiner Serie ein Kind getötet wird. Damit kann er glaube ich nicht leben. Mache dir lieber Sorgen, um die Kinder von März, der zweier Serie. Bei dem liegen vier Kinder so weit unter der Norm, dagegen ist die 98 noch riesig oder um die von der Serie 0, für die der Schönling Richter zuständig ist. Das Gleiche in Grün, wie beim März, die sind noch nicht mal zweiunddreißig Zentimeter groß, diese drei Kinder, haben auch keine Chance. Um die musst du dich Sorgen. Jacob tötet kein Kind, aus seiner Serie glaube mir." Anna nickte, so gut hatte sie Jacob auch schon kennen gelernt. "Walli, was wolltest du eigentlich von mir?" Anna kehrt zurück zu ihrer Arbeit. "Oh je, du sollst hoch zu Jacob kommen und zwar sofort. Sag ihm, ich hab dich aufgehalten. Also ab und beeile dich, ich kann nicht auch noch deine Arbeit machen", stänkerte Walli ein wenig.
"Ach, das muss ich nicht. Jacob weiß, dass ich immer erst meine Arbeit fertig mache. Was will er den? Hab ich was verbockt?" Walli zuckte mit den Schultern. "Wirst du doch sehen, wenn du oben bist. Ich habe keine Ahnung, warum und weshalb. Er wollte dich nur sofort sprechen. Also los." Walli nahm Anna das Klemmbrett aus der Hand, auf dem die Vitalwerte eingetragen wurden. Übernahm das Eintragen der Vitalwerte, der Nummer 99 bei denen Anna abgestorben war. Wie immer war Anna, als erstes mit ihren Kindern fertig. Sie hatte einen eigenartigen Rhythmus. Walli hatte es einmal probiert, in diesen Rhythmus zu arbeiten. Sie kam aber damit überhaupt nicht klar. Anna war allerdings dadurch, um vieles schneller mit ihrer Arbeit fertig, als die anderen Schwestern. Als erstes fütterte und säuberte sie all ihre Schützlinge. Dann kam der Rest. Deshalb musste Walli nur
noch die Vitalwerte, der letzten beiden Kinder, in das Datenblatt eintragen. Die Nummer 100, musste sie noch messen. So dass sie sich in Ruhe, um ihre Achter Serie kümmern konnte. Dort musste sie auch noch drei Kinder überprüfen, säubern und füttern. Zügig erledigte Walli, Annas Arbeit, ging dann zu ihrer Serie. Anna dagegen, lief mit einem mulmigen Gefühl hoch, zu Jacobs Wohnung und klingelte. Fast sofort machte Jacob auf. "Komm rein. Einen kleinen Moment bitte noch. Ich muss nur noch etwas, in eine Tabelle eintragen. Geh schon mal in die Küche, du kennst dich ja hier aus", schon war Jacob im Labor verschwunden. Keine drei Minuten, musste Anna warten, da erschien Jacob in der Küche. Diese kamen ihr, wie eine Ewigkeit vor. Anna die nicht wusste, wie sie sich verhalten sollte, war zur Balkontür gegangen. Sie stand auf ihrem alten Lieblingsplatz, sah nach Norden in Richtung Ostsee. Hier hatten sie so oft,
zusammen gestanden und geträumt. Schade, dass es nie wieder so sein würde. Sie hatte es vor acht Monaten versaut. Sie hatte innerhalb weniger Sekunden alles kaputt gemacht. Dies war der jungen Frau heute Nacht bewusst geworden. Nur weil sie sich von dem Erlebten, von dieser unsagbaren Wut hat treiben lassen. Sie musste an diesem Tag, irgendjemandem die Schuld geben. Jacob war der Erste, der ihr entgegen trat. Er bekam ihre Wut voll ab. Obwohl er es sich nicht verdient hatte. Sie war damals so gemein zu ihm. Das, was sie ihm an den Kopf warf, war unverzeihlich. Traurig und gedankenverloren, sah sie aus dem Fenster, hinaus auf die weiße Winterlandschaft. Hinter den Bäumen, ging im Meer die Sonne auf, blutrot ins orange übergehend, so wie sie es am liebsten hatte. Langsam, ohne dass sie es ihr bewusst wurde, liefen ihr die Tränen aus den Augen. Sie war tief in ihren Gedanken
versunken. Deshalb hörte Anna Jacob nicht kommen, der leise von hinten an sie heran trat. "So traurig kleiner Engel, mit dem schwarzen Haar", fragte Jacob leise und hinter ihr stehend. Erschrocken drehte Anna sich um, sah zu Jacob hoch. Schluckte bitter an dem Gedanken, dass sie nie wieder in seinem Arm liegen würde. Sie konnte nicht antworten, denn ihr Herz blutete und schmerzte. Es wäre selbst, wenn sie gewollt hätte, kein einziger Ton aus ihrem Mund gekommen. Ihre Stimme verweigerte ihr einfach, ihren Dienst. Aber Annas Augen sagten mehr, als Worte ausdrücken können. Tränennass waren sie und gefüllt mit einer unendlichen Traurigkeit. Mehr könnten Wort, auch nicht sagen. Jacob sah Anna lange an, dann griff er einfach in ihre Taille, hob sie hoch auf seine Hüften und gab ihr einen Kuss. "Weine nicht mein Engel. Lange genug sind wir uns aus dem Weg gegangen.
Ich denke, wir sollten jetzt, da wir beide wieder klarer denken können, einfach miteinander reden." Vorsichtig, fast schon zärtlich trug Jacob, seine Anna, einfach an den schön gedeckten Küchentisch vorbei, ins Wohnzimmer. Ging mit auf ihren Lieblingsplatz, vor dem brennenden Kamin, der eine angenehme Wärme abstrahlt. Die Beine um seine Hüften geschlungen, hielt sich Anna an ihm fest. Sie konnte nicht glauben, was er mit ihr machte. Schon saßen die Beide auf dem breiten Sofa, vor dem Kamin. Er im Schneidersitz und sie auf seinem Schoss sitzend. Lieb sah Jacob sie an. Anna dagegen, blickte ihm tief in die Augen. Ganz leise, sie flüsterte mehr als das sie sprach, erklärte sie sich. "Es tut mir so leid, was ich zu dir gesagt habe. Ich war so wütend an dem Tag. Auf das, was ich dort unten sah. Ich war so glücklich, dich wiederzusehen. Aber du, hast mich einfach nicht gesehen oder beachtet. Ich
war wie Luft für dich. Dabei wollte ich dich, nur begrüßen. Einmal in den Arm nehmen. Einen ganze Woche lang, habe ich dich vermisst. Aber statt einer Begrüßung, brachtest du uns in diesen Raum. Da kam so eine Wut in mir hoch. Ich wollte zu dir, mich an dir festhalten. Ich wollte Trost von dir. Ich wollte von dir einen Weg haben, der mir dabei half, mit diesem Raum da unten klar zu kommen. Aber Walter, hielt mich weg von dir. Ich wollte nur ein bisschen Trost und deine Arme. Aber du hast mich im Stich gelassen. Du hast mich einfach im Stich gelassen." Sprudelte es aus Anna heraus. Die Qual in ihrer Stimme, die Tränen auf ihrem Gesicht, sagten mehr aus als ihre Worte. Schluchzend lag sie in Jacobs Armen und konnte kaum noch sprechen. "Da wurde ich noch wütender. Auf das, was sie diesen armen Kindern angetan haben. Ich projizierte diese ganze Wut auf dich. Aber, das aller war mir nicht bewusst. Ich begriff es erst heute Nacht.
Wirklich, ich war so unendlich wütend. Was man mit den Kindern dort gemacht hat. Du weißt, wie sehr ich Kinder liebe. Ich war wütend, weil du mich nicht vorgewarnt hast. Ach ich weiß nicht, es war alles durcheinander in meinem Kopf." Weinend sah sie Jacob an. Der hob die Hand wischte ihre einfach Tränen weg. "Anna, ist schon gut. Ich weiß das alles, mein Engel. Du musst aber auch mich verstehen. Sieh mal, an dem Tag, bevor du in den Urlaub gefahren bist, bekam ich diesen Ordner. In dem dieses ganze unmenschliche Vorhaben stand. Ich wollte nicht, dass du bei mir bleibst, weil ich erst einmal damit klar kommen musste. Was glaubst du, wie ich mich gefühlt habe. Weißt du eigentlich, Anna, was ich für eine Verantwortung trage. Dort unten sind achtzehn Kinder, die kurz vor dem Tod stehen. Weil sie nicht, in einer willkürlich festgelegten Norm liegen. Also ob eine Norm, etwas über den Erfolg, dieser unmenschlichen Züchtung
aussagen könnte. Es ist doch nichts als eine Zahl. Dort unten aber, sind einhundert kleine Menschlein, Anna. Kinder, für die ich die Verantwortung übernommen habe. Ich habe aber auch, noch neunundvierzig Mitarbeiter, denen gegenüber, ich eine Verantwortung trage. Für deren seelisches Wohlergehen, ich sorgen muss. Engelchen, bist du dir eigentlich darüber im Klaren, was das für eine Last ist. Am 7. Mai musste ich achtundvierzig Menschen mitteilen, dass wir uns auf das Schlimmste eingelassen haben, was es überhaupt gibt. Kannst du dir eigentlich vorstellen, in welchen seelischen Zustand, ich gewesen bin", fragend sah Jacob seine Freundin an. Anna nickte erst, dann schüttelt sie den Kopf. Da sie sich zwar vorstellen konnte, wie schwer das sein musste. Aber nicht wirklich wusste, wie schwer Jacob an dieser Last tragen musste. Noch nie, musste sie so eine Verantwortung übernehmen. Aber sie stellte sich das schwer
vor. Jacob, der das offene und gradlinige Wesen von Anna kannte, ahnte, was in ihrem Kopf vor sich ging. "Anna, du fehlst mir, du weißt, dass ich dich von ganzem Herzen liebe. Aber dieser Job hier, wird alles von mir verlangen. Oft, auch wenn ich mir Mühe gebe, dass ich dies nicht tue, wirst du zwischen die Fronten geraten. Wirst vielleicht auch einmal, meine Wut, auf irgendjemand oder irgendwas abbekommen. Anna, ich bin auch nur ein Mensch. Ich kann auch nicht alles ertragen. Ab und an, muss auch ich mal meiner Wut freien Lauf lassen. Sonst macht mich das hier alles kaputt. Verstehst du? Du kannst nicht, weil ich mit dir zusammen bin, von mir eine Sonderbehandlung verlangen. Ich kann nicht an zwei Fronten kämpfen. Entweder du akzeptierst das oder es gibt kein zusammen, für uns beide. Wenn ich ehrlich bin, kann ich nicht jedes Mal, erst dir alles erklären und dann dort unten noch einmal. Du bist hier nichts
anderes, als Schwester Anna. Das wir ein Paar sein könnten, wenn du das noch willst, hat damit nichts zu tun. Wie soll ich das, deinen Kollegen gegenüber verantworten, dass du eine Sonderbehandlung bekommst? Sag mir das bitte. Alles, was du hier in dieser Wohnung erfährst, bleibt hier drinnen. Hat unten in der Truppe, nichts zu suchen. Wenn du damit leben kannst, würde es mich freuen, wenn wir wieder ein Team sind. Ich vermissen die Streitgespräche mit dir. Ich vermisse deine Geradlinigkeit. Vor allem aber, dein Lachen, deine Nähe, deine schönen schwarzen Augen." Jacob sah Anna, mit so viel Leid in den Augen an, mit so viel Traurigkeit, dass Anna nur auf eine Weise reagieren konnte. Sie liebte ihn genau so sehr, wie er Anna. Sie beugte sich zu ihm heran, gab ihm einen langen innigen Kuss. Dann sah sie Jacob, glücklich an. "Fritz ich werde mir alle Mühe geben. Wirklich. Aber, ich werde auch nicht gleich alles richtig
machen. Lasse mich nie wieder so lange alleine. Lieber brülle mich mal richtig an." Anna schaute ihren geliebten Schatz, tief in die Augen und lehnte sich entspannend an seine Schulter. "Ich brülle dich nicht an. Anna, das war noch nie meine Art. Na komm, lass uns frühstücken. Dann muss ich runter zur Visite. Heute Abend kochen wir etwas Schönes, für uns und deine Freundinnen, die haben sich das verdient." Anna sah Jacob fragend an. "Warum?" Da ließ Jacob seine schöne dunkle Lache ertönen. "Weil sie dir die Wahrheit gesagt haben. Alleine, wärst du wohl nie zu mir zurück gekommen", schon schob Jacob, sein Engelchen von seinem Schoss und stand auf, um in die Küche zu gehen. Gemeinsam frühstücken die Beiden. Jacob, der immer noch Jogginghosen trug und ein Turnhemd, zog sich etwas ordentlich an. Dann fuhren sie nach unten auf die Ebene 6/blau, gingen gemeinsam in das Kinderzimmer.
Walli die vorn am Schreibtisch saß, um die Messdaten in die Krankenblätter zu übertragen. Sah sofort, dass die beiden sich endlich ausgesöhnt hatten. Sie grinste die Zwei an. Anna jedoch ging nach hinten zu ihren Kindern, um die Vitalwerte nochmals zu messen, um nachzusehen, ob wirklich alles in Ordnung war. Jacob dagegen holte sich Informationen über die Kinder, begann mit seiner täglichen Visite. Besonders achtete er dabei stets, auf seine Sorgenkinder. Vor allen denen, aus der Serie 0 und 2, die in der Entwicklung am meisten zurück lagen. Zolger der heute mit an der Visite teilnahm, sprach bei der Visite mit Jacob darüber, dass diese Kinder wohl keine Überlebenschance hatten. Deren Geburtsgewicht, würde wahrscheinlich kaum die Grenze von dreitausend Gramm überschreiten. Also nicht einmal die Hälfte, des geforderten
Gewichtes von sechstausend Gramm. Auch hatten die Nummern 6 und 25, schwere körperliche Behinderungen. Die so zusätzlich, die Überlebenschancen minimieren. Besser sah es da schon bei den anderen Sorgenkindern aus. Die Nummern 51, 62, 71 und 90 würden wohl die Normgrenze nur knapp verpassen, alle knapp über der fünftausendfünfhundert Gramm Marke liegen. "Fritz, ich habe keine Ahnung, wie wir diese Kinder durchbringen sollen. Wenn die nicht irgendwelche herausragenden physischen Eigenschaften aufweisen, können wir nichts für die Kleinen tun. Wir müssen sie nach der Geburt genauestens untersuchen, um irgendetwas Besonderes zu finden. Sorgen macht mir aber vor allem, die Nummer 98. Am Anfang lag sie mit allem, an der Spitze. Ich weiß nicht, wieso sie seit zwei Monaten, nicht mehr zunimmt und wächst. Sie gehörte eigentlich zu meinen absoluten Favoriten. Sie hat die besten
Genanlagen, die ich hier überhaupt sehe. Ich verstehe das alles nicht. Wieso wächst sie seit zwei Monaten nicht mehr?" Jacob nickte, er hatte sich die Genanalyse von Zolger angesehen und erklären lassen. Es stimmte, was dieser sagte. Die Nummer 98 besaß mit Abstand, die besten Voraussetzungen, die geforderten Leistungen zu erbringen, wenn nicht sogar, weit zu überbieten. Aber diesen Aspekt, hatte sich Jacob schon lange vorgemerkte. Er würde diesen, bei seinen Kampf, um das Leben des Kindes einsetzen. Auch stellte er bei seinen Beobachtungen noch einige andere Dinge fest. "Komm bitte mal mit, ich will dir einmal etwas zeigen" forderte er deshalb Zolger auf. Gefangen waren sie alle, in einer Welt voller schmerzhaften Lichtes, welches sie vollkommen umgab. Jeder war für sich und doch waren sie nicht allein. Sie schliefen viel und wurden nur
geweckt, wenn die Anderen kamen und in ihre geschützte Welt eindrangen. Sie war schön diese Welt. Es war so warm und weich, aber sie war auch schmerzhaft. Das sie umgebende Licht mochten all diese Geschöpfe nicht. Sie hassten es, wenn es anging und ihnen Schmerzen zufügte. Stets kamen diesen Schmerzen auch diese Anderen. Auf der einen Seite, hassten sie die Anderen Wesen, die sie nicht verstanden und auf anderen Seite, liebten sie dieses Eindringen in ihre Welt. Denn meistens kamen Wogen von unvorstellbarer Wärme über sie, die sich einfach nur gut anfühlten und danach, fühlten sie sich satt und zufrieden und ihre Welt wurde wieder klar. Eins dieser Wesen war anders, als die restlichen Wesen die sich hier aufhielten. Die einzeln jeder für sich, in ihren abgetrennten Welten lebten. Sie fühlte anders und wollte alles verstehen. Hinten rechts in der riesigen Halle, voller kleiner einzelner Welten, lebte sie und versuchte
zu verstehen, was um sie herum geschah. Das so zarte Geschöpf liebte ihre kleine geschützte Welt. Sie mochte das Gefühl frei zu schweben, dieses Gleiten durch die Wogen der Wärme. Sie mochte es gar nicht, wenn jemand in diese, in ihre Welt eindrang. Genauso, wie die anderen Geschöpfe, die sie um sich herum spürte, die um sie herum existierten, mochte sie dieses Eindringen nur bedingt. Diese Anderen, die sie nur erahnen aber nicht sehen konnte, waren ebenfalls gefangen und konnten aus ihrer kleinen Welt nicht entweichen. Jeder von ihnen, hatte seinen eigenen kleinen Lebensbereich, jeder lebte für sich alleine. Sie verstand nicht, warum? Dieses zarte Wesen würde gern zu den Anderen schwimmen, die sie zwar spürte und doch nicht berühren konnte. Dies war nicht möglich denn sie stieß ständig an Grenzen, egal in welche Richtung sie sich bewegte. Trotzdem waren sie auf eine geheimnisvolle Art miteinander
verbunden. Sie spürte und fühlte die anderen Geschöpfe. Ihresgleichen, die sie umgaben, genau. Sie konnte deren Freude, aber auch deren Schmerz fühlen. Vor allem, konnte sie deren Gedanken hören. Sie teilte ihre Gedanken, mit den Gedanken der anderen Geschöpfe. Die fernab von ihrer Welt existierten, es waren so viele. So lange nicht die Anderen, die Fremden, kamen, war ihre Welt in Ordnung. Mit den Anderen kamen oft die Schmerzen. Sie hasste diese Schmerzen und konnte sie kaum ertragen. Ein Schatten legte sich auf ihre Gedanken, wenn sie an diese, ihr fremden Wesen dachte. Die außerhalb ihrer in sich geschlossenen Welt lebten. Oder, wie das Geschöpf, sie bei sich nannte, die Streifen dunklen Lichtes. So sehr sie das dunkle Licht auch mochte, bestimmte Streifen des dunklen Lichtes, machten ihnen Angst. Manche dieser dunklen Streifen, taten ihr selbst und den anderen
Geschöpfen, um sie herum weh und bereiteten ihnen furchtbare Schmerzen. Obwohl, ein anderer Teil, dieser dunklen Streifen, ihnen wiederum, die Schmerzen nahmen. Vor allem die Schmerzen, die das helle Licht verursachte. Trotzdem waren und blieben es Wesen, die in ihre so schöne Welt eindrangen und das mochte das Wesen gar nicht. Zum Teil brachten sie Gutes, zum Teil aber auch Schlechtes. Jedes dieser Geschöpfe, von denen sie umgeben war und die sie spürte, hatte seine Lieblingsstreifen. Diese tauchte regelmäßig auf und versorgten sie. Aber es gab auch Streifen dunklen Lichtes, vor denen sie sich alle fürchteten. Sie alle, lebten in einer Welt, aus der sie nicht entfliehen konnten, die sie auf immer gefangen hielten und sie voneinander trennten. Oft fragte sie sich, nach dem Sinn, den diese Trennung haben sollte. Sie wie eine Art, Schutzhülle gefangen hielt. Die Anderen dagegen schienen sich frei bewegen zu können.
Wenn das Geschöpf seinen Kopf in eine bestimmte Richtung drehte, wurde das Licht weniger und tat in ihren Augen gar nicht mehr weh. Dann fand sie endlich Ruhe, zum Schlafen und zum Erholen. Leider konnte sie nicht immer ihren Kopf in die Dunkelheit drehen. Irgendetwas, hinderte sie daran und ließ das zeitweise nicht zu. Es war als hinderte sie eine unsichtbare Kraft, dass sie sich weiter herumdrehte, weg vom Licht. Zum wiederholten Male wurde es heute dunkel, vor ihrer Welt. Gerade eben, war der schmale Streifen dagewesen. Wie sehr sie sich immer freute, wenn gerade dieser Schatten kam. Ganz klar wurde dann ihre Welt und ihr Hunger verging. Sie fühlte sich dann stets umsorgt, so wie es mehrmals täglich geschah. Mittlerweile, beobachtete das kleine Geschöpf, die Streifen dunklen Lichts, mit einem unguten Gefühl. Es sah sich ihre Umgebung genau an.
Man könnte fast meinen ängstlich. Meistens allerdings, war es der kleine schmale Streifen, der das blendende Licht, etwas verdunkelte. Dieser Streifen war gut. Auf diesen Schatten freute sich dieses kleine Geschöpf immer. Mehrmals am Tag, kam auch ein großer Streifen dunklen Lichtes, der lange vor dem hellen Licht stehen blieb. Durch die geschlossenen Augen, nahm sie seine Bewegungen wahr. Den Kopf schief haltend, versuchte sie zu verstehen, was dieser Streifen von ihr wollte. Am Anfang kam ihr der Gedanke, dass dies ein Zufall wäre. Dies war es allerdings nicht, denn es wiederholten sich die Handlungen des Schattens zu oft. Vor ihrer Welt, machte der Schatten Bewegungen, manchmal Wellenlinien, manchmal Kreise und manchmal kam er mit Licht. Licht mochte das Geschöpf nicht. Es hasste das Licht, da es ihm Schmerzen zufügte. Der große breite Schatten, macht manchmal laute
Geräusche. Dann drehte sie das Gesicht aus dem Licht oder versucht zu verstehen, was dieses Geräusch bedeuten sollte. Sie konnte es nicht verstehen, den Sinn nicht erfassen. Jeden Tag wurde dieser Streifen etwas deutlicher. Jetzt nahm sie von den Streifen dunklen Lichtes schon richtige Konturen wahr. Es waren keine richtigen Streifen mehr, sondern schemenhaft Umrisse von Dingen, die sie nicht verstand. Lange überlegte sie schon, was dies alles bedeuten könnte. Sie kam allerdings, zu keinem befriedigenden Ergebnis. Auch die anderen Wesen in diesem großen Raum wussten nicht, was dies war. Vor ein paar Wochen, wurden die Bewegungen deutlicher. So begann sie einfach damit, das, was sie sah, nachzuahmen. Vielleicht wollte der Schatten das ja. Oft hörte sie auch Geräusche, gedämpft durch die Welt in der sie lebte. Es waren andere Töne, als die, welche sie kannte. Sie verstand den Sinn nicht, diese Klänge taten ihr gut. Auch
der schmale Streifen dunklen Lichtes, macht diese Laute. Die anderen berichteten ihr davon, dass ihre Streifen dies auch taten. Denen war es allerdings egal. Sie wollten nur ihre Ruhe, sie wollten immer zu schlafen. Das Geschöpf wollte unbedingt wissen, was das zu bedeuten hatte. Überlegte deshalb, was man von ihm verlangte. So freute sie sich fast immer, wenn das Licht sich verdunkelte. Nicht nur, weil der Hunger und die Schmerzen nachließen. Es war aber nicht immer so. Schon einige Male kamen zu ihr und auch zu einigen der anderen Wesen, Streifen die nicht gut waren. Sie erkannten diese Streifen jetzt schon sehr genau. Sie konnten unterscheiden, welcher dieser dunklen Streifen gut oder schlecht waren. Allerdings, sie konnten sich gegen die schlechten Streifen nichts wehren. Sie hatten keinen Einfluss darauf, wann die schlechten Streifen kamen. Sie bekamen danach immer schlimme Schmerzen und Krämpfe. Es ging danach allen,
bei denen diese Streifen waren, sehr schlecht. So lange aber der schmale Streifen dunklen Lichtes bei ihr war, hatte sie Ruhe vor den schlechten Schatten. Sie genoss deshalb die Nähe des schmalen Streifens umso mehr. Das Schlimme daran war, dass bei einigen die Schmerzen seit langer Zeit, gar nicht mehr aufhörten. Seitdem, war das kleine Geschöpf sehr vorsichtig geworden, vertraute den Streifen dunklen Lichtes nicht mehr völlig. Mochte nur noch die zwei Schatten sehen, die ihr so gut taten. Denen vertraute sie und vor allem, sie spürte etwas, dass sie nicht erklären konnte. Die anderen Streifen, die Schlechten, sollten nicht mehr kommen. Egal zu wem sie kamen, sie spürt immer die Schmerzen, die alle hatten. Sie wollte nur, dass dies endlich aufhörte. So manches Mal, waren ihr die Schmerzen einfach zu viel. Deshalb sah das kleine Geschöpf mit gemischten Gefühlen zu den vielen Streifen dunklen Lichtes,
die auf einmal vor ihrer Welt erschienen. Vor ihren Augen verdunkelte sich das Licht. So viele Streifen, waren noch nie erschienen. Mit Vorsicht beobachtete sie, erst eine Weile, was diese Streifen von ihr wollten. Dann erkannte sie ihre beiden Lieblingsstreifen. Der Schmale und der Große waren mit vor ihrer Welt erschienen. Ihr konnte also nichts geschehen. Entspannt legte sie den Kopf etwas schief und sah sie zu, was diese Streifen machten und versuchte alles zu verstehen. Entschloss sich schließlich, die Bewegungen nachzuahmen. Selbst die von den unbekannten Streifen dunklen Lichtes. Dieser schien auch keine Schmerzen bringen zu wollen. Die Streifen wollte nur wissen, ob sie das, was der Streifen machte, auch konnte. Sie fühlte, wie glücklich die beiden Streifen waren. Es gingen Gefühle, von einer unbeschreiblichen Macht, von diesen Steifen aus. Gefühle die ihr gut taten, die sie befriedigten.
Jacob ging mit Zolger zu Nummer 98. Die wie steht’s auf sein Kommen reagierte. Erst wurde sie wie immer ganz unruhig. Dann, als wenn sie ihn erkennen würde, ganz ruhig. Nach einer Weile wandte sie ihm ihr Gesicht zu. So erklärte es Jacob auch Zolger und der in der Nähe stehenden Anna. "Walter, die Kleine hat nicht nur ausgezeichnete Gene. Sieh mal." Jacob nahm einen Kugelschreiber und machte ein klickendes Geräusch damit. Das Kind in dem Inkubator, drehte den Kopf, zu dem Geräusch. Erstaunt sahen sich Anna und Zolger an. "Walter, das macht keins der anderen Kinder. Ich habe es bei allen anderen probiert." Jacob nahm seine Taschenlampe aus der Kitteltasche, schaltete diese an. Richtete sie auf das Kind, sofort drehte das Kleine den Kopf weg. "Das ist erstaunlich. Keins der anderen Kinder,
zeigt diese Reaktionen, wirklich keins. Ich habe diesen Test bestimmt schon zweihundertmal wiederholt. Keins der anderen Kinder macht die Anstalt darauf zu reagieren. Die Kleine ist etwas ganz besonderes. Schau mal." Wieder machte Jacob einen Test, mit dem Liebling von Anna. Er ging an den Inkubator, machte an der Scheibe kreisende Bewegungen. Es machte den Eindruck, als ob das Kind ihn beobachtete. Lange musste das Jacob wiederholen bis von Nummer 98 eine Reaktion kam. Plötzlich hörte er damit auf. Es passierte etwas, mit dem weder Anna noch Zolger gerechnet hatten. Die Kleine, obwohl sie die ganze Zeit die Augen geschlossen hielt, fing an die Bewegungen zu imitieren. Ihr Fäustchen machte einen Kreis. "Wenn ihr denkt das ist Zufall, dann seht genau hin." Jetzt machte Jacob eine Minute lange, eine Wellenlinie. Immer wieder die gleichen
Bewegungen. Dann hörte er auf. Es sah aus, als ob das Mädchen auf irgendetwas wartete. Als Jacob nichts mehr machte, fing sie an, diese Wellenbewegungen nachzuahmen. Kopfschüttelnd sah Zolger seinen Freund an. "Das gibt es doch nicht", kommentierte Zolger, das Geschehene irritiert. Er ging an das Glas, malte immer wieder ein Dreieck. Jacob lachte. "Das wird sie wohl noch nicht können. Das ist viel zu schwer." Zolger wartete einen Moment. Schon wollte er aufgeben. Als das Mädchen in dem Inkubator, versuchte, das Dreieck nachzuahmen. Auch, wenn es nicht ganz gelang, so hatte sie dies versucht. Es war unglaublich. "Du hast recht, sie ist etwas Besonderes. Die Gene lügen halt nie. Ich dachte die ganze Zeit, ich habe bei der Auswertung etwas falsch gemacht. Fritz, bei den meisten hier im Raum, kam ich auf einen IQ von ungefähr hundertsechzig, die Serien 0 und 1 haben einen
von ungefähr zweihundertzehn. Bei deiner Serie, der Neuner kam ich auf zweihundertzwanzig. Aber bei der Nummer 98, habe ich wirklich vierundfünfzig Tests gemacht. Ich komme immer auf zweihundertachtzig. Was genau das, was sie hier versucht, auch beweist. Die Kleine ist hochbegabt…" Sich die Haare raufend stand Zolger da und starrte auf dieses kleine zierliche Mädchen und sah den Chefarzt danach ernst an. "… außerdem, habe ich in ihren Genen etwas festgestellt, was all die anderen nicht haben. Ich aber nicht erklären kann. Eine Anomalie, etwas, das keins der anderen Kinder besitzt. Es wäre schade, wenn sie getötet würde. Eigentlich dürfte keins der Kinder sterben. Ach egal, du weißt ja wie ich das meine", genervt rieb sich Walter das Genick. "Schon gut, Walter. Ich weiß, was du meinst. Kannst du mir helfen bei der Kleinen. Ich weiß immer noch nicht, wie ich die Kinder retten soll. Ich bekomme einfach keine Handlungsfreiheit.
Die sind der Meinung, es wäre zu gefährlich, sie zur Adoption freizugeben. Ich werde tun, was ich kann, um die Kleinen zu beschützen. Wenn ich nur ein einziges der Kinder retten kann, das würde mir schon helfen. Hilfst du mir bitte, Walter. Ich kann jede Hilfe gebrauchen, die ich bekommen kann." Zolger nickte. "Fritz, das habe ich dir am 1.Mai versprochen. Ich breche meine Versprechen nie." Erleichtert atmete Jacob auf. Aber auch Anna, war es viel leichter ums Herz. Sie nahm sich vor, sich noch mehr mit ihrem Liebling zu beschäftigen. So dass die Tests dann noch besser ausfallen würden, um dadurch deren Leben zu retten. Nahm sich aber auch vor, das bei der Nummer 90, ebenfalls zu machen. Da dieses Mädchen, auch viel zu klein war. Vielleicht konnte sie auch dieses Kind retten. Sogleich ging es mit der täglichen Arbeit weiter. Es wurde wieder mehr gelacht, im Raum der Kinder. Anna, das kleine Strahlemännchen, war
wieder glücklich. Diese steckte ihre Kollegen, mit ihrem Lachen an. ~ 23. Dezember 1958 ~ Am Dienstagnachmittag um 13 Uhr, blieb nur eine Notbesatzung bei den Kindern. Da Mayer eine außerordentliche Personalversammlung einberufen hatte. Mayer gab in der Mensa den Mitarbeitern des Projektes die neusten Informationen bekannt, die nicht allen gefallen würden. "Guten Tag meine Damen, meine Herren. Auch, wenn es nur noch zwei Tage bis Weihnachten sind und wir dieses Fest alle genießen wollen, benötige ich einmal kurz eure ganze Aufmerksamkeit. Es gibt einige schwerwiegende Probleme und ein paar neue Informationen. Da ich der Meinung bin, dass ihr alle ein Recht habt zu wissen, wie es in sieben Wochen weiter geht. Als erstes eine wichtige Information. Nach der
Geburt der Kinder, benötigen wir wesentlich weniger Mitarbeiter. Es werden deshalb insgesamt fünf Ärzte, zehn Schwestern und fünf Laboranten, das Projekt verlassen. Dies war euch allen bekannt. Der Arbeitsaufwand verringert sich mit jedem Monat. Denkt bitte bei eurer persönlichen Planung an diese Änderungen. Wir haben allerdings in der Projektleitung beschlossen, dass wir einige vertragliche Änderungen in der geplanten Besetzung, vornehmen werden. Da sich einige Mitarbeiter als besonders geeignet und sich andere wiederum, als eine große Enttäuschung erwiesen. Wir werden deshalb, mit einigen von euch persönlich Gespräche führen, in denen wir uns von einigen vorzeitig verabschieden und andere dagegen bitten werden länger zu bleiben. Die offizielle Bekanntgabe der Namen erfolgt am 15. Februar nächsten Jahres. Inoffiziell, werde ich diejenigen die gehen müssen, rechtzeitig darüber informieren. Ich denke Mitte Januar
wissen wir genau, wer bleibt und wer geht. Wenn also jemand unbedingt gehen möchte, wäre jetzt genau der richtige Zeitpunkt, mir einen Antrag mit Begründung zukommen zu lassen. Den ich allerdings mit Major Jacob und Zolger, abstimmen werde. Ich bedanke mich bei allen, für die hervorragende Arbeit. Bitte, alle verbleibenden dreißig Mitarbeiter der medizinischen und wissenschaftlichen Sektion, werden am 16. Februar 1959 pünktlich um 9 Uhr, zu einer ersten Arbeitsbesprechung, hier in die Mensa erscheinen. Notiert euch diesen Termin schon einmal. Die Kinder werden in dieser Zeit für zwei Stunden alleine bleiben. Das werden diese dann auch können", zufrieden lächelnd, sah Mayer zu den Kollegen. Nur einen kleinen Augenblick später wurde der Projektleiter wieder ernst. Man könnte sogar sagen, Mayer sah richtig böse aus. Seine bis jetzt warme und freundlich klingende Stimme, nahm einen eisigen Ton an. Sie wurde ganz leise
und jedes Wort sprach er sehr deutlich aus. So dass es allen Anwesenden, einen unangenehmen Schauer über den Körper jagte und alle erschrocken die Luft anhielten. So hatten sie den Sicherheitschef noch nie erlebt. "Als nächstes. Sie Doktor März möchte ich sofort nach der Versammlung in meinem Büro sehen. Wenn ich sofort sage, Doktor März, meine ich auch sofort. Erscheinen sie wieder nicht, werde ich sie vom Sicherheitsdienst abholen lassen. Wenn nötig sogar in Handschellen", böse sah er dabei zu dem unbeliebten Kollegen. Dieser war heute früh nicht zum vereinbarten Gesprächstermin erschienen. Damit konnte Mayer absolut nicht umgehen. Gehorsam, verlangte er von all seinen Untergebenen, ob beim Militär oder nicht. Es gab bei ihm da keinerlei Unterschiede, das wussten alle im Projekt und erschienen deshalb, stets pünktlich zu vorgegebenen Terminen beim Projektleiter,
außer dieser März. Mayer holte tief Luft um sich zu beruhigen und wandte sich wieder allen Mitarbeitern zu. "Ansonsten, möchte ich wirklich alle noch einmal darauf hinweisen. Das sich die Reinigungskräfte immer wieder darüber beschweren, dass die Quartiere verwahrloste werden. Bitte räumen sie ihre Quartiere auf. Das Reinigungspersonal ist nur für die Boden- und Glasreinigung zuständig. Es ist nicht dafür zuständig, ihre Dreckwäsche in den Wäscheschacht zu werfen", einige fingen an zu lachen. Darunter war auch Doktor März. Jetzt wurde Mayer richtig böse. "Doktor März, an ihrer Stelle, würde ich meine Klappe halten und mich in eine stille Ecke verkriechen. Ich würde nämlich, an ihrer Stelle einmal über meine eigenen Wertvorstellungen nachdenken. Sie sind das größte, hier in diesem Objekt, herumlaufende Dreckschwein, was es gibt." Mayer war laut und sehr ungehalten geworden.
Dieser arrogante selbstgefällige Arzt, brachte ihn regelrecht in Rage. "Wissen sie was Doktor März, wir werden das, was wir eigentlich heute Früh in meinem Büro besprechen wollten, gleich hier während der Versammlung besprechen. Damit ihre Kollegen einmal erfahren, was sie in Wirklichkeit für ein abscheulicher Mensch sind. Als Erstes, würde ich einmal gern ihre Meinung dazu hören, wieso sie sich ein Recht herausnehmen, ständig die weibliche Belegschaft anzutatschen? Antworten sie mir und zwar sofort." Mayer musterte März böse. Diesem Arzt sollte die Tatsache alleine schon unangenehm sein, vor der versammelten Mannschaft zur Rechenschaft gezogen zu werden. Seine arrogante Art ließ es allerdings nicht zu, verschämt zu Boden zu gucken. Nein. Er musste selbst hier vor den Kollegen, seine Überlegenheit den weiblichen Mitarbeitern gegenüber zum Ausdruck bringen.
"Was willst du May…" Mayer unterbrach diesen selbstgefälligen Menschen sofort, vor allem in einen für die Belegschaft ungewohnten Ton. Den so, nur seine Wachmannschaft von ihm zu hören bekam, wenn sie wirklich richtigen Bockmist gebaut hatten. "Für sie Kollege März, heißt das immer noch, Genosse Major. Da wir noch keinen Brüderschaft getrunken haben. Bleiben sie bitte auch beim sie." März grinste breit, war so von sich eingenommen, dass er nicht einmal das Kopfschütteln seiner Kollegen mitbekam. "Na dann halt, Genosse Major. Die Häschen hier im Projekt, wollen das doch nicht anders. Schauen sie sich mal die kleinen süßen Springer an. Die kleiden sich ständig in extra enge Overalls, damit man sie betatscht." Fassungslos sahen sich die Frauen an. Sie konnten nicht glauben, was dieser von allen
unbeliebte Arzt, von sich gab. Mit einem feisten Lächeln im Gesicht, sprach März weiter. "Die sind doch froh, wenn sie einmal etwas Anständiges zwischen die Beine bekommen. Die sind doch nur hier, weil sie unter die Haube wollen." Dabei machte März noch mit dem Mittelfinger, die dementsprechende auf und ab Bewegung. Mayer war fassungslos. Selbst in seinen kühnsten Vorstellungen, hielt er März nicht für so dumm, dass dieser das alles auch noch offen zu gab. Zolger und Jacob sahen kopfschüttelnd zu dem Kollegen hinüber, der nun schon seit fast einem Jahr nur Probleme machte. Jacob machte einen Schritt auf Mayer zu und flüsterte ihm ins Ohr. "Sigmar, ich glaube, der ist schon wieder sturzbetrunken." Mayer nickte. Ihm kam gerade auch schon dieser Gedanke. "Das Gefühl habe ich auch, Fritz. Aber das ist gut so, jetzt habe ich ihn dort, wo ich ihn hin haben wollte. Endlich habe ich einen
triftigen Grund, ihn an die Luft zu setzen und kann das, auch noch vernünftig begründen." Mayer holte schwer Luft, man sah ihn an, wie viel Mühe es ihn kostete, ruhig zu sprechen. Es war wirklich so, dass er bis jetzt nicht genügend Beweise, gegen Doktor März in der Hand hatte, um diesen fristlos zu entlassen. Dieser hatte sich immer sehr geschickt angestellte und stets sämtliche Spuren verwischt. So dass ihm Mayer nie etwas nachweisen konnte. Jetzt schon, er hatte genügend Zeugen. Deshalb sagte er jetzt laut, so dass alle den Projektleiter hören konnten und gab offiziell bekannt. "Danke, Kollege März. Sie haben mir gerade eine schwerwiegende Entscheidung abgenommen. Fritz, Walter kommt ihr bitte mal." Jacob, Zolger gingen auf Mayer zu, dieser wechselte einige kurze Sätze mit seinen Abteilungsleitern. Jacob, wie auch Zolger nickten bestätigend. "So, Doktor März. Da ich soeben, die
Zustimmung von beiden Abteilungsleitern erhalten habe. Werde ich dieses leidliche Problem, dass sie seit nun fast zwölf Monaten darstellen, beenden. Sie kommen nach dieser Versammlung, sofort in mein Büro. Sie werden zum heutigen Tag, fristlos entlassen. Ohne jegliche Abfindung und Zusatzzahlungen. Ihr Benehmen hier in diesem Projekt, kann und will ich nicht länger dulden." Von Schwester Sonja, wie auch von anderen Schwestern, kam ein. "Endlich." "Danke." "Dem Himmel sei Dank", als Bestätigung, dass dies die richtige Entscheidung war. März dagegen ging an die Decke. "Das können sie gar nicht Mayer", brüllte er, den Projektleiter an. Mayer sah März ernst an. "Ich kann das sehr wohl, Kollege März. Ich begründe auch wieso. Zum Ersten, belästigen sie ständig die weiblichen Mitarbeiter. Haben einige sogar
versucht zu vergewaltigen. Eine Vergewaltigung sogar durchgeführt. Die Anzeigen sind schon, bei der zuständigen Staatsanwaltschaft. Zum Zweiten, sind sie in den letzten vier Wochen, dreiundzwanzig mal mit einer Alkoholfahne auf ihrem Arbeitsplatz erschienen. Selbst heute zu dieser Versammlung sind sie wieder betrunken erschienen. Zum Dritten, kommen sie ihren Pflichten hier im Projekt nicht nach. Ihre Serie, ist die am schlechtesten betreute Serie überhaupt. Zum Vierten, sind sie ein Schwein, das Reinigungspersonal braucht für ihre Wohnung die vierfache Zeit zum Saubermachen, wie für meine Wohnung und die ist doppelt so groß wie ihre. Zum Fünften, sind wir nicht hier, um ihnen zu gefallen, Herr Doktor, sondern sie sind hier, um zu arbeiten." Sigmar Mayer holte schwer Luft und die Halsschlagadern traten hervor, was ein sehr böses Zeichen ist. "Jetzt noch ein persönliches Wort von mir, Doktor März. Ich frage mich ernsthaft, wo sie
ihren Doktortitel gekauft haben? Ich werde der zuständigen Ärztekammer einen Antrag zusenden, ihnen die Approbation abzuerkennen. Sie haben von nichts keine Ahnung. Selbst die Sanitäter in meiner Wachkompanie, haben mehr Ahnung von medizinischen Behandlungsmethoden, als sie. Das Einzige, was sie wirklich sehr gut können, ist angeben und große sinnlose Sprüche klopfen. Verschwinden sie sofort von hier, aus dieser Mensa. Packen sie ihren Kram zusammen. Sie werden in zwei Stunden abgeholt." Als März, fassungslos zu Mayer sah, sagte dieser in einem gefährlich leisen Ton, den man die ganze angestaute Wut anmerkte. "Gehen sie sofort, bevor ich meine gute Erziehung und meinen Kodex des Soldaten vergesse. Verschwinden sie nicht auf der Stelle, kann es passieren, dass ich sie hier heraus prügele. Sie sind das größte Charakterschwein, das mir in meinem ganzen Leben über den Weg
gelaufen ist. Glauben sie mir eins, Doktor März. Ich bin schon einigen begegnet. Niemand, hat es je überlebt." Ernst und voller Hass in den Augen, sah Mayer den entlassenen Arzt an. Dieser drehte sich um, verließ schimpfend, schwankend und mit dem Kopf schüttelnd die Mensa. Mayer drehte sich zur Wand um und stützte die Hände dagegen. Er versuchte sich wieder zu beruhigen. Sehr selten verlor der Projektleiter so die Nerven. Jacob, der ahnte, was in seinem Freund und Vorgesetzten vor sich ging und lief deshalb zu diesem hin, sprach beruhigend auf ihn ein. "Komm beruhige dich, Sigmar. Soll ich dir etwas holen, zur Beruhigung oder dir etwas spritzen?" In diesem Moment bemerkte Jacob, dass Mayer kurz vor dem Durchdrehen war. Er wusste von Mayer, dass es schon wieder zwei Fälle von versuchter und einer durchgeführten
Vergewaltigung, in den letzten fünf Tagen gab. "Komm, atme ruhig. Ja, so ist es besser", nach einer Weile, konnte Mayer wieder klarer denken. "Geht’s wieder?", erkundigte sich Jacob, der Mayer besorgt ansah. Dieser war schneeweiß im Gesicht, hatte eine Schweißnasse Stirn. Instinktiv griff er nach dessen Puls, der viel zu hoch war. "Sigmar, du kommst sofort mit auf die Krankenstation. Ich muss dich untersuchen. Du hattest glaube ich gerade einen leichten Herzinfarkt. Du nutzt uns nichts, wenn du aus den Schuhen kippst." Mayer nickte, wollte etwas sagen. Jacob unterband dies. "Walter, du übernimmst den Rest, von dem was noch gesagt werden muss. Ich muss Sigmar versorgen, der fällt gleich um." Jacob fasste Mayer unter den Arm, zog diesen über seine Schulter und verließ den Raum, durch die hintere Tür. Er ging Mayer stützend,
hinüber in die Offiziersmesse. Dort setzte er Mayer erst einmal auf einen Stuhl. Ging zum Telefon und wählte die Notrufnummer des Rettungsdienstes. Bestellte für Mayer und sich, ein Multicar nach oben in die Offiziersmesse. Er brauchte einfach Hilfe, um Mayer nach unten in die vier Etagen tiefer gelegene Krankenstation für das Personal zu bringen. Langsam erholte sich Mayer etwas und wollte sofort wieder aufstehen. Der Chefarzt unterband das konsequent. "Sigmar, du bleibst sitzen. Ich werde dich jetzt erst einmal untersuchen. Egal, wie quer du dich stellst. Zur Not spritze ich dich ruhig." Mayer der selber merkte, dass es ihm nicht sonderlich gut ging, setzte sich wieder hin. Nur eine Minute später kam der Multicar angefahren. Gemeinsam mit dem Fahrer, führten sie Mayer, der sich kaum auf den Beinen halten konnte, zu dem Wagen. Nur fünf Minuten brauchte der Fahrer, der richtig Gas gab, bis sie
in der Krankenstation waren. Schnell lag Mayer auf der Untersuchungsliege. Die Diagnose, die Jacob stellte, war ernüchternd. Mayer hatte nicht nur einen leichten Herzinfarkt, sondern auch einen Nervenzusammenbruch. Nach zwei Stunden stand fest, dass dieser für mindestens vier Wochen ausfiel. "Sigmar, egal, was du mir jetzt sagst. Egal, was du für Gegenargumente hast. Du bist die nächsten vier Wochen krankgeschrieben. Wenn vertraust du von deinen Leuten am meisten?" Mayer überlegte kurz. "Heiko Corsten. Er ist zwar nur Unterleutnant, aber der beste Mann, den ich überhaupt in der Wachkompanie, habe." Jacob nickte. "Dann rufe ich ihn an. Dann organisierst du einen Urlaubsplatz für dich und Ilka", als Mayer etwas sagen wollte, schüttelte Jacob den Kopf. "Keine Diskussion. Sonst mein Freund, weise ich dich in eine Klinik ein. Dann bist du vier Monate weg, wenn nicht noch länger. Bitte, du hattest verdammtes Glück, dass
ich in der Nähe war. Du musst unbedingt einmal abschalten. In den vier Wochen überlegst du dir, wenn deine Ilka schläft, wie du diesen Druck den du hier hast, für dich herunterfahren kannst. So wie du jetzt arbeitest, überlebst du keine sechzehn Jahre hier. Dann ist dein Ilka bald Halbwaise", ernst sah er seinen Freund an. Jacob war sich bewusst, dass er nur über Ilka, an Mayer heran kam. "Geht klar, vielleicht hast du ja recht. Aber…" Weiter ließ Jacob ihn nicht reden. "Sigmar, wir kommen auch mal ohne dich die paar Wochen aus. Einen Vorschlag, befördere Heiko einfach, dann hat der es auch leichter. Gib mir mal die Nummer von Hunsinger." Wieder nickte Mayer nur. Man merkte ihm an, dass es ihm nicht gut ging. Er teilte Jacob die Geheimnummer von Hunsinger mit, die sich der Chefarzt kurzerhand aufs Handgelenk schrieb. Dann ging Jacob erst einmal an den Medikamentenschrank, zog zwei Medikamente
auf. Eins für die auf gepeitschten Nerven, eins für das überstrapazierte Herz und gab beides den Freund. Kaum, dass die Medikamente wirkten und Mayer eingeschlafen war, ging der Chefarzt weiter zum Telefon. Er wählte die Durchwahl von Hunsinger. "Oberst Hunsinger am Apparat." "Franz, hier ist Fritz Jacob. Entschuldige, dass ich dich auf dem Anschluss anrufe. Die Nummer gab mir Sigmar gerade. Sigmar ist gerade aus den Schuhen gekippt. Bitte, wenn du willst, dass er das Projekt bis zum Schluss leiten soll, dann besorgst du für ihn und Ilka einen Urlaubsplatz. Der es ihm ermöglicht viel zu schlafen und wo er viel frische Luft hat. Vor allem aber Ruhe. Sonst schicke Sigmar in eine Klinik, dann fällt er dir mindestens für ein halbes Jahr aus", ernst in einer keinen Widerspruch duldenden Tonlage, hat er dies, seinem Vorgesetzten mitgeteilt. "Gib mir eine Stunde, Fritz. Dann sag ich dir, wann er abgeholt wird und wohin. Danke Fritz,
ich habe das schon lange kommen sehen, wollte es aber nicht wahr haben. Bis später, stelle ihn erst einmal ruhig", schon legte Hunsinger auf. Jacob ging zu Mayer, dieser schlief tief und fest, durch die Medikamente. Der Wachmann stand unschlüssig an der Untersuchungsliege und wusste nicht, was er machen sollte. Jacob war froh, dass er einen Helfer hier hatte. "Helfen sie mir, ihn ins Bett zu legen. Dann fahren sie bitte zu Mayers Wohnung, sagen Reimund Bescheid, dass es ihm gut geht. Bitten ihn für Ilka und Mayer Sachen für vier Wochen einzupacken. Vorsichtshalber, soll er auch für sich etwas einpacken. Ich weiß nicht, ob Mayer vielleicht will, dass Reimund mitfährt. Dann schicken sie mir Unterleutnant Corsten her." In der Zeit, in der Jacob die Anweisungen gab, hatten die Beiden, Mayer ins Bett getragen. "Vor allem erzählen sie nicht gleich jedem, dass Mayer krank ist. Das geht keinen etwas an. Wenn Mayer das bekannt geben will, macht er
das alleine. Das ist ein Befehl", durchdringend sah Jacob den Wachmann an. "Geht klar Genossen Major. Was soll ich den Leuten sagen, wenn sie fragen? Das ist bestimmt schon wieder im ganzen Objekt herum", ängstlich sah dieser zu Jacob, dieser überlegte kurz. "Sagen sie einfach, der Major hat eine schlimme Darmgrippe. Hatte seit Tagen Durchfall, hat deshalb geschwächelt." Erleichtert atmete der Wachmann auf. "Danke Herr Doktor, ihnen fällt wirklich immer etwas ein." Eilig verließ der Fahrer daraufhin die Krankenstation, um die Befehle von Jacob auszuführen. Kaum zehn Minuten später, traf auch schon Corsten ein. "Hallo Fritz. Was ist denn los? Dietmar war total von der Rolle. Ich soll gleich zu dir kommen. Wollte mir aber nicht sagen, warum." Jacob holte tief Luft. Er wusste, dass Corsten
verschwiegen war, deshalb würde er ihm den Gesundheitszustand, seine Chefs genau erklären. "Heiko, euer Chef, unser Freund Sigmar, hatte gerade das, was man landesüblich als Herzkasper bezeichnet. Einen leichten zwar, aber immerhin war es einer. Du musst für die nächsten vier Wochen, die Leitung der Sicherheit übernehmen. Das ist mit Mayer schon so abgesprochen. Ich denke, er wird dich auch noch genauer instruieren. Bitte, auch später, wenn Mayer zurück ist, du musst ihm danach weiter den Rücken freihalten. In dem Maße, wie er das letzte Jahr gearbeitet hat, schafft Sigmar keine weiteren sechzehn Jahre. Er braucht Mitarbeiter, die ihn unterstützen. Er sollte alles koordinieren, doch solltet ihr langsam anfangen, Verantwortliche in den eigenen Reihen zu finden. Die Gruppenweise, mit Sigmar zusammenarbeiten. Dieses Horrorpensum, schafft keiner auf Dauer." Corsten nickte. "Das denke ich auch. Ich habe
da auch ein paar Ideen, die ich Sigmar schon lange mal unterbreiten wollte. Aber der hatte nie eine ruhige Minute. Es wird Zeit das wir hier etwas ändern. Fritz, ich schaffe nicht meine ganzen Aufgaben und die von Sigmar. Aber ich bekomme das schon hin. Macht euch keine Sorgen, die Leute akzeptieren mich." Jacob nickte entließ den Freund, in die Arbeit mit den Worten. "Dann sehe zu das der Laden ordentlich läuft. Sigmar braucht Ruhe." Schon war Corsten verschwunden. Nicht ganz einen halbe Stunde später, rief Hunsinger an. "Fritz, hier ist Franz. Sigmar wird in drei Stunden abgeholt. Fliegt mit seiner Tochter nach Sotchi, ans Meer. Mit dem russischen Konsulat, habe ich das mit Hilfe von Dalinow regeln können. Die Papiere bringt der Pilot mit. Ich habe für drei gebucht, weil ich nicht wusste, ob Reimund mitkommen soll. Das sollte Sigmar selber entscheiden." Erleichtert atmete Jacob auf. "Danke Franz, das
ist gut. Dann kommt er etwas zur Ruhe. So weit weg, kann er auch nicht bloß mal so gucken kommen. Da muss er brav sein und sich erholen. Ich werde ihn noch etwas schlafen lassen. Danke bis die Tage, ein schönes Weihnachtsfest und guten Rutsch." Diesmal war es Jacob, der schnell auflegte, um nach seinem Patienten zu sehen. Der schlief immer noch tief und fest. Nach einer Stunde weckte der Chefarzt, seinen Patienten auf. "Sigmar, komm du musst munter werden." Verschlafen sah Mayer zu Jacob hoch. "Was ist? Ist etwas passiert?" Sofort wollte Mayer wieder aufspringen. "Langsam Sigmar. Setze dich erst einmal und höre zu…", kurz erläuterte Jacob seinem Kollegen, was er in der Zwischenzeit unternommen hatte. Dankbar sah Mayer seinen Freund an. "Du Fritz, wenn du das so im Griff hast, brauche ich ja gar nicht wiederkommen", meinte Mayer frech
grinsend, um den Freund etwas zu foppen. Jacob schüttelte traurig den Kopf. "Sigmar, wenn du nicht willst, dass ich in zwei Monaten in Sotchi neben dir am Strand liegen, dann komme bitte zurück. Wenn ich ehrlich bin, graut mir davor, auch noch deinen Verantwortungsbereich zu übernehmen. Aber das wird mir nicht erspart bleiben. Na mal sehen, wie sich Heiko macht. Vielleicht schafft er es besser, als wir alle denken. Du bekommst von mir den Befehl, dich zu erholen und wenigstens, beim Eis essen an mich zu denken." Mayer klopfte Jacob auf die Schulter. "Dann werde ich mal packen gehen. Reimund wird sauer sein. Aber ich werde mit meiner Kleinen alleine fahren. So kann ich die Zeit genießen", erklärte er dem Freund. "Sigmar, darf ich dir noch einen Vorschlag machen." Mayer nickte zustimmend, sah aber Jacob verwirrt an. "Na ja, weißt du, allzu oft werden wir diese Gemäuer in den nächsten
Jahren nicht verlassen. Warum nimmst du Reimund nicht einfach mit. Da hat der auch etwas Urlaub. Er kann dort seinen eigenen Stiefel machen. Muss sich gar nicht um euch kümmern. Aber, wenn du abends einmal alleine ausgehen willst, brauchst du so deine Kleine nicht alleine lassen. Da kann Reimund auf dein Mädchen aufpassen. So habt ihr alle etwas davon." Mayer gab Jacob recht. "Das ist eine gute Idee. Ich werde es mit Reimund so besprechen." Jacob lächelte und ging zum Telefon, rief den Notruf an. "Dann ab mit dir. Ich habe dir ein Taxi gerufen ohne Diskussion. Du läufst heute nur das Notwendigste. Hunsinger hat für dich im Hotel, schon eine ärztliche Betreuung besorgt. Ich möchte, dass du die vier Termine auch wahrnimmst. Sigmar, ich brauche dich in vier oder fünf Wochen, hier wieder fit, bitte", besorgt sah Jacob seinen Freund und Chef an.
Der ihm seine Bitte bestätigte. "Keine Angst Herr Doktor, ich bin ganz brav." Der Fahrer mit dem Multicar kam gerade. Jacob half dem immer noch auf unsicheren Beinen stehenden Mayer, auf das Fahrzeug. "Es ist nur eine Einweisung von Heiko erlaubt und die Koffer einzupacken. Ach so Sigmar, die Entlassungspapiere schickst du zu mir. März zu entlassen, wird mir eine Genugtuung sein. Nach allem, was der mir die letzten Monate zugemutet hat", besorgt sah Jacob seinen Freund Mayer an. "Geht klar, Fritz. Hol dir Corsten dazu. Der wird März an die zuständigen Behörden übergeben. Wegen der Vergewaltigungen, geht März sowieso in den Bau, erst einmal in U-Haft", bat Mayer seinen Freund. Jacob gab dem Fahrer ein Zeichen loszufahren. Den Rest konnte Mayer mit Corsten klären. "Dann bis bald", rief dieser noch über seine Schulter. Denn
schon, war der Multicar losgefahren und um die Ecke verschwunden. Keine zwei Stunden später, saß der Projektleiter mit seiner Tochter und deren Betreuer, in einer Maschine, die ihn zu einem Erholungsaufenthalt nach Sotchi brachte. März war unterwegs nach Berlin und kam dort in Untersuchungshaft. Der eine Tag bis zum Weihnachtsabend, ging wie im Flug vorbei, auch das Silvesterfest. Der Januar war fast genauso schnell vergangen, wie das gesamte letzte Jahr. Die einzige ungewöhnliche Unterbrechung war, die Tatsache, dass am 28. Januar 1959 Mayer, Reimund und Ilka erholt aus dem Urlaub zurück kehrten. Mayer der sah, wie gut Corsten in seiner Abwesenheit die Abteilungen geführt hatte, übernahm dessen Arbeitsweise. Bekam so Zeit, für seine eigentlichen Aufgaben. Corsten brachte diese außergewöhnliche, für einen Offizier seines Ranges höchst brillante Leistung, eine
Beförderung zum Leutnant ein. Denen alle, mit viel Applaus zustimmen. Das, was Heiko in den letzten fünf Wochen geleistet hatte, war bewundernswert. Er bewirkte, dass alle Abteilungen der Sicherheit, reibungslos funktionierten. Hatte sich ein System ausgedacht, wo jeder seine Eigenverantwortung tragen musste und dadurch die Lasten gleichmäßiger, auf alle verteilt wurden. Keiner der am Projekt Beteiligten konnte verstehen, dass man schon über ein Jahr hier war. Es kam allen vor, wie ein paar Wochen. Der ständige Stress, die ständige Anspannung, ließ die Zeit, wie im Fluge vergehen. Wenn einige wenige am Anfang dachten es wäre hier der ewige Urlaub, begriffen die meisten sehr schnell, dass dieser Job das letzte von jedem abverlangte. Bereits seit Anfang Januar, wurden an den stillgelegten Inkubatoren, die
Durchführung der Geburten geprobt. Damit an diesem Tag alle Handgriffe sitzen würden und jeder wusste, was er wie und vor allem, wann zu tun hatte. Die ersten Vorbereitungen, für die Geburt der einhundert Kinder waren besprochen und geplant. Es waren nur noch zwei Tage, bis die Techniker-Teams kommen würden, um die Inkubatoren abzubauen. Vor allem die Betten für die Kinder aufzustellen. Es würde noch einmal, ein anstrengender Tag werden. Da man noch nicht wusste, was man in der Zeit des Abbaus, mit den vielen Säuglingen machen sollte. Wieder einmal bekam Jacob einen Befehl, den er so nicht ausführen wollte und konnte. Da dieser sich gegen all seine Moralvorstellungen richtete. Völlig verzweifelt saß er am Abend nach der Dienstbesprechung mit Mayer in der Mensa. Er hatte sich, von allen anderen zurückgezogen. Anna die ihren Schatz nicht so niedergeschlagen sehen konnte, versuchte in ihn aufzumuntern,
bekam vom Jacob allerdings eine derbe Abfuhr. Jacob stand einfach auf und verließ wortlos die Mensa. Er zog sich darauf hin, alleine in den Park zurück. Anna ahnte, dass in den nächsten Tagen wieder einmal, ein schlimmer Befehl auf sie zukommen würde. Sie versuchte in dessen ihre Freundinnen seelisch darauf vorzubereiten. Auch, wenn sie nicht wusste, was genau auf sie zukam. Anna begriff jedoch, dass es etwas Schlimmes sein musste. "Oh je, ich glaube, da kommt in der nächsten Zeit, etwas sehr unerfreuliches auf uns zu", erklärte sie deshalb ihren Freundinnen. "Warum das denn, Anna?", wollte Pia wissen. "Kann ich dir nicht so genau sagen. Aber, wenn Fritz so reagiert, ist er nicht nur auf 999. Sondern kurz vorm explodieren. Das verheißt nichts Gutes." Doris versuchte ihre Freundinnen zu beruhigen. "Vielleicht, hängt es nur mit der Geburt von den
Kindern zusammen. Ihr wisst, wie sehr Jacob, an den Kindern hängt. Ihr wisst aber auch, dass wir sie nicht alle werden retten können. In der Serie 2 sind es so viele Kinder, die weit unter der Norm liegen, dass es dort keine Möglichkeit für die Rettung gibt. Zwei haben sogar körperliche Missbildungen. Die haben noch geringere Chancen, als die anderen." Anna schüttelte den Kopf und kratzte sich diesen. Weil sie nicht wusste, wie sie ihr Gefühl erklären sollte. "Das ist es nicht. Das weiß Fritz schon die ganze Zeit. Das wirft ihn nicht so aus der Bahn. Ach lassen wir das. Es war blöd von mir, überhaupt damit anzufangen. Spekulieren hilft uns hier nicht weiter. Rechnet einfach damit, dass wir etwas ganz Schlimmes mit den Kindern tun müssen. Vielleicht, sind wir dann nicht wieder ganz so schockiert." Anna ließ es damit gut sein. Sie ärgerte sich über sich selber, weil sie wieder einmal ihren Mund nicht halten konnte. Deshalb gab sie schnell die
nächste Runde Karten, um von dem Thema abzulenken und erzählte sie einige lustige Geschichten, über das, was sie in ihrem Kinderheim erlebt hatte. So war nach einer halben Stunde, die ganze Geschichte vergessen. Die Mädchen lachten wieder und gegen 22 Uhr am 13. Februar 1959 gingen alle ins Bett.
~ 14. Februar 1959 ~ Mayer hatte sich wirklich sehr gut erholt. Er war nicht nur braungebrannt, sondern man sah ihm an, dass es ihm wieder richtig gut ging. Jacob dagegen sah aus, als wenn er gleich umfallen würde. Als er am Samstagmorgen, an diesem bedeutungsvollen Tag, am Frühstückstisch erschien. Unrasiert, im zerknitterten Overall, ungeduscht und mit zerzaustem Haar. Sein eingefallenes Gesicht, die tiefen dunklen Augenringe, sagten genauso viel über seinen gesundheitlichen Zustand aus, wie sein gesamtes Äußere und seine Körperhaltung. Gestern Abend nach der letzten Dienstbesprechung, vor der Geburt der Kinder, war er noch einmal zu Mayer gegangen, es wurde verdammt spät. Beide hatten sich zuvor, böse in die Wolle bekommen, man sprach sich
bei diesem zweiten Gespräch aus. Mayer hatte gut reden, er war ausgeruht und erholt, erst vor zwei Wochen wieder ins Projekt gekommen. Jacob dagegen lief immer mehr am Limit. Er konnte diesen ständigen Stress, bald nicht mehr aushalten. Er sehnte sich so sehr nach etwas Ruhe. Nur ein paar Tage Erholung. Hoffentlich wurde es bald etwas ruhiger, nach der Geburt der Kinder. Schuld an dem Streit der beiden Freunde, waren diese selbstherrlichen Wissenschaftler, aus dem Institut. Die wieder einmal Unmögliches, von ihrem Chefarzt verlangten. Nicht nur, das jetzt endgültig feststand, dass er achtzehn der hundert Kinder töten sollte und auch musste, nur weil sie nicht irgendeiner Norm entsprachen, nein, er musste die Geburt der Kinder in einem unverantwortlichen Tempo durchziehen. Es blieben ihm für jedes der Kinder, nur fünfzehn Minuten Zeit. Obwohl sie eine Stunde eher anfingen als sie eigentlich
durften. So dass sie eine kleine Zeit-Reserve bekamen. Normalerweise, sollte der Chefarzt erst um 6 Uhr die Geburt der Kinder einleiten. Dann ständen dem Chefarzt für die Geburt jedes einzelnen Kindes, nur knappe zehn Minuten zur Verfügung. Ein nicht zu verantwortendes Tempo. Der in Geburten sehr erfahrene Arzt, der in der Uniklinik während seines Studiums oft im Kreißsaal ausgeholfen hatte, wusste selbst bei fünfzehn Minuten nicht, wie er dies, ohne die Kinder zu gefährden, schaffen sollte. Jacob nahm für diesen Tag, alle Laboranten mit nach unten in den Raum der Kinder, damit diese das Pflegepersonal unterstützen konnten. An einem der stillgelegten Inkubatoren wurden seit vielen Wochen, Übungen durchgeführt, um die Geburt der Kinder zu simulieren. Nie wurde eine Geburt unter zwölf Minuten geschafft. Es ging einfach nicht schneller. Obwohl das Hausmeisterteam alles in ihrer Kraft stehende
tat, um die Pumpen zu reinigen und die Durchflussfähigkeit der Geräte zu verbessern, bekamen sie die Behälter der Inkubatoren, nicht schneller leer. Zimmermann wies den Chefarzt immer wieder darauf hin, dass diese Zeiten mit jedem Inkubator länger werden würden. Da die Pumpen immer mehr versackte. Dies war bedingt, durch die Rückstände die sich in dem Fruchtwasser befänden. Schließlich wäre diese Flüssigkeit zehn Monate alt und die Filteranlagen arbeiteten jetzt schon auf Hochtouren, um eine ansprechbare Qualität dieser Flüssigkeit zu erreichen. Eigentlich waren seit Wochen alle Filter der Pumpen hinüber und hatten ihre Lebensdauer schon lange überschritten. Zum Teil waren die Filter so schlimm zugesetzt, dass es ein Wunder war, dass die Pumpen überhaupt noch zogen. Jacob dachte mit Grauen an die Geburten der letzten Kinder. Vor allem die Filter in den Pumpen der Serien 0, 2 und 7 bereiteten ihm Sorgen, da diese
Filter seit Wochen Ärger machten. Oft war das Fruchtwasser in diesen Behältern, trüb wie Milch. Das war auch einer der Gründe, weshalb diese Kinder nicht richtig wuchsen. Einige Male schon hatten die Techniker versucht die Pumpen mit einem der stillgelegten Geräte zu tauschen. Das hatte allerdings nicht funktioniert, da der ganze Fruchtwasserkreislauf zusammenbrach. Sogar Korpus kam deshalb schon zweimal ins Projekt, um sich des Filterproblems anzunehmen. Bei jeder der Besprechungen im Berliner Institut, hatte der Chefarzt in den vergangen Monate, auf dieses Problem hingewiesen und darauf bestanden, dies bei der Planung des Zeitplanes berücksichtigt werden musste. Es ging einfach nicht schneller die Kinder auf die Welt zu holen. Das Tempo der Geburtsfolge, wurde von den Pumpen bestimmt und von nichts anderes. Eine Geburt, konnte man nicht berechnen. Die Wissenschaftler wussten es
allerdings wieder einmal besser und erklärten Hunsinger stets, dass ihre Berechnungen dies alles berücksichtigen würde. Dass alles nur an der Unfähigkeit von Jacob und dessen Team zu zuschreiben wäre, wenn sie mit der errechneten Zeit nicht hinkämen. Hunsinger stand zwischen zwei Stühlen und zog sich den bequemeren Weg vor. Statt zu Jacob und seinem Team zu stehen, die seit Monaten ihr bestes gaben, stellte er sich hinter die Wissenschaftler. Jacob machte das wütend. Einige böse Auseinandersetzungen hatte er deshalb schon mit seinem Projektleiter gehabt. Ungeachtet dessen würde sich Jacob nicht an die vorgeschriebene Zeit halten. Ihm war es egal ob er Ärger bekam. Das Leben der Kinder war ihm wichtiger. Sie mussten pünktlich fertig sein, denn bereits um 10 Uhr kamen die Techniker, um die Inkubatoren abbauen. Deshalb musste er vor um 5 Uhr anfangen, ob es diesen rechthaberischen Wissenschaftlern nun gefiel
oder nicht. Zu diesem Zeitpunkt mussten alle Inkubatoren leer sein. Das Team um Otto Korpus, musste sofort nach dem Abbau der Inkubatoren, die neuen Betten für die Kinder aufbauen. Pünktlich um 22 Uhr, sollte das Kinderzimmer fertig sein. Die Techniker standen selbst unter enormen Zeitdruck und konnten auf niemanden Rücksicht nehmen. Aber das war noch nicht alles, was man an Unmöglichkeiten von Jacob verlangte. Nein, damit man dem Fass die Krone aufsetzte, verlangte man von den Mitarbeitern der medizinischen Sektion, dass sie diese kleinen Wesen, die gerade auf die Welt gekommen waren, für diese Zeit nach draußen in den Schnee legen. Dass musste man sich einmal vorstellen: Neugeborene Säuglinge sollte er unmittelbar nach der Geburt raus in die Kälte legen. Das sollte zur Abhärtung, der neugeboren Soldaten beitragen. Vor allem, sollten sie das ab der Geburt, jeden Tag für acht Stunden machen.
Jacob war gestern an die Decke gegangen, als Mayer ihm den gerade eingetroffenen Befehl der Wissenschaftler vorlegte. Richtig böse bekam sich der Chefarzt daraufhin mit Mayer und Zolger in die Wolle. Zum Schluss sagte Mayer zu ihm, wenn er so weiter macht, würde er als Projektleiter die Verantwortung für das Projekt, in die Hände von Doktor Anderson legen. Er, Mayer, hätte langsam aber sicher die Nase voll, sich ständig von Jacob anschreien zu lassen. Nicht er dächte sich die Befehle aus, er bekäme diese genauso, wie Jacob, von ganz oben. Er machte auch Sachen die ihm nicht gefielen. Allerdings müsse er auch an seine Tochter denken, er könnte nicht ständig wegen Jacob, mit schlechter Laune nach Hause kommen. Ilka könnte nichts dafür, wenn Jacob sein Gewissen, auf empfindlich schalten würde. Er wäre schließlich beim Militär. Da müsse man halt ab und zu Sachen machen, die einem nicht gefielen.
So stand Jacob, wie ein begossener Pudel da. Hilfesuchend zu Zolger schauend, der dann nur schulterzuckend meinte. "Sieh mich nicht so an, Fritz. Sigmar hat Recht, du kannst nicht immer ihn an pulvern. Mir gefallen diese Befehle auch nicht. Aber sag mir, was wir machen sollen. Die Kinder sind so gezüchtet worden, den macht die Kälte nichts aus." Kopfschüttelnd stellte sich Jacob an das Fenster, um nach draußen zu sehen und vor allem, um sich zu beruhigen. Er war danach eine ganze Weile nicht mehr bereit, auch nur ein Wort zu sagen. Er würde alleine einen Weg finden müssen, solche unmenschliche Dinge zu verhindern. ‚Konzentriere dich jetzt erst einmal, auf die Geburt der Kinder‘, sagte Jacob sich. ‚Dass du rettest, was zu retten ist.‘ Nachdem sich Jacob wieder beruhigt hatte, setzte er sich, die Arme wütend vor der Brust
verschränkend, wieder an den Tisch. Provokativ schlug er die Beine übereinander und hörte sich diesen ganzen Mist, mit immer größer werdender Wut an. Der Chefarzt sprach von dem Moment, nicht einen Ton mehr. Das wiederum sagte den beiden anderen Abteilungsleitern auch nicht zu. "Warum sagst du jetzt gar nichts mehr, Fritz?", wollte Mayer schließlich von ihm wissen. Da Jacob sonst immer Vorschläge und Ideen in die Diskussionen einbrachte. Diesmal aber, einfach nur schwieg. Nach dem Jacob weiterhin schwieg, wurde Mayer richtig böse und pulverte ihn an. "Verdammt Fritz, hättest du die Freundlichkeit mit uns zu reden." Müde und sich mühsam zum leisen Sprechen zwingend, brachte Jacob schwer atmend hervor. "Was soll ich dazu sagen, Sigmar? Ich bin müde. Ich habe keine Lust mehr, mich mit euch zu streiten. Ich habe die letzten vierzig Wochen, falls es euch entgangen sein sollte, ständig doppelte Schichten gemacht. Oft hat man mich,
lieber Walter, auch noch in deine Schichten geholt. Oder wegen dem Schnupfen, eines eurer lieben Mitarbeiter. Den jeder der anderen Kollegen auch hätte behandeln können. Das hätte sogar März oder Richter hinbekommen. Aber nein man holte immer mich. Ich brauche ja nicht schlafen. Ich komme völlig ohne Schlaf aus." Jacob atmete schwer und versuchte sich zu beruhigen. Der Chefarzt war schon wieder kurz davor los zu brüllen und völlig aus dem Anzug zu springen. Es kostete ihn alle seine Kraft ruhig zu bleiben. "In der letzten Woche, habe ich fünfzehn Stunden, in sieben Tagen geschlafen. Davon vier Stunden in einem Bett. Den Rest am Labortisch. Aber es interessiert euch nicht. Wenn ich jetzt etwas sagen würde, täte euch das nicht gefallen. Bevor ich euch wieder anschreie, werde ich lieber meine Klappe halten. Du, Sigmar, bist Soldat. Du Walter bist Wissenschaftler. Ihr seid
beides keine Ärzte. Ich jedoch, habe den Eid des Hippokrates geschworen. Dieser Schwur ist mir immer noch etwas wert. Er besagt nämlich, dass ich da bin, um Leben zu beschützen und Kranke zu heilen. Ihr verlangt Sachen von mir, die gegen mein Berufsethos verstoßen und gegen den von mir geschworenen Eid des Hippokrates …", stoßweise holte Jacob Luft, man merkte genau, dass es ihm zunehmend schlechter ging. Er zitterte am ganzen Körper und hatte Schweißperlen auf der Stirn. Der Chefarzt war kurz davor zusammenzuklappen. "… ihr verlangt nicht nur von mir, dass ich morgen die außerhalb der Norm liegenden Kinder töte, sondern alle hundert Kinder. Zu was, haben wir dieses verdammte Experiment überhaupt gemacht, wenn wir die Kinder nach der Geburt gleich alle töten? Ihr habt sie doch nicht mehr alle. Schaltet mal euer Gehirn dazu. Haben diese Kinder nicht auch ein Recht, wie Menschen behandelt zu werden. Fangt ihr jetzt schon an,
sie wie den letzten Dreck zu behandeln. Das könnt ihr gern machen, aber nicht solange ich hier die Verantwortung trage. Solange ich hier der Chefarzt bin, werde ich dafür sorgen, dass diese Kinder wie Menschen behandelt werden. Ob das euch nun gefällt oder nicht. Wenn ihr vorbehaltlos das macht, was diese Unmenschen aus dem Institut verlangen, dann ist das nichts anderes als Mord. Könnt ihr mit diesen Morden leben? Ich nicht. Ich werde dies auch nicht zulassen. Entweder wir finden eine andere Lösung für die Neugeborenen oder aber, …" Jacob konnte nicht mehr ruhig sprechen. Er war kurz davor Dinge zu tun, die er im Anschluss bereuen würde. Deshalb hörte er mitten im Satz auf zu sprechen und winkte einfach nur wütend ab. Der Chefarzt stand abrupt auf und stürmte ohne ein weiteres Wort zu sagen aus der Offiziersmesse. Er verließ ohne Erlaubnis die Dienstbesprechung. Mayer der hinter Jacob her lief, um ihn zurückzurufen, ignoriert er einfach.
Er wollte nicht, dass auch noch Anna seine Wut abbekam. Deshalb ließ er auch noch seine Freundin, ohne ein Wort zu sagen, einfach in der Mensa stehen. In die er sich zurückgezogen hatte, um sich erst einmal zu beruhigen. Jacob musste sich erst einmal wieder zu sich selber finden und mit sich ins Reine kommen. Alles in ihm zitterte und vibrierte. Er brauchte vor allem etwas Zeit, um seine Gedanken zu sortieren. Trotz der Minus 18°C ging er im Park spazieren. Die Kälte tat ihm gut. Er setzte sich nach zehn Minuten auf eine der Bänke und zog die Beine auf die Sitzfläche, so wie es seine Anna so gern machte. Sie erklärte ihm einmal, dadurch dass sie ihre Knie umfasste, hätte sie das Gefühl sich selber zu beschützen. Heute brauchte er dieses Gefühl dringend und es half wirklich. Die eisige Kälte der Sitzfläche wirkte etwas beruhigend, auf sein aufgewühltes Inneres und seine kurz vor dem Zerreißen stehenden Nerven. Mit dem umschlingen der Knie wärmte
er sich selbst ein wenig. Langsam kam er wieder zu sich und beruhigte sich wieder. Jacob war wieder in der Lage, normal zu denken. Kurz nach 22 Uhr, hatte der Chefarzt für sich eine Entscheidung getroffen. Durch gefroren wie er war, ging er noch einmal zu Mayer. Er wollte und musste dem Projektleiter diese Entscheidung sofort mitteilen. Da er auf dieser zerbrochenen Vertrauens-Basis, einfach nicht weiterarbeiten konnte. Jacob fühlte sich nicht in der Lage auch noch gegen Mayer und Zolger kämpfen. Er musste also entsprechende Schritte einleiten und seine Konsequenzen ziehen. Selbst wenn dies bedeutet, dass er jetzt schon aus dem Projekt aussteigen musste. Es überstieg einfach seine Kraft. Kurz entschlossen drückte er auf den Klingelknopf. "Sigmar, hast du einen kurz Moment Zeit für mich?", erkundigte er sich an der Gegensprechanlage von Mayers Wohnung.
"Klar", antworte Mayer, "aber nur wenn du mich nicht wieder anbrüllst." Jacob nickte. Im selben Moment wurde ihm bewusst, dass sein Vorgesetzter, das nicht sehen konnte. Also brummelte er: "Ich gebe mir Mühe, versprechen kann ich dir nichts." Ein Surren und sofort, öffnete sich die Tür. Jacob lief schnell die paar Stufen zu Mayers Wohnung hoch. "Guten Abend, Sigmar. Guten Abend Reimund", begrüßte er die beiden Kollegen, um überhaupt etwas zu sagen, fügte er hinzu: "Na, haste Ilka schon im Bett?" Reimund nickte lachend. "Klar, die Kleine war heute den ganzen Tag draußen im Schnee. Die Prinzessin war fix und fertig, schläft schon seit 20 Uhr." Verstehend nickte Jacob und meinte: "Na, dann hast du ja auch mal etwas eher Feierabend. Sigmar, kann ich dich unter vier Augen
sprechen?" Jacob wandte sich dabei wieder Mayer zu, um sein Anliegen vorzubringen. "Fritz, du gehst schon in mein Büro", bat Sigmar. Er hatte verstanden, dass es wohl gleich richtig zur Sache gehen würde. Daher wollte er den Betreuer seiner Tochter aus der Wohnung haben. Reimund konnte alles essen, musste aber nicht, von jeder Auseinandersetzung die er mit dem Chefarzt hatte, etwas wissen. Soweit traute er Reimund nicht. Daher schickte er ihn mit den Worten nach Hause. "Reimund, wenn ich dich brauche, rufe ich an. Mach Schluss für heute. Morgen wird ein anstrengender Tag für dich." Der Angesprochene nickte darauf hin mit dem Kopf und ging ohne Widerspruch in seine Wohnung, die eine Etage tiefer lag. "Na dann schieße mal los." Mayer forderte seinen Freund auf, zur Sache zu kommen, als er sich hinter seinen Schreibtisch gesetzt hatte. "Sigmar, du kannst die Leitung des Projektes, an Anderson übergeben. Ich hole die Kinder morgen
noch auf die Welt. Im Anschluss bin ich raus aus dem Projekt. Tut mir leid Sigmar, aber so kann ich nicht arbeiten. Ich habe mir nicht für umsonst die ganze Zeit den Arsch aufgerissen, um die Kinder alle durchzubekommen. Du weißt besser als jeder Andere hier im Projekt, was in den letzten vierzig Wochen los war. Es werden morgen wahrscheinlich achtzehn Kinder sterben. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht. Damit muss ich leben. Aber ich werde nicht zulassen, dass ihr gleich am ersten Tag, noch mehr Kinder sterben lasst. Sigmar, es sind im Moment draußen im Park minus 18°C. Die Neugeboren haben keine zehn Minuten, dann sind sie tot. Damit kann und will ich nicht leben. Dafür habe ich diese Kinder nicht vierzig Wochen lang hochgepäppelt. Ihr könnt das machen, wenn die eine Woche alt sind, aber nicht morgen. Wenn ihr denkt, das Anderson das Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss bringt, dann bitte. Ihr müsst noch vier Ärzte entlassen, setze mich
bitte als erstes auf die Liste." Jacob sah Mayer fest in die Augen und war unter diesen Voraussetzungen nicht mehr dazu bereit, von seinem Entschluss zurückzutreten. Als Mayer etwas sagen wollte, schüttelte Jacob den Kopf. "Sigmar, egal, was du zu mir sagst. Wenn ihr von mir verlangt, die Kinder wenige Minuten nach ihrer Geburt, nach draußen in die Kälte zu legen, dann bin ich raus. Sage das Hunsinger bitte. Denn der lässt sich ständig bei mir verleugnen. Das ist mein letztes Wort. Du erreichst mich in meiner Wohnung." Jacob stand auf und wollte gehen. Mayer griff über den Schreibtisch und hielt seinen Chefarzt am Ärmel zurück. Traurig sah er Jacob an. "Ich sage es Hunsinger. Fritz, du bist dir aber darüber im Klaren, dass du mit solchen Aktionen, keine Pluspunkte sammelst. Das nennt man glatt weg, Erpressung." Jacob nickte wissend. Erklärte Mayer, sich zum
leise sprechen zwingend und man hörte ihm durch das zittern seiner Stimme an, wie schwer ihm das fiel. Jacob war erneut kurz davor seine Beherrschung zu verlieren. "Das ist mir klar. Nenne es, wie du willst, Sigmar. Das ist mir langsam schnurz wie piepe. Aber auch ihr solltet eins bei diesem Projekt begreifen, das habe ich euch von Anfang an klar gemacht. Dass, solange ich hier Chefarzt bin, ich mich für das Wohl dieser Kinder einsetzen werde. Ich bin Arzt, Sigmar, kein Massenmörder." Jetzt war es an Mayer aus dem Anzug zu springen, in einer Art, wie dies noch nie passiert war. Er brüllte Jacob böse an. "Das soll jetzt heißen, dass ich ein Mörder bin, willst du das damit ausdrücken. Denkst du vielleicht, mir geht das hier alles am Arsch vorbei? Fritz, ich habe selber eine Tochter, die Kleine ist schwerbehindert. Denkst du vielleicht, mich macht die ganze Sache nicht genauso wütend,
wie dich. In Ordnung, ich habe diesen komischen Eid, nicht geschworen. Aber Fritz, ich bin Soldat, mit Herz und Seele. Wir Soldaten, besitzen auch einen Codex. Ich bin da, um Menschen zu beschützen und nicht um zu morden. Natürlich müssen wir manchmal töten. Aber ich schieße nicht, auf Unbewaffnete, schon gar nicht töte ich Kinder." Böse sah der Projektleiter Jacob an. Richtig wütend war er geworden. Mayer stand auf und stützte sich auf seinen Schreibtisch, um Jacob noch näher zu sein und ihm dabei, direkt in die Augen sehen zu können. Versucht jetzt wieder ruhiger zu sprechen. "Sag mir Fritz, was soll ich deiner Meinung nach tun?" Jacob sah seinen Vorgesetzten, der immer beherrscht, niemals launisch war, erschrocken an. Er hatte seine erste Meinung über Mayer, schnell revidieren müssen. Mayer war nicht
unbeherrscht, wie er erst dachte. Er war ein ruhiger ehrlicher Mensch. Den man schon richtig ärgern musste, damit er seine Laune an anderen ausließ. Entsetzt sah Jacob deshalb, Mayer an. So böse, war dieser in dem ganzen Jahr nicht geworden. Obwohl sie einige wirklich schlimme Auseinandersetzungen hatten. Jacob lehnte sich an die Lehne des Stuhles, ließ seinen Kopf nach hinten baumeln. Dann strafte sich sein Körper, so wie er es immer machte, wenn er für sich eine Entscheidung fällte. "Was du machen sollst? Fragst du mich, das wirklich Sigmar? Es ist ganz einfach. Du musst mir helfen durchzusetzen, dass man diese kleinen Lebewesen da unten, wenigstens ein kleines bisschen, wie Menschen behandelt. Auch wenn das bedeutet, nicht den bequemsten Weg gehen zu können, wie ihr das so gerne tut. Wir können sie in einer Woche raus in den Schnee legen. In Ordnung, das gefällt mir zwar auch nicht, nur werden mir noch viele Dinge nicht
gefallen, die wir tun müssen. Aber bitte nicht, gleich nach der Geburt. Die Kinder benötigen für die Umstellung aus den Inkubatoren, auf die eigene Atmung, bis hin zur Stabilisierung des Kreislaufes, wenigstens sechs Tage. Dies ist auch bei genetisch veränderten Menschenkindern nicht anders. Mach das, diesen hirnverbrannten und inkompetenten Trotteln aus dem Genlabor klar …" Jacob holte tief Luft, um sich weiter zu beruhigen. Vor allem, um Mayer nicht schon wieder anzubrüllen. Denn alles in ihm vibrierte, ihm war einfach alles zu viel. Leise, fast flüsternd sprach er weiter. "… Sigmar, machen wir das eher, könnt ihr gleich die Hälfte der Kinder nach der Geburt töten. Dann frage ich mich ernsthaft, warum wir dieses verdammt Experiment, überhaupt gemacht haben. Weil das keins der Kinder, ohne Schaden überlebt. Schalte einfach mal dein Gehirn dazu. Sigmar, man muss kein Arzt sein, um das zu
verstehen. Die Kinder hätten einen Temperaturunterschied, von über 60°C auszuhalten. Vielleicht denkst du einmal darüber nach. Es stimmt ein Soldat, sollte den Befehlen folgen. Das ja. Aber nicht blind. Das nämlich mein lieber Freund, wäre sein Todesurteil. Sigmar, die Inkubatoren, sind auf eine Temperatur von 46°C eingestellt, heute waren über den Tag, 18°C minus. Keine Ahnung, wie kalt es morgen sein wird. Selbst ein Mensch, der keine medizinische Ausbildung hat, müsste das verstehen." Jacob sah Mayer ernst an. "Warum, sagst du mir das nicht gleich so. Verdammt Fritz, ich bin Soldat, kein Arzt. An so etwas denke ich doch nicht. Ich werde sehen, was ich machen kann. Von mir aus decke ich dich sogar. Auf einen Anschiss mehr oder weniger, kommt es jetzt auch nicht mehr an. Aber bitte, mache morgen nicht gar zu wild. Langsam vertrage ich auch keine Anpfiffe mehr von dir. Du greifst mich jedes Mal persönlich
an. Das finde ich nicht fair. Ich gebe die Befehle doch nicht." Jacob verstand Mayer ja, aber er war auch nur ein Mensch und er konnte einfach nichts mehr ertragen. "Tut mir wirklich leid, Sigmar. Aber weißt du, wie schwer das alles für mich ist. Ich laufe im Moment am Limit. Ich gebe mir ja Mühe, dass ich dich nicht anschreie. Aber es potenziert sich so vieles im Moment. Ich kann manchmal einfach nicht mehr. Weißt du eigentlich, dass ich seit Monaten kaum noch schlafe. Ständig ist irgendwas oder irgendein Notfall. Jeder hier im Objekt will, dass ich ihn behandle. Keiner denkt auch nur einmal darüber nach, dass auch ich mal etwas Ruhe bräuchte. Ich hatte seit Mai voriges Jahr keine Zeit mehr, mich zu erholen. Verstehe einfach, dass ich am Ende meiner Reserven bin." Völlig geknickt sah Jacob zu seinem Freund, fuhr mit leiser und bebender Stimme fort. "Sigmar, vielleicht ist es dir noch nicht bewusst geworden. Ich muss
morgen dort unten, achtzehn mehr oder weniger gesunde Säuglinge töten. Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie es in mir drinnen aussieht", Jacob klopfte sich mit der Faust, hart auf sein Herz, so dass es richtig knallte. "Weder du musst das tun, noch Walter muss das tun. Mir hat man den ganzen Scheiß aufgehalst. Denn die Mitarbeiter des Institutes machen es sich einfach, die delegieren das einfach zu mir. Die machen sich nicht die Hände schmutzig, die ni...", Jacob konnte nicht weiter reden, die ganze Anspannung der letzten Tage brach aus ihm heraus. Plötzlich schluchzte er auf, Tränen liefen aus seinen Augen und er stützte den Kopf auf seine zitternden Hände. Es herrschte ein langes, betretenes Schweigen. Entsetzt sah Mayer, den Chefarzt des Projektes an. Der gebrochen und wie ein Häufchen Unglück vor ihm saß. Lange brauchte Jacob, um sich wieder zu beruhigen. Flüsternd und mit bebender Stimme, erklärte sich Jacob seinem
Freund. "Sag mir bitte eins, Sigmar. Wen soll ich das machen lassen? Wem soll ich damit beauftrage? An wen soll ich diese Morde weiter befehlen? An Anderson, Anna, Walli, Heiko oder soll ich dir den Befehl dazu geben?" Jacob sah einen Moment lang Mayer mit so viel Leid in den Augen an, dass es diesem das Herz zusammen zog. Das war ihm bis jetzt noch nicht klar gewesen. Plötzlich schüttelte Jacob seinen Kopf. "Sigmar, ich kann niemandem, einen solchen Befehl erteilen. Nur, um es nicht selber machen zu müssen. Ich kann doch die Verantwortung, nicht einfach auf jemand anderen abwälzen." Jacob rieb sich dabei die Brust, die schon wieder schmerzte. Er fuhr sich dann durch die Haare. "Sigmar, ich kann das einfach nicht auf die Art machen, wie das die netten Damen und Herren im Genlabor es tun. Die machen sich das alles einfach", sein Blick war so voller Wut, so voller
Hass, dass es schon fast schmerzte ihn anzusehen. "Die delegieren die Verantwortung, einfach auf mich. Die sind sich zu fein dafür, ihre Drecksarbeit selber zu tun. Also muss ich dies tun. Verdammt … kapiere das endlich mal." Tränen liefen über Jacobs Gesicht. Er konnte einfach nicht dagegen tun. Er stützte seinen Kopf auf die Hände und versuchte gleichmäßig zu atmen, nicht nur um sich zu beruhigen, sondern auch um die Schmerzen in seinem Herzen in den Griff zu bekommen. Diese hatten nichts mit einem kranken Herzen zu tun, sondern kamen von der Seele, die bei dem Gedanken an diese Morde zerbrach. Jacob brauchte einige Zeit, ehe er sein inneres Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Schwer atmend und blass, saß dieser vor dem Schreibtisch des Projektleiters. Er wirkte wie ein gebrochener alter Mann und nicht wie ein junger erst einunddreißig Jahre alter Arzt. Diese Person, hatte nichts mehr mit dem vor Energie
strotzenden, immer lächelnden Jacob zu tun, der vor einem reichlichen Jahr hier ins Projekt gekommen war. Der Jacob, der alle sofort mit seinem Tatendrang begeistern konnte, war irgendwo auf der Strecke geblieben. Vor Mayer saß ein Mann, mit tiefen fast schwarzen Augenringen. In dessen Gesicht sich tiefe Furchen eingegraben hatten und dessen Wangen eingefallen waren. Dessen Haar von weißen Strähnen durch wachsen waren und stumpf aussah. Sein gesamtes Erscheinungsbild erzählte viel mehr über das vergangene Jahr und die damit verbunden Strapazen, als es Worte vermochten hätten. Dies alles wurde Mayer mit einem Schlag klar. Vor allem verstand er auf einmal, was Jacob eigentlich so fertig machte. Es war nicht die Arbeit, der letzten vierzig Wochen die ihn zerbrochen hatten, sondern das, was er morgen tun musste. Erst durch diese letzten Sätze begriff Mayer den vollen Umfang dessen, was
am morgigen Tag auf seinen Chefarzt zukam. Mayer starrte Jacob fassungslos an, während dieser versuchte weiterzusprechen. In diesem Moment verstand er erst, warum Jacob so gereizt war in den letzten Wochen. Ihm wurde auch bewusst, wieso Jacob so um seine Kinder gekämpft hat. Jacob hob den Kopf und sah seinen Freund einen Moment lang verzweifelt an und senkte den Kopf wieder, starte auf seine Finger. "Weder du, noch Walter, sondern ich werde dies tun müssen. Und du regst dich auf, wenn bei mir die Nerven blank liegen", hauchte Jacob mehr als dass er sprach, zu seinen Füßen. Tief holte der Chefarzt Luft und stand auf. Kopfschüttelnd ging er zur Balkontür, stützte sich mit den Händen gegen die kalte Glasscheibe und lehnte seine heiße Stirn dagegen, atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Vor allem aber, um diesen stechenden Schmerz in seiner Brust los zu werden.
Nach einigen Minuten, in der auch Mayer den Chefarzt in Ruhe ließ, viel zu geschockt von den letzten Worten seines Freundes, brachte Mayer nur ein, "Oh mein Gott", hervor. Mayer starrte Jacob von der Seite an. Er war fassungslos und begriff erst langsam, die gesamte Tragweite dessen, was sein Freund ihm da sagte. Er war sprachlos. Etwas, dass Mayer selten vorkam. Jacob ging an Mayer vorbei und ließ sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch fallen, um sich müde das Gesicht zu reiben. Einige Minuten blieb Jacob so sitzen, dann lehnte er sich zurück, ließ seine Halswirbel krachen und atmete tief durch. Dann sah der Chefarzt, Mayer lange schweigend an. Leise und mit einem verzweifelten Ausdruck in den Augen, so dass es Mayer fast das Herz zerbrach, hauchte Jacob mehr, als das er sprach. "Komm, lass uns weiter Freunde bleiben.
Sigmar, du weißt, ich meine es nicht persönlich. Du kannst ja nichts dafür", er stand noch einmal auf, ging auf Mayer zu und hielt ihm die Hand hin. Lange sah ihn Mayer an. "Hast ja Recht, Fritz. Ich verstehe dich ja auch irgendwo. Verdammt, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Klar, verstehe ich dich. Aber du musst auch mich verstehen. Langsam nervt es mich, dass ich für alle den Prügelknaben spielen muss. Du lässt deinen Frust an mir ab, die Schwestern, der Hausmeister, Hunsinger, die vom Institut. Irgendwann muss einmal Schluss damit sein." Mayer nahm die ihm entgegen gestreckte Hand, zog Jacob auf sich zu und nahm ihn einfach in den Arm. Jacob sah den Freund spöttisch lächelnd an. "Du hast ja so Recht. Ich versuche mich zu bessern. Vielleicht solltest du morgen, von den Technikern, einen Blitzableiter hier in deinem Büro und unten in der Offiziersmesse einbauen
lassen. Damit wir unsere Wut, dort dran ablassen können oder ein paar Sandsäcke", brachte Jacob spöttisch zum Ausdruck, dass er Mayer verstand. Wechselt schnell das Thema, über das er im Moment nicht mehr nachdenken wollte. Einfach, weil es ihn langsam aber sicher zerstörte. "Aber eine andere Frage. Warum haben die Schwestern dich belästigt?" Mayer winkte ab, wollte Jacob damit nicht belasten, der hatte im Moment schlimmere Probleme. "Komm raus mit der Sprache, Sigmar. Wieder wegen dem Richter?" Der nickte und erklärte Jacob, im wütenden Ton. "Ja, der fliegt morgen. Richter ist derjenige der als nächstes, ohne jegliche Abfindung geht. Vor allem, mit einer fetten Anzeige zu rechnen hat. Mit ihm geht der Hoffmann, damit hier endlich einmal Ruhe einkehrt. Das ist ja nicht mehr zum Aushalten." Erleichtert atmete Jacob auf. "Dafür soll dir Ilka
morgen früh einen dicken Kuss geben." Jetzt musste sogar Mayer wieder grinsen, dem das Lachen gerade aus dem Gesicht gefallen war. "Komm Fritz, ab mit dir ins Bett, sieh mal auf die Uhr. Weißt du, wie spät das schon wieder ist?" Erschrocken sah Jacob auf die Uhr, es war schon kurz nach 1 Uhr. "Dann fällt das Schlafen heute wieder einmal ganz aus. Bitte Sigmar, du musst mir noch bei einer Sache helfen." Mayer verdrehte die Augen und sah Jacob genervt an. "Sigmar, guck nicht so. Rechne einfach einmal nach, dazu muss man nicht mathematisch hochbegabt sein, wie deine Tochter. Wir haben da unten, hundert Kinder, die auf die Welt geholt werden müssen. Egal ob sie weiterleben dürfen oder nicht. Die Zeit bleibt dieselbe. Bei den Probeläufen, brauchten wir pro Durchlauf zwölf bis dreizehn Minuten, da muss, aber wirklich alles klappen und es wird laut
Zimmermann nicht besser. Es darf mit keiner der Pumpen, auch nur die kleinste Schwierigkeiten geben. Die Pumpen ziehen nicht mehr so, wie vor zehn Monaten. Die brauchen einfach länger zum Abpumpen, der Flüssigkeit. Wir können aber immer nur ein Kind pro Serie holen. Dann fehlen uns auch noch zwei Ärzte. Selbst dann, Sigmar, wenn ich Walli und Anna, die das durchaus schaffen, für diese Serien einsetze, geht es nicht schneller. Gehe bitte einmal, von nur zwanzig Minuten pro Kind aus und das, mal hundert Kinder. Das macht zweitausend Minuten. Rechne das alles, durch acht Ärzte plus Anna und Walli, auf die ich mich verlassen kann. Dann macht das zweihundert Minuten, also knapp dreieinhalb Stunden. Sigmar, dann muss aber wirklich alles klappen. Da darf keines der Kinder dabei sein, das Anlaufschwierigkeiten hat. Aber bei hundert Kindern, mein Freund, sind bestimmt zwanzig bis fünfundzwanzig dabei, die eben diese
Probleme haben werden. Sigmar, das ist ein Erfahrungswert. Auch, wenn er aus der normalen Geburtsheilkunde stammt, ändert sich die Wahrscheinlichkeit nicht. Ich denke eher, dass wir bei dreißig bis fünfunddreißig Kindern liegen, die Probleme kurz nach der Geburt, haben werden. Dann sind wir schnell auf dreißig bis fünfunddreißig Minuten pro Kind. Wir schaffen das nie im Leben, das habe ich euch schon ein Dutzendmal gesagt. Wenn wir erst um 6 Uhr anfangen, bekommen wir ernste Probleme mit der Zeit. Lieber sind wir, wenn alles gut geht, zwei Stunden eher fertig. Als dass wir, den Technikern in die Quere kommen. Die bringen es fertig, die Inkubatoren abzubauen, bevor wir die Kinder da raus haben. Die stehen doch selber unter enormen Zeitdruck", ernst sah der Chefarzt Mayer an. Der Projektleiter starrte Jacob an, es stimmte, was dieser sagte. Jacob hatte das den Wissenschaftlern, schon bestimmt dreißig mal
erklärt. Er hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass die geplante Zeit einfach nicht ausreichend ist. Dass er sich am liebsten, den ganzen Tag dafür Zeit nehmen würde, um zu gewährleisten, dass keine Geburtsbedingte Schäden auftreten. Immer wieder mahnte Jacob. "Die Geburt ist der gefährlichste Zeitabschnitt des Lebens. Leute, in der Ruhe liegt die Kraft, bei der Geburt eines Kindes. Dies kann man nicht planen." Tief holte Mayer Luft, gab kurz entschlossen nach. Jacob hat ja Recht, was nutzte diese Hatz. "Wann willst du anfangen?" Jacob atmete erleichtert auf. "Spätestens um 5 Uhr, aber lieber wäre mir um 4 Uhr. Dann haben wir etwas Luft und können vernünftig arbeiten. Vor allem, sollten wir unten die Turnhalle nutzen, für den Übergang. Bis das Kinderzimmer fertig ist. Ein paar Decken auf den Laufbahnen, würden genügen. Die Kinder sollen ja nicht verwöhnt werden", dankbar sah Jacob seinen
Chef an. Er war sich im Klaren darüber, dass Mayer wegen ihm wieder einen Anpfiff bekam. "Sigmar, wir können die Geburtszeit, ohne, dass jemand etwas merkt, auf 6 Uhr und noch etwas eintragen. So dass es denen vom Institut gar nicht auffällt. Die Wissenschaftler bekommen das gar nicht mit, wenn keiner etwas sagt. Die Zeiten schreibe ich ein, die können meine Leute einfach offen lassen. Die Reihenfolge weiß ich ja. Das bastele ich dann schon zurecht. Das was zählt, ist nur, dass wir um 10 Uhr fertig sind." Jetzt war es an Mayer erleichtert zu gucken. "Siehst du Fritz, so sollten wir zusammenarbeiten und nicht tückschend aus dem Zimmer laufen. Start ist morgen 4 Uhr. Ich gebe Alarm um 2 Uhr 30, für alle. Da steht für euch Frühstück in der Mensa. Du weist alle ein. Die Wachmannschaft, legt heute Nacht noch Decken in der Sporthalle aus. So bereiten die für euch alles vor, zusammen mit den Leuten aus dem Labor. Dann los, leg dich noch eine Stunde hin."
"Danke Sigmar. Denke bitte daran, die sollen auch eine Kochstelle für die Flaschen mit der Spezialnahrung einrichten. Alma wird sich darum kümmern. Ich habe sie genauestens eingewiesen. Sei nicht mehr sauer auf mich, ich bin einfach nur fertig. Ich möchte wieder einmal eine Nacht durchschlafen, ohne geweckt zu werden." Mayer klopfte den Arzt auf die Schulter. Ihm war klar geworden, wie fertig Jacob sein musste. Er hatte es, kurz vor Weihnachten am eigenen Leib gespürt, wie nahe sie alle vor dem Abgrund standen. Keine Ahnung, wie er diesen Stress noch sechzehn Jahre durchhalten sollte. Dabei auch noch seine Ilka großzuziehen, war eine doppelte Belastung. Keine Ahnung, ob er das auf Dauer schaffte. Seine Eltern hatten ihm schon angeboten, Ilka zu sich zu nehmen, wenn er den Betreuer Reimund mitschickte. Da beide schon über siebzig Jahre waren, schafften sie es
nicht mehr alleine, sein Mädchen zu betreuen. Da Ilka bei vielen Dingen einfach Hilfe brauchte. Das würde allerdings die Trennung von seiner Süßen bedeuten, über Jahre. Das bekam Mayer einfach nicht übers Herz. Ilka hatte immer noch nicht, den Weggang ihrer Mutter verkraftet. Also musste er, für sein kleines Mädchen, Mutter und Vater sein. Mayer zwang seine Gedanken wieder zurück in die Gegenwart. Zurück in sein Büro. Gedankenversunken starrte er aus dem Fenster, in den schönen Park. "Ich weiß Fritz. Ist schon gut. Bitte versuche in Zukunft, mich nicht mehr so oft anzuschreien. Glaube mir, ich bekomme von allen Seiten Hiebe, nicht nur von dir. Ich weiß im Gegensatz zu dir, hatte ich vier Wochen Urlaub. Aber als ich wiederkam, hab ich gedacht, "warum habe ich mir das nur angetan". Weißt du wie schwer es war, hier wieder reinzukommen." Jacob konnte sich das vorstellen. "Ach Sigmar, wir schaffen das schon. Wenn die Kinder auf der
Welt sind, kann ich vielleicht ein paar Tage kürzer treten. Mal richtig ausschlafen, schwimmen, mit meiner Anna plaudern. Dann kann ich einfach wieder einmal etwas Spaß haben. Du wirst sehen, ich bin ganz schnell wieder, der liebe ruhige brave und leise sprechende Doktor, der dich nicht mehr ärgert", brachte Jacob mit einer riesigen Portion Sarkasmus zum Ausdruck, dass er einfach mal wieder richtig schlafen wollte. Breit grinste er Mayer dabei an. Mayer fing schallend an zu lachen. "Na gut, du braver Doktor, du. Du schmeißt dich jetzt hier auf das Sofa. Ich wecke dich in einer Stunde. So dass du wenigstens noch eine kleine Mütze Schlaf bekommst. Du nutzt mir nichts, wenn du mitten in der Geburt der Kinder, umfällst. Los, das ist ein Befehl." Lachend knallte Jacob die Fersen zusammen, ging zum Sofa, schmiss sich darauf. Gerade, dass er es noch schaffte die Schuhe
abzustreifen, schon schlief er tief und fest. Kopfschüttelnd sah ihn Mayer an. Nahm eine Decke und deckte seinen schon schlafenden Freund zu. "Verdammt Fritz, du musst wirklich wieder einmal schlafen." Schon drehte er sich um und ging in sein Büro, um alles zu organisieren. Keine Stunde später wurde der Chefarzt, von Mayer geweckt. "Fritz, komm werde munter. Hoch mit dir. Steh auf. Los. Du musst vor in die Mensa. Dein Taxi steht unten. Ich komme gleich nach. Ich muss nur noch die Flugsicherung einweisen, wegen heute Vormittag und lass mir etwas Kaffee über", bat Mayer. Schon war der Projektleiter aus dem Raum. Jacob stand völlig verschlafen auf. Lief oder besser schwankte mehr, als das er ging, nach unten, wo schon ein Multicar für ihn bereit stand.
"Ach du brauchst mich nicht fahren, Matthias", brummelte Jacob, in seinen Dreitagesbart. Der Angesprochene schüttelte den Kopf. "Befehl vom Chef." Also stieg Jacob müde und zerschlagen wie er war, auf den Wagen und wurde den knappen Kilometer, bis zur Mensa gefahren. Kaum vorn angekommen, sprang Jacob vom Multicar. "Danke", kam müde von ihm, schon war er in der Mensa verschwunden. Wo seine Leute schon munter schwatzend und essend am Tisch saßen. "Na, ihr seid ja gut drauf. Habt ihr mir ein Brötchen aufgehoben?", erkundigte sich Fritz müde. Bekam von Anna lachend ein aufgeschnittenes Brötchen, zugeschoben. "Hab ich mir vom Mund abgespart. Sogar einen Kaffee habe ich dir aufgehoben. Aber mal etwas anderes, warst du überhaupt im Bett? So wie du aussiehst, wohl eher nicht."
Jacob sah verlegen zu seiner Freundin. Er konnte er sich vorstellen, wie er aussah, müde, zerknautscht und unrasiert. So sahen ihn seine Mitarbeiter in letzter Zeit öfter, weil ihm einfach die Kraft fehlte, sich ordentlich herzurichten. "Ja mein Engelchen, ich habe etwas geschlafen, bei meiner Freundin Ilka auf dem Sofa. Ich bin halt etwas fremd gegangen und habe den Weg in mein Bett nicht mehr geschafft." Plötzlich fingen alle an zu lachen. Der entsetze Blick von Anna als sie Jacobs Worte vernahm, sagte alles. Auch, wenn dieser nur einen Bruchteil einer Sekunden zu sehen war. Anna wurde fast sofort bewusst, dass Ilka ja erst zehn Jahre alt war. Aber dieser Moment reichte, um deren Gedanken zu verraten. "Ach du bist böse Fritz. Du machst mich einfach eifersüchtig. Buha, das ist ganz böse." Dabei zog Anna eine so dumme Gusche², dass
man einfach nur lachen konnte. Sie sah mit schief gehaltenem Kopf, ihren Freund an. Jacob fing noch mehr an zu lachen und hielt sich dabei, seinen nicht vorhandenen Bauch, weil ihm dieser vom Lachen weh tat. Er konnte einfach nicht aufhören. In selben Moment kam Mayer in die Mensa, setzte sich ungewohnter Weise, mit an den Tisch. "Darf ich bei euch frühstücken, ihr lacht so schön, das brauche ich gerade. Mir steht grade der Ar… voller Tränen. Was gibt es denn so Lustiges?" Jacob wischte sich die Tränen aus den Augen und versuchte wieder ernst zu werden, was ihm nur schwerlich gelang. "Ach nichts weiter, Sigmar. Meine Anna war gerade eifersüchtig auf deine Ilka, weil ich fremd geschlafen habe. Sag mal, wer hat dich schon wieder geärgert? Ich war doch gerade ganz brav", jetzt musste selbst Mayer grinsen.
"Na ja, du warst zwar ganz brav. Jedenfalls die letzten drei Stunden. Schließlich hast du davon eine ganze Stunde verschlafen. Aber um 6 Uhr, habe ich gerade erfahren, kommt ein Wissenschaftlerteam. Das will die Kinder begutachten." "Ach du Sch…", weiter sprach Jacob, das böse Wort nicht aus. "Können sie nicht versuchen, die Leute aus der Flugsicherung in Berlin zu bestechen, dass die Startverbot geben? Oder, wir rufen einfach den Petrus an. Dass er einen Schneesturm schickt. Das wäre doch eine Idee, Genosse Major", machte Anna einen Vorschlag, über den sogar Mayer lachen musste. "Unsere Anna, wie immer offen und ehrlich. Nehmen sie eigentlich niemals einen Blatt vor den Mund?", wollte Mayer von Jacobs Freundin wissen. Die schüttelte schulterzuckend den Kopf, fing
noch mehr an zu lachen. Als alle verwundert zu ihr schauten, zeigte sie einfach nach draußen. Da sie vor Lachen nicht reden konnte. Dort fing es plötzlich, als wenn Petrus die Worte Annas gehört hätte, an zu schneien. Aber nicht von oben nach unten, sondern schräg. So wie es nur schneit, wenn es sehr stürmisch war. "Tja, … manchmal … hört ... sogar ... der … Petrus … auf … mich", sprach Anna, mit vielen Pausen, immer noch gegen das Lachen ankämpfend. Hielt sich die Seiten, weil ihr die Rippen vom Lachen schmerzten. Erleichtert sah Mayer nach draußen. "Fritz, du gibst deiner Anna sofort einen Kuss von mir. Sonst mache ich das selber. Wenn das mal keine tolle Leistung ist, dann weiß ich nicht, was sonst. Also Fritz. Bitte fange nicht vor 4 Uhr an, wenn die Wissenschaftler wirklich kommen sollten" Jacob nickte und unterbrach Mayer einfach. "Keine Angst, die merken das nicht, die könne
vielleicht den Tag der Geburt bestimmen, aber nicht die Stunden oder Minuten. Dies könnte man nur durch eine Obduktion verstellen. Nur dadurch kann man den genauen Zeitpunkt der Geburt und des Todes Minuten genau bestimmen." Mayer atmete erleichtert auf. Jacob dagegen, griff nach der Tasse Kaffee, trank einen Schluck. Sein Brötchen allerdings, blieb unberührt liegen. Dann stand er auf, erläuterte die weitere Vorgehensweise. "Also Leute, wir fangen im besprochenen Rhythmus an. Nur die Serien, werden anders betreut. Tut mir leid. Es geht nicht anders. Doktor Anderson sie übernehmen die Serie 0. Doktor Selbmann, sie ihre Serie 1. Die Serie 2 übernimmt Doktor Otto. Doktor Alfred seine Serie 3. Die Serie 4, bleibt bei Doktor Hoffmann. Doktor Mai behält 5. Doktor Martin die 6, Doktor Schenk die 7. Walli du übernimmst die Serie 8 von Doktor Anderson. Anna du
kümmerst dich um die 9. Immer dann, wenn ich weg muss. Sind alle einverstanden?" Anderson sah böse zu Jacob, weil er nicht seine Serie betreuen durfte. "Bitte Jim, sehe mich nicht so böse an. Es geht nicht anders. Wir haben zwei Ärzte zu wenig. Ich kann nicht die Serie 0 und 9 betreuen, die liegen zu weit auseinander. Richter habe ich extra nicht wecken lassen. Der stört sowieso nur. So kann ich mich um deine Kinder und meine kümmern. Die Serien liegen nebeneinander." Immer noch war der Angesprochen sauer. "Fritz, ich habe doch nicht die ganzen Monate darum gekämpft, dass meine Kinder in der Norm liegen. Damit ich jetzt die anderen einschlafen lassen muss. Ich kann das nicht." Erschrocken sah Jacob, den netten und wirklich kompetenten Arzt an. Der zu seinen engsten Mitarbeiterkreis gehört und den er von Herzen mochte. Ihm wurde bewusst, was dieser dachte.
"Verdammt Jim, wie lange kennt ihr mich jetzt? Über ein Jahr?" Jacob schüttelte müde über seinen Kollegen den Kopf. Er konnte es nicht begreifen. "Glaubt ihr wirklich, dass ich das Töten der Kinder jemanden von euch machen lasse. Alle Kinder, kommen erst einmal nach unten in die Halle, habe ich euch gesagt. Alle, wirklich alle, werden erst einmal so behandelt, als wenn sie in der Norm lägen. Egal ob gesund oder nicht, ob in der Norm oder nicht, ob mit oder ohne Missbildungen. Das haben wir schon sooft besprochen. Verdammt nochmal, hört ihr mir eigentlich nie richtig zu", fuhr Jacob seine Kollegen böse an. "Alle wirklich alle Kinder, kommen erst einmal nach unten in die Halle. Das habe ich schon hundert Mal gesagt." Jacob, wurde jetzt richtig laut. Es war ein Thema, dass ihm gar nicht gut tat. Er wollte darüber nicht mehr sprechen. Mayer der ahnte, was in Jacob vor sich ging,
griff ein. "Fritz, bitte beruhige dich. Es nutzt doch niemanden etwas, wenn du jetzt die Leute anbrüllst." Jacob stützte sich mit den Händen auf die Tischkante und schwankte bedenklich. Jacob holte tief Luft. "Entschuldigt bitte. Ich bin einfach nur müde. Ich bin zu kaputt, um solche Diskussionen zu führen. Also noch einmal für alle, die es immer noch nicht begriffen haben. Alle Kinder, damit meine ich wirklich alle, kommen erst einmal nach unten in die Turnhalle. Bekommen dort, als erstes, ihre erste Flasche mit der Spezialnahrung. Alma, um die Falschen kümmerst du dich, so wie wir das besprochen haben." Jacob sprach jetzt, mit gezwungener Maßen, ruhiger Stimme. Der man aber die unterdrückte Wut anmerkte. "Dann sollen die Techniker hier oben, die Inkubatoren in Ruhe abbauen. Dann erst, entscheiden wir, wie es mit den Kindern weitergeht. Wir haben Zeit bis heute Abend. Diejenigen, die wirklich schlafen gehen müssen, übernehme ich. Niemals
und so gut müsstet ihr mich eigentlich kennen, würde ich das jemanden von Euch machen lassen. Verdammt noch mal. Was denkt ihr eigentlich von mir. Glaubt ihr ich habe wegen euch, so um das Leben dieser Kinder gekämpft. Nein. Nur wegen mir. Ich bin ein Egoist, wenn ihr das so nennen wollt. Weil keiner außer mir, diese Kinder töten wird. Keiner. Verdammt nochmal. Das lasse ich nicht zu. Dass ihr euch mit so etwas belastet. Eivorbibbsch", fluchte der Chefarzt auf sächsisch, laut und für alle hörbar. Etwas das sehr selten passierte denn normalerweise hörte man ihm seinen Dialekt nicht an. Traurig, vor allem aber wütend, drehte sich Fritz Jacob um, der nicht fassen konnte, was seine Kollegen von ihm dachten und ging nach vorn an die Terrassentür. Stützte sich mit einer Hand an die Scheibe, um besser atmen zu können. Mit der anderen, rieb er sich die schmerzende Brust. Als ihm Anna folgen wollte,
wurde sie von Walli, aber auch von Mayer zurück gehalten. "Anna, nicht", verbot ihr Walli, dem Freund zu folgen. "Anna, lass Fritz ein paar Minuten. Ich weiß das schon lange. Fritz hatte mir das schon einmal Anfang Mai gesagt. Aber auch noch einmal vor drei Stunden. Er würde das töten der Kinder, nie jemanden anderen zumuten. Wenn er es nicht schaffen würde, sie zu retten, würde nur er diesen Part übernehmen. Niemand anderes." Fassungslos mit großen entsetzten Augen, sah Anna, den Projektleiter an. "Oh nein. Warum hat er mir das nie gesagt und ich habe ihn damals, einen Verbrecher genannt." Weinend und völlig fertig mit den Nerven, lag Anna in den Armen von Walli. Die das Mädchen zu sich heran gezogen hatte. Fast zehn Minuten stand Jacob, mit den Rücken zu seinen Leuten. Genauso lange brauchte er, bis er sich wieder
einigermaßen im Griff bekam. Es brachte schließlich niemanden etwas, wenn er seine Wut auf die Wissenschaftler des Berliner Institutes, an seinen Mitarbeitern ausließ. Er hatte sich diesen Entschluss nicht leicht gemacht. Aber er konnte niemandem diesen Befehlt geben. Wie sollten seine Kollegen damit klar kommen, gesunde oder auch kranke Kinder zu töten. Vor allem wie sollte er das vor sich selber verantworten. In der Zeit, in der sich Jacob versuchte zu beruhigen, waren allerdings die sieben verblieben Ärzte aufgestanden und gingen etwas an die Seite, um sich abseits der Anderen zu besprechen. Bis jetzt, waren alle davon ausgegangen, dass jeder seine nicht in der Norm liegenden Kinder selber töten müsste. Auf die Idee, dass Jacob ihnen das abnehmen würde, waren alle nicht gekommen. Nicht einmal fünf Minuten, brauchten das Ärzteteam, um einen gemeinsamen Entschluss zu fassen und sich zu
besprechen. Das erste Mal man hier im Projekt war, waren sich alle Ärzte einig. Man beschloss, dass Anderson mit dem Chefarzt reden sollte. Denn dieser hatte das beste Verhältnis zu Jacob. Gemeinsam liefen die Sieben auf ihren Kollegen zu. "Fritz, hast du einen kleinen Moment für uns?", sprach Anderson seinen Chef vorsichtig an. Jacob hatte sich immer noch nicht ganz beruhigt. "Gebt mir bitte noch einen Augenblick. Bitte", bat er seine Kollegen, um noch etwas Ruhe. "Fritz, den kannst du haben, wenn du uns angehört hast", forderte sich Anderson die Aufmerksamkeit des Chefarztes leise ein. Tief holte Jacob Luft. Er drehte sich zu seinen Kollegen um. Die erschraken, als sie ihren Chef sahen. Die sowieso schon tiefen Augenringe, die Jacob seit Monaten unter dessen Augen lagen, waren noch dunkler geworden. Ihr Chefarzt stand kurz davor, zusammenzuklappen. "Was wollt ihr?", brummelte dieser missgelaunt,
weil man ihn nicht mal diese wenigen Minuten Ruhe gönnte. Völlig übermüdet, aber auch überreizt, sah man den Chef der medizinischen Abteilung an, dass er weit über dem Limit lief. Ständig rieb er sich den verspannten Nacken und versuchte durch das nach rechts und links legen des Kopfes seine Nackenmuskulatur wenigstens etwas zu lockern. Dies schien allerdings nicht mehr zu helfen. Auch das Reiben des Nackens führte nicht dazu, dass sich der Chefarzt etwas entspannte. Anderson nahm sich vor, den Chefarzt noch mehr zu unterstützen. So konnte das mit ihm nicht weitergehen. Freundlich sah er diesen an, um ihn nicht zusätzlich zu reizen, denn dieser stand schon wieder kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Dessen Nerven langen völlig blank. "Setzt dich Fritz. Komm mit zurück, an den Tisch." Anderson wollte den Chefarzt in Richtung des
Tisches schieben. Er schätzte Fritz Jacob, auch wenn er ganz am Anfang anders dachte. Deshalb fasste er dem Chefarzt, seine Gegenwehr missachtend, an der Schulter und schob ihn mit Hilfe seines Kollegen Mai zum Tisch. "Setze dich, Fritz. Du musst heute noch genug stehen", damit drückte er Jacob wieder auf seinen Platz. "Was willst du Jim?" Auch Anderson setzte sich wieder hin. Genauso, wie die anderen Ärzte, die zustimmend nickten. Mayer wollte nun auch wissen, was los war. "Doktor Anderson, was wollen sie? Können sie Jacob nicht mal die zehn Minuten Ruhe gönnen, vor dem Sturm?" wies Mayer, aufgebracht den Arzt zurecht, da dieser Jacob nur beschützen wollte. Dem bei den letzten Worten Jacobs klar wurde, dass dieser nicht nur leere Worte machte. Sondern es ernst meinte, dass dieser niemanden den schlimmen Job, des Tötens zumuten würde.
Mayer wollte, dass der Chefarzt noch etwas Ruhe bekam. Auch, weil er Angst hatte, dass Jacob sonst noch zusammenbrechen würde. Mayer selber musste im Krieg einige Mal töten. Er wusste nur zu genau, wie schlimm das war. Mayer wurde auch klar, dass dies für Jacob, als Arzt, noch um vieles Schlimmer sein musste. Er wollte deshalb für Ruhe für den Freund sorgen. Anderson schüttelte den Kopf. "Genosse Major, vertrauen sie uns Ärzten einfach. Du Fritz, hörst uns bitte einen Augenblick zu. Nur einen Augenblick. Keiner kann von dir dieses Opfer verlangen. Wir sind alle der Meinung, dass wir genau wie du, verantwortlich für die Kinder sind. Wir haben uns genau wie du, auf diese Schweinerei eingelassen. Also sage mir oder besser uns, warum sollen wir nicht auch unseren Teil der Verantwortung übernehmen. Keiner kann von dir diese Verantwortung verlangen. Wir sind genauso schuldig wie du und müssen für unseren falschen Weg gerade stehen. Wir
werden diese Sache, wenn es sein muss, gemeinsam machen und durchstehen. Und zwar ohne Diskussion." Jacob sah die ihm unterstellten Ärzte dankend an. Allerdings schüttelte er den Kopf. "Nein, wir brauchen darüber nicht zu diskutieren. Egal, was ihr sagt. Ich habe es zu verantworten. Ich werde dies auch tun. Es ist egal, ob es eins oder achtzehn Kinder sind. Die Schuld bleibt die Gleiche. Ich kann es einfach nicht zulassen, dass ihr so etwas macht und euch damit belastet. Es ist schlimm genug, wenn einer von uns diese Schuld tragen muss. Das müssen sich nicht alle aufhalsen. Damit kann und will ich nicht leben. Ende der Diskussion. Die Kinder bekommen eine Gnadenfrist, von einem Tag. Morgen, um diese Zeit wissen wir, welche Kinder wir retten konnten. Walter, du suchst wie ein Verrückter mit deinen Laboranten nach dem Besonderen, dem Überragenden, was diese Kinder retten könnte. Egal was, finde etwas, wenn du es nur
für mich tust, bitte. Wenn es nur ein Einziges ist, was wir retten können, hat sich der Kampf dafür gelohnt. Du bist die letzte Chance, die diese Kinder jetzt noch haben. Die Kinder, die nicht in der Norm liegen, sind auf deine Hilfe und auf dein Wissen angewiesen. Walter, nur du kannst sie retten." Fest sah er seine Mitarbeiter an, sagte diese Sätze mit fester keinen Widerspruch zulassenden Stimme. Ein Blick auf die Uhr, brachte Jacob dazu, seine Kollegen zur Eile aufzurufen. Man musste los, es war schon 3 Uhr 45. "Los Leute, hoch mit euch, wir müssen anfangen. Bitte die Uhrzeit, der Geburten, lasst ihr offen. Die setze ich später ein. So nun wünscht uns allen Erfolg und gutes Gelingen, um alles zu schaffen, gehen wir nach der Absprache vor. Die Kinder kommen nach unten, auf 6/lila, in die Turnhalle. Die Laboranten, bringen die Kinder nach unten. Jeder der Gruppenführer,
kümmert sich nur um seine Serie. Wenn es Schwierigkeiten gibt, sagt Bescheid. Dann helfe ich, wenn ich kann. Keines der nicht der Norm liegenden Kinder, bekommt eine zusätzliche Unterstützung. So schwer uns das auch fällt. Die Kinder müssen sich allein helfen. Es tut mir leid, ich kämpfe nicht erst um ein Leben, um es dann zu beenden. Dann soll es die Natur, selber schaffen. Bitte versteht das. Also los, bringen wir es hinter uns." Eilig stand Jacob auf, ging einfach los in Richtung der Aufzüge, die ihn nach unten auf die Ebene rot bringen würden, alle anderen folgten ihm. Er hatte Recht. Es brachte niemandem etwas, es noch länger herauszuschieben. Davon würde es nicht einfacher werden. Im Kinderzimmer standen schon, die von der Nachtschicht vorbereiteten Geburts-Wagen bereit. Diese waren bestückt mit Waage,
Bandmaß, Spritzen, Nabelbinden und OP-Tücher. Aber auch Medikamenten, Stethoskop, Absaugvorrichtungen und Krankenblättern, halt alles, was man für die Geburt brauchte. Im Mittelgang stand ein langer Tisch voller kleiner Wannen und Kochplatten mit heißem Wasser, um die Kinder waschen zu können. Allerdings auch Babykleidung in allen erdenklichen Größen. Windelberge stapelten sich dort, Creme, Puder, Öl und viele Handtücher. Zielstrebig gingen alle zu ihrem ersten Kind, Jacob gab das Kommando. "Lasst uns beginnen. Das erste Kind, jeder Serie. Vergesst nicht eine Probe des Fruchtwassers zu entnehmen und ins Labor zu schicken", rief er nochmals in den Raum. Die Ärzte stellten die Pumpen an. Systematisch wurde das künstliche Fruchtwasser abgepumpt. Das bis jetzt durch eine Reinigungsanlage lief. Dieses Wasser leitete man jetzt um und es lief durch den Ablaufschlauch über eine Filteranlage.
Dort wurde von schädlichen Stoffen gereinigt und nach der Reinigung in die Kanalisation gepumpt. Das genau war der Grund, weshalb man immer nur ein Kind, pro Serie, auf die Welt holen konnte. Die Reinigungsanlage schaffte nur zehn Behälter gleichzeitig. Bei mehr als zehn, würde es zu Rückstaus in der Anlage kommen. Dies wiederum, könnte zum Ersticken der Kinder führen. Aufmerksam wurden die Vitalwerte beobachtet. Gleichzeitig schoben die Schwestern, das Entbindungsbesteck auf einen beweglichen Wagen, zu dem jeweiligen Inkubator. Fast vierzehn Minuten brauchte die Pumpe von der Nummer 91, um den Inkubator leer zu pumpen. Die Vitalwerte des Mädchens waren wunderbar. Das Schlimmste an diesen Inkubatoren war, dass man diese erst öffnen konnte, wenn die gesamte Flüssigkeit aus dem Behälter abgepumpt war. Traten Komplikationen in dieser Zeit auf, konnten die Ärzte rein gar nichts für ihre
Schützlinge tun. Es ging allerdings bei diesem ersten Mädchen, der Neuner Serie, alles reibungslos. Dagegen gab es schon, bei der Serie 2, die ersten Komplikationen. Doktor Otto stand fluchend vor dem Brutkasten und musste mit ansehen, wie dass Kleine um sein Leben kämpfte. Kaum war alles Fruchtwasser abgepumpt, öffnete er den Behälter. Otto nahm eine Absaugvorrichtung, um die Lungen des viel zu kleinen Jungen abzusaugen. Dieser fing erst nach drei Minuten an zu schreien. Erleichtert ging Jacob nach hinten zu seinem ersten Kind. Das Mädchen wurde von Anna gerade abgenabelt oder besser von der künstlichen Nabelschnur befreit. Es schrie augenblicklich, nach dem es Jacob mit dem Kopf nach unten hielt. Sofort führte Jacob die Punktbewertung des Säuglings durch. Die Apgar-Bewertung war ein Bewertungsschema, um den Zustand von einem Neugeborenen, nach einem einheitlichen
Standard zu bewerten. Dieses System führte 1952 eine amerikanische Anästhesistin, mit dem Namen Virginia Apgar, ein. Nach der dieses Punktesystem auch benannt wurde. Mit Hilfe dieses Bewertungsschemas, konnte man die Anpassung an das Leben, den Übergang des fötalen in den neugeborenen Zustand bewerten. Die Apgar-Score, wie man dieses Schema in der Fachsprache nannte, umfasste fünf Komponenten. Die Atmung, den Puls, den Grundtonus, also die Hautfarbe, das Aussehen, ob alles dran war und die Reflexe. Normalerweise, wurden all diese Komponenten mit maximal zwei Punkte bewertet, die Zahl von zehn war die maximale Bewertung. Für dieses Projekt, wurden spezielle zusätzliche Überprüfungskriterien festgelegt. Jedes der Kinder konnte zwanzig Punkte erreichen. Genau hier lag auch einer der Gründe, der den Zeitplan der Wissenschaftler ins Wanken brachte. Diese Bewertungen benötigten viel Zeit
und die Zusatzbewertungen, nahm nochmal so viel Zeit in Anspruch. Deshalb war keine der Geburten in zehn Minuten zu schaffen, denn für diese Überprüfungen oder Test, brauchte man alleine schon fünfzehn Minuten. Aber Nummer 91 bestand diesen Test, mit einer guten Punktzahl von achtzehn. Glücklich sah Anna, ihren Fritz an. Auch die Größe und das Gewicht, lagen gut in der Norm. Mit 7280 Gramm und 64 Zentimeter, war sie weit über der geforderten Norm, von 6000 Gramm und 58 Zentimetern. Jacob war nicht ansprechbar, lief schon zum nächsten Kind, welches Probleme hatte. Doktor Otto schrie um Hilfe, der kleine Junge bekam schon wieder Atemprobleme, erreichte nicht einmal die Punktzahl von sechs. Jacob schüttelte den Kopf. So weh ihm das tat, er würde nicht um das Leben dieses Kindes kämpfen. Die nächsten Stunden würden zeigen, ob der Junge es schaffte zu überleben.
Unterstützung würde Jacob keinem Kind geben, das hatte er mit seinen Ärzten abgesprochen, wenn dieses nicht in der Norm lag. Er kämpfte nicht erst um das Leben des Kindes, um es im Anschluss zu töten. Doktor Otto sah traurig auf den Jungen, wickelte ihn in das Wickeltuch ein und schickte es mit einem der Laboranten zum Baden und dann nach unten auf die Ebene 6/lila. Doktor Jacob kümmerte sich schon, um die nächsten Kinder, die Anlaufschwierigkeiten hatten. Denn auch bei den Serien 5, 6 und 7 gab es schlimme Komplikationen. Überall entschied Jacob mit dem Kopf schüttelnd, dass dies das Kind alleine schaffen musste. Keins der Kinder hatte in diesem unmenschlichen Projekt, eine Überlebenschance. Die Nummer 71 hat einen deformierte Wirbelsäule, Nummer 51 missgebildete Füße, Nummer 61 hat ein verkümmertes Augen. Alle durch die Reihe weg, hatten schwere Atemprobleme und lagen dazu weit außerhalb der Norm. Jacob hoffte
inständig, dass in den nächsten Stunden die Natur ihm das Töten abnehmen würde. Dass diese Kinder, wie es leider so oft war, einfach aufhörten zu atmen. Er kehrte traurig zurück zu seiner Serie. Die Nummer 92, wie alle Kinder der Serie 9 ein Mädchen, schaffte gerade so die Norm. Es lag gerade mal zehn Gramm unter der Norm, auch einen Zentimeter darunter. Man schrieb einfach zwanzig Gramm und zwei Zentimeter mehr, auf die Papiere. Wem tat das schon weh. Gemeinsam hatte man das beschlossen, dass man es bis zweihundert Gramm und vier Zentimeter verantworten konnte, zu schummeln. Man hatte einige solcher Wackelkandidaten. Wenn man das nicht machen würde, fänden heute mindestens vierzig Prozent der Kinder, den Tod. Nur wenige, lagen wie die Nummer 91, weit über der Norm. Nacheinander wurden die Kinder auf die Welt geholt. Nach einem Geburtsmarathon von fast
sechs Stunden, wurde als letztes der Kinder die Nummer 90 nach unten in 6/lila gebracht. Jacob schickte, dass restliche Pflegepersonal ebenfalls nach unten. Die Laboranten nach oben ins Labor. Er selber ging auf Otto Korpus zu, der auf dem Tisch saß und auf ihn wartete. Es war bereits 10 Uhr 11. Aber es war einfach nicht eher zu schaffen. Nur dank der Techniker, die bei der Kläranlage hilfreich eingriffen, lag man noch einigermaßen in der Zeit. Die Pumpen und Filter der Anlage, waren zum Schluss so zugesetzt, dass es zu einem Rückstau kam. So dass man richtiggehende Angst um die letzten Kinder haben musste. Durch das schnelle Eingreifen der Techniker, die gerade angekommen waren, konnte man das Schlimmste verhindert. "Otto, du kannst. Tut mir leid, schneller ging es wirklich nicht. Ich schicke dir gleich fünf Schwestern, die unsere Sachen aus dem Regalen
holen. Oder bleiben die?" Korpus sah erschrocken auf Jacob. Der sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. "Um Gottes Willen Fritz. Wie siehst du denn aus? Komm setzt dich einen Moment." Jacob schüttelte müde den Kopf. "Ich habe keine Zeit. Außerdem, wenn ich mich jetzt setze, komme ich nicht mehr hoch. Ich muss die Kinder noch einmal, in Ruhe untersuchen und sortieren. Dazu blieb mir hier oben keine Zeit. Ich brauche entweder zwei- oder dreiundachtzig Betten. Das kann ich dir schon sagen. Aber auch ein paar Regale für Bettzeug. Eine Kochnische mit Lagermöglichkeiten für die Nahrung und einen Dokumentations-Bereich. In der Mitten einen Tisch für zweiundachtzig bis dreiundachtzig Kinder, mit dazugehörigen Stühlen. Oder kommt ihr noch einmal umbauen?" Otto schüttelte den Kopf. Nicht nur, weil er die Frage verneinte, sondern auch, weil er sich über das Aussehen von Jacob wunderte. Vor allem,
weil er Jacobs Anweisungen nicht verstand. "Fritz, du solltest dich etwas hinlegen. Du fällst doch gleich um. Ich traue mich dich gar nicht zu fragen, wie ich die Käfige und Schränke stellen soll. Ich habe die letzten drei Woche versucht eine Lösung zu finden. Ich bekomme es nicht hin. Wieso Kinder?" Fritz winkte ab. Er war einfach zu müde, für ein langes Gespräch und rieb sich das schmerzende Genick. "Wie groß sind die Betten, Otto? Oder besser gesagt, was brauchst du für Platz?" Otto sah den total fertigen Arzt, dankbar an. "Ich brauche zweieinhalb Meter in der Breite und zweieinhalb Meter in der Tiefe. Da ist ein Gang von einem halben Meter eingerechnet." Fritz hielt sich schwankend an dem Schreibtisch fest, rechnete kurz durch. "Also du stellst es ähnlich, wie bei den Inkubatoren. Rechts und links je fünf Betten, im Abstand von zwei Meter, von der Wand an und acht beziehungsweise neun Reihen hintereinander, da
hast du ja schon einen halben Meter eingerechnet. Auf die rechte Seite, stellst du neun Reihen. In der Mitte habt ihr dann Platz für einen Tisch. Die Trennwand hier vorn, reißt ihr bitte mit ab, die brauchen wir nicht mehr. Wir müssen den gesamten Raum ständig überblicken können. Auch die Laufstege müssen raus, dies ist eine zu große Unfallgefahr", wies der Chefarzt den Techniker an, auch an diese Kleinigkeiten zu denken. Otto sah Jacob dankbar an. "Klar kommt das alles weg. Das hat uns Mayer schon aufgetragen. Sag mal, wie machst du das nur, Fritz? Du kannst dich kaum noch auf den Beinen halten. Sagst mir, wie ich es lösen soll, in zwei Minuten." Jacob winkte ab. "Schon gut Otto, ich hoffe ich habe richtig gerechnet. Bis später, wann machst du die Übergaben?" Jacob rieb sich müde das Gesicht und hielt sich schwankend am Tisch fest. Er holte krampfhaft
Luft. Bevor Otto dem Chefarzt antworten konnte, stürzte dieser zu dem an der rechten Seite hängenden Waschbecken und übergab sich. Fast fünf Minuten lang musste sich Jacob immer wieder erbrechen. Otto Korpus der Jacob besorgt gefolgt war, sah diesen fragend an. "Soll ich jemand holen, Fritz?" Jacob schüttelte den Kopf. "Nein Otto, brauchst du nicht. Es geht schon wieder. Ich bin einfach nur müde. Mir ist schlecht vom Kaffee und von der Müdigkeit. Ich geh dann mal. Sieh zu, dass du hier fertig bist. Je eher du hier fertig bist, um so eher kann ich ins Bett, Otto." Korpus der sich jetzt nicht mehr darüber wunderte, dass Jacob ständig über Betten sprach. Dachte: ‚Na ja, der Major ist so müde, dass er überall Betten sieht. Ich werde den Jungs Dampf machen, so dass Jacob ins Bett kommt. Sonst Schläft der noch in einem der Käfige.‘
"Ich beeile mich, versprochen. Du siehst schrecklich aus. Bis später Fritz", kopfschüttelnd wandte sich Korpus seiner Arbeit zu. Eine unsagbare Wut machte sich in seinem Bauch breit und er nahm sich fest vor mit Hunsinger mal ein ernstes Wort zu spreche. 'So konnte doch nicht mit den Menschen umgehen. Jacob war so ein netter Kollege, wenigstens schlafen musste man seine Mitarbeiter genügend lassen. Wie sollte er sonst eine ordentliche Arbeit machen. Er würde seine Mitarbeiter so nicht arbeiten lassen. Niemals, das war unverantwortlich', dachte Korpus wütend. Jacob steckte den Kopf, unter den Wasserstrahl, ließ eine Weile das eiskalte Wasser über seinen Kopf laufen, um die Kopfschmerzen wenigstens etwas zu lindern. Damit fertig, verließ er Grußlos den Raum. Er war viel zu müde, um zu bemerken wie unhöflich er war.
Jacob ging so nass wie er war, aus dem Kinderzimmer, um auf Ebene 6/lila zu fahren und um nach seinen Kindern zu sehen. Auf den Gang traf er Matthias, einen der Fahrer vom Wachpersonal. "Matthias, tust du mir einen großen Gefallen?", rief er diesem schon von Weitem zu. Der Fahrer sah Jacob erschrocken an, antwortet aber sofort. "Fast jeden Herr Doktor. Geht es ihnen gut?", erkundigte er sich besorgt. Jacob schüttelte den Kopf. "Matthias, könnten du für mich in die Mensa fahren, dort für die 6/lila einen Tisch, Tassen ein paar geschmierte Schnitten, Würste und vor allem, viel Kaffee und noch mehr Tee organisieren. Sonst überleben wir diesen Tag heute nicht. Bitte. Und das nicht erst, in drei Stunden. Sondern, wenn es ginge, vor einer Stunde. Nicht nur ich falle gleich um, vor Hunger und Müdigkeit." Matthias stimmte Jacob völlig zu, man sah, dass
der Chefarzt die Wahrheit sprach. "Ich beeile mich, für sie etwas zu organisieren, Genosse Major. Das muss ich allerdings mit dem Chef absprechen. Der hat sowieso heute schlechte Laune. Der sieht auch nicht viel besser aus, wie sie Herr Doktor." Dankbar sah Jacob den Fahrer an. Der Chefarzt musste sich einen Moment an die Wand lehnen. Ihm war schon wieder schlecht und vor allem schwindlig. Er musste unbedingt etwas Essen und Trinken, sonst gab er sich selber keine Stunde mehr. Erschrocken sprang Matthias vom Wagen, hielt den bedenklich schwankenden Jacob fest. Nach zwei Minuten, hatte dieser sich wieder gefangen. "Danke Matthias, es geht wieder. Ich bin wirklich kurz vor dem Verhungern. Ich brauche dringend etwas zu essen. Ich habe einfach keine Zeit, erst in die Mensa vor zu gehen. Ich muss runter zu den Kindern." Matthias sah mitleidig zum Chefarzt. "Herr
Doktor, ich bringe ihnen gleich etwas vorbei. Egal, was der Mayer sagt. Sie nutzen niemanden etwas, wenn sie umfallen. Geben sie mir zwanzig Minuten. Dann bin ich wieder da." "Danke Matthias." Damit stieß sich Jacob von der Wand ab, schleppte sich zum Aufzug. Der Fahrer sah den hin und her taumelnden Arzt hinterher. Er schüttelte ungläubig den Kopf. Nahm sich vor mit Mayer darüber zu sprechen, so ging das mal gar nicht. Egal, ob er deshalb einen Anraunzer von seinem Chef bekam, so ging das wirklich nicht. Sorgenvoll drehte er sich zu seinem Fahrzeug um und fuhr los. Ohne Genehmigung fuhr er nach vorn in die Mensa. Während der Fahrt unterrichtete er die Zentral, über den Grund seines Ausbleibens. Mayer verlangte von seinen Mitarbeitern ja ständig, dass sie mit offenen Augen durch das Projekt ging. Dies würde er diesmal auch tun. Es ging nicht, dass der einzige nette Arzt hier im Projekt so kaputt
gespielt wurde. Dies konnte er nicht zulassen. Er würde Jacob erst einmal etwas zu Essen bringen, damit dieser nicht ganz zusammenbrach. Jacob gab, kaum dass er die Turnhalle betreten hatte, klare Anweisungen. Er wollte, das alles hinter sich bringen und dann endlich ins Bett. "Hört ihr mal alle her", forderte er seine Mitarbeiter auf, bemühte sich laut und vor allem deutlich zu sprechen. Etwas, dass ihm sichtbar schwer fiel. "Wir machen es jetzt, wie folgt. Angefangen bei der Nummer 1, möchte ich jetzt noch einmal alle Kinder auf das Genauste untersuchen. Alle Kinder die hoch ins Kinderzimmer kommen, legt ihr auf die rechte Seite. Die anderen auf die linke Seite. Um diese Kinder kümmere ich mich dann. Wenn ich mir nicht im Klaren bin, auf welche Seite das Kind kommt, weil diese Entscheidung vom Labor abhängt, dann kommt
dieses in die Mitte. Ich sag das bei jedem der Kinder an. Ich brauche hier einen der Stapelkästen, besser wären sogar zwei. Damit ich genug Platz habe. Ihr bringt mir die Kinder, lasst mich mit ihnen alleine. Die Schwestern die fertig sind, kümmern sich um die Kinder, auf der rechten Seite. Die auf der linken, lasst ihr dann einfach alleine." Als er die entsetzten Blicke der Mitarbeiter sah, erklärte er kurz und knapp. "Leute, es bringt doch nichts, wenn ihr euer Herz an diese Kinder hängt. Das gehört denen, die weiterleben dürfen. Macht es euch und mir, nicht noch schwerer", ernst sah er seine Mitarbeiter an. In diesen Moment verstanden sie, was der Chefarzt meinte. Jacob wandte sich nun noch einmal an seine Kollegen, die sich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten konnten und einfach nur fertig aussahen. "Die Ärzte haben jetzt Feierabend. Nach oben mit euch, in die Betten. Ich will jetzt keine
Diskussion haben. Dazu habe ich einfach keine Nerven. Ich sage in der Zentrale Bescheid, dass man euch um 14 Uhr wecken soll. Dann löst ihr mich ab. Ich brauche euch spätestens um 22 Uhr, für die Nachtschicht. Ich muss endlich einmal richtig ausschlafen. Egal, was heute Nacht im Kinderzimmer passiert, ihr müsst damit alleine klar kommen. Keiner weckt mich. Habt ihr das verstanden." Alle nickten. Jeder der auch nur ein bisschen klar bei Verstand war, sah, dass Jacob schon weit über dem Limit war und sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. "Dann bringt mir die Nummer 1", sagte er kurz und knapp. Als Anderson auf ihn zukam, um mit ihm zu diskutieren, sah Jacob ihn böse an. "Fritz…" Weiter ließ er seinen Kollegen nicht reden. "Jim, ich habe gerade einen Befehl gegeben. Ab, hoch ins Bett. Sorge lieber dafür, dass ich bis morgen um 10 Uhr schlafen kann. Jetzt lass mich meine
Arbeit machen. Es wird nicht einfacher, wenn du mit mir diskutierst." Jacob wurde mit jedem Wort lauter. Anderson nickte und klopfte Jacob dankbar auf die Schulter. "Danke." Er ahnte, warum Jacob die Ärzte ins Bett geschickt hatte. Damit diese, das, was zu tun war, nicht tun mussten. Vor allem, damit Jacob die Ärzte aus der Schusslinie bekam. Der Chefarzt hat keine Kraft mehr für endlose Diskussionen. Das begriff Anderson gerade. Deshalb verließ die Halle mit dem Gefühl, dass er seinen Freund und Kollegen im Stich gelassen hatte. Fuhr mit einem sehr unguten Gefühl, nach oben in seine Wohnung. Trotzdem war er froh schlafen gehen zu können. Er hatte das Gefühl, jeden Moment vor Müdigkeit, umzufallen. Anderson fragte sich ernsthaft, wo der Chefarzt, diesen eisernen Willen hernahm, jetzt noch weiterzumachen. Die letzten sechs Stunden, unten im Kinderzimmer
raubten Anderson, seine letzte Kraft. Anderson hatte das Gefühl, dass nicht nur seine physische, sondern auch die psychische Energie völlig aufgebraucht war. Jacob dagegen, leistete noch viel mehr, als irgendein anderer Arzt des Teams. Denn dieser rettete einigen Kindern das Leben, sonst wären jetzt schon zwölf der in der Norm liegenden Kinder Tod. Jacob ließ sich nie unterkriegen, das war schon die ganzen Monate so. Statt wie alle anderen Ärzte sich hinzulegen, machte er jetzt noch weiter, mit den Untersuchungen. Kaum lag Anderson im Bett schlief er schon. Er hatte nicht einmal mehr die Kraft sich auszuziehen. Jacob dagegen, überprüfte das Kind mit der Nummer 1, führte jede geforderte Untersuchung noch einmal durch. Jeden der geforderten Reflextests nahm er ein zweites Mal vor. Ob es nun die Frühkindlichen Reflexe, vierzehn verschieden Test musste Jacob alleine bei der Untersuchung der Primitiven Reflexe machen.
Dann ging es weiter zu den tonischen Reflexen, die Stell- und Gleichgewichtsreaktionen beeinflussten, diese umfassten die Beugefähigkeit des Kopfes, nach vorn, nach hinten und zur Seite. Weiter ging es zu den Stellreaktionen, welche die Stütz- und Gleichgewichtsreaktionen beeinflussten. Jacob führte auch die zusätzlich vom Institut geforderten Tests durch. Zügig trug er alle Untersuchungen in die Krankenakte der Kinder ein, auch die Geburtszeiten die er alle nach 6 Uhr legen würde. Dann nahm er dem Kind noch Blut ab, rief nach Schwester Yvonne, die diese Blutproben nach oben zu Zolger bringen sollte. Mit seinen Untersuchungen fertig, schickte Jacob das Kind mit der Nummer 1 auf die rechte Seite. Gerade wollte er sich Nummer 2 vornehmen, als Schwester Zenta mit dem Kind Nummer 6 auf dem Arm heran eilte, der Kleine bekam schon wieder Atemprobleme. Jacob nickte, ließ Zenta den kleinen Jungen auf die
Untersuchungskiste legen. In der Zeit, als Jacob das Kinder Nummer 1 auf das Genaueste untersuchte, fuhr Matthias, der Fahrer des Multicars, in die Mensa. Nachdem er sich über Funk in der Zentrale und bei Mayer abgemeldet hatte. Nur ganze achtundzwanzig Minuten später, kam er mit dem Aufzug nach unten auf die 6/lila gefahren und sah den Arzt schon wieder am Untersuchungstisch stehen. Völlig irritiert sah er sich um. Wo waren all die anderen Ärzte ab geblieben? Es konnte doch nicht sein, dass Doktor Jacob hier nur alleine arbeitete. Dieser war gerade dabei eins der Kinder untersuchen. "Genosse Major, machen sie bitte eine kurze Pause. Ich habe eben mit der Küche gesprochen. Wir liefern ihnen die gewünschten Sachen, ungefähr in einer Stunde. Das hab ich mit Major Mayer schon abgesprochen. Aber das hier, sollte ich ihnen gleich bringen, Befehl von
meinem Chef." Er hielt Jacob zwei Schnitten und einen großen Becher Kaffee hin. Jacob atmete erleichtert auf. "Danke Matthias, du rettest mir gerade das Leben. Ich habe heute noch nichts gegessen. Heute früh hatte ich zwar ein Brötchen auf dem Teller, hab es aber vergessen zu essen." Lachend zuckte er mit den Schultern. Er wusste selber, wie komisch das klingen musste. Aber er hatte wirklich vergessen zu essen. Jacob biss hungrig in die Schnitte, ließ das Kind einfach liegen, wo es lag. Aß und trank erst einmal das, was Matthias ihm gebracht hatte. Nach nur drei Minuten war er fertig. "Jetzt geht es mir doch gleich wieder besser." Dass dies nicht nur leere Worte waren, sah man Jacob an. Gleich war wieder etwas Farbe in das Gesicht des Chefarztes zurückgekehrt. "Danke nochmal, Matthias. Jetzt halte ich noch etwas durch. Weißt du zufällig, wann das Team mit den Wissenschaftlern kommt?" Matthias
zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht genau, Herr Doktor. Aber, wenn ich das vorhin richtig mitbekommen habe, wohl gar nicht. Denen war das Wetter zu gefährlich, in Berlin muss es richtig stürmen. Hier ist ja auch die Hölle los. Draußen stürmt und schneit es wie verrückt. Wir fliegen bald weg, wenn wir zum Flieger fahren. Keine Ahnung wie die es geschafft haben hier herzukommen. Die Techniker sagten, sie hätten nur mit viel Kampf, die Starterlaubnis bekommen. Die Inkubatoren, werden heute alle nur Zwischengelagert, weil die Transportmaschinen nicht mehr fliegen können. Der Sturm ist so schlimm, dass die Techniker beim Flug hierher richtig gehend Angst und waren froh, dass sie hier noch heil gelandet sind. Das Wetter ist total schlecht, draußen tobt ein regelrechter Schneesturm. Na ja, ich muss weiter. Schön, dass es ihnen besser geht. Vorhin sahen sie gar nicht gut aus, Herr Doktor. Bis später." Er nahm Jacob die leere Tasse aus der
Hand und wollte die Halle verlassen. Der Chefarzt hielt ihn mit einer Bitte, noch einmal kurz auf. "Matthias, sagst du in der Zentrale Bescheid, die sollen alle Ärzte, außer dem Richter, um 21 Uhr 30 wecken und hier runter in die Halle schicken, danke." Der Angesprochene nickte und verschwand in Richtung des Aufzuges, um seiner eigentlichen Arbeit wieder nachzukommen. Dem Transport der neuen Einrichtung für das Kinderzimmer. Jacob drehte sich wieder zu dem Kind, um weitere Test zu machen. Es handelte sich hierbei um den kleinen Jungen, mit der Nummer 6, der zum wiederholten Mal Atemprobleme gehabt hat. Er war nur zweitausenddreihundertfünfzig Gramm schwer und sechsunddreißig Zentimeter groß und hatte schlimme körperliche Behinderungen. Seine rechte Hand sah eher aus, wie die Klaue eine Vogels, als die Hand eines Menschen´s. Auch waren seine Reflexe
überhaupt nicht ausgeprägt, genauestens trug Jacob alle Missbildungen in das Krankenblatt ein, fotografierte diese und führte die gleichen Untersuchungen durch, wie bei der Nummer 1. Zum Schluss nahm er dem Kind noch Blut ab. Traurig streichelte Jacob das Gesicht des kleinen rothaarigen Jungen, gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Nur für den Buben hörbar sagte er. "Es tut mir so leid, dass ich das tun muss. Aber man ließ mir keine Wahl. Schlaf gut mein Junge." Dabei tropften Tränen auf das Gesicht des Buben. Jacob wischte diese weg. "Tut mir leid." Wiederholte er nochmals die Entschuldigung. Traurig nahm Jacob eine Kanüle, eine Spritze und verabreichte dem Jungen eine Injektion, die diesen friedlich ohne Schmerzen einschlafen ließ. Es war ein intravenöses Anästhetika, die in eine Vene injiziert wurde. So hoch dosiert, dass der Bub in einen Schlaf fiel, aus dem es kein Aufwachen mehr gab. Dann rief er, die zuständige Schwester Zenta. Übergab ihr den
Buben, mit den traurigen Worten, aber auch mit Tränen in den Augen. "Zenta, der Kleine kommt auf die linke Seite. Tut mir sehr leid Zenta, kümmern sie sich bitte mit, um die Kinder auf der rechten Seite. Lassen sie den Buben schlafen." Traurig streichelte Jacob nochmals über das Gesicht des Kleinen und stützte sich müde auf die Kiste. Am liebsten wäre er jetzt schreiend aus dem Raum gerannt. Aber er durfte es nicht. ‚Das ist meine Strafe, für die falsche Entscheidung die ich getroffen haben.‘ Ging es dem Chefarzt durch den Kopf. Er brauchte einige Minuten, bis er sich wieder beruhigen konnte. Das was er gerade getan hatte, war nichts anderes als Mord. Jacob entschied sich hierbei immer noch, gegen die Methoden, die diese gewissenlosen Wissenschaftler vorgesehen hatten. Wie hatten sie die Kinder bezeichnet, als Kreaturen. Wenn es nach denen gegangen wäre, hätte er nur Luft in die Venen spritzen müssen.
Nur weil dies nichts gekostet hätte. Das war noch unmenschlicher, als das, was er jetzt gemacht hatte. So merkten die Kinder wenigstens nichts. Sie bekamen keine Todeskämpfe. Sie schliefen einfach nur ein. Mühsam kämpfte er gegen die Tränen an. Es half nichts. Er musste weiter machen. Er musste noch achtundneunzig Kinder untersuchen. "Die Nummer 2", rief er deshalb in den großen Raum, schon brachte man ihm ein kleines Mädchen. Mit dieser war alles in Ordnung. Immer zügiger gingen die Untersuchungen voran. Es waren immer die gleichen Handgriffe, die gleichen Test, dann Blut abnehmen, die Entscheidung rechts oder links. Bis jetzt hatte er zwei Fälle, die er erst nach der Auswertung der Labortests entscheiden konnte. Nummer 62 und 90, lagen mit fünftausendzweihundertzehn und fünftausenddreihundertfünfzig Gramm, weit unterhalb der Norm. Aber so weit davon
entfernt, dass man nicht mehr schummeln konnte. Die Wissenschaftler würden ihnen das niemals glauben, dass diese Kinder in der Norm gelegen hätten, so dumm waren die nun auch wieder nicht. Von den Punktzahlen, hatten sie die geforderten fünfzehn gerade erreicht. Nun hoffte Jacob auf Zolger, dass dieser noch etwas Besonderes finden würde. Müde rieb sich Jacob immer öfter das Genick, er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Er stand seit über neuneinhalb Stunden, hier in der Halle, um die Kinder aufs Genauste zu untersuchen. Bereits fünfzehn Kinder musste er schlafen schicken. Wenn er am Anfang der Meinung war, dass es leichter werden würde, so hatte er sich gründlich getäuscht. Es wurde mit jedem Kind schwere, die letzte tödliche Injektion zu setzen. Er hasste sich immer mehr für das, was er tun musste. Endlich, war er bei seinem größten Sorgenkind angekommen. Jacob war schlecht vor Angst. Er wollte die Kleine nicht auch noch
töten. "Anna, bring mir Nummer 98." Anna kam völlig verweint zu Jacob gelaufen, das kleine Mädchen an ihre Brust gedrückt. "Bitte, rette wenigstens sie", flüsterte sie ihm zu. Jacob ignorierte die Wort Annas einfach. "Geh", befahl er ihr ziemlich barsch, er konnte einfach nicht mehr. Er war jetzt nicht auch noch in der Lage, auf Anna Rücksicht nehmen. Er wollte einfach wissen, was mit diesem kleinen Mädchen war. Als Anna nicht gehen wollte, schnauzte er sie ziemlich ungehalten an. "Verdammt noch mal, lass mich in Ruhe arbeiten. Geh schon. Verschwinde endlich. Es wird nicht einfacher für mich. Wenn du heulend neben mir stehst. Verdammt noch mal. Verschwinde endlich!" Wiederholte er um einiges lauter. Böse sah er Anna an. Die sich weinend zurück zog. Jacob fuhr sich durch die Haare. Stützte sich schwer atmend und gegen seine Gefühle
ankämpfend, auf den Kasten, der ihm als Untersuchungstisch diente. Kurzentschlossen holte er sich einen Kolben und eine Nadel. Nahm diesmal als erstes eine Blutprobe und schickte Yvonne, damit sofort, nach oben ins Labor. In dem die Laboranten, heute eine unglaubliche Leistung vollbracht hatten. Von Nummer 98, wollte er die Werte so schnell wie möglich wissen. Dieses Kind war ungewöhnlich. Keins der anderen Kinder, hatte im Inkubator, auf Reize aus der Umwelt reagiert, nur dieses eine Kind. "Yvonne, Walter, er soll diese Probe sofort untersuchen. Das wäre mir sehr wichtig. Ich muss in einer halben Stunde wissen, was ich mit der Kleinen machen kann. Auch die Ergebnisse von Nummer 62 und 90, brauche ich bis dahin. Es ist dringend. Sie warten oben solange, bis sie mir eine Antwort auf die Frage, rechts oder links bringen können." Ernst sah Jacob die Schwester an. Diese nickte
schweigend. Yvonne ging sofort nach drüben, auf die 4/gelb, auf der sich die Laborsektion befand. Das letzte Mal für heute, alle anderen Proben, wurden durch Jacob schon ins Labor geschickt, die Kinder mit der Nummer 99 und 100 lagen auf der rechten Seite, bei denen die hoch ins Kinderzimmer kommen würden. Nur Annas Liebling, musste Jacob noch untersuche. Anna weinte schon seit Stunden, um ihren Liebling. Aus Angst, dass das viel zu kleine Mädchen, die nur dreitausendneunhundert Gramm wog und nur siebenundvierzig Zentimeter groß war, auf die linke Seite geschickt wurde. Sorgfältig führte Jacob alle Test durch und atmete erleichtert auf. Selbst, wenn er die Testergebnisse aus dem Labor noch nicht hier hatte, wusste Jacob, die Kleine würde leben. Nummer 98 war das einzige Kind, das die volle Punktzahl in den Tests, also zwanzig Punkte, erreichte. Eigentlich müsste er auf viele der
Tests mehr Punkte geben. Sie war in allen Tests besser. Die Reflexe waren vorbildlich ausgeprägt, die Kleine besaß eine ungewöhnliche Muskulatur. Die bereits jetzt, richtig gut aufgebaut war. Besser, als bei vielen der anderen Babys. Die wesentlich größer und schwerer waren als Nummer 98 und die auf der rechten Seite lagen. Auch, wenn er noch nicht fertig war mit der Auswertung, sah er kurz auf. Jacob suchte den Blickkontakt zu Anna. Die in Wallis Armen lag und immer noch weinte. Walli sah Jacob an. Dieser nickte kurz. Ein Lächeln, huschte über Wallis, abgespanntes Gesicht. Diese flüsterte Anna ins Ohr. "Anna, sieh bitte mal zu Fritz. Der will dir etwas sagen." Anna drehte ihr völlig verweintes Gesicht ihrem Freund zu, der sie vorhin so herunter geputzt hatte. Jacob zwang sich zu einem Lächeln, das mehr als schief geriet. Er nickte, sah nach der rechten Seite. Anna zeigte auf das Baby, dann
nach drüben. Jacob nickte noch einmal. Dann widmete er sich weiter, seiner kleine Patientin. Aber alle geforderten Parameter, wurden von dem Kind erfüllt. Das einzige Handicap das sie besaß, war ihre Größe. Auch, wenn sie viel zu klein war, konnte Jacob es ohne Bedenken verantworten, sie am Leben zu lassen. Egal, was Zolger im Labor oben feststellt, selbst seine Ergebnisse rechtfertigen diese Entscheidung. Erleichtert, streichelte Jacob diesem süßen Mädchen das Gesicht, in das sich seine Anna so verliebt hatte. "Wenigstens dich konnte ich retten. Du kleine hübsche Maus. Streng dich ja an, dass du groß und stark wirst", sagte er leise zu ihr. Es war so ein hübsches Kind. Der schöne milchkaffeefarbener Teint, diese süßen schwarzen Schillerlocken, standen im krassen Gegensatz, zu diesen wunderschönen rot-orangenen Augen. Die glühten, wie zwei am frühen Morgen aufgehenden, blutrot Sonnen, im
Frühjahr. Kein Wunder, dass Anna so verliebt war, in diese süße Maus. Alleine, dass er dieses Mädchen retten konnte, half ihm ein wenig, mit der Entscheidung über das Leben, von nun schon fünfzehn toten Kindern hinwegzukommen. Kurz vor 22 Uhr, war Jacob mit seinem Untersuchungsmarathon fertig. "Anna, die Kleine kommt auf die rechte Seite." Anna sprang auf, rannte auf Jacob zu, wollte ihn umarmen. "Nicht Anna. Lass mich in Ruhe. Lass mich einfach in Ruhe. Nicht heute", sagte er wütend. Er hob die Kleine hoch und drückte sie einfach, Anna in die Arme. "Kümmre dich gut um sie." Sofort drehte er sich um. Nur um ihr keine Möglichkeit zu geben, ihn zu berühren. Jacob kam sich schmutzig vor und ekelte sich, vor sich selber. Er könnte keine Berührung durch Anna, in diesem Moment, ertragen. Fast zeitgleich öffnete sich die Tür zur Turnhalle. Zolger selber, war nach unten
gekommen, um Jacob die letzten Testergebnisse mitzuteilen. "Fritz, um Himmels Willen, wie siehst du denn aus?" War das Erste, was Zolger über die Lippen brachte. Als er den völlig fertigen Jacob sah. Jacob konnte vor Müdigkeit, kaum noch stehen. Er war schneeweiß im Gesicht, mit tiefen schwarzen Augenringen. Seine gesamte Haltung, war die eines gebrochenen Mannes. Der Rücken krumm, die Schultern hängend, die Hände zitternd. Mit genauso einer zittriger Stimme, sagte er mehr zu sich, als zu Zolger. "Walter, bringe mir gute Nachrichten." Zolger schüttelte bedauernd den Kopf. Leider konnte er seinem Freund, keine guten Testergebnisse bringen. Deshalb kam er selber nach unten in die Halle, obwohl er dazu eigentlich gar keine Zeit hatte. Er hatte noch wahnsinnig viele Proben zu sichern. Er wollte allerdings selber, Jacob diese schlechten
Nachrichten überbringen. "Fritz, es tut mir leid, Nummer 62 hat einen schweren genetischen Schaden. Sie wird keine große Chance. Die Kleine, würde sofort aussortiert, wenn die Leute aus dem Genlabor, die Ergebnisse sehen. Sie leidet an ALS, das ist eine degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems. Nummer 90 leidet an Huntington-Krankheit, das sind schwere Bewegungsstörungen. Diese Krankheit bricht zwar erst ab dem fünfunddreißigsten Lebensjahr aus, aber ich weiß nicht, wie das hier bei diesen Kindern sein wird. Tut mir leid." Traurig nahm Jacob einen Kolben und eine Kanüle in die Hand, um den Schlaftrunk aufzuziehen. Auch, wenn es ihm nicht gefiel, er würde es tun müssen. Ganz leise, stellte er ängstlich, die nächste Fragen. "Nummer 98?", kaum konnte man diese Frage hören. Die Angst in Jacobs Augen, war körperlich für Zolger spürbar.
Erleichtert teilte Zolger dem Chefarzt deren Testergebnisse mit. "Fritz, bei der Kleinen ist alles in Ordnung. Sie erfüllt alle Anforderungen, außer die Größe und das Gewicht. Liegt bei vielen der Tests, weit über dem Durchschnitt." Erleichtert, wenigstens dieses eine Kind retten zu können, schleppte sich Jacob, zu den beiden Kindern, die in der Mitte der Halle lagen. Hockte sich zu den Beiden, verabreichte erst dem Jungen und dann dem Mädchen das Schlafmittel. Traurig sah er die Beiden an. Dabei liefen Tränen über seine Wange. Jacob gab den Beiden einen Kuss "Schlaft schön ihr Zwei", sprach er zu den Beiden. Stand auf und verließ ohne ein weiteres Wort zu sagen, den Raum. Keiner der Anwesenden traute sich, dem Chefarzt hinterher zu laufen. Alle wussten oder besser ahnten, wie schwer das eben für Jacob gewesen sein musste.
Zolger, der gesehen hatte, dass sein Freund sich kaum noch auf den Füßen halten konnte, übernahm das Kommando. "Los Leute. Fritz ist fix und alle. Ihr macht jetzt Ordnung hier. Räumt alles zusammen. Was ihr nicht mehr braucht. Damit Fritz, wenn er das Kinderzimmer abgenommen hat, endlich ins Bett kommt. Sonst haben wir hier noch einen Toten. Nämlich unseren Chefarzt." Bei diesen Worten Zolgers, kam Bewegung in den Raum. Alle räumten zusammen. Anna legte Nummer 98 neben 91 und half mit. Im Seitenblick, sah sie, wie die beiden Mädchen sich an den Händchen fassten. Schon vorhin, war das geschehen. Eigenartig, ging es Anna durch den Kopf. Aber es gab Wichtigeres zu tun. Man musste erst einmal, die toten Kinder Aufbahren und zudecken. Dann die Halle, wieder herrichten. Fast eine Stunde brauchten die Schwestern dazu. Anna kehrte, zu der
kleinen Nummer 98, zurück. Als sie vorsichtig die Hände der beiden Mädchen lösen wollte, fing Nummer 98 an, wie am Spieß zu schreien. Also nahm Anna, auch noch Nummer 91 auf den Arm. Sofort suchten die beiden Mädchen, wieder den Kontakt. Kaum hatten sie sich wieder an den Händen gefasst, wurde Nummer 98 wieder ruhig. Kopfschüttelnd registrierte Anna dies. Sie würde sobald Jacob geschlafen hatte, mit ihm darüber reden. Dies war eigenartig. Keins der anderen Kinder, machte das. Die nachfolgenden Ereignisse, überlagerten diese Beobachtung allerdings, so dass diese Begebenheit schnell wieder in Vergessenheit geriet. Jacob fuhr indessen, nach oben in das Kinderzimmer. Was er da zu sehen bekam, war einfach zu viel. Er hatte gedacht, es würden Kinderbetten im Raum aufgestellt. Als Jacob in den Raum trat, brachte er nur ein
noch verzweifeltes, "Oh mein Gott" hervor. Der wie ein fassungsloser Schrei, im Gang der 6/blau widerhallte. Jacob musste sich krampfhaft, am Türrahmen des gerade fertig eingerichteten Zimmers, festhalten. Er zitterte am ganzen Körper. Alle Farbe, wich aus seinem Gesicht. Wenn das überhaupt noch möglich war. Schwer atmend holte er Luft. Mühsam kämpfte der Chefarzt dagegen an nicht durchzudrehen. Mayer, der in ebendiesen Moment, ebenfalls auf der 6/blau ankam, hörte den entsetzten, an einen Schrei erinnernden Ruf Jacobs. Legte einen Sprint ein. "Was ist Fritz? Um Gottes Willen, was ist denn los?" Jacob war nicht mehr in der Lage zu reagieren. Er war am Ende seiner Kraft. Er konnte einfach nichts mehr ertragen. Geschweige denn Mayer eine Antwort geben. Er stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Er fiel einfach in sich
zusammen. Kopfschüttelnd taumelte der Chefarzt zurück, als wenn etwas Schreckliches auf ihn zukäme. Panisch waren seinen Augen aufgerissen und Fassungslosigkeit stand in sein Gesicht geschrieben. Er stürzte rückwärts aus dem Zimmer heraus und ließ sich im Flur, einfach an der Wand hinab gleiten. Jacob konnte nicht mehr. Er fing an zu weinen, legte seinen Kopf auf die Arme und war zu keiner normalen Reaktion mehr fähig. Flüsterte nur mit bebender Stimme. "Zu was habe ich die Kinder retten wollen?" Mehr bekam Mayer, aus seinem Freund nicht mehr heraus. Sigmar Mayer konnte nicht verstehen, was mit seinem Chefarzt los war. Der Projektleiter ging einen Schritt weiter und stand genauso fassungslos im Türrahmen, wie wenige Augenblicke zuvor Jacob. Er brachte nur ein gestammeltes. "Da … das … i … ist un … unmenschlich" hervor.
Mayer starrte in dem Raum und sah sich um. Hinter- und Nebeneinander, standen dreiundachtzig Stahlpritschen, mit Gitterstäben rundherum, die mehr an Käfige, als an Kinderbetten erinnerten. Davor standen zwei Spinde, einer rechts und einer links. Also am Kopf und Fußende der zweieinhalb Meter langen und sechzig Zentimeter breiten Stahlpritschen. An deren vier Seiten, etwa vier Meter hohe Gatter angebracht waren. So dass man diese, auf jeder Seite nach oben schieben konnte. Mayer ging zu dem ersten Spind öffnete diesen. Der erste Spind, war für Sachen, zum legen und hängen. Der zweite Spind, war ein Waffenschrank. Kopfschüttelnd ging er weiter, in der Mitte des Raumes. Dort stand ein drei Meter breiter und zwanzig Meter langer Stahltisch. Davor und dahinter zweiundvierzig Holzstühle und einer an der Stirnseite. Mayer konnte es nicht fassen. Er sah den Cheftechniker
fragend an. Korpus verstand weder die Reaktion von Jacobs, noch die von Mayer. "Was ist denn los? Haben wir es nicht richtig gemacht?" Fassungslos sah Mayer, Korpus an. "Oberleutnant Korpus, das ist jetzt nicht ihr Ernst oder?" Korpus wusste gar nicht, was er darauf sagen sollte. "Wie, mein Ernst, Genosse Major? Ich verstehe nicht, was sie meinen? Ich habe alles so aufgebaut, wie man es mir aufgetragen hat." "Sie wollen mir doch nicht sagen, dass sie hier fertig sind." Mayer sah Korpus richtig böse an. "Noch nicht ganz, Genosse Major. Wir müssen nur noch schnell durch kehren. Das haben wir noch nicht geschafft. Aber wir haben noch fast fünf Minuten", erklärte Korpus offen und ehrlich, dass er nicht wusste, was Mayer von ihm wollte. Drehte er sich um und schnauzte seine Leute an. "Los macht hin, das ihr hier alles sauber macht. Damit wir fertig werden."
Mayer sah Korpus immer noch böse an. "Genosse Korpus, wo sind die Matratzen, die Decken, das Bettzeug für die Kinder?" Immer irritierte sah Korpus, dem ihm gegen überstehenden Mayer an, mit dem er schon viele gemeinsam Projekte verwirklicht hatte. Noch nie hatte Mayer in solch einem Ton mit ihm gesprochen. "Welche Matratzen? Welche Decken? Beides habe ich nicht bekommen, Genosse Major. Was für Kinder? Ich dachte, das ist hier für Tiere." Versuchte er zu erklären, dass er nicht wusste, warum ihn Mayer so anfuhr. "Wer hat ihnen das gesagt Genosse Oberleutnant?" Korpus zuckte entschuldigend mit den Schultern, sah Mayer offen in die Augen. "Na ja, wenn ich ehrlich bin keiner. Uns sagt doch keiner etwas. Wir bekommen doch nur die Aufträge etwas auf oder abzubauen. Für was das
im Einzelnen ist, erfahren wir doch nie. Das brauchen wir doch nicht wissen für unsere Arbeit. Erst haben wir hier Brutkästen aufgebaut, jetzt Käfige. Das kann doch nur für Tiere sein." Schlagartig wurde Mayer bewusst, dass Korpus gar nicht wissen konnte, für wen er dies hier machte. "Tut mir leid, Genosse Oberleutnant. Ich dachte, sie wissen für welches Projekt sie arbeiten. Wie lange brauchen sie noch?" Wechselte Mayer einfach das Thema und versuchte wieder freundlich zu Korpus zu sein, was ihm nur sehr schwer gelang. Erleichtert atmete Korpus auf. "Fünf Minuten noch, dann sind wir fertig, Genosse Major. Es ging wirklich nicht schneller. Wir mussten vieles nacharbeiten." Schnell räumte der Chefingenieur die letzten Werkzeuge zusammen und trieb die seine Mitarbeiter zur Eile an, damit sie fertig zu wurden. Es war schon 21 Uhr 58. Keine fünf
Minuten später, war alles aufgeräumt und sauber. "Tut mir leid, Genosse Major. Dass wir es nicht ganz geschafft haben. Aber Wunder dauern immer etwas länger. Die Hälfte der Käfige, war falsch gebohrt. So dass wir alle nacharbeiten mussten, das hält einfach auf. Wir konnten doch auch erst 10 Uhr 20 anfangen. Schneller ging es wirklich nicht." Mayer der sich in der Zwischenzeit, um den völlig fertigen Jacob kümmerte, winkte ab. Die drei Minuten Verspätung, würde er unter den Tisch fallen lassen. "Dann übernehme ich erst einmal. Wenn wir Ersatz brauchen, ordere ich das über Hunsinger? Korpus, sie und ihr Team haben gut gearbeitet. Vielen Dank und guten Heimflug. Beeilen sie sich lieber, es zieht schon wieder ein Schneesturm auf, sonst sitzen sie hier fest." Damit übernahm er dieses eigenartige Kinderzimmer.
"Danke Genosse Major, brauchen sie für Fritz Hilfe?" Erkundigte sich Korpus noch. Der erst jetzt sah, das Jacob schneeweiß, am ganzen Körper schlotternd, im Flur vor dem Kinderzimmer, an der Wand gelehnt und auf dem Boden saß. "Nein, Genosse Oberleutnant. Ich kümmere mich. Ich habe hier genug Leute. Fliegen sie los, sonst kommen sie nicht mehr weg." Beendete Mayer die Diskussion. Er ließ Korpus einfach stehen, um sich wieder um Jacob zu kümmern. Jacob hatte sich soweit beruhigt, dass er wieder normal atmen konnte. Stand mit Unterstützung seines Freundes auf. Er sah Mayer mit einem eigenartigen Blick an. Mühsam, jedes Wort erkämpfend, bat er darum, sich zurückziehen zu dürfen. "Übernimmst du Sigmar? Anderson soll die Einweisung machen. Der weiß auch, wie die Kinder in die Betten sollen. Er soll daran denken, die Kleine 98, kommt ganz hinten rechts
in die Ecke. Sigmar, kümmere dich um den Rest. Ich kann nicht mehr." Den letzten Satz flüsterte Jacob nur noch. Ohne auf eine Antwort zu warten, ging Jacob einfach weg. Sich beim Laufen an der Wand festhaltend, schleppte er sich schwankend und immer wieder Pause machend, zum Aufzug. Fuhr nach oben in seine Wohnung, fiel einfach ins Bett. Er hatte einen Punkt erreicht, an dem er nichts mehr ertragen konnte. Mayer der sich nicht mehr wunderte, dass Jacob kurz vor dem Zusammenbruch stand, ging nach unten auf die 6/lila. Diesmal über die Treppe, weil er einfach die Zeit brauchte, um sich zu überlegen, wie er den Leuten diesen ganzen Mist erklären sollte. Nur zehn Minuten später betrat Mayer die Turnhalle. "Guten Abend die Damen, guten Abend die Herren. Schön, dass sie hier sind, Kollegen Anderson. Sie möchten die Einweisung
von den Kindern, in die sogenannten Betten übernehmen. Sie übernehmen auch die Schichteinteilung. Jacob ist mir gerade zusammengeklappt. Er ist hoch in seine Wohnung. Ich sehe gleich noch einmal nach ihm. Leute, klappt mir nicht auch noch alle ab. Es reicht, wenn Jacob gerade zusammengebrochen ist. Diese Unmenschen vom Institut, haben uns für diese kleinen Kinder nur Käfige geschickt. Das hat unser Chefarzt, nicht auch noch verkraftet. Bekommt also keinen Schock." "Wie Käfige?" Kam von Anna, die Nummer 98 und 91 an ihren Körper pressend. Ängstlich sah sie Mayer an. Wieder liefe ihr Tränen über die Wangen. Anna war einfach zu fertig, als dass sie diese zurück halten konnte. "Eben Stahlpritschen ohne Matratzen und Decken, mit Gitterstäben davor. Ich würde es nicht als Kinderbett bezeichnen. Sondern eher als eine Art Käfig. Schaut es euch am besten selber an. Tut mir leid, weder Jacob, noch ich
wussten davon." Traurig sah er die Schwestern und die Ärzte an, die kopfschüttelnd vor ihm standen. Erst jetzt entdeckte Mayer, die auf der linken Seite aufgebahrten und zugedeckten Körper, der Kinderleichen. Erschrocken sah er Anderson an: "Wann?" Mehr konnte Mayer nicht über seine Lippen bringen. "Genosse Major, ich weiß nicht, wann dass der Chef gemacht hat. Sie waren alle schon tot, als wir gerade nach unten kamen. Fritz hat uns um 10 Uhr alle ins Bett geschickt. Wir waren so fertig, wir konnten uns kaum noch auf den Beinen halten. Er versprach mir, uns um 14 Uhr wecken zu lassen. Wir wurden allerdings erst um 21 Uhr 30 geweckt und sind erst vor zehn Minuten heruntergekommen", erklärte Anderson die Sachlage. Kopfschüttelnd sah Anderson den Projektleiter an, dem jetzt erst richtig bewusst wurde, warum Jacob zusammengebrochen war. Er musste sofort
nach Jacob sehen. "Anderson, sie kümmern sich um die Einweisung der Kinder. Die toten Kinder kommen in die Kühlhalle. Dann machen sie die Einteilung der Nachtschicht und kommen im Anschluss, sofort hoch zum Chefarzt. Ich glaube, der braucht auch Hilfe. Also los, beeilen sie sich jetzt mal! Sie sind schließlich alle ausgeschlafen." Mayer griff jetzt richtig durch und trieb so die Leute an, sich zu bewegen. Alle standen immer noch wie festgenagelt, vor den siebzehn toten Kindern. Keiner von ihnen, kam mit dem Geschehenen klar.
Anderson übernahm das Kommando in der Turnhalle und sorgte dafür, dass die Kinder nach oben auf die 6/blau gebracht. Nach dem die Kinder in den Betten untergebracht waren, teilte er die Schichten ein. Der Schock, den die Mitarbeiter des Projektes beim Anblick des sogenannten Kinderzimmers bekamen, war groß. Aber was nutzten die Tränen der Schwestern, man musste mit dem leben, was dieses Projekt hergab. Den Schwestern verkrampfte es das Herz und so versuchten sie es den kleinen Erdenbürgern so bequem wie nur eben möglich zu machen. Deshalb holten sie aus ihren Quartieren Handtücher, Decken und Kissen. Sie nutzten alle privaten Möglichkeiten die sie hatten, um es den Kleinen angenehm zu machen. Den Frauen blutete das Herz diese kleinen Wesen, auf eisige Stahlpritschen zu legen. Viele waren der
Meinung, dass es selbst die Tiere im Zoo gemütlicher hatten, als diese Säuglinge. So bekamen die Kinder wenigstens etwas Zuwendung und das Gefühl der Geborgenheit. Alle Mitarbeiter fassten mit an und halfen so gut es ging, den Raum für die Kinder herzurichten. Mayer fuhr in der Zwischenzeit nach oben zu Jacob, um nach dem Rechten zu sehen. Er hatte ein ganz komisches Gefühl. Er besaß die einzige Generalkarte, mit der man jeden Raum des Objektes betreten konnte. Auch dann, wenn die Türen von innen versiegelt waren. Ein Vorteil den er als Sicherheitschef des Projektes inne hatte. So kam er auch in diesem Moment in Jacobs Wohnung. Als dieser auf sein Klingeln nicht öffnete. Deshalb verschaffte er sich, mit eben dieser Karte, Zugang zur Wohnung. Erfreut stellte Mayer fest, dass sich seine größte Angst nicht bestätigte. Er fand Jacob allerdings mit
dem Gesicht in den Kissen liegend und fest schlafend, in seinem Bett vor. In der gleichen Kleidung, wie der Chefarzt Mayer auf Ebene 6/blau vor reichlichen halben Stunde verlassen hatte. Kopfschüttelnd sah Mayer auf seinen Freund herunter, der so fertig war, dass er sich nicht einmal mehr ausgezogen hatte. Mayer begann damit dem Chefarzt die Schuhe auszuziehen, als es an der Tür klingelte. Mayer öffnete sofort, um Doktor Anderson einzulassen, der mit seiner Arzttasche davor stand. "Kommen sie rein. Sie müssen mir helfen", befahl Mayer knapp. Schon lief er zu dem Schlafenden zurück. Anderson half Mayer beim Ausziehen des Freundes. Erst der Arzt entdeckte die Einstichstelle am Arm Jacobs. Dann entdeckte Mayer eine Spritze und eine Ampulle, die unter Jacob lag. Erschrocken stellte Anderson fest, dass es sich um Diprivan handelte: ein
Narkotikum. Daraufhin untersuchte er Jacob noch einmal, auf Unregelmäßigkeiten. Vorsichtshalber hörte er den Chefarzt ab, maß auch die Vitalwerte, es war zum Glück nichts daran auszusetzen. Erleichtert stellte Anderson fest, dass dieser sich nur eine Einschlafhilfe gegeben hatte. Jacob hatte sich einfach eine leichte Narkose gegeben, um schneller in den ersehnten ruhigen Schlaf zu kommen. Was ohne Kontrolle zwar sehr leichtsinnig war - denn es konnte gerade durch den Stress den Jacob heute den ganzen Tag ausgesetzt war, leicht zu einem Kreislaufversagen kommen - man konnte dies aber auch verstehen. Beruhigt deckten die Beiden, den jetzt nur noch in Turnhose bekleideten Jacob zu. "Lassen wir ihn schlafen, bis er von alleine munter wird. Ich gebe gleich den Befehlt durch, sämtliche Telefone und die Klingeln stillzulegen. Der Chefarzt wird eine Woche lang von
niemandem belästigt. Wenn er von alleine munter wird, stelle ich Verbindung wieder her. Doktor Anderson, der Chefarzt bekommt von mir eine Woche Hausarrest. Sie managen solange unten im Kinderzimmer alles. Egal was diese Trottel vom Genlabor machen wollen: Sie sagen nein. Erst, wenn Jacob in ein paar Tagen wieder erholt und ansprechbar ist, werden weitere Tests mit den Kindern durchgeführt. Ist das klar", fuhr Mayer den Arzt ziemlich unwirsch an. Erschrocken sah dieser auf. Anderson war trotzdem einverstanden, mit dem was Mayer anordnete. Denn er war der gleichen Meinung, dass Jacob sich erst einmal erholen musste. Anderson nickte deshalb zustimmend. "Geht klar Genosse Major. Tut mir leid, ich muss wieder runter zu den Kindern. Können wir wenigstens ein paar Decken für die Kleinen bekommen?", traurig sah Anderson den Projektleiter an.
"Doktor Anderson, ich schicke ihnen dann gleich einige Sachen nach unten auf die 6/blau. Das dauert aber einige Minuten." Sofort verließ Anderson Jacobs Wohnung, nickte Mayer dankbar zu. Der Projektleiter ging an das nächste Telefon, um die entsprechenden Anweisungen an die zuständigen Stellen zu geben. Auch veranlasste er, dass alle Telefonate die für Jacob bestimmt waren, zu ihm umgeleitet wurden. So dass sein Chefarzt erst einmal richtig ausschlafen und wieder zu Kräften kommen konnte. Den Kindern ging es allen gut, wie er von Anderson erfuhr. Also konnte sich Jacob erst einmal erholen. Noch einmal ging Mayer nachsehen, ob bei Jacob alles in Ordnung war und verließ beruhigt dessen Wohnung. Nach zwei Tagen wurde Mayer langsam unruhig. Immer wieder bat Doktor Anderson nach Jacob zu sehen. Der Arzt, zu dem Mayer neben Jacob das meiste Vertrauen besaß, machte sich auch
langsam Sorgen um seinen Kollegen. Verwundert stellte er fest, dass es auf einmal eine weitere Einstichstelle im Arm des Chefarztes gab, vor allem ein riesiges Hämatom, welches schon mindestens zwei Tage alt war. Jacob allerdings schlief einen erschöpften Schlaf. Anderson hing Jacob an einen Flüssigkeitstropf, nahm jedoch vorsichtshalber Blut ab und schickte dieses ins Labor. "Das verstehe ich nicht", Brummelt er vor sich hin, schüttelte verwundert den Kopf. Wie konnte er das bei der ersten Untersuchung übersehen haben. Es gab allerdings wichtigere Dinge, um die er sich im Moment sorgte. Anderson musste erst einmal dafür sorgen, dass Jacob nach vorn auf die 1/gelb gebracht wurde. Auf der sich die Krankenstation für die Angestellten befand. Da er Jacob dort einfach besser im Auge behalten, vor allem aber, besser mit der nötigen Flüssigkeit versorgen konnte.
Ein Stunde später kam aus dem Labor, allerdings eine schlechte Nachricht. Es stand auf Grund der Befunde fest: Jacob wollte sich keine Einschlafhilfe geben, sondern wollte sich das Leben nehmen. Er hatte nach reichlich zwei Tagen, immer noch eine tödliche Dosis, eines Medikamentencocktails im Blut. Der aus Diprivan, Disoprivan, aber auch aus Ernsdolor bestand. Es grenzte an ein Wunder, dass Jacob noch am Leben war. Anderson, gab Jacob ein neutralisierendes Mittel, Dantrolen, so dass dieser sich schneller erholen konnte. Nach langen Überlegungen, teilte er Mayer seine Überlegung mit. Er sprach dem Projektleiter gegenüber die Vermutung aus, dass Jacob Selbstmord begehen wollte. Brachte aber auch seine Verwunderung über das Ganze zum Ausdruck. Er wollte seinen Vorgesetzten, vor dem er Hochachtung besaß, nicht in ein falsches Licht rücken. Anderson war allerdings der
Meinung, dass Mayer wissen sollte, dass Jacob mit dem Tod der Kinder nicht klar kam. Ganze fünf Tage am Stück, schlief Jacob durch. Langsam sah er, auch wenn er unrasiert war, wieder etwas besser aus. Am späten Nachmittag des 19. Februar 1959 erwachte Jacob hungrig und durstig, aus einem erholsamen Schlaf. Verwundert sah er sich um, stellte fest, dass er auf der Krankenstation lag. Vorsichtig stand er auf, auch wenn er wackelig auf den Beinen war, ging es ihm doch gut. Am Fußende seines Bettes, lag ein Overall. Den zog er an, dann schlüpfte er in die Schuhe und ging nach vorn zu dem Platz, an dem sich meistens Schwester Ingrid aufhielt. "Guten Morgen, Schwester Ingrid", sagt er laut in der Annahme, dass er acht Stunden geschlafen hatte. Schwester Ingrid erschrak sich fast zu Tode. Sie war tief in das Studium eines Fachartikels, über Physiotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten, von Patienten mit
Gelenkrheuma vertieft. Deshalb hörte sie den Chefarzt gar nicht kommen. "Herr Doktor, ab mit ihnen ins Bett." fuhr sie den Chefarzt etwas sehr barsch an. "Warum das? Wieso bin ich überhaupt hier?", wollte Jacob von ihr wissen. "Warum kann man mich nicht einmal acht Stunden, in meinem eigenen Bett und vier Wänden schlafen lassen?" Schwester Ingrid antwortete ihm nicht. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass Ärzte die schlimmsten und unvernünftigsten Patienten waren und sich mit Erklärungen einer Schwester oft nicht zufrieden gaben. Aus diesem Grund klingelte sie Anderson an, dieser wollte sofort Bescheid bekommen, wenn Jacob munter wurde. "Doktor Anderson, können sie schnell mal kommen, Doktor Jacob will gehen. Er schimpft mit mir", fügte sie verärgert hinzu. Anderson konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, da er sich die Reaktion des Chefarztes beim Erwachen gut vorstellen konnte.
"Keine Angst, ich komme schon", sofort legte er auf und lief los, um seiner Kollegin zu helfen. Er konnte sich die Situation in der Krankenstation nur zu gut vorstellen. Keine zehn Minuten später traf er in der Krankenstation ein. Es dauerte etwas, bis er auf der 1/gelb ankam, da Anderson unten auf der 6/blau war, bei den Kindern. "Na, hast du endlich ausgeschlafen Fritz. Setzt dich." Begrüßte er den Chefarzt, froh ihn wieder auf den Beinen zu sehen. "Was heißt hier endlich ausgeschlafen? Wieso bin ich überhaupt hier?", wollte der Chefarzt jetzt von Anderson wissen, da er von Schwester Ingrid keinerlei Auskünfte bekam. "Fritz, weißt du, was heute für ein Tag ist?", verwundert sah Jacob auf seinen Kollegen "Na Sonntag, der 15. Februar", gab diese sofort zur Antwort. Schwester Ingrid lachte genauso herzhaft, wie Anderson.
"Fritz, heute ist der 19. Februar, es ist Donnerstag, du hast ganze fünf Tage am Stück geschlafen. Wir mussten dich auf die 1/gelb verlegen, da du nicht mal etwas trinken wolltest. Wir haben dich einfach nicht munter bekommen", jetzt musste sich Jacob wirklich erst einmal setzen. "Wie heute ist Donnerstag? Du willst mich verarschen oder Jim?" Anderson, sah Jacob breit grinsend, schüttelte jedoch mit dem Kopf. "Nein Fritz, wirklich nicht. Rufe die Zeitansage an. Heute ist Donnerstag und es ist gleich 19 Uhr." "Buha", mehr bekam Jacob im Moment nicht heraus. Er war sprachlos und völlig irritiert. Nach einer ganzen Weile begriff er wohl, dass es wirklich so war und meinte ganz trocken, so wie es oft seine Art war. "Deshalb habe ich einen Kohldampf, wie ein verhungerter Bär. Da muss ich den Barkeeper, wohl wieder einmal betteln,
dass er mir etwas zum Futtern macht. Das Abendbrot, habe ich ja auch verschlafen. Jim mache hin, ich bin kurz vor dem Hungertod. Komm erzähl mir, was in den letzten Tagen hier los war. Bei einem Kaffee und etwas zu beißen, lässt es sich gut plaudern. Wie geht es den Kindern, alles in Ordnung bei ihnen? Dann bis morgen Ingrid", übernahm Jacob wie gewohnt das Steuer und ließ seinen Kollegen keinen Raum für Wiederworte. Gleichzeitig überschüttete er seinen Kollegen mit Fragen und entließ sich selber von der Krankenstation. In der er die mit dem Kopf schüttelnde Ingrid zurückließ. "Ärzte", murmelte diese vor sich hin und widmete sich wieder ihrem Bericht. Ließ Jacob und Anderson kommentarlos ziehen. Ohne darauf zu achten, dass es ihre Pflicht gewesen wäre, hier einzugreifen und Anderson dabei zu unterstützen den Chefarzt wieder ins Bett zu schicken. Es war ihr wichtiger ihren Artikel
weiterzulesen. Jacob lief, gefolgt von Anderson, der ihm kaum folgen konnte, nach oben in die Mensa. Als dieser ihn zurückhalten wollte, sagte er kurz und von einem zum anderen Ohr grinsend. "Jim bin ich hier der Chefarzt oder bist du das? Komm lass mich was essen. Dann bin ich ganz brav und geh sogar noch einmal ins Bett", dabei klopfte er Anderson beruhigend auf die Schulter und ging sofort weiter an die Bar. "Guten Abend Jungs. Sagt mal habt ihr für mich etwas zu essen, die haben mich tatsächlich einfach fünf Tage hungern lassen. Stellt euch das mal vor. Das sind vielleicht ein paar grausame Burschen. Ich habe einen Knast kann ich euch sagen. Erzählen die mir doch tatsächlich, dass sie mich nicht munter bekommen haben. Das gibt’s doch nicht. Mit einem Schnitzel, bekommt man mich immer munter." Der Barkeeper fing an zu lachen und sah erfreut auf den Chefarzt, dem es wohl wieder besser
ging. Er war erleichtert. Denn wie alle anderen im Projekt, machte auch er sich Sorgen um Jacob. "Klar Herr Doktor, für sie doch immer. Was wollen sie futtern? Das übliche?" "Na klar. Was denn sonst? Schnitzen mit Bratkartoffeln, egal was kommt. Auch wenn ich hinterher die Flitze bekomme. Das will ich jetzt haben. Was Leckeres zu essen. Schließlich hab ich fünf Tage geschlafen und nichts zu essen bekommen", brachte er seinen Wunsch zum Ausdruck, stampfte dabei mit dem Fuß auf, wie ein bockiges Kind. Schallend begann der Barkeeper zu lachen. Aber so war der Chefarzt nun mal, wenn es ihm gut ging. Lange hatte man ihn nicht mehr so erlebt. Es war einfach schön, dass der alte Jacob wieder da war. Mit dem hatte man immer viel Spaß gehabt. Anderson stand kopfschüttelnd daneben und konnte nicht glauben, was er da gerade erlebte.
Er hatte den Chefarzt ständig im Blick, ihm war nicht wohl bei der Sache. Zulange hatte Jacob im Bett gelegen und nicht nur geschlafen. Es gab einige Situationen in diesen fünf Tagen, an dem dessen Leben an einem seiden Faden hing. Deshalb konnte Anderson dies alles hier nicht wirklich glauben. Er kam sich vor wie in einem falschen Film und konnte nicht begreifen, was hier vor sich ging. War der Chefarzt wirklich über den Berg? Es wäre zu schön, um wahr zu sein. Anderson ging auf Jacobs Späße ein. "Ganz stimmt das nicht, Fritz. Wir haben schon versucht dir das Schnitzel intravenös verabreicht. Leider passte es nicht durch die Kanüle. Als wir es durch den Mixer gejagt hatten, hat es dir wie es schien, wohl nicht mehr richtig geschmeckt. Beschwere dich also beim Koch", erwiderte Anderson ganz trocken und ernst drein blickend. Lachend klopfte Jacob ihm daraufhin auf die
Schulter. "Na gut, wenn das so ist, will ich euch verzeihen. Komm lass uns setzen Jim. Meine Beine zittern wie Espenlaub. Verdammt noch mal." Jacob merkte selber, dass er noch nicht so fit war, wie er gerade noch gedacht hatte. Auch Anderson stellte besorgt fest, dass Jacob verdammt blass um die Nase wurde und ging mit ihm schnell an den nächsten Tisch. "Na, da warst du wohl doch etwas zu stürmisch, Fritz?", wollte er wissen. Automatisch griff nach Jacobs Handgelenk, um den Puls zu messen. Der Puls des Chefarztes raste. Nach dieser Anstrengung, war das fast normal. Schließlich hatte Jacob fünf Tage fest gelegen. "Komm, sei ein braver Doktor. Die Jungs bringen dir dein Schnitzel, auch runter auf die Krankenstation", Jacob nickte betrübt. Er merkte selber, dass er sich übernommen hatte. Der Schweiß brach Jacob gerade aus allen Poren und ihm war plötzlich
schlecht. Anderson musterte Jacob besorgt und griff jetzt durch. "Jungs, ihr ruft uns sofort ein Taxi? Dann bringt ihr das Schnitzel runter auf die 1/gelb", befahl Anderson die Barkeeper. Die Jungs hinter der Bar nickten besorgt und riefen den Notruf an. Keine zwei Minuten später fuhr ein Multicar vor, der Jacob zurück auf die Krankenstation brachte. Als eine halbe Stunde später Jacobs Essen kam, schlief der Chefarzt wieder tief und fest. Diesmal allerdings den Schlaf der zur Genesung führte. Weder Anderson, noch Schwester Ingrid waren sich hundertprozentig sicher, dass ihr Chefarzt überhaupt bewusst war, dass er der Mensa einen Besuch abgestattet hatte. Kaum dass er wieder in seinem Bett lag, war er schon eingeschlafen. Nicht mal mehr zugedeckt hatte er sich wieder. Anderson, kehrte zurück zu den Kindern, die in den letzten fünf Tagen gewaltige Fortschritte gemacht hatten. Informierte Anna, die gerade
ihren Dienst auf der 6/blau versah, über das Geschehene. Diese konnte nicht fassen, was ihr Anderson erzählte. Sie konnte sich dies aber gut vorstellen. Außerdem war Anna froh darüber, dass es ihrem Schatz endlich wieder gut ging. Es gab vor zwei Tagen einige Komplikationen, bei der sie richtig Angst um Jacob bekam. Sein Herz wollte plötzlich nicht mehr schlagen. Nach einer viertel Stunde intensiven Kampfes, von Doktor Anderson, Mai und Otto, schlug Jacobs Herz wieder ganz normal. So, als wenn nichts gewesen wäre. Das Schlimmste schien Jacob also überstanden. Anna konnte wieder hoffen. Einen und einen halben Tag verschlief Jacob noch, bis er am 21. Februar 1959, erholt aufwachte. Also genau eine Woche nach der Geburt der Kinder. Es war kurz nach 6 Uhr in der Früh, als Schwester Ingrid nach ihrem Patienten sah. Im selben Moment schlug Jacob die Augen auf und sah seine Stationsschwester
verwundert an. "Guten Morgen Ingrid. Wieso bin ich denn hier auf der 1/gelb?", wollte er wissen. Schwester Ingrid sah ihn überrascht an. "Äääähhh … wie soll ich das erklären. Ich hole Anderson, aber nicht wieder ausreißen …", bekam der verwunderte Jacob zuhören und setzte sich im Bett auf. "… diesmal bleiben sie aber in Bett liegen, Herr Doktor. Ich rufe Anderson sofort an, der erklärt ihnen alles", wandte sich Ingrid nochmals an Jacob. Sprach noch einmal die Bitte aus hier zu bleiben, statt dem Chefarzt eine richtige Antwort auf dessen Frage zu geben. "Ja ich bleib hier", verwundert sah Jacob der davon eilenden Schwester nach. Er setzte sich auf und überlegte krampfhaft wie er auf die Krankenstation gekommen war. Kaum eine Minute später erschien Anderson auf der Krankenstation, der gerade von der Nachtschicht aus der 6/blau kam und nach Jacob sehen wollte.
Er wurde bereits von Schwester Ingrid erwartet und mit den Worten begrüßt. "Der Chef ist gerade munter geworden. Ich glaube nicht, dass der etwas, von seinem Ausflug weiß", erklärte sie Anderson leise. Der konnte sich vorstellen, dass Jacob keinerlei Erinnerung an das Vorgefallene besaß. Innerlich grinsend betrat er das Krankenzimmer, in dem Jacob grübelnd im Bett saß. "Guten Morgen Fritz. Na wie geht es dir? Wieder besser?" Der Chefarzt nickte. Sah Anderson allerdings fragend an. "Ging es mir denn schlecht? Wieso bin ich eigentlich hier? Ich hab doch bei mir oben geschlafen", völlig irritiert schaute er seinen Kollegen an. "Fritz, bevor ich dir irgendetwas erkläre, kannst du mir bitte eins erklären, weil ich es einfach nicht verstehen kann. Warum hast du dir einen Medikamentencocktail aus Diprivan,
Disoprivan, aber auch aus Ernsdolor gespritzt hast, ohne uns etwas zu sagen? Du bist dir schon drüber im Klaren, dass dies hätte tüchtig ins Auge gehen können", schimpfte Anderson erst einmal mit seinem Freund und Kollegen. Seufzend holte Jacob Luft. "Jim ich weiß. Aber ich konnte gestern einfach nicht mehr. Allerdings habe ich mir doch nur Diprivan gespritzt. Nicht mal die Hälfte von dem, was ich hätte spritzen können. Ich wollte einfach nicht mehr nachdenken, nur schlafen. Kannst du das nicht verstehen? Klar, normalerweise hätte ich euch Bescheid sagen müssen. Aber gestern ging einfach nichts mehr bei mir. Als ich dort unten die Käfige sah, das war einfach zu viel. Verstehst du. Ich hab doch nicht so um diese Kinder gekämpft, um sie jetzt in Käfige einzusperren. Am liebsten wäre ich runter gefahren, in die Turnhalle und hätte allen eine Spritze gegeben, um dieses unmenschliche Projekt zu beenden. Bevor ich aber noch mehr
Morde auf mein Gewissen lade, dachte ich "Spritze dich lieber selber down, dann kannst du wenigstens keinen Blödsinn machen."" Jacobs Gesicht sprach Bände. Anderson der sich sehr wohl denken konnte, was in seinem Chefarzt vor sich ging, nickte zu dessen Ausbruch. "Das mag sein, Fritz. Aber du hast dir nicht die Hälfte, sondern die dreifache Menge von dem gespritzt, was du hättest dürfen. Damit hättest du einen Elefanten ins Reich der Träume geschickt. Ich hab dir zwei Tage später Blut abgenommen, weil du so gar nicht munter zu bekommen warst. Du hattest noch so viel Diprivan, Disoprivan, aber auch aus Ernsdolor im Blut, dass man damit noch eine ganze Kompanie, hättet schlafen legen können", bitter sah Anderson, den völlig irritierten wirkenden Jacob an. Drehte sich zu der Stationsschwester um. "Schwester Ingrid, bringen sie mir bitte mal die Krankenakte vom Chef. Speziell den
Laborbericht." "Mach ich Moment." "Sieh es dir selber an Fritz, wenn du es mir nicht glaubst. Vor allem gestern, ist ein guter Witz. Vor zwei Tagen bist du mir hier kurz mal ausgerissen, um oben in der Mensa ein Schnitzel zu essen, was dann aber Heiko essen musste." Anderson unterbrach sich, weil Schwester Ingrid gerade die Krankenakte von Jacob brachte. Als Jacob dort hineinsah, verging ihm das Grinsen, die Werte die er im Laborbericht vom 16. Februar las, waren für den in der Anästhesie erfahrenen Arzt erschreckend. So einen Medikamentencocktail hätte er sich nie gespritzt, vor allem niemals Ernsdolor, ein Mittel was er verabscheut. Ungläubig sah er zu Anderson hoch. Dann blickte der Chefarzt noch einmal in die Krankenakte, stellte mit einem entsetzen Blick fest, dass heute wirklich schon der 21. Februar war. Er also genau eine Woche geschlafen hatte. Mit einer gehörigen Portion
Sarkasmus, brachte er zum Ausdruck, was er gerade fühlte. "Na, wenigstens habe ich jetzt ausgeschlafen. Was habe ich noch so alles angestellt?", wollte er jetzt wissen. Anderson, wie auch Schwester Ingrid, musste jetzt doch lachen, aber auch der gerade das Krankenzimmer betretende Mayer. "Na du erst noch. Viel war mit dir ja nicht anzufangen. Außer, dass du schlafwandelnd, die Küchenleute zum Schnitzel braten angestiftet hast und dann zurück in dein Bett gegangen bist, um weiterzuschlafen, war ja nicht viel los mit dir. Deine ganze Arbeit mussten wir mitmachen, weil du einfach eine ganze Woche verschlafen hast. Du hast außer lautstarkem Schnarchen, das man sogar unten auf der 6/blau noch hörte, nichts weiter angestellt", erklärt Mayer, immer noch lachend, seinem Freund. "Man bin ich froh, dass du wieder munter bist. Wie hältst du nur diese Nervensägen von Ärzten und Schwestern, den ganzen Tag aus. Mein Gott, habe ich deinen
Job unterschätzt", gesteht Mayer immer noch stänkernd, seinem Chefarzt. Aber er zwinkerte Anderson und Schwester Ingrid zu. "Ich dachte immer meine Leute wären anstrengend, Fritz. Aber gegen deine, sind das die reinsten Engel." Jacob ging auf Mayers Ton ein und konterte. "Tja Sigmar, da gehört ein dickes Fell dazu. Aber man gewöhnt sich daran. So jetzt will ich wissen, wie es meinen Kindern geht, dann will ich wirklich mein Schnitzel haben und diesmal futtert das mir keiner weg", erklärte Jacob, nun auch breit grinsend. Nach dem er sich von seinem ersten Schreck erholt hatte und ihm bewusst wurde, dass er verdammt viel Glück und eine Kompanie Schutzengel sein eigen nennen konnte. Nur gut, dass er so ein gesundes Herz besaß. Aber es lohnt sich nicht darüber nachzudenken, es war nun mal geschehen, er hat Glück gehabt. Anderson sah Mayer an, als dieser nickte erklärte er. "Tja, ich denke das solltest du dir selber
ansehen. Mit Worten kann man das nicht beschreiben. Ingrid bestelle bitte ein Taxi, für unseren Chef", diese nickte, verließ den Raum. Mayer wandte sich an Jacob. "Fritz, das ist jetzt ein Befehl, der mit Anderson abgesprochen ist. Wenn du dich daran nicht hältst, lasse ich dich in ein Krankenhaus einweisen, dann dauert es mindestens einen Monat, bis du wieder hier bist", jetzt muss Jacob herzhaft lachen, weil ihm bewusst wurde das er ähnlich Worte benutzte, als Mayer im Dezember zusammengebrochen war. "Ja Chef, ich bin ganz tolle artig", Jacob zog dabei ein Gesicht, das zum Schreien komisch aussah. "Sag mir aber bitte erst einmal, was du mir den eigentlich befehlen willst, Sigmar?", wandte er sich fragend an Mayer. Jetzt musste dieser auch lachen, wurde ihm doch bewusst, dass er noch gar nicht gesagt hatte, was er wollte. "Ist in Ordnung Fritz. Man merkt, dass es dir
wieder besser geht. Mit dir kann man wieder normal reden. Also hör zu. Du fährst jetzt runter auf die 6/blau, siehst dir die Kinder kurz, damit meine ich auch nur kurz, an. Danach fährst du wieder hier hoch. Im Anschluss bekommst du dein Schnitzel, bleibst noch bis heute Abend hier. Ich möchte, dass du zum Abendessen hoch in die Mensa gehst. Bekommt dir das, darfst du morgen vier Stunden arbeiten. Übermorgen sechs dann acht Stunden. Hast du das verstanden? Das ist mit den Ärzten so abgesprochen. Es sind noch alle hier. Die Versammlung machen wir am Montag dem 23. März um Punkt 9 Uhr. Es werden die verabschiedet die gehen müssen, die anderen werden neu eingeteilt. Das ist mit Hunsinger so abgesprochen. Der war tüchtig erschrocken. Korpus muss dich wohl, bei Hunsinger verpetzt haben. Der rief mich erschrocken an und wollte von mir wissen: Was ICH mit DIR gemacht hätte? Korpus hätte ihm erzählt, du sähest aus
wie der Tod auf Latschen. Ob mir nicht klar wäre, dass ohne dich dieses ganze Projekt den Bach runter geht. Wieso ich das nicht verhindert hätte und so weiter und so fort. Ich kann dir sagen, daraufhin hatte ich ein sehr böses Gespräch mit Hunsinger. Erklärte ihm, was hier eigentlich wirklich los ist. Ich empfahl ihm dringend, dass er bevor er große Töne von sich gäbe, solle er seinen fetten Arsch hier her bewegen, um sich diese Sauerei mal selber anzusehen. Na auch einige andere sehr böse und gemeine Dinge, hab ich ihm an den Kopf geschmissen. Glaube mir eins, ich war mehr als nur wütend. Ilka hat sich weinend an Reimund geklammert, so habe ich geschrien. Ich habe im Anschluss fast zwei Stunden gebraucht, um meine Kleine davon zu überzeugen, dass ich nicht mit ihr böse war. Seit dem geht mir Hunsinger, aus dem Weg und ich habe meine Ruhe. Jedenfalls soll ich dafür sorgen, dass du dich richtig erholst. Solange wurde das Projekt
gestoppt. Selbst die Leute aus dem Genlabor, hat Hunsinger zurück gepfiffen. Das will schon etwas heißen", beendete Mayer seine für ihn ungewohnt lange Rede. Aber seine Augen funkelten und es schien ihm großen Spaß gemacht zu haben, Hunsinger mal richtig Parole zu bieten. Jacob hörte mit immer größerem Unwohlsein zu. "Oh je, jetzt hast du schon wieder wegen mir Ärger?", wollte Jacob beunruhigt wissen. "Nööö, nicht wegen dir, Fritz. Nur wegen mir. Aber mach dir keine Sorgen. Hunsinger weiß, dass er nicht noch mal so einen Trottel wie mich findet. Der beruhigt sich schon wieder. Werde erst einmal gesund, dann erzähle ich dir alles." In diesem Moment kam Heiko. "Hier wurde ein Taxi bestellt", meldete er sich an. "Guten Morgen Fritz. Na endlich ausgeschlafen? Ich dachte schon du machst einen verspäteten Winterschlaf." Jacob schüttelte den Kopf. "Nein, aber viel
hätte nicht gefehlt. Sag mal Sigmar, darf ich ganz unverschämt sein?" Mayer schüttelte kategorisch mit dem Kopf. "Nein", sagte er mit erster Stimme, der man allerdings das Lachen anmerkte. "Schade, da muss ich wohl verhungern. Ich wollte ja nur fragen, ob ich vor den Kindern noch frühstücken gehen kann", jetzt musste Mayer breit grinsen. Das konnte er sich jetzt nicht verkneifen. Er konnte sich vorstellen, dass sein Chefarzt großen Hunger hatte. "Na gut, dann werde ich halt mal nicht so sein. Ein verhungerter Chefarzt, nutzt mir ja nichts. Geht erst einmal frühstücken, dann bekommst du eine Stunde für die Kinder und dann ab ins Bett. Sorry ich muss dann wieder. Wir sehen uns heute Abend, bis später Fritz." Lachend zog sich Jacob an. Mayer verschwand schon wieder durch die Tür. "Jawohl, Herr Vizegeneral", rief ihm Jacob hinterher und salutierte. Keine zwei Minuten nach Mayer,
fuhren Corsten, Anderson, Schwester Ingrid und Jacob zusammen, hoch in die Mensa. Kaum dass Jacob die Mensa betreten hatte, kam Anna auf ihn zu gerannt. Die gerade ebenfalls in die Mensa gekommen war, um zu Frühstücken. "Ach bin ich froh, dass du wieder auf den Beinen bist", kam es ganz spontan aus ihrem Mund. Sie traut sich aber nicht Jacob zu umarmen. Zu gut war ihr die Szene, von vor einer Woche, unten in der Turnhalle noch in Erinnerung. Jacob zog seine Anna an sich heran, gab ihr erst einmal einen Kuss. Zusammen mit Anna lief er zu ihrem Tisch, an dem schon alle versammelt waren. "Guten Morgen alle zusammen, ich hoffe ihr habt gut geschlafen. Geht es euch gut?", sagte er wie immer mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Auch wenn er noch unrasiert, mit einem sieben Tage alten Bart am Tisch erschien, sah man, dass es ihm gut ging. Die zum Schluss fast schwarzen Augenringe waren gänzlich
verschwunden. Jacob besaß wieder eine fast normale Gesichtsfarbe, auch wenn er noch etwas blass aussah. Vor allem war sein strahlendes Lächeln wieder da, das immer für ein gutes Arbeitsklima sorgte. "Na Chef, wenn wir dich so lachend sehen, vor allem so ausgeschlafen, dann kann es uns doch nur gut gehen", sprach Doktor Mai aus, was die anderen dachten, der neben Anderson, einer der besten Ärzte des Teams war. Walli sah den Chefarzt an. "Wir haben uns so gesorgt Herr Doktor." Die Schwestern nickten alle. "Oh, das wollte ich nicht. Nun guckt doch nicht alle so. Kommt lasst uns Frühstücken, ich will hinter zu unseren Kindern. Gab es noch Probleme?", wollte Jacob wissen. Anderson griff durch und wandte sich an Jacob, mit der Bitte um Geduld. "Fritz, bitte du isst erst einmal, dann machen wir zusammen eine kleine Visite versprochen. Doris sagen sie
hinten bitte mal Bescheid, dass der Chef dann…" Anderson sah auf die Uhr, die über der Tür der Mensa hing, diese zeigt 6 Uhr 32 an. "… um 7 Uhr 30 eine kleine Visite macht, die sollen alles vorbereiten." Doris nickte und stand auf, ging an die Bar. Auf dem Tresen stand immer ein Telefon und rief unten in der 6/blau an, um der Frühschicht Bescheid zu geben. Gemeinsam frühstückte Jacob mit seiner Nachtschicht. Eigenartiger weise, ging Anderson jedes Mal dazwischen, wenn jemand das Thema Kinder ansprechen wollte. "Sag mal Jim, was stimmt mit den Kindern nicht, dass mir hier keiner etwas sagen darf", verstimmt fragte das Jacob. Er schob seine nicht mal halb aufgegessene Semmel von sich weg. Der Chefarzt machte sich Sorgen, um seine Kinder. Weil er einfach nichts über die Kleine erfuhr. Deshalb war ihm der Appetit vergangen. Er mochte nichts mehr essen.
"Fritz, mit den Kindern ist alles in Ordnung. Wenn du nicht wenigstens eine Semmel isst, bringe ich dich wieder auf die Krankenstation. Fritz bitte, du hast seit einer Woche nichts gegessen. Also sein ein vernünftiger Arzt und esse etwas. Dann fahren wir runter. Dass ich nicht zulasse, dass man über die Kinder spricht, hat einfach etwas damit zu tun, weil ich dich überraschen will. Das geht aber nicht, wenn diese Bande hier ihre Klappe nicht hält. Also mit den Kindern ist alles in allerbester Ordnung. Die gedeihen prächtiger, als du dir das in deinen kühnsten Träumen vorstellen kannst. Walter nun hilf mir doch mal." Hilfesuchend sah er zu Zolger. Der nickte erst einmal nur, da er erst noch herunter schlucken musste. "Fritz, glaube Jim einfach. Es ist wirklich alles in Ordnung. Du wirst staunen. Also komme esse etwas, dann fahren wir nach unten."
Jacob nickte zustimmend und ergab sich seinem Schicksal. Er nahm seine Semmel und aß diese auf. Er wollte nach unten zu seinen Kindern, vor allem musste er nach Annas und seinem Liebling sehen, der kleinen 98. Um diese machte er sich die meisten Sorgen. Dann sah er Zolger an, meinte trocken wie es oft seine Art war. "Walter, du solltest aber auch mal wieder zum Matratzenhorchdienst. Du siehst verdammt müde aus." Zolger winkte ab. "Ich habe heute Nacht durchgearbeitet, weil ich etwas herausbekommen wollte. Ist nicht tragisch, sonst war ich brav im Bett", sagte der wissenschaftliche Laborleiter, ohne sich der Zweideutigkeit dieses Satzes bewusst zu werden. Lachend sahen ihn alle an. "Du bist doch immer brav im Bett." Flutschte es Pia aus dem Mund und schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund. Allerdings musste sie dabei lachen. Da alle wussten, dass Zolger allen Frauen aus dem
Weg ging. Pia die oft mit dem Laborleuten zusammen arbeitete, da sie ein unwahrscheinliches Fachwissen auf diesem Gebiet besaß, mochte diesen netten Wissenschaftler sehr. Sie hatte schon sehr viel von ihm gelernt. Jacob wechselte das Thema, eine andere Sache lag ihm noch auf der Seele. "Sagt mal habt ihr die anderen Kinder schon beerdigt." erkundigte er leise und starrte mit einem Mal trübselig in seine Tasse. Es war ein Thema über das er eigentlich nicht reden wollte. Anderson schüttelte den Kopf. "Nein Fritz, wir dachten wir sollten sie genauestens untersuchen. Damit wir herausbekommen, was schief gegangen ist. Die liegen noch alle in der Kühleinheit bei Walter im Labor. Damit sie erhalten bleiben." Dankbar sah Jacob seinen Kollegen an. Auch wenn ihm das Thema nicht besonders gefiel, er musste unbedingt wissen, was bei diesen Kindern schief gelaufen war. Dies konnte er aber
nur, durch eine genaue Autopsie herausbekommen. Vor allem brauchte er die Obduktion der Kinderleichen dazu, die Physiologie der lebenden Kinder besser zu verstehen. Denn vieles war bei diesen kleinen Wesen anders, als bei normalen Menschen. Nur so konnte er im Krankheitsfall den lebenden Kindern wirklich helfen. Zolger sah Anderson fragend an, weil er sich nicht schlüssig war, ob er das jetzt schon einige Details ansprechen sollte. Anderson schüttelte kaum merklich den Kopf, also schwieg Zolger. Kurz nach 7 Uhr waren alle fertig mit Frühstücken. Also beschloss man nach unten, in die 6/blau zu fahren. Als Jacob laufen wollte, schüttelten alle den Kopf. Auch wenn es ihm wieder einigermaßen gut ging, sollte er sich noch ein wenig schonen. "Fritz, du hast jetzt eine Woche gelegen, musst dann unten auf der 6/blau noch fast eine Stunde stehen, das wird zu viel. Geh es langsam an.
Bitte." Zolger sah den Freund ernst an, da nickte Jacob. Anderson hatte ja Recht. "Also holt ein Taxi", bat er deshalb kurz entschlossen. Das Taxi fuhr jedoch gerade vor. Heiko sollte seinen Freund abholen, war von Mayer extra geschickt wurden. "Na, dann komm mal", rief er schon von weitem. Kaum dass er das Fahrzeug zu Stehen gebracht hatten, saßen die Ärzte, aber auch die Schwestern der Nachtschicht auf: eng gedrängt, stapelten sie sich auf dem völlig überladenen Wagen. So fuhren alle lachend, sogar singend nach unten auf die 6/blau. Lange hatten die meisten, der auf dem Wagen sitzenden, nicht mehr so einen Spaß gehabt. Es tat allen gut. Keiner wollten sich entgehen lassen zu sehen, wie Jacob über die Kinder staunen würde. Alle waren auf das Gesicht des Chefarztes gespannt. Es war 7 Uhr 12, als das lärmende Taxi vor dem Kinderzimmer hielt. Als Jacob die Tür öffnete und den Raum betrat, traute er seinen Augen
nicht. Was er da erblickte, ließ den Chefarzt ruckartig stehen bleiben. So dass die ihm nachfolgenden, auf ihn aufliefen. Kurz schloss er seine Augen, schüttelte ungläubig den Kopf. Das zweite Mal öffnete er sie ganz langsam und sah sich noch einmal um. Fassungslos drehte er sich zu Anderson und Zolger um. "Das gibt es doch nicht, das sind doch nicht unsere Kinder." Die beiden Ärzte wie auch Anna und die übrigen Schwestern nickten. "Doch Fritz, das sind unsere Kinder", gaben ihn alle zu verstehen. Jacob schüttelte fassungslos den Kopf, er konnte nicht glauben, was er da sah. In den Käfigen lagen keine schreienden hilflosen Säuglinge mehr, sondern saßen und krabbelten Kleinkinder, im geschätzten Alter, von ungefähr fünf bis sechs Monaten. "Das gibt es doch nicht. Die sind doch erst eine Woche alt, wieso sind die so gewachsen?",
fragend sah er auf Zolger. "Fritz, ich kann dir das nicht so genau erklären. Ich versuche das seit einer Woche herauszubekommen. Gestern Nacht kam mir eine Idee. Das ist der Grund, weshalb ich so müde aussehe. Ich habe die ganze Nacht durchgearbeitet. Aber es hat sich gelohnt. Ich erkläre dir das im Labor einmal in Ruhe, jetzt bloß mal kurz umrissen. Ich habe noch einmal, einige der Fruchtwasserproben untersucht. Die haben einen Wachstumshemmer hineingemischt, um die Föten langsamer wachsen zu lassen. Als ich das feststellte habe ich die Proben von den Kindern untersucht, die nicht so gewachsen sind, wie sie sollten - vor allem von der kleinen 98 …", erklärte Zolger. Dabei rieb er sich nervös seinen verspannten Nacken und sah fragend auf Anderson. Er war sich nicht schlüssig, ob er Jacob gleich reinen Wein einschätzen sollte. Als sein Kollege ihm aber aufmunternd zunickte, fuhr er in seinen
Erklärungen fort. "… Du weißt Fritz, ich konnte die ganze Zeit nicht verstehen, dass die Kleine auf einmal nicht mehr gewachsen ist. Sie gehörte immer zu den Favoriten der Serie 9. Sie hätte eine der größten dieser Serie werden können. Dieser Hemmstoff ist in allen Proben enthalten, nur in verschieden hoher Konzentration. Wenn man die niedrigste Probe von Nummer 91 als Basis nimmt, hat zum Beispiel die Nummer 6, der Kleinste bei den ganzen Geburten, dreihundertsiebenundvierzig Prozent mehr Hemmer als die 91. Bei deinem Liebling, der Nummer 98, sind es zweihundertdrei Prozent mehr. Bei der Nummer 90 waren es nur vierunddreißig Prozent." Völlig irritiert und fassungslos sah Jacob seinen Laborleiter an, weil er diesem nicht ganz folgen konnte. "Walter, wie soll das denn gehen?" "Fritz, ich denke bei einigen der Kinder wurde etwas nach gespritzt. Das Fruchtwasser von den Kindern die nicht in der Norm lagen, wurde in
meinen Augen durch das Zusetzen von bestimmten Inhaltsstoffen sabotiert. Ich bat Mayer deshalb darum, das Quartiert von März zu kontrollieren. Dort fand man eben Restspuren dieses Stoffes. In dessen Labor befand sich noch ein Behälter, mit diesem Hemmer, das wurde ja noch nicht geräumt. Ebenfalls fanden wir diesen Hemmstoff im Quartier von Richter. Also der beiden Serien die am schlechtesten betreut waren und wie wir jetzt wissen extrem sabotiert wurden. Richter und März haben ihre eigenen Serien kaputt gemacht. Ebenfalls waren die Konzentrationen sehr hoch in den Serien 5, 6 und 7, wo es die meisten Ausfälle gab. Dort waren ja viele Kinder nur durch etwas Schummelei durchgekommen. Wir haben heute Nacht mit den zuständigen Ärzten schon sehr intensive Gespräche geführt. Auch wurden deren Quartiere genauestens untersucht und zwar alle zeitgleich. Aber diese Ärzte sind unschuldig, die hatten keine Ahnung
davon, was da gelaufen war…" Tief holte Zolger Luft und hoffte die richtigen Worte zu finden. Der Chefarzt und Freund tat ihm in der Seele leid. "… Es hat sich bei den Verhören folgendes herausgestellt. März und Richter wurden damit von einer Person oder Organisation damit beauftragt, dieses Projekt zu sabotieren. Von wem wissen wir noch nicht. Aber es gibt da bereits einige Vermutungen. März und Richter bekamen diesen sehr schwer herzustellenden Hemmstoff geliefert oder haben diesen schon mit ins Projekt gebracht, das wissen wir noch nicht genau. Sie haben in ihren ersten Schichten, wirklich allen Kindern diesen Hemmer verabreicht ...", sich die Haare raufend erklärte Zolger weiter, ohne auf Jacob zu achten, da er selber völlig wütend war. "... auch bei Nummer 91, die ich als Normal-Basis bei meinen Berechnungen angesetzte, befand sich fünfzig Prozent mehr Wachstumshemmer im Furchtwasser, als sie hätte haben dürfte. Einer
der Mitarbeiter aus dem Institut, rief mich von einer Stunde an und glich die Werte mit mir ab. Er war schockiert", traurig schüttelte Zolger den Kopf. "Damit konnten wir doch nicht rechnen, Fritz. Aber es kommt noch schlimmer. Einige der Kinder sprachen auf dieses Mittel nicht so an, wie es sich die Herren März und Richter sich das vorgestellt haben", wütend sah Zolger seinen Freund und den Chefarzt des Projektes an. Man merkte Zolger an, wie sehr er sich kaum noch beherrschen konnte, um weiter ruhig sprechen zu können. "Da begannen diese Verbrecher mit anderen Sachen zu experimentieren. Frag mich nicht wie, aber sie haben es geschafft bei einigen der Kinder, wie der 6 oder 62 und der 90, genetische Veränderungen herbeizuführen. Ich denke, die haben mit radioaktiven Isotopen oder biochemischen Substanzen experimentiert. Diese Substanzen wurden von ihnen nachweislich bestellt. Ich vermute allerdings, sie haben das
eher durch die Verabreichung von biochemischen Substanzen erreicht. Das wäre für mich die Erklärung die ich am ehesten begreifen würde. Ich konnte mir nämlich nicht erklären, wie es möglich war, dass Kinder mit genetischen Defekten, wie eine verkrüppelte Hand oder wie die Nummer 90 mit der Huntington-Krankheit, überhaupt so weit gekommen war, um an dem Projekt teilzunehmen oder die Kleine 62 mit ALS. Die Fehlbildungen und auch diese Erkrankungen, hätte man im Frühstadium des Fötus schon bemerkt. Der Defekt im DNS Strang war deutlich erkennbar. Schon in der ersten Zellteilungsphase, hätten diese Kinder normalerweise, aussortiert werden müssen. Bei Nummer 98 habe ich extrem hohe Konzentrationen, von diesem Wachstumshemmer nicht nur im Fruchtwasser gefunden, sondern auch im Blut gefunden. Die Konzentration muss, wenn ich das durchrechne, teilweise bei achthundert bis achthundertfünfzig Prozent
gelegen haben. Sie wird nie ihre normale Größe erreichen. Sie wird gegen die Anderen immer ein Zwerg bleiben. Aus diesem Grund ist sie auf einmal nicht mehr gewachsen. Dadurch, dass Anna fast ständig bei der Kleinen und der Neuner Serie zu finden war, konnten die beiden netten Herren nicht mehr an die Kleine herankommen. Dadurch ist der Neuner Serie größerer Schaden erspart geblieben." Zolger legte Jacob beruhigend die Hand auf die Schulter. Als er mitbekam, was seine Worte bei Jacob anrichteten. Der Chefarzt fing plötzlich am ganzen Körper zu zittern an und schwer zu atmen. "Komm beruhigte dich Fritz. Hunsinger wurde schon darüber informiert. Wir wussten ja nicht, wann du aufwachst. Die beiden Ärzte bekommen ein Verfahren wegen Sabotage, Mordes in siebzehn Fällen und wegen schwerer Körperverletzung in einem Fall, vor dem Militärtribunal. Die kommen da nicht nur mit
einem blauen Auge davon. Hunsinger war fassungslos, genau wie ich, als ich das gestern Nacht herausbekommen habe. Ich habe ihn heute Nacht um 3 Uhr aus dem Bett geholt." Völlig am Boden zerstört starrte Jacob, den wissenschaftlichen Leiter an. "Das ist nicht dein Ernst, Walter. Keines der Kinder hätte sterben müssen ...", Jacob rang krampfhaft nach Luft. "... ich hätte keines der Kinder töten müssen." Schwankend stand Jacob da und starrte Zolger wie ein Alien an. Plötzlich krallte er sich an Andersons Schulter fest, da seine Bein unter ihm nachgaben. Walli die Angst bekam, dass ihr Chef gleich zusammen klappen würde, lief und holte einen Stuhl. Sie schob ihn Jacob einfach in die Knie, so dass dieser sich setzen musste. Als Anna ihn in den Arm nehmen wollte, stieß er diese von sich. Also zog sich Anna von ihm zurück. Jacob verlor völlig die Fassung. So sehr hatte er um das Leben seiner Kinder gekämpft. Egal wie sehr er sich auch bemühte, seine
Emotionen wieder unter Kontrolle zu bringen, er schaffte es einfach nicht. Anderson, der genau wie die anderen ahnte, was in seinem Chef vor sich ging, hockte sich vor dessen Stuhl. "Fritz, keiner von uns kann sich vorstellen, durch welche Hölle du gerade gehst. Wir haben den völlig falschen Zeitpunkt gewählt, um dir das zu sagen. Aber es hilft dir nicht, wenn wir dir das verschweigen. Irgendwann, findest du das auch alleine heraus und dann rastest du aus, weil wir dir das verschwiegen haben. Es gibt dafür keinen richtigen Zeitpunkt. Deshalb lieber jetzt gleich. Spätestens, wenn du die toten Kinder obduzierst, hättest du es von alleine herausgefunden. Bitte Fritz, wir wussten einfach nicht, wie wir das dir hätten schonender beibringen sollen." Anderson blickte besorgt zu Jacob. "Deshalb dachten wir, dass wir dir das gleich sagen. Hier kannst du dich über die Kleine freuen und es fällt dir nicht so schwer diese Tatsache zu akzeptieren. Walter hat mir das
auch erst vor drei Stunden mitgeteilt. Aber es hilft nichts. Was geschehen ist, ist geschehen. Wichtig ist doch nur eins. Dass unsere Kinder gut gedeihen und das trotz all der Sabotageversuche. Das haben sie nur dir zu verdanken. Sieh dir die kleinen Spatzen an. Komm diese Sache können wir nicht mehr ändern. Freue dich, an denen die leben. Die Kleinen haben sich so super heraus gemacht. Vor allem dein Liebling, komm mit nach hinten zu Nummer 98. Bitte Fritz lass nicht zu, dass dich diese Sache zerstört." Traurig sah Anderson zu seinem Kollegen, der ihm vor dem Schlimmsten bewahrte, was er sich als Arzt vorstellen konnte. Er selber grübelte seit einer Woche darüber nach, wie er damit wohl klar gekommen wäre, seine nicht in der Norm liegenden Kinder zu töten. Anderson wusste es nicht. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass er mit dem Töten der Kinder klar gekommen wäre und ob er damit hätte
weiter leben können. Er bewunderte Jacob für seinen Mut dieses Opfer auf sich genommen zu haben. Jacob war jedoch im Moment gar nicht mehr ansprechbar. Tränen des Kummers, aber auch des Hasses und der Wut tropfen einfach auf den Boden vor seine Füße. Sein Herz raste wie verrückt und er hatte das Gefühl, dass Schraubzwingen verhinderten, dass er weiter atmen konnte. Der Hass auf diese gewissenlosen Kollegen, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er hatten nicht schlecht Lust seine Mordlust an diesen beiden Unmenschen auszulassen. Die Informationen von Zolger, brachten seine ganze gerade wiedergefunden Ruhe durcheinander. Sie drängten ihn wieder an den Abgrund, vor dem er genau vor sieben Tagen schon einmal gestanden hatte. Ihm wurde plötzlich bewusst, warum er sich Diprivan spritzte. Er war sich darüber im Klaren, dass er eigentlich mit den Gedanken spielt hatte, dies alles hier zu beenden. Dass er,
den Kindern folgen wollte, die durch seine Hand gestorben waren. Er war einen kurzen Moment lang der Meinung, dass er kein Recht hatte weiter zu leben, nach so vielen Morden. Fast im gleichen Moment wurde ihm aber auch klar, dass er auch eine Verantwortung übernehmen musste. Deshalb hatte er zwei Drittel des Mittels Diprivan wieder zurück in die Ampulle drückte. Ihm war bewusst, dass die noch lebenden Kinder ihn jetzt mehr denn je brauchten. Er konnte sich seiner Verantwortung nicht einfach entziehen. In Jacobs Kopf drehten sich plötzlich alle Räder und es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Er hatte es nur Anderson zu verdanken hatte, dass er heute noch lebte. Wenn dieser ihm nicht das Gegenmittel gespritzt hätte, wären Richter und März erfolgreich gewesen. Der Hass den er auf diese beiden Männer hatte, wurde mit jeder Sekunde größer. Jacob beschloss für sich, dass er alles in seiner Macht stehende tun würde, damit es seinen Kindern gut ging. Niemand hatte
die Macht ihn daran zu hindern, seine Kinder zu beschützen. Egal wie viele Mordanschläge sie noch unternahmen. Jacob nahm sich vor gleich morgen mit Mayer über seinen Verdacht sprechen. Kein März, kein Richter und wer auch sonst noch im Projekt für die Sabotage verantwortlich war, würde nochmals eine Chance dazu bekommen. Eine unsagbare Wut stieg in ihm hoch, auf März und auf Richter. Er konnte es nicht steuern. Wären diese beiden Menschen nicht gewesen, nähme jetzt nicht dieses verdammte Gefühl, ein Mörder zu sein, von ihm Besitz. Jacob musste an die frische Luft. Er hatte einfach Angst seine Wut an jemanden auszulassen, der nichts dafür konnte. Deshalb sprang er urplötzlich auf und verließ fluchtartig den Raum. Der Stuhl, auf dem er gerade gesessen hatte, flog im hohen Bogen nach hinten weg. Als ihn jemand festhalten wollte, drehte er sich einfach aus dessen Griff. Er musste hier weg, musste allein sein mit
seinem Hass. Bevor er etwas tat, dass er hinterher bereute. Ihm war in diesem Augenblick egal, was die Kollegen von ihm dachten. Laut knallte die Tür hinter dem Chefarzt ins Schloss. Jacob wollte und musste erst einmal mit sich selber ins Reine kommen. Das konnte er hier in diesem Raum nicht, in dem ihn alles an sein Versagen und die Morde erinnerte. Jacob gab sich einen großen Teil der Schuld. Er hatte nicht genügend auf seinen Bauch gehört und seine Kinder im Stich gelassen. Wäre es nicht seine Pflicht gewesen, diesen beiden Ärzten mehr auf die Finger zu schauen? Er hatte die ganze Zeit geahnt, dass mit diesen Herren etwas nicht stimmte. Wie oft hatte er sich gefragt, wie Richter und März ihre Approbation zum Arzt geschafft hatten. Wie oft hatte es ihn aufgeregt, dass viele der Schwestern ein höheres Fachwissen hatten, als diese beiden Ärzte. Hätte er mit mehr Obacht, verhindern können, dass so viele Kinder sterben mussten?
Jacob lief, während ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, in den Park hinaus und im hohen Tempo auf der Wachstraße, einmal um das Gelände. Er musste sich aus powern. Auch wenn er wusste, dass dies in seiner momentanen Verfassung nicht gut war. Er musste seine Wut in etwas Nützliches verwandeln, in dem er sie in seine Beine schickte und in Kraft verwandelte. Das Laufen und die kalte Winterluft halfen ihm, seine aufgepeitschten Nerven zu beruhigen. Er lief bis er nicht mehr konnte. Beim Laufen konnte er schon immer sehr gut nachdenken und er fand Lösungen die ihm sonst nicht eingefallen wären. Jacob wurde mit jedem Meter den er lief bewusster, dass er dies alles nicht hätte verhindern können. Wie hätte er das auch machen sollen. Auf die Idee, dass jemand das Fruchtwasser der Embryonen im Nachhinein sabotieren würde, wäre niemand gekommen.
Schon gar nicht, dass man dem Fruchtwasser Wachstumshemmer zugesetzt konnte. Sie bekamen stets die Information, dass diese Fruchtwasser eine spezielle Zusammensetzung hätte, deren einzelne Positionen für sie unwichtig sein. Die Zusammensetzung würde ständig vom Institut überprüft. Mehrmals hatten Zolger und auch er, auf die Möglichkeit hingewiesen, dass etwas mit der Zusammensetzung nicht stimmen könnte und die Krämpfe der Kinder vielleicht davon kämen. Ihnen wurde immer wieder versichert, dass es diese Möglichkeit nicht gäbe, dass dies also nicht der Fall sein könnte. Eine Überprüfung durch Zolger wurde nicht ermöglicht. Schuld waren deshalb einzig und alleine die Wissenschaftler aus dem Institut, die mit ihrer Selbstherrlichkeit, solche Möglichkeiten ausschlossen und nicht mit offenen Karten spielten. Die ihnen dadurch die Möglichkeit der Kontrolle nahmen. Wirklich jedes kleine Detail
zum Projekt, mussten sich die Mitarbeiter deshalb selbst erkämpfen oder erarbeiten, das war verdammt mühsam. Die wenigen Informationen die sie vom Berliner Institut bekamen, waren schleppend und nichtssagend. Weder Zolger noch einen anderen seiner Kollegen traf die Schuld an dieser Sabotagemöglichkeit. Sie hätten dies alles nicht verhindern können. Nicht ohne die ehrliche Zusammenarbeit mit dem Institut. Jacob bog ab in den Park und setzte sich völlig geschafft auf eine Bank. Frierend lehnte er sich zurück und schaute nach oben in den Himmel. Dieser war glasklar und keine einzige Wolke war darauf zu sehen. Der Himmel strahlte ihm, in seinem schönsten Blau entgegen. So als würde nicht gerade Jacobs ganze Welt und sein Glaube zusammenbrechen. 'Wem konnte er in diesem Projekt noch vertrauen?' fragte er sich ernsthaft. 'Wurde er von allen wichtigen Stellen belogen?' Darüber musste er in einer ruhigen Minute noch
einmal nachdenken. Er gestand sich ein, dass er heute dazu nicht in der Lage war. Nach einem kurzen Augenblick stand Jacob wieder auf, es waren 12°C unter null und er war völlig verschwitzt vom Laufen, er musste nach oben in seine Wohnung gehen, denn er hatte nur seinen dünnen Overall an. Sonst riskierte er eine Lungenentzündung. Immer noch war seine Wut nicht völlig verraucht, am liebsten hätte er alles kurz und klein geschlagen. In seinem Labor fegte er wütend mit seiner Hand alles vom Tisch, was darauf stand. Bücher flogen durch den Raum, Reagenzgläser und einige Proben. Wütend nahm Jacob einen Stuhl, wollte diesen gerade in ein Regal schmeißen, als er sich besann. Mitten in der Bewegung hielt er innen und schüttelte über sich selber den Kopf. Fing er an durchzudrehen, dass er hier alles kurz und klein schlagen wollte. Erschrocken stellte er den Stuhl wieder hin und ließ sich darauf fallen. Fast eine Stunde saß er
wie versteinert auf diesen Stuhl und ging tief in sich. Langsam kam er wieder zur Besinnung und ging weiter in sein Büro. Er hat das Gefühl gleich durchzudrehen. Jacob war in diesem Moment alles zu viel. Am liebsten wäre ihm, er könnte seiner Wut freien Lauf lassen. Er würde am liebsten auch hier alles verwüsten. Aber wie sollte ihm das helfen? Es reichte schon, dass er sein Labor beinah zerstört hätte. Da fiel sein Blick auf seine Arzttasche, kurz entschlossen zog er sich eine kleine Menge Diprivan auf, ging damit in sein Schlafzimmer. Verwundert stellte er fest, dass das Fenster sperrangelweit offen war. Er schloss das Fenster, setzte sich auf sein Bett und injizierte sich die kleine Einschlafhilfe. Einfach um etwas Ruhe zu finden und um nicht noch mehr Blödsinn zu machen. Er hatte in diesem Moment Angst vor sich selber. Der Chefarzt konnte und musste mit dem Tod der Kinder leben. Seit zehn Monaten hatte er sich darauf einstellen können, dass dies nicht
leicht sein würde. Er war seinem Freund Walter dankbar dafür, dass er ihm keine Halbwahrheiten oder Lügen aufgetischt hatte. Ihm und Jim konnte er also vertrauen. Durch die Offenlegung der Wahrheit konnte er sich über seine wahre Verantwortung, hier im Projekt, im Klaren werden. Jacob hatte im Moment der Geburt der Kinder, auch die Verantwortung für die Lebenden übernommen. Es war nicht möglich, jetzt einfach alles hinzuschmeißen. Dann wäre er ein Verräter seiner eigenen Prinzipien. Allerdings musste er erst einmal, mit dem Hass auf Richter und März klar kommen, die all seine Bemühungen zunichte gemacht hatten. Kaum war der Kolben leer, legte er ihn auf den Nachttisch. Fast sofort fiel Jacob in einen betäubten Schlaf. Der ihm keine Möglichkeit des Nachdenkens mehr ließ. Die Wut, den Hass, vor allem aber den Schmerz um die toten Kinder, alles war
betäubt. Anderson, der sich wie alle anderen denken konnte, was in Jacob vor sich ging, gab einen klaren Befehl. "Leute, ihr lasst den Chef ab sofort in Ruhe! Jacob muss alleine mit diesen Fakten und dem Tod der Kinder klar kommen. Dabei kann ihm keiner helfen. Es wird ein paar Tage, vielleicht auch ein paar Wochen dauern. Lasst ihm die Zeit, die er braucht. Keiner dringt in ihn ein. Seid für ihn da, wenn er reden will. Sonst schneidet ihr dieses Thema nicht mehr an. Verstanden." Alle starrten auf die zugeschlagene Tür, durch die Jacob regelrecht geflüchtet war. Aber sie begriffen, dass Anderson recht hatte. Jacob würde seinen Weg alleine finden müssen. Dabei konnte ihm niemand helfen. Nur auffangen konnte man ihn. Klar kommen musste er damit alleine. Der Chefarzt war stark. Er würde das schaffen.
Wut stieg in einigen Mitarbeiter hoch, auf Zolger. Hätte der Wissenschaftler nicht wenigstens warten können, bis dass Jacob die Visite bei dem Kinder beendet hatte. Dann so ging es ihnen durch den Kopf, wäre der Chefarzt ganz anders in der Lage gewesen diese Informationen zu verarbeiten. Vor allem wäre der Schock über dieses Verbrechen, nicht ganz so hart gewesen. Er hätte sich an seinen Kindern wieder aufrichten können. Zolger ärgerte sich über Wahl des falschen Zeitpunktes, an dem er seinem Freund diese Informationen gab. Aber nun ging es nicht mehr zu ändern. Jacob würde sich schon beruhigen. Er war eine starke Persönlichkeit. Mit der Zeit würde er auch mit dieser Situation klar kommen, davon war Zolger überzeugt. Traurig stand Anna da und sah Jacob hinterer. Wie gern würde sie ihrem Schatz helfen. Allerdings wurde ihr auch bewusst, dass ihm
dabei keiner helfen konnten. Deshalb verlies Anna müde den Raum, um nach oben in ihr Quartier zu gehen. Die anderen Kollegen der Nachtschicht, verließen ebenfalls den Raum der Kinder, um sich hinzulegen. Anderson ging noch einmal zu Mayer und berichtete ihm von dem Vorgefallenen. Er wollte den Rat des Projektleiters und bat Mayer, sich um Jacob zu kümmern. Anderson musste dringend etwas schlafen. Trotzdem hatte aber keine richtige Ruhe. Er hatte Angst um Jacob. Da er wusste, dass die Beiden eng befreundet waren, wusste er seinen Chef in guten Händen. Vor allem, sollte die Wachmannschaft ein Auge auf Jacob werfen. Anderson zwar sicher, dass Jacob sich nicht noch einmal etwas antun würde. Auf der anderen Seite, konnte man den Leuten nur vor dem Kopf gucken und nicht hinein. Vorsicht war hier einfach Geboten. Keiner war in der Lage ins Innere des Chefarztes zu blicken. Mayer war der gleichen Meinung und versprach,
gleich noch einmal nach Jacob zu sehen. Er stand von seinem Schreibtisch auf, um hoch in Jacobs Quartier zu fahren. Er wollte vorsichtshalber nachsehen, ob mit dem Freund alles in Ordnung war. Er nickte Anderson kurz zu und lief nach hinten zum Haus 6. Allerdings wurde Mayer unterwegs einige Mal aufgehalten. Deshalb benötigte er fast zwei Stunden für diesen kurzen Weg. Oben an Jacobs Wohnungstür angekommen, überlegte er einen Augenblick ob er klingeln sollte. Dann zog er kurz entschlossen seine Karte, betrat Jacobs Wohnung, ohne sich bemerkbar zu machen. Mayer wollte den Freund nicht unnötig wecken und horchte in alle Räume. Es war alles ruhig. Vorsichtig öffnete er, auf der Suche nach Jacob, alle Zimmertüren. Er fand Jacob in seinem Schlafzimmer, auf dem Bett liegend und bei sperrangelweit geöffnetem Fenster. Das Gesicht war ins Kissen gedrückt, genau wie vor sieben Tagen. Als erstes schloss Mayer das Fenster.
Denn es war unangenehm kalt in dem Raum. Vorsichtig drehte er Jacob um und suchte unter dem Chefarzt nach einer Spritze. Er fand aber keine. Vorsichtshalber holte er aus Sorge, um Jacob, Doktor Anderson. "Doktor Anderson, kommen sie sofort hoch zu Fritz in die Wohnung. Ich weiß nicht ob hier alles in Ordnung ist. Mir wäre lieber, wenn sie sich Jacob selber einmal ansehen würden. Der Chefarzt atmet eigenartig, finde ich", Mayers Stimme klang besorgt. Anderson bestätigte, dass er gleich noch einmal kommt. Da auch er sich Sorgen um Jacob machte. "Ich komme sofort." Kaum zehn Minuten später, war Anderson an der Wohnungstür und schellte. Kaum dass Mayer geöffnet hatte, erkundigte er sich. "Genosse Major, hat er sich wieder etwas gespritzt?" Mayer zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. Es ist schwer unter einem schlafenden
Menschen etwas zu finden. Vor allem, wenn man ihn nicht zu sehr bewegen will. Ich habe Angst, dass ich ihn wecke, falls er nur schläft", erklärte Mayer, weshalb er sich nicht sicher war. "Genosse Major, am besten Walter schickt einen Laboranten hoch. Ich nehme Fritz sofort etwas Blut ab. Dann sind wir auf der sicheren Seite und wissen wir Bescheid." "In Ordnung." Mayer lief zum nächsten Telefon, das sich im Büro von Jacob befand, um Zolger anzurufen. Hier entdeckte er die offenen Arztasche und das daneben stehende Diprivan. Kopfschüttelnd rief er den Laborleiter an. "Walter, schicke mir sofort einer deiner Laborratten hoch, zu Jacob in die Wohnung, um eine Blutprobe abzuholen. Anderson möchte, dass du das Blut auf Narkotika analysierst." Zolger holte erschrocken Luft. "Sigmar, er hat doch nicht schon…" Mayer unterbrach ihn. "Ich weiß es nicht Walter. Seine Arzttasche ist offen und eine
Ampulle mit Diprivan steht daneben. Es kann schon sein. Wir wollen einfach auf Nummer sicher gehen." "Ach so, ich schicke dir gleich…", Zolger überlegte es sich jedoch anders und schwieg einen Augenblick. Entschlossen sagte er dann. "… nein, das ist Quatsch. Ich komme schnell selber mal hoch. Ich kann das schnell in Jacobs Labor ausmessen." Schon legte Zolger auf. Mayer ging zurück in Jacobs Schlafraum, in dem Anderson seinen Chef untersuchte. Der Arzt entdeckte sofort die frischen Einstichstellen, im blutunterlaufenen Arm Jacobs. "Ich verstehe das nicht", brummelte er in seinen nicht vorhandenen Bart. Anderson war gar nicht bewusst, dass er laut besprochen hatte. "Was verstehen sie nicht Herr Doktor?" Erkundigte sich Mayer besorgt. Kurz entschlossen zeigte ihm Anderson, was er meinte. "Sehen sie bitte mal Genosse Major. Hier sind zwei Einstiche, das war schon das
letzte Mal so. Aber erst bei der zweiten Untersuchung ist mir das aufgefallen. Ich verstehe das nicht." Verwirrt sah ihn Mayer an, der nicht begriff auf was der Arzt hinaus wollte. "Wieso?" "Genosse Major, das letzte Mal dachte ich, er ist munter geworden und hat sich nach gespritzt. Aber jetzt? Selbst dann, wenn er sich zwei Ampullen gespritzt hätte, dürfte hier nur ein Einstich sein. Das ist völlig unlogisch. Keiner sticht zweimal in die gleiche Arterie. Schon gar nicht Jacob. Man wechselt nur den Kolben. Also den Zylinder mit dem Medikament. Die Kanüle allerdings lässt man immer in der Vene stecken. Vor allem Genosse Major, sehen sie sich das Hämatom mal an. Jacob und solche eine Verletzung. Da stimmt etwas nicht." Jetzt begriff Mayer und sah Anderson irritiert an. "Das war vor einer Woche auch schon so, Doktor?"
Anderson nickte. "Ja, ich dachte Fritz hat sich vielleicht nach gespritzt und dabei daneben gestochen. Aber daneben gestochen? Der Chefarzt? Niemals. Das kann ich mir beim besten Fall nicht vorstellen. Alle Injektionen die er bei den Kindern gemacht hat, sind sauber gesetzt. Keins der hundert Kinder hat ein Hämatom bekommen. Fritz kann sehr gut spritzten. Das ist etwas Seltenes bei Ärzten. Das haben mir auch die Schwestern bestätigt. Er hat bei einigen Angestellten Blut abgenommen, wo die Schwestern akute Probleme hatten. Ich verstehe das einfach nicht. Wieso sticht er zweimal? Warum hat er hier so ein Hämatom?" Mayer schüttelte ungläubig den Kopf. Den Sicherheitschef des Projektes kam ein böser Verdacht. Anderson aber kümmerte sich erst einmal, um seinen Patienten. Er war überhaupt nicht mit den Vitalwerten von Jacob zufrieden. "Ach, Doktor Anderson, Walter kommt gleich.
Er untersucht die Probe gleich hier im Labor." Erinnerte sich Mayer an das, was er gerade sagen wollte. Dankbar sah Anderson auf Mayer. "Ich glaube, er hat es schon wieder getan. Er hat so schlechte Vitalwerte. Anders lässt sich das kaum erklären. Wir müssen ihn nach vorn bringen, in die Krankenstation. Er hat regelmäßige Aussetzer im Herzen. Bitte Genosse Major, mir gefällt das überhaupt nicht." "Soll ich einen Rettungsflug buchen? Wollen sie Jacob ins Krankenhaus überweisen?" Anderson schüttelte mit dem Kopf. "Genosse Major, ich glaube nicht, dass Fritz das heute schaffen würde. Ich muss erst wissen, was er sich gespritzt hat. Erst dann kann ich entscheiden, wie wir weiter vorgehen." In dem Moment klingelte es an der Wohnungstür. Mayer öffnete und Zolger eilte herein. Anderson drückte ihm die Blutprobe in die Hand. "Bitte beeile dich Walter. Ich kann erst etwas machen,
wenn ich weiß was, vor allem wie viel er intus hat. Ich finde keine Ampulle. Ich habe keine Ahnung, was er sich schon wieder gespritzt hat", genervt rieb sich der Arzt das Genick. Mayer ging ins Arbeitszimmer von Jacob und holte die neben der Tasche stehende Ampulle. "Doktor Anderson, das stand neben der offenen Arzttasche." Mayer reichte die Ampulle dem Arzt. Erschrocken starrte Anderson, auf die Ampulle in seiner Hand. "Hoffentlich hast du dir das nicht alles gespritzt. Dann hilft dir nur ein Wunder", sagt er mehr zu sich selbst, als zu Mayer. "Ich hätte doch gleich hoch gehen sollen. Verdammt noch mal." Mayer klopfte dem Arzt, der sich schwere Vorwürfe machte, auf die Schulter. "Doktor, das kann doch keiner ahnen." Anderson war anderer Meinung. "Ich schon, Genosse Major. Ich bin Arzt, genau wie Fritz. Ich weiß wie er sich fühlen muss. Ich könnte mit
dem was er getan hat, oder besser gesagt, mit dem was er tun musste, auch nicht leben. Genosse Major, wir haben geschworen Leben zu retten und nicht es zu zerstören. Es ist schlimm genug, dass wir das mit den Kindern hier nicht verhindern konnten. Das ist schon gegen unser Berufsethos. Diese armen Kinder dann auch noch zu töten, nur weil es diese verdammten Wissenschaft nicht selber machen wollen, das zerstört einen Arzt wie Jacob völlig. Ich kann zwar nicht sagen wie er sich fühlt, aber ich ahne, dass es furchtbar sein muss." Ernst sah er Mayer an. Mayer nickte bei jedem Wort, was ihm der Arzt erklärte. Zolger der in dem Moment schneeweiß im Gesicht in den Raum kam, schüttelte den Kopf. "Keiner von uns, kann annähernd ahnen, was in Fritz vor sich geht. Ich denke es ist viel schlimmer, als wir es uns erträumen lassen. Er sollte unter Beobachtung bleiben, für einige
Wochen. Wenigstens solange, bis er sich wieder gefangen hat. Fritz muss fix und alle sein, er hat fast das ganze Labor zerstört. Jim, er hat das Doppelte vom letzten Mal gespritzt." "Oh mein Gott. Jetzt müssen wir auf ein Wunder hoffen." Anderson schüttelte verzweifelt den Kopf und holte aus seiner Tasche ein Mittel zur Neutralisation. Spritzte vom Dantrolen die entsprechende Dosis. "Genosse Major, wir sollten Jacob unten auf die Kinderstation legen und ihm feste Schwestern zuteilen. Er muss rund um die Uhr bewacht werden. Ich möchte ihn nicht nach vorn, auf die 1/gelb bringen lassen. Das ist einfach zu weit, vor allem zu unruhig. Auf der 6/rot hat er einfach mehr Ruhe und vor allem bin ich schnell dort als auf der 1/gelb." Mayer nickte. Einen kurzen Moment überlegte er und sprach zu Zolger. "Fassen sie mal mit an Walter", befahl er kurz entschlossen. Mayer drückte Anderson, dem Kleinsten und Schwächsten von
ihnen, die Generalkarte in die Hand. "Doktor, öffnen sie den Aufzug. Wir bringen ihn erst einmal nach unten." Damit zog er Jacob hoch und griff ihm unter die Achse. Mayer nahm Jacobs Arm über seine Schultern. Zolger zog den anderen Arm über seine Schultern. Gemeinsam trugen sie den schlafenden oder was wahrscheinlicher war, bewusstlosen Jacob zum Aufzug und fuhren nach unten auf die 6/rot. Im Aufzug erkundigte sich Mayer bei Anderson. "Wer von den Schwestern war für die 6/rot eingeteilt?" Anderson überlegte kurz. "Doris, Anna, Walli, Pia, Grit und Katja." Schon hielt der Aufzug. So vorsichtig und so schnell wie irgend möglich, brachte man Jacob zu einen der Intensiv-Betten und legte ihn darauf. Vorsichtig zogen Mayer und Zolger dem Chefarzt den Overall aus. Anderson holte in der Zwischenzeit die Klebepflaster für die Überwachungs-Elektroden der Intensivstation.
Damit er diese an Armen, Beinen und dem Brustkorb Jacobs anbringen konnte und schaltete das EKG ein. Zolger verließ die 6/rot mit den Worten. "Ich untersuche das Blut unten im Labor noch einmal genau. Bei Jacob konnte ich nur schätzen. Es funktionierte ja nichts mehr richtig. Da er sein ganzes Labor zerlegt hat." Mayer nickte dankend, ging in der Zwischenzeit Waltraud Ziegler anrufe. "Schwester Waltraud, Major Mayer am Telefon. Ich weiß sie hatten Nachtschicht. Ich brauche sie allerdings sofort. Es ist ein Notfall passiert. Kommen sie sofort auf die 6/rot. Ich gebe ihre Karte frei. Beeilen sie sich." "Ich komme sofort, Genosse Major", kam die sofortige Antwort. Mayer rief in der Sicherheitszentrale an, um sofort Wallis die Karte freischalten zu lassen. Keine drei Minuten später war Walli auf der Station. Erschrocken sah Schwester Waltraud
den Chefarzt auf dem Bett liegen, schneeweiß mit schweißnassem Gesicht. Der Monitor der Intensivüberwachung über Jacobs Bett, der die Vitalwerte des Patienten überwachte, sagte der erfahrenen Schwester mehr über den Zustand des Patienten aus, als die Worte die Mayer zu ihr sprach. Sie konnte aus diesen Daten vieles ablesen. "Schwester Waltraud, sie kümmern sich die nächsten Tage, nur noch um unseren Chefarzt. Sie lassen Jacob nicht einen Minute aus den Augen. Das ist der vermutlich zweite Selbstmordversuch in nur einer Woche. Wen können sie mir noch als zuverlässig empfehlen? Wenn es nicht Fritz wäre, würde ich sofort sagen Anna. Aber ich denke das ist nicht gut." Walli überlegt einen Moment. "Ich würde sagen Doris oder Grit. Aber ich denke, wenn Doris hier ist, wäre das besser. Sie ist konsequenter, vor allem verschwiegener." "In Ordnung Schwester Waltraud, wenn sie
irgendetwas brauchen, rufen sie einfach den Notruf an. Die bekommen von mir die Anweisung, ihnen alles vorbeizubringen, was sie brauchen. Sie lassen den Chefarzt nicht eine Sekunde alleine. Hier kommt keiner außer ihnen, Doris, Walter, Anderson und mir herein. Haben sie das verstanden." Walli nickte erschrocken und etwas verwirrt. Sie begriff gar nicht was los war. Mayer stieg sofort nach dem er die Bestätigung von Schwester Waltraud bekam, in den Fahrstuhl und war verschwunden. Er musste schnellstmöglich seinem Verdacht nachgehen. Vor allem musste er alle Spuren sichern. Somit verhindern, dass diese noch mehr verwischt oder zerstört wurden. Sofort fuhr Mayer wieder nach oben in die Wohnung Jacobs und rief von dort aus Hunsinger an, um die Spurensicherung zu bestellen. Nur zwei Stunden später stand mit Sicherheit fest, Jacob wollte sich nicht selber
töten. Er hat sich bestimmt eine Einschlafhilfe gespritzt, allerdings in einer verantwortlichen Dosis. Auf den Chefarzt wurde ein Mordanschlag verübt. Wenn das nicht sogar ein schon das zweite Mal der Fall war. Fraglich war nur von wem? Die Spurensicherung hatte zum Glück einige brauchbaren Spuren am Fenster, vor allem aber auch zwei Spritzen im Schnee gefunden. Deren Auswertung stand allerdings noch aus und würde noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Mayer besprach sich mit Hunsinger, über die weiter Vorgehensweise. Man beschloss, dass man alle in dem Glauben ließ, dass Jacob einen zweiten Suizidversuch unternommen hätte. Vor allem konnte man dadurch, den Täter in Sicherheit zu wiegen. Mayer konnte den Chefarzt unter ständiger Beobachtung stellen, ohne dass die Täter sofort misstrauisch wurden. Kopfschmerzen bereitete Mayer nur eine einzige Tatsache. Wie konnte der Täter in die Wohnung
von Jacob gelangen? Zu dessen Wohnung hatte nur Jacob selbst, dass Reinigungspersonal zu bestimmten Zeiten und die vier Leute Zutritt, die eine Generalkarte des Projektes hatten. Das waren der Hausmeister Zimmermann, Chris Martin, Heiko Corstens, die beiden waren aus der Wachmannschaft und Mayer selber. Weder Zimmermann, Martin, noch Corstens traute Mayer einen Mordanschlag zu. Er kannte alle Drei schon eine halbe Ewigkeit, sie waren zusammen im Krieg. Das im Krieg durchlebte, verbindet Menschen. Mayer raufte sich verzweifelt die Haare. Also blieb nur die Möglichkeit, dass sich Jemand eine weitere Generalkarte in seinen Besitz gebracht hatte. Nur wie? Verdammt nochmal. Mayers Gedanken drehten sich im Kreis. Keiner der ausgegebenen Karten war verloren gegangen. Es blieb die Frage offen, wie und vor allem wer hatte diese Karte. Das musste Mayer an Hand der Protokolle genauestens untersuchen. Das bedeutete viel
zusätzliche Arbeit für den sowieso schon völlig überlasteten Sicherheitschef. Das alles war mit großem Zeitaufwand verbunden. Bekam er das anhand der Protokolle nichts heraus, stand Mayer eine noch schlimmere Arbeit bevor. Er musste alle Codes des Sicherheitsbereiches ändern. Alle Karten in diesem Bereich neu freischalten und die Generalkarten umprogrammieren. Das würde Tage dauerte und vor allem den Ablauf im gesamten Projekt behindern. Mayer spielte immer wieder alle Varianten durch, es blieb aber nur diese eine Möglichkeit in Jacobs Wohnung zu kommen. Selbst die Fassade hatte die Spurensicherung aufs Genauste untersucht, da Mayer selbst den Einstieg durchs offene Fenster für möglich erachtet hatte. Allerdings war niemand durch das offene Fenster in die Wohnung des Chefarztes geklettert. Gedankenversunken stand der Sicherheitschef am Fenster und grübelte
lange über die Art der Ausführung und den Grund des Anschlages nach. Gingen die Gegner dieses Projektes wirklich soweit, den Chefarzt auszuschalten, nur um das Projekt zu sabotieren? Waren diese Leute so skrupellos? Was würde als nächstes kommen? Mayer war von Anfang an klar, dass es solche Sabotage-Versuche geben würde. Mit diesen Ausmaßen hatte er allerdings nicht gerechnet. Ihm wurde ganz bange. Wie sollte er die Mitarbeiter des Projektes in Zukunft gegen solche Machenschaften schützen? Mayer nahm sich vor, noch einmal ausgiebig mit Hunsinger über das Thema der Sicherheit im Projekt zu sprechen. So konnte er auf Dauer nicht arbeiten. Hier war Gefahr in Verzug und hier musste eine schnelle und vor allem effektive Lösung her, um Schlimmeres zu verhindern. In der Zeit, in der Mayer die Untersuchungen vornahm, überprüfte Anderson auf der 6/rot die
Anzeigen der Monitore auf der Intensivstation und hängte Jacob noch einen neuen Tropf an, um die Auswirkungen des Suizids zu minimieren. Besorgt studierte der Arzt die Anzeige des Überwachungsgerätes. Die letzten Tage forderten jetzt allerdings auch bei ihm ihren Tribut. Anderson war an einem Punkt angelangt, wo er einfach einmal schlafen musste. Müde wandte sich Anderson an die diensthabende Schwester. "Walli, ich lege mich etwas hin. Wenn irgendetwas Ungewöhnliches ist oder Komplikationen auftreten, weckst du mich sofort." Walli bestätigte durch ein Nicken, dass sie verstanden hatte. Allerdings antwortet sie nicht, sie war durchs gerade erlebte völlig durch den Wind. Alles hätte sie erwartet, aber nicht schon wieder einen Selbstmordversuch des Chefarztes. Sie war enttäuscht und gleichzeitig tief traurig. Vor allem verstand sie die Welt nicht mehr. Konnte sie sich so in einem Menschen getäuscht
haben? Grübelnd zog Walli dem Chefarzt die Socken aus und deckte diesen zu. Im Anschluss holte sich Walli eine Schüssel mit kühlem Wasser, um die fiebrig heiße Stirn des Arztes zu kühlen. Jacobs Körper versuchte mit aller Kraft gegen das Gift zu kämpfen, sogar mit Fieber. Es war ein Wunder, dass Jacob überhaupt noch lebt. Walli wurde bewusst, dass es an ein Wunder grenzte, wenn Jacob diesen Tag überleben würde. Die große Menge des Medikamentencocktails die in seinem Körper war, hätte ihn eigentlich töten müssen. Walli grübelte und grübelte. Sie verstand die Handlungsweise des Chefarztes einfach nicht. Weshalb spritzte er sich so einen unsinnigen Cocktail. Bestehend aus Diprivan, Disoprivan, aber auch aus Ernsdolor? Dies war eine so sinnlose Kombination, in sich so widersprüchlich. Vor allem wusste sie aus Gesprächen mit dem Chefarzt über Narkotika,
dass dieser Ernsdolor, überhaupt nicht in seinem Bestand war. Immer mehr Fragen stellten sich der Schwester. Jacob hatte immer behauptet, er würde dieses Mittel niemals verwenden. Wieso konnte er sich das dann spritzen, wenn er es gar nicht besaß? Walli nahm sich vor nach Dienstschluss unbedingt mit Major Mayer darüber zu sprechen. Dieser Punkt irritierte sie total. Da ging etwas vor sich, dass sie absolut nicht verstehen konnte und dies machte sie misstrauisch. Sie wollte einfach nicht glauben, dass der Chefarzt sich so einfach aus dem Leben schleichen wollte. Das passte einfach nicht zu Jacob. Hier stimmt irgendetwas nicht. Anderson war viel zu müde, um noch klar zu denken. Mühsam sich zur Konzentration zwingend, trug er noch die wichtigsten Informationen ins Krankenblatt ein und überließ seiner besten Schwester die Pflege des Chefarztes. Kurz entschlossen zog er einfach
seine Schuhe aus und legte sich ins Bett neben den Chefarzt. Anderson war viel zu müde, um noch vor in sein Quartier zu gehen. Vor allem war er so schneller zur Stelle, wenn es bei Jacob zu Komplikationen kommen sollte. Allerdings fand der Arzt keine richtige Ruhe. Ihm gingen so viele Gedanken durch den Kopf. Ihm war schleierhaft wie Jacob diesen Stress so viele Monate aushalten konnte. Es war für Anderson einfach unbegreiflich. Für ihn war es kein Wunder, dass der Chefarzt auf einmal so überreagierte. Jacob war in seinen Augen schon lange über dem Limit. Er selber machte erst seit einer Woche dessen Arbeit und war aber kurz davor zusammenklappen. Anderson fragte sich ernsthaft, wie er die nächsten Tage überstehen sollte. Lange brauchte der Arzt bis er die Ruhe fand, die ein Einschlafen ermöglichte und er endlich in einen erholsamen Schlaf fiel. Viel zu sehr beschäftigten ihn die Geschehnisse der letzten
Wochen. Vor allem die ganzen Geschehnisse der letzten Tage. Wie oft war Anderson in der ersten Zeit neidisch auf den Chefarzt gewesen? Er hatte völlig falsche Vorstellung über die Arbeit eines Chefarztes. Auch wenn es um die Kinder, seit deren Geburt, wesentlich ruhiger geworden war, hing so viel Arbeit an diesem ganzen Projekt. Es war ein unvorstellbarer Arbeitsaufwand. Wie sollten das Außenstehende einschätzen können? Wenn selbst Anderson, als Arzt, dies nicht einmal erahnen konnte. Er kam seit Jacob ausgefallen war, kaum noch zum Schlafen und fühlte sich zurzeit ständig gehetzt und überfordert. Anderson beneidete den Chefarzt nicht mehr um seinen Posten. Am Anfang, so gestand sich der nicht mehr ganz junge Arzt ein, war er eifersüchtig auf Jacob. Der den Posten des Chefarztes, auf Grund seiner Jugend, zu Unrecht bekam. Ihm kam oft
der Gedanke, das eigentlich ihm hätte der Chefarztstuhl zugestanden. Da er, mit seinen neunundfünfzig Jahren, der Dienstälteste Arzt des Teams war. Da er viel mehr Erfahrungen hätte einbringen können, als der Chefarzt, der ja gerade eben mit seinem Studium fertig war. Wie so oft in seinem Leben, hatte Anderson die umso viele Zentimeter größeren Ärzte beneidet. Nicht nur ihrer Größe willen, sondern auch um deren Selbstbewusstsein und deren selbstsicheren Auftretens. Oft hatte er Minderwertigkeitsgefühle. Er war mit seinen nur hundertneunundfünfzig Zentimeter, nicht gerade groß und durch seine nicht mal siebenundvierzig Kilo, wirkte er noch kleiner, zierlicher und zerbrechlicher. Immer, wenn er dann einen Chef bekam, der größer und jünger war als er, bildete sich Anderson ein, dass man dies nur machte, weil er von so geringer Statur war. Eigentlich wusste er ja, dass es ausgesprochener Blödsinn war. Verdammt es
war nun mal keine Kunst größer als er zu sein. Allerdings ärgerte es ihn immer, dass er ständig übersehen wurde. Jacob, das musste er wirklich vor sich selber zugeben, baute in diesem einem Jahr, systematisch sein Selbstbewusstsein auf. Er sagte Anderson so oft, dass er das Beste war, was dem Team passieren konnte. Vor allem aber, dass Jacob dass Wissen und die Kompetenz Andersons nicht missen wollte. Es gelang Jacob sogar, ihn davon zu überzeugen. So dass er langsam selber daran glaubte. Im Laufe der letzten vierzig Wochen begriff Anderson, dass er dieses Pensum an Arbeit und die Verantwortung die Jacob auf seinen Schultern trug, niemals hätte tragen können. Die ganze Tragweite der Verantwortung, begriff er aber erst am 14. Februar. Seit dem waren die Hochachtung und der Respekt Andersons, dem Chefarzt gegenüber noch größer geworden. Beides hatte Anderson schon vor langer Zeit
entwickelt, aber die Hochachtung wuchs mit jeden Tag, indem er den Chefarzt vertreten musste. Jacob war ein so loyaler Kollege. Er war immer für einen Spaß bereit. Obwohl er ein Genie war, blieb er mit den Füßen auf dem Boden. Das brachte ihm den Respekt der gesamten Belegschaft ein. Nicht nur der medizinischen Abteilungen, sondern wirklich aller. Über diesen Gedanken schlief Anderson ein. Schwester Walli, überwacht ständig die Anzeigen des Monitors, ließ ihren Chefarzt nicht eine Minute aus den Augen. Nach vier Stunden erholsamen Schlafes erwachte Anderson und kümmerte sich um seinen Patienten. Jacob war in einem einigermaßen stabilen Zustand. Das beruhigte den Arzt sehr. Dankbar nickte er Walli zu und verließ die Krankenstation, um sich um die Kinder zu kümmern. Veranlasste Walli allerdings, ihn sofort zu holen, wenn mit Jacob etwas sein sollte. Anderson gab erst
einmal Entwarnung und überließ Jacob, Schwester Walli und Doris, die sich in zwölf Stundenschichten, um die Pflege des kranken Chefarztes kümmern. Walli ließ die ganze Sache aber keine Ruhe. Deshalb ging sie nach der Beendigung ihrer Schicht zu Mayer und klingelte an dessen Wohnungstür. "Guten Abend Genosse Mayer, hätte sie bitte einen kleinen Moment Zeit. Ich würde gern mit ihnen unter vier Augen etwas besprechen. Ich hab da ein Problem, was mir den ganzen Tag Kopfweh gemacht hat." Mayer nickte, wurde sich jedoch im gleichen Augenblick bewusst, dass dies Walli ja nicht sehen konnte und bat die nette Schwester nach oben und in sein Büro. "Setzen sie sich Schwester Waltraud, wo drückt denn der Schuh?" Walli druckste herum. Sie war sich nicht ganz
sicher, ob sie ihren Verdacht äußern sollte. "Ich weiß nicht genau wie ich anfangen soll, Genosse Major." Versuchte sie ihre Gedanken zu erklären. "Schwester Waltraud, reden sie einfach frei von der Leber weg. Ich reiße ihnen nicht den Kopf ab, wenn sie etwas angestellt haben." Vermutete Mayer, dass irgendetwas passiert war. "Nein … nein, Genosse Major. Ich habe nichts angestellt. Nur wissen sie, ich möchte keine Gerüchte in die Welt setzen. Aber das, was ich an Werten auf dem Monitor gesehen habe und vor allem auch das, was ich von Doktor Zolger vorhin an Laborauswertung bekam, bestätigen meine Gedankengänge." Walli rauft sich die Haare. "Verdammt ist das schwer. Genosse Major, ich bin seit zweiundvierzig Jahren Krankenschwester. Ich weiß im Großen und Ganzen wie alles funktioniert. Ich habe doch genügend Erfahrungen sammeln können, in diesen Jahren. Ach man ist das schwer."
Verzweifelt sah sie Mayer an und holt noch einmal tief Luft, um ihren Verdacht auszusprechen. "Ich vermute, man hat versucht unseren Chefarzt zu töten. Genosse Major, ich weiß aus Gesprächen mit dem Chefarzt, dass er in seinem eigenen Bestand kein Ernsdolor hat. Wie soll er sich das dann gespritzt haben? Vor allem so einen sinnlosen Medikamentencocktail. Ich begreife das alles nicht. Es passt so gar nicht zu unserem Chef. Ich weiß, dass dieser viel Erfahrung mit Narkosen hat. Er hätte, wenn er sich hätte töten wollen, andere und vor allem effektivere Möglichkeiten gehabt. Der Chefarzt sagte bei einer privaten Diskussion, als es um Narkosemittel ging, dass er Ernsdolor niemals verwenden würde. Dass dieses Mittel einfach zu viele Risiken in sich trägt. Er es deshalb auch nicht in seinem Bestand hätte und niemals bestellen würde. Wie soll er sich das dann bitte aber so eine hohe Dosis gespritzt haben? Ich habe vorhin als Doris gekommen ist, den
OP-Saal und den Medikamentenschrank durch gesehen, um meinen Verdacht zu überprüfen. Nirgends befindet sich auch nur eine Ampulle Ernsdolor. Deshalb dachte ich, sie sollten das wissen." Erleichtert, nun endlich den Verdacht ausgesprochen und erklärt zu haben, atmet Walli auf. "Ich hoffe sie jetzt sind nicht sauer auf mich, weil ich ihnen das alles gesagt habe. Aber mir lässt das einfach keine Ruhe. Außerdem passt ein Suizid nicht zu unserem Chefarzt", setzte Walli trotzig nach. Mayer beobachtet diese kompetente Krankenschwester genau. "Mit wem haben sie über ihren Verdacht schon alles gesprochen, Schwester Waltraud?" Walli schüttelte den Kopf. "Mit niemand. Aber ich denke Doris wird auf die gleiche Idee kommen, wie ich. Die war damals bei dem Gespräch dabei, als der Chef das mit dem Ernsdolor gesagt hat. Sie braucht auch nur eins und eins zusammen zuzählen, wie ich."
Mayer nickte. Kurz entschlossen stand Mayer auf, verließ kurz sein Büro. "Reimund, ich muss noch mal nach unten zu unseren Sorgenkindern. Wenn etwas ist, ich bin auf der 6/blau." Reimund sah kurz auf. "Geht klar, Chef." Beugte sich aber sofort wieder über das Heft mit den Aufgaben, die Ilka heute lösen musste, um die Arbeit zu kontrollieren. Mayer erschien in der Tür seines Büros. "Kommen sie Schwester Waltraud, wir müssen mit Doris sprechen." Schon lief Mayer zu seinem Aufzug, gefolgt von Walli und fuhr nach unten auf 2/rot. Gleich neben dem Aufzug stand ein weißes Multicar auf dem vorn groß Mayer zu lesen war. Er stieg auf. "Steigen sie ruhig in mein privates Auto ein, Schwester Waltraud." Also diese irritiert auf das Fahrzeug sah, erklärte sich Mayer. "Schwester Waltraud, ich brauche das Fahrzeug, sonst
schaffe ich mein Arbeit nicht. Ich habe so ein großes Pensum an Strecke die ich am Tag zurücklegen muss. Mit laufen wäre das nicht zu schaffen", erklärte Mayer lachend. Damit setzte er sich in Bewegung und fuhr nach unten auf die 6/blau. Keine zehn Minuten benötigen sie mit dem Multicar, um den Fußweg von fast einer halben Stunde zurückzulegen. Man konnte nicht einfach auf die 6/rot fahren. Auf diese Ebene kam man nur über die Gangway, den Flugplatzeingang oder die 6/blau. Deshalb fuhren Mayer und Walli auf die Ebene blau des Hauses 5. Betraten durch die Sicherheitsschleuse die Ebene 6/blau. Mayer sagte auf im Raum der Kinder Bescheid, dass er eine Stunde nicht erreichbar wäre und fuhren mit Walli nach oben auf die 6/rot. Kaum auf der Krankenstation angekommen, bat Mayer Doris und Walli Platz zu nehmen. "Setzen sie sich bitte meine Damen. Ich muss mit ihnen beiden reden und sie um einen riesigen
Gefallen bitten." Ernst sah er die Schwestern an. "Als erstes, danke Schwester Waltraud, dass sie so offen zu mir waren. Das erleichtert mir vieles. Ich muss ihnen gestehen, dass ich nicht auf den Gedanken gekommen bin, dass sie auf diese Tatsache aufmerksam werden könnten. Doktor Anderson ist zwar einiges aufgefallen, dieser geht immer noch von einem Suizid aus. Ich gebe ihnen in allem Recht Schwester Waltraud, hier stimmt etwas nicht. Es waren heute über den Tag, Leute von der Inneren und auch der Spurensicherung hier im Projekt. Die haben alle verwertbaren Spuren aufgenommen und sind zurzeit dabei, diese Daten auszuwerten. Sie haben Recht mit ihren Zweifeln, Schwester Walli. Soviel steht zum jetzigen Zeitpunkt schon fest, auf unseren Chefarzt ist das zweite Mal ein Mordanschlag unternommen worden. Ich habe keine Ahnung wie, auch nur eine schwache Ahnung warum. Passen sie also gut auf unseren Chefarzt auf. Ich
glaube nicht, dass er einen dritten Anschlag überlebt. Ich muss den oder die Täter in dem Glauben lassen, dass wir von einem Suizid ausgehen. Auch wenn wir Fritz damit Unrecht tun. Muss ich von euch verlangen, dass ihr ihn ebenfalls so behandelt. Ich will wissen, wer das war. Dazu brauche ich einfach etwas mehr Zeit. Ich hoffe dass der Täter einen Fehler macht und sich verrät oder es halt noch einmal versucht." Doris und Walli nickten. "Geht klar Genosse Major", bestätigten beide, wie aus einem Mund. "Aber, was ist, wenn man es wieder versucht? Ich kann doch gar nicht kämpfen. Ich hab doch gegen einen Mörder, keine Chance", flüsterte Doris mehr als dass sie es bewusst sagte. Trotzdem bekam Mayer die Worte von Doris mit und verstand deren Bedenken. Beruhigend sah Mayer Doris an, die ganz verängstigt aussah. "Schwester Doris, sie haben doch den Alarmknopf. Wenn jemand diese Räume betreten sollte, außer Anderson, Schwester Walli und
mir, drücken sie diesen Knopf. Ich stelle den Alarm persönlich auf stumm, so dass dies keiner weiß. Sie drücken einfach den Knopf, dann beschäftigen sie denjenigen solange es geht. Wir sind in drei Minuten da. Keine Heldentaten, nur Gespräche, flirrten sie mit dem Täter oder machen sie denjenigen schönen Augen. Aber ich glaube nicht, dass hier etwas passiert. Die Sicherheitssperren für dieses Gebäude sind jetzt so hoch, da kommt niemand so leicht rein. Auch die Wohnung von eurem Chef, habe ich vor einer halben Stunde, auf die höchste Sicherheitsstufe stellen lassen. So dass er in seiner Wohnung jetzt auch vollkommen sicher ist. Also keine Angst. Kann ich auf eure Verschwiegenheit hoffen?" Ernst sah Mayer zu den beiden Frauen. Beide Schwestern nickten. Walli stellte noch eine wichtige Frage. "Genosse Major, wie sollen wir uns Doktor Jacob gegenüber verhalten oder wenn Anderson auch auf die Idee kommt, dass da etwas nicht stimmt?"
Mayer dachte kurz nach. "Anderson schickt ihr zu mir. Fritz dagegen behandelt ihr einfach, als hätte es den Suizid wirklich gegeben. Soviel ich weiß, besteht nach so einem Suizid die Möglichkeit eines zeitlich begrenzten Gedächtnisverlustes. Das hatte mir Anderson vor ein paar Tagen erklärt." Die Schwestern verstanden was Mayer meinte, obwohl ihnen nicht wohl dabei war. "In Ordnung Genosse Major." Bestätigen beide, dass sie einverstanden waren. "Schwester Waltraud, hat Anna Dienst?" Walli schüttelte den Kopf. "Nein, die schläft jetzt bestimmt. Wenn sie denn schläft. Aber sehen sie lieber erst einmal im Kinderzimmer nach. Anna ist oft über ihre Schichtzeiten hinaus bei den Kindern. Sie hat ein sehr gutes Händchen für die Kleinen. Oft ist sie die Einzige die die Kleinen beruhigen kann. Sie kommt besser mit den Kindern klar, als die anderen."
Mayer verstand sofort, was Walli meinte. Schon einige Male hatte er das selbst auf der 6/blau erlebt. Er verabschiedet sich von den beiden Frauen. "Dann schönen Feierabend, Schwester Walli und danke für das Vertrauen. Schwester Doris, wenn etwas ist, sofort rufen. Lieber einmal zu viel, also dass hier etwas passiert." Mayer sah die diensthabende Schwester fragend an. Doris lächelte gezwungen und nickte. Walli sah ihre Freundin an. "Doris, wenn du willst, kann ich auch hier schlafen. Dann bist du nicht allein." Doris holte tief Luft und schüttelte den Kopf. Ihr wurde bewusst, wie albern sie sich benahm und lächelte über sich selbst. "Nee lass mal Walli, es ist schon gut. Ich hab mich vorhin nur erschrocken. Ich komme schon klar." Also verließ Walli gemeinsam mit Mayer die Krankenstation. Mayer fuhr nach unten ins Kinderzimmer, um nach Anna zu sehen. Diese
war allerdings nicht da. Daraufhin fuhr Mayer zu Annas Quartier, das auf der 5/rot lag. Er klingelte an Annas Tür. Als ihm die junge Frau öffnete, bat Mayer sie. "Anna, haben sie einen Moment Zeit für mich, ich brauche ihre Hilfe." Mayer sprach offen zu ihr. Anna sah ihn panisch an. "Keine Angst Fritz geht es den Umständen entsprechend gut." Annas Augen wurden noch größer. "Wie den Umständen entsprechend?" Da fiel Mayer ein, dass Anna geschlafen hatte und noch gar nichts von der ganzen Sache wusste. Verzweifelt fuhr er sich durch die Haar. "Anna darf ich kurz rein kommen? Das ist kein Thema, was man zwischen Tür und Angel besprechen kann." Jetzt erst wurde Anna bewusst, wie unhöflich sie war. "Entschuldigung, Genossen Major, sie haben mich geweckt. Ich bin ganz durcheinander und unhöflich. Aber ich kann ihnen gerade nicht ganz folgen. Kommen sie ruhig rein." Mayer
betrat, die sehr saubere und wunderschön dekorierte Wohnung, von Anna Siebenhaar. "Na, sie haben es sich aber hier hübsch gemacht. Ich war ja schon in einigen dieser kleinen Wohnungen, aber nirgends hat es mir gefallen", konnte sich Mayer nicht verkneifen zu sagen. "Na ja, ich denke man sollte eine Wohnung nicht zu voll stellen. Die meisten wollen immer mehr und mehr haben. Dabei reichen der Platz und auch der Stauraum, völlig aus. Man muss nur etwas Ordnung halten. Ich bin halt so. Aber setzen sie sich. Möchten sie etwas trinken? Ich habe leider keine Kaffee, nur Tee." Man merkt Anna an, dass sie jetzt völlig munter war. Mayer schüttelte den Kopf. "Nein Anna, ich habe eigentlich gar keine Zeit. Aber ich muss unbedingt mit ihnen reden. Es ist etwa Schlimmes passiert…" Genau berichtete er Anna, was geschehen war und auch warum er ihre Hilfe brauchte. "… Anna, ich habe einfach Angst Fritz alleine zu lassen. Solange immer
jemand in seiner Nähe ist, denke ich, ist er in Sicherheit. Ich habe noch keine Ahnung, wer versucht hat ihren Freund zu töten. Aber ich weiß eins, es ist ein Sabotageversuch. Ist Fritz tot, stürzt das gesamte Projekt in sich zusammen. Fritz ist der Kopf des ganzen Projektes. Keiner der anderen Ärzte hat den Wissensstand ihres Freundes. Verstehen sie Anna. Wir müssen Fritz gemeinsam beschützen. Alleine schaffe ich es nicht. Ich brauche dringend ihre Hilfe." Anna nickte weinend. Mayer stand von seinem Sessel auf und ging auf Anna zu. Er zog sie hoch in seine Arme. "Weinen sie nicht Anna. Gemeinsam schaffen wir es Fritz zu beschützen. Walli weiß auch Bescheid und Doris. Die beiden passen auch auf ihren Freund auf. Wir bekommen schon denjenigen, der das getan hat." Anna konnte wieder nur nicken. Sie war nicht in der Lage etwas zu sagen. "Dann sind sie damit einverstanden, Fritz so zu behandeln, als wenn
er einen Suizid gemacht hätte." "Ja", hauchte Anna mehr, als dass sie sprach. Stimmte jedoch zu, auch wenn ihr das schwer fiel. Mayer streichelte ihr das Gesicht. "Anna, ich brauche nur etwas mehr Zeit, um den Täter zu finden. Dann schenken wir Fritz reinen Wein ein. Tut mir wirklich leid, ich muss sie mit ihren Kummer alleine lassen. Rufen sie Schwester Waltraud an, falls sie Hilfe brauchen. Leider dürfen sie Fritz im Moment nicht besuchen. Außer Doris, Anderson, ihrer Freundin und mir darf niemand auf die Krankenstation. Ich lasse nicht mal das Reinigungspersonal auf die 6/rot, bis ich den Mörder habe. Ich will auf Nummer sicher gehen." Anna verstand das nur zu gut. "Ich muss los. Anna es tut mir leid, mir läuft meine Zeit schon wieder weg." Schon war er aus der Tür. Anna rief verzweifelt ihre Freundin Walli an. Weinend und schluchzend, bat sie diese, ob sie
etwas zu ihr kommen könnte. Walli die ahnte, dass Anna gerade erfahren hat, was mit Fritz los war, kam sofort zu ihrer völlig verstörten Freundin. Half ihr so, den ersten Schrecken zu überstehen. Nach über zwei Stunden schliefen die beiden Freundinnen, Arm im Arm ein. Das erste Mal, seit dem 2. Januar 1958, dass Anna ihren Dienstbeginn verschlafen hatte. Als man Anna dann sah, mit tiefen Augenringen total verweint, verstand man den Grund. Auch da alle im Projekt Bescheid wussten, was mit Jacob geschehen war. Anderson informierte das medizinische Personal über diese Tatsache. Fuhr, als er Anna nicht erreichen konnte, besorgt zu deren Quartier, um nach ihr zu sehen. Anna öffnete allerdings total verschlafen in Begleitung von Walli die Tür. Erst da wurde der jungen Frau bewusst, dass sie verschlafen hatte. "Ich komme gleich, tut mir leid Herr Doktor. Das ist mir noch nie passiert, tut mir wirklich
leid", rief sie. Schon war sie im Bad verschwunden, kam fünf Minuten später geduscht noch mit feuchten Haaren und angekleidet an die Tür. "Ich laufe hinter. Es tut mir leid. Mayer war vorhin bei mir und hat mir erzählt, was Fritz gemacht hat. Ich bin noch mal eingeschlafen." "Ist nicht schlimm, Anna. Wir waren nur in Sorge um dich. Geht es oder möchtest du lieber heute frei haben. Wenn es dir nicht gut geht." Anna schüttelte den Kopf. "Nein Herr Doktor, die Kinder warten doch auf mich. Ich habe es ihnen versprochen. Die sind dann wieder ganz durcheinander. Die wissen genau, wann ich komme." Anderson wusste sofort, was seine Kollegin meinte. Nummer 98 rüttelte seit über einer Stunde wie verrückt, an ihren Gitterstäben, rief immer wieder, "Dika … Dika … Dika." Was immer das heißen mochte. "Walli, danke das du gekommen bist. Zieh die Tür dann einfach zu. Du weißt ja, wo alles
steht. Ich muss hinter, zu meinen Kindern." Schon rannte Anna los in Richtung Aufzug, um nach unten auf die Ebene blau zu fahren. Dann spurtete sie weiter, um in die 6/blau zu kommen. So gingen alle wieder ihrem normalen Alltag nach. Wenn auch in ständiger Sorge, um ihren Chefarzt, dem es gar nicht gut ging. Am 3. März um 6 Uhr, also anderthalb Wochen nach dem angeblich zweiten Selbstmordversuch Jacobs, übernahm Walli die Aufgabe der Pflege des Chefarztes, von Doris. Immer noch, war der Chefarzt nicht aufgewacht. Einige schlimme, kritische Situationen hatte er schon überstanden. Insgesamt achtmal musste Anderson den Chefarzt wieder zurück ins Leben holen. Dreimal wollte der Arzt fast aufgeben. Er hatte das Gefühl, der Chefarzt schaffte es nicht mehr. Erst seit zwei Tagen war dieser wirklich stabil, es gab wieder Hoffnung. Die Vitalwerte des Chefarztes waren endlich wieder in einem
Bereich, in dem man an eine Genesung glauben konnte. Jetzt musste er nur noch aufwachen und wieder zu Bewusstsein kommen. Anderson hoffte inständig, dass der Chefarzt keine psychischen und physischen Schäden zurückbehalten würde. Schwester Doris hatte eine ruhige Nacht, sie brauchte also keine besonderen Vorkommnisse meldete. Erfreut stellte Walli kurz nach 7 Uhr fest, das Jacob endlich zu sich gekommen war. Die Schwester nahm sich einen Stuhl und zog ihn vor das Krankenbett des Chefarztes. "Guten Morgen Herr Doktor. Wie geht es ihnen heute?" Jacob sah Walli irritiert an. "Warum könnt ihr mich nicht einfach in meinem Bett schlafen lassen?", flüsterte dieser. Verwundert stellte Jacob fest, dass es ihm richtig mies ging. Er konnte sich das gar nicht erklären. Walli sah ihren Chef Ernst an und beobachtete ihn eine Weile stillschweigend. Streichelte ganz lieb dessen Gesicht, welches um
Jahre gealtert schien. Kurz entschlossen setzte sie sich einfach auf die Kante seines Bettes. Tiefe Furchen waren in Jacobs Gesicht eingemeißelt, das blass und eingefallen wirkte. "Herr Doktor, darf ich offen mit ihnen sprechen." Dieser nickte, müde. In seinen Augen war so viel Hoffnungslosigkeit, dass es einen das Herz zerbrechen könnte. Sein erster Gedanke galt den toten Kindern, der zweiter Gedanke war: warum bin ich eigentlich wieder aufgewacht? Es war so schön, diesen Schmerz und diesen Hass auf sich selber, nicht mehr zu spüren. Walli, die schon immer ihr Herz auf dem rechten Fleck trug und fast immer sagte, was sie dachte, sah Jacob freundlich lächelnd und mit schief gehaltenem Kopf an. "Herr Doktor, ich weiß ja, dass sie es im Moment, sehr schwer haben. Sie sollten aber eins wissen. Im Projekt hier haben alle und damit meine ich wirklich alle, Angst um sie. Die
Kollegen wollen, dass sie bald wieder kommen. Sie fehlen hinten und vorn, vor allem aber ihre Späße und ihr Lachen. Bitte Herr Doktor, uns ist schon klar, dass es im Moment für sie, verdammt schwer sein muss. Wenn wir ihnen das abnehmen könnten, glauben sie mir, wir würden das gern machen. Aber sie sollten auch eins wissen, wir alle brauchen sie, wir Schwestern, die Ärzte, selbst das Wach- und Hauspersonal. Vor allem aber die Kinder unten auf der 6/blau. Wirklich keiner hält sie für einen Mörder. Sie sind so ein herzensguter Mensch. Wissen sie eigentlich, wie sehr sie uns allen fehlen?" Jacob drehte den Kopf weg und sah in die andere Richtung. Er konnte der Schwester nicht mehr in die Augen sehen. Walli griff nach seinem Gesicht und zwang Jacob so, sie weiter anzusehen. "Herr Doktor wissen sie, diese Kinder, die dort unten sind, die brauchen jemanden der für sie kämpft. Anderson, entschuldigen sie meine absolute
Offenheit, ist ein sehr guter Arzt. Herr Chefarzt, er kann sie allerdings nicht annähernd ersetzten. Er gibt sich solche Mühe. Aber er hat nicht ihre Art, mit den Menschen umzugehen. Vor allem aber nicht ihr Fachwissen. Bitte Herr Doktor, diese kleinen Kerle da unten, haben doch nur sie." Wütend sah Jacob, die Krankenschwester an. Der ganze Hass auf sich, auf März und auf Richter kam wieder in ihm hoch. "Ich habe siebzehn von ihnen getötet, Walli. Ich bin nichts anderes, als ein verfluchter Mörder." Jacob war so voller Hass auf alle und vor allem auf sich. Deshalb war er nur schwer für gute Worte zugänglich. Walli platzte jetzt der Kragen und donnerte jetzt richtig los. Sie pulverte ihren Chef jetzt richtig an. Etwas das Jacob nicht erwartet hätte. "Jetzt hören sie aber auf, im Selbstmitleid zu versinken. Ja verdammt nochmal Herr Doktor, sie haben siebzehn Kinder schlafen geschickt.
Aber auf die humanste Art, auf die man dies machen konnte. Vergessen sie nicht immer eins. Sie haben bis zur letzten Minute um deren Leben gekämpft. Sie konnten diese Kinder nicht retten. Nicht hier. Nicht in dieser Zeit. Vor allem nicht unter den gegebenen Voraussetzungen. Sie vergessen eins bei der ganzen Sache und das ist viel wichtiger. Verdammt noch mal ..." Walli versuchte sich zu beruhigen und zwang sich vor allem dazu wieder leiser sprechen. "… sie haben dreiundachtzig, ich sage es ihnen noch einmal und hören sie mir jetzt ganz genau zu. Sie haben… drei … und … achtzig …Kindern das Leben gerettet. Eins davon hatte nicht die geringste Chance. Bei einem anderen Arzt wäre die kleine Nummer 98 getötet worden …", wütend holte Walli tief Luft. Sie verstand den Arzt ja. Walli spürte förmlich den Schmerz den Jacob in sich trug. Aber es half ihm nichts, wenn sie den Chefarzt bedauern
würde. Damit würde sie nur Öl in die Flamme seines Selbstmitleides gießen. "… verdammt nochmal, Herr Doktor. Bei jedem anderen Arzt, mit weniger Herz, als sie es haben, hätte die Kleine nicht überlebt. Ist das nicht viel wichtiger? Sie hätten die Wahl gehabt, jeden seine eigenen Kinder töten zu lassen. Dann hätten sie gar nicht töten brauchen. Ihre Serie ist die Einzige, die vollständig überlebt hat. Stattdessen haben sie es vorgezogen, die anderen Ärzte, vor eben diesem Schicksal zu bewahren. Jetzt wälzen sie sich hier in Selbstmitleid. So geht das nicht. Doktor Jacob, sie haben aber auch eine Verantwortung übernommen, als sie diese Kinder gerettet haben! Stehen sie gefälligst dazu. Übernehmen sie diese Verantwortung und schieben sie diese jetzt nicht einfach uns zu. Es reicht nämlich langsam, Herr Doktor. Ich sage ihnen, jetzt mal etwas. Da unten sind dreiundachtzig kleine Geschöpfe, die unseren und vor allem aber ihren
Schutz brauchen. Keiner von uns ist in der Lage, die Kleinen wirklich beschützen. Keiner außer ihnen, hat die Macht den Kindern zu helfen. Hören sie endlich auf, sich selber zu bemitleiden. Die Kerlchen schreien sich die Seele aus dem Leib, wenn wir Licht anmachen und krümmen sich vor Schmerzen in ihren Betten. Hier im Projekt gibt es niemanden mit ihrer Kompetenz und mit ihrem fundamentierten Wissen. Wer soll den Kindern helfen, wenn nicht sie. Erst holen sie die Kinder auf die Welt und jetzt lassen sie die kleinen Kerle einfach im Stich." Wütend sah Walli ihren Chef an, wurde immer lauter. Sie stemmte jetzt sogar ihre Hände in die Hüfte. "Aber was machen sie? Statt zu zupacken, lassen sie sich von ihrem Selbstmitleid nach unten ziehen. Statt nach Möglichkeiten zu suchen den Kindern zu helfen, sielen sie sich hier im Bett, bemitleiden sich lieber selber. Die Ärzte da unten, brauchen ihren Verstand, um Möglichkeiten zu finden, diesen
armen Geschöpfen Linderung zu verschaffen. Aber statt dass sie mal ihre Arschbacken zusammenkneifen und mit anfassen, versuchen sie lieber sich selber umzubringen. Das ist ja auch um so vieles einfacher. Sie wählen immer den Weg des geringsten Wiederstandes. Erst appellieren sie an unser Herz. Dann lassen sie uns im Stich. Ihnen ist es doch egal, was aus den Kindern da unten wird." Immer wütender wurde diese kleine energische Schwester. Sie steigerte sich richtig in ihre Wut und ihre Augen funkeln richtig böse. "Sie sind ein Egoist. Sie lassen die Kinder im Stich. Sie lassen ihre Anna im Stich. Sie lassen uns im Stich. Verdammt noch mal." Wutentbrannt war Walli jetzt auf ihren Patienten los gegangen. Sie war mit ihrem Gesicht zum Schluss den Chefarzt, sogar richtig nahe gekommen. Jetzt sprang Walli auf und ließ Jacob alleine in seinem Bett liegen. Sie gab ihm so die Möglichkeit über das Gesagte
nachzudenken. Beim Weglaufen holte Walli grinsend Luft, hoffentlich so ging es der Schwester durch den Kopf, hatte diese Standpauke etwas bewirkt. Anderson der gerade auf die Krankenstation kam, um nach seinem Patienten zu sehen, bekam die letzten harten Worte von Walli mit und wollte gerade etwas dazu sagen. Walli lief schnell auf den hereingekommenen Arzt zu und legte ihm einfach, verschmitzt lächelnd, die Hand auf den Mund. Dabei schüttelte Walli ein wenig den Kopf. Sie zwang den verblüfften Arzt, mit ihr mitzukommen, indem sie ihn einfach aus dem Raum schob. Walli zog Anderson in das hinterste Zimmer, in den Röntgenraum und schloss hinter sich alle Türen. "Entschuldigen sie Herr Doktor. Es ist nicht meine Art, so mit Patienten umzugehen. Vor allem nicht mit meinen Vorgesetzten. Manchmal muss so etwas einfach sein." Lachend und
verlegen mit den Schultern zuckend, sah Walli den Anderson an. "Ich musste einfach versuchen, Doktor Jacob aus dieser verdammten Blockade heraus zu bekommen. Als er aufwachte, sah er aus als ob er völlig aufgeben hätte. Sehen sie, der Doktor ist doch ein sehr engagierter Arzt. Im Moment versteht er die Welt nicht mehr. Er weiß gar nicht, warum er hier ist. Man dringt kaum zu ihm durch. Aber er braucht doch seinen Willen zum kämpfen. Damit er wieder gesund wird. Sie wissen, was er für einen langen Weg vor sich hat, bis er wieder gesund ist. Er ist diesmal nicht in einer Woche wieder auf dem Posten. Es wird einige Monate dauern, bis er wieder einigermaßen fit ist." Verlegen sah sie zu Anderson. "Die einzige Methode, dass der Chefarzt das Leben positiv sieht, ist ihm zu sagen, dass er uns im Stich lässt. Sie wissen ja, ich habe fast fünfzehn Jahre in einer Psychiatrischen Klinik gearbeitet. Ich kenne mich da ein wenige aus. Oft haben wir mit
dieser harten Methode mehr erreicht, als mit hundert Sitzungen der Psychologen. Ich kenne den Chefarzt ja lange genug, um zu wissen wie er tickt. An Doktor Jacob kommen wir nur durch die Forderung heran, den Kindern da unten zu helfen. Er fühlt sich für diese Würmchen immer noch verantwortlich. Herr Doktor, natürlich sind sie genau so gut wie Jacob. Aber ich musste den Chefarzt doch irgendwie in den Arsch treten. Sonst bekommen wir ihn nie wieder auf die Beine. Doktor Jacob hat den Sinn im Leben verloren. Er hält sich selber für einen Mörder. Sie verstehen was ich meine? Das können wir doch nicht zulassen." Ernst sah Walli, zu dem etwas größeren Arzt hoch. Walli nannte sich selber immer einen kleinen runden Gartenzwerg. Selbst gegen den zierlichen Anderson, war sie klein. Sie maß nur hundertzweiundfünfzig Zentimeter, wog allerdings fünfundsechzig Kilo. Sie war das, was
man so breit wie hoch nannte. Sie konnte aber auch über ihr eigenes Aussehen lachen. Ihre rotblondes schulterlangen Haare und die warmen blau-grünen Augen, vervollkommneten das Bild einer liebenswerten Persönlichkeit. Ging es allerdings nach ihrem Engagement, nach ihrer Kompetenz, waren die beiden Kollegen weit über drei Meter hoch - sagte der Chefarzt einmal, als es einmal um wahre Größe ging. Die Größe eines Menschen könnte man kompensieren, das beste Beispiel wären Anderson und Walli, beide wären klein von Wuchs, aber auf ihrem Gebiet wahre Größen und unersetzbar. Ein Lächeln huschte über Wallis Gesicht, dann sah sie Anderson achselzuckend an. "Herr Doktor, wir müssen es schaffen, ihm wieder einen Sinn zu geben. Er ist im Moment nicht sehr zugänglich für Argumente. Vielleicht können wir in ein oder zwei Wochen wieder vernünftig mit ihm reden. Aber im Moment ist
er in einem tiefen Loch, voll Selbstmitleid versunken. Was man ja irgendwie verstehen kann. Nur nutzt er in diesem Loch niemandem etwas. Am wenigsten allerdings nutzt er sich dort selber. Aus diesem Loch, müssen wir ihn erst einmal heraus holen. Verstehen sie." Wieder schaute sie Anderson fest in die Augen. Walli mochte diesen zierlichen Arzt, der immer kam, wenn man ihn brauchte. Stets sein bestes gab. Leider war Anderson sehr zurückhaltend und schüchtern. Auch war es nicht Wallis Art, einen Arzt den Hof zu machen. Aber sie mochte seine bescheidene Art sehr. Anderson nickte zu Wallis Worten, ohne etwas zu sagen. Deshalb fuhr sie fort. "Er hat ja recht. Er hat getötet. Aber er vergisst darüber eins und zwar etwas verdammt Wichtiges. Er hat dreiundachtzig Kindern das Leben gerettet. Das muss er endlich begreifen." Anderson, der diese ältere kleine Schwester sehr
anziehend fand, zog diese einfach zu sich heran und gab ihr spontan einen Kuss. Wie oft wollte er schon Waltraud Ziegler fragen, ob sie vielleicht Interesse an ihm hätte? Nie brachte er den Mut dazu auf. Diese engagierte Schwester, die das Herz genau da hatte, wo es hin gehörte, machte immer genau das, was richtig war. Dafür hatte sie sich diesen Kuss verdient. Völlig perplex von der Reaktion des Kollegen, ließ sich Walli küssen. Eigentlich wollte Anderson die Schwester nur auf die Stirn küssen. Der Kuss ging aber etwas daneben und er traf genau Wallis Mund. Erst war ihm das unangenehm. Aber da er keine Gegenwehr bekam, genoss Anderson diesen Kuss. Walli genoss den Kuss ebenfalls. Dadurch, dass auch Walli Anderson mochte, ließ sie den Kuss geschehen. Sie machte sich trotzdem keinerlei Hoffnung. Sie wusste nur zu genau, dass sie über die Blüte ihrer Jugend hinweg war. Ein Arzt sich aber niemals, zu eine Schwester ihres
Alters hingezogen fühlte. Die meisten Ärzte zogen sich jüngere Schwestern vor, die auch präsentieren konnten. Auch wenn Walli und Anderson fast gleichaltrig waren, wusste die Schwester, dass sie keine Chance hatte. Anderson, war allerdings nicht so wie Walli dachte. Er mochte diese jungen Schwestern nicht sonderlich. Zu oft wurde er von denen nur ausgenutzt. Er hatte begriffen, dass er mit diesen jungen Frauen niemals glücklich werden konnte. Aus dem eigentlich nur flüchtigen Kuss auf die Stirn, wurde so ein inniger, aus dem mehr entstehen konnte. Nach einer Weile sahen sich beide erschrocken an. Dann fingen sie an zu lachen. "Entschuldigen sie Schwester Waltraud, aber ich konnte jetzt nicht anders. Ich mag sie schon so lange. Vielleicht könnten wir nach Dienstschluss, einmal einen Kaffee trinken gehen." Wagte sich Anderson jetzt einfach vor.
Da Walli keine Gegenwehr gezeigt hatte, nahm er an, dass diese ihn auch ein ganz kleines bisschen mochte. Walli staunte, antwortet ohne darüber auch nur eine Sekunde nachzudenken. "Gern Herr Doktor." Dabei wurde sie ganz rot. "Bitte sagen sie einfach nur Jim", forderte sie der Arzt auf. "Gern, Jim. Aber wir sollten jetzt nach Doktor Jacob sehen", bat sie Anderson. Nicht nur aus Sorge um ihren Chef, sondern auch um ihre Verlegenheit zu überspielen. Jacob starrte bei den letzten Worten seine leitende Schichtschwester ungläubig an. Konnte nicht fassen, was Walli ihm alles an den Kopf schmiss. Fassungslos hörte er zu, auch weil Walli immer lauter wurde. Die letzten Sätze, "… Sie sind ein Egoist. Sie lassen die Kinder im Stich. Sie lassen ihre Anna im Stich. Sie lassen uns im Stich." Sogar regelrecht herausschrie.
Langsam drangen die Worte zu ihm durch. Ihm wurde klar was Walli ihm damit sagen wollte. Traurig sah er zu dem Grün des Wintergartens, auf das er blickte. Er erkannte, dass er dabei war einen schlimmen Fehler zu begehen. Aber er besaß keine Kraft mehr zum kämpfen. Er verstand nicht, warum es ihm so schlecht ging. Er konnte das beim besten Willen nicht verstehen. Er schob es darauf, dass die letzten vierzig Wochen ihm alle Kraft gekostet hat, die er hatte. Er brachte einfach keine Kraft mehr zum Leben auf. Er war so verdammt müde. Vor allem erdrückte ihn diese Last, der Schuld. Jacob war erst einunddreißig Jahre, aber er kam sich vor als wäre er neunzig Jahre alt. Er gab Walli recht, dass er die Kinder im Stich ließ. Begriff denn niemand, dass er mit dem Tod der siebzehn Kinder nicht klar kam. Wie soll er damit leben? Er wusste im Moment nicht, ob er einen Weg finden konnte, damit klar zu kommen. Müde rieb sich Jacob sein Gesicht und drehte
sich auf die Seite. Gedanklich ging er Schritt für Schritt noch einmal durch, was Walli gesagt und vor allem, was er getan hatte. Er wusste, dass seine Entscheidungen richtig waren. Darüber schlief Jacob noch einmal ein. Anderson und Walli fanden ihren Patienten, nach einer halbe Stunde, schlafend im Bett vor. Der Arzt untersuchte seinen Vorgesetzten und Freund noch einmal gründlich und nickte erleichtert. "Ich glaube Walli, du hast das richtige Heilmittel gefunden. Auch wenn seine Werte noch nicht wieder gut sind, sie sind viel besser als gestern Abend. Vielleicht schafft er es doch. Lassen wir ihn schlafen. Ich hoffe so, dass Fritz endlich wieder seine Ruhe findet." Walli lächelte bestätigend, aber auch etwas verlegen zu Anderson. Der Kuss war ihr immer noch unangenehm. Anderson schenkte ihr sein schönstes Lächeln, als er sich verabschiedete.
"Walli, trinken wir heute Abend einen Kaffee zusammen? Du bist doch um 18 Uhr hier fertig. Dann könnten wir zusammen Abendessen gehen." Walli konnte es nicht glauben, dass ihr jetzt noch ein bisschen Glück zuteilwerden sollte. "Jim das können wir gern machen. Ich freu mich. Hole mich einfach ab. Sagen wir um 18 Uhr 30, hier auf der 6/rot. Ich muss erst die Schichtübergabe an Doris machen." Anderson nickte und verließ strahlend die Station. Er lief nach vorn ins Haus 3, um sich etwas hinzulegen. Denn es war schon kurz vor halb acht. Anderson hatte heute wieder Nachtdienst, musste dringend etwas schlafen. Schwester Walli dagegen sah nach Jacob. Rief in der Zentrale an, dass man für Jacob und sie ein Frühstück schicken sollte. Bestellte auch gleich ein Mittagessen für die 6/rot. Eine Stunde
später wachte Jacob auf. Walli die an dessen Bett saß und las, wurde durch eine Bewegung die Jacob machte, darauf aufmerksam. "Guten Morgen Herr Doktor", begrüßte sie diesen freundlich lächelnd. Jacob blickte zu Walli hoch, die sofort aufgestanden war. "Morgen", antwortete er brummig. Jacob hallten immer noch Wallis Worte in den Ohren. Ihm war wohl bewusst, wie ihn diese Schwester gerade herunter geputzt hatte. "Na, wer wird da so knurrig sein. Das ist bestimmt der Hunger", sie sah Jacob breit grinsend an. "Herr Doktor, ich hab ihnen ein erstes kleines Essen bestellt. Wenn sie das vertragen und ganz brav sind, bekommen sie heute Mittag ein Schnitzel mit Bratkartoffeln." Ein noch breiteres Grinsen huschte über Wallis Gesicht, als sie den Chefarzt ansah. Sie wusste nur zu genau, dass man Jacob damit eine riesige Freude machen konnte. "Soll ich ihnen das
Frühstück bringen." Jacob schüttelte den Kopf, ihm war nicht nach Essen zumute. "Schwester Waltraud, meinten sie das, was sie mir vorhin an den Kopf geschmissen haben, ernst?" Walli sah traurig zu ihren Chef. Riss sie sich dann allerdings zusammen. Da musste sie jetzt durch. "Ja Herr Doktor, ich meine immer, was ich sage. Jedes Wort, was ich ihnen sagte, habe ich so gemeint. Außer, dass sie ein Egoist sind. Das habe ich nur gesagt, damit sie endlich wieder anfangen nachzudenken. Wissen sie was, Herr Doktor. Ich mache ihnen einen Vorschlag. Wir frühstücken jetzt erst einmal zusammen und dann reden wir. Wenn ich ehrlich sein soll, ich habe extra gewartet mit dem Frühstück, bis sie wieder munter sind. Aber langsam bekomme ich Hunger." Da Jacob nichts Negatives dagegen vorbrachte, stellte Walli das Kopfende des Bettes etwas höher, so dass Jacob in eine halbsitzende
Position kam. Sie drehte den Nachtisch so, dass das kleine hochklappbare Brett über Jacobs Beinen war. Dann holt Walli das vorbereitete Frühstück und stellte es vor Jacobs Nase. Durch das häufig gemeinsam eingenommene Frühstück in der Mensa, wusste Walli, dass Jacob gern Leberkäse und Mettwurst aß. Deshalb hatte sie die Brötchen schon vorbereitet. Für Walli gab es Brötchen mit Marmelade, für beide einen großen Kaffee. "Lassen sie es sich schmecken, Herr Doktor." Damit hielt sie ihm den Teller hin. Als dieser nicht zugreifen wollte, schimpfte Walli in einem Ton, der einem General alle Ehre machen würde. "Ach kommen´s, Herr Doktor. Haben sie sich nicht so zickig, jetzt wird etwas gegessen. Habe ich gesagt. Also los." Jetzt musste Jacob sogar etwas lächeln. Ihm fielen so manche Situationen mit seinen Patienten ein, wo er zu ihnen genau das Gleiche sagte. Also nahm er sich ein Brötchen.
"Jawohl Mam", kam eine Reaktion von Jacob und er biss herzhaft ins Brötchen hinein. Komischerweise, kam mit dem Essen auch der Hunger. "Na, so gefallen sie mir schon besser Herr Doktor. Das ich immer erst mit ihnen schimpfen muss", grinste ihn Walli an. Die ihr Brötchen bereits aufgegessen hatte. "Ich muss ja auf sie hören, Schwester Walli. Wenn sie in dem Ton mit mir reden, ist das kein gutes Zeichen. Sie bringen es sonst fertig und lassen mich eine Runde durchs Objekt robben. Das schaffe ich heute noch nicht", gab Jacob in seiner trockenen Art zur Antwort. Die Schwester freute sich über diese Reaktion des Chefarztes, das war ein gutes Zeichen. Er hatte sich endlich selbst wiedergefunden. Achselzuckend konterte Walli. "Naja Herr Doktor, sie lassen mir ja keine andere Wahl. So einen traurigen, sich selber bemitleidenden Jammerlappen, der steht ihnen gar nicht. Der
andere Doktor war mir immer lieber. Ich will den wieder haben. Ich bin halt eine alte Egoistin. Sie wissen doch wie ich bin." Jacob fing auf einmal schallend an zu lachen. Es war ein befreiendes Lachen. So, als wenn alle Last von ihm abgefallen wäre. "Bin ich wirklich so schlimm", erkundigte er sich, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. Walli schüttelte den Kopf. "Wenn ich ehrlich sein soll, nein. Aber ich finde es halt nicht gut, dass sie uns einfach im Stich lassen wollen. Dass sie sich einfach aufgeben. Das ist irgendwie nicht fair. Wissen sie wie Anna aussieht. Die Kleine war schon immer nur ein Strich in der Landschaft, jetzt sieht man sie kaum noch. So schlimm hat sie abgenommen. Sie hat so eine Angst um sie, will nichts mehr essen, schläft kaum noch, ist nur am Weinen. Hat ständig Angst, dass wir sie verlieren. Damit kann die Kleine nicht umgehen. Herr Doktor, Anna hat nur sie. Sie und die Kinder. Herr
Doktor, außerdem ist es doch so. Die Kinder dort unten brauchen sie wirklich." Walli sah Jacob traurig an und begann dem Chefarzt zu erklären, warum er unten auf Station so dringend gebraucht wurde. "Es ist so schlimm zu sehen, wie die Kleinen leiden. Herr Doktor, wenn wir Licht an machen, fangen fast alle an zu schreien. Wie wir jetzt herausbekommen haben, vor Schmerzen. Nummer 98 die wir alle so ins Herz geschlossen haben, versuchte uns zu erklären, dass ihnen das Licht in den Augen weh tut. Aber die anderen Ärzte haben keine Ahnung, wie sie den Kindern helfen sollen. Die schreien auch, wenn sie die Augen zu haben. Doktor, wenn einer den Würmchen dort unten helfen kann, dann sie. Wir verbinden den Kindern jetzt immer die Augen, wenn wir das Licht brauchen. Sonst haben wir nur vorn am Tisch eine Kerze an. Das ist das einzige Licht, das den Kindern nicht so sehr weh tut. Bitte werden sie bald gesund, damit die Kleinen sich nicht mehr quälen
brauchen." Flehend sah Walli zum Chefarzt, man sah ihr an, dass sie schwer mit sich kämpfte. Aber sie sich nicht traute, das, was sie sagen wollte zu sagen. Etwas das bei Walli sehr selten vorkam. Aber sie hatte Angst, den Arzt wieder in die falsche Richtung zu schubsen. Jacob spürte wie Walli mit sich kämpfte. "Was haben sie noch auf den Herzen? Kommen sie raus mit der Sprache." Jacob musterte Walli und wollte jetzt alles wissen. "Ach egal", dachte Walli bei sich. "Herr Doktor, es ist doch so, den siebzehn Kindern die gestorben sind, konnten sie nicht helfen. Es war nicht ihre Schuld. Sie haben alles getan, was sie tun konnten. Sie haben bis zur letzten Sekunde für diese Kinder gekämpft. Aber da unten auf der 6/ blau, sind wirklich dreiundachtzig Kinder die ihre Hilfe brauchen. Ich weiß durch meine vielen Jahre als Krankenschwester, dass sie durch die Autopsie der toten Kinder herausfinden könnten, wie sie den andern helfen
können. Nutzen sie diese Kinder, um den anderen zu helfen. Dann mussten die nicht für umsonst sterben. Ich weiß, dass ich kein Recht habe ihnen das zu sagen, aber es ist halt wirklich meine Meinung. Herr Doktor, wenn sie einfach so aufgeben und sie ihr Leben wegwerfen, weil sie der Meinung sind, dass sie keine Kraft mehr haben, sind sie in meinen Augen ein Feigling." Jacob schnauzte Walli böse an. "Was wissen sie schon davon, wie es ist Menschen zu töten? Sie haben doch gar keine Ahnung", schrie er sofort los, weil er sich ungerecht behandelt fühlte. "Schreien sie mich gefälligst nicht an, Herr Doktor. Das habe ich mir nicht verdient. Sie kennen mich doch überhaupt nicht." Böse sah Walli den geliebten Chefarzt an. Schlimme Erinnerungen kamen in ihr hoch. Diese trieben ihr die Tränen in die Augen. Mühsam versuchte sie ihre innere Fassung wiederzuerlangen. "Sie haben doch keine Ahnung, wie gut ich sie
verstehen kann. Was wissen sie schon von mir? Nur das, was in meiner offiziellen Akte steht. Nichts anderes. Sie wissen nichts, also…" Jacob unterbrach Walli einfach. "Sie wa…" Diesmal lies die Schwester das nicht durchgehen "Jetzt hören sie mir erst mal zu. Sie unterbrechen mich jetzt nicht noch einmal. Verstanden. Sie lassen mich jetzt gefälligst ausreden. Verdammt noch einmal." Böse sah Walli Jacob an. Ihre Augen waren fast schwarz und voller ungezügelter Wut. Man konnte schon fast behaupten, voller Hass. Jacob schreckte in dem Moment regelrecht vor Walli zurück. So hatte er diese kleine, sonst immer freundliche Krankenschwester noch nie erlebt. Erschrocken hielt er die Luft an und starrte Walli entgeistert an. Erst jetzt entdeckte er die Tränen in Wallis Augen und sah, dass diese am ganzen Körper zitterte. Erschrocken griff Jacob nach Wallis Hand. Die Schwester entzog Jacob die Hand sofort wieder. Sie konnte in diesem
Moment keine körperliche Nähe ertragen. Leise, fast flüsternd, begann Walli zu erzählen. "Es war gleich nach dem Beginn des zweiten Weltkrieges, im Spätherbst 1940. Ich arbeitete in einer Psychiatrischen Klinik, in Berlin. Wir mussten damals hundertzweiundsiebzig der dortigen dreihundertfünfzig Patienten, exekutieren. Ein Befehl vom Standartenführer, der neu an die Macht gekommenen Regierung des dritten Deutschen Reiches. Mein Stationsarzt kam mit einer Liste und drückte sie mir in die Hand. Sagte nur drei Sätze, die mein ganzes Leben veränderten. "Morgen sind diese Betten leer. Die Leute unten in der Leichenhalle. Die sind nicht mehr vertretbar." Dann drehte sich der feine Herr um und ging. Ließ mich mit dem Befehl und dem Problem alleine. Ich war damals siebenunddreißig Jahre alt. War die Stationsschwester auf der Geschlossenen, alles Pflegefälle. Was glauben sie Doktor, wie ich
mich damals gefühlt habe? Über zwölf Jahre, kannte ich die meisten meiner Patienten. Ich hatte diese über Jahre betreut. Ich freute mich über jeden noch so kleinen Fortschritt. Doch meine Kollegen, kannte ich genauso lange. Ich hätte, genauso wie der Stationsarzt, die Verantwortung weitergeben können. Dann hätte ich mir viel Leid erspart. Aber ich wäre jetzt nicht der Mensch, der ich heute bin." Tief, vor allem schwer, holte Walli Luft, um sich zu beruhigen. Jacob sah die stets so engagierte Krankenschwester entsetzt an. Als dieser etwas sagen wollte, schüttelte Walli heftig den Kopf. "Aber ich konnte es nicht. Ich konnte diese Verantwortung nicht weiter geben. Ich habe alle sechsundfünfzig Patienten meiner Station selber getötet. Glauben sie wirklich, ich weiß nicht wie sie sich fühlen? Verdammt noch mal. Sie haben den großen Vorteil, dass dreiundachtzig ihrer Patienten noch leben. Von meinen, hat dies keiner überlebt. Nicht einer", schrie Walli
weinend und am ganzen Körper zitternd, den Chefarzt an. Sie stand auf und ließ ihren Patienten einfach alleine. Sie musste sich erst einmal wieder beruhigen. Diese Zeit holte sie viel zu oft ein. Nach all den Jahren hörte sie immer noch die Schreie aus den Zimmern. Sie hatte nicht die Möglichkeit wie Jacob frei zu entscheiden, wie sie diese Patienten töten musste. Sie bekam genau vorgeschrieben, mit welcher Dosis und mit welchem Medikament, sie dies zu tun hatte. Oft überlegte sie, auch heute noch, ob sie es hätte anders machen können. Aber es blieb ihr keine andere Wahl. Nach Beendigung des Krieges, als die Kriegsverbrecher inhaftiert wurden, stellte sie sich freiwillig. Sie berichtete von ihrem Verbrechen, das sie in ihren Augen begangen hatte. Der Richter sprach sie frei, nicht von der Schuld, nur von der Verantwortung. Denn der Befehl den sie damals bekam, war eindeutig.
Walli hatte keinen großen Spielraum für Entscheidungen, die sie hätte treffen können. "Bis zum 10. November 1940, um 9 Uhr sind folgende Patienten, …, zu exekutieren. Wird diesem Befehl nicht Folge geleistet, sind diese sich widersetzenden Mitarbeiter, sofort dem Standartenführer Müller, der örtlichen Gestapo zu übergeben und eine SS-Spezialeinheiten zu ordern…" Den Rest so sagte ihr der Richter war klar. Auch wenn er, wie sie selber, es nicht für richtig empfand, was sie getan hatte, so führte sie nur Befehle aus und hatte keinerlei Handlungsfreiheit. Dadurch, dass sie sich selber stellte und gegen sich selber Anzeige erstattete, habe sie ermöglicht die wahren Schuldigen aufzugreifen und zur Rechenschaft zu ziehen. Er hätte nicht gewusst, ob er dazu in der Lage gewesen wäre. Auch wäre ihm bekannt, dass sie, Waltraud Ziegler, fast vier Jahre im Untergrund half Verletzten zu versorgen. Dies alles würde zu dem Urteil führen, dass man sie von der
Schuld freisprach. Zwar wurde sie nie für diese Tat verurteilt und alle Hinweise auf dieses Verbrechen, wurden aus ihrer Personalakte gelöscht. Aber Walli kam damit bis heute noch nicht klar und sie verurteilt sich selber für diese schlimmen Taten. Ihr Gewissen würde damit für den Rest des Lebens klar kommen müssen. Deshalb verstand sie ja so gut, wie sich Jacob fühlte. Weil Jacob jetzt durch die gleiche schlimme Hölle gehen musste, wie sie damals. Endlich konnte sie sich wieder etwas beruhigen, konnte wieder zu ihrem Patienten gehen. "Tut mir leid Herr Doktor, aber auch ich habe mein Lasten zu tragen. Ich musste mich erst einmal beruhigen. Bevor ich etwas zu ihnen sage, das ich im Anschluss bereue." Jacob nickte, war jedoch immer noch mit dem eben gehörten beschäftigt. "Es tut mir leid, das wusste ich nicht. Darf ich sie etwas fragen Schwester Waltraud."
Walli nickte. "Wie kommen sie damit klar? Ich weiß nicht, wie ich mit den Tod dieser Kinder weiterleben soll. Ich weiß es wirklich nicht." Walli setzte sich auf das Bett von Jacob und zog diesen, wie einen kleinen Jungen in ihre Arme. Da Jacob anfing zu weinen. "Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht…" Schluchzte er immer wieder. Das erste Mal seit der Geburt der Kinder, brach Jacob sein Schweigen und sprach über seine Gefühle. Über das, was ihn bewegte. Endlich konnte der Chefarzt Druck ablassen, er hatte nicht mehr das Gefühl gleich zu platzen. Es tat gut jemanden vor sich zu haben, der ihn verstand. Vor allem aber, über diese Dinge sprechen zu können und nicht immer nur stark sein zu müssen. "Genosse Chefarzt, ich weiß nicht wie sie damit klar kommen können. Sie müssen ihren eigenen Weg finden. Ich kann ihnen nur sagen, was ich
tun würde. An ihrer Stelle würde versuchen, dass zu retten, was zu retten ist. Sie müssen versuchen zu akzeptieren, was sie nicht ändern können. Lassen sie nicht zu, dass sie diese ganze Geschichte zerstört. Wir sind dafür da, Leben zu retten, nicht dafür da es zu vernichten. Ich bin danach in den Widerstand gegangen, habe dort als Krankenschwester gearbeitet. Habe dafür gesorgt, dass ich so viele Leben wie möglich retten kann. Ich habe damals im November 1940, genau wie sie am 14. Februar, eine Entscheidung treffen müssen. Ich hatte die Wahl, elf meiner gesunden Kollegen und ihre Familien, an die Gestapo auszuliefern und den Befehl zu missachten. Oder aber, diesen sinnlosen und menschenverachtenden Befehl selber auszuführen. Damit das Leben meiner Kollegen und deren Familien zu retten. Herr Doktor, ich habe mich für die entschieden, die eine Zukunft hatten. Es wäre nämlich folgendes passiert, wenn ich diesen Befehl nicht
ausgeführt hätte. Dann Herr Doktor, wären die elf Kollegen, deren Familien und ich ins KZ geschickt wurden. Die Patienten aber, hätte ich nicht retten können. Es wäre eine der SS-Spezialeinheiten gekommen, hätte dieses Problem auf eine noch bestialischere Art gelöst. Dann wären noch mehr gestorben. So habe ich meine Kollegen und deren Familien retten können. Außerdem, noch unzählige Menschen im Widerstand. Herr Doktor sie selber bestimmen, was sie zerstört und was nicht. Lassen sie nicht zu, dass die Toten ihr Leben bestimmen. Dass die Toten ihr Leben zerstören. Dass der Schatten den der Tod wirft, alles Leben verkümmern lässt. Dass der Tod ihnen den Spaß am Leben nimmt. Das Leben ist schön, wenn auch nicht immer einfach." Liebevoll streichelte Walli über Jacobs Gesicht. Sie schaute ihm fest in die Augen. "Schenken sie ihr Herz denen, die am Leben sind, die können sie doch nur beschützen. Nur mit dieser Einstellung konnte
ich mit der ganzen Schei… klar kommen. Das gab meinem Leben wieder einen Sinn. So müssen sie es auch machen. Nutzen sie die toten Kinder, um über die Lebenden so viel wie möglich herauszubekommen. Dann können sie mit diesem Wissen, denen die leben, um einiges besser helfen. Wenn sie wollen, assistiere ich ihnen bei der Autopsie. Ich habe davon schon viele gemacht. Aber helfen sie den Kindern. Diese Kinder brauchen alle Hilfe die sie bekommen können." Ernst und bittend sah Walli ihren Chefarzt an. Den Freund ihrer besten Freundin und ihres Ziehkindes. "Akzeptieren sie einfach das Ist, versuchen sie das Beste draus zu machen. Stellen sie sich schützend vor diese kleinen Wesen. Dann kommen sie mit den Tod der siebzehn Kinder klar. Diese erinnern sie immer wieder daran, dass sie nicht alles beeinflussen können. Beschützen sie einfach die anderen noch besser. Damit die siebzehn nicht für umsonst in den Tod gegangen sind. So mache
ich es immer. Es funktioniert wunderbar." Jacob hatte sich wieder gefangen und sah die, umso vieles ältere Krankenschwester an. "Sie haben recht, Walli. Aber es wird nicht einfach werden. Danke. Darf ich ihnen einen Kuss geben? Ich glaube, sie haben mir gerade das Leben gerettet." Walli nickte lächelnd. Sie zog den Chefarzt an ihre Brust und herzte, den noch so jungen Arzt. Bekam dafür einen Kuss, den zweiten am heutigen Tage. "Das ist schön, da lohnen sich wenigstens, die schlimmen Nächte, die wieder mal kommen", sagte sie in einem sarkastischen Ton, den man von ihr sonst nicht hört. "Wie meinen sie das Walli?" Die winkte einfach nur ab, wollte nicht mehr über das Thema sprechen. "Walli bitte", forderte Jacob eine Antwort von ihr. "Herr Doktor, diese Thema ist heute, nach neunzehn Jahren, immer noch nicht gut für mich.
Es wird mich, aber auch sie, für den Rest des Lebens begleiten. Es wird nie besser. Manche Tage geht es, manche Tage ist es furchtbar schlimm, so wie heute. Dann kommen die Bilder wieder. Sie hatten immer noch das Glück, sie konnten sich aussuchen, wie sie die Kinder schlafen schickten." Tränen liefen über Wallis Gesicht. Jacob wischte sie mit den Daumen weg. "Dieses Glück hatte ich nicht. Ich musste den Patienten Arsen spritzen. Alle durch die Reihe weg, sind unter qualvollen Schmerzen gestorben. Mich holen diese Schreie, immer noch jede Nacht ein. Solange ich nicht darüber rede, geht es. Aber muss ich es tun, so wie heute, dann sind es viele Nächte, in denen die toten Gesichter wieder kommen und mich fragen. "Warum hast du mich getötet?" Ich kann ihnen nach so vielen Jahren, immer noch keine Antwort geben, sie sie befriedigen würde. Die Antwort, damit ich die anderen retten kann, akzeptieren die Toten nicht. Jeder, muss mit
seinen Toten leben. Das kann einem keiner abnehmen, Herr Doktor." Jacob sah Walli traurig an. Stellte wohl die Frage die ihm am meisten beschäftigte. "Kann ich das lernen?" Walli starrte mit tränennassem Gesicht, hoch an die Decke. Sie rieb sich das Genick und holte tief Luft. "Herr Doktor, das kann ich ihnen nicht sagen. Ich weiß es einfach nicht. Das können sie nur selber entscheiden. Sie lernen es nur, wenn sie es lernen wollen. Sonst gehen sie an der ganzen Sache kaputt. Aber aufgeben ist keine Lösung. Vor allem ihr Leben und ihr Wissen damit vergeuden, weil sie nicht mehr um ihr Leben kämpfen wollen, finde ich, ist ein Verrat an den toten Kindern. Ein Kampf lohnt sich nur, wenn sie ein Ziel haben. Was ist ihr Ziel?", fragend sah Walli ihn an. Lächelte ihm aufmuntern zu und versuchte ihm einige Ziele aufzuzeichnen. "Ein glückliches Leben mit ihrer Anna, in siebzehn Jahren? Das Ziel so viele
Kinder zu retten, wie irgend möglich ist und wenn es nur ein einziges ist. Das Ziel müssen sie selber finden, dann Schritt für Schritt in eben diese Richtung gehen. Der Tod, zerstört sie nur, wenn sie es zulassen." Ernst sah Walli in das müde Gesicht des Arztes. Atmet noch einmal tief durch. "Aber ich denke, Herr Doktor, sie sollten noch etwas schlafen. Eine ganze Weile, sah es verdammt schlecht um sie aus. Einige Mal hätten wir sie fast verloren. Lassen sie nicht zu, dass unser Kampf für sie, umsonst war. Dann müssen wir, mit einem Toten mehr leben. Vor allem würden wir einen Arzt verlieren, der nicht zu ersetzen ist. Einen Menschen, den wir alle sehr mögen und den die kleine Anna, von Herzen liebt." Entschlossen räumte Walli das kleine Tischchen ab, senkte das Kopfteil des Bettes und schüttelte Jacobs Kissen auf. "Schlafen sie ein bisschen. Wenn sie munter sind
bekommen sie ein Schnitzel. Das verspreche ich ihnen. Sie sind ja brav gewesen." Lachend sah Walli den Arzt an. Überspielt ihre eigenen Gefühle sehr gut. Sie setzte wieder die Maske der immer lächelnden Walli auf. Der Walli, die alle kannten. Der keiner ansah, dass sie durch so eine schlimme Hölle gegangen war. Die stets für alle ein offenes Ohr und eine hilfreiche Hand hatte. Jacob nickte und drehte sich zur Seite und schlief sofort ein. Ihm war eins klar geworden, durch Wallis Worte. Jacob hatte wieder ein Ziel, für das es sich zu leben lohnte. Die dreiundachtzig Kinder auf 6/blau zu beschützen und seine Anna. Lange sah Walli ihm beim Schlafen zu. "Hoffentlich bist du nun endlich über den Berg. Noch ein paar solcher Gespräche, schaffe ich nämlich nicht." Müde setzte sie sich, nach dem sie Puls und Blutdruck gemessen und dies in das Krankenblatt eingetragen hatte. Fertig mit ihrer
Arbeit, nahm sie ihr Buch, um wieder zu lesen. Einfach um sich abzulenken, von den schlimmen Gedanken und vor allem, um die schlimmen Bilder zu vertreiben. Eine der älteren Schwestern aus der Psychiatrie, in der damals diese schlimmen Sachen passierten, sagte ihr die gleichen Worte, die sie eben Jacob gesagt hatte. Sie kam damals ebenfalls nicht mit dieser Situation klar und versucht Selbstmord zu begehen. Diese Schwester nahm sie damals ähnlich zur Brust, wie sie es eben mit Jacob getan hatte und sie hört noch heute deren Worte. "Mädel nur du selbst bestimmst, was dich wirklich zerstört und was nicht. Lasse nicht zu, dass die Toten über dein Leben bestimmen. Schenke dein Herz denen, die am Leben sind. Die kannst du beschützen und denen kannst du noch helfen." Recht hatte sie behalten. Walli hoffte, dass Jacob dieser Satz, auch eines Tages so hilfreich erscheint, wie ihr selber.
Kurz nach 12 Uhr bekam Walli Besuch von Mayer. "Guten Tag Schwester Waltraud. Na sie sehen ja heute geschafft aus. Soll ich sie ablösen lassen?" Walli schüttelte den Kopf. "Mahlzeit Genossen Major. Nein das müssen sie nicht, es ist ja nicht mehr lange." Mayer sah Walli musternd an. "Gab es Ärger mit Fritz?" Wieder schüttelte Walli den Kopf. "Nein, es gab keinen Ärger. Wir haben einiges besprochen. Auch über einiges gesprochen, was nicht so gut für mich war. Aber ich bekomme das schon in den Griff. Sie wissen doch wie das ist, Genosse Major. Es gibt solche und solche Tage." Mayer nickte, er war schon einige Male bei Walli, um sich etwas zum schlafen zu holen. Da er oft durch seine Vergangenheit, den Stress, den er ständig hatte, nicht zur Ruhe kam.
"Na, dann bin ich aber froh, wie geht es ihm? Munter war er ja, wenn sie miteinander gesprochen haben." Mayer ging zu dem schlafenden Jacob, sah Walli fragend an. "Er sieht wieder etwas besser aus oder bilde ich mir das nur ein?" Lachend erklärte sie Mayer. "Nein, ich denke das Gespräch hat ihm geholfen. Er sieht wirklich besser aus. Auch seine Werte sind etwas besser. Vor allem er hat etwas gegessen, das ist schon mal ein Anfang. Mit der Küche habe ich ausgemacht, dass ich anrufe, wenn er munter ist, dann bekommt er sein Lieblingsessen. So kommt er, auch bald wieder auf die Beine." Aufmunternd sah sie den besorgt dreinschauenden Mayer an. "Na, wollen wir es hoffen. Rufen sie mich, wenn ich mit ihm sprechen kann. Ich muss unbedingt einige Entscheidungen treffen, ohne Jacobs, Zustimmung möchte ich dies aber nicht tun. Mir
rennt die Zeit weg, tut mir leid Schwester Waltraud." Um Verständnis bittend sah Mayer, Walli an. "Geht klar Genoss Major, ich frage ihn nach dem Essen. Ich denke aber er sollte es selber entscheiden. Doktor Jacob geht es noch lange nicht gut. Er ist noch lange nicht über den Berg. Bitte seien sie vorsichtig, keine Aufregung. Wenn ich ehrlich bin, viele solcher Gespräche, schaffe ich nicht mehr." Mayer nickte, er ahnte über was Walli mit Jacob gesprochen hatte. Ein ähnliches Gespräch, führte er auch schon mit ihr. "Geht klar Walli, ich weiß jeder muss mit seinen Toten leben. Klappen sie mir bitte nicht auch noch zusammen, ich brauche sie nämlich. Sie sind hier so etwas, wie die Mutti für alle. Aber wenn sie mal reden wollen, kommen sie einfach hoch zu mir." Mayer sah Walli bittend an. "Das mache ich Genosse Major, aber ich denke ich komme klar, das schaffe ich schon seit
Jahren. Sie müssen keine Angst um mich haben." Lächelnd schaute Mayer zu Walli, machte etwas was er selten bei seinen Untergebenen machte, er streichelte ihr das Gesicht. Er mochte diese offene und ehrliche Frau, die so schlimme Sachen erlebt hatte. Doch bei ihm drückt wie immer die Zeit. "Schwester Waltraud, entschuldigen sie bitte, ich muss wieder los. Ilka wartet auf mich mit dem Mittagessen. Also bis bald." Schon war er im Aufzug, um nach oben zu fahren und verschwunden. Walli ging zu Jacob maß Puls und Blutdruck, aber auch Fieber. Alle Werte waren wesentlich besser geworden. Jacob befand sich auf den Weg der Besserung. Es dauerte noch ganze neun Tage bis Anderson, seine Zustimmung gab Jacob zu entlassen. Jacobs Gesundheit wurde, durch das spritzen von diesem Medikamentencocktail, zu sehr in Mitleidenschaft gezogen. Er würde einen kleinen Herzfehler behalten. Anderson, der durch die
vergangen Wochen wusste, unter welchen enormen Druck der Chefarzt stand, legte diesem nahe es langsam anzugehen. Er kannte den Chefarzt nun schon über ein Jahr, so dass er ahnte, dass Jacob sofort wieder hundertprozentig einsteigen würde. Egal ob es ihm gut oder schlecht ging. "Fritz, bitte fange langsam an. Ich werde dir beistehen. Du musst nicht immer alles allein bewältigen. Wir haben hier ein Team, wo alle das gleiche wollen, also lasse dir helfen. Es nutzt niemandem etwas, wenn du in zwei Wochen wieder auf der Nase liegst." Bat Anderson drei Tage vor der Entlassung Jacob noch einmal. "Du hast dein gesundes Herz bis zum Zerreißen belastet, es ist nicht mehr so fit, wie vor einem Monat. Du musst ruhiger treten, sonst bist du in einem Jahr tot." Ernst sah er Jacob an, dieser stimmte dem Gesagten voll und ganz zu. Er merkte ja selber, dass es ihm noch nicht gut ging. Bei der kleinsten Belastung
bekam er Herzprobleme und Atemnot. Er musste von Null anfangen und langsam hochfahren. Sonst, gab er sich nicht einmal ein Jahr. Das musste er in den vergangen Tagen begreifen. Auch dadurch, dass ihm Walli, aber auch Doris, richtig die Meinung sagten. Aber auch seine geliebte Anna, die ihm vor zwei Tagen das erste Mal besuchen kam. Weinend hatte sie in seinen Armen gelegen. Oh Gott war er erschrocken, als er seinen so lebenslustigen dunkelhaarigen Engel sah. Die sowieso so zierliche Anna, wog höchstens noch fünfundvierzig Kilo, also viel zu wenig für ihre Größe von hundertzweiundsiebzig Zentimetern. Dunkle Augenringe, zeigten das sie mehr weinte als schlief. Gestern bat Jacob seinen Freund Mayer um eine kleine Unterredung, er wollte seine Meinung wissen, zu dem Entschluss den er am Tag zuvor gefasst hatte. "Sigmar, bitte ich brauche deinen Rat", sprach er Mayer sofort an, als dieser am späten Abend an
sein Bett trat. "Was ist?" "Bitte sage mir ob die Möglichkeit besteht, dass ich Anna während des Projektes heiraten kann. Ich möchte, dass Anna zu mir in die Wohnung zieht. Ich brauche Anna genauso, wie sie mich. Das ist mir hier auf der Krankenstation klar geworden. Keine Angst, Kinder wollen wir erst einmal keine, wir haben schon 83, die wir erst einmal durchbringen müssen. Bitte habe eine Lösung für mich." Mayer fing schallend an zu lachen. "Mein Gott und ich dachte schon, du fragst mich nie. Klar könnt ihr heiraten. Ich verrate dir sogar etwas unter Freunden, selbst wenn ein Kind kommen würde. Selbst dann ließe sich eine Möglichkeit für euch beide finden, im Projekt zu bleiben. Mit Ilka haben wir doch auch eine gefunden. Wann soll Anna zu dir ziehen?" Wie bei allen Sachen, machte Mayer gleich Nägel mit Köpfen. "Das kann ich dir nicht sagen Sigmar, ich muss
sie doch erst einmal fragen, ob sie das überhaupt will. Wenn es nach mir geht, sofort." Da fingen beide an zu lachen. Mayer war froh so eine Lösung zu haben, Jacob unter Kontrolle zu behalten. Er hatte immer noch Angst um seinen Freund. War sich nicht so sicher, dass dieser wirklich schon über die toten Kinder hinweg kam. Vor allem wusste er so, dass keiner an Jacob ungesehen heran konnte. Die Möglichkeit eines erneuten Mordversuches, wurde so noch geringer. Jacob war geschützter, weil er seine Anna dann immer bei sich hatte. "Frag sie und zwar sofort. Wie ich Anna kenne, ist die sowieso unten auf der 6/blau. Warte ich rufe mal dort an." Schon ging er zum Telefon, bestellte die sich im Kinderzimmer aufhaltende Anna nach oben auf die 6/rot. Kaum war Anna auf der Station, die keine zwei Minuten brauchte. Sie dachte, es wieder etwas mit ihrem Schatz. Schwer atmend auf der Station ankam. "Was ist?", fragt sie ängstlich, doch Mayer
lacht. "Ach Schwester Anna, nicht immer ist etwas mit Fritz - wenn ich sie rufen lasse - entschuldigen sie ich wollte sie nicht erschrecken. Fritz möchte sie kurz unter vier Augen etwas fragen. Tut mir wirklich leid." Verlegen grinste er Anna an. Erleichtert atmete diese auf. "Verdammt, warum erschrecken sie mich nur so, ich dachte es ist etwas passiert." Mayer schüttelte den Kopf. "Tut mir leid, wirklich." Anna winkte ab. "Nicht schlimm, Genossen Major", wieder lächelnd ging sie hinter zu ihrem Schatz. "Fritz was ist? Hab ich vielleicht gerade einen Schreck bekommen." Jacob zog seine Anna an sich heran, gab ihr erst einmal einen Kuss. "Anna willst du mich heiraten, auch wenn ich ein dummer Chaot bin. Ich würde dich gern heiraten, vor allem möchte ich, dass du zu mir ziehst, für immer und ewig."
Anna starrte Jacob entsetzt an und konnte gar nicht begreifen, dass ihr sehnlichster Wunsch doch noch in Erfüllung gehen sollte. Kaum hörbar, hauchte sie "Ja." Zu mehr war sie im Moment nicht in der Lage. "Aber Kinder haben wir erst einmal genug, mein Engel. Mit neuen warten wir noch 16 Jahre." Meinte Jacob lachend und schon bekam Anna einen Kuss. Mayer der die ganze Szene von weitem am beobachten war, genauso wie Doris die heute Dienst hatte, kam heran. "Und?", wollte Mayer wissen. Beide nickten, ihre Augen sagten mehr als Worte. "Wann wollen sie umziehen Schwester Anna. Oder darf ich nun endlich du und Anna sagen?", wollte Mayer lachend wissen, da sprang Anna auf, die auf Jacobs Krankenbett saß und gab Mayer einen Kuss auf die Wange. "Genosse Major, das dürfen sie. Am liebsten sofort, würde ich sagen. Tut mir leid, ich muss
los. Ich muss es meiner Mama sagen." Erstaunt sahen die beiden Männer der davon eilenden Anna hinterher, die schon aus dem Raum war. "Mama?", fragte Jacob und Mayer wie aus einem Mund. Schwester Doris lachte herzhaft. "Na ja, Anna hat doch kurz vor Weihnachten, Walli als Mutti adoptiert. Bei ihr läuft halt einiges anders. Sie hat doch keine Eltern. Seit dem sagt Anna, zu Walli immer Mama. Walli ist nicht nur Annas beste Freundin, sondern auch so etwas wie ein Mutterersatz geworden." Verstehend nickten die beiden. "Na dann, ist das klar." Mayer grinste breit. "Dann bekomme ich wenigstens eine nette Schwiegermutter", konnte sich Jacob nicht verkneifen. Jacob sprach mit Mayer ab, dass Anna wenn sie möchte sofort bei ihm einziehen könnte. Die Hochzeit diesen oder nächsten Sommer, hier im Objekt, groß gefeiert würde. Mayer freute sich für Jacob, wenn er solche
Pläne machte, war er über das Schlimmste hinweg. Der Rest würde sich dann mit der Zeit ergeben. Erleichtert verließ Mayer die Krankenstation. Es würde wieder einmal eine sehr kurze Nacht werden, es war schon kurz nach 2 Uhr. Aber vielleicht wurde es jetzt etwas ruhiger, er hatte wieder eine Sorge weniger, wusste Jacob jetzt in guten Händen. Am Donnerstag den 12. März 1959, also fast einen Monat nach der Geburt der Kinder, wurde Jacob als bedingt arbeitsfähig von der Krankenstation entlassen. Mit der Auflage nicht vor 26. März wieder voll zu arbeiten. Obwohl allen klar war, dass Jacob dies nie einhalten würde, wollten alle darauf achten das dieser sich wenigstens noch etwas schonte. Als erstes, wollte Jacob endlich zu seinen Kindern. Alle hatten begriffen, auch dadurch, weil es Walli immer wieder am Frühstückstisch erzählt hatte. Das diese dreiundachtzig Kinder,
von Jacob sozusagen adoptiert wurden, er sich als deren Ziehvater ansah. Das diese Kinder es waren, die Jacob die Kraft gaben, mit seinem seelischen Konflikt klar zu kommen. Sie für ihn mehr waren, als kleine Patienten. Sie verkörperten seinen Lebenswillen und waren zu seinem Lebensinhalt geworden. Am Abend des 12. März kurz vor 19 Uhr, wurde Jacob mit einem Taxi aus der 6/rot abgeholt, um an der Abschieds- und Begrüßungsfeier teilzunehmen. Alle wollten ihren Chefarzt zurück begrüßen. Vor allem musste man endlich diejenigen nach Hause schicken, die am Ende ihrer Dienstzeit angekommen waren, die Belegschaft wurde komplett umstrukturiert. An die neue Situation angepasst. Schon seit einem Monat, wurden diese Termine durch die Krankheit des Chefarztes verschoben. Man wollte die Verabschiedung der Mitarbeiter, im gebührenden Kreis feiern, im Beisein des Chefarztes. Vor allem wollte man die neuen
Mitarbeiter, willkommen heißen. Dem Chefarzt aber zeigen, wie sehr man ihn vermisst hatte. Vier Wochen lang waren alle in Angst, um Jacob. Pünktlich um 19 Uhr betrat Jacob die Mensa. Alle erhoben sich, um ihren Chefarzt zu begrüßen. Anwesend waren alle außer der Notmannschaft, welche die wichtigsten Punkte des Objektes besetzten und am Laufen hielten. Jacob war diese Begrüßung sichtlich unangenehm. In den letzten Tagen war ihm immer bewusster geworden, wie sehr er sich hatte gehen lassen. Tapfer lachte er allen zu, obwohl ihm gar nicht nach Lachen zumute war. Er freute sich, dass ihm keiner, seinen Durchhänger nachtrug. Zu seinem Erstaunen, sah er viele fremde Gesichter, obwohl erst im April neue Mitarbeiter gebraucht wurden. Aber das würde sich bestimmt gleich klären. Auf der Bühne entdeckte er Hunsinger, der umringt war von einigen neuen Gesichtern. Dieser winkte Jacob zu sich heran. Langsam
betrat dieser die Bühne, wurde von Hunsinger freudig begrüßt. "Guten Abend Genosse Jacob, schön sie wieder auf den eigenen Beinen zu sehen, wir haben uns richtiggehend Sorgen um sie gemacht", wurde er von Hunsinger begrüßt. Jacob sah ihn verlegen an. "Ja, ich freue mich auch. Tut mir leid Genosse Oberst, aber manche Dinge im Leben, kann man nur schwer beeinflussen." Hunsinger zog Jacob ein Stück zur Seite. So dass man nicht mehr offiziell miteinander redete, sondern privat ein paar Wort wechseln konnte. "Fritz, wie geht es dir wirklich? Ich hab mir Sorgen gemacht. Du siehst immer noch nicht wieder gesund aus. Glaube mir ich habe alles versucht, um dir das alles zu ersparen. Aber du weißt in bestimmten Dingen, sind mir einfach die Hände gebunden." Jacob konnte sich vorstellen, wie schwierig sich das oft für
Hunsinger gestaltete. "Franz, sagen wir es mal so, mir ging es schon besser, aber auch schon schlechter. Ich brauche einfach noch etwas Zeit. Ich habe mich von der ganzen Sache noch nicht richtig erholt. Aber das wird schon. Anna wird mir dabei helfen. Wir haben vor ein paar Tagen beschlossen, dass wir ab sofort zusammen wohnen wollen. Planen diesen oder nächsten Sommer hier zu heiraten. Keine Angst, Kinder haben wir schon genug, erst müssen die groß werden, dann kommen eigene", strahlend sah er Hunsinger an. "Na, das freut mich, endlich mal etwas positives Da geht es mir doch gleich besser." Hunsinger lachte herzhaft. "Dann gratuliere ich mal schon zur Verlobung. Na komm, wollen wir die anderen nicht mehr warten lassen. Fritz, danke erst einmal privat von mir an dich. Für alles was du in diesem Jahr hier durch gesetzt, geleistet und vor allem beschützt hast." Freundschaftlich klopfte er Jacob auf die Schulter, man sah
seinen Augen an, dass er meinte was er sagt. "Sigmar hat mir erzählt, was hier alles los war. Wir hatten eine sehr heiße Diskussion, bei der er mir richtig die Ohren langgezogen hat. Glaube mir Fritz, von vielen dieser Dinge habe ich nichts gewusst. Sonst hätte ich versucht das zu verhindern." Fahrig fuhr er sich durchs Haar. "Doch leider sind mir in vielen Dingen, genauso die Hände gebunden, wie dir. Ich muss leider auch vieles hinnehmen. Glaube mir, das ist oft nicht einfach. Euer Projekt ist eins von insgesamt zehn verschieden Forschungsprojekten die meine Abteilung betreut. Manchmal weiß ich einfach nicht mehr, wo hinten und vorne ist." Entschuldigend zuckte Hunsinger mit den Schultern, Jacob ahnte das Hunsinger überfordert war, man sah es ihm an. "Tut mir leid, ich muss einfach bei vielen Sachen, die Verantwortung abgeben, weil ich nicht alles schaffe. Ich kann auch nicht alles ständig kontrollieren, es ist einfach zu viel.
Wenn ich etwas sage, heißt es: 'Och Franze, dat schäffst dä schon, hol dich mär Leut, jeb Verantwortung ab, dann pässt dat wieder.'" Hunsinger imitierte die Stimme seines Vorgesetzten, einer richtigen Berliner Großschnauze mit dessen Berliner Dialekt. Jacob musste schallend lachen, obwohl es eigentlich traurig war. "Schon gut Franz, ich kann es mir gut vorstellen." Dieser nickte. "Euer Projekt, Fritz läuft durch eure gute Arbeit fast von alleine. Gott sei Dank muss ich da nur bei Hilferufen reagieren. Also schreit, wenn ihr mich braucht! Ich habe schon drei Projekte, die so schlecht laufen, wo mir die Regierung ständig auf die Füße tritt. Ich schaffe es einfach nicht." Jacob klopfte Hunsinger, beruhigend auf die Schulter, lehnte sich dabei aber an die hinter ihn befindliche Wand. "Franz, das mache ich. Aber du lässt dich nicht mehr verleugnen. Das nervt
mich nämlich total." Rieb sich die rechte Seite seiner Brust, wie so oft in letzter Zeit hatte er Schmerzen, sobald er sich in etwas hineinsteigert. "Als Sigmar vor Weihnachten abgeklappt war, musste ich deinen Adjutanten anschreien, damit er mich mit dir verbindet und kam trotzdem nicht zu dir durch. Erst als mir Sigmar deine Geheimnummer gab, konnte ich dich erreichen. Fast eine viertel Stunde habe ich gebraucht, um dich an den Apparat zu bekommen. So geht das einfach nicht. Du weißt ich rufe nur an, wenn es brennt, sonst mache ich das sowieso nicht." Hunsinger sah Jacob verwundert an. "Ich lasse mich doch nicht verleugnen." Jacob versuchte ruhig zu bleiben, schüttelte den Kopf. "Doch dein Adjutant scheint dich beschützen zu wollen, schirmt dich regelrecht ab. Es ist schlimmer als beim Papst. Ich glaube da hab ich eher Chancen, beim Papst eine Audienz zu bekommen, als einen Termin bei dir.
Noch schlimmer ist es dich an den Apparat zu bekommen." "Na den muss ich mich mal vornehmen, danke das du mir Bescheid gesagt hast. Fritz, das lag nicht in meiner Absicht, ich wusste davon nichts. Der kann sich was anhören." Jacob winkte müde ab. "Ach lass gut sein, ich denke der wollte dir Luft zum atmen geben. Meckere nicht mit ihm, sag ihm einfach, dass er mich zu dir durchstellen soll, wenn ich anrufe." Jacob holte tief Luft. "Ich mache das doch wirklich nur, wenn wir nicht ohne deine Hilfe weiter kommen. Manche Dinge können wir nicht regeln, dazu hast nur du die Macht." Hunsinger sah erschrocken zu Jacob, stellte fest, dass dieser am ganzen Körper zitterte. "Ich weiß Fritz. Ist alles in Ordnung bei dir?" Jacob jedoch hielt sich einen Augenblick an Hunsinger fest, wurde immer blasser im Gesicht. "Franz, bitte. Ich bin das Stehen nicht mehr gewöhnt. Bitte ich muss mich einen Moment
setzten." Hunsinger sah erschrocken, dass Jacob schneeweiß im Gesicht wurde und Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten. "Komm setze dich, bevor du umfällst. Lass uns anfangen." Hunsinger begleitete, den sichtbar erschöpften Jacob auf seinen Platz. "Wird es gehen Fritz?", erkundigte sich Mayer leise, der nickte beklommen, er hatte sichtbar mit sich zu tun. Hunsinger dagegen trat ans Mikrophon und sprach hinein. "So meine Damen und Herren, nehmen sie alle Platz. Ich begrüße sie ganz herzlich zur zweiten Veranstaltung im "Projekte Dalinow", wünsche ihnen allen einen angenehmen Abend." Damit ließ er den Anwesenden Zeit, Platz zu nehmen. Jacob saß neben Mayer, der ihn besorgt ansah. Jacob war immer noch nicht ganz fit, es wurde deshalb abgesprochen, das sich alle hinter den Tisch auf der Bühne setzen, so dass Jacob nicht gleich so lange stehen musste. Sein Kreislauf,
war immer noch nicht wieder in Ordnung. Es brachte ja niemanden etwas, wenn er gleich wieder zusammenklappte. Nach zehn Minuten saßen alle Anwesenden. Hunsinger konnte mit seiner Rede beginnen. "Wie ich es immer handhabe, werde ich versuchen es kurz und schmerzlos zu machen. Ich mag keine langen Reden, aber manchmal geht es nicht anders. Ich bitte folgenden Krankenschwestern nach vorn. Hanna, Nina…" Namentlich las er alle Namen vor, auch die der Laboranten. Fünfzehn Schwestern, fünf Laboranten und fünf Ärzte verließen heute das Projekt. "Ebenfalls nach vorne bitte ich Doktor Selbmann, Otto, Hoffmann, Alfred und Schenk." Sofort kamen alle Aufgerufenen nach vorn. Mayer, Jacob, Zolger und Hunsinger, dankten persönlich den Mitarbeitern, die heute das Projekt verließen für ihren Einsatz. Übergaben ihnen ihre Papiere, aber auch Beurteilungen und einen Umschlag, in der sich nicht nur ein Dank
befand. Den persönlichen Dank des Chefarztes, wollte keiner auslassen, deshalb wurde dieser Termin immer wieder verschoben. Die Abfindung allerdings, wurde je nach eingebrachter Leistung ausgezahlt, in Form eines mehr oder weniger großzügig bemessenen Schecks. Als die Mitarbeiter, die heute das Projekt verließen, von der Bühne gegangen waren, setzte sich Jacob sichtbar erschöpft, aber mit einem Lächeln auf dem Gesicht wieder auf seinen Platz. Nach dem persönlichen Dank, kam nun auch der Offizielle vor der Mannschaft, in dem aber auch einige negative Auswertungen dargelegt werden. Hunsinger sprach noch einmal ernste Worte vor der Belegschaft. "Als erstes meinen Dank an die fleißigen Schwestern, Ärzte die viele Liebe und Pflege in die Kinder investiert haben. Ich war heute im Kinderzimmer und habe mir das Ergebnis eurer Arbeit einmal angesehen. Ich war begeistert. Allerdings musste ich mich heute
auch von drei Schwestern verabschieden, die eigentlich für die gesamte Laufzeit des Projektes eingeplant waren. Bei diesen drei Schwestern und auch einigen der Ärzte hatte ich das Gefühl, als ich die Berichte der Abteilungsleiter las, dass diese Kollegen das Gefühl hatten hier einen bezahlten Urlaub auf Zeit zu machen. Es wurde während der Arbeitszeit gelesen, statt die Stationen im Schuss zu halten. Arbeitszeiten wurden nicht eingehalten. Solche Dinge dürfen einfach nicht passieren. Das Personal im "Projekt Dalinow" ist hier auf ein Minimum ausgelegt. Auf Grund der Länge des Projektes, geht das gar nicht anders zu realisieren. Leute ihr seid hier auf Arbeit, nicht in den Ferien. Wenn ihr eurer Arbeit nicht nachkommt, müssen andere eure Arbeit mitmachen. So geht das nicht. Deshalb sind natürlich auch eure Beurteilungen und Vergütungen dementsprechend mager ausgefallen, also wundert euch nicht. Noch eine Sache. Herr
Zimmermann, der Hausmeister hat sich nicht nur einmal über die Zustände in den Quartieren, der Ärzte und der Laboranten beschwert. Bitte Leute, wir können es auch so machen, dass ihr eure Quartiere selber putzen müsst. Das Reinigungspersonal, ist nur für die Reinigung der Glasfronten in euren Wohnungen da. Es muss nicht mal wischen, dass die Jungs und Mädels das machen, ist ein Entgegenkommen von diesen Kollegen, weil sie alle wissen, wie viel ihr arbeiten müsst. Also haltet Ordnung." Dafür bekam Hunsinger einen Applaus von den Mitarbeitern der Hausmeisterdienstes, denen das jetzt schon seit über einem Jahr böse in die Nase fuhr. Einige der Quartiere sahen jedes Mal aus wie ein Schweinestall. Nach dem sich alle beruhigt hatten, fuhr Hunsinger fort. "Noch etwas Negatives, aus dem vergangen Jahr. Wir haben einige Sabotageakte im Objekt gehabt, deshalb haben wir die Sicherheitsstufe des gesamten Objektes, auf die
höchste Sicherheitsstufe anheben müssen. Es tut mir leid, dass viele wegen einiger weniger, habgierigen Menschen leiden müssen. Diese Sache ist viel zu wichtig, als das wir zulassen können, dass man es sabotiert. Es hängen Menschenleben daran. Insgesamt siebzehn Leben, haben dieses Sabotageversuche schon gekostet. Fast wären es achtzehn gewesen. Viel hätte nicht gefehlt und unser Chefarzt wäre auch gestorben. Deshalb wundert euch nicht, wenn eure Pakete, Briefe, ab sofort geöffnet bei euch ankommen, wir können es uns einfach nicht mehr leisten, auf Vertrauen zu gehen. Zwei Ärzte haben sich von Zahlungen, in unvorstellbarer Höhe, zu diesem unmenschlichen Akt hinreißen lassen und haben ihre Seelen verkauft. Doktor März und Richter werden sich vor einem Militärtribunal für ihre Taten verantworten müssen." Wieder wurde Hunsinger unterbrochen, weil einige durch Applaus ihre Zustimmung gaben. "Des weiteren noch eine
Sache und zwar an die Herren der Schöpfung. Unsere weiblichen Mitarbeiter sind kein Freiwild. Sollte ich noch von einem einzigen Fall hören, dass man die Frauen hier sexuell belästigt oder gar vergewaltigt, kann derjenige sich gleich freiwillig den Gnadenschuss geben. Schämt ihr euch eigentlich gar nicht? Ich werde diesen Verbrecher höchst persönlich zur Verantwortung ziehen. Das wird für diesen sehr schmerzvoll werden. Jungs macht Handbetrieb, wenn der Druck zu groß wird. Geht zu einem der Ärzte, es gibt da auch Mittel gegen diesen Trieb. Merkt euch aber eins, Hände weg von den Frauen, wenn diese das nicht wollen. Nein heißt nein." Richtig böse sah Hunsinger in die Runde. Aber alle nickten, vor allem die Frauen die von März und Richter zum Teil böse belästigt wurden. Tief holte Hunsinger Luft. "So nun aber mal zu den schönen Dingen des Lebens. Ich möchte als erstes Schwester Pia, Schwester Waltraud, Schwester Doris und Schwester Anna nach vorn
bitten." Die vier genannten, gingen verlegen nach vorn, denn sie wussten bis zu diesem Augenblick nicht, dass sie auf die Bühne mussten. "Ich begrüße unsere vier neuen Oberschwestern. Schwester Anna wird nach Abschluss ihres Studiums in drei Jahren die offizielle Leitung, der Objekt internen Apotheke übernehmen. Da wir diese schon jetzt benötigen, wird sie unter Anleitung von Doktor Zolger und Jacob, diese bereits jetzt übernehmen, auch wenn nur als Stellvertreterin. Schwester Waltraud übernimmt die Stelle von Schwester Ingrid, wird die ärztliche Einrichtung für das Personal und die Physiotherapie leiten. Schwester Pia übernimmt die Stelle von Schwester Annet, da sie schon einige Zeit sehr intensiv im Labor mitgearbeitet hat, wird Oberschwester für die Laboranten. Oberschwester Doris, ist die leitende Schwester für das Pflegepersonal, wird von Schwester Anna unterstützt, bis diese die Apotheke
gänzlich übernimmt. So dass wir endlich diese Stellen an zuverlässige Mitarbeiter vergeben haben. Bitte unterstützen sie die Oberschwestern." Ein vom Herz kommender Applaus, bekundete, dass die Besetzung der besagten Posten durch genau die richtigen Personen erfolgt war. Viele der Mitarbeiter standen sogar auf, um ihren Respekt zu zollen. Im Laufe des letzten Jahres, hatten gerade diese Schwestern viel von den Arbeiten übernommen, die eigentlich die Oberschwestern hätten machen müssen. Ohne diese vier Schwestern wäre vieles nicht so gelaufen, wie es gelaufen ist. Das Projekt wäre jetzt schon am Ende angekommen. Oft holten diese vier Freundinnen, die Kastanien aus dem schon heftig brennenden Feuer. Vor allem waren diese vier Frauen, von allen angesehen und wurden akzeptiert. "So, damit ich mal fertig werde, verdammt so viel musste ich ja seit einem Jahr nicht reden",
sprach Hunsinger lachend, die ganze Belegschaft lachte mit. "Jetzt möchte ich mich noch bei drei Menschen bedanken, ohne die dieses Projekt niemals soweit gekommen wäre. Die im letzten Jahr, wohl einmal durch die Hölle und wieder zurück sind. Die ein Arbeitspensum erledigt haben, das keiner von euch auf Dauer geschafft hätte. Vor allem möchte ich mich hier bei Doktor Anderson und Heiko Corstens bedanken, die in der Zeit der Erkrankung die Vertretung unserer beiden Abteilungsleiter übernommen haben. Vielen Dank für euren selbstlosen und guten Einsatz. Nun zu den drei wichtigsten Männern hier im "Projekt Dalinow", Walter, Sigmar, Fritz kommt bitte nach vorn. Fritz du lehnst dich bitte etwas an den Tisch an, das ist ein Befehl. Nicht das du mir hier umfällst." Ernst blickte er Jacob an, der immer noch sehr blass aussah. Deshalb machte Hunsinger zügig weiter, damit Jacob sich wieder setzten konnte. "Ich mache es
jetzt einfach mal persönlich, ohne dieses Geziere und Gehabe. Leute ohne euch, wäre dieses Projekt schon lange tot. Ihr habt eure gesamte Energie in dieses Projekt gesteckt. Habt gerettet, was zu retten war. Meinen großen Dank an euch und zwar persönlich. Ich sollte das hier ganz offiziell machen, aber keine der Reden, die mir diese Wortkünstler in Berlin vorgeschlagen haben, brachte das zum Ausdruck, was ich euch sagen wollte. Egal welche Worte ich wähle, alles klingt banal, albern von oben herab. Deshalb einen einfachen von Herzen kommenden Dank, von mir. Für euren Einsatz vor allen aber, für euren Mut und den Willen durchzuhalten. Aber auch dafür, dass ihr Dinge getan habt, die kein andere hätte tun wollen. Vor allem möchte ich mich bei euch bedanken, dass ihr mir auch mal in den Arsch getreten habt. Viele bleiben für die Zeit eines Projektes, lieber mit dem Kopf in meinem Arsch, statt mal den Mund aufzumachen. Statt mir mal offen die
Meinung zu sagen, oft wird man mit der Zeit blind, sieht bestimmte Dinge einfach nicht mehr. Also Danke meine Freunde, macht weiter so, helft euch gegenseitig. So werden wir das Projekt, zu einem guten und erfolgreichen Abschluss bringen." Hunsinger bekam von der gesamten Besatzung des Projektes stürmische Zustimmung, durch tosenden Applaus. Seine Worte waren ehrlich, brachten das zum Ausdruck, was alle die ganze Zeit schon dachten. "So, nun mache ich Offiziell weiter. Major Mayer für hervorragende Dienste für Volk und Vaterland, habe ich den Auftrag bekommen sie zu befördern, möchte ihnen zum Oberstleutnant gratulieren." Damit entfernte er die Schulterklappen von der Uniformjacke Mayers. Heftete statt der geflochten Schulterklappe, mit silberweißem Grund und einem Stern, eine geflochten mit silberweißem Grund mit zwei Sternen. Wieder ertönte tosender Applaus. Alle
wussten, was Oberstleutnant Mayer in den einem Jahr für Arbeit geleistet hatte. Keiner würde mit ihm tauschen wollen, er koordinierte alle Bereiche des Projektes, neben der Pflege seiner kranken Tochter. Viele begriffen nicht wie das dieser Mensch schaffte. Trotzdem war seine Ilka ein glückliches zufriedenes Kind, das viel lachte. Keiner, außer den beiden Doktoren, hatte das mehr verdient. "Des weiteren darf ich auch bei Ihnen Major Zolger und ihnen Major Jacob diese Beförderung vornehmen. Das was sie beiden im Bereich der Wissenschaft und der Medizin geleistet haben, ist unvorstellbar. Dafür unseren Respekt und unseren Dank." Hunsinger entfernte erst bei Zolger die Schulterklappen vom Overall, heftete die neuen an, dann wollte er dies auch bei Jacob tun. Genauso wie Mayer bekamen alle beide einen tosenden Applaus. Hunsinger sah mit Erschrecken, dass Jacob immer blasser wurde. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn.
"Fritz, willst du dich setzen." Jacob nickte, ihm war das alles zu viel, krampfhaft hielt er sich am Oberarm Hunsingers fest. Das lange Stehen war einfach zu viel. "Komm." Damit führte Hunsinger den Chefarzt, obwohl er die Schulterklappen noch nicht wieder angeheftet hatte, an seinen Platz. Damit der immer noch geschwächte Jacob sich setzen konnte. Anderson eilte sofort auf die Bühne. Allerdings war es nur der noch sehr labile Kreislauf des Chefarztes, der wieder einmal Ärger machte, wie so oft in den vergangen Tage. Durch das fast vierwöchige festen Liegen, die starke Überlastung durch die Narkotika, schaffte es der Kreislauf einfach noch nicht, stabil zu bleiben, sobald Jacob lange stand. Anderson hörte Jacob ab, gab aber Entwarnung, nach einem Glas Wasser, ging es den jetzt wieder sitzenden Chefarzt besser. Leise, so dass es keiner außer Hunsinger hörte,
bat Jacob. "Ich würde mich gern hinlegen, wenn du nicht sauer bist. Ich bin doch noch nicht so fit, wie ich dachte. Ich wollte nur nicht, dass ihr den Termin noch einmal verschieben müsst." Hunsinger nickte das hatte er gerade gemerkt. "Hältst du noch fünf Minuten aus, ich möchte nur schnell die neuen Leute begrüßen, dann kannst du hoch gehen." Jacob nickte müde. Damit drehte sich Hunsinger zu der Mannschaft um. "So keine Grund zur Panik. Unserem Chefarzt geht es ganz gut, er ist nur das lange Stehen nicht mehr gewohnt. Also machen wir hin, dass er ins Bett kommt. Ich möchte folgende neuen Mitarbeiter auf die Bühne bitten. Oberst Friedrich, der das Training für Nahkampf und Schießen übernimmt. Oberst Nicht, lehrt unseren Schützlingen alles was mit Waffentechnik, Funk zu tun hat. Oberst Karol ist zuständig für die Ausbildung im Bereich Sprengstoffkunde, Oberst Peters ist der Lehrer für Taktik. Herzlich Willkommen, beim "Projekt
Dalinow", sie werden alle ab 1. August dieses Jahr, ihren Dienst hier im Projekt antreten." Mayer kam auf Hunsinger zu, flüsterte diesem etwas ins Ohr. "Oh natürlich, danke Genosse Oberstleutnant. Oberst Friedrich, für sie ist der Dienstbeginn am 1. Mai dieses Jahr. Tut mir leid, das war mir jetzt entfallen. Bis dahin hoffe ich sind unsere Schützlinge soweit, dass sie ihnen folgen können. Ende April erwarte ich dann Doktor Kreuzer, der Naturwissenschaften unterrichten wird und Professor Sieg, verantwortlicher Lehrer für Mathematik und Sprachen. Beide werden von zwanzig Betreuern und Hilfskräften unterstützt, die ihren Dienst am 15. April 1959, hier im Projekt antreten werden, um ihre neuen Schützlinge kennen zu lernen. Also genügend Zeit haben, sich mit den Kindern bekannt zu machen. Auch an sie ein Herzliches Willkommen. Von unseren Schwestern werden Zenta, Yvonne, Rita, Katja und Paula zu den Betreuern wechseln, diese
durch ihre medizinisch sportliche Ausbildung zusätzlich unterstützen. Ihr Fünf fangt nach dem vorgeschriebenen Plan ab Montag mit der Frühkindlichen Körpererziehung an. Versucht bitte das Pensum zu schaffen, auf diese Übungen wird Oberst Friedrich aufbauen. Denkt bitte daran, wir haben einen sehr engen Zeitplan." Hunsinger blickte kurz auf seinen Zettel, ob er nun wirklich alle vorgestellt hatte. Dann sprach er weiter. "So, meine Damen und Herren ich wünsche ihnen jetzt allen einen Guten Appetit, einen schönen Abend, vor allem uns allen ein weiterhin gutes Gelingen. Unserem Chefarzt eine gute Besserung." Damit war der Abend eröffnet. Besorgt ging er zu dem immer noch blass wirkenden Jacob. "Fritz geht es wieder." Der versuchte zu lächeln. "Tut mir leid, ich wollte nicht schwächeln, Franz." "Ist nicht schlimm. Willst du dich hinlegen oder
erst noch mit essen?", erkundigte sich Hunsinger. "Wenn ich ehrlich bin, würde ich mich lieber hinlegen. Essen kann ich nichts, mir ist schlecht." Schon stand Mayer auf. "Ich hol dir ein Taxi, Fritz." "Danke Sigmar, tut mir leid." Beruhigend klopfte Mayer seinem Freund auf die Schulter. "Ach Quatsch, ist doch nicht so schlimm. Erhole dich erst mal. Verspreche es mir langsam hoch zufahren. Du siehst ja selber, du bist noch nicht wieder fit, Fritz." Dieser nickte betrübt, aber alles Jammern, nutzte jetzt nichts. Er konnte es ja jetzt auch nicht mehr ändern. Kaum fünf Minuten später verließ Jacob die Feier, auf die er sich so gefreut hatte, fuhr nach oben in seine Wohnung. Das Einzig erfreuliche an der ganzen Sache war, dass ihn seine Anna begleitete, da ging es ihm gleich besser. Kaum das Jacob seine Wohnung
betreten hatte, ging er in sein Schlafzimmer um sich hinzulegen. Er war völlig fertig. Am ganzen Körper zitternd, lag er in seinem Bett, schwer atmend, ständig hustend. "Verdammt", murmelte er leise, sich über sich selber ärgernd. Anna die sich auf das gemeinsamen Bett setzte, streichelte ihn zärtlich das Gesicht. "Fritz, du musst Geduld haben, auch wenn es vielleicht nicht mehr so gut wird, wie vor einem Monat, aber es wird wieder besser werden." Jacob nickte, er wusste es ja. Nur seine Stärke lag nicht gerade im Bereich der Geduld. "Ich weiß", sprach er müde, drehte sich auf die Seite. "Geh ruhig ein bisschen zum Fest. Anna du musst keine Angst haben, mir geht es gut. Ich bin wirklich nur fix und fertig. Es ist so selten etwas los hier, geh ruhig etwas tanzen." Anna schüttelte den Kopf. "Weißt du was wir machen, Schatz." Jacob sah fragend zu seiner Freundin. "Du schläfst jetzt etwas, dann
kommst du aufs Sofa, dort kuscheln wir uns zusammen. Dann kannst du liegen und bist nicht so alleine." Jacob wollte das alles nicht. "Komm Anna, geh etwas vor zum Fest. Walli freut sich bestimmt. Ich bin einfach nur müde. Mit mir ist heute nichts mehr los. Ich will nur schlafen. Von mir aus beauftrage den Wachdienst, dass der alle zehn Minuten nach mir sieht. Ich möchte nur in meinem Bett, bis morgen früh schlafen. Dann möchte ich endlich nach unten, zu meinen Kindern." Anna nickte, sie merkte, dass Jacob sich schon wieder aufregte, das war im Moment gar nicht gut. "Na dann, ich warte bist du schläfst, dann sause ich nach vorn. Versprochen." Jacob nickte und rutschte ein Stück zur Seite. Anna legte sich neben ihn und streichelte ihm das Gesicht, kuschelte sich ganz fest an ihn. Erschrocken stellte Anna fest, dass Jacob wieder so schwer atmet und ständig husten
musste. "Komm beruhige dich doch Schatz, es wird bald besser. Du hast doch jetzt mich, ich passe auf dich auf." Zärtlich streichelte Anna immer wieder Jacobs Gesicht, langsam wurde sein Atem ruhiger. Der Husten ließ nach und sein ganzer Körper entspannte sich. Kaum fünf Minuten später, hörte Anna tiefe gleichmäßige Atemzüge. Ihr Schatz schlief tief und fest. Anna erhob sich leise, fast zehn Minuten beobachtete sie Jacob noch beim Schlafen. Dieser hatte jedoch gar nicht mitbekommen, dass Anna aufgestanden war. Kein Husten mehr, sondern gleichmäßig ruhiges Atmen gingen von Jacob aus. Entschlossen ging Anna noch einmal nach vorn, zum Fest. Kaum, dass sie angekommen war, fragten alle nach Jacob. Anna berichtete, dass er eingeschlafen sei, sie aber gebeten hatte, an dem selten stattfindenden Fest teilzunehmen. Sie sollte die Abwechslung genießen. Deshalb war
sie noch einmal kurz vorbei gekommen. So feierte Anna mit ihren Freundinnen. Richtig genießen konnte sie das Fest trotzdem nicht. Da es immer wieder unterbrochen wurde. Dadurch, dass Anna nach hinten in Jacobs Wohnung ging. Gegen 23 Uhr, verließ auch Anna die Feier, legte sich zu ihrem Schatz ins Bett. Am nächsten Morgen um 6 Uhr musste Anna zum Dienst, nach unten in den Kinderbereich. Auch als Anna am späten Abend, kurz nach 23 Uhr schlafen ging, war Jacob noch nicht aufgewacht. Ein Zeichen das sein Körper, noch sehr viel Ruhe brauchte.
Erst am übernächsten Morgen den 14. März, also genau einen Monat nach der Geburt der Kinder, wachte Jacob gegen 4 Uhr gut erholt auf. Leise um Anna nicht zu wecken, ging er ins Bad, um sich duschen, zog sich an. Man sah ihm an, dass der Schlaf ihm sehr gut getan hat, der Schlaf in seinem eigenen Bett, bei sich zu Hause. So leise wie möglich richtete Jacob das Frühstück her, weckte seine Freundin kurz vor 5 Uhr. Anna öffnete die Augen und konnte sie nicht glauben, was sie sah. "Guten Morgen mein Engel", bekam sie von einem rasierten, lächelnden Jacob zu hören, verbunden mit einem lieben Kuss. "Du musst aufstehen, es ist schon 5 Minuten nach um Fünf. Komm frühstücken, dann gehst du duschen", Jacob hielt der völlig perplexen Anna die Hand hin, half ihr beim Aufstehen.
Gemeinsam gingen sie an den Frühstückstisch, zum ersten Frühstück in den gemeinsamen vier Wänden. "Wie geht es dir? Guten Morgen mein Schatz", fand Anna endlich die Sprache wieder. "Gut wie lange nicht mehr. Mein Bett ist immer noch mein Himmelreich", erklärte Jacob. "Ich habe es so vermisst." Jetzt hatte sich Anna wieder gefasst. "Du hast fast anderthalb Tage durchgeschlafen. Aber es hat geholfen." Jacob sah seine Freundin ungläubig an. "Och nööö", kam es von so tief innen, dass beide darüber lachen mussten. "Doch Fritz, du hast einen ganzen Tag verschlafen. Da siehst du mal, wie fertig du warst. Also gehe es wirklich langsam an, Schritt für Schritt. Du warst verdammt krank, damit ist nicht zu scherzen." Jacob nickte, er gab seiner Anna Recht. Selbst beim Frühstück machen, das ja nun keine
schwere Arbeit war, hatte er einige Pausen machen müssen. Dabei wurde ihm bewusst, dass er noch einige Wochen brauchte bis er wieder joggen konnte, aber er würde es Schritt für Schritt angehen. "Ich bin ein braver Fritz, ich mache langsam, ich habe es doch versprochen, keine Angst. Aber nach dem Frühstück, möchte ich endlich meine Kinder mal sehen. Wenn die so weiter gewachsen sind, dann sind die bestimmt schon groß." Da musste Anna breit grinsen und fing an zu erzählen. "Ja Fritz, du hast Recht, die wachsen so schnell, dass es einen richtig Angst macht. Ich würde sagen, das Alter der Kinder entspricht, wenn ich von der Kleinsten, also Lyn ausgehe …" Jacob unterbrach Anna. "Von Lyn? Wer ist das?" Jetzt musste Anna von Herzen Lachen, sie hat gar nicht mehr daran gedacht, dass Jacob das ja
gar nicht wissen konnte. "Lyn ist Nummer 98, sie bezeichnete sich selber so. Also wenn ich von 98 aus gehe, würde ich sagen entspricht die Entwicklung, jetzt dem Alter von achtzehn Monaten plus minus einem Monat. Du musst wissen, die Kinder haben nicht alle den gleichen Entwicklungsstand. Manche sind weiter, manche sind hinterher. Aber ich finde 98 ist von allen, am weitesten entwickelt. Obwohl sie mit Abstand die Kleinste und Zierlichste ist. Sie kann schon laufen, schwimmen, tauchen, beginnt die ersten Übungen, Rolle, sogar Klimmzüge macht sie schon." Anna kam über ihren Liebling richtig ins Schwärmen und hatte glänzende Augen, so stolz war sie auf die Kleine. "Die Kinder sind alle, in vielen Dingen wesentlich weiter, als normale Kinder in dem Alter. Es ist unglaublich, was die schon alles können. Die Nummer 98 entwickelt sich aber völlig anderes als die anderen Kinder. Jetzt fängt sie langsam an zu sprechen, doch in
ihrer, nicht in unserer Sprache." Jacob fielen vor Staunen fast die Augen aus dem Kopf, er konnte nicht glauben, was er da zu hören bekam. "Wie in ihrer Sprache?", wollte Jacob jetzt genauer wissen. Anna zuckte mit dem Schultern. "Die Kinder scheinen eine eigene Sprache zu haben. Erzählen manchmal mit einander. Nummer 91 und 98 flüstern öfter einmal miteinander. Ich hab das beobachtet, habe dann spaßeshalber unter dem Bett von 98, ein Aufnahmegerät platziert, um so zu erfahren über, was sie sich unterhalten. Aber man versteht sie nicht, es ist nicht in unserer Sprache die sie sprechen." Verwundert sah Jacob seine Freundin an. "Du wirst es dann schon sehen. Auf alle Fälle sagt dir 98 genau, was sie will und was sie nicht will. Obwohl sie oft noch nicht die Worte dafür hat. So hat sie durch gesetzt, dass 91 ihr Bett mit 97 tauscht. So können die beiden nebeneinander liegen. Wir mussten sogar die
Betten zusammen rücken. Das war ein Spaß kann ich dir sagen, wir wussten nicht, was die Kleine wollte. Die ist bald durchgedreht. Sie ging in ihren Bett um, wie eine Verrückte. Schrie sich die Seele aus dem Leib." Anna verdreht die Augen, um zu verdeutlichen wie schlimm das war. "Sie schrie fast vier Tage am Stück.. Weder 98 noch 91 haben in der Zeit etwas getrunken oder gegessen oder geschlafen. Es war erst Ruhe, als ich auf die Idee kam, sie aus ihrem Bett zu lassen. Ich nahm sie auf den Arm. Dann sagte ich ihr, sie soll mir zeigen, was sie will. Wie am Spieß schreiend, mit Tränennassen Gesicht, zeigte sie mir, wo sie hin wollte. Die Kleine führte mich zum Bett von 91. Dort griffen sich die beiden Mädchen an den Händen, sofort hörten 98 auf zu weinen. Ich setzte 98 in das Bett von 91, dort legten sich die beiden Mädchen hin, rollten sich zusammen und schliefen auf der Stelle ein." Kopfschüttelnd sah Jacob seine Freundin an.
Anna zuckte verlegen mit den Schultern und erklärte ihm dann, was los gewesen war. "Fritz, ich sah dann später in den Unterlagen nach. Die Kleine 98 hatte ganze vier Tage geschrien, ohne erkennbaren Grund. Sie war durch nichts zu beruhigen. Aber auch 91 wanderte so lange im Bett herum, ohne zu schlafen. Die beiden wollten einfach zueinander. Ich forschte dann weiter nach." Jacob hörte fassungslos zu. "Fünf Stunden bevor die beiden anfingen, so verrückt zu spielen, waren beide zum Schwimmen. Anschließend saßen sie das erste Mal zusammen am Tisch, um ihren Brei zu essen. Dann trennte man die Mädchen wieder. Wie immer kam jedes in sein Bett. Erst dann fing das Theater an. Sie wollten einfach nur zusammen sein. Seit dem sind die beiden Unzertrennlich. Wenn sie schlafen, halten sie sich durch die Gitterstäbe an den Händen. Trennt man die beiden, gibt es wirklich jedes Mal Theater und bei 98 ganz viel Tränen. Wir haben keine Ahnung, warum das so
ist?" Plötzlich stutzte Anne, ihr fiel gerade etwas ein. "Fritz, am 14. Februar, das fällt mir gerade wieder ein, war das unten in der Turnhalle auch schon so. Als Doktor Zolger in die Halle kam und dir die Ergebnisse brachte, legte ich 98 zufällig neben 91. Sofort haben sich die beiden an der Hand gefasst. Als ich die Kleine dann wieder auf den Arm nehmen wollte und ihre Hand von 91 trennte, fing sie an zu schreien. Erst als ich 91 auch auf den Arm nahm und beide sich wieder berühren konnten war Ruhe. Im Kinderraum unten hat 98 stundenlang geschrien. Ich nahm sie dann auf den Arm und habe sie ewig herum getragen bis sie vor Erschöpfung eingeschlafen ist." Völlig irritiert hatte Jacob zugehört. "Das gibt es doch nicht. Machen das noch mehrere?" "Fritz, die Kinder sind immer ruhig. Keins der Kinder weint oder macht Lärm. Nur die Nummer 98 schreit ab und zu einmal. Aber das hat dann immer einen Grund. Dann stimmt irgendetwas
nicht. Dann passt ihr etwas nicht oder sie irgendwas erreichen will. Sie setzt immer durch, was sie will." Jacob hörte gespannt zu, rieb sich schon wieder hustend seine Brust. "Fritz hast du schon wieder Schmerzen", Anna sah Jacob besorgt an. Dieser nickte sah genervt zu seiner Freundin, das Frühstücken hatte ihn schon wieder angestrengt. "Willst du dich noch eine Stunde hinlegen, nicht das es dir wieder zu viel wird." Jacob versuchte das Husten zu unterdrücken, was ihm jedoch nicht ganz gelang. Ermahnend wies er auf die Uhr. "Du musst hin machen, es ist gleich 5 Uhr 40, Anna du kommst zu spät. Ich leg mich noch etwas hin." Damit stand Jacob auf, ging ins Schlafzimmer, legte sich aufs Bett. "Verdammt noch mal, wie lange soll das nur noch so weiter gehen", flüsterte leise. "So kann ich doch nicht arbeiten", mühsam versuchte er Luft zu bekommen. Immer wenn er solche schlimmen Atemprobleme hatte, fing er an zu
husten. Jacob schloss seine Augen, versuchte tief und gleichmäßig zu atmen, endlich wurde es besser. Völlig fertig von dem - wie soll man es sonst nennen - Anfall, schlief er noch einmal ein. Merkte nicht einmal, dass Anna in den Raum kam und besorgt nach ihm sah. Jacob schlief allerdings ruhig und gleichmäßig atmend. Etwas beruhigter räumte Anna den Tisch ab und fuhr nach unten auf die 6/blau, um ihrer Arbeit nachzugehen. Über drei Stunden schlief Jacob. Kurz nach 9 Uhr wurde er munter, stand vorsichtig auf. Erleichtert stellte er fest, dass es ihm wieder gut ging. Langsam lief er ins Bad, stellte sich vor den Spiegel, betrachtete sich genau. "Du siehst Scheiße aus", stellte er lakonisch fest, als er sein Spiegelbild betrachtet hatte. Was er da zu sehen bekam gefiel ihm gar nicht. Der Mann der dort stand, mit schlappernden Turnhose, war völlig abgemagert. Seine Gesicht
wirkte eingefallen und blass. Vor allem und das störte Jacob am meisten hatte er tiefe Falten die sich um seinen Mund der Nase und auf der Stirn eingegraben hatten. Falten wie sie nur mürrische und finster dreinschauende Menschen habe. "Das hast du aber gut hin bekommen Fritz. Du schaust aus wie ein alter nörgelnder Opa. Na ja, das bekommen wir schon wieder hin. Ich verordne dir eine Lachtherapie", sprach er breit grinsend zu seinem Spiegelbild. Kurzentschlossen ging er in sein Büro, nahm die Arzttasche und untersucht sich selber: sein Blutdruck war zu niedrig, der Puls ebenfalls. Also musste er sehen, dass er auf diese Sachen selber etwas mehr achtete. Das Husten kam vom Herzen, die Lungen hörten sich frei an. Also hatte er Herzrhythmusstörungen, diagnostizierte er sich selber. 'Kein Wunder', ging es ihm durch den Kopf, 'bei der Menge von Narkotika, die du dir verabreicht hast.' Er konnte von Glück reden, dass er
überhaupt noch lebte. Anderson hatte ihm die Laborberichte gezeigt. Was er auf diesen zu sehen bekam, hatte ihn selber erschreckt. Nur konnte er sich nicht daran erinnern. Aber es war oft so, dass man in solchen Fällen, das was passiert war einfach verdrängt. Na gut, mit einigen Medikamenten konnte er damit gut leben. Mit der Untersuchung fertig, rief er Anderson an. "Guten Morgen Jim, hier ist Fritz. Ich hoffe ich habe dich nicht geweckt." Anderson war erfreut über den Anruf, des Chefarztes. "Guten Morgen Fritz, nein du hast mich nicht direkt geweckt, ich sitze gerade über Schreibkram. War aber kurz vor dem Einnicken. Was gibt es? Brauchst du Hilfe?" Wollte er von Jacob besorgt wissen. Jacob berichtete von seiner Selbstdiagnose, fragte seinen Kollegen, ob er mit der Medikation einverstanden war. "Klar, das habe ich dir auch verschrieben, Fritz.
Die Diagnose ist richtig." Gab er diesem zur Antwort. Jacob hatte sich nicht geschont. "Bist du lieb Jim, du weiß es ist nicht gut, wenn ich mir das selber verschreibe, bestellst du mir die Sachen. Du weißt es ist nicht gut wenn ich das selber mache. Ich muss das mit den Anfällen langsam mal in den Griff bekommen. Ich drehe durch, wenn ich nicht bald wieder etwas zu tun bekomme. Aber so kann ich nicht arbeiten. Die kleinste Anstrengung, führt zu einem Anfall. Nicht mal Frühstück konnte ich machen, ohne Atemnot. So geht das nicht", sprach Jacob und fing schon wieder an zu husten. Mühsam atmet er sich runter. Was Anderson am anderen Ende der Leitung sagte, bekam er gar nicht mehr mit. Er hatte sich gerade so über sich selber geärgert, dass er keine Luft mehr bekam. Deshalb sagte er zwischen zwei Hustenanfällen. "Moment." Versuchte wieder ruhiger zu atmen. Fast drei Minuten brauchte er, um wieder normal atmen und vor
allem wieder sprechen zu können. Als er den Hörer wieder aufnahm, der ihm aus der Hand gefallen war, hörte er nur noch. "tut… tut… tut…" Achsen zuckend legte er auf, in dem Moment ging die Wohnungstür. Anderson hatte in seiner Sorge um Jacob, das Rettungsteam alarmiert, stand in dem Moment schon mit Heiko in dessen Wohnung. "Man Fritz, du hast mich gerade zu tote erschreckt", entschuldigte er sich dafür, dass er einfach so in die Wohnung gekommen war. Jacob sah bekümmert drein, sich immer noch schwer atmend auf den Tisch stützend. "Tut mir leid Jim, ich kann das im Moment nicht steuern. Ich bekam keine Luft mehr, konnte dir auch nicht zuhören. Es ging einfach nicht." Anderson nickte, er hat am Telefon gehört, dass Jacob wirklich Mühe hatte, Luft zu bekommen. Auch jetzt atmete Jacob immer noch schwer. "Setze dich, bevor du mir wirklich noch umfällst. Danke Heiko, ich denke das schaffe ich
jetzt alleine. Sag dem Rettungsteam, ich brauche es nicht." Corsten sah besorgt zum Chefarzt. "Geht es wieder, Fritz?" Dieser nickte betrübt. Corsten verließ daraufhin die Wohnung, ging wieder seiner Arbeit nach. Jacob der sich in der Zwischenzeit hingesetzt hatte, war schweißgebadet. "Verdammt noch mal. Hoffentlich bekomme ich das bald in den Griff, Jim. Das macht mich total verrückt." Anderson klopfte ihm auf die Schulter. "Wir bekommen das schon hin. Du brauchst ein paar Tage, bis dein Kreislauf wieder besser funktioniert. Hab etwas Geduld. Ich habe dir die Medikamente schon bestellt, die kommen heute noch per Luftkurier. Entschuldige bitte, dass ich einfach reingekommen bin. Aber es hörte sich an, als ob du umgefallen wärst. Mayer hat meine Karte für dein Quartier freigeschaltet, damit ich immer rein kommen kann, falls mal etwas ist.
Heiko habe ich unterwegs getroffen, der kam aus Sorge mit hoch. Fritz du musst langsamer machen." Jacob war das schon klar. "Jim ich weiß, ich hab mich nur grad, über meine eigenen Blödheit aufgeregt. Da ging es schon wieder los. Tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken. Bitte geb mir irgendetwas zu tun, damit ich mir nicht so nutzlos vorkomme. Das tut mir gar nicht gut. Ich würde so gern mal die Kinder sehen. Aber ich habe Bedenken, dass ich den Weg nach unten nicht schaffe", gestand er seinen Freund. Anderson klopfte ihm auf die Schulter. "Das wird schon, gebe dir noch eine Woche, vor allem mache langsam. Fritz, wir haben dich dreimal nur mit knapper Not, wieder zurück geholt. Es war verdammt haarig. Du kannst von Glück reden, dass du überhaupt noch lebst." Jacob nickte, zog ein betretenes Gesicht. "Ich weiß, Jim. Glaubst mir, dass ich nicht einmal weiß, warum ich das gemacht habe. Seit drei
Wochen grübele ich darüber nach. Ich weiß, dass ich mir etwas gespritzt habe, das erste Mal ja. Aber nur 1 Einheit, als Einschlafhilfe. Jim ich war einfach fertig. Ich bekam die Gesichter der toten Kinder nicht aus meinen Kopf. Aber das zweite Mal, wirklich ich habe keine Ahnung, ich glaube ich habe mir eine Dosis gespritzt, damit ich nicht durchdrehe." Jacob rieb sich das Genick und sah Anderson verzweifelt an. "Ich glaube es hat nicht mehr viel gefehlt. Aber dieses Cocktail, wirklich Jim, ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mir diesen Mist gespritzt haben soll. Ich besitze keine Ernsdolor, nirgends. Hier oben nicht und auf keiner der Stationen, weil ich dieses Zeug hasse wie die Pest. Ich verstehe das alles einfach nicht." Jacob versucht mühsam ruhig zu bleiben und das Husten zu unterdrücken, doch es klappte nicht ganz. "Es macht mir Angst, wenn ich nicht weiß, was ich mache, nicht mehr Herr meiner Sinne bin. So etwas ist mir noch nie passiert", gestand
er Anderson. "Fritz, du standest unter einen wahnsinnigen Druck. Da kann so etwas schon mal passieren. Aber ich denke, das wird nicht wieder vorkommen. Mach dir keine Sorgen. Pass auf, wir machen folgendes. Ich gebe dir einige Auswertungen, die ich dringend vom Tisch haben muss. Die kannst du die nächsten Tage im Bett oder auf dem Sofa liegend, ansehen und auswerten. So kommst du auch langsam wieder rein. Dann sind einige Tests von den Kindern offen, die du ganz gemütlich, in deinem Labor hier oben machen kannst. So wie es dir halt geht. Wir haben es ja wieder herrichten lassen. Dann hast du schon einen kleinen Anfang." Jacob sah Anderson verwundert an. "Wie mein Labor wieder herrichten lassen?" Jetzt fing Anderson an schallend zu lachen. "Na ja, mal ganz vorsichtig ausgedrückt, du hast versucht dein Labor zu zerstören. Es war nichts mehr dort, wo es gewesen ist. Der Hausmeister
hat nur noch Schaufel und Besen nehmen müssen, um alles aufzuräumen." Fassungslos starrte Jacob zu seinem Freund. Dann stützte er den Kopf auf die Hände, fing schon wieder an zu husten. "Komm Fritz, höre auf dich aufzuregen." Beruhigend legte Anderson seine Hand auf den Rücken von Jacob. "Komm atme ruhig, es ist doch niemand zu Schaden gekommen. Materialien lassen sich ersetzen." Mit geschlossenen Augen saß Jacob da, rang um seine innere Ruhe, vor allem nach Luft. Langsam bekam er sich wieder in den Griff. "So ist es gut, Fritz." Lobte ihn Anderson. "Wirklich Jim, ich weiß davon nichts. Drehe ich langsam durch?" Anderson schüttelte den Kopf. "Nein Fritz aber du warst damals fix und fertig. Dann diese Betten für die Babys, die du gerade gerettet hattest. Das war einfach zu viel. Die Sache mit März und Richter, hat dir dann den Rest gegeben. Du hast so um die Kinder gekämpft und diese Verbrecher haben alles
kaputt gemacht. Wenn es dich beruhigt, ich habe am Morgen des 15. Februar auch vor Wut, die volle Kaffeetasse an die Wand geschmissen. Ich hatte wesentlich weniger Stress wie du." Anderson klopfte seinem Freund auf die Schulter, sah ihn dabei ernst an. "Ich habe erst in den letzten vier Wochen begriffen, unter welchen enormen Druck du gestanden hast. Seit dem, muss ich ja deine Arbeit machen. Ich habe keine Ahnung, wie du das geschafft hast. Vor allem über die ganzen Monate. Glaube mir eins, keiner von uns hätte das ohne Schaden überstanden. Warum hast du nie etwas gesagt? Ich hätte dir doch sonst geholfen. Fritz, komm höre auf über das, was vorbei ist nachzugrübeln. Das tut dir wirklich nicht gut. Komm lege dich noch einmal hin. Du bist schon wieder schweißgebadet. Es bringt doch nichts, wenn du umkippst. Schritt für Schritt. Morgen geht es besser als heute, du wirst sehen." Jacob nickte. Er merkte selber, dass er nicht
mehr konnte. Mühsam erhob er sich. Anderson bot ihm Hilfe an, da Jacob sich schon wieder schwankend am Tisch festhielt. Gemeinsam schafften sie die kurze Strecke bis zum Bett, in das sich Jacob erschöpft legte. Tief holte Jacob Luft, atmet gleichmäßig, langsam beruhigte sich sein rasendes Herz wieder. "Du bleibst jetzt im Bett. Bitte. Ich bin in einer halben Stunde zurück. Versprochen, Fritz?" Dieser nickte, ernst sah ihn Anderson an. Jacob nickte noch einmal. "Ich beeile mich, bleib einfach liegen." Mit diesen Worten verließ Anderson den Raum, aber auch die Wohnung von Jacob. Schnell lief er nach unten auf die 6/blau. "Guten Morgen", grüßte er laut und vernehmlich in den Raum. Sah sich nach Anna um. Anna war wie immer hinten rechts in der Ecke, bei ihren Lieblingen. "Anna, hast du mal einen Moment?", rief er in den Raum. Anna kam nach vorn, zum Dokumententisch.
"Was ist Herr Doktor?" "Anna, wie sieht es aus, können wir es wagen, mit 98 einen kleinen Ausflug zu machen?" Anna überlegte kurz, wackelte mit dem Kopf. "Ich bin mir nicht sicher, Doktor Anderson, mit 98 und 91 zusammen würde ich sofort ja sagen. Aber nur 98 alleine? Da werden wir wieder Probleme bekommen", brachte sie ihre Bedenken vor. Anderson nickte, er hat von dem Problem schon gehört und es selber erlebt. "Dann halt beide oder sie erklären 98, dass sie einen Krankenbesuch machen soll. Vielleicht lässt sie sich ja überreden", verwundert sah Anna zu dem Arzt. "Wie Krankenbesuch?" Grinsend mit schief gehaltenen Kopf, sah Anderson nach oben. "Du meinst ich soll mit 98 hoch zu Fritz?", fragte Anna völlig verwirrt über das, was sie da hörte.
"Anna, ich habe gerade mit Fritz gesprochen. Er hatte schon wieder einen Anfall. Ich denke er braucht eine besondere Medizin. Er möchte doch so gern mal zu seinen Kindern. Ich denke es ist sehr wichtig für ihn. Wenn er es noch nicht schafft nach unten zu den Kindern zu gehen, dann sollten wir diese hoch bringen. Das hat den Vorteil, dass die Kinder auch mal etwas anderes sehen, außer dem hier." Anna nickte erfreut. "Ich versuche es 98 zu erklären, mal sehen ob sie mich versteht." Schon war Anna auf dem Weg nach hinten zum Bett von 98. Streichelte dieser und der bei ihr sitzenden 91, zärtlich übers Gesicht. "Lyn, 91 ich muss kurz mit euch reden." Beide Mädchen nickten, sahen sie mit schräg gehaltenem Kopf an. Anna wusste jetzt schon aus Erfahrung, dass dies das Zeichen war, dass die Kinder aufmerksam zuhören
würden. "Ich habe euch doch erzählt, dass einer unserer Doktoren krank ist. Das er seit eurer Geburt, auf der Krankenstation lag." Beide Mädchen sahen sich erst an, dann nickten sie, nach einer Weile. "Dem Doktor geht es wieder etwas besser. Er würde gern mal zu euch herunter kommen. Er würde euch gern einmal sehen. Allerdings ist er noch zu krank und schafft das noch nicht." Wieder sah Anna ihre Mädchen an, weil sie sich nie sicher war, ob die Kinder sie verstanden. Beide nickten und schauten fragend zu ihrer Pflegerin. "Wisst ihr es wäre gut, wenn einer von euch mal zu ihm gehen könnte. Damit er sieht, wie groß ihr schon geworden seid. Dadurch wird er schneller gesund." Lyn, also Nummer 98 drehte ihren Kopf zu 91, sah diese lange an. Immer wieder wunderten sich die Schwestern, was die Kinder machten. So wie auch dieses Mal, beobachtet Anna die eigenartigen Reaktionen auf ihre Frage und
wusste nicht, was sie davon halten sollte. Wie meistens, war Anna von den Reaktionen der Kinder überrascht. Was weder Anna, keiner der anderen Pflegekräfte und Ärzte wussten war dass die Kinder sich auf eine völlig andere Art und Weise unterhielten, wie normale Menschen. Lyn hatte zu allen Kindern eine eigenartige Verbindung. Diese konnte die anderen allerdings nur nutzen, wenn Lyn dies zuließ. Alleine waren ihre Kameraden nicht dazu in der Lage, diese Verbindung untereinander aufzubauen. Lyn spürte, wenn es ihren Gefährten gut oder schlecht ging, diese Hunger hatten oder verletzt waren. Man könnte es als eine Art Telepathie bezeichnen. Diese Verbindung machte es auch möglich, dass die Kinder sich miteinander unterhalten konnten, ohne laut zu sprechen. Das taten sie schon in den Inkubatoren. Sie haben diese Fähigkeit auch nach der Geburt nicht
verloren. Nur wusste keiner etwas davon. In ebendieser Verbindung, fragte Lyn ihrer Freundin, in der Sprache der Kinder. "Nikyta, Lyn drön, dy? – Was sagst du, soll ich gehen?" 91 sah ihre kleine Freundin an, dann nickte sie. "Lyn krös? Dika teja. Nikyta Kon. – Bist du mutig? Schwester Anna beschützt dich. Ich kann hören." "Doko dy. Rashida Lyn, nisön keladi. – Mit Doktor sprechen. Beruhige dich, er Freund. Mir nichts tun." 91 nahm 98 in den Arm, ängstlich schaute sie die Kleine an. "Granima Lyn. – Komm zurück Kleine." Diese nickte, wiederholt was sie vorher schon einmal gesagt hat. "Rashida Lyn, nisön keladi. – Beruhige dich, er Freund. Mir nichts tun." Dann sahen sie beide zu Anna. Dieses Gespräch dauerte keine Minute. Wie alles was diese Kinder taten, wurde es zügig durchgeführt. Lyn drehte ihren Kopf zu Anna, so spürte diese,
dass sie ihr eine Antwort geben wollte. Dann nickten beide Mädchen. "Das heißt du kommst mit?" Anna konnte ihr Glück nicht fassen. Sie sah zu 91, dann zu Lyn. Beide Mädchen nickten nochmals. "Oh, da wird der Doktor sich aber freuen. Ich passe gut auf Lyn auf, 91, ihr wird nichts geschehen." Wieder nickte 91, immer noch sprechen die anderen Kinder nicht mit den Schwestern. Nur Lyn macht dies, ab und zu einmal, wenn es gar nicht anders ging. Dies war etwas, was den anderen nicht gefiel. Deshalb wurde sie von den Anderen immer mehr gemieden und immer mehr zum Außenseiter gemacht. Den Kinder, waren sehr schnell bewusst geworden, auch wenn sie erst einen Monat alt lebten, dass sie ganz anders waren, als die Menschen die sie umgaben. Etwas wie eine unsichtbare Barriere stand zwischen ihnen und denen vor den Gattern. Etwas, dass die Kinder nicht erfassen konnten, da sie einfach
noch nicht lange genug auf dieser Welt waren, um Vergleichen zu können. Eins hatten sie allerdings sehr schnell begriffen und zwar schon in den Kästen mit dem Wasser. Es gab Menschen, die es gut mit ihnen meinten, aber es gab auch welche die ihnen Schmerzen zu fügten. Deshalb wollten sie nicht mit den anderen reden. Sie wussten noch nicht genau, wie sie sich verhalten sollten. Beobachteten diese andere Welt, mit gebührender Vorsicht. Nur Lyn war anders. Sie wollte alles erforschen und sagte immer, dass man Vertrauen haben sollte. Die anderen wollten das nicht und blieben deshalb lieber auf Abstand. Lyn allerdings, hatte ihnen schon einige Male bewiesen, dass man mit den anderen sprechen musste, sonst wären schon schlimme Sachen passiert. Sie wollte deshalb die Sprache der anderen lernen. Zurzeit war Lyn die einzige die diese Sprache verstand. All diese Gedanken gingen 91 durch den Kopf, während Lyn im Bett
nach hinten zu ihrer Decke ging, um ihr Band zu holen. Sie zog es sich auf ihre Stirn, ging auf Anna zu und hielt ihr die Arme hin. Diese nahm Lyn auf den Arm, machte das Gatter runter. 91 stand im Bett und sah traurig ihrer sich entfernenden Freundin nach. Sie fing an unruhig hin und her zu laufen. Anna zog es das Herz zusammen, sie sah wie 91 litt. Fürchtete sich aber davor mit beiden zu gehen. Sie wusste nicht wie die Kinder reagieren würden. Die Kleine 98 konnte sie bändigen, doch bei zwei Kindern, würde es schwierig werden. Deshalb beeilte sich Anna, ging nach vorn zu Doktor Anderson und Doris. Anderson drehte sich um und ging, während sich Anna mit den beiden Mädchen unterhielt, auf Doris zu. "Doris, sag mal kannst du dich mal, um die Kinder von Anna kümmern. Ich will mit Anna, 98 eventuell auch 91 hoch zum Chefarzt, der
schafft es noch nicht hier runter. Ist mir gerade, wieder fast zusammengebrochen. In einer Woche hat er wieder eine wichtige Phase, bei den Kindern verpasst." Doris bestätigte Anderson seine Gedanken. "Klar das bekommen wir schon hin. Sieh mal Jim, Anna kommt mit der 98 alleine. Das gibt es doch nicht, die Kleine weint gar nicht." Anna kam mit dem kleinen Mädchen auf den Arm, auf Anderson zu. "Wir können Herr Doktor", stellte sie strahlend fest. Sie hat es gerade das erste Mal geschafft, dass 98 sofort mitkam, ohne dass sie weinte. "Na dann, kommt mal ihr zwei. Anna, wir müssen der Kleinen die Augen verbinden." Anna lachte, zeigte auf das Köpfchen des kleinen Mädchens, auf der Stirn war ein dunkles Stirnband. "Ach so, habt ihr eine Lösung gefunden." "Ja Herr Doktor, mit dem verbinden der Augen, das war doch so umständlich. Genosse Mayer
hat die für uns besorgt." Die Beiden liefen los. Ängstlich hielt sich die Kleine an Anna fest, als diese den Raum verlassen wollte, sah 98 nach hinten zu ihrer Freundin. "Lyn, wir kommen gleich wieder. Nicht weinen Mäuschen, ich bleibe bei dir, das verspreche ich dir. Wir wollen den Chefarzt besuchen. Der ist immer noch schlimm krank. Das habe ich dir doch erklärt. Der möchte dich so gerne sehen." Liebevoll streichelte Anna das Gesicht von 98. Immer noch sah 98 sich nach ihrer Freundin um. "Nikyta, krös, Dika, - Meine Freundin hat Angst. Schwester", flüstert sie Anna ins Ohr. Anna verstand die Kleine nicht, wusste nicht was sie sprach. "Keine Angst, wir kommen gleich wieder. Du musst nicht weinen", versuchte sie diese zu beruhigen. Liebevoll drückte sie das kleine zierliche Mädchen an ihren Körper, zog das Band über die Augen. Sie gingen zum Aufzug, fuhren nach oben in
Jacobs Wohnung. Staunend sah die Kleine sich um, vergaß all ihren Kummer. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Ängstlich klammerte sie sich an Anna. Die ging ins Schlafzimmer, zum Bett auf dem Jacob lag. Als der die Tür gehen hörte, sah er dorthin, konnte nicht glauben, was seine Augen da sahen. Seine Anna kam mit einem, vielleicht anderthalb jährigen Kleinkind auf den Arm, in den Raum. Jacob setzte sich erschrocken auf. "Oh mein Gott, bist du groß geworden", sagte er erstaunt. Nummer 98 drehte ihr Köpfchen zu Jacob, sah diesen an. Fast hatte es den Eindruck, dass sie lächelte. Sie hielt das Köpfchen schief, ließ Annas Hals los. Mit den Fingern machte sie einen Kreis. Als ob sie damit sagen wollte: Ich kenne dich, du bist derjenige, der immer die Kreise gemacht hat. Anna war völlig perplex, Fremden gegenüber war 98 sehr vorsichtig. Stets hatte Anna Probleme, wenn 98 zu anderen gehen sollte, ständig fing
sie an zu schreien. Jacob schien sofort Zugang, zu ihr zu finden. Anna setzte die Kleine auf Jacobs Bett. Jacob hielt seine Arme hin, 98 krabbelte auf ihn zu, legte sich zu ihm ins Bett. Völlig von der Rolle sahen sich Anderson und Anna an. "Das gibt es doch gar nicht", entfuhr es Anderson. "Ich glaube das nicht", musste nun auch Anna los werden. Neben Jacob auf den Rücken liegend, machte 98 immer wieder mit ihrem Finger einen Kreis. Mit einem Male begriff Jacob, was ihm das Mädchen sagen wollte und machte auch einen Kreis, dann eine Wellenlinie. "Die Kleine Maus hat mich erkannt, das gibt es doch nicht", brachte er fassungslos hervor. Wie immer in letzter Zeit, wenn er sich in etwas hineinsteigerte, fing Jacob an zu husten. Die Kleine sah ihn erschrocken an. Fast zwei Minuten musterte sie ihn. Plötzlich zeigte 98
auf sein Herz. Es sah aus als würde sie überlegen und dann legte sie ihre Händchen bewusst auf seine Brust. Erleichterung machte sich in Jacob breit. In dem Moment, als 98 ihre Hände auf Jacobs Brust legte, war plötzlich der stechende Schmerz wie weggeblasen. Ein schönes warmes Gefühl machte sich in seinem Körper breit und er konnte wieder frei atmen. Erstaunt sah Jacob, die Kleine 98 an. "Drö, keladi, Nikyta. – Keine Angst ich helfe dir, Freund", flüsterte 98 ganz leise. Jacob starrte die Kleine an. "Was sagst du mein Mädchen? Ich verstehe dich nicht." Wieder hielt sie ihr Köpfchen schief. Nach einer Weile, als wenn sie überlegen musste, was Jacob gesagt hatte, zeigte sie auf sich, dann auf Jacob. "Lyn, krös drö. – Keine Angst Lyn hilft dir." Jacob sah das kleine Mädchen an. "Bedeutet das, was du gesagt hast, dass du mir geholfen hast, Lyn?" Das Mädchen nickte.
"Danke meine Kleine. Du bist ganz lieb." Vorsichtig griff Jacob, nach dem Gesicht des Mädchens, um es zu streicheln. Ängstlich zog die Kleine den Kopf weg. "Ich tu dir nichts. Ich wollte dich nur streicheln." Noch einmal versuchte Jacob die Kleine zu streicheln. Aber sobald er nach dem Gesicht der Kleinen griff, zog sie das Köpfchen weg. Jacob begriff, warum sie das machte. Hustend schüttelte er den Kopf. "Ich nehme dir das Band nicht weg, keine Angst. Dann streichle ich halt deine Hand." Vorsichtig streichelte er die Hand der Kleinen. Lyn sah Jacob starr an. Es machte den Eindruck, als ob diese Jacob genauestens beobachtet. Plötzlich kniete sich 98 hin und legte ihre Händchen genau über Jacobs Herzen, auf dessen Brust. Ihre Hände, so schien es, fingen an zu leuchten. Allerdings konnte man dies durch das
helle Licht nicht richtig erkennen. Sofort atmete Jacob befreit durch und hörte auf zu husten. Diesmal lies 98 ihre Hände zwölf Minuten auf dieser Stelle liegen, erst dann zog sie diese weg. Wieder hatte sich dieses wunderschöne warme Gefühl im Körper des Chefarztes breitgemacht. Eine vollkommene Wärme durchströmte dessen Körper. Anderson beobachtete die Beiden ganz genau. Nach fünf Minuten drängte er zum Aufbruch und sah Anna fordernd an. "So, ich muss wieder nach unten, ich hab noch so viel Arbeit. Tut mir leid ihr Zwei. Anna, ich glaube du kannst 98, mit Fritz alleine lassen. Fritz, rufe unten an, dann holt Anna die Kleine wieder. Viel Spaß ihr zwei. Anna, du musst auch wieder runter, die schaffen deine Arbeit nicht auf Dauer. Jemand muss sich auch um die Kleine 91 kümmern. Die wird wieder völlig durch den Wind sein, weil ihre Freundin weg ist. Komm." Damit zog er Anna hinter sich her. Er wollte
einfach erreichen, dass Jacob ein wenig Zeit, alleine mit dem Mädchen verbringen konnte. Er wollte das aber nicht so deutlich sagen. Seiner Meinung nach war genau das die Medizin, die Jacob am besten half. Anna sah auf die Kleine, hatte sie ihr doch versprochen sie zu beschützen. Deshalb sagte sie zu dem Mädchen. "Ich komme dich gleich holen Lyn. Der Doktor passt gut auf dich auf." Die Kleine 98 schien es gar nicht zu stören, dass Anna ging. Kniete friedlich an Jacob und hatte ihre Hände auf dessen Brust. Sie reagierte überhaupt nicht auf Anderson oder Anna. Jacob dagegen, tat die Nähe des kleinen Mädchens gut. Vorhin schon hatte er das Gefühl, als ob 98 ihm den Schmerz aus der Brust genommen hätte. Er fühlte sich auf einmal ganz anders. So als ob er schweben würde. Anderson und Anna verließen leise den Raum, nachdem sie Jacob noch einmal zugenickt hatten. Urplötzlich zog 98 ihre Hände zurück und
kippte sie zur Seite. Sofort rollte sich die Kleine zusammen und atmete tief. Es sah aus als hätte sie urplötzlich das Bedürfnis zu schlafen. Im ersten Moment war Jacob erschrocken. Als er jedoch sah, dass sie tief und fest schlief traute er sich nicht, sich zu bewegen, aus Angst das Mädchen zu wecken. Fast zwanzig Minuten blieb die Kleine so ruhig liegen, selbst ihr Gesicht konnte er jetzt streicheln. Vorsichtig griff Jacob nach ihrem kleinen Händchen und wollte sie einfach festhalten. Dabei erwischte er den Puls und war erschrocken. Der Puls ging rasend, viel zu schnell für den kleinen Körper. "Um Gottes Willen Mäuschen, was ist mit dir?" Ängstlich sah er das Mädchen an. In diesem Moment kam wieder Leben in sie. "Dika - Schwester", rief Nummer 98 panisch. "Keine Angst Lyn, ich passe auf dich auf. Anna musste runter auf Station, zu deiner Freundin", beruhigend sprach Jacob auf die Kleine ein.
Nummer 98 blickte sich hektisch um und fing an zu weinen, weil sie Anna nicht sah. "Dika", rief sie immer wieder nach ihrer Lieblingsschwester. "Soll ich dir Anna holen?" Das kleine Mädchen sah fragend zu Jacob, als wenn sie ihn nicht verstanden hätte. "Anna die Schwester." Da nickte die Kleine. "Willst du wieder zu ihr." Wieder nickte 98. Tränen kullerten unter ihrem Band hervor und über ihr Gesicht. Traurig sah Jacob die Kleine an. "Schade. Ich hatte so gehofft, du leistest mir noch etwas Gesellschaft. Es ist so langweilig alleine." Vorsichtig griff er nach dem Gesicht der Kleinen, um ihre Tränen abzuwischen. Er kam nicht an das Gesicht heran. Sobald er in die Nähe der Augen fasste, zog sie ihr Köpfchen weg. "Weißt du was, ich bringe dich zu deiner Anna.
Komm." Kurz entschlossen stand er auf und schlüpfte in die Schuhe. Dabei beobachtete er die Kleine. Irgendetwas ging ihn ihrem Köpfchen vor. Sie zog die Nase kraus und die Stirn. Es sah so aus als ob sie irgendetwas durch ihren kleinen Kopf wälzte. Plötzlich wurde sie ganz entspannt und sie schien als wenn sie in Gedanken ganz weit weg wäre. Der gerade noch völlig verspannte Körper lag auf einmal ganz ruhig auf Jacobs Bett. Er nahm das Mädchen auf den Arm. Plötzlich schüttelte sie den Kopf. Verwundert sah Jacob 98 an. 98 zeigte auf das Fenster und dann auf ihre Augen. Sechs oder sieben Mal wiederholte sie die Geste, bis Jacob auf einmal verstand, was die Kleine von ihm wollte. "Tut dir das Licht weh, meine Kleine." Jacob ging mit 98 zum Fenster. Er zog die Vorhänge zu und ließ die Jalousien nach unten. Erleichtert atmete die Kleine auf und rieb sich ihre Augen.
"Lyn, Andus, pionda? - Machst für mich das Licht weg?" Fragend sah Jacob, Nummer 98 an. Diese versuchte sich zu erklären. Sie zeigte auf sich. "Lyn", dann auf ihre Augen, "Andus", auf das Fenster, "Pionda." Jetzt ahnte Jacob, was die Kleine ihm sagen wollte. "Bleib bitte im Bett sitzen, ich hole einen Stift." Rückwärtsgehend verließ Jacob den Raum. Eilig lief er ins Büro und kam sofort zurück. Er merkte nicht einmal, dass ihm die Eile nichts ausmachte, so sehr war er darauf konzentriert die Kleine nicht zu lange alleine zu lassen. Sofort setzte er sich wieder neben das Mädchen auf das Bett. Er war froh, dass sie noch genau dort saß, wo er sie verlassen hatte. Vor allem, dass sie nicht aus dem Bett gefallen war. "Lyn." Jacob zeigt auf sich.
Nummer 98 schüttelte den Kopf und zeigte auf sich. Dann zeigt er auf sich "Doktor." Da nickte die kleine Maus. "Du bist also die Lyn und ich der Doktor." Wiederholte er das Spiel. "Lyn, Doko." Erst zeigte sie auf sich dann auf Jacob, dabei sah sie den Chefarzt mit schief gehaltenen Kopf an. Es sah aus als ob sie sich freute, dass sich jemand die Mühe macht sie zu verstehen. Erfreut streichelte der Chefarzt ihre Hand. Dann zeigte er auf seine Augen. "Andus?" Ein Nicken erfolgte. "Augen. Lyn das sind Augen. Lyn Andus und Doktor Augen." Interessiert sah Lyn auf den Arzt. Es dauerte einen Augenblick. Plötzlich und für Jacob völlig unerwartet versuchte sie es nachzusprechen. "Lyn Auen." Strahlend korrigierte Jacob. "Au gen."
Noch einmal versuchte es die Kleine. "Augen." "Genau meine Kleine, Augen." Dann zeigte er auf seine Nase. "Nase, Na se." Interessiert schaute er auf Lyn. Einen Moment später probierte es 98. "Na se." "Genau, das ist deine Nase." Damit stupste er auf das Näschen. Zeigte auf seine Nase, sah fragend zu dem Mädchen. "Nase", bestätigte die Kleine. Jacob interessierte allerdings, wie die Nase in ihrer Sprach der Kinder hieß. Deshalb zeigte er auf seine Augen sagt. "Andus." Dann auf seine Nase. "Buha." "Nase heißt Buha?" Mit schräg gehaltenen Köpfchen nickte 98. Lachend sah Jacob sein Mädchen an, die Kleine war so schlau, da ging einem das Herz auf. Kaum vorstellbar, dass diese kleine Maus erst vier Wochen alt war. Jacob spielte das Spiel
weiter. Zeigte auf seine Augen, Nase und dann die Ohren. "Andus, Buha und Ohren, Oh ren." Langsam begriff das Mädchen, was er von ihr wollte. Führte das Gespräch in einer Art weiter, die Jacob regelrecht die Sprache verschlug. Zeigte nacheinander auf Augen, Nase, Ohren und dann auf ihre Hand. "Andus, Buha, Kona, Drönu." Einen Moment lang konnte Jacob gar nicht reagieren. Er wiederholte das Spiel. "Auge, Nase, Ohren, Hand." In dem er auf die jeweilige Stelle zeigte. Lyn nickte. "Andus, Buha, Kona, Drönu." Kopfschüttelnd sah der Chefarzt Lyn an. Dann zeigte er auf das Fenster, dann auf die Augen und fragte. "Lyn, das Licht tut deinen Augen weh?" Jacob zeigte auf das Fenster. "Andus?" Lyn nickte. "Lyn, Andus pionda? – Machst für mich das Licht weg?" Nochmals fragte Jacob nach. "Pionda heißt Licht?"
Jetzt schüttelte Lyn den Kopf, zeigte auf das Fenster. "Pionda." Jacob überlegte was Lyn meinen könnte. Auf einmal wurde es ihm bewusst, was das Mädchen meint. Er schlug sich an den Kopf und machte sich schnell Notizen. "Pionda heißt Dunkel machen, das Licht wegnehmen. Ich verstehe dich Lyn." Die Kleine nickte. "Doko pionda Lyn. – Doktor macht für Lyn das Licht weg." Jacob herzte die Kleine. "Ja Lyn, der Doktor macht das Licht für dich weg. Ich verspreche es dir. Ich finde eine Möglichkeit. Verstehst du was ich sage." Lyn nickte. Jacob interessierte noch etwas. "Lyn, du hast mich schon einmal gesehen?" Es erfolgte ein bestätigendes Nicken. "Doko jawe, Germo, Lyn luzrim. - Doko Kreise
machen, vor gläserne Wand, Lyn schwimmend." Verständnislos blickte Jacob das Mädchen an. Die zeigte auf das Blatt, auf dem sich Jacob Notizen zu der Sprache der Kinder gemacht hatte und den Stift. Beides schob Jacob ihr hin. Noch nie hatte dieses Kind einen Stift in der Hand gehalten und griff ihn mit der ganzen Faust. Jacob schüttelte den Kopf. Er nahm Lyn den Stift wieder weg und zeigte ihr wie sie ihn anfassen sollte. Er half ihr beim ersten Mal und zeigte ihr wie man mit dem Stift richtig schreiben konnte. Ein wenig krakelig versuchte Lyn ein Viereck zu malen, dann einen Kreis und schob ihm das Blatt hin. Lyn sah Jacob dabei mit schief gehaltenen Kopf an und nahm das Blatt, hielt es zwischen sich und Jacob. Der begriff, was sie ihm sagen wollte. "Du hast mich vor dem Inkubator gesehen, aber da warst du noch so klein." Lyn rieb sich die Augen. "Lyn, Nikyta. – Lyn
will zu ihrer Freundin." Wieder verstand Jacob Lyn nicht sofort. Sie zeigte auf sich und dann auf die Fahrstuhltür. "Du möchtest nach unten zu deiner Freundin, Lyn?" Jetzt nickte Lyn. "Na dann komm." Jacob nahm das Mädchen hoch. "Hoffentlich schaffe ich das schon. Weißt du ich war etwas krank. Aber ich werde es versuchen. Komm mein kleines schlaues Mädchen." Mit Lyn auf dem Arm, stand Jacob auf. Erstaunlicher Weise ging es ihm gut. Vorsichtig immer in der Nähe von Möbelstücken oder den Wänden, lief Jacob zum Aufzug. Er fuhr ohne Zwischenstopp nach unten auf die 6/blau. Zum Erstaunen seiner Kollegen, betrat Jacob mit Lyn auf dem Arm das Kinderzimmer. "Lyn, wo ist dein Bett?" Das Mädchen zeigte ihm die Richtung. Doris stieß einen erstaunten Ruf aus. "Herr
Doktor, warum haben sie nicht angerufen. Kommen sie, ich nehme ihnen die Kleine ab." Jacob wollte nichts davon wissen. Langsam und immer noch unsicher, lief er nach hinten, immer den Finger der Kleinen folgend. Schon waren sie bei Anna und 91 angekommen. Anne hatte alle Hände voll zu tun, um 91 einigermaßen zu beruhigen. Lyn rief schon von weitem. "Nikyta, Doko lödein. – Doko bringt mich zu dir zurück." Jacob sah Lyn fragend an. Lyn zeigte erst auf Jacob, "Doko", auf Nummer 91 "Nikyta", dann nach vorn und vor sich. "Das heißt also, der Doktor hat dich zu deiner Freundin gebracht?" Lyn nickte. Jacob gab ihr einen Kuss und setzte die Kleine in das Bett zu 91. Beide Mädchen nahmen sich in den Arm und schmusten sich aneinander. Keine zwanzig Sekunden später, hört man tiefe ruhige
Atemzüge. Beide schliefen tief und fest. Anna jedoch zog Jacob von den schlafenden Kindern weg, um die beiden nicht zu wecken. "Warum hast du nicht angerufen?" Jacob zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung Anna, mir geht es auf einmal wieder richtig gut. Seit dem mir die Kleine ihre Hände auf die Brust gelegt hat. Es geht es mir gut, so gut wie lange nicht mehr gut. Als wenn sie mein Herz in Ordnung gebracht hätte." Anna sah Jacob zweifelnd an. Da es kurz vor 18 Uhr war und Anna sowieso gleich Schluss hatte, machte sie den Vorschlag nach Anderson zu schicken. Er sollte Jacob noch einmal untersuchen. Komischerweise sah Jacob wirklich wesentlich besser aus. Viel besser als vor einigen Stunden. Er war regelrecht aufgeblüht. Lag es nur daran, dass er endlich eins seiner Kinder gesehen hatte? Trog das alles vielleicht nur? Ängstlich sah Anna, Jacob von der Seite an.
Dieser ging schon von Bett zu Bett und sah nach all seinen Kindern. Völlig begeistert, von dem guten gesundheitlichen Zustand der Kinder. Vor allem von den riesigen Fortschritten, den diese in der kurzen Zeit seiner Krankheit gemacht hatten. Fast eine Stunde brauchte der Chefarzt, um sich jedes der Kinder und ihre Entwicklung anzusehen. Er machte einfach eine völlig ungeplante Visite. Außerdem gab einige Tipps, was bei den einzelnen Kindern für Übungen zu machen konnte, um die zum Teil noch vorhanden Motorikstörungen zu beseitigen. Bei Nummer 70 blieb er lange stehen, um den Jungen zu beobachten. Er schien große Probleme beim Sehen zu haben. Jacob nahm sich vor dies in den nächsten Tagen noch einmal genauer anzusehen. Glücklich sah er seine Anna an. Jetzt hatte sein Leben wieder einen Sinn. Als wenn mit dieser Erkenntnis all seine Herzprobleme beseitigt hätte, nahm er seine Anna einfach in der Taille
hoch und gab ihr einen Kuss. "Jetzt weiß ich wieder, dass es für mich einen Sinn im Leben gibt. Dich und unsere Kinder", sagte er glücklich. Auch Annas Augen glänzten. So gut drauf, war Jacob seit der Geburt der Kinder nicht mehr gewesen. Anderson der von Doris geholt wurden, konnte nicht glauben, was er sah. "Fritz, ab mit dir ins Bett." Jacob schüttelte den Kopf. "Mir geht es gut, Jim. So gut, wie seit über einen Jahr nicht mehr. Wer von euch kommt mit Abendbrot essen? Ich habe vielleicht einen Hunger." Alle schüttelten den Kopf, sie konnten nicht glauben, was gerade passierte. Jacob der das völlig falsch verstand, sprach trotzig. "Dann gehe ich halt alleine. Das habt ihr nun davon." Sofort wollte er los laufen. Anna erwischte ihn gerade noch am Overall "Du
bleibst hier. Ich komm doch gleich mit. Ich brauche aber noch zehn Minuten. Setze dich hin und warte." Kopfschüttelnd sah Anna ihren Freund an, aber freudestrahlend. Anderson konnte das nicht so gelten lassen. Er hatte Angst um seinen Freund, den es ja vor wenigen Stunden noch richtig schlecht ging. Deshalb durchkreuzte er Jacobs Pläne. "Hör zu Fritz, wir beide fahren jetzt nach oben und ich untersuche dich. Dann entscheide ich, ob du oben oder vorn zu Abend isst. Was hältst du von dem Vorschlag?" Jacob nickte. "Dann komm Jim, ich habe nämlich Hunger. Anna wir treffen uns in der Mensa. Bis später dann." Damit verschwanden die beiden Ärzte aus dem Raum, fuhren nach oben. Anderson konnte kaum mit seinem Chef Schritt halten. Dort angekommen untersuchte Anderson Jacob aufs Genauste. "Fritz ich kann es mir nicht erklären. Aber es
stimmt, was du sagst. Du bist wieder völlig gesund. Nur verstehe ich es nicht. Vorhin hatte dein Herz laufend Aussetzer. Jetzt schlägt es wieder, wie neu. Sei bitte vorsichtig. Ich traue den Frieden nicht. Was hast du eigentlich gemacht? Wieso geht es dir plötzlich wieder gut?" Der Arzt war ganz durcheinander und völlig irritiert. So etwas hatte er während seiner gesamten Zeit als Arzt noch nie erlebt. Er konnte sich einfach keinen Reim auf das Ganze machen. "Jim ich weiß nicht was passiert ist. Lyn, legte mir vorhin beide Hände auf meine Brust, das hast du ja selber gesehen. Auf einmal wurde mir ganz warm. Aber dann fing ich wieder an zu husten und hatte wieder Problem. Irgendetwas hat die Kleine mit mir gemacht. Dann hat sie es ein zweites Mal gemacht. Diesmal ließ sie ihre Hände ganz lange auf meiner Brust liegen. Urplötzlich waren die Schmerzen weg. Ich konnte auf einmal richtig atmen. Vor allem war
dieser komische Druck weg. Auf einmal kippte sie einfach zur Seite und rollte sich zusammen. Die Kleine schlief dann fast eine halbe Stunde. Aber seit dem geht es mir wieder richtig gut. Wirklich, mir geht es richtig gut." Anderson sah Jacob ganz sonderbar an. "Das glaube ich dir gerne. Dein Herz ist wieder vollkommen in Ordnung. So, als wenn da nie etwas dran gewesen wäre. Aber bitte Fritz, übertreibe es nicht gleich wieder. Ich weiß nicht ob das vielleicht wieder kommt." Ernst schaute er Jacob an. Dieser nahm seinen netten Kollegen an der Schulter, schob ihn in Richtung Aufzug. "Komm lass uns Essen gehen. Ich habe einen mörderischen Hunger, Jim. Vor allem aber, das erste Mal seit langer Zeit, auch wieder richtigen Appetit." Dabei schob Jacob seinen Kollegen ins Treppenhaus. Gemeinsam liefen sie nach unten, um über den Park nach von in die Mensa zu laufen. Anderson konnte es einfach nicht begreifen.
Jacob lief ein völlig normales Tempo, ohne Atemnot. Vor drei Stunden noch, hatte er im Schneckentempo den Weg von seinem Büro kaum bis in das Bett geschafft. Tief in Gedanken versunken lief Anderson neben Jacob her. Diese 98, war wirklich etwas ganz besonderes, ging es Anderson durch den Kopf. Schon einige Male war ihm das aufgefallen. Er würde sie genau im Auge behalten. Das Mädchen entwickelte sich wesentlich schneller, als die anderen Kinder. Sie war die erste die saß, die erste die krabbelte, die erste die stand. Sie war auch die einzige die versucht hatte zu kommunizieren. Sie versuchte immer zu verstehen, was man von ihr verlangte. Die auch deutlich machte, was sie wollte und was nicht. Sie hat einen eisernen Willen, ging konsequent einen eingeschlagenen Weg, bis zum Ende. Vor allem übernahm sie für andere Verantwortung. Ein untypisches Verhalten, für
ein so kleines Kind. Klar setzten Kinder mit anderthalb Jahren oft ihren Kopf durch. Aber das betraf nur Sachen, die für sie selber wichtig waren. Es war allerdings nicht nur einmal vorgekommen, dass 98 sich für andere einsetzte. So erst vor ein paar Tagen, es war noch keine Woche her. Da saß ein Junge aus der Serie 8, die Nummer 84, schaukelnd in seinem Bett. Egal was Walli versuchte, er hörte nicht auf mit schaukeln. Anna die schnell mal zu einem Kind mit Problemen gerufen wurde, da sie fast immer Zugang zu den Kindern fand, ging zu ihm. Versuchte heraus zu bekommen, was er für ein Problem hatte. Plötzlich fing 98 an zu schreien. Erst dachten alle, 98 schimpfte mit Anna, weil die zu den Jungen gelaufen war. Dass sie nur eifersüchtig war. Anna begriff sofort, dass 98 ihr etwas sagen wollte, aber nicht wusste wie. Sie erkannte das stets an der Art, wie 98 schrie. Also ging Anna zu 98 hin, holte sie aus dem
Bett, setzte sie zu 84 ins Bett. Da krabbelte das kleine Mädchen, zu ihrem Freund und nahm ihn einfach in den Arm. Sofort hörte er Junge auf zu schaukeln. Beide unterhielten sich leise in ihrer Sprache. Anna setzte sich zu den Beiden aufs Bett, erkundige sich bei 98, was denn los sei. Keines der anderen Kinder sprach mit den Schwestern. "Was ist mit ihm, kannst du mir erklären, was er hat?" Das kleine Mädchen sah Anna fragend an. Anna zeigte auf den Jungen, machte ein fragendes Gesicht, zog die Schultern dabei etwas hoch, dann streichelte sie ihn. Die Kleine hielt das Köpfchen schräg, als wenn sie überlegte, was Anna von ihr wollte. Nach einer ganzen Weil, begriff sie wohl, dass Anna bei dem Jungen Hilfe brauchte. 98 zeigte erst auf den Bauch und dann auf den Kopf von 84. Mit ihren Fingern auf ihre Augen. Anna verstand aber nicht was 98 wollte und keiner der anderen Schwestern.
Die kleine Maus sagte zu 84. "Nikyta, sadfim. Lyn ralo drö. – Mein Freund, krank. Leg dich, helfe dir." Allerdings verstand außer 84 niemand was sie sagte. Da legte der Bub sich hin und 98 legte ihre Hände auf seinen Bauch. Auf einmal glühten diese auf. Es hat den Eindruck, als ob der Bub erleichtert aufatmet. Diese Prozedur, dauerte drei oder vier Minuten. Dann legte sich 98 neben ihn, blieb einfach regungslos liegen. Zehn Minuten später, stand sie wieder auf und krabbelte zu Anna. Mit schief gehaltenen Kopf, sagt sie auf den Jungen zeigend. "Nikyta, huna.- Freund Hunger." Anna verstand es allerdings nicht. Da zeigte sie ihr, dass sie auf den Arm genommen werden wollte. Anna hob sie hoch und 98 zeigte nach vorn. Um herauszubekommen, was die Kleine wollte, folgte Anna dem Fingerzeig. Lief einfach
in die Richtung in die 98 zeigte. Das Mädchen führte sie in die Kochecke, in der die Mahlzeiten für die Kinder zubereitet wurden. "Nikyta, huna.- Freund Hunger." Wiederholte dieses kleine schlaue Mädchen. Zeigte in das Regal, in dem die Dosen mit dem Brei standen. Sie versucht Anna zu erklären, warum der Junge solch ein Hunger hatte. "Lyn, nikyta lyn. – Klein, Freund groß." Sie zeigte auf sich und in die Richtung des Jungen. "Ich verstehe dich nicht. Der Junge ist dein Freund. Heißt das?" Nummer 98 schüttelte den Kopf. Wieder zeigte sie etwas. Doris neugierig geworden, was die Kleine wollte, trat auf Anna und 98 zu. Da zeigte 98 auf Anna, dann auf Doris, die wesentlich größer war als Anna. "Lyn, nikyta lyn. Nikyta huna.- Klein, Freundin groß. Freund Hunger." In diesem Moment fiel es Doris wie Schuppen von den Augen. "Anna, die Kleine will dir
erklären, der Junge hat Hunger. Er ist größer als 98. Dadurch braucht mehr zu essen. Ihm tut vor Hunger der Bauch weh. Stimmt’s meine Kleine?" Die verstand die vielen Worte von Doris überhaupt nicht. Aber Anna verstand es jetzt. "Lyn, huna heißt Hunger?" Damit zeigt sie auf die Dosen, dann auf ihren Bauch. Das Mädchen nickte. "Deine Freunde brauchen mehr zu essen", dabei machte sie die Bewegung des Essens nach. Wieder nickte 98. Anna gab dem kleinen schlauen Mädchen einen Kuss. "Doris, rufe bitte mal Zolger runter. Der muss das sofort ausmessen. Oh mein Gott. Die Kinder wachsen so schnell, die brauchen wahrscheinlich viel mehr Nahrung, als wir ihnen geben. Mach schnell, wir können unsere Kinder doch nicht Hungern lassen. Frida du machst den Buben erst einmal 50 Gramm. Dann entscheiden wir, was die Kinder alle mehr bekommen müssen. Danke Lyn, dein Freund bekommt einen
Brei." Obwohl 98 bestimmt nicht alles verstanden hatte, was Anna erklärte, schien sie zufrieden zu sein. Denn sie ließ sich widerspruchslos ins Bett bringen. Nur durch 98 bekamen sie heraus, dass fast alle Kinder hungerten. Bei Nummer 84 war das Mango besonders schlimm, genau wie bei 91. Dort erzählten später die Spätschichtschwestern, dass Nummer 98 seit Tagen ihren Brei nur zu einem Drittel aß, den Rest immer ihrer Freundin gab. In dem sie, wenn keiner hinsah, die Teller mit 91 tauschte. Die Schwestern hatten sich nichts dabei gedacht, dachten die Kleine hat keinen Hunger. Statt den gegebenen einhundert fünfzig Gramm pro Mahlzeit, brauchten die Kinder dreihundert Gramm. Bei Nummer 84 einer der größten aus der Gruppe, wie auch bei 91 lag der Bedarf sogar bei vierhundert Gramm. Die Kinder mussten also richtig gehend hungern. Es gab
noch einige solcher Sachen, bei denen 98 half das Problem zu erkennen. Die anderen Kinder, ergaben sich einfach ihrem Schicksal. Nummer 98, machte sich stets für die Anderen stark. Obwohl sie mit Abstand die Kleinste und Zierlichste war, kämpfte sie für ihre Freunde. Vor allem hatte sie einen Weg gefunden den Schwestern zu zeigen, dass hier etwas nicht stimmte. Oft war es sogar so, dass 98, Anna darauf aufmerksam machte, wenn mit jemand etwas nicht in Ordnung war. Durch ihr Schreien, sagte sie den Schwestern oft, bitte helft, hier geschieht ein Unglück. Sie wie bei Nummer 12. Zwei Wochen ist es ungefähr her, als diese Sache passierte. Nummer 12 hatte sich beim Schlafen den Fuß ganz unglücklich in der Laufschiene des Gatters verklemmt. Keinen Ton gab der kleine Junge von sich. Er legte sich einfach so hin, dass die Schmerzen nicht so groß waren. Nummer 98 die am anderen Ende des Raumes in ihrem Bett lag und schlief, fing
urplötzlich ohne sichtbaren Grund an zu schreien. Dann rüttelte sie wie eine Verrückte, an den Stäben ihres Bettes. Erst dachten die Schwestern, dass sie etwas Schlimmes geträumt hätte und versuchten sie zu beruhigen. Da keiner das Mädchen beruhigen konnte, holte man nach fast einer Stunde Anna. Die Einzige mit der 98 sprach und die Einzige die es schaffte 98 zu beruhigen. Anna noch halb schlafend, betrat das Kinderzimmer und hörte ihren Schützling panisch schreien. Sofort war sie hellwach und rannte nach hinten zum Bett von 98. Diese zeigte wie wild auf das Gatter und dann nach oben. Sie wollte aus dem Bett. Anna verstand sofort, dass 98 ihr etwas zeigen musste. Also öffnete sie das Bett, nahm 98 auf den Arm. Diese zeigte wie verrückt nach vorn. Anna folgte der Richtung bis sie vor dem Bett von Nummer 12 stand und das Gatter öffnen wollte. Immer wieder schüttelte 98 mit dem Kopf und
zeigte auf das andere Gatter. Das Gatter, was sonst nie geöffnet wurde. Als Anna doch das Hauptgatter öffnen wollte, drehte und wendete sich 98 wie eine Verrückte in deren Arme. So dass Anna beide Hände brauchte, um ihr Mädchen festzuhalten. Als die Kleine sich beruhigt hatte, ging Anna mit der Kleinen auf den Arm, zum anderen Gatter und öffnete dieses. Schnell setzte sie 98 ins Bett. Nur gut, dass sich die Kleine so durch gesetzt hatte. Die Maus krabbelte sofort an das Gatter und zeigte fordernd auf das Gatter, um Anna auf etwas aufmerksam zu machen. Erst da entdeckte Anna den eingeklemmten Fuß, der schon dunkelblau verfärbt und dick angeschwollen war. Hätte Anna oder eine der anderen Schwestern das Hauptgatter geöffnet, hätte das Gatter den Jungen den Fuß wahrscheinlich abgetrennt. Da dieser in der scharfkantigen Laufschiene verklemmt war. Die waren Gatter unwahrscheinlich schwer und wurden deshalb
durch Zuggewicht automatisch nach oben gezogen. Sobald man die Verriegelung öffnete und die Gatter nach oben fuhren, konnte man diese nicht mehr anhalten. Nur eine Stunde später, wäre der Fuß von Nummer 12 für immer verloren gewesen. Da die Blutzirkulation durch das lange abklemmen, fast gänzlich unterbrochen war. Keiner der Schwestern konnte sich erklären, wie es der Bub geschafft hat sich den Fuß so in der Schiene zu verklemmen. Die Kleine rettete ihrem Freund mit ihrer Schreiattacke, nicht nur den Fuß, sondern auch das Leben. Keiner der Schwestern konnte nachvollziehen, woher das Mädchen wissen konnte, was mit dem Bub war. Von ihrem Bett aus, war sie gar nicht in der Lage etwas zu erkennen. Seit dem Tag, reagierten alle sofort auf die Schreie von 98. Man bekam schnell mit, dass diesem Schreien keine böse Absicht zugrunde lag, sondern es sich um Hilferufe handelte. Das die Kleine einfach noch nicht
wusste, wie sie das anders ausdrücken konnte. Ihr fehlten einfach die Worte. "So nachdenklich." Fragte Jacob als sie durch den Park in Richtung Mensa gingen. Anderson nickte. "Na ja, ich glaube schon. Mir geht immer noch das kleine Mädchen durch den Kopf. Die Kleine Fritz, ist etwas ganz besonderes. Das wirst du bald merken. Manchmal erschreckt uns ihre Aufmerksamkeit regelrecht. Schon einige Male hat sie ihren Kameraden das Leben gerettet. Aber das können wir gleich beim Abendessen bereden. Die anderen haben bestimmt auch noch einige Geschichten, die sie dir erzählen möchten. Vor allem, gibt die Kleine uns immer wieder neue Rätsel auf." Schon betraten beide das Hauptgebäude und gingen hinein in die Mensa. Sie konnten sich nicht weiter unterhalten. Jacob wurde von allen Seiten herzlich begrüßt. Auch Mayer kam
erfreut auf Jacob zu, als er in der Mensa ankam, um schnell einen Kaffee zu trinken. Er musste vor den Abendessen noch einiges erledigen und war erfreut Jacob so munter zu sehen. Deshalb lief er auf ihn zu. "Na sag mal Fritz, du siehst aus, als ob es dir wieder gut geht", erleichtert klopfte ihm Mayer auf die Schulter. Jacob reagierte völlig ungewohnt für Mayer. Er ging etwas in die Knie. "Nicht so tolle Sigmar, du schmeißt mich doch um", scherzte er lachend und breit grinsend in das erschrockene Gesicht Mayers schauend. Kopfschüttelnd sah dieser Jacob an, der sich vorgestern kaum auf den Beinen halten konnte. Heute aber so tat als, wenn nichts wäre. "Was ist denn mit dir passiert?", fragend sah er erst Jacob, dann Anderson an. "Ich glaube Sigmar, dass 98 ein kleines Wunder vollbracht hat. Aber frage mich nicht wie, ich kann es nicht erklären. Sie kam mich heute besuchen und danach ging es mir wieder gut. Jim
hat mich gerade untersucht. Frag ihn selber, wenn du mir nicht glaubst." Mayer starrte Jacob ungläubig an. Was er da zu hören bekam, konnte er nicht fassen. Er sah Anderson an, der bestätigend nickte. So setzten die Männer sich an den Tisch, um zu Abend zu essen. Selbst Mayer, der wieder einmal unter Zeitdruck litt, setzte sich einen Moment, um mit zureden und zuzuhören. Man schwatzte, man lachte und vor allem war man erleichtert darüber, dass es Jacob sichtbar besser ging. Viele kleinere Geschichten von 98 wurden erzählt, lustige aber auch einige sehr ernste, wie die mit der Nummer 12 und 84. Ein Rätsel blieb allem im Kopf, woher wusste die Kleine immer, wenn etwas passiert war? Sie war im letzten Bett in der hintersten Ecke und konnte den Raum gar nicht einsehen. Immer wieder fragten sich die Schwestern, aber auch Ärzte, woher wusste sie das. So verging der Abend wie im Flug. Am nächsten
Morgen um 5 Uhr, lief zum Erstaunen aller, der Chefarzt mit Mayer zusammen die gewohnte Runde. Jacob selbst konnte es nicht glauben. Erholt und voller Elan, begab sich Jacob wieder in den Dienst. Entließ den dankbaren Anderson aus seiner Verantwortung. Nun kümmerte sich der Chefarzt, wieder selber um alle anfallenden Aufgaben. Vor allem beobachtete er aufs Genauste, die kleine Lyn.
Über vier Wochen waren ins Land gegangen, die Kinder wuchsen und gediehen. Kontinuierlich wurden die Kinder untersucht. Zolger testete ständig aus, ob der Nahrungsbedarf noch mit den verabreichten Mengen übereinstimmte. So dass die Kinder nicht wieder hungern mussten. Knappe zwei Monate waren die Kinder jetzt alt, hatten einen Entwicklungsstand von etwa fünf Jahren. Jacob entwickelte in den letzten vier Wochen Tücher, die es ermöglichten das Licht im Kinderraum bei Bedarf anzumachen. Die Tücher die Anna hatte von Mayer besorgen lassen, brachten nicht den gewünschten Effekt. Sie konnten die Augen der Kinder nicht ausreichend schützten. Schnell gewöhnten sich die Kinder an die neuen Tücher und sahen diese nicht als Hindernis, sondern als Bereicherung an. Jacob fand noch eine Möglichkeit, wie man das Licht
später besser kompensieren konnte. Er hatte schon einen Optiker gefunden, der mit ihm zusammen eine entsprechende Brille für die Kinder entwickelte. Eine Brille war wesentlich ästhetischer als ein Tuch. Nur würden sie damit warten müssen, bis die Kinder ausgewachsen waren. Die Brillen eher anzufertigen wäre heraus geschmissene Mühe und viel zu teuer. Die Herstellung der Brillen würde nicht billig sein werden. Da die Kinder unwahrscheinlich schnell wuchsen, erwies sich die Brillenanpassung als ineffektiv. Durch die Obduktion an den toten Kindern, verstand Jacob die Anatomie der Hundert besser. Auch wurden dadurch der Aufbau und die Funktionsweise der Augen klarer und Jacob wusste dadurch, wie lichtempfindlich diese Augen wirklich waren. Es war unvorstellbar und ihm taten die Kinder in der Seele leid. Sie mussten in den Inkubatoren und nach der Geburt Höllenqualen durchlebt haben. In einem Raum
konnte es stockdunkel sein, trotzdem sahen die Kinder so, als wenn es taghell wäre. Diese Lichtempfindlichkeit war durch eine Art Facettenauge möglich. Wie das Auge allerdings im Detail funktionierte konnte noch nicht genau geklärt werden. Dies würde noch viel Forschungsarbeit bedeuten, um das vollständig zu klären. Jacob fand so viele anatomische Unterschiede zwischen den Kindern und normalen Menschen, dass es schwer war vorauszusehen, was auf ihn als Arzt zu kommen würde. Im Moment baute Jacob und Zolger erst einmal an einem Model des Auges, um verständlicher zu machen, wie diese funktionierten. Zum Glück konnte der Chefarzt durchsetzen, dass die Kinder nicht mehr täglich gemessen und gewogen wurden. So dass die Kinder nur noch bei Beschwerden untersucht wurden. Dieses ständige Vermessen der Kinder, war lästig. Natürlich war es wichtig für dieses Projekt die
Entwicklung der Kinder dokumentarisch festzuhalten, doch konnte man dies an einigen wenigen machen und musste nicht ständig bei dreiundachtzig Kindern im Detail alles dokumentieren. Dies würde der Entwicklung der Kinder nur schaden. Da die Kinder nicht nur körperlich, sondern auch geistig schneller wuchsen als normale Kinder, musste man auf die psychologische Entwicklung sehr achten. Dieses Vermessen wurde von den Kindern als lästig empfunden, da dadurch der gesamte Tagesablauf unterbrochen wurde. Deshalb legte der Chefarzt fest das stets zum Sonntagmorgen alle Kinder zum Wiegen und Messen antreten mussten. Damit konnten alle leben und die Dokumentation wurde trotzdem für das Institut erledigt. Die Kinder hatten sich im Allgemeinen sehr gut entwickelt. Es war jedoch erstaunlich, dass keins der Kinder sprach. Anfänglich dachte Jacob, dass es vielleicht Sprachstörungen gab.
Dies war allerdings nicht so. Auf Fragen antworteten die Kinder alle ohne Zögern. Jedoch untereinander sprachen sie nie. Alle waren leise, schwiegen sich an. Nur in Augenblicken in denen sie sich unbeobachtet fühlten, flüsterten sie miteinander. Es war immer eigenartig still, im Kinderraum. Diese Ruhe wurde nur durch Nummer 98 unterbrochen, die durch Schreien auf irgendetwas aufmerksam machte. Jacob versuchte immer wieder mit der kleinen 98 zu sprechen, die sich selber immer Lyn nannte. Er hatte mittlerweile die Sprache der Kinder gelernt, die gewöhnungsbedürftig war. Lyn bedeutete am Satzanfang, kleingebliebene oder Kleine, am Satzende großgewachsen oder Große. Je nach dem, was für Worte noch verwendet wurden. Die Sprache war im Grunde sehr einfach. Es gab keine Grammatik - wie die Beugung der Worte oder Zeitformen. Wie in unserer Sprach die Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft, alles spielte ich in einer Zeit ab.
Diese Sprache war sehr unkompliziert gehalten, es gab für viele Dinge nur einen Begriff, der oftmals einen ganzen Satz bildete. Sere bedeutete auf der einen Seite: wie geht es dir, bist du gesund oder wie ist dein Gesundheitszustand. Auf der anderen Seite, wieder abhängig davon ob das Wort vor oder hinter dem Namen stand: du bist krank, fühlst du dich krank oder du siehst krank aus. Es gehörte eine Menge Fantasie dazu, um zu verstehen, was Lyn ihm erzählte. Das allerdings spornte den Arzt an, es forderte ihn. Die Sprache war oft eine Art Rätselspiel für Jacob, aber es reizt ihn auch, sie zu erlernen. Vor allem wollte er herausfinden, wo sich der Ursprung dieser Sprache befand. Er konnte sich einfach nicht erklären, wieso die Kinder eine eigene Sprache hatte. Er hatte sich in den letzten Wochen angewöhnt, immer in seiner, wie auch in der Sprache der Kinder zu sprechen. Lyn, korrigierte ihn oder
fragte nach, wenn er etwas unklar ausgedrückte. So lernte Jacob die Sprach sehr schnell. Vor allem lernte Lyn dadurch, so die Sprache der anderen, um vieles schneller als ihre Kameraden. Seit ein paar Tagen allerdings, stieß Jacob bei seiner kleinen Freundin auf massiven Widerstand. Lyn wollte jetzt ebenfalls nicht mehr mit ihm sprechen. Traurig dachte er an Lyn. Er hatte gerade jetzt ihre Hilfe dringend gebraucht und wollte seine kleine Freundin um Hilfe bitten. Es war bereits kurz nach 8 Uhr als Jacob den Raum der Kinder betrat. Prüfend sah er sich nach seinen Schützlingen um, die alle an die Gitterstäbe kamen. Alle wollten ihre morgendliche Streicheleinheit. Schnell war dieses Streicheln, zu einem lieben geworden Ritual geworden. Dass der Chefarzt jeden Morgen am Bett der Kinder erschien, um es zu begrüßen und ihm kurz über die Wange zu
streicheln, erst dann begann er seine Visite. Am Anfang wollte dies einige der Kinder nicht. Sie ließen wie Lyn nicht zu dass er ihr Gesicht berührte. Jacob akzeptierte dies und streichelte diesen Kindern halt nur die Hand. Mittlerweile allerdings warteten alle auf diese Streicheleinheit. So, als wenn es eine zum allmorgendlichen Ablauf gehörte. Fast fünfundvierzig Minuten braucht Jacob deshalb, bis er hinten bei Lyn`s Bett ankam. "Guten Morgen Lyn, wie geht es dir? Lyn sere?", wollte er von ihr wissen. Lyn schwieg, wie schon seit ein paar Tagen. Jacob konnte es sich nicht erklären. Er machte das Gatter hoch und setzte sich auf das Bett von Lyn. "Was hast du denn mein kleines Mädchen? Was habe ich dir getan, dass du nicht mehr mit mir sprechen willst?", fragte sich Jacob selber laut und sah Lyn dabei traurig an. Lyn hielt wie so oft, wenn sie etwas nicht verstand oder nachdenklich war, das Köpfchen
schief. Jacob war immer noch irritiert, von der schnellen Entwicklung der Kinder. Nicht nur von der körperlichen, die konnte er noch verstehen. Ihn verblüffte vor allem die geistige Reife der Kinder. Es war schon ein eigenartiges Gefühl, da saß ein zwei Monate altes Kind vor ihm, das aussah wie ein fünfjähriges Mädchen, die anderen wirkten noch älter durch ihre Größe und Kompaktheit. Es war nicht zu begreifen, welchen Fortschritt die Kinder in der kurzen Zeit gemacht hatten. Alle, wirklich alle konnten schwimmen, laufen, damit war das sportliche Laufen gemeint. Vor ein paar Tagen war Jacob mit den Kindern unten in der Turnhalle, auf der 6/lila einige Runden gelaufen. Er war immer schon ein sehr guter Läufer, aber nach drei Runden, konnte er das enorme Tempo der Kinder einfach nicht mehr mithalten. Alle Kinder konnten schon mindestens eine Bahn und dies sind fünfzig Meter im Schwimmbecken tauchten. Die meisten
sogar eine noch längere Strecke. Lyn schaffte drei ganze Bahnen, das waren einhundert fünfzig Meter. Seit einigen Tagen übten die Kinder das Bogenschießen. Oft liefen sie nur aus Spaß über den Hindernisparcours und mussten sich mit kleinen weichen Bällen gegenseitig abwerfen. Des weiteren bewegten sie sich mit einem erstaunlichen Geschick, in dem künstlichen Moor. Jacob hatte es einmal versucht und war kläglich gescheitert. Nach fünf Metern musste ihn der Ausbilder aus dem Moor herausholen, an den Sicherungseilen zog man ihn an den Rand des Beckens. Der Sog in dem Moor war so stark, dass er ihm nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Wäre er nicht gesichert gewesen, wäre er jämmerlich ertrunken. Immer wieder fragte sich Jacob, wo die Kinder diese wahnsinnige Kraft hernahmen. Verdammt noch mal, eigentlich waren das sie vom Alter her noch Säuglinge. Sogar solche schwierigen Bewegungsabläufe wie Klimmzüge, Saltos, Rollen, Handstand und
selbst im Handstand laufen konnten diese Kinder schon. Es war der blanke Wahnsinn, wie viel Muskulatur diese Kinder in den nicht einmal 9 Wochen aufgebaut hatten. Richtige kleine Muskelpakete waren sie geworden. Die fünf Sportschwestern waren nach zwei Wochen mit dem vorgegebenen Programm zu Ende und hatten das Ausbildungsziel erreicht. Deshalb gingen sie in der Ausbildung weiter und begannen mit den schwierigeren Übungen, wie Judorolle, Spagat, selbst einen Flickflack, brachten sie den Kindern schon bei. Das Springen über Böcke, das Turnen an den Ringen und am Reck. Die Kinder besaßen so riesigen Bewegungsdrang, dass es keiner begreifen konnte. Vor allem aber hatten die Kleinen eine Auffassungsgabe die unbeschreiblich war. Jede Sache brauchte man nur einmal erklären, schon begriffen die Kinder wie es funktionierte und halfen sich gegenseitig solange, bis es alle gleich gut konnten.
Jacob holte sich in die Realität zurück, da er weit weg gewandert war er mit seinen Gedanken. Lyn war in der Zeit in dem der Arzt seinen Gedanken nachhing, zu ihm heran gekommen und hatte sich einfach auf seinen Schoss gesetzt, um mit ihm zu schmusen. Das brachte Jacob zurück in die Wirklichkeit. "Lyn, warum redest du nicht mehr mit mir?", erkundigte er sich bei seinem kleinen Mädchen. Lyn sah ihn mit großen Augen an, ganz leise, so dass es niemand außer Jacob hören konnte, flüsterte sie. "Nikyta raiko. – Meine Freunde sind böse mit mir." Jacob sah erschrocken zu Lyn. "Warum sind deine Freund böse? Weil du mit mir redest?" Lyn sah sich um, dann nickt sie ganz wenig. "Warum?" Lyn antwortete nicht mehr. Jacob wurde sofort klar warum. Er spürte plötzlich die Blicke der anderen Kinder. Als er
sich in den Raum umsah, hatten sich fast alle zu Jacob und Lyn gedreht. Also traute sie sich nichts mehr zu sagen. Der Arzt drang auch nicht mehr in Lyn ein. Allerdings hatte er ein Anliegen an Lyn, dass er mit ihr besprechen wollte. "Lyn, ich wollte dich eigentlich etwas fragen. Ich bräuchte dringend deine Hilfe. Wir haben hier, außer euch noch ein Mädchen im Objekt. Die Kleine ist seit einigen Tagen schwer krank. Verstehst du, was ich sage?" Lyn nickte, sah Jacob mit schief gehaltenen Köpfchen an. "Du hast hier schon ein paar deiner Freunde gesund gemacht und mich auch. Könntest du mal mit zu Ilka kommen, so heißt das Mädchen. Vielleicht kannst du ihr helfen. Ihr geht es nicht richtig schlecht und ich weiß mir keinen Rat mehr." Bittend sah Jacob Lyn an, die nickte sofort. Lyn erhob sich und holte ihr Band vom
Kopfende. Dort lag es ordentlich auf der Zudecke und zog es über die Stirn. Damit fertig ging sie zum Gatter des Nachbarbettes, an dem Nummer 91 stand. "Nikyta drö. – Freund helfen.", sprach sie zu ihrer Freundin. Diese nickte, streichelte ihr Gesicht. Jacob sah Lyn an. "Lyn heißt das, du hilfst dem Mädchen?" Die Kleine nickte, hielt Jacob ihre Händchen hin. Jacob nahm Lyn an der Hand und lief mit ihr nach vorn zur Tür. Dem Arzt entging nicht, dass ihnen viele böse Blicke folgten. Das irritierte ihn sehr. Dies war äußerst ungewöhnlich. Die Beiden waren schnell aus dem Raum und durch die Sicherheitstür des Kinderbereiches. In diesem Bereich angekommen blieb Jacob stehen. Er war sich sicher, dass hier die Anderen bestimmt nichts mehr hören konnten. Er hockte sich vor Lyn und wollte endlich Klarheit, über dieses Verhalten der
anderen Kinder, das er nicht verstand. "Lyn, warum sind deine Kameraden böse mit dir? Ich verstehe es nicht." Lyn sah ihn an. "Doko, ich soll nicht mehr mit dir reden. Weil du genauso bist, wie die anderen. Ich bekomme wieder Ärger mit den anderen", erklärte sie mit so viel Traurigkeit in der Stimme, dass es Jacob das Herz zerriss. "Ich verstehe nicht warum, Lyn. Kannst du es mir bitte erklären. Ich bin doch zu allen immer lieb gewesen. Kannst du versuchen es mir zu erklären?" Lyn sah Jacob an und nickte. Dabei kullerten Tränen über ihr Gesicht. Das Sprechen fiel ihr schwer, weil sie ein Schluchzen unterdrücken musste. "Weil wir anders sind. Ihr sperrt uns ein. Wir dürfen nie aus den Käfigen. Nur dann, wenn wir zum Training gehen. Das ist nicht nett von euch", sprach Lyn mit jedem Wort wütender werdend. Jacob blickte erschrocken zu seiner kleinen
Freundin. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass Lyn recht hatte. "Oh mein Gott. Lyn, warum sagt ihr uns das nicht. Oh nein, mein Mädchen, das ändern wir sofort. Ich sorge dafür, dass die Gatter sofort aufgemacht werden und immer offen bleiben. Das verspreche ich dir. Lyn das war unbewusst. Verstehst du. Ihr wachst so schnell, wir haben nicht daran gedacht. Komm." Kurz entschlossen stand Jacob auf. Mit Entsetzen wurde ihm bewusst, dass Lyn mit ihren Vorwürfen recht hatte. Es war wirklich so, dass die Kinder den ganzen Tag in ihren Boxen hocken mussten. Wenn er ehrlich sein sollte, war ihm das gar nicht bewusst gewesen. Schnell erreichten sie die nächste Kreuzung. Jacob ging zu dem Telefon, wählte die Nummer 0001, von der Rettungstruppe. "Hier Jacob, sagt mal Jungs könnt ihr mich sofort mit der 6/blau verbinden? Wenn dort telefoniert wird, unterbrecht ihr das Gespräch. Es ist dringend. Mir ist gerade etwas
Furchtbares bewusst geworden." Der Telefonist von der Zentrale, antwortete sofort. "Natürlich Genosse Oberstleutnant." Schon wurde die Verbindung zum Kinderraum hergestellt. "Schwester Do…." Weiter kam Doris nicht. "Doris, hier ist Fritz, bitte höre zu. Ich habe mich gerade mit Lyn unterhalten. Weißt du, dass wir ein gewaltiges Verbrechen, an den Kindern begehen. Leute ihr müsst auch einmal mit auf solche Dinge achten. Mir entgeht auch manchmal etwas. Wisst ihr warum Lyn, nicht mehr mit Anna und mir redet. Die Kinder sind mit uns böse. Sie mögen es nicht mehr, eingesperrt sein. Leute ihr macht sofort die Gatter alle auf, so dass die Kleinen sich frei bewegen können." Erschrocken hörte man Doris stöhnen. "Oh mein Gott. Soweit haben wir nicht gedacht. Ich veranlasse das sofort. Keine Angst." "Danke Doris." Damit legte Jacob auf und wandte sich an seine kleine Freundin. "Lyn,
siehst du so können wir euch doch nur helfen. Aber wenn ihr alle nichts sagt, dann wissen wir gar nicht, warum ihr mit uns böse seid. Verstehst du. Doris macht alle Gatter hoch, so dass deine Freunde sich frei bewegen können. Es tut mir leid. Das war ohne Absicht." Lyn begriff nicht die Hälfte von dem, was Jacob ihr sagte. Sie verstand wie alle anderen Kinder, immer noch nicht vollständig die Sprache der anderen. Vor allem, wenn sie so schnell sprachen, wie Jacob gerade. Aber eins begriff sie, dass die Gatter aufgemacht wurden. "Gatter auf?", fragte sie nach. Die Tränen waren längst vergessen und ein kleines winziges Lächeln huschte über ihr Gesicht. Lyn wurde sich bewusst, sie hatte wieder einmal recht behalten. Die anderen sagten, es hätte keine Zweck mit denen zu reden. Allerdings bewies das Öffnen der Gatter wieder einmal, dass man es tun musste, um Veränderungen zu erreichen. Jacob nickte, streichelte der Kleinen über die
Wange. "Natürlich, komm lass uns zu Ilka gehen." Beide liefen Hand in Hand weiter nach vorn zum Haus 2, gingen die Treppe nach oben zu Mayers Wohnung. Jacob klingelte. Fast sofort öffnete Reimund, der Betreuer von Ilka, die Tür. "Gut, dass sie kommen Herr Doktor. Ich wollte sie gerade anrufen. Ilka geht es gar nicht gut. Sie hat wieder hohes Fieber, ich weiß nicht mehr, was ich machen soll", klagte er Jacob sein Leid. "Was will die denn hier?", schnauzte Reimund los, als er das Kind entdeckte, dass Jacob an der Hand hielt. "Doktor, die kommt hier nicht herein. Diese Kreaturen, sollen unten auf ihrer Station bleiben", sprach Reimund zum Entsetzen des Arztes in einem mehr als barschen Ton. Jacob sah den Betreuer von Ilka, erschrocken an. Dieser sprach diese Worte mit so einer Menschenverachtung aus, dass es Jacob
eiskalt den Rücken runter lief. Obwohl der Chefarzt immer der Meinung war, das Reimund ein sehr nette hilfsbereiter und loyaler Kollege war. Noch nie hörte man auch nur ein böses Wort, aus dessen Mund. "Reimund, was soll diese Ausdrucksweise? Schämen sie sich nicht?", fuhr Jacob diesen jetzt an. Reimund ließ Jacob nicht durch die Tür, blockierte diese sogar mit dem Fuß. "Doktor Jacob, diese Kreatur kommt hier nicht über die Schwelle. Diese Missgeburten haben hier oben in den privaten Bereichen, nichts zu suchen. Das hat der Chef mir versprochen." Jacob war fassungslos und nahm Lyn auf den Arm. Er wollte die Wohnungstür nach innen aufdrücken, um an ein Telefon zu gelangen. "Darf ich kurz euer Telefon benutzen, Reimund?" Dieser schüttelte den Kopf und drückte vor Jacobs Nase, die Tür einfach mit Gewalt zu. Der Chefarzt konnte nicht glauben, was ihm hier passierte. "Komm Lyn, wir gehen
nach vorn in das Hauptgebäude. Dort kann ich telefonieren", sofort setzte er Lyn auf den Boden. Erst jetzt entdeckte er die Tränen, die Lyn schon wieder über die Wangen liefen. Erschrocken setzte er sich auf die Treppe, zog das kleine weinende Mädchen, auf seinen Schoss und in seine Arme. "Lyn, komm her meine Maus. Warum weinst du? Wegen dem, was der Mann gerade gesagt hat." Lyn nickte schniefend. "Lyn der Mann ist dumm. Ich habe keine Ahnung, was der sich dabei denkt. So etwas sagt man nicht über euch, nicht so lange ich etwas zu sagen haben." Lyn schüttelte weinend den Kopf. "Alle sagen von uns", sprach sie mit verweinter Stimme. "Wer sagt das von euch, Lyn?" Jacob blickte entsetzt, zu seinem kleinen Mädchen. "Betreuer, sagen das. Weil das sagen. Lyn nicht mehr reden soll." Weinend und schluchzend lag
Lyn, in den Armen ihres Doktors. "Ich kann das nicht fassen. Lyn, warum sagst du mir so etwas nicht." Lyn weinte so schlimm, dass sie nicht antworten konnte. Ihr ganzer Körper wurde von den Weinkrämpfen geschüttelt. Jacob versuchte das kleine erst zwei Monate alte Mädchen zu beruhigen. "Komm höre auf zu weinen. Ich kläre das hier sofort. Wenn ich das noch einmal jemanden sagen höre, dann gibt es richtig Ärger", versprach der Chefarzt ihr und stand auf, um an Mayers Tür zu klingeln. Diese wurde aber nicht geöffnet, also klingelt der Arzt Sturm. Fast fünf Minuten musste der Chefarzt klingeln. Plötzlich hörte er den Aufzug. Böse schimpfend wurde die Tür aufgerissen. "Was zum Teuf… Ach du bist es, wieso klingelst du eigentlich wie ein Verrückter. Meine Kleine ist krank, was soll das Fritz?" Jacob war jetzt richtig gehend sauer. Er war kurz vor dem platzen. "Ich würde nicht
Sturmklingeln, wenn mir jemand aufmachen würde, Sigmar. Was das hier alles soll? Das möchte ich auch gern von dir wissen. Kann ich dich bitte unter 6 Augen sprechen. Lyn komm." Lyn wollte aber nicht mehr in diese Wohnung. Deshalb nahm Jacob das weinende Mädchen einfach auf den Arm und trug diese hinein. Folgte Mayer der in sein Büro gegangen war, ohne auf die bösen Blicke von Reimund zu achten. "Sigmar, so geht das nicht. Ich möchte, dass sich Reimund jetzt sofort bei Lyn entschuldigt. Die Kleine hat nichts gemacht, was rechtfertigt, dass Reimund ihr gegenüber unhöflich und beleidigend wird. Ich glaube ich bin im falschen Film. Oder spielst du ein doppeltes Spiel. Mir ins Gesicht nett und freundlich. Aber hier in deinen vier Wänden, gegen die Kinder hetzend. Was soll das?" Richtig böse war Jacob geworden. Er hatte zwar leise gesprochen, aber mit sehr viel verhaltener Wut in der Stimme.
Mayer schreckte regelrecht vor Jacob zurück, so wütend hatte er den schon lange nicht mehr gesehen. "Fritz, Hilfe. Ich spiele kein doppeltes Spiel. Warum sollte ich das auch? Guten Tag erst einmal Lyn. Du bist aber groß geworden. Warum weinst du eigentlich?", begrüßte er das kleine Mädchen freundlich. "Fritz, was ist eigentlich los, dass du so wütend bist? Wieso weint Lyn?" Kurz gefasst erzählte Jacob, was gerade vorgefallen war. Mayer konnte nicht glauben, was er da erfuhr. "Lyn stimmt das, was dein Doktor erzählt." Lyn versteckte sich halb hinter Jacob. Die sowieso sehr scheue Lyn, die mit fremden Menschen immer Probleme hatte, traute sich jetzt gar nicht mehr, etwas zu dem fremden Mann zu sagen. Jacob drehte sich zu ihr um und hockte sich vor Lyn hin. "Lyn, kannst du mir erzählen, was die
Betreuer zu euch genau gesagt haben?" Lyn erzählte ihm unter Tränen. "Sagen wir Missgeburten, kein Recht leben. Nicht sein auf Welt. Wir Untiere, Dämonen. Was das Doko?" Jacob stand auf und schüttelte ungläubig den Kopf. Aber auch Mayer war entsetzt. "Was sind das für Menschen?", fragend sah der Projektleiter Jacob an. Dieser war immer noch dermaßen wütend und fuhr böse herum. "Genau solche wie Reimund. Der sagte das Gleiche eben zu Lyn, deshalb weint sie so. Ich wollte mit ihr zusammen nach Ilka sehen. Lyn wollte sehen, ob sie Ilka helfen kann, damit es ihr wieder besser geht. Da beschimpfte er sie, als Kreatur. Sagte mir frech ins Gesicht, dass du ihm versprochen hast, dass diese Missgeburten hier nicht hereinkommen würden. Das kann doch wohl nicht wahr sein." Mayer sah Jacob fassungslos an. "Das ist nicht wahr oder? Das hat er nicht wirklich gesagt." "Doch Sigmar, das hat er gerad gesagt und mir
die Tür vor den Kopf geschmissen. Reimund hat mich draußen vor der Tür stehen lassen, obwohl es Ilka nicht gut geht. Was glaubst du eigentlich warum ich Sturm klingle." Jetzt reichte es Mayer. Er sprang wütend auf und riss die Bürotür auf. Ganz kurz brüllte es nur. "Reimund sofort in mein Büro, aber dalli." Sofort kam Mayer zurück und setzte sich die Haare raufend an seinen Schreibtisch. Reimund war keine Minute später in dessen Büro. "Was ist?" In diesem Moment entdeckte er Lyn, die Jacob an der Hand hielt. "Wenn die hier ist, gehe ich", verkündete er kurz und knapp und wollte den Raum verlassen. Da passiert etwas, was noch nie passiert war, seit dem Jacob seinen Vorgesetzten kannte. Beide hatten schon einige sehr böse Auseinandersetzungen miteinander gehabt, aber Handgreiflich war dieser noch nie geworden. Mayer sprang mit einem gewaltigen Satz von seinem Stuhl auf, dass dieser im hohen Bogen
und einem lauten Knall gegen die Wand flog und mit einem unglaublichen Sprung, über den Schreibtisch. Er packte Reimund im Genick und zwang diesen mit aller Macht an die Wand. Dort dreht Mayer ihn mit einem gewaltigen Ruck herum. So dass der Betreuer Ilkas ihm jetzt Auge in Auge gegenüber stand. Dieser justierte Reimund, mit einer Hand am Kehlkopf und einer Hand auf dem Brustkorb, an der Wand. Böse zischte Mayer Reimund an. "Du hörst mir jetzt einmal ganz genau zu, mein Freund. Wer hat dir erlaubt zu gehen? Wer?", sprach Mayer in einem eiskalten Ton, der Lyn zusammenzucken ließ. Schnell versteckte sie sich hinter Jacob und war völlig verängstigt. Mayers Stimme hallte schrill durch das Zimmer, obwohl dieser nicht einmal geschrien hatte. Diese Stimme machte einen richtig Angst. "Das hier mein Freund, auch wenn du viele Freiheiten hast, ist immer noch meine Wohnung. Ich begrüße und beherberge, wen ich will und das
ohne deine Erlaubnis. Wenn es dir nicht passt, dann werde ich Ersatz für dich suchen. Denke daran, jeder ist ersetzbar, auch du mein Freund. Du lieber Reimund, wirst dich bei diesem kleinen Mädchen entschuldigen und zwar sofort. Schämst du dich kein bisschen. Die Kleine weint wegen dir", Ernst sah er Reimund an. "Sonst mein Freund, bekommst du genau zehn Minuten, um dort unten deine Sachen zu packen und zu verschwinden. Das kann doch alles nicht wahr sein", schwer atmend stand er Reimund Auge in Auge gegenüber und atmete dem Betreuer seiner kleinen Tochter, schwer ins Gesicht. Reimund nickte. Ihm wurde bewusst, dass er seinen Job riskierte. Vor allem eine Stelle, die gut wie nirgends anders bezahlt wurde. Er würde, wenn er sich nicht entschuldigt, nicht nur seinen Job aufgeben, sondern all den Luxus. Das wollte er nicht riskieren. "Tut mir leid", presst er zwischen den Lippen hervor.
Langsam beruhigte sich Mayer etwas und ließ Reimund wieder los. Reimund viel regelrecht in sich zusammen. Er war so geschockt von dem tätlichen Angriff seines Chefs, denn er nur als friedfertigen Menschen kannte, dass er völlig verunsichert war. "Entschuldige dich gefälligst anständig. Das kann doch wohl nicht wahr sein…", wiederholte er schwer atmend und vor Wut am ganzen Körper zitternd. "... was du meinen Gästen gegenüber für ein Verhalten an den Tag legst." Ernst sah der Projektleiter Reimund an, der nickte. "Tut mir leid Genosse Oberstleutnant, Herr Doktor. Ich habe mich daneben benommen. Tut mir leid Mädchen, ich wollte dich nicht beleidigen. Aber die Betreuer erzählen solche gruseligen Sachen von euch. Ich wollte ja Ilka nur beschützen, Sigmar." Der war immer noch wütend und ging ans Telefon, wählte die Nummer von 6/blau.
"Schwes…", weiter ließ er Doris nicht reden. "Schwester Doris, ist Schwester Waltraud abkömmlich auf Station?" "Ja Genosse Oberstleutnant", antwortet diese sofort. "Schicken sie mir Waltraud bitte hoch in meine Wohnung. Planen sie diese für den Rest des Tages aus. Ich brauche sie zur Betreuung meiner Tochter." "Jawohl Genosse Oberstleutnant. Geht es Ilka so schle…" Mayer hatte aber schon aufgelegt, viel zu wütend über das Vorgefallene, als dass er jetzt ein normales Gespräch führen konnte. "Reimund, verschwinde aus meiner Wohnung. Ich will dich heute hier nicht mehr sehen. Morgen teile ich dir mit, wie wir weiter verfahren. Hau ab, bevor ich meine gute Erziehung ganz vergessen und dich wirklich verprügele." Mayer ging zur Tür, wies den
Betreuer seiner Tochter enttäuscht die Tür. Der begriff, dass er den Bogen völlig überspannt hatte und verließ ohne ein weiteres Wort zu sagen den Raum. Aber auch die Wohnung des Projektleiters. Mayer dagegen setzte sich erst einmal auf die Kante des Schreibtischs. Er zitterte wie Espenlaub am ganzen Körper. "Komm beruhige dich, Sigmar. Dein Herz, entschuldige das habe ich nicht gewollt", bemerkte Jacob und blickte sorgenvoll zu Mayer. Lyn kam hinter Jacobs Beinen hervor. Hinter denen sie sich versteckt hatte. Jetzt zupfte sie ihren Doktor am Overall. Dieser beugte sich zu ihr herunter und begriff, dass Lyn auf seinen Arm wollte. "Komm hoch, meine Kleine. Du musst keine Angst haben, Lyn. Das passiert schon manchmal, dass man sich streitet." Jacob hob Lyn auf den Arm. Lyn jedoch beugte sich zu seinem Kopf.
"Nikyta, drö. – Ich helf Freund", flüsterte sie ihm ins Ohr. "Du willst ihm helfen?", erkundigte sich Jacob bei Lyn. Die Kleine nickte. Also ging Jacob auf Mayer zu, der immer noch schwer atmend auf der Kante seines Schreibtischs saß und vor Wut auf Reimund zitterte. Lyn streckte Mayer die Arme entgegen. Völlig verblüfft vom deren Verhalten, nahm er das Mädchen auf den Arm. Lyn legte, so wie sie es bei Jacob vor einem reichlichen Monat gemacht hatte, beide Händchen auf die Brust von Mayer. Verblüfft sah dieser zu ihr und atmete erleichtert auf. Vielleicht vier oder fünf Minuten beließ Lyn ihre Händchen dort, auf einmal rutschte sie in sich zusammen. Mayer der darauf absolut nicht vorbereitet war, hatte Mühe das kleine Mädchen zu halten. Jacob fing die nach hinten weg kippende Lyn auf. Erschrocken nahm er seine Kleine, auf den Arm.
"Komm leg sie auf das Sofa", bat Mayer und zeigte nach draußen. Zusammen gingen sie in das Wohnzimmer, zu einem der Sofas, auf dem auch Ilka ängstlich weinend lag. Die den Streit zwischen Mayer und ihrem Betreuer mitbekommen hatte. Mayer der so mit sich selber zu tun hatte, konnte in diesem Moment gar nicht an sein kleines Mädchen denken. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass diese alles mit anhörten musste. "Ach Mäuschen, beruhige dich. Auch Erwachsene streiten sich manchmal. Das ist halt so. Dein Reimund kommt wieder keine Angst, das könnte ich dir gar nicht antun. Hör auf zu weinen." Ilka sah ihren Vati hoffnungsvoll an. "Vertrau mir, Prinzessin. Aber das was Reimund sich heute geleistet hat, geht mal gar nicht. Ilka so etwas dulde ich nicht." Ilka nickte. Plötzlich entdeckte sie das kleine Mädchen, um was sich Jacob gerade kümmerte.
"Onkel Fritz, was ist mit dem Mädchen? Ist sie tot? War das Reimund?" Jacob schüttelte den Kopf. "Nein Ilka, das war nicht Reimund. Das Mädchen heißt Lyn. Ich glaube sie hat gerade deinem Vati geholfen. Dem ging es gerade nicht so gut. Er darf sich nicht so aufregen", erklärte er Ilka. "Aber warum ist sie dann so komisch, Onkel Fritz? Warum trägt sie ein Band? Warum sagt Reimund, solche bösen Dinge?" Ilka streckte den Hals, um besser sehen zu können. Sofort fing sie an zu husten und legte sich lieber wieder zurück. "Ilka, sie schläft. Es hat sie wohl erschöpft. Das, was sie gerade getan hat, kostet sie wohl viel Kraft", erklärt er ihr. Jacob untersuchte Lyn genau. Es war wie vor einem Monat, als Lyn ihm geholfen hatte. Ihr Puls raste wie verrückt und selbst an der Halsschlagader sah man, wie sehr ihr Herz pumpen musste. Erschrocken stellte Jacob fest,
dass die Kleine im Moment den zehnfachen so schnellen Puls hatte, wie normal. Ihre Augenlider flatterten regelrecht und ihr Mund stand weit offen, als ringe sie nach Luft. Fast zehn Minuten dauerte es, bis sich die Kleine beruhigt hatte. Plötzlich schloss sie den Mund und atmete ganz ruhig, weitere zehn Minuten später kam Lyn langsam wieder zu sich. Als sie sich rekelte, zog sie Jacob erleichtert in seine Arme. "Lyn, du hast mich erschreckt. Was war mit dir? Wieso wurdest du ohnmächtig?" Lyn kuschelte sich nur schweigend an ihren Doktor. "Du magst nicht reden meine Kleine?" Jacob streichelte ihr Gesicht, jetzt nickte sie. "Das kann ich verstehen. Lyn, was der Reimund zu dir gesagt hat, war böse. Er hat kein Recht dazu", erklärte ihr Mayer. "So etwas sagt man nicht, Lyn. Das lasse ich nicht zu." Lyn zeigte auf ihr Herz. "Wort, tut weh", sagt sie traurig.
"Das kann ich mir vorstellen", bestätigte ihr Mayer und sah Lyn dabei ernst an. Jacob war immer noch beunruhigt. "Wie geht es dir Lyn? Alles wieder in Ordnung?" Vorsichtig fühlte er ihren Puls, der hat sich wieder völlig beruhigt. Lyn nickte, wirkte allerdings abwesend. Sie hielt ihr Köpfchen schief und beobachtete Ilka. "Doko, asödoah? Nikyta sadfim, Lyn drö. – Doko, vertraust du mir? Freundin hat hohes Fieber, Lyn will helfen." Jacob nickte, zu den Worten Lyn´s. Mayer jedoch sah völlig verwirrt zu ihm. "Fritz was erzählt die Kleine dir?" Lächelnd antwortete er Mayer. "Entschuldige, ich denke immer nicht daran, dass außer mir keiner die Kinder versteht. Sie fragte mich, ob ich ihr vertraue? Erklärte mir, dass das Mädchen krank sei und sie ihr helfen will." Erstaunt blickte Mayer zu Lyn. "Du kannst Ilka
helfen?" Ängstlicher denn je, schmiegte sich Lyn an Jacob. Immer noch hatte sie Angst vor dem Mann, der gerade so böse wurde. Dass Lyn ihm geholfen hatte, änderte daran nichts, dass sie sich fürchtete. Schließlich hatte er versucht ihr zu helfen und hatte sich wegen ihr so aufgeregt, dass es sein Herz fast zerrissen hätte. Hilfesuchend und völlig verunsichert, suchte sie den Blickkontakt zu ihrem Freund, dem Arzt. "Du kannst ihr helfen Lyn?" erkundigte sich Jacob. Lyn bestätigt dies durch Nicken. "Sigmar, es ist deine Entscheidung, die kann ich dir nicht abnehmen." Mayer war mittlerweile egal, wer Ilka half. Er wollte nur, dass es seinem kleinen Mädchen, wieder gut ging. Schon seit Tagen litt seine Tochter an unerklärlich hohem Fieber. Er hoffte sehr das Lyn ihr helfen konnte. Lange würde ihr Herz dieses hohe Fieber nicht mehr aushalten.
Mayer kam auf Lyn zu, hockte sich vor sie hin, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein. "Wenn du ihr helfen kannst, bitte helfe ihr. Ich habe Angst um mein kleines Mädchen, bitte." Lyn sah ängstlich zu Jacob hoch. Ihr war das hier alles nicht geheuer. Erst diese bösen Worte von Reimund, dann der Wutausbruch von Mayer. Sie fühlte sich hier nicht wohl. Ängstlich klammerte sie sich an ihren Doktor. "Ich bleibe in deiner Nähe, Lyn. Ich passe auf dich auf." Diese Worte schienen ihr zu genügen. Lyn stand sie auf und lief zu dem anderen Sofa, auf dem Ilka lag. Dort kletterte sie mit Hilfe Jacobs auf die Liegefläche, zu dem Mädchen und setzte sich neben sie. "Hallo Lyn", begrüßte Ilka das kleine Mädchen. Lyn allerdings schwieg. Nie sprach diese sofort mit Fremden. Immer erst brauchte die Kleine eine gewisse Vertrautheit, um aus sich
herauszukommen. Wie alle Kinder unten auf der 6/blau, war sie sehr scheu. Mit schräg gehaltenem Köpfchen, sah sie Ilka lange an und nahm deren Hand. Lange schaute sie zu Mayers Tochter und blickte immer wieder einmal, zu Mayer oder Jacob. Nach über einer halben Stunde regte sie sich endlich wieder. In dieser Zeit, war Mayer immer wieder in Versuchung geraden, Lyn anzusprechen. Er wurde stets von Jacob mit einem Kopfschütteln davon abgehalten. Jacob hatte das schon einige Male unten im Raum der Kinder erlebt und Lyn hatte ihm versucht zu erklären, dass sie erst den Grund suchen musste, warum es jemanden schlecht ging. Sie stellte für sich also eine Art Diagnose auf, wie immer sie das auch machte. Erklären konnte sie das Jacob nicht, dazu fehlten ihr einfach die Worte. Plötzlich krabbelte Lyn zum Kopfende des Sofas und legte ihre Händchen auf Ilkas Kopf. Eigenartigerweise entkrampften sich Ilkas
Hände. Nach elf Minuten, rutschte Lyn mit ihren Händen, nach unten auf Ilkas Bauch und ließ sie dort für lange Zeit. Ilka atmete erleichtert auf. Man sah, dass ihre Schmerzen nachgelassen hatten. Ganz leise bat Lyn Jacob. "Fat - umdrehen", man merkte ihrer Stimme an wie erschöpft sie war. Jacob begriff nicht gleich, was Lyn von ihm wollte. Deshalb versuchte die Kleine Ilka alleine umzudrehen. Erst jetzt verstand Jacob und half ihr Ilka auf den Bauch zu drehen. Sofort legte Lyn ihre Hände auf deren Rücken. In diesem Moment fing Ilka an zu brüllen. So als ob sie furchtbare Schmerzen hätte. Sofort wollte Mayer, Lyn von Ilka wegreißen und wurde von Jacob zurückgehalten. "Sigmar, lass Lyn. Es ist bestimmt gleich vorbei", beruhigte Jacob seinen Freund. Keine Minute später hörte Ilka tatsächlich auf zu schreien. Lange noch ließ Lyn ihre Hände im
Bereich der Nieren liegen. Über eine Stunde hatte Lyn gebraucht, um dem ihr unbekannten Mädchen zu helfen. Auf einmal Ilka holte tief Luft, atmete gleichmäßig und tief. Im gleichen Moment kippte Lyn einfach zur Seite weg und fiel wie ein nasser Sack in Richtung Boden. Jacob hatte Lyn die gesamte Zeit mit immer größerer Sorge beobachtet. Er konnte sie gerade noch auffangen, bevor sie mit dem Kopf auf die Tischkante schlug. Bewusstlos lag Lyn in seinen Armen. Er hob sie hoch und setzte sich mit ihr auf eines der anderen Sofas. Entsetzt hielt er das kleine Mädchen in seinen Armen, deren Atem rasselte und der Puls war viel zu hoch. Jacob wurde mit einmal bewusst, dass Lyn völlig erschöpft sein musste. Dass dieses kleine Mädchen wahrscheinlich gerade Schwerstarbeit geleistet hatte. Es schien sie alle Kraft gekostet zu haben, die sie besaß. So wie sie es bei ihm, vor einem Monat und eben bei Mayer getan hatte. Sie musste sich davon erst einmal erholen.
So vorsichtig wie nur möglich, legte Jacob seine Kleine auf das Sofa, um sie zu untersuchen. Bis auf den viel zu hohen Puls und dem rasselnden Atem, war alles in Ordnung. Dagegen konnte er allerdings nicht tun. Keines der Medikamente die er besaß, konnte er bei den Hundert einsetzen. Dies hatte ihm Zolger immer wieder gesagt. Auf alle den Kreislauf beeinflussenden Mittel, reagierten die Hundert allergisch. Er konnte nur hoffen, dass sich die Kleine von alleine wieder beruhigte. Er würde so etwas nie wieder zulassen. Liebevoll nahm er eine Decke und deckte Lyn zu. Da er im Moment nichts für sie tun konnte, wollte er erst einmal nach Ilka sehen. Immer ein Auge auf seinen Schützling, ging er zu Ilka. Diese lag tief schlafend auf dem Sofa. Zur Verwunderung von Jacob, wie auch von Mayer, waren die sonst immer verkrampften Hände Ilkas völlig gelockert. Jacob nahm die Hand von Ilka in seine Hand und drückte die Reflexzonen.
Diese reagierten völlig normal. Vollkommen entspannt lag Ilka auf dem Sofa. Jacob sah auch nach Ilkas Füßen, auch diese waren völlig entspannt. Kopfschüttelnd sah er auf Lyn. Aufs Genauste untersuchte er Ilka, soweit dies während des Schlafes möglich war. Ilka war fieberfrei und von der Spastik, war nichts mehr festzustellen. Leise unterhielten sich die beiden Männer, über das erlebte. Jacob zog sich das kleine Mädchen auf den Schoss und in seine Arme um sie zu beruhigen. Ständig streichelte er ihr den Rücken und versuchte die Atmung durch leichte Schaukelbewegungen zu beruhigen. Nichts von alledem half wirklich. Nach über einer Stunde wurde Lyn´s Atem ruhiger und auch der Puls begann sich zu beruhigen. Mayer und Jacob hörten gleichmäßiges und tiefes Atmen. Erleichtert schauten sich beide an. Nach einer weiteren halben Stunde wachte Lyn auf. Sie legte ihre Arme um seinen nicht vorhandenen Bauch und bat ihn, mit müder und völlig
erschöpft klingender Stimme. "Lyn, Nikyta. – Lyn will Freundin", völlig geschafft sah sie zu ihm hoch. "Du möchtest zu 91." Lyn sah nur traurig zu ihm, nickte müde. "Ich bringe dich runter." Mayer bat die beiden um einen Moment Geduld. "Warte Fritz, ich hole euch ein Taxi. Da muss das kleine Mäuschen nicht den weiten Weg laufen", Mayer griff nach dem Telefon und rief in der Zentrale an. Er bestellte einen Wagen zu seinem Aufzug auf der 2/rot. Kaum das er aufgelegt hatte, ging er zu Lyn und hielt ihr seine Hand hin. "Danke Lyn, dass du Ilka geholfen hast. Vielen Dank." Lyn sah Mayer mit großen Augen an. Seine Hand nahm sie allerdings nicht, sondern klammerte sich am ganzen Körper zitternd an Jacob. Die Männer konnten verstehen, wieso das Mädchen so reagierte. Wenn noch mehr Leute hier im Projekt, so über diese Kinder
redeten wie Reimund, konnte man die Gefühle der Kinder durchaus verstehen. Weder Mayer noch Jacob waren wegen Lyn´s Reaktion böse. "Ist schon gut, Lyn. Ich kann dich schon verstehen. Du musst aber lernen, dass nicht alle Menschen böse sind. Trotzdem danke, dass du meiner Ilka geholfen hast. Ihr scheint es wieder besser zu gehen." Lyn sah lange zu dem Mann, ganz leise sprach sie immer wieder zu Jacob hochschauend. "Ika gesund. Muss schlafen. Dann besser." Schwankend stand sie auf und ging zu Ilka. Sie schob den Ärmel nach oben und zeigte auf deren Arm. "Nicht gut tut", erklärte sie ernst. Jacob stand jetzt ebenfalls auf und sah sich den Arm an. Erst jetzt entdeckte er die Einstichstelle. Bei der Untersuchung Ilkas hatte er die Ärmel nicht hochgeschoben, warum auch. Lyn hatte allerdings auch nicht die Arme untersucht. Woher wusste die Kleine von der Einstichstelle? Dieses kleine Mädchen
überraschte ihn schon wieder. Sie besaß eine unwahrscheinliche Beobachtungsgabe. Trotzdem musste er über Lyn lächeln. Weil Lyn wieder einmal Probleme mit der Aussprache, ihr fremder Wörter hatte. "Lyn, das Mädchen heißt Ilka, Il ka", sprach er jetzt ganz deutlich den Namen. Lyn wie immer bemüht, alles richtig auszusprechen, versuchte es noch einmal. "Ilka." "Genau mein kleines schlaues Mädchen." Schon klingelte es, der Fahrer der Taxi stand unten auf der 2/rot. "Dann auf Wiedersehen, kleine Lyn. Ich besuche dich mal, mit Ilka." Lyn schüttelte den Kopf. "Nein, nicht gut Ilka. Zu viel Kraft. Das Gefahr." Versuchte Lyn ihm zu erklären. Jacob allerdings lenkte vom Thema ab. "Wir werden sehen." Jacob erhob sich, nahm das kleine Mädchen einfach auf den Arm, trug sie zum Aufzug, um mit ihr nach unten zu fahren.
Lyn kuschelte sich zitternd an ihren Doktor. Man merkte, wie müde und erschöpft sie war. Kaum zehn Minuten später waren beide im Kinderzimmer angekommen. Alle Gatter waren oben. Die Kinder saßen allerdings alle in ihren Betten. Jacob brachte Lyn nach hinten in ihr Bett, legte sie hinein. Kaum das er sie hingelegt hatte, bemerkte er eine Bewegung hinter sich. Nummer 91 kletterte aus ihrem Bett, also griff Jacob nach ihr, hob das Mädchen zu Lyn ins Bett. "Deine Freundin ist ganz müde, lass sie bitte schlafen. Sie hat Ilka glaube ich gerade das Leben gerettet. Mach sie nicht munter, Nikyta, bitte", erklärte er der Freundin von Lyn. Diese sah ihn lange an und legte sich einfach hinter Lyn. Sie zog die um so vieles kleinere in ihre Arme. Kaum das Lyn die Nähe des Mädchens spürte, atmete diese ruhiger und
gleichmäßiger. "Danke Nikyta. Dann schlaft mal schön. Tut mir leid wegen den Gattern. Ich sorge dafür, dass die schnellst möglich abgebaut werden. Das verspreche ich euch." Nummer 91 sah Jacob an, dann nickte sie. Vorsichtig zog Jacob das Band von Lyn´s Augen und legte es hinten in die Ecke. Liebevoll deckte Jacob, mit einer Decke, die beide Mädchen zu. Nachdenklich ging der Chefarzt nach vorn zu Doris. "Doris, ihr lasst Lyn schlafen, bis sie von alleine wach wird. Dann fragt ihr sie, wie viel Brei sie haben möchte. Die kleine Maus hat gerade Schwerstarbeit geleistet, bei Ilka." Doris sah ihn erschrocken an. "Geht es Ilka schlecht?" Jacob schüttelte den Kopf. "Jetzt nicht mehr." Doris wollte wissen, was los passierte. Sie sah ihrem Chef an, dass dieser wütend war. "Fritz, was ist eigentlich los? Der Oberstleutnant brüllt ins Telefon, sie sind wütend. Was ist denn passiert?"
Kurz schilderte Jacob seiner Oberschwester, von dem, was er von Lyn erzählt bekam. Diese schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund und ließ sich auf den Stuhl fallen. "Das gibt es doch nicht. Was sind das für Menschen? Und wir wundern uns, dass unsere Kinder so verstört sind. Da ist das doch kein Wunder." Traurig blickte sie Jacob an und rieb sich verzweifelt den Nacken. "Doris ich bin bei Mayer. Wir müssen eine Lösung finden." "Geht klar ich passe hier auf. Wenn ich einen erlebe, der unsere Kinder so beschimpft, der kann etwas erleben." Jacob war überzeugt, dass Doris es genauso meinte wie sie es sagte. Diese liebte die Kinder genauso, wie alle anderen Schwestern, die noch hier arbeiteten. Es war so ein Gefühl, als wenn es die eigenen wären, sagte Schwester Alma einmal bei einer Besprechung. Damals ging es um die Gefühle die die Schwestern zu den
Kindern aufgebaut hatte. Viele der Schwestern empfanden ebenso. Alle sagten, wir müssten unsere Kinder beschützen. Wobei die Betonung immer auf dem Wort UNSERE lag. Jacob klopfte Doris auf die Schulter. Sofort verließ er den Kinderraum, um nochmals nach oben zu Mayer zu gehen. Kaum, dass er an der Tür klingelte, öffnete ihm auch schon Schwester Waltraud die Tür. Die in der Zwischenzeit eingetroffen war. Sie musste erst noch duschen, sich anziehen und etwas essen, deshalb dauert es etwas. Sie kam aus dem Nachtdienst. "Guten Tag Herr Doktor, kommen sie bitte rein." "Wie geht es Ilka?", war seine erste Frage. Schwester Waltraud lächelte. "Ilka schläft tief und fest, sie ist völlig fieberfrei und entspannt." Erleichtert atmete Jacob auf. "Da bin ich aber froh. Lange hätte es Ilkas Herz, dieses hohe Fieber nicht mehr ausgehalten. Sag mal Walli ist Sigmar noch im Büro. Ich wollte ihn gern kurz
sprechen." "Ja", kam die kurze Antwort. "Danke, ich sehe dann noch mal nach Ilka. Allerdings müssen wir erst einige sehr wichtige Sachen klären. Ilka geht es ja besser." Jacob drehte sich um und ging nach hinten in Mayers Büro, klopfte kurz an. "Herein", kam es von drinnen. "Ach du bist es Fritz. Komm rein. Ich hätte dich sowieso gleich angerufen. Setze dich. Gebe mir noch eine Minute. Ich will schnell eine Durchsage machen." Jacob setzte sich, sah entsetzt auf seine Uhr, es ist schon 11 Uhr 14. Er hatte noch nichts von einem heutigen Tagesplan geschafft. Also würde er wieder einmal, eine ganze Nacht durcharbeiten müssen. Mayer nahm das Mikrophone zur Hand, schaltete es für die entsprechenden Bereiche frei, begann seine Durchsage. "Heute um 14 Uhr 30 findet eine außerordentliche Versammlung, für alle
Mitarbeiter des Sicherheitstraktes statt. Die Anwesenheit ist Pflicht. Dauer circa eine Stunde. Wer nicht erscheint, wird ab sofort vom Dienst suspendiert", schon schaltete er den Lautsprecher wieder aus. Kopfschüttelnd saß der Projektleiter hinter seinem Schreibtisch. "Fritz, was sind das eigentlich für Menschen? Verdammt, das sind Kinder. Wie kann man mit denen so umgehen? Was haben die den Betreuern getan?" Darüber hat der Chefarzt auch schon eine Weile gegrübelt. Deshalb blickte Jacob seinen Freund ernst an. "Tja, was soll ich dazu sagen. Ich kann und will so etwas nicht verstehen. Eins wir mir jedenfalls bewusst, so etwas kann nur passieren Sigmar, wenn man mit Genen herumspielt. Deshalb sollten solche Versuche generell verboten werden. Überlege selber einmal. Diese Leute bekommen zwei Monate alte Kinder, eigentlich "Säuglinge", mit denen sie arbeiten sollen. Die "Säuglinge" können rennen,
schwimmen, Klimmzüge, Sachen die viele Erwachsene so nicht einmal können. Es ist klar, dass die Leute damit nicht klar kommen. Wir kommen doch selber nicht damit klar. Mit welcher enormen Geschwindigkeit diese Kinder wachsen. Das macht selbst mir furchtbare Angst." Traurig sah er Mayer an. "Sigmar, weißt du was Lyn mir vorhin sagte. Die Kinder sind böse mit uns, weil wir sie in Käfigen halten." Verwundert sah ihn Mayer an. "Na ja, als Betten würde ich das auch nicht gerade bezeichnen. Aber wir halten sie doch nicht gefangen." Jacob schüttelte den Kopf. "Sigmar, eben genau das haben wir unbewusst gemacht. Die Gatter der Betten waren immer unten. Die Kinder konnten ihr Bett nur verlassen, wenn sie zum Training gingen. Die restliche Zeit, waren sie durch uns unbewusst immer eingesperrt. Erst heute durch Lyn´s Bemerkung, wurde mir das bewusst. Bitte Sigmar, kannst du die Techniker
bestellen, dass die diese Gatter ganz abbauen. So dass die Kinder begreifen können, das wir sie nie wieder in den Betten einsperren werden." Das blanke Entsetzen spiegelte sich auf Mayers Gesicht wieder. Wie Jacob erkannte er, wie wenig sie mit der Entwicklung dieser Kinder Schritt halten konnten. Wie sehr alle hier in dem Projekt, mit der normalen Entwicklung, von normalen Kindern verbunden waren. "Fritz, ich rufe gleich an", sofort griff er zum Telefon, wählte die Durchwahl zu Hunsingers Notruftelefon. "Franz, hier ist Sigmar. Entschuldige, dass ich dich störe. Hast du eine Minute? Hier bei uns brennt es." Hunsinger antwortet verwirrt. "Sigmar, für euch doch immer. Ihr seid die Einzigen die selten nach Hilfe schreien. Wo klemmt es?" Mayer erklärte kurz und bündig, wie es seine Art ist, was er wollte und warum dies notwendig war. Ein erschrockenes. "Oh mein Gott", folgte kurz darauf. "Bleib in der Leitung", man hörte wie
Hunsinger den einen Hörer hinlegte, den nächsten Hörer aufnahm. "Genosse Korpus, wie sieht es aus, können sie morgen früh, für einige Stunden ins Projekt Dalinow fliegen und die Gatter von den Betten abbauen? Es ist sehr wichtig, die anderen Sachen müssen warten." Ein kurzer Moment des Schweigens, dann hört man Hunsinger wieder. "Danke, das ist prima. Ich sage dort Bescheid. Habe den Genossen Mayer noch in der anderen Leitung. Ich organisiere das mit dem Flug und melde mich, dann gleich noch einmal. Bis später." Hunsinger legte auf und nahm den anderen Hörer an dem Mayer wartete. "Sigmar du hast bestimmt mitgehört. Also, Korpus kommt mit seinem Team, morgen gegen 8 Uhr und baut alle Gatter ab. Somit habt ihr dieses Problem geregelt. Sonst alles in Ordnung bei euch? Man hört so gar nichts." Mayer lächelt gequält vor sich hin, was
Hunsinger ja nicht sehen konnte. "Franz, nix ist nirgends völlig in Ordnung. Aber diese Probleme können und müssen wir selber klären. Da kannst du uns nicht helfen. Danke, dass du das mit den Technikern geklärt hast. Bei dir geht das einfach schneller. Also ich melde mich dieser Tage mal. ´tschuldigung, ich bin gerade im Stress." "Geht klar Sigmar. Sag Bescheid, wenn du Hilfe brauchst." Jacob wies Mayer darauf hin, einen Gruß von ihm auszurichten. "Mach ich, Gruß auch von Fritz soll ich sagen. Der sitzt vor mir und verrenkt sich fast. Also bis die Tage", sofort hat er aufgelegt. "Fritz morgen gegen 8 Uhr kommen die Techniker, die montieren die Gatter ab." Jacob atmet erleichtert auf. "Na da wird sich Lyn ja freuen." "Wie geht es der Kleinen? Ich hab mich vorhin ganz schön erschrocken, wie die kleine Maus einfach so weggekippt ist. Was war denn los mit ihr? Wieso hat Ilka so geschrien?"
"Sigmar, das kann ich dir nicht beantworten. Ich habe Lyn nur nach hinten gebracht. Sie hat in meinen Armen schon fast geschlafen. Ich legte sie ins Bett. Sofort kam die Kleine 91 und kletterte in das Bett ihrer Freundin und legte sich zu Lyn. Erst da schlief sie tief und fest. Als wenn sie sich beschützt vor kommen würde. Wenn sie munter ist, werde ich sie mal fragen. Sigmar, Lyn machte mich auf einen Einstichstelle in Ilkas Arm aufmerksam. Wer hat außer mir Ilka behandelt? Ich dachte eigentlich, ich bin ihr Arzt. Das geht nicht, dass du zwei Ärzte konsultierst, das kann böse ins Auge gehen." Mayer sah Jacob verwundert an. "Fritz, es war keiner außer dir hier. Es sei denn, Reimund hat jemanden geholt, weil du keine Zeit hattest. Der weiß allerdings, dass keiner außer dir, Ilka behandeln soll. Ich muss ihn mir mal ernsthaft zur Brust nehmen, so geht das nicht." Mayer
war fassungslos. Mit seinen Gedanken beschäftigte sich Mayer allerdings schon wieder mit einer anderen Geschichte. Ilka ging es gut, diese Sache konnte warten. "Sigmar, wie machen wir das mit der Versammlung, soll ich da dabei sein? Oder betrifft das nur die Betreuer?" Mayer schüttelte den Kopf. "Nein Fritz, du hast genug Arbeit, das mache ich alleine. Ich denke dein gesamter Zeitplan, ist heute schon wieder aus allen Fugen gelaufen. Ich nehme nur die Betreuer und Lehrer dazu. Die Durchsage, war auch nur in deren Räumen zu hören, deine Leute sind lieb zu den Kindern, das weiß ich." Erleichterung machte sich bei Jacob breit. "In Ordnung, wenn du mich brauchst, dann hole mich dazu. Versprich mir das und rege dich nicht wieder so auf. Vorhin hat dein Herz schon wieder verrückt gespielt." Mayer gab ihm Recht. "Ich habe keine Ahnung wie ich die nächsten fünfzehn Jahre, diesen
Stress noch durchhalten soll. Auch wenn es durch Heikos Organisation, wesentlich ruhiger geworden ist. Es gibt noch jede Menge Arbeit. Fritz, lass mich bitte jetzt alleine. Ich muss mich zumindest ein wenig auf die Versammlung vorbereiten. Also wir sehen uns heute Abend, auf eine Runde Billard, versprochen." Jacob stand auf und verließ das Büro. Sah aber noch einmal kurz nach Ilka, friedlich schlief die Kleine einen erholsamen Schlaf. "Walli, wenn etwas ist, rufe mich an", forderte er die Schwester auf. Diese lächelte ihn beruhigend zu. "Das mache ich, Herr Doktor. Aber ich denke Ilka ist über den Berg. Sie schläft sich jetzt ganz gesund." Jacob verließ die Wohnung der Mayers und ging hinüber in sein Labor. Gegen 12 Uhr sah er noch einmal nach Lyn, diese schlief noch tief und fest, in den Armen ihrer Freundin. Nummer 91 war allerdings wach. "Alles in Ordnung mit Lyn?", erkundigte er sich besorgt.
Nummer 91 flüsterte. "Lyn, bionde etries. – Lyn, gut geht, schlafen lassen." Erleichtert atmete Jacob auf. "Lyn, geht es gut, sie schläft nur?", ließ er sich bestätigen, dass er es richtig verstanden hatte. Nummer 91 nickte. "Da bin ich beruhigt. Ich habe mir Sorgen gemacht. Sagst du ihr bitte, wenn sie aufwacht. Morgen kommen Männer, die werden die Gatter abbauen. So dass ihr nie wieder eingesperrt seid. Verstehst du, was ich dir sage?" erkundigte sich Jacob vorsichtshalber. Da er sich nie sicher war, ob die Kinder ihn verstanden. Kurz Sätze verstanden alle. Aber, wenn es darum ging etwas zu erklären, hatte er oft den Eindruck, dass die Kinder nicht alles begriffen. Dass man sie dann überforderte. Nummer 91 sprach das erste Mal, in seiner Sprache mit ihm. "Gatter, weg für immer?" Irritiert sah Jacob zu dem, um so vieles größere
Mädchen. Er hatte immer geglaubte, sie konnte wie alle anderen, nur die Sprache der Kinder sprechen. "Du sprichst ja unsere Sprache. Das ist aber schön. Darüber freue ich mich sehr. Sagst du mir, wie du heißt?" Versuchte er ein Gespräch. 91 schüttelte den Kopf. "Nicht schlimm, wenn du ihn mir nicht verrätst. Vielleicht irgendwann einmal. Ich finde es nicht schön dich mit 91 anzusprechen oder Lyn mit 98. Also, wenn du mal einen Namen hast, dann sag ihn mir bitte." Jacob streichelte dem Mädchen das Gesicht. "Heute Nachmittag, werden die Leute ausgeschimpft, die euch so böse beleidigt und euch so zugesetzt haben. Bitte, wenn wieder jemand, solche gemeinen Sachen zu euch sagt, dann sagt mir das bitte. Nur wenn ihr mir sagt, was los ist, kann ich euch helfen. Verstehst du?" Das große Mädchen, das fast dreißig Zentimeter größer war, als Lyn, sah Jacob verständnislos an. "Warum?"
Jacob verstand nicht, was 91 damit meinte. "Was meinst du mit warum, kleine Nikyta?" Ernst sah er zu dem Mädchen. "Warum nicht so, wie anderen, so böse?" Jacob liebkoste zärtlich ihr Gesicht und sah in die gleichen wunderschönen rotorangenen Augen, die auch seine Lyn hatte. "Weil ich euch lieb habe. Ich möchte, dass es euch gut geht." Lange beobachtete Nummer 91, den Arzt und sah zu ihm hoch. Kaum hörbar sprach sie nach einer ganzen Weile. "Rashida." Jacob verstand sie nicht gleich. "Wie, du beruhigst sie?" Das Mädchen, die oft bei den Gesprächen von Jacob und Lyn dabei saß und daher wusste, wie Lyn sich mit dem Arzt verständigte. Zeigte erst vorsichtig, um sich nicht zu sehr zu bewegen, auf Jacob. "Doko." Dann auf sich. "Rashida." Jetzt verstand Jacob. "Du bist Rashida" Rashida bewegte ganz wenig den Kopf. "Das ist aber ein
schöner Name. Der passt zu dir. Du schaffst es immer wieder, Lyn zu beruhigen. Dann schlaft mal schön, ihr zwei. Willst du dann gleich etwas essen oder später mit Lyn zusammen?" Rashida sah hoch zu Jacob. "Mit Lyn." "Geht klar Rashida, ich sage den Schwestern Bescheid. Also bis später, ich sehe dann noch mal nach Lyn." Damit erhob Jacob sich, streichelte Rashida noch einmal übers Gesicht und ging nach vorn. "Doris, Lyn und ihre Freundin Rashida, sie hat mir gerade ihren Namen verraten, essen später. Erst, wenn Lyn von alleine aufwacht ist. Morgen ab 8 Uhr kommen die Techniker. Dann geht ihr alle nach unten in die Turnhalle. Damit die hier oben in Ruhe arbeiten können." Doris staunte. "Geht in Ordnung Herr Doktor. Ich sage den anderen Schwestern Bescheid. Bis später. Ich melde mich, wenn etwas sein sollte", sofort verließ Jacob den Raum, um einige wichtige Tests durchzuführen.
Vor allem, um Mittag zu essen. Sein Magen hing schon wieder in den Kniekehlen. Es war Wahnsinn, was er ständig für einen Hunger hatte. So viel brauchte er noch nie essen. Trotzdem nahm er kein Gramm zu. Im Gegenteil er musste ständig aufpassen, dass er sein Gewicht hielt. Aß er nicht regelmäßig, waren schnell fünf bis sechs Kilo weg. In den ersten Wochen nach seiner Genesung, nahm er über vierzehn Kilo ab. Da er einfach durch den vielen Stress das Essen vergessen hatte. Bis Anna mit ihm schimpfte, weil sein Overall nur noch wie ein Sack an ihm herum baumelte. Seit dieser Zeit achtete er immer darauf, dass er genügend verzehrte. Vor allem die Mahlzeiten, von den Uhrzeiten her regelmäßig zu sich nahm. Jacob stellte an sich vor allem schnell fest, dass er so wesentlich Leistungsfähiger war. Eilig verließ er den Raum der Kinder und ging er hoch in seine Wohnung, dort wartete Anna schon auf ihn, die
heute in der Nachtschicht arbeitete. Zusammen gingen sie nach vorn in die Mensa, um zu Mittag zu essen und danach wieder zum Alltag über. Gegen 18 Uhr kam Jacob endlich noch einmal dazu, nach Lyn zu sehen. Diese saß mit Rashida in ihrem Bett, diskutierte etwas. "Hallo Lyn, hast du ausgeschlafen? Nikyta frido? – Freundin geweckt? Hallo Rashida." Begrüßte er die beiden Mädchen. Beide sahen ihn an. "Doko. Etries Nikyta. – Doko, ausgeschlafen Freundin", Lyn zeigte auf Rashida und rüttelte sie. "Frido. – Wecken", dann legte sie sich hin, kam hoch und streckte sich. "Etries. - Ausgeschlafen", somit wurde Jacob der Unterschied klar. "Frido ist wecken, wenn ich dich munter mache, Lyn. Aufwachen, ausschlafen etries. Danke Lyn." Das Mädchen bestätigte es, durch das neigen des Kopfes. "Das ist ganz schön kompliziert. Aber dein Doko lernt das schon noch", versprach Jacob lachend. "Lyn, kannst du mir erklären, was du mit Ilka
gemacht hast?" Rashida guckte Lyn an, diese Jacob. Lyn schüttelte den Kopf. "Kann nicht sage, mit Wort." Jacob war sich darüber im Klaren, dass es für das erst 2 Monate alte Mädchen, gar nicht so einfach war, dies alles in Worte zu fassen. Etwas, dass er selber nicht verstand. "Versuche es, ich bin neugierig." Lyn sah zu Rashida, diese nahm die kleinere Freundin in den Arm. Als wenn sie versuchte sie zu beruhigen und ihr Sicherheit gab. Seit ein paar Tagen stellte Jacob immer wieder fest, dass Lyn sehr ängstlich war und sich schnell verunsichern ließ. Lyn zuckte mit den Schultern. "Einfach machen. Herz nicht gut, dann böser Mensch, macht Ilka krank." Verwundert sah Jacob Lyn an. "Wer macht Ilka krank, Lyn?" Achselzuckend saß Lyn im Schneidersitz vor Rashida, die ihre Arme um
deren Bauch gelegt hat. "Nicht weiß, aber hier." Lyn zeigte auf den Einstich, den sie Jacob vorhin zeigte. "Ilka…" Lyn wusste nicht wie sie es ausdrücken sollte und sprach einfach in ihrer Sprache weiter. "…raiko intös. - …. böse Injektion." Wieder einmal stand Jacob vor dem Problem, dass er sein kleines Mädchen nicht verstand. "Lyn, ich verstehe nicht." Lyn stand auf, hielt ihm die Hand hin. Jacob faste sie an und folgte Lyn einfach. Sie ging nach vorn zu dem Labortisch, zeigte auf eine Spritze und nahm diese in die Hand. "Intös. - Injektion", erklärte sie Jacob und tat so, als wenn sie sich etwas spritzen würde. "Du willst mir sagen. Ilka hat eine Spritze bekommen, die nicht gut für sie ist?" Lyn wiederholte das Ganze, um es zu bestätigen. Jacob schüttelte ungläubig den Kopf. "Doris, schicke jemanden nach oben zu Ilka, Walli soll ihr Blut abnehmen. Sofort mit der
Blutprobe in das Labor. Die Ergebnisse soll mir Walter schleunigst mitteilen." Doris rief Alma herbei, die im Moment nichts zu tun hatte, schickte diese los. "Danke Lyn. Komm mit hinter." Schon nahm Jacob sein Mädchen auf den Arm, trug sie nach hinten zu ihrer Freundin, die schon im Bett stand und nach Lyn Ausschau hielt. "Schon gut Rashida, ich passe auf deine Freundin auf." Jacob setzte sich zu den beiden Mädchen auf das Bett. "Du meinst also, jemand hat versucht Ilka zu töten?" Lyn sah verlegen auf ihre Hände. "Töte nicht gut, Doko", sprach sie ganz leise, mit viel Traurigkeit in der Stimme. "Ich weiß Lyn, niemand sollte sterben, wenn er noch klein ist." Schlagartig kamen die Bilder, der toten Kinder wieder in ihm hoch. Er holte krampfhaft Luft, versuchte sich zu beruhigen. "Doko, nicht traurig. Du konnte nicht tun." Lyn kam zu Jacob, streichelte sein Gesicht und
flüsterte ihm ins Ohr. "Sie nicht merkt. Du machst Schlafen." Erschrocken sah Jacob, die kleine Lyn an. "Woher weißt du das?" Lyn zuckt mit den Schultern. "Ich weiß alle, merk jede Schmerz, Doko." "Wie du merkst jedem Schmerz, Lyn?" Fassungslos begriff Jacob auf einmal, dass Lyn deshalb oft geschrien hat. Lyn sah ihn an, legte ihren Kopf schief. Rashida flüsterte. "Ja, Lyn Schmerz merkt." Lyn fing an zu schaukeln. Das erste Mal sprach Rashida von selbst zu Jacob, so als ob sie endlich begriffen hatte, dass er nur helfen wollte. "Nikyta sadfim, pör lözi. Semro sadfim, Doko. – Die Freunde, Schmerzen, sehr krank, du genommen Krankheit, Doko." Lange musste Jacob überlegen, was Rashida ihm sagen wollte. "Oh man, ist das schwer. Rashida helfe mir, ich verstehe es nicht. Nikyta ist der Freund. Sadfim heißt Erkrankung, pör heißt
Mörder, lözi zerstören. Semro heißt beenden. Ich verstehe den Sinn nicht." Beide Mädchen sahen sich lange an. Dann sagte Rashida "Doko, Freunde war krank, viel Schmerz, durch Böses in ihn. Du hast Ende gemacht, mit krank." Jetzt verstand Jacob, was die Mädchen meinten. "Heißt das, die Kinder die ich habe schlafen geschickt habe, hatten schlimme Schmerzen." Beide nickten. "Es war gut sie schlafen zu schicken, damit sie nicht mehr leiden." Lyn ging zu ihrem Doktor, dem Tränen über die Wangen liefen. Sie tröstete ihn. "Sie schlafe, ohne Hunger." Erklärte ihm Lyn. Jacob musste sich beruhigen, stand auf ließ Lyn und ihre Freundin einfach alleine und verließ den Raum der Kinder. Er ging nach oben in seine Wohnung und schmiss sich zum Entsetzen Annas, im Schlafzimmer auf das Bett und weinte. Diese eilte ihm nach. "Fritz, was ist denn
passiert?" Der schüttelte den Kopf, er musste erst einmal mit dem Gehörten, alleine klar kommen. Anna setzte sich auf das Bett, nahm ihren Schatz einfach, wie ein kleines Kind auf den Schoß, streichelte ihm den Rücken. "Komm, beruhige dich erst mal." Fast zehn Minuten brauchte Jacob, bis er sich wieder beruhigt hatte und er endlich wieder klar denken konnte. Traurig sah er in Annas hübsches Gesicht. Seinem Engel mit den wunderschönen schwarzen Haar und den genauso dunklen schwarzen Augen. "Anna, weißt du warum Lyn immer weiß, wenn etwas mit den anderen Kindern ist. Sie leidet auf irgendeine Art mit ihnen. Sie spürt ihre Schmerzen." Immer wieder von Pausen unterbrochen erzählte er ihr, was er gerade erzählt bekam. Anna war entsetzt, vor allem das Lyn gespürt haben musste, wie Jacob die Kinder einschläferte. "Anna, es ist ein Wunder, dass sie mich noch mag. Ich muss noch mal runter zu ihr,
ich musste mich nur beruhigen." Jacob stand und ließ Anna einfach auf dem Bett zurück. Er lief nach unten zu den Kindern und nach hinten zu Lyn und Rashida. "Tut mir leid ihr zwei. Ich musste das erst einmal begreifen", entschuldigte er sich bei den Mädchen. Lyn nickte, Rashida jedoch schien ihn nicht verstanden zu haben. Nach einer Weile nickte auch sie, als wenn sie erst über die Worte nachdenken musste. "Lyn, kannst du mir etwas erklären?" Lyn zuckte mit den Schultern. Jacob aber lächelte über sich selber. Klar sie wusste noch gar nicht bei was. Er hatte ja noch gar nicht gesagt, was er wollte. "Lyn, haben die Kinder immer noch Hunger?" Lyn sah Jacob fragend an. "Warum?" "Lyn, du sagtest. Sie schlafen ohne Hunger." Jetzt verstand sie, was Jacob meint. Lyn suchte wie so oft nach Worten, aber ihr fielen nicht die richtigen Worte ein. Deshalb zeichnete mit ihren
Händen ein Viereck, dann mit den Fingern einen Kreis. Einige Male wiederholte sie das, plötzlich begriff Jacob, was Lyn meinte. "Du meinst den Inkubator." Sein kleines Mädchen bestätigte seine Gedanken. "Im Idkato, Hunger hab, viel Schmerz. War müd." Versuchte sie zu erklären. Jacob wurde klar, was ihm das Mädchen erklären wollte. "Lyn, In ku ba tor, heißt dieses Gerät, in dem ihr aufgewachsen seid. Hast du auch Hunger gehabt?" Lyn nickte. "Rashida du auch." Diese schüttelte den Kopf. Wieder machte er eine Entdeckung, die ihm das Rätsel der Fehlentwicklung erklärte, er stellte bei allen Kindern eine Unterernährung fest. "Aber jetzt habt ihr keinen Hunger mehr? Oder doch?" Rashida sah auf ihre Hände. Kaum hörbar antwortete sie. "Immer Hunger." Lyn streichelte Rashida. "Doko, viel Große immer Hunger." Jacob sah verzweifelt zu den Mädchen. "Warum
sagt ihr uns das nicht?" Beide sahen verlegen aus. "Weiß nicht, sagen." Versuchte sie zu erklären. "Lyn ihr müsst uns das sagen. Passt auf. Ihr wachst so schnell. Wir wissen nicht, wie viel ihr zu essen braucht." Fragend sah er die beiden an. "Habt ihr das verstanden. Kommt wir machen das anders. Sagt allen, sie sollen an den Tisch kommen." Sofort stand Jacob auf und lief zum Tisch, zog sich einen Stuhl heran, setzte sich an den Tisch. "Lyn, kommt. Alle hierher." Jacob klopfte auf den Tisch. Lyn verließ das Bett zog einfach alle heraus, nach und nach verließ alle ihre Betten, setzten sich zu Jacob an den Tisch. "Lyn, kannst du bitte zu mir kommen", bat er sein kleines Mädchen zu sich. Als alle saßen, eröffnet Jacob ihre erste Besprechung, der im Laufe der Zeit noch viel folgen würden. "Hört bitte mal alle zu. Wer etwas nicht versteht, fragt bitte." Fragend sah er sich um, da alle
Kinder nickten, fuhr er fort. "Lyn, hat mir gerade gesagt, dass viele von euch hungern, stimmt das?" Fast alle Kinder nicken. "Warum sagt ihr uns das nicht?" Jacob raufte sich verzweifelt die Haare, drehte sich nach Alma um, die gerade wieder ins Zimmer kam. "Alma, du macht jetzt allen noch einen Brei bitte. Sagen wir dreihundert Gramm. Erika, Sara, Undine, Rosi ihr helft ihr. Es kann doch nicht sein, das unsere Kinder hungern müssen. Beeilt euch." Jacob wandte sich wieder zu den Kindern. "Kinder, ihr müsst nicht hungern. Nikyta sumrei. Aber ihr müsst mit mir reden. Doko dy. Der Hunger macht euch krank. Sumrei ondor. Versteht ihr?" Jacob sah Lyn an. "Habe ich es richtig übersetzt?" Diese nickte und lehnte sich an ihren Freund. "Bitte ihr müsst mit mir reden. Doko dy. Ich kann euch doch sonst nicht helfen." Wieder sah er alle an, die Kinder schienen alles zu verstehen. "Morgen früh,
kommen Männer und bauen die Gatter ab." Jacob zeigte auf eines der Gitter. "Es tut uns leid, keiner wollte euch einsperren." Wieder wartete er ab, ob alle nickten. "Ihr seid so schnell groß geworden. Die Gatter waren als Schutz gedacht, damit ihr nicht aus dem Bett fallt. Versteht ihr." Wieder nickten alle. "Keiner wollte euch einsperren." Jetzt bekamen schon die ersten Kinder, ihren Brei. Ungläubig sahen diese Jacob an. "Esst bitte, keiner soll hungern. Nicht solange ich das verhindern kann." Die größten von ihnen machen sich hungrig über den Brei her, auch Rashida griff freudig zum Löffel. "Bitte wenn ihr Hunger habt, geht zu den Schwestern und sagt es ihnen. Nikyta sumrei, dika dy." Alle nickten, erleichtert atmete Jacob auf. "So ist es gut." Einer der größten Jungs, Nummer 23, war schon fast einhundert fünfunddreißig Zentimeter groß, dunkelhäutig mit feuerrotem Haar und silbrig
blauen Augen, sprach als einer der ersten "Söndoko. Danke Doko", sprach er zum Erstaunen Jacobs in beiden Sprachen. "Für was bedankst du dich? Sagst du mir deinen Namen?" Lange sah 23 erst Lyn und dann Rashida an. Beide schienen in der Gruppe das Sagen zu haben. "Weil nicht sein, wie andere, Doko." Nach einer kleinen Pause, in der er auch all die Anderen ansah, alle nickten. Setzt er noch nach. "Jaan." "Die euch schlecht behandelt haben, hat der Oberstleutnant heute ausgeschimpft. Er war richtig böse. Keiner darf so mit euch umgehen. Nicht so lange ich es verhindern kann. Du heißt Jaan?", erkundigte Jacob. Der Bub nickte und schob seinen leeren Teller weg. "Jaan, bist du satt?" Dieser nickt nochmals. "Hat noch jemand Hunger von euch?" Doch alle schienen satt zu sein, einige hatten ihren Brei nicht einmal aufgegessen. Jacob drehte sich zu den Schwestern um.
"Kommt ihr bitte mal alle her." Sofort kamen die fünf Schwestern an den Tisch. "Kinder, ihr kennt doch alle diese Schwestern. Sind die lieb zu Euch?" Alle nickten. "Also wenn ihr Hunger habt. Sagt den Schwestern das. Nikyta sumrei, dika dy. Die machen euch einen Brei. Oder Schwestern?", alle Fünf bestätigten es. "Versprochen?" Die Schwestern nickten, obwohl Jacob eigentlich die Kinder gemeint hatte. Aber auch diese zeigten, dass sie verstanden hatten. "Jetzt noch etwas. Ihr könnt euch hier im Raum frei bewegen. Ihr müsst nicht in euren Betten sitzen bleiben. Aber bitte rennt hier drinnen nicht herum. Rennen in der Turnhalle." Jacob sah alle an, bekam noch ein Nicken. "So, dann wünsche ich euch eine Gute Nacht, bis morgen." Jacob stand mit Lyn auf und setzte das Mädchen auf den Stuhl. "Bitte, es ist jetzt gleich 19 Uhr 30 legt euch hin und schlaft. Gute
Nacht." Sofort erhoben sich die Kinder, gingen in ihr Bett, um zu schlafen. Jacob lief vor zu Doris, die gerade in den Raum gekommen war, um ihre Abendrunde zu machen. "Doris bitte, ich habe gerade den Kindern noch einen Brei machen lassen. Die mussten schon wieder hungern. Ich habe den Kindern gerade erklärt, wenn jemand Hunger hat, soll er zu euch kommen es einfach sagen, dann bekommt er etwas nach. Es werden die Mengen von allen Kindern, in die Krankenblätter eingeschrieben. Gebe das bitte an die anderen Schichten weiter. Wie viel diese essen wollen, damit wir hier mal heraus bekommen, wie viel Nahrung die Kleinen wirklich brauchen. Mit dem Hungern muss endlich einmal Schluss sein." Doris sah Jacob erschrocken an, wollte gerade antworten, als das Telefon klingelte. Jacob ging an den Apparat. "6/blau, Jacob", meldete er sich.
Am anderen Ende der Leitung war Zolger. "Fritz, woher wusstest du, dass Ilka vergiftet wurden ist. Entschuldige, dass es so lange gedauert hat. Ich bat Walli darum, mir von Ilka eine Urinprobe zu geben, um die Werte abzustimmen. Ich war erschrocken. Ich fand schon im Blut eine erhöhte Dosis Digitoxin-Philo, im Urin fand ich eine noch höhere Dosis. Du hast ihr das doch nicht etwa gespritzt. Es ist ein Wunder, dass die Kleine noch lebt. Soll ich Mayer selber anrufen oder willst du es ihm beibringen? Wer immer das getan hat, wollte Ilka töten." Jacob musste sich setzten. "Ich glaub das jetzt nicht." Es dauerte einige Augenblicke bis Jacob weitersprechen konnte. "Lyn, hat mich vorhin darauf aufmerksam gemacht. Wie immer die Kleine das herausbekommen hat, sie muss es irgendwie geschafft haben diesen Wert zu senken. Ich rede gleich noch einmal mit ihr. Ich
gehe es dann selber Sigmar sagen. Der flippt glaube ich aus. Danke Walter, bitte behalte das für dich." "Geht klar Fritz", antwortet Zolger. Jacob beendete das Gespräch und stand auf, um noch einmal zu Lyn zu gehen. "Lyn, bitte du musst mir noch einmal helfen." Lyn setzte sich hin, sah zu Jacob hoch, auch Rashida richtete sich noch einmal auf. "Mäuschen, woher wusstest du, dass man Ilka vergiftet hat?" Lyn zuckte mit den Schultern, zeigt auf ihre Augen. "Andus. – Augen sehen", sagte sie nur. "Deine Augen sehen das, aber wie?" Lyn antwortet nicht, stand auf zeigte nach vorn. Jacob erhob sich ebenfalls, ergriff Lyn´s Hand und lief mir ihr nach vorn. Dort holte sich Lyn einen Zettel und einen Stift. Immer noch kam sie damit nicht richtig klar. Doch zeichnete sie zwei Striche auf das Papier, dann dort hinein kleine Kreise. Drehte das Blatt
um macht das gleiche noch einmal, aber zu den kleinen Kreisen, zeichnet sie jetzt noch größere. "Doko, kein Wort. Das in dir." Damit zeigte sie auf das Bild mit den kleinen Kreisen. Dann drehte sie das Blatt. "Das in Ilka. Augen sehen." Jacob verstand nicht genau, was Lyn meinte, hockte sich vor das Mädchen. "Ich verstehe dich nicht, Lyn." Verzweifelt sah diese Jacob an, weil sie es nicht erklären konnte. Plötzlich kam ihr eine Idee, sie drehte sich um, ging an den Labortisch und nahm eine Spritze, kam damit zu Jacob zurück. Sie deutet an, als wenn sie diese in den Arm stechen würde. Dann zog sie am Kolben der Spritz. Da begriff Jacob, und zeigte auf die kleinen Kreise. "Das ist Blut?" Lyn nickte. "But." Versuchte sie nachzusprechen. "Lyn, Bl ut. Aber, was ist das?" Lyn zuckte mit den Schultern. "Böse, macht Ilka krank", antwortet diese.
Jetzt verstand Jacob endlich. "Lyn, du kannst sehen ob das Blut in Ordnung ist?" Lyn nickte, kopfschüttelnd sah Jacob die Kleine an. "Andus. – Augen sehen." Jacob verstand, was sie meinte. "Wenn du dich konzentrierst, sehen es deine Augen. Aber, warum hat Ilka so geschrien." Lyn ging um Jacob herum, drückte gegen die Wirbelsäule, dann etwa zehn Zentimeter rechts und links daneben. Dann zeigte sie bei sich, auf die rechte Seite unterhalb des Rippenbogens. "Raiko. – Dort Böses." Jacob begriff, was seine Kleine meinte. "Die Leber und die Nieren waren böse. Du hast das Gift in die Leber und die Nieren geschickt." Fragend sah Lyn ihren Doktor an. Der ging zu einem Regal, in dem ein Anatomiebuch lag, holte dieses heraus und klappte die Seite auf, wo die Abbildungen der
inneren Organe waren. Lyn zeigte ihm erst die Leber, dann die Nieren und wiederholte. "Raiko. - Dort Böses."" Jacob verstand sie. "Lyn, das war gut. Du hast Ilka das Leben gerettet. Danke meine Kleine." Er nahm sein Mädchen auf den Arm. Diese schielte sehnsüchtig nach dem Buch. "Möchtest du das Buch haben?" Lyn sah Jacob an, dann nach hinten zu Rashida, verlegen zuckte sie mit den Schultern, dann nickte sie. Jacob setzte Lyn auf den Boden und reichte ihr das Buch. "Du musst dich nicht schämen. Nimm es mit, wenn du es nicht mehr brauchst, bringst du es wieder hier vor. Einverstanden? Möchtest du das Buch später noch einmal ansehen, sagst du es einfach den Schwestern." Lyn nickte, freudig nahm sie das Buch in die Hand. "Dann geh schlafen meine Kleine. Es ist schon spät. Das Buch kannst du mit hinter nehmen.
Ich muss noch einmal nach Ilka sehen. Also bis morgen Früh. Schlaf schön." Lyn lief mit dem Buch im Arm nach hinten in ihr Bett. Jacob verließ den Raum, um hoch zu Mayer zu gehen. Dieser musste wissen, das Ilka in Gefahr war. Kurz nach 20 Uhr klingelte Jacob bei den Mayers an der Tür. Walli öffnete sofort. "Guten Abend Herr Doktor, mit Ilka ist alles in Ordnung", erklärte sie während sie zur Seite ging, um Jacob eintreten zu lassen. "Walli, ist Sigmar da?" Diese zeigte in Richtung Büro. Jacob wollte erst noch einmal nach seiner kleinen Patientin sehen. "Guten Abend Ilka, wie geht es dir?" Ilka strahlte übers ganze Gesicht. "Onkel Fritz, guck mal." Schon hielt sie ihm ihre Hände hin. Öffnete und schloss diese. "Das Mädchen hat meine Hände ganz gemacht. Schau mal." Ilka stand wackelnd vom Sofa auf. Jacob konnte nicht glauben, was er da sah. Er
selber diagnostizierte bei Ilka eine unheilbare Form von Infantile Zerebralparese, einer Frühkindlichen Schädigung des Gehirnes, die durch Sauerstoffmangel bei der Geburt hervorgerufen wurde. Es lag ein seltene Form von Bilaterale Hemiplegie vor, einer spastische Lähmung aller vier Extremitäten, die besonders die Arme betraf. Fasziniert sah Jacob zu Ilka. "Das gibt es doch nicht." Er schaute Walli fasziniert an. Die ging lächelnd auf Ilka zu und blieb zwei Schritte vor ihr stehen. "Komm zu mir, Ilka", forderte sie ihre kleine Patientin auf. Ilka bewegte sich steif vorwärts, sie konnte unsicher tapsen. Fassungslos, musste sich Jacob erst einmal setzen. Immer neue Rätsel, gab ihm diese Lyn auf. "Das geht doch gar nicht", sagte Jacob noch einmal. "Doch Onkel Fritz, seit heute Nachmittag, als ich aufgewacht bin, geht das", berichtete ihm
Ilka voller Stolz. Jacob hatte sich wieder gefasst und stand auf, ging zu seiner kleinen Patientin. "Komm setze dich bitte einmal, Ilka. Ich möchte dich genau untersuchen." Der Arzt nahm seine Tasche öffnete diese und begann Ilka aufs Genauste zu untersuchen. Aber es war alles wieder in Ordnung. Zwar würde Ilka nie so laufen können, wie andere Kinder, aber eine faszinierende Verbesserung hatte Lyn erreicht. In einigen Monaten würde sich Ilka in der Wohnung zu mindestens, ohne Rollstuhl bewegen können. "Walli du machst sofort folgendes. Du setzt dich bitte mit der Hauptverwaltung zusammen. Wir brauchen für Ilka unbedingt ein Muskelaufbautraining. Wenn nötig auch einen Therapeuten. Dann kann sie sich wenigstens hier in der Wohnung, irgendwann ohne Rollstuhl bewegen." Walli war begeistert, über die Anweisungen
Jacobs. "Herr Doktor, ich habe mir schon einige Übungen ausgedacht, die ich gezielt in der nächsten Zeit mit Ilka machen kann. Ich habe doch auf der Geschlossenen gearbeitet, da mussten wir das auch auf diese Weise, mit unseren Patienten arbeiten, um diese zu fördern. Ich konsultiere aber noch einen Bekannten, der ist Bewegungstherapeut. Ich habe mich mit dem Oberstleutnant unterhalten, der darf für vierzehn Tage herkommen und mir die neusten Techniken zeigen", informierte Walli dem Chefarzt. "Ilka, hör zu Prinzessin. Ich freue mich riesig, für dich. Bitte mache dir keine falschen Hoffnungen, nicht das du dann enttäuscht bist. Erwarte nicht zu viel. Du wirst vielleicht niemals so laufen können, wie andere Kinder. Aber ich denke jeder noch so kleine Fortschritt ist besser, als das was wir bis jetzt haben oder?" Ilka verstand mit ihren elf Jahren mehr als Jacob
dachte und war nach dazu, ein schlaues Mädchen. Durch die jahrelange Krankheit, wusste sie, dass es nur besser werden konnte und man ihre Krankheit nicht heilen konnte. "Ja ich weiß Onkel Fritz. Aber es ist trotzdem schöner wie es jetzt ist. Ich kann einen Stift halten, ohne dass es weh tut. Dann kann ich besser Hausaufgaben machen. Darf ich mich bei dem Mädchen bedanken?" Zärtlich streichelte Jacob das Gesicht von dem Mädchen, nahm sie glücklich in die Arme. "Ilka, wir werden sehen. Bitte übertreibe nicht gleich, sei vorsichtig. Wir werden sehen, ob ich Lyn überreden kann, noch einmal zu dir zu kommen. Nach dem was Reimund mit ihr gemacht hat, bin ich mir da nicht so sicher. Warten wir ab, ich frage sie." Ilka lächelte dankbar Jacob an. "So, jetzt muss ich noch zu deinem Vati. Ach sag mal Ilka, weißt du wer dir eine Spritze gegeben hat." Jacob zeigte auf ihren Arm. "Doktor Martin, hat mir Blut abgenommen, für
eine Untersuchung, bevor ich krank geworden bin. Du hast ihn doch darum gebeten. Aber gespritzt hat mir keiner etwas." Jacob sah ungläubig zu Ilka. "Ilka, bist du dir da sicher? Dass dir Doktor Martin nichts gespritzt hat?" Ilka zog ihren Mund schief, wie sie es immer macht, wenn sie scharf nachdachte. "Onkel Fritz, ich weiß es nicht. Ich mach doch immer die Augen ganz fest zu, damit ich die Spritze nicht sehe. Du weißt doch, dass ich Angst vor Spritzen habe. Wenn ich sie nicht sehe, habe ich auch keine Angst." Erklärte sie Jacob. Dieser wuschelte Ilka über den Kopf. "Na du erst noch, also hast du gar nicht sehen können, ob er dir etwas gespritzt hat." Ilka bestätigte ihm das. "Onkel Fritz, wie soll ich etwas sehen, wenn ich die Augen ganz fest zu habe." Sie kniff die Augen fest zusammen und zeigte sie Jacob, wie fest sie die Augen zumachte.
Jacob musste lache. "Ja klar, dann siehst du natürlich nichts. Das glaube ich dir. Also ich komm gleich noch einmal. Bis später." Jacob ging in Richtung von Mayers Büro, klopfte an und trat nach Aufforderung ein. "Guten Abend Sigmar. Kann ich dich bitte kurz stören? Ich habe eine Hiobsbotschaft für dich und möchte das lieber selber mit dir zu klären", fiel dieser gleich mit der Tür ins Haus. Jacob brachte das Gespräch lieber gleich auf den Punkt. Er wollte es hinter sich haben. Er vermutete, dass Mayer gleich ausrasten würde. Wenn es um seine Tochter ging, wurde Mayer zum Löwen, der sein Junges beschützte. Weil er ahnte, dass Mayer gleich völlig aus dem Anzug springen würde. Jacob hatte zur Vorsicht seine Arzttasche mitgebracht, um im Notfall gleich reagieren zu können. "Setzt dich Fritz, gebe mir noch einen Minute."
Fritz Jacob stellte seine Arzttasche vor den Schreibtisch, setzte sich auf den Stuhl davor. Mayer schrieb den Bericht noch fertig und legte den Stift zur Seite. "So Fritz, jetzt habe ich Zeit für dich." Jacob holte tief Luft. "Sigmar, jemand hat versucht deine Tochter zu töten. Das weiß ich seit einer knappen Stunde. Deshalb wollte ich, dass man Ilka Blut abnimmt. Lyn, hat es mir versucht zu erklären. Von deiner Tochter weiß ich, dass Doktor Martin ihr Blut abgenommen hat. Angeblich in meinem Auftrag. Nur habe ich ihm niemals so einen Auftrag gegeben. Doktor Martin, kann das nicht besonders gut. Der würde nicht mal eine Vene treffen, wenn sie einen Durchmesser von einem halben Meter hätte. Ich mache das lieber selber bei Ilka oder schicke Walli. Vor allem, weil ich weiß was Ilka für feine Venen hat." Mayer starrte Jacob an. "Fritz, das ist jetzt nicht dein Ernst."
"Doch Sigmar. Walter rief mich vorhin an, teilte mir die Testergebnisse mit. Auf deine Tochter wurde ein Mordanschlag verübt. Sie bekam eine große Dosis Digitoxin-Philo gespritzt. Da Martin der einzige außer mir war, der vor der Erkrankung mit Ilka engen Kontakt hatte, kann nur er es gewesen sein. Es sei denn du verdächtigst mich." Fassungslos sah Mayer den Arzt an. "Warum will jemand meine Tochter töten?" Er konnte es nicht begreifen. Jacob zuckte mit den Schultern. "Vielleicht, weil man das Projekt immer noch sabotieren will. Ich weiß es nicht, Sigmar. Bei den anderen Kindern, hat man es auch schon versucht." Jacob konnte nichts anderes sagen. "Nicht nur bei den Kindern", rutschte es Mayer jetzt leise raus. Mayer griff zum Telefon und rief Hunsinger an. "Franz, hier ist Sigmar noch einmal", meldet
dieser sich. "Was ist Sigmar? Gleich zwei Anrufe an einem Tag. Das muss ja ein Großbrand bei dir sein." Mayer raufte sich die Haare. "Franz, ich will dich nur davon unterrichten, dass jetzt der dritte Mordversuch hier im Projekt stattgefunden hat. Jemand hat versucht Ilka zu töten. Ich weiß nicht mehr weiter. Wie soll ich die Leute hier beschützen, wenn ihr mir hier Leute herschickt, die nicht vertrauenswürdig sind." Leise und ganz ruhig sprach Mayer, zur Verwunderung Jacobs. Der mit allem, aber nicht damit gerechnet hatte. "Sigmar, ich kümmere mich darum, dass alle Leute noch einmal überprüft werden. Hast du einen Verdacht?" "Doktor Martin." "Geht klar, ich schicke dir einen Flieger, der holt ihn ab zur Vernehmung. Sage ihm er soll zu einer Schulung in die Zentrale." Mayer war einverstanden. "Geht klar Franz", er
legte auf und sah fassungslos zu Jacob. "Dieses verdammte Schwein soll froh sein, dass ich ihn nicht verhören muss. Weil er sich dann warm anziehen müsste, Fritz. Ich glaube ich drehe gleich durch." Jacob sah sein Gegenüber an. "Sigmar, das nutzt doch nichts. Ilka ist gesund. Dank Lyn, besser als davor. Wenn du jetzt jemanden kurz und klein schlägst, nutzt das doch niemanden." Mayer atmete schwer, versuchte sich zu beruhigen. "Ich weiß, deshalb versuche ich ja ruhig zu bleiben." "Sag mal Sigmar du sagtest, drei Anschläge. Auf wenn noch?" Jetzt winkte Mayer ab. "Komm raus mit der Sprache, Sigmar." "Fritz, auf dich hat man schon zwei Anschläge verübt. Was denkst du, warum wir dich nicht mehr alleine lassen. Warum wir ständig versuchen, dich mit jemanden…" Mayer hörte mitten im Satz auf zu sprechen. Man sieht, dass ihn etwas beschäftigte. Plötzlich stand er auf
und ging zu seinen Aktenschrank. Ihm wurde schlagartig etwas bewusst. Zielsicher holte eine Akte hervor, begann in dieser zu lesen. "Wie auf mich?", wollte Jacob wissen. Mayer hielt eine Hand hoch, schüttelte den Kopf und schlug sich dann an den Kopf. Ihm war plötzlich alles in einem klaren Licht erschienen. Auf einmal hielt er das Ende des Fadens in der Hand und das verwirrte Knäul von Indizien, dass er seit Wochen in der Hand hielt, ergab einen Sinn. Erleichtert atmete er auf und sah seinen Chefarzt ernst an. "Fritz, ich brauche kurz deine Hilfe. Kannst du bitte auf mein Spiel eingehen?" Jacob sah Mayer verwundert an, weil er dessen Verhalten gerade nicht verstand. Dann zuckte er mit den Schultern. Der Projektleiter ging zum Schreibtisch und schmiss die Akte wütend auf den Tisch. Als nächstes griff er zum Telefon, wählte eine Nummer. "Leutnant Müller, ist Chris Martin
da? Könnten sie ihn bitte mal hoch in mein Büro schicken?", bat er einen seiner Untergeben. "Jawohl Genosse Oberstleutnant", hörte man deutlich die Antwort. Mayer legte auf. "Fritz, was kannst du spritzen, das etwas schmerzt aber nicht schädlich ist." Verwundert sah der Chefarzt Mayer an. Für so etwas würde er sich nie hergeben. "Nichts was man spritz ist unschädlich, Sigmar. Ich bin Arzt und kein Folterknecht", aus Jacobs Verwunderung wurde Wut. "Was soll das?" "Verdammt, ich will ihm nur Angst machen, mehr nicht." Immer noch wütend sah der Chefarzt seinen Vorgesetzten an. Plötzlich verstand Jacob, was dieser meinte. "Gar nichts. Luft das weiß jedes Kind zu injizieren, ist tödlich. Das reicht als Angstmacher. Aber da musst du dir jemand anderen holen. Mit mir machst du solche Spielchen nicht. Dazu bin ich nicht bereit." Mayer nickte, war aber tief in seinen Gedanken
versunken. "Hast ja Recht, Fritz. Ich bin glaube ich gerade nicht zurechnungsfähig und kann nicht klar denken. So wütend wie ich bin." Jacob nickte, denn das hatte er gerade gemerkt. Er versuchte Mayer etwas abzulenken, indem er nach harkte. "Sigmar, du hast mir meine Frage, noch nicht beantwortet. Wie auf mich wurden zwei Anschläge gemacht." "Fritz, du hast keine Suizidversuche unternommen, das wurde mir sofort klar, als ich dein Labor sah. Dieses Labor wurde systematisch zerstört. Du hast vielleicht aus Wut deinen Tisch abgeräumt, aber doch nicht die Bücher aus deinen Regalen genommen und zerrissen. Auch würdest du niemals, die teure Ausrüstung, auf die du so stolz bist zerstören. Dann das Spritzen von einem Mittel, was du nachweisbar nirgends hast", Mayer blickte ernst zu seinem Freund. "Vor allem Fritz, beide Male wurdest du nach gespritzt, du hattest jedes Mal, zwei Einstiche und große Hämatome am Arm.
Anderson erklärte mir, dass du gut spritzen kannst. Ich habe vor einer Stunde, den Bericht der Spurensicherung bekommen. Es waren Mordanschläge, nur wissen wir noch nicht von wem. Aber ich denke jetzt weiß ich, wer es war. Martin. Ilka hatte vor acht Tagen auch ein großes Hämatom am Arm, das wurde mir gerade bewusst. Doktor Martins Bruder arbeitet in der Sicherheitszentrale, er wohnt bei ihm in der Wohnung. So hatte er die Möglichkeit an eine Generalkarte zu kommen. Er konnte sich so ständig Zutritt zu allen Räumen verschaffen. Chris Martin, besitzt nämlich als einer der wenigen, einer dieser Karten." Jetzt wurde Jacob bewusst, wie Mayer darauf kam. Wollte gerade etwas darauf sagen, als er unterbrochen wurde. In gleichen Moment, als Jacob zum Sprechen ansetzte, schellte es an der Tür. Mayer stand auf, um zu öffnen. Chris Martin betrat zusammen mit Mayer das Büro. "Guten Abend Herr Doktor. Ich hoffe es
geht ihnen wieder gut." Begrüßt er Jacob, freundlich wie immer. "Danke Chris, mir ging es nie besser." Antwortet dieser sarkastisch. Eigentlich ging es ihm im Moment gar nicht gut, ihm war einfach nur schlecht und er war unsagbar wütend. Die ganzen Wochen schon, grübelte er darüber nach ob er verrückt wurde oder ob er anfing durchzudrehen? Jetzt sagte ihm Mayer, dass er das nicht war. Eigentlich müsste er erleichtert sein. Es kam allerdings eine unsagbare Wut in ihm hoch. Dass man ihn so lange im Ungewissen gelassen hatte. Mayer zeigte auf einen Stuhl am Tisch. "Setze dich Chris." Chris Martin setzte sich auf den zugewiesenen Platz. "Hab ich etwas falsch gemacht, Sigmar. Ich bin mir keiner Schuld bewusst." Erklärte er Mayer sofort, offen wie es seine Art war. Sah dabei dem Oberstleutnant ins Gesicht. Die ganzen Monate hatte Chris Martin nie Ärger
gemacht, ging es Mayer durch den Kopf, während er Martin intensive musterte. Er war stets zuverlässig, hilfsbereit, zuvorkommend. So viele Jahre kannte er Martin jetzt. Mayer war sich darüber im Klaren, dass er sich nicht so in einem Menschen täuschen konnte. Es gab da noch einen Punkt den er übersehen hatte. Gerade deshalb, weil es über Chris Martin, nie von irgendeiner Seite eine Beschwerden gab. Chris Martin beschwerte sich allerdings einige Male im Dienst, über seinen schlampigen Bruder, den Arzt. Dass er es schon zigmal bereut hatte, dass er vor einem viertel Jahr nach oben zu ihm gezogen zu sein. Es wäre wie zu Hause, da hätte er auch immer hinter ihn her räumen müssen. Aber sonst gab es nie Auffälligkeiten oder Ärger mit ihm. "Chris, wir zwei sind immer gut mit einander ausgekommen. Eine Frage an dich. Hast du jemanden deine Generalkarte gegeben?" Chris schüttelte den Kopf. "Nein Sigmar, das
darf ich doch nicht. Ich hüte sie wie mein Augapfel, trage sie immer bei mir", er druckste kurz herum, weil ihm etwas einfiel. "Ich habe sie vor einigen Wochen einmal gesucht, da war sie kurz verschwunden, aber das waren nur zwanzig Minuten. Ich bin den Weg den ich gelaufen bin, noch einmal abgelaufen, weil ich dachte, dass vielleicht Band zerrissen wäre." Verlegen sah er Mayer an. "Dann kam ich hoch, in die Wohnung meines Bruders, du weißt ja ich war ein paar Tage vorher zum ihm gezogen, da lag sie auf dem Sofa. Deshalb habe ich es nicht gemeldet. Na ja, eigentlich war sie nicht zu sehen. Sie steckte in der Sofaritze, nur das Band war noch zu sehen. Wahrscheinlich habe ich sie deshalb nicht gleich gesehen. Aber ich habe mir nichts dabei gedacht." Entschuldigte er sich und versuchte zu erklären, wie das passiert sein konnte. "Aber, wenn du mich jetzt so fragst, war das schon eigenartig. Weil ich die Karte, eigentlich nur zum Duschen abmache. Nicht
einmal zum Schlafen, sonst habe ich sie immer umhängen, privat unterm T-Shirt." Er überlegte kurz, dann sah er entschuldigend zu Mayer. "Tut mir leid Sigmar, du weißt ich achte sehr auf diese Sachen. Nur war das der Tag, an dem die Techniker da waren. Ich war abends so fertig, ich weiß einfach nicht mehr was ich an dem Abend alles gemacht habe. Ob ich sie abgelegt habe. Ich habe schon geschlafen, als ich die Wohnung betreten habe. Ich glaube ich bin gerade noch, bis zum Sofa gekommen. Warum?", erklärte Chris Martin offen, wie es seine Art war. Genauso kannte Mayer, seinen Untergebenen. Er sah Chris Martin ebenfalls offen an. "Erst noch einmal eine andere Frage. Hast du deine Karte noch einmal vermisst." Chris Martin schüttelte den Kopf. "Nein Sigmar", antwortet er genauso offen. "Weißt du noch, wo du am 14. März warst. Vor allem, wo deine Karte war, Chris."
Der Angesprochen überlegte kurz und wurde wütend. "Und ob ich weiß wo ich da war. Meine Karte hing vermutlich um meinen Hals, wie jeden Tag. Warum?", fragte er nun noch einmal. "Chris, wieso vermutlich?" "Sigmar, das war der Tag an dem ich den Zusammenstoß mit März hatte. Kannst du dich daran erinnern? Der Typ hatte mir fünf Rippen gebrochen. Doktor Anderson, hat mich verarztet und mir was gegen die Schmerzen gegeben." Mayer erinnerte sich plötzlich. "Du hast recht Chris, ich erinnere mich. Aber wieso weißt du nicht wo deine Karte war?" Entschuldigend sah Chris Martin, zu Mayer. "Aber das was Anderson mir gespritzt hat, half nicht richtig. Ich lag jammernd im Bett, bekam kaum Luft. Ich hätte schreien können vor Schmerzen. Wäre ich nur auf der Krankenstation geblieben. Aber Peter meinte ich hätte ja meinen persönlichen Leibarzt. Dieser Idiot." Martin
zuckte verlegen mit den Schultern. "Peter gab mir eine Spritze, damit ich besser Luft bekomme, noch eine gegen die Schmerzen. Dann habe ich zwei Tage durchgeschlafen. Als ich aufgewacht bin, hing die Karte um meinen Hals, wie immer. Aber ...", wütend sah er zu Jacob, erklärte diesen. "... dieser Depp ist zu blöd zum Spritzen, echt mal. Hat mir den ganzen Arm zerstochen. Hinterher hat mir eine Woche der Arm weh getan. Es war alles grün und blau." Dabei schüttelte er den Kopf. Da er sich über sich selber ärgerte. "Hätte ich nur nach Anderson geschickt, der hätte mir auch etwas gegeben. Aber Peter meinte, du hast deinen privaten Arzt oder traust du deinem Bruder nicht. Also hab ich ihn das machen lassen." Chris Martin sah seinen Chef jetzt völlig irritiert an. "Was ist denn eigentlich los Sigmar?", wollte er nun doch endlich wissen. "Tja Chris, da haben wir jetzt wohl ein Problem, dass dir nicht gefallen wird. Aber ich werde
Peter jetzt festnehmen lassen. Das was du mir hier erzählst, rechtfertigt das auf alle Fälle. Jetzt eine andere Frage, weißt du ob dein Bruder viel mit März und Richter zusammengehangen war?" Wieder einmal nickte Chris Martin. "Ja, die drei waren befreundet, haben viel zusammen in ihrer Freizeit gemacht. Aber Peter hat auch mit Anderson viel gemacht oder mit mir." Immer stärker kam auch Jacob der Verdacht, dass Chris Martin nichts mit der Sache zu tun hatte. Von seinem Bruder nur ausgetrickst wurde. "Sigmar, darf ich Chris auch etwas fragen?" Dieser nickte. "Chris, wir beide haben uns doch immer gut verstanden. Hat dein Bruder mal etwas gesagt, dass er mich nicht leiden kann? Vor allem, dass er mit dem Projekt nicht klar kam?" Verlegen sah Chris auf seine Füße, zu den er jetzt sprach. Er schämte sich für das, was er jetzt sagen musste. "Herr Doktor, er ist mein
Bruder. Aber er ist auch manchmal ein richtiges Arschloch. Wissen sie, der war immer neidisch, weil sie mehr Ansehen hatten wie er. Er meinte einmal, eigentlich hätte ihm der Chefarztstuhl zugestanden. Nicht so einem Weichei wie ihnen. ´tschuldigung, das sind seine Worte, nicht meine." Chris Martin war es richtig gehend peinlich. "Aber er ist auch auf Anderson neidisch gewesen. Peter hat Anderson immer als Zöpfchen tituliert, klein und schmierig. Gerade groß genug, um in den Arsch zu passen. Aber so war er schon immer. Peter hat sich nie sehr angestrengt, wollte aber immer der Beste sein." Traurig sah er von seinen Füßen hoch, dem Chefarzt ins Gesicht. "Mich hat er immer als Versager bezeichnet. Weil ich nicht wie er, in Vaters Fußstapfen getreten bin und Medizin studiert habe. Dabei war Vater immer stolz auf mich, weil ich meinen eigenen Weg gegangen bin. Ich hätte als Mediziner nie wirklich etwas erreicht. Ich bin ein guter Sanitäter, aber mehr
ist da nicht drin. Peter zog mich ständig auf, weil ich noch nicht Oberstleutnant bin, sondern nur ein lumpiger arschkriechender Leutnant. So hat er mich immer bezeichnet. Er schätzt sich immer zu hoch ein. Aber trotzdem ist und bleibt er mein Bruder. Die Kinder hat er immer als Missgeburten bezeichnet, die es nicht wert sind geboren zu werden. Als ich ihn fragte, wieso er dann hier ist? Meinte er das Geld würde stimmen. Geldgieriger Sack", wütend schaute er zu Mayer. Mayer stand auf. Er ging um den Schreibtisch herum und blieb vor seinem Wachmann stehen. "Chris, du bist der loyalste Mensch den ich kenne. Du bist alles aber keiner Versager. Bleibe immer so wie du bist. Es tut mir leid. Aber jetzt endlich weiß ich, wer schon zweimal versucht hat, unseren Chefarzt zu töten. Vor allem, wer versucht hat meine Tochter zu töten." Chris Martin, gab ein erschrockenes Stöhnen von sich, sah Mayer, dann Jacob entsetzt an.
Entschlossen zog er seinen Overall auf hängte seine Generalkarte ab, hielt sie Mayer hin. "Bitte nicht. Das kann er mir doch nicht antun. Mit meiner Karte. Sigmar ich will, dass du die Generalkarte zurück nimmst, bei mir ist sie nicht in guten Händen", bat diesen er sofort. Ihm wurde bewusst, dass er diese ermöglicht hatte. Mayer jedoch schüttelte den Kopf. "Chris, du behältst die Karte, du hast sie nicht missbraucht. Damit konnte keiner rechnen, nicht mal du. Wenn man schon seiner Familie nicht mehr trauen kann, wem denn dann?." Völlig fertig stützte Chris Martin den Kopf auf die Hände, schüttelte den Kopf. "Tut mir leid Herr Doktor, ich habe es nicht gewusst. Der kann was erleben." Mayer griff jetzt durch. "Chris, du wirst gar nichts machen, sondern überlässt das mir. Ich werde, so leid es mir tut, deinen Bruder jetzt festnehmen und nach Berlin überführen lassen.
Damit man hier wieder in Sicherheit ist. Bitte Chris sag mir, weißt du wer mit deinen Bruder noch viel zusammen war?" Chris Martin überlegte kurz, sah Mayer ins Gesicht. "Reimund war, wenn er Zeit hatte, in der Gruppe viel dabei. Ansonsten war da niemand mehr." Dann fiel ihm noch etwas ein. "Doch Sigmar, einige der neuen Betreuer, sitzen jetzt oft mit Peter zusammen. Der hat ja niemanden mehr, außer Reimund. Der hat ja aber selten Zeit." Mayer nickte, das war im bewusst. Er selber hatte Reimund beauftragt, sich dieser Gruppe anzuschließen. Damit er März, den er schon lange Zeit verdächtigte das Projekt zu sabotieren, besser unter Kontrolle hatte. Chris Martin erzählte die Wahrheit. "Chris, du bleibst hier oben in meiner Wohnung, bis ich dir die Erlaubnis gebe diese zu verlassen. Du telefonierst nicht, gehst nicht an die Tür, hältst dich die gesamte Zeit bedeckt. Du bist mir für
Ilkas, Wallis und Jacobs Gesundheit und Wohlergehen verantwortlich. Wenn den Dreien etwas passiert, bringe ich dich persönlich um." Ernst mit eiskalter Stimme, sagte er das zu Chris Martin, blickte ihm dabei fest in die Augen. "Sigmar, du müsstest eigentlich wissen, dass du mir vertrauen kannst. Wir kennen uns schon so lange, wir haben schon so viele Kämpfe zusammen gekämpft. Ich habe immer die Wahrheit gesagt und dir immer beigestanden. Ich würde nie zulassen, dass jemanden etwas geschieht." Mayer nickte, so kannte er seinen langjährigen Teamkollegen, mit dem er schon viel erlebt hatte. "Dann ist es in Ordnung." Nochmals ging er zum Telefon, ruft in der Zentrale an. "Hier Mayer, stiller Alarm, Sicherheitsstufe rot. Peter Martins Karte wird gesperrt für alle Bereiche. Wo hält dieser sich zurzeit auf?", machte er klare Ansagen und wollte vom Diensthabenden
genaue Informationen. "In seiner Wohnung Genosse Oberstleutnant", bekam Mayer sofort zur Antwort. "Fenster, Türen, Wäscheschacht sofort versiegeln. Telefone sperren. Eine Einheit nach Haus 5 und zwar sofort", kamen kurze, konkrete Anweisungen. "Volle Bewaffnung, Schutzkleidung. In fünf Minuten, also dalli. Ihr kommt alle über die Gangway, nicht über den Park." Damit legte Mayer auf. "Fritz, du bleibst bitte auch hier in meiner Wohnung. Ich möchte nicht, dass du zwischen die Fronten gerätst. Die Festnahmen von März und Richter, waren schwer und wir hatten starke Gegenwehr, die verlieren alles." Ernst sah er Jacob an. "Geht klar, aber mache bitte hin, mein Zeitplan ist sowieso heute schon total zur Minna. Ich muss sonst die ganze Nacht durcharbeiten." Sagte er grinsend, klopfte Mayer dabei auf die Schulter. Dieser verließ den Raum und sorgte dafür dass
ein gesuchter dreifacher Mörder festgesetzt wurde. Nach einer Stunde konnte Jacob aber auch Chris Martin, der völlig fertig mit den Nerven war, die Wohnung von Mayer wieder verlassen. Immer wieder entschuldigte sich Chris Martin bei Jacob. "Herr Doktor, es tut mir so leid. Wirklich, ich habe das nicht mal geahnt, dass mein Bruder so weit gehen würde." Jacob glaubte ihm das gerne. "Chris, machen sie sich nicht so verrückt. Sie können doch nichts dafür, dass er ihr Bruder ist. Keiner konnte mit so etwas rechnen. Auch sie nicht. Wichtig ist nur, dass sie immer die Wahrheit gesagt haben. Sie haben meinen vollen Respekt. Bleiben sie sich immer selber treu. Das ist das Wichtigste. Egal, was ihr Bruder sagt, sie sind ein feiner Kerl." Jacob klopfte Chris Martin auf die Schulter und ging nach hinten zum Haus 6, um noch einmal nach seinen Kindern zu sehen.
Es war jetzt schon kurz nach 23 Uhr 30. Als er das Kinderzimmer betrat, ging er als erstes zu seiner Anna und gab ihr einen Kuss. "Wir beide müssen morgen früh, ein ernstes Wort miteinander reden", schimpfte er lächelnd mit ihr. "Was hab ich angestellt?", wollte Anna wissen. Jacob schüttelte den Kopf. "Nichts, das machen wir morgen. Ist hier alles in Ordnung?" Anna zuckte mit den Schultern. "Nummer 23, kam vorhin fragen, ob er noch einen Brei haben darf, ich habe ihm und Rashida noch einmal 200 Gramm gemacht, beide waren unruhig und haben nicht geschlafen. Nummer 23 allerdings, stand auf kam zu mir. Bei Rashida kam Lyn, die scheint sich nicht getraut zu haben. Lyn machte mich vor einer halbe Stunde darauf aufmerksam, das Nummer 46 irgendwas hat. Ich wollte dich anrufen. Konnte dich aber nirgends erreichen.
Keiner wusste wo du steckst. Kannst du bitte mal ihr sehen?" Jacob nickte und ging nach hinten zu 46, dass kleine Mädchen lag zusammen gerollt in ihren Bett. Sie schien tüchtige Schmerzen zu haben. "Sere Nikyta mako? Wie geht es dir Mädchen, wo hast du Probleme?" Ganz ängstlich sah die Kleine, Jacob an. "Kannst du mir zeigen wo?" "Doko, huna, ondor halikon? – Doko, im Bauch, Schmerz soll aufhören." "Ich soll machen, dass die Schmerzen in deinem Bauch aufhören?" Die Kleine nickte. "Darf ich dich untersuchen?" Ängstlich sah das Mädchen Jacob an, dann nickte sie. "Ich bin vorsichtig." Versuchte Jacob sie zu beruhigen und öffnete den Overall. Was er da sah erschreckte ihn sichtbar. "Um Himmels Willen." Stöhnte er fassungslos auf. Jacob starrte auf den Bauch des Mädchens, das
ängstlich von ihm weg kroch. "Wer war das?" Das Mädchen schüttelte den Kopf. Anna durch den erschrockenen Ruf von Jacob, auf ein Problem aufmerksam geworden, kam sofort heran. "Brauchst du meine Hilfe, Fritz?" Jacob befahl. "Hole mir sofort Mayer. Sofort." Er war völlig ungehalten und vergriff sich im Ton. Sanft versuchte Jacob auf das kleine Mädchen einzureden, damit sie wieder zu ihm kam. Die Kleine zog sich immer mehr von Jacob zurück. Sie hatte regelrecht Angst vor ihm. Jacob stand auf, wie immer wenn er an eines der Kinder gar nicht heran kam, holte er sich Lyn zu Hilfe. Auch wenn er sie wieder einmal wecken musste. Das hier duldete keinen Aufschub. "Lyn, frido, Nikyta drö. Lyn wache auf, ich brauche deine Hilfe, mein Mädchen." Fast sofort war Lyn munter und sah Jacob fragend an. "Lyn, bitte du musst mir bei 46 helfen. Sie hat Angst vor mir. Ich komme nicht an sie heran. Ich muss ihr aber helfen." Lyn nickte und rieb sich müde
die Augen, stand aber sofort auf und wollte zu Nummer 46 gehen. "Nehme dein Tuch mit, ich muss Licht anmachen." Lyn zog sich ihr Tuch auf die Stirn. In diesem Moment ging schon vorn das Licht an. "Fritz, was ist, ich habe keine Zeit." Genervt teilte Mayer, das Jacob mit. "Sigmar, ich würde dich nicht holen, wenn es nicht wichtig wäre. Ich muss dir etwas zeigen. Ich glaube ich spinne." Vorsichtig setzte sich Jacob zu 46 ins Bett, um diese nicht noch mehr zu verschrecken. "Bitte Mädchen, ich möchte das dem Oberstleutnant nur zeigen. So etwas darf man mit euch nicht machen. Lyn, bitte hilf mir." Lyn ging zu dem Mädchen, flüsterte ihr etwas ins Ohr. Dann nickte sie zu Jacob, der hielt dem Mädchen die Arme hin. Mühsam erhob die Kleine sich, kam gekrümmt vor Schmerzen zu Jacob in die Arme. Jacob zog das Mädchen auf seinen Schoss. Diese
lehnte sich vor Schmerzen still vor sich hin weinend, an dessen Schulter. Jacob machte den Overall wieder auf, um Mayer wie auch Anna zu zeigen, was los war. Beide erschraken als sie den Bauch von 46 sahen. Der gesamte Bauchraum war Blutunterlaufen, dunkelblau, fast schwarz verfärbt. Mayer hockte sich vor Jacob, der das Mädchen auf seinen Schoß sitzend in den Armen hielt und versuchte es zu beruhigen. "Wer war das?" Fragt Mayer ganz leise. Nummer 46 guckte Lyn ängstlich an. Diese antwortet statt des Mädchens. "Nicht sage. Sonst töte." Antwortete Lyn ängstlich. "Wer will euch töten?" Mayer sah entsetzt zu Lyn. Dem Mädchen der seine Ilka erst kürzlich gesund gemacht hatte. "Lyn, nicht alle Menschen sind böse. Bitte sage mir, wer das war. Dann werde ich dafür sorgen, dass er das nie wieder macht." Versprach er Lyn. Diese schüttelte ängstlich den Kopf.
Jacob zu den Lyn das meiste Vertrauen hat, versuchte es noch einmal. "Lyn, wenn ihr mir das nicht sagt, kann ich euch doch nicht beschützen." Ernst sah er das kleine Mädchen an. "Bitte, du musst mir das nicht jetzt sagen. Erst einmal nehme ich 46 mit hoch auf die Krankenstation. Aber wir müssen wissen, wer das war. Sonst passiert das immer wieder." Jacob erhob sich mit dem kleinen Mädchen im Arm. "Anna, du holst Doris und Moni. Dich und Doris brauche ich oben auf der 6/rot und Moni übernimmt die Nachtwache." Schon stand er mit 46 auf dem Arm auf und wollte in Richtung Tür. Jacob überlegte es sich kurz anders und drehte sich noch einmal um. "Lyn, bitte komme mit, sonst hat 46 noch mehr Angst." Er hielt Lyn die Hand hin, wartete bis diese angefasst hat und ging zur Tür. "Sigmar, ich sage dir Bescheid, wenn ich etwas heraus finde. Ich
glaube heute ist nicht mein Tag." Schon war er mit Lyn und 46 im Aufzug verschwunden. Auf der 6/rot, der Krankenstadion des Kinderbereiches, angekommen und setzte er 46 auf ein Bett. Im Anschluss hob er Lyn darauf. "Legt euch bitte hin, damit ihr nicht herunterfallt." Jacob holte eine Röntgenplatte, legte sie in den Apparat ein, bereitete so alles für das Röntgen vor. Bevor er diese Aufnahme nicht hatte, konnte er nicht sagen ob die Kleine, innere Verletzungen davon getragen hatte. Schon hörte er den Aufzug, mit dem Doris und Anna hochkamen. "Bitte, ihr müsst mir jetzt helfen, ich muss 46 röntgen. Ich habe keine Ahnung, wie ich das den Kindern erklären soll." Anna nickte und ging auf Lyn zu. "Lyn, du vertraust mir doch." Lyn nickte. "Deine Freundin hat Schmerzen, es gibt einen Apparat, dort können wir in dem Bauch sehen, was kaputt ist. Verstehst du?"
Lyn sah verunsichert zu ihr. "Weh tut?" Anna wackelte mit dem Kopf. "Lyn, ich weiß nicht ob das bei euch weh tut, es ist ja vieles anders, als bei uns. Bei uns tut es nicht weh." Da nickte Lyn, sah ihre Freundin an. Zeigte auf Anna, dann nickte sie ihr zu. "Da bleib", sagt Lyn mit fester Stimme. Anna verstand was sie meinte, nahm das eine Kind auf den einen Arm, Lyn auf den anderen. Schwer bepackt mit zwei Kindern kam sie nach hinten in den Röntgenraum. Jacob kam Anna entgegen und nahm ihr 46 ab. "Lyn, das Mädchen, hat es auch einen Namen?" Wieder sah Lyn das Mädchen an, diese nickte leicht. "Ana", gab sie zur Antwort. "Was ist Lyn?", fragt Anna, weil sie dachte Lyn will etwas von ihr. Lyn schüttelte den Kopf. Zeigte auf Anna. "An na." Sagte sie deutlich, dann auf das Mädchen. "A na."
Jetzt verstanden es die beiden. "Ach so." Anna lächelte verlegen. Jacob setzte die Kleine, die sichtbar Schmerzen hatte, auf den Röntgentisch. "Ana, kannst du alles verstehen, was ich zu dir sage?" Ana nickte. "Wir legen dich jetzt hin, damit wir ein Bild von deinem Bauch malen können. Du musst ganz still liegen, dann sind wir schnell fertig. Hast du das verstanden?" Ana antwortete. "Liege. Bild." Jacob sah sie fragend an. "Soll Lyn bei dir bleiben?" Wieder erfolgte ein kurzes Nicken. "Dann kommt, ich mache mir Sorgen." Anna setzte Lyn mit auf den Röntgentisch, hängte ihr eine Röntgenschürze um. Ana bekam eine kleine Schutzmatte auf ihren Unterleib gelegt. Auch Jacob bekommt einen Röntgenschutz umgehängt, da er bei den Kindern
bleiben wollte. Als man Ana richtig hinlegen wollte, fing diese still an zu weinen, vor Schmerzen. Deshalb zog Jacob seinen Kittel aus und rollte diesen zusammen. Er schob diese Rolle Ana unter die Kniekehlen, so dass die Beine angewinkelt waren. So hatte das Mädchen nicht so schlimme Schmerzen. Er bekam so zwar kein Hundert prozentiges Bild, aber es musste reichen. "Jetzt ganz still liegen", gab er Ana die Anweisung. Es ertönt ein Summen. "Das war es schon. Doris, bitte beeile dich mit der Entwicklung des Bildes. Kommt ihr Zwei." Entgeistert sahen die Mädchen Jacob an. "Liege. Bild?", erkundigte Lyn sich jetzt, die nicht begriff, dass sie schon fertig waren. "Wir sind fertig. Hat es weh getan." Ana schüttelte den Kopf. Zehn Minuten später, kam Doris mit der Röntgenaufnahme des Bauches. "Oh, mein Gott. Es ist ein Wunder das die
Kleine nicht schreit wie am Spieß. Lyn, komm bitte mal. Anna du bereitest den OP vor und machst Ana fertig" Jacob nahm erst einmal Lyn auf den Arm, die sehr an Medizin interessiert war. "Sieh mal Lyn, das ist der Bauch von Ana. Huna Ana. Da siehst du den schwarzen Fleck." Weiter kam Jacob nicht. "Blut", erklärte ihm Lyn. Erstaunt sah Jacob sein kleines Mädchen an. "Ja, das ist Blut." Lyn zeigte auf den Wasserhahn. Jacob ging hin, Lyn drehte den Wasserhahn auf und ließ das Wasser laufen. Dann zeigte sie auf das Wasser und erklärte ihm. "Blut." Dann machte sie eine Bewegung, die dem Wasser folgt. " Sliu. – tropft." "Das heißt fließen." Lyn sah Jacob traurig an. "Sit, sliu huna. – Blut fließt in den Bauch", erklärt Lyn Jacob. Zeigte auf ihre Augen und schüttelte den Kopf. "Du kannst ihr nicht helfen."
Jetzt nickte Lyn wieder. "Ich weiß meine kleine. Aber ich kann ihr helfen. Anna bringt dich nach unten, dann helfe ich Ana. Das verspreche ich dir. Sage ihr sie muss keine Angst haben." Lyn sieht Ana an. "Doko, bionde. Wopurm krisin. - Doktor, macht gut gehen. Nicht geschehen, nichts erschrecken." Jacob verstand nicht genau, was Lyn erzählte und sah diese fragend an, deshalb übersetzte diese für ihn. "Doko macht wohlfühle, nichts passiere, nicht erschrecke." Er gab Lyn einen Kuss. "Danke. Anna bringe Lyn nach unten. Bleibe bei Lyn, ich komme nach unten, wenn ich fertig bin. Doris ist der OP fertig." Ohne eine Antwort abzuwarten ging sich Jacob umziehen und für die OP vorbereiten. Jacob war nicht wohl bei der Sache. Er hatte keinerlei Erfahrungen, mit Narkotika bei diesen Kindern. Deren gesamte Physiologie, so ganz
anders war als die von normalen Kindern. Er musste versuchen aus der normalen Kinderheilkunde die Narkose abzuleiten und hoffen, dass diese wirkte. Vorsichtig nahm das Mädchen auf den Arm und trug sie in den OP. Stach eine Kanüle in die Vene, um ein Narkosemittel zu spritzen. Zum Glück wirkte die Narkose schnell und Ana schlief schnell ein, vorsichtig öffnete er deren Bauch. Führte die entsprechenden Handgriffe durch, um die geplatzte Arterie zu verschließen. Saugte das im Bauchraum befindliche Blut ab, spülte und säubert den Operationsbereich. Fast drei Stunden benötigt er, um die schweren inneren Verletzungen von Ana zu beseitigen. Das Mädchen musste mehrere schwere, mit wahnsinniger Gewalt ausgeführte Schläge, abbekommen haben. Diese hatte eine ausgeprägte Bauchmuskulatur, die bei einer Anspannung, diese Verletzungen verhindert hätten. Der Schlag musste Ana, also vollkommen
ungeschützt getroffen haben. "Wer hat dir das nur angetan, kleine Ana?", fragte Jacob wiederholt, während der OP. Kurz nach 3 Uhr in der Früh, konnte Jacob seine kleine Patientin, beruhigt in eines der Krankenbetten legen. Noch eine halbe Stunde brauchte Ana ehe sie wieder aufwachte. Erleichtert sah sie den Arzt an. "Mön, Doko. – Danke Doko.", sagte Ana leise, als sie munter wurde. "Ana, bitte bleibe liegen, nicht aufstehen. Verstehst du?" Ana rieb sich die Augen. "Dann schlafe mal schön Ana." Diese schloss die Augen. "Doris, organisierst du bitte eine Ablösung für dich. Rundumbewachung von Ana, bis wir denjenigen haben, der die Kleine so zugerichtet hat." Doris ging zum Telefon, rief Alma an. "Alma, kommst du bitte auf die 6/rot, ich habe eine Sonderschicht für dich." Dann rief Doris in der Sicherheitszentrale an.
"Zentrale, Major Martin." "Schwester Doris am Apparat. Chris sei bitte so gut. Sperre alle Karten für die 6/rot außer Alma, Doktor Jacob, Mayer, Anna und meiner. Station 6/rot ist Sicherheitsbereich der höchsten Stufe, bis auf Widerruf. Kein anderer hat Zugang zu der Station. Anweisung vom Chefarzt. Bitte stellen sie den Alarm auf lautlos. Bei Auslösung habt ihr drei Minuten, um hier zu erscheinen." "Mache ich sofort, Schwester Doris." Jacob der Ana noch einmal untersucht hat, war mit den Vitalwerten zufrieden. "Doris, ich lasse sie jetzt alleine, der Alarm ist an. Klingle sofort, wenn etwas ist." Doris bestätigte es durch ein Nicken. "Ich gehe nach unten zu Lyn, um ihr Bescheid zu sagen und um nach dem Rechten zu sehen." "Geht klar Herr Doktor, ich passe auf die Kleine auf." Schon verschwand Jacob im Aufzug, fuhr nach
unten auf die 6/blau, um im Raum der Kinder nach dem Rechten zu sehen. Ohne sich umzusehen, lief Jacob sofort nach hinten zu Anna und Lyn. "Alles in Ordnung mit dir Lyn." Anna schüttelte am ganzen Körper zitternd den Kopf, hält die kleine Lyn in den Armen. Erst jetzt sah Jacob, dass fast alle Kinder wach waren, ängstlich auf Anna und Lyn sahen. "Lyn, hat bis vor zehn Minuten geschrien wie am Spieß. Als wenn sie die gesamte OP mitbekommen hätte." Irritiert sah sich Jacob um. "Wie geschrien?" Anna kann nicht antworten, sie hält zitternd Lyn an ihre Brust gedrückt, die ohnmächtig zu sein scheint. Jacob, nahm Anna das Mädchen aus dem Arm. Legte diese auf das Bett, um sie zu untersuchen. Langsam kam Lyn wieder zu sich. Leise flüsterte sie. "Doko, semro? – Doko, ist es zu Ende?" Entsetzt sah Jacob, in das von Schmerz
verzehrte Gesicht Lyn. "Was ist zu Ende? Lyn, ondor? – Hast du Schmerzen Lyn?", wollte er wissen. "Doko, semro Ana? – Doko, Ana zu Ende?" Jacob schüttelte den Kopf. "Nein Lyn es ist nicht zu Ende mit Ana. Sie schläft. Aber es war verdammt knapp. Bitte sage mir, wer hat Ana so geschlagen. Er wird es wieder tun. Dann spürst du jedes Mal den Schmerz deiner Freunde. Bitte ich will nicht, dass du leidest." Lyn atmet schwer, stoßweise. Sie scheint immer noch Schmerzen zu haben. Ihre Freundin Rashida saß verängstigt in der Ecke. "Anna hole meine Tasche, bitte schnell." Anna lief sofort los, hoch auf die 6/rot, um die Tasche des Chefarztes zu holen. "Rashida, hilf mir Lyn zu beruhigen bitte." Rashida kam näher, legte sich neben den Arzt, dieser legte Lyn in deren Arme. Langsam normalisiert sich deren Atem, wie immer konnte Rashida das Mädchen beruhigen.
"Lyn, dy. Ondor? Lyn sagt doch etwas, hast du Schmerzen?", kam die besorgte Frage von Jacob. "Semro. – Es ist vorbei." Antwortete Rashida leise. "Was ist vorbei, Rashida? Ich verstehe es nicht, was ist zu Ende?" Ängstlich sah er zu Lyn, fühlte deren Puls der wieder normal ging. Rashida antwortete nicht. Sie atmet gleichmäßig und tief. Schien auf diese Weise Lyn zu zwingen, genauso zu atmen. Endlich kam Anna mit der Tasche angerannt. Jacob nahm das Stethoskop aus der Tasche, um Lyn abzuhören. Das Mädchen war gerade eingeschlafen. Also ließ er sie schlafen. "Rashida, bitte wenn mit Lyn etwas ist. Rufe sofort nach mir, ich bin vorn. Versuche auch etwas zu schlafen. Wir reden morgen." Rashida nickte, schloss nun ebenfalls die Augen. Lange noch saß Jacob bei den Mädchen, hörte auf deren Atmung, doch es schien alles in Ordnung zu sein.
Kurz nach 4 Uhr ging er nach vorn zu Anna, ganz leise sagte er. "Ich geh mal hoch, zu der kleinen Ana. Wenn etwas ist sofort rufen. Ich muss wissen, ob oben alles in Ordnung ist." Schon war er aus dem Raum, fuhr nach oben in die 6/rot, in der Alma ihren Dienst tat. "Alma, ist mit 46 alles in Ordnung, die Kleine nennt sich selber Ana, mit einem N." Alma war angespannt, aber sprach ruhig. "Sie schläft, Puls und Blutdruck sind normal, es scheint keine Nachblutungen zu geben. Herr Doktor auch der Wundfluss ist normal. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Wer tut einem Kind so etwas an, Herr Doktor?" Beunruhigend sah die ältere Schwester den Arzt an. "Alma, ich weiß es nicht. Wir sind alle sprachlos. Bitte rufe nach mir. Ich bin unten auf der 6/blau, wenn etwas sein sollte. Lyn geht es auch nicht sehr gut. Wenn Ana unruhig wird,
rufst du sofort unten an. Doris hat dir erklärt, dass hier niemand rein darf, außer Anna, Mayer, Doris und mir?" "Ja Herr Doktor, wenn jemand anders kommt, soll ich sofort Alarm auslösen." "Dann ruhigen Dienst noch. Bis heute Vormittag, ich komme kurz nach 6 Uhr, noch einmal nach Ana sehen." Schon war der Arzt im Aufzug verschwunden. Kaum im Kinderraum angekommen, sah er nach Lyn. Sein kleines Mädchen und ihre Freundin schliefen jetzt tief und fest. Jacob legte sich einfach in Rashida´s Bett, um wenigstens noch eine Stunde zu schlafen. Um 8 Uhr kamen die Techniker, um die Gatter abzubauen. Dann mussten alle auf, ob ausgeschlafen oder nicht. Der Abbau es lief reibungslos. Die Gatter wurden demontiert, so dass die Kinder sich nie wieder eingesperrt vorkamen. Selbst dieser Beweis, den Jacob erbrachte nutzte nichts mehr. Das vorgefallene stand zwischen den Kindern
und Jacobs Team, wie eine Glaswand. Die Kinder verschlossen sich vollständig. Selbst Lyn sagte kein Wort mehr. Die Lehrer beschwerten sich, dass die Kinder keine Antwort gaben. Alle Arbeiten mussten so gestellt werden, dass die Kinder diese schriftlich beantworten konnten. Die Lehrer waren am verzweifeln, wollten sie durchsetzen, dass die Kinder antworten. Diese mussten Strafrunde für Strafrunde laufen, bekamen zusätzliche Aufgaben verpasst, es nutzte alles nichts. Das angespannte Verhältnis zwischen den Erwachsenen und den Kindern wurde immer mehr verhärtet. Sie bekamen nur eisiges Schweigen. Keines der Kinder, die Anna und Jacob ihren Namen verraten hatten, reagiert noch auf diesen. Es war ein Vertrauensbruch geschehen, der all die Bemühungen von Jacob und sämtliches Vertrauen zerstört hatte. Mayer der Nachforschungen anstellte, bekam auch nichts Schlüssiges heraus. Die Zeit verging wie im Fluge, die Kinder
wuchsen und gediehen. Bereits vierzehn Wochen waren die Kinder alt, hatten die Größe von einem etwa elf jährigen Kind erreicht. Gerade beendeten die Kinder die Grundschule, in einem unvorstellbaren Tempo. Das selbst die Lehrer es nicht fassen konnten. Nur einmal musste man den Kindern ein Thema erklären, schon saß es. Alle Arbeiten, die nach acht Stunden Unterricht geschrieben wurden, fielen stets mit der vollen Punktzahl aus. Egal wie verdreht die Lehrer die Aufgabenstellung stellten, was für Fallen sie einbauten, die Kinder fanden steht’s die richtige Lösung. Es war faszinierend, mit welcher Geschwindigkeit, die Kinder die Schulbücher durcharbeiteten. Die Lehrer hatten nach vier Wochen endlich eine Möglichkeit gefunden, wie sie zügig die Themen abarbeiten konnten. Sie gaben den Kindern, zum Schulschluss ein Buch, mit dem Auftrag diese sollten die Seiten von bis durcharbeiten. Erstaunlicherweise, hatten die Kinder stets das
ganze Buch, am nächsten Morgen durch und konnten zu allen Themen eine Antwort geben. Nur eins bereitete die Lehrern Sorgen, das keins der Kinder sprach. Nie störte jemand den Unterricht, noch war es so, dass sich die Kinder gegenseitig ablenkten. Aber auf keine ihrer Fragen erhielten die Lehrer eine mündliche Antwort. Das Einzige, was die Kinder noch sprachen, war "Ja, Sir." Oder "Nein, Sir." Viele der Lehrer wünschten sich das, für ihre anderen Schulen, in denen Disziplin so oft ein Problem war. Am Sonntag den 24. Mai 1959 hatten die Kinder, seit langem einen Tag frei. Das Arbeitspensum der Kinder war ungeheuerlich. Die Lehrer wie auch die Betreuer arbeiteten in drei Schichten, rund um die Uhr. Es war also etwas besonderes, dass die Kinder einmal frei hatten. Die Betreuer und auch die Lehrer mussten zu einer außerplanmäßigen Besprechung
nach Berlin. Im Institut sollten sie weitere Vorgehensweisen mit den dortigen Mitarbeitern abzusprechen und neue Einweisungen zu bekommen. Sämtliche Planungen die von Seiten der Wissenschaftler gemacht wurden, waren durch die Kinder über den Haufen geschmissen wurden. Die Entwicklung der erst reichlich drei Monate alten Kinder war schon um Meilen über die Erwartungen hinaus geschossen. Um diese Planungen zwischen den Mitarbeitern des Projektes und des Institutes zu koordinieren beschloss man in größeren Abständen diese Besprechungen durchzuführen. Der Chefarzt wurde zu diesen Besprechungen allerdings nicht eingeladen. Jeder im Projekt und auch im Institut wusste, dass dieser sich nur für die Rechte der Kinder einsetzen würde, dies konnte man nicht gebrauchen. Man wollte das Ziel des Projektes nicht aus den Augen verlieren. Die Lehrer und Betreuer, waren dagegen völlig von dem Projektzielen
überzeugt. Früh um 8 Uhr kurz nach seinem Frühstück, ging Jacob nach unten in den Raum der Kinder, in dem wie immer eisiges Schweigen herrschte und lief nach hinten zu Rashida und Lyn. "Ihr Beide kommt zu einer Untersuchung mit. Ich möchte einige Tests mit euch machen. Nehmt eure Bänder mit", gab Jacob den Befehl. Er hat langsam die Nase voll und wollte wissen, warum seine kleinen Mädchen nicht mehr mit ihm sprachen. Beide Mädchen zogen ihre Augenbinden über und folgten Jacob wortlos zum Aufzug. Jacob sah die Mädchen traurig an. Gleich nachdem die Drei, die Krankenstation auf 6/rot betreten hatten, zeigte Jacob auf die dortige Sitzecke, die zum Einnehmen der Mahlzeiten gedacht war. "Setzt euch bitte." Forderte er seine beiden Lieblingskinder auf und setzte beide weit auseinander an, den Tisch mit den zwölf Stühlen. Er ließ sie einfach sitzen und ging
zunächst zum Telefon. "Anna, bist du lieb, bringst du mir bitte eine Kanne Kaffee nach unten, auf die 6/rot und zweimal Brei." "Mach ich sofort, Fritz.", gab diese zur Antwort. "So ihr Zwei, ich muss mit euch reden. So geht das nicht weiter. Wir bleiben jetzt so lange hier sitzen, bis ihr mir gesagt habt, was ich euch getan habe, dass ihr nicht mehr mit mir redet." Jacob sprach ganz leise, aber mit viel unterdrückter Wut. Er lehnte sich auf den Stuhl zurück. Sich auf eine sehr lange Wartezeit einrichtend, verschränkte Jacob seine Arme, über den nicht vorhandenen Bauch und sah abwechselnd zu Lyn und Rashida. Beide diese schwiegen. Nach fünfzehn Minuten erschien Anna mit einem Tablett, auf dem zwei Teller mit Brei standen, einer mit Kuchen und zwei Tassen. Stellte jeden der beiden Mädchen einen Teller vor die Nase. "Lasst es euch schmecken, ihr
Zwei", sagte sie liebe voll, zu den Mädchen. Sofort wollte sie sich zu Jacob an den Tisch setzen. "Anna, bitte gehe wieder hoch. Das ist nicht böse gemeint. Ich möchte erst einmal mit Rashida und Lyn alleine reden. Das hat etwas mit Vertrauen zu tun. Also bitte", traurig sah Anna ihre Kleinen an. Lyn sah Jacob an, dann Anna, dann Rashida und zog ihre die Füße auf den Stuhl, fing an zu schaukeln. Etwas, dass Jacob seit einiger Zeit, bei Lyn beobachtet hatte. Immer, wenn sie unter Druck geriet, nicht mehr weiter wusste. Rashida wollte zu ihrer Freundin. Jacob schüttelte den Kopf. "Nein Rashida, du wirst nicht zu Lyn gehen. Ich will wissen, was hier los ist. Anna, bitte geh und zwar sofort." Böse sah Jacob seine Freundin an. Anna drehte sich wütend um und ging zum Aufzug. Lyn geriet immer mehr unter Druck, wusste
nicht mehr, was sie machen sollte. Sie wollte zu ihrer großen Freundin, die immer lieb zu ihr gewesen war. Aber schon seit Tagen, nicht mehr unten auf der 6/blau Dienst machte. Lyn vermisste Anna, genauso wie Anna ihre kleine Lyn. Jacob wusste sich nicht anders zu helfen. Er verstand seine kleinen Mädchen nicht. Begriff einfach nicht, wieso Lyn ihm die Schuld an der Verletzung von Ana gab. Er hatte das Mädchen gerettet. Seit der OP von Ana, gab es von Seiten der Kinder, keine Reaktion mehr. Rashida sah Lyn an, dann Jacob, bat mit ihrer ganzen Haltung, dass sie zu Lyn gehen durfte. Jacob musste konsequent sein und entschied sich dagegen. So weh es ihm tat, da mussten die Mädchen durch. "Rashida, du kannst sofort zu Lyn, wenn ihr mir sagt, was los ist. Ich bin mir keiner Schuld bewusst, euch etwas getan zu haben. Seit über vier Wochen lasse ich mir euer Schweigen gefallen. Ich dachte wirklich, ihr kommt von
alleine wieder. Jetzt ist das Maß voll. Ich bleibe jetzt mit euch hier so lange sitzen, bis ihr wieder mit mir redet oder es mir aufschreibt. Damit ich endlich weiß, was los ist." Lyn legte den Kopf auf die Knie. Jacob konnte regelrecht ihre Verzweiflung spüren. Es half alles nichts, wenn er jetzt nach gab, wusste er immer noch nicht, was los war. Nach über einer Stunde schweren Kampfes, hob Lyn den Kopf, sah Rashida lange an. Diese nickte ganz wenig. Jacob sah diese minimale Bewegung und registrierte, dass die Mädchen sich absprachen. Ihm war völlig unklar, wie sie das machten. Durch diese Bänder konnte man nichts sehen. Auf der anderen Seite war es aber so, dass die Kinder auch über den Parcours damit liefen. Etwas was für ihn unvorstellbar war. Immer noch nicht war ihm nicht eindeutig klar, wie die Augen der Kinder funktionierten. Er konnte es sich nicht erklären. Langsam war Jacob am Ende seiner Geduld, brüllte jetzt Lyn regelrecht an.
"Verdammt noch mal Lyn, warum redest du nicht mit mir. Sprich endlich." Lyn sah Jacob an und sprach vom Stuhl auf. "Sir, ja, Sir." Dann schwieg sie wieder. "Setze dich Lyn. Was soll das Lyn, bin ich nicht mehr dein Doko? Sprich doch endlich mal." Immer schwerer holte Lyn Luft. Ihr Atem begann zu rasseln. "Sir, sie sind noch unser Doko, Sir. Aber sie haben uns nicht erlaubt zu reden, Sir", die auf einmal Rashida sprach. Sie musste unbedingt zu Lyn um diese zu beruhigen. "Wie, ich habe euch nicht erlaubt zu reden, Rashida?" "Sir, wir müssen immer erst den Befehl abwarten, zu sprechen zu dürfen, Sir. Haben uns die Betreuer gesagt, Sir", erklärte Rashida ganz leise. "Rashida, bei mir dürft ihr reden so viel wie ihr wollt und lasse diesen dummen Sir weg. Ich bin
doch euer Doko. Ich dachte, ich bin euer Freund, oder bin ich das nicht mehr?" Rashida sah Jacob fast zehn Minuten an. Man sah den schweren Kampf den sie mit sich kämpfte. "Sir, doch, Sir. Aber wir wissen nicht mehr, was wir richtig und was wir falsch machen, Sir." Verständnislos blickte Jacob zu Rashida. Die immer wieder zu Lyn sah, die immer noch schaukelnd auf den Stuhl saß und rasselnd nach Luft rang. Jetzt sogar noch anfing nervös mit ihren Fingern zu spielen. "Rashida, wenn ich dich zu Lyn lasse, redest du dann weiter mit mir. Es tut mir so weh, sie so zu sehen." "Sir, ja, Sir." "Dann geh zu ihr. Aber bitte erklärt mir, was los ist. Anna und mich, macht diese Situation fertig. Verstehst du, wir haben euch doch nichts getan. Wir haben euch immer geholfen." Rashida nickte, ging zu ihrer Freundin, nahm
Lyn in die Arme. "Lyn, Doko Asödoah. – Lyn, wir können Doko vertrauen." Jacob nickte bestätigend. "Natürlich könnt ihr mir vertrauen, das wisst ihr doch." Lyn schüttelte wild den Kopf. "Warum könnt ihr mir nicht vertrauen? Bitte erklärt es mir." Rashida zog die sich mit Händen und Füßen wehrende Freundin einfach auf die Füße. Dann geschah etwas, dass Jacob bei den beiden Freundinnen nie für Möglich gehalten hätte. Lyn knurrte ihre Freundin tief grollend an. So dass Jacob erschrocken zurückwich. Die um fast vierzig Zentimeter kleiner Lyn, hatte den Kräften ihrer Freundin nichts entgegenzusetzen. Entschlossen öffnete Rashida deren Overall. Lyn kämpfte verzweifelt dagegen an. Schließlich reichte es ihrer großen Freundin und mit einem gewaltigen Ruck, drehte Rashida Lyn die Arme auf den Rücken und zog diese nach oben. So dass Lyn gebeugt nach vorn stand und sich nicht mehr bewegen konnte, ohne Gefahr zu laufen
sich selber schwer zu verletzen. Mit einer unvorstellbaren Kraft riss Rashida, da sie so Lyn den Overall nicht ausziehen konnten, diesen vom Kragen ab nach unten. Es gab ein gewaltigen Ratsch, mit dem sich eine Bahn Stoff am Rücken entlang öffnete. Kein Ton kam von Lyn, obwohl das bestimmt sehr schmerzhaft gewesen sein musste. Im gleichen Augenblick ließ Rashida die Arme Lyn´s los und nahm das am ganzen Körper zitternde Mädchen in ihre Arme. Lyn stand jetzt mit dem Rücken zu ihrem Doko. Jacob stöhnte auf. Er sah fassungslos auf den Rücken von Lyn. Tiefe entzündete Schnittspuren, waren darauf zu sehen. "Wer hat das gemacht, Lyn?" Diese schüttelte trotzig den Kopf und sagte keinen Ton. "Sir, die Betreuer peitschen Lyn ständig aus, Sir. Weil sie ihnen sagte, dass Ana verletzt war, Sir. Wir dürfen nicht mehr mit ihnen reden, Sir.
Sonst bekommt Lyn wieder Schläge, Sir. Das können wir doch nicht zulassen, Sir." Jacob stierte auf den Rücken von Lyn, konnte sich nicht von diesem qualvollen Bild losreißen. Nach einer Weile, schaute er mit tränennassen Augen zu Rashida. Entschlossen drehte er sich um und wollte zum Telefon geh. Rashida reagierte auf eine Weise, die Jacob überhaupt nicht erahnen konnte. Die durch ihre Größe und Masse schwerfällig wirkende Rashida, entwickelte eine unglaubliche Geschwindigkeit. Ehe Jacob reagieren konnte war diese schon an ihm vorbei am Telefon und riss dieses aus der Wand. "Sir, nein, Sir. Das dürfen sie nicht machen, Sir", schrie sie mit einer entsetzen Stimme, die unsagbare Angst ausdrückte. Etwas, das Jacob bei Rashida noch nie erlebt hatte. Da diese nie Emotionen zeigte. Emotionen zeigte von den Hundert nur Lyn. Jacob kam zurück an den Tisch und ließ sich auf den Stuhl
fallen. Er raufte sich die Haare. "Warum darf ich das nicht? Vor was hast du so eine entsetzliche Angst?" Rashida, setzte sich auf den Stuhl und zog Lyn einfach auf ihren Schoss, um die Freundin zu trösten und vor allem zu beruhigen. "Sir, der Genosse Oberstleutnant hat die Betreuer zwar ausgeschimpft und alle bekamen wohl eine Strafe, Sir. Aber seit dieser Zeit, dürfen wir nicht mehr miteinander sprechen, Sir. Sagen wir unaufgefordert etwas, lachen oder weinen wir, bekommen wir wie Ana Schläge, Sir. Lyn stellt sich oft vor die Anderen. Sie will verhindern, dass man die anderen schlägt, Sir. Sie bekommt dann immer, die gesamte Wut der Betreuer ab, Sir. Wenn sie jetzt den Oberstleutnant anrufen, Sir. Das überlebt Lyn nicht, bitte Sir." Jacob konnte nicht glauben, was Rashida ihm da erzählte. "Aber so geht das nicht Rashida. Wie soll ich euch untersuchen, wenn ihr nicht mit
mir redet?" "Sir, sagen sie uns einfach, das wir sprechen dürfen, Sir. Dann können wir auch reden, Sir. Bekommen dann keinen Ärger, Sir." Versuchte Rashida zu erklären. "Rashida, ich brauche einen Moment. Das muss ich erst einmal verdauen. Kannst du mir bitte noch eine Frage beantworten. Wer von euch ist noch verletzt?" Rashida sah auf ihre Finger, begann genau wie Lyn, damit zu spielen. "Du musst mir nichts mehr sagen. Das habe ich gerade verstanden. Ihr zieht euch bitte beide aus, ich möchte euch untersuchen." Rashida nickte, begann sich zu entkleiden und half Lyn bei dem kaputten Overall. Erschrocken stellte Jacob fest, dass der gesamte Oberkörper von Rashida dunkelblau verfärbt war. An den Armen, den Beinen selbst am Nacken, hat Rashida überall Hämatome. Mehr oder weniger ausgeheilt. Jacob war fassungslos.
Er saß auf seinen Stuhl und starrte wie erstarrt auf die beiden Mädchen an. Immer wieder raufte er sich die Haare. Plötzlich ging ein Ruck durch dessen Körper und er sprang auf. Schon im loslaufen rief er den Mädchen zu. "Ihr wartet einen Moment hier, nicht weglaufen." Im gleichen Moment war Jacob im Aufzug verschwunden. Fünf Minuten später kam Anna, mit Jacob nach unten, um ihn bei den Untersuchungen zu helfen. Wenige Augenblicke später erschienen Alma und Chris Martin. Jacob begrüßte alle und besprach die weiter Vorgehensweise. "Guten Morgen Alma, guten Morgen Chris. Chris, ich habe ein Problem. Ich bin vorhin beim Telefonieren am Telefonkabel hängen geblieben, kannst du es wieder ganz machen? Alma, du holst mir bitte immer zwei Kinder, zum Blut abnehmen nach oben. Anna, du legst Rashida und Lyn ins Bett, für ein vergleichendes Langzeit-EKG. Ich möchte
wissen, wie der Unterschied der Beiden in der Herzfrequenz ist." Chris Martin, sah sich das Telefon in der Zwischenzeit an und schüttelte den Kopf. Als er aufblickte sah er erst einmal erschrocken auf die beiden Mädchen. Welche grün und blau geschlagen aussahen und starrte fassungslos auf Lyn, die am gesamten Körper schwere Schnittwunden aufwies. "Herr Doktor was…" Weiter ließ Jacob, Chris Martin nicht reden. "Nichts ist, das sind Trainingsbedingte Verletzungen", sagte er mit fester Stimme. Sah Chris Martin flehend und mit dem Kopf schüttelnd an. Der begriff, dass der Arzt im Moment nicht gewillt war, darüber zu reden. Aber auch, dass das herausgerissenen Telefon damit zusammenhing. "Herr Doktor, da sind sie nicht hängen geblieben, das glaubt ihnen keiner. Das Kabel ist herausgerissen wurden. Sagen sie lieber sie
haben zu sehr gezogen oder sind gestolpert. Dabei haben sie es herausgerissen", gab er deshalb Jacob zu verstehen. "Danke Chris, können sie es selber reparieren oder müssen wir den Hausmeister informieren?" "Tut mir leid Herr Doktor, die Dose ist völlig kaputt. Da ist nicht nur das Kabel raus gerutscht. Das muss einer von den Fachleuten aus dem Hausmeisterteam machen, da bin ich überfordert. Aber ich sage dort Bescheid. Sie brauchen sich nicht darum zu kümmern." "Danke Chris." Schon verschwand dieser im Aufzug. Alma kam gerade mit den ersten beiden Kindern nach oben. "Danke Alma. Anna bitte sei so lieb hole genügend Spritzen", forderte er seine Freundin auf. "Wer sind die Beiden, Alma?" Wie immer konnte Jacob die Kinder nicht auseinander halten. Viel zu ähnlich sahen sich diese. Es war erstaunlich wie gering die
Unterschiede waren. Nur Haar-, Haut,- und Augenfarbe unterschieden sich. "Herr Doktor, ich dachte ich bringe sie in der Reihenfolge der Geburt, ist das einfachste." Jacob lächelt Alma an, die wie immer mitdachte. "Wer ist Nummer 1?" Das kleinere von beiden Mädchen, trat ängstlich vor. "Bitte zieht euch aus", bat der Arzt die beiden Kinder freundlich lächelnd und wollte ihnen das Gesicht streicheln, beide zogen dieses weg. Anna reichte Jacob eine Spritze. Als sie die Hämatome am Körper von Nummer 1 sah, stöhnte diese auf. Jacob schüttelte ganz vorsichtig den Kopf. Anna begriff, warum er das so macht. "Du musst aufpassen beim Training Nummer 1, dass du nicht so viele Schläge abbekommst. Immer schön die Muskulatur im Bauchbereich anspannen. Sonst kann es zu inneren Blutungen
kommen." Von Seiten der Kinder kam keinerlei Reaktionen. Sie standen kerzengerade da und sahen gerade aus. Nur sobald man in ihre Nähe kam oder mit der Hand eine Bewegung machte, folgten ihre Augen instinktiv den Händen. Ein deutliches Zeichen dafür, dass man die Kinder ständig schlug. Alma, Anna und Jacob waren entsetzt. Jacob tat als ob die Untersuchungen das Normalste der Welt wären und stellte die Kinder unter eine Messlatte und auf die Waage. Genau notierte sich Jacob die Größe das Gewicht, vor allem aber die Art der Verletzungen. Er fotografierte die Kinder von allen Seiten. Nach einander untersuchte er so alle dreiundachtzig Kinder. Penibel hielt alles dokumentarisch fest. Die Nummer 7 aber auch die Nummer 12 den kleinsten und den größte Jungen, legte er ebenfalls in eines der Intensivbetten, um auch von diesen Kindern ein vergleichendes EKG zu machen. Nach vier Stunden, war der
Untersuchungsmarathon vorbei. Rashida und Lyn, wurden genau wie Nummer 7 und 12 noch geröntgt. Erst nahm er die Jungs, dann die beiden Mädchen zum Röntgen. Um die Mittelhandknochen auszumessen, um so die spätere Größe errechnen zu können. So hatte er zum Schluss, wieder die beiden Mädchen allein auf der 6/rot. Jacob versorgte Lyn’s entzündeten Verletzungen, mit Salbe und wollte diese verbinden. Lyn ließ dies allerdings nicht zu. "Lyn, bitte rede mit mir. Ich werde niemanden etwas sagen. Wieso wird keiner von euch ausgepeitscht, nur du? Spreche mit mir meine Kleine." Lyn sah Jacob an, kaum hörbar, sagte sie. "Sir, nein, Sir." "Rashida, dann rede du mit mir, bitte." "Sir, es werden alle ausgepeitscht. Aber Lyn kann das wegmachen, Sir. Aber bei sich selber geht das nicht, Sir." Erschrocken sah der Arzt Rashida an. "Seit
wann geht das so?" "Sir, seit der Versammlung, Sir." Jacob setzte sich auf das Bett von Lyn. "Du willst gar nicht mehr mit mir reden, Lyn?" Lyn schüttelte den Kopf. "Das ist schade, ich dachte ich bin dein Freud, Lyn. Aber es ist nicht schlimm. Vielleicht überlegst du es dir ja mal irgendwann anders. Ich hab dich lieb Lyn. Auch wenn du mir nicht mehr vertraust." Jacob wollte Lyn über das Gesicht streicheln, sein kleines Mädchen zog sofort das Gesicht weg. Alles Vertrauen, dass Jacob aufgebaut hatte, war bei Lyn zerstört. Traurig sah er die Kleine an. "Na, dann kommt, ihr Zwei. Ich bringe euch nach unten in euren Raum, damit ihr auch noch etwas Zeit habt." Jacob stand auf und ging an eins der Regale. Er holte einen neuen Overall heraus und reichte ihn Lyn. Diese zog den neuen Overall an, brachte den kaputten einfach in den Wäscheschacht, den es in jedem Raum gab und warf ihn dort hinein.
Gemeinsam verließ die Drei die 6/rot und gingen zum Fahrstuhl. Jacob gab Anna vor Verlassen der Station noch einige Anweisungen. "Anna, machst du bitte die Röntgenaufnahmen fertig und hängst diese an den Lichtkasten. Dann bringst du alle Blutproben ins Labor." Anna nickte wortlos, sie war den Tränen nah. Völlig verzweifelt sah sie in Lyn´s Richtung, die nicht mal mehr Anna an sich heranließ. Vor allem machten der jungen Krankenschwester die vielen schweren Verletzungen zu schaffen die sie in den letzten Stunden sehen musste. Es war unmenschlich, was die Betreuer mit den Kindern machten. Jacob schloss, kaum dass er das letzte Wort ausgesprochen hatte, die Fahrstuhltür. Schon war man auf den Weg nach unten, auf die 6/blau. Die Drei betraten nichts ahnen den Kinderraum und erschraken. Fassungslos sah Jacob sich um. Alle außer Nummer 56 saßen in ihren Betten. Der Junge saß mit Ilka zusammen
im Gang in der Nähe des Tisches und spielte mit ihr ein Händeklatschspiel. Dies hatte Ilka ihm gerade beigebracht hatte.
Am frühen Morgen des gleichen Tages, saßen Mayer, Reimund und Ilka am Frühstückstisch. Mayer hatte schon den ersten Stress hinter sich gebracht und war froh, dass er endlich einmal saß. Erfreut betrachtete er seine Tochter die wie jeden Tag mit ihm zusammen frühstückte. Ilka die gerade ihre erste Schnitte aufgegessen hatte, sah ihren Vater lieb an. "Vati, du hast mir erzählt, dass die Lehrer heute in Berlin sind. Kann ich mich da nicht endlich bei dieser Lyn bedanken, dass sie mir so geholfen hat. Immer heißt es die Kinder haben keine Zeit. Sie sind im Training oder in der Schule. Aber, wenn heute niemand da ist, dann haben die doch Zeit und sind das nicht." Ilka schaute ihren geliebten Vati an, der ihr selten einen Wunsch abschlug. Der war schon wieder in Zeitdruck. "Ilka, bitte wir reden dann. Kleines ich muss nochmal in die
Flugsicherung. In einer Stunde bin ich wieder da. Dann reden wir. Prinzessin, bitte mache deinen Unterricht, dann sehen wir weiter. Versprochen." Ilka wusste ja, dass wenn Flugtage waren, es immer viel zu tun gab. "Geht klar Vati. Ich muss sowieso mit Reimund, heute einen Test schreiben. Ich bin wieder mal fällig", erklärte sie die Augen verdrehend und sah breit grinsend auf Reimund. Ilkas Betreuer drohte seinem Schützling nicht nur mit der Faust. "Da muss ich mir wohl für dich heute mal besonders böse Fragen ausdenken, Ilka. Das kann doch nicht sein, dass du die Augen so verdrehst. Mein liebes Fräulein." Ilka fing an zu kichern und nahm sich ergebend die Hände hoch. "Ich bin ja schon ganz liebe Reimund", versprach sie auf den Spaß ihres Freundes und Betreuers eingehend. Mayer nickte und stand auf, streichelte seiner
Ilka über den Kopf. Er gab ihr zum Abschied einen Kuss auf die Wange. "Bis später mein Liebling. Sei nicht traurig." Schon war er aus der Küche und man hörte die Tür ins Schloss fallen. Ilka sah Reimund traurig an. Keine halbe Minute später war der Schatten aus ihrem Gesicht verschwunden. Oft genügte ein Lächeln Reimund die momentane Traurigkeit darüber, dass ihr Vater wieder einmal keine Zeit hatte, zu vergessen. Reimund strich seinem Zögling liebevoll über die Wange und zauberte damit ein Lächeln in deren Gesicht. Wie so oft war Ilka glücklich, dass sie ihren Freund bei sich hatte. Durch Reimund konnte sie alles ertragen, denn ihr Freund und Betreuer war immer für sie da. Egal wann sie nach ihm rief und seine Hilfe brauchte. Sie vertraute ihm vollkommen und vor allem, verstand sich sehr gut mit ihm. Er war für sie mehr der große Bruder, als ein Betreuer oder Lehrer. Sie hatten beide viel Spaß zusammen
und so manches Geheimnis. Trotzdem Reimund oft sehr streng mit Ilka war oder gerade deshalb. Es kam am Anfang nicht selten vor, dass Mayer und Reimund sich wegen Ilka heftig stritten. Reimund fand es nicht gut, dass Mayer seine Tochter so sehr verwöhnte. Er war der Meinung, auch wenn die Kleines es sehr schwer hatte, sie trotzdem lernen musste, dass sie nicht immer ihren Willen bekam. Als Reimund vor reichlichen zwei Jahren Ilka kennen lernte, war die Kleine ein verwöhntes und zickiges Kind. Schritt für Schritt lernte Ilka durch Reimund, dass sie auch einmal auf etwas verzichten musste. Mayer vertraute mittlerweilen seinen Betreuer in Sachen Erziehung vollkommen und akzeptierte zu neunzig Prozent dessen Meinung. Obwohl es ihm immer noch schwer fiel seiner Tochter etwas abzuschlagen. Reimund Bär war mit seinen einunddreißig Jahren ein junger Mann der beruflich sehr engagiert war. Dank des von Mayer
aufgestellten Trainingsplanes, hatte er sich in den letzten zwei Jahren von einem zur Fettleibigkeit neigenden Mann, in einen Athlet verwandelt. Reimund war sehr stolz auf sein jetziges Aussehen, denn er war immer das kleine Pummelchen gewesen, über den oft gelacht wurde. Bei einen der ersten Gespräche mit Mayer, hatte er ihm sein Leid geklagt und der hatte ihm Hilfe versprochen. Viele Jahre hatte Reimund darunter gelitten, dass er von seinem Umfeld nicht beachtet wurde und seinen Frust darüber, regelrecht in sich hinein gefressen. Seit dem er aber mit den Mayers zusammen lebte und musste er seine Ernährung vollkommen umstellen. Mayer achtet sehr auf sein Gewicht und aß nur gesunde Sachen. Dies färbte zwangsläufig auf Reimund ab und als sich der erste Erfolg einstellte, begriff dieser schnell wo seine Fehler in der Ernährung lagen. Je mehr auf seine Ernährung achtete, umso mehr veränderte sich sein Körper. Vor allem fing er an intensiv
Sport zu treiben. Durch den jetzt Muskulösen Körper und die Erfolge die er im Sport, er betreibe Judo und Krafttraining, hatte sich endlich auch sein Selbstbewusstsein gestärkt. Reimund ging schon immer in seinem Beruf auf, aber durch sein dazu gewonnenes Selbstbewusstsein, konnte er diesen um vieles besser ausüben. Seine grün-grauen Augen sprühten vor Energie und die Lachfältchen, die sich darum gebildet hatten, zeigten wie gern er lacht. Seit dem sich sein Selbstbewusstsein gestärkt hatte, spielte es für den nur hundertsiebzig Zentimeter großen Reimund keine Rolle mehr, dass er nicht gerade groß war. Im Gegenteil, dadurch war er wesentlich flinker und konnte im Judo in seiner Gewichtsklasse viele Erfolge erringen. Seine strohblonden Haare, hatte er wie Mayer zu einer Bürste geschnitten und trotzdem standen seine Haare oft wirr in alle Himmelsrichtungen. Ilka meinte einmal aus Spaß zu ihrem Vater und ihren Betreuer, als der
Friseur wieder einmal vergeblich versucht Reimunds Haare zu bändigen, diese würden immer so sturzeln, weil sie ihren Lehrer zu viel ärgern würde. Für Reimund war aber diese Stelle im "Projekt Dalinow", die Erfüllung all seiner Träume. Es forderte all sein Wissen und er ging völlig in dieser Tätigkeit auf. Ilka hier zu unterrichten und die Kleine nach seinen Vorstellungen zu formen und das Beste aus ihren Möglichkeiten herauszuholen, bereitet ihm wahnsinnigen Spaß. Auch wenn das körperlich schwerstbehinderte Mädchen, seinen ganzen Einsatz verlangte, liebte er diese wie eine kleine Schwester. Da Ilka auch noch ein sehr kluges Mädchen war, machte seine Arbeit umso mehr Spaß. Denn er konnte seinen Schützling ganz gezielt fördern. Die körperliche Behinderung konnte Ilka durch ihr enormes Wissen später locker kompensieren. Das war Reimunds Ziel und er wurde in seinem Vorhabe von Ilkas Vater unterstützt. Mayer machte für
seine Tochter alles möglich. Reimund selbst kam aus einer Kinderreichen Familie und hatte einen schwerstbehinderten Bruder. Der am Down Syndrom litt. Ihm zu liebe hatte Reimund Pfleger gelernt und im Anschluss noch das Lehramt studiert, um alle Möglichkeiten zu haben ihn zu fördern. Leider verstarb sein Bruder vor zwei Jahren, an seinem seit der Geburt bestehenden schweren Herzfehler. Reimund war damals am Boden zerstört. Kurz darauf bekam er eine Einladung bei den Mayers und ging begeistert auf dessen Vorschlag ein. Privatlehrer und Betreuer für dessen Tochter zu sein war genau das, für was er seine Ausbildungen gemacht hatte. Durch den Tod seines Bruders war er ins Bodenlose gefallen und Mayer fing ihn im richtigen Moment auf. Er gab Reimund wieder ein Ziel. Als er Ilka zum ersten Mal sah, schloss er diese sofort ins Herz. Er beschloss sein ganzes Wissen dafür einzusetzen, diesem kleinen Engel
zu helfen, etwas aus seinem Leben zu machen. Reimund riss sich aus seinen Gedanken und sah zu seinem kleinen Schützling hinüber und strahlte sie an. Ilka ärgerte sich wie so oft, wenn Mayer sich nicht einmal Zeit für ein richtiges Frühstück nahm. Meistens war das die einzige Zeit am Tag, in der sie ihren Vater sah. "Ach Manne ...", grummelte sie in ihren nicht vorhandenen Bart. "... nie hat Vati Zeit. Immer ist er wegen der anderen im Stress. Reimund kannst du nicht mal mit Vati reden, dass er wenigstens zum Frühstück bleibt. Jetzt sehe ich ihn wieder den ganzen Tag nicht." Reimund lächelte sein Pflegekind an. "Ach Ilka, wenn der Vati sagt, dass er in einer Stunde nochmal kommt, dann macht der das auch. Bis jetzt hat er immer gehalten, was er dir versprochen hat. Der Vati ist nun mal hier auf Arbeit, mein Kleines. Das weißt du schon seit zwei Jahren. Wir haben es dir immer wieder erklärt."
Ilka nickte traurig. "Das stimmt schon Reimund. Aber manchmal könnte ich richtig eifersüchtig auf die anderen Kinder werden. Die haben den Vati immer und für mich hat er nie Zeit. Das ist gemein." Reimund streichelte Ilka die Wange. "Du weißt dass du ungerecht bis Ilka. Der Vati ist selten bei den Kindern, das weißt du doch genau." Ilka winkte ab und versuchte an das Brotkörbchen zu kommen. "Gibst du mir bitte noch eine Schnitte. Ich hab noch Hunger", bat diese zu ihrem Betreuer. Reimund reichte Ilka noch eine Scheibe Toast. Seit dem es Ilka besser ging und sie sich ihre Schnitten selber schmieren konnte, aß diese das Doppelte von dem, was sie sonst immer gegessen hatte. Es war immer wieder erstaunlich, welche enormen Fortschritte die Kleine täglich machte. "Sag mal Ilka, isst du noch eine Schnitte, weil
du noch Hunger hast oder nur weil du Spaß daran hast, dir selber eine Schnitte zu schmieren?" Lachend sah er auf seinen Schützling, die in den letzten vier Wochen, um einiges zugenommen hatte. Wenn die Kleine so weiter futterte, würde man sie bald rollen können. Ilka schüttelte den Kopf. "Nein Reimund, ich hab wirklich noch Hunger. Ich weiß auch nicht an was das liegt. Aber ich denke, das hängt irgendwie damit zusammen, dass es nach dem Essen nicht mehr weh tut. Sonst hat mir immer der ganze Bauch weh getan, wenn ich etwas gegessen habe. Das ist jetzt weg und seit dem habe ich immer ganz viel Hunger." Reimund grinste breit, denn er konnte sich vorstellen, dass Ilka hungrig war. So viel wie zurzeit hatte sie sich noch nie bewegen müssen. Sonst saß die Kleine die ganze Zeit still im Rollstuhl. Sie war kaum fähig die einfachsten Bewegungen ohne fremde Hilfe auszuführen.
Jetzt bekam sie Bewegungstherapie, Schwimmen, Krankengymnastik. Trotzdem würde er darauf achten müssen, das Ilka nicht zu dick wurde. In den letzten vier Wochen hat sie schon acht Kilo zugenommen. Aber die standen ihr gut. Richtig kleine Pausbacken hatte sie bekommen und einen kleinen Bauch. Auch die immer viel zu dünnen Arme und Beine bekamen etwas ab. So machte Ilka seit vierzehn Tagen einen richtig gesunden Eindruck. Vor allem waren ihre Fortschritte riesig. In der Wohnung lief sie mit der Hilfe von Reimund, nur für lange Strecken benötigte sie den Rollstuhl. Nach zwei weiteren Schnitten, rieb sich Ilka ihren kleinen Bauch. "So jetzt bin ich satt", meinte sie lachend, schob das Brettchen von sich weg und trank ihre vierte Tasse Kakao aus. Strahlend sah sie Reimund an. "Jetzt kannst du mich testen, ich habe genug gefuttert, um den härtesten Biotest der Welt zu überleben." Reimund schüttelte den Kopf. Seit dem Ilka
etwas laufen und sich so einigermaßen bewegen konnte, hatte sie ein Selbstbewusstsein entwickelt, was enorm war. Sie ging auf Leute zu, die sonst so schüchterne, zurückhaltende Ilka, war ein kleines Strahlemännchen geworden. Es war herzallerliebst, sie anzusehen. "Na dann komm, kleine Professorin. Lass uns sehen, was du gelernt hast. Da bin ich mal neugierig, ob die Schnitten und der Kakao geholfen haben." Reimund räumte den Küchentisch ab. Dann half er Ilka zu ihrem Schreibtisch. Immer noch hatte Ilka nicht die Kraft, diese kurze Strecke ganz alleine zu laufen. Oft war sie noch unsicher auf den Beinen unterwegs, die einfach noch nicht die entsprechende Muskulatur hatten, um das Körpergewicht von Ilka zu trage. Aber das würde sich in den nächsten Wochen noch wesentlich verbessern. Schwester Waltraud war der Meinung, dass Ilka, wenn sie weiterhin so hart trainierte, in einem Jahr ganz normal laufen
würde. Dass sie sogar rennen könnte, alles tun und lassen konnte, was andere Kinder auch taten. Die Fortschritte die Ilka in den letzten vierzehn Tagen gemacht hatte, waren unvorstellbar. Der Bewegungstherapeut der jetzt zwei Wochen mit Ilka trainierte, konnte nicht glauben, was er in so kurzer Zeit erreicht hatte. Die komplette spastische Lähmung war verschwunden, die Bewegungseinschränkungen, die Ilka zu Zeit noch besaß, waren einfach darauf zurückzuführen, dass sie ihre Muskeln noch nie trainieren konnte. Ihr fehlten einfach nur die Kraft und die Feinmotorik. Beides könnte sie in absehbarer Zeit erlernen. Fast täglich machte Ilka riesengroße Fortschritte. Kaum waren die Beiden an Ilkas Schreibtisch angekommen, setzte sich das Mädchen auf ihren Stuhl, Sofort nahm sie Zettel und Stift. "Nun frag mich mal, was schweres, Reimund", dabei sah sie ihren Lehrer an und grinste
herausfordernd. "Na gut dann die erste Frage zum Stoff. Erkläre mir bitte die Photosynthese", stellte Reimund die erste von insgesamt zwanzig Fragen des Bio-Testes. Sofort begann Ilka zu schreiben. Nach fast drei Stunden waren alle Fragen beantwortet und beide konnten eine kleine Pause vertragen. Ilka nahm sich eins ihrer Abenteuerbücher, diesmal war es "Alfons Zitterbacke" und begann etwas zu lesen. Reimund der seinem Schützling diese Entspannung nur zu gern erlaubte, nutzte die Zwischenzeit und wertete den Test aus. Es war kurz vor 12 Uhr, als er die Arbeit des Mädchens durchgesehen hatte. Reimund war mehr als zufrieden mit dem Ergebnis. Einige kleine Fehler hatten sich eingeschlichen, aber nichts Gravierendes. Fast im gleichen Moment, als Reimund den Test mit Ilka auswerten wollte, betrat Mayer wieder die Wohnung. Er sah völlig genervt aus, trotzdem rang er sich ein Lächeln
für seine Tochter ab. "Sorry Prinzessin, aber ich wurde aufgehalten." Ilka sah ihren Vater breit grinsend an. "Das ist doch immer so. Jeder will von meinem armen Vati was. Der kommt nie dazu mit mir Zeit zu verbringen", meinte sie naseweis und gab ihrem Vati einen schmatzenden Kuss. Mayer lachte seine Tochter an. "Ach Prinzessin, du hast es aber auch schwer mit mir. Was hältst du davon, wenn wir jetzt erst einmal Mittag essen gehen. Dann fahren wir auf die 6/blau, damit du endlich zu Lyn kommst." Ilka sah ihren Vati ungläubig an. "Wirklich?" "Sigmar", kam vorwurfsvoll von Reimund, der nicht fassen konnten, was er da hörte. Ilka war überglücklich und konnte kaum glauben, dass sie endlich zu Lyn besuchen durfte. Seit vier Wochen bettelte sie jeden Tag ihren Vati jeden Tag. Fast jedes Mal gab es einen Streit, mit Reimund. Dieser war strikt dagegen, dass Ilka in den Raum der Kinder gehen wollte. Aber
sie war so neugierig auf die anderen Kinder. Endlich war es soweit, sie durfte in den Raum von dem ihr Vati ihr schon so viel erzählt hat. Noch nie war sie dort und hatte die anderen Kinder gesehen. Außer dieser Lyn und die war nicht gerade sehr gesprächig. Vielleicht konnte sie ja mit ein paar von denen ein bisschen spielen. Reimund war ja ganz lieb, aber sie sehnte sich nach einer Freundin mit der sie herumalbern konnte. Oft fehlten ihr andere Kinder. Seit Lyn sie gesund gemacht hatte, noch mehr in der Zeit davor. Da war sie immer froh, dass keine anderen Kinder da waren, die hätten sie sowieso nur gehänselt. Aber wenn sie wirklich irgendwann richtig laufen konnte, dann wäre es doch schön mit den anderen zu spielen. Ging es Ilka, seit einiger Zeit durch den Kopf. Mayer wuschelte seiner Kleinen über den Kopf. "Natürlich meine Prinzessin, sonst würde ich so etwas doch nicht sagen. In der Zentrale haben sie die Ansage bekommen, mich nur im Notfall
zu holen." Erfreut sah Ilka ihren Vati an. "Oh, ist das schön." Mehr bekam sie im Moment nicht raus. "Sigmar, ich finde das nicht gut. Das habe ich dir schon einige Male gesagt. Ich traue diesen Kindern nicht über den Weg. Bitte mache das nicht", bat Reimund jetzt. Mayer sah böse auf Reimund. "Reimund, hatten wir uns nicht darauf geeinigt, dass du nie wieder etwas gegen diese Kinder sagst. Ich verstehe dich einfach nicht. Die haben dir doch nichts getan. Warum bist du so böse mit denen? Verdammt noch mal. Sieh dir unsere Ilka doch mal an. Ohne Lyn hätte meine Prinzessin nie solche Fortschritte gemacht. Ich verstehe einfach nicht, was du hast." Wütend sprach Mayer diese Worte. "Reimund du bist gemein", schimpfte nun auch Ilka. Reimund war aber von seiner Meinung nicht abzubringen. "Diese Kinder bringen nichts als
Unglück. Du wirst das schon eines Tages sehen. Macht doch was ihr wollt. Aber verlange nicht von mir, dass ich da mit runter gehe. Egal, was du sagst Sigmar, gehst du dort runter, dann musst du das alleine tun. Da geht ihr ohne mich hin. Ich werde in die Höhle dieser Monstern keinen Fuß setzen. Niemals in meinem Leben. Das ist mein letztes Wort", wenn Blicke töten könnten, wäre Mayer auf der Stelle tot umgefallen. Wütend setzte Reimund nach. "Von mir aus feuere mich, zu diesen Monstern gehe ich nicht. Für kein Geld der Welt, bekommst du mich dort hin." Reimund ließ sich von seinem Chef in dieser Hinsicht auch nichts befehlen. In unendlich vielen Streitgesprächen, hatte er das Mayer klar gemacht. Er würde seine Meinung über dieses Thema nicht ändern. Er mochte diese Kreaturen nicht und damit war für Reimund Ende der Diskussion. Er ließ seinen Chef einfach stehen und ging aus dem Raum. Egal, was Mayer an Argumenten vorbrachte, nicht vom Gegenteil
überzeugen. Schon einige Male hatte er vorgeschlagen, mit Reimund erst einmal alleine nach unten zu gehen, um die Kinder zu besuchen. Damit dieser erst einmal die Kinder näher kennen lernen konnte. Der Betreuer seiner Tochter, der sonst immer ein netter und hilfsbereiter Mensch war, lehnte dies strikt ab. Mayer gab es auf, zu versuchen den Betreuer seiner Tochter, umzustimmen. Ilka sah traurig zu Reimund, sie verstand nicht was hier vor sich ging. Ihr Freund war unmöglich, wenn es um diese Kinder ging. Stets hatte er nur schlimme Ausdrücke für Lyn und ihre Freunde. Er war ein richtiger Sturkopf in diesem Punkt und für keine Erklärung offen. Also hatte Mayer den Betreuer seiner Tochter von Anfang an schon aus geplant. Er hatte es satt mit diesem zu diskutieren. Außerdem freute er sich auf diese kurze Zeit, die er endlich mal wieder allein mit seiner Tochter verbringen konnte. Mayer holte den Rollstuhl von Ilka und half seiner Tochter
hinein. Gemeinsam mit Reimund fuhren sie nach vorn in die Mensa, um zu Mittag zu essen. Dabei wurde viel gelacht und gescherzt, so wie es dir drei gern machten. Reimund verließ die beiden und ging nach oben in seine Wohnung. Mayer fuhr mit Ilka in den Park und nach einiger Zeit, nach hinten zur Landebahn. Da die Sonne schien und es war richtig warm war machten die beiden einen großen Spaziergang. Vieles erklärte Mayer seiner Tochter nochmals und bereitete sie auf den Besuch der Kinder vor. Mayer selbst wer jedes Mal schockiert wenn er diesen Bereich betrat. Ihm waren genau wie Jacob allerdings die Hände gebunden, er bekam einfach keine Handlungsfreiheit und kein Material, um den Kinderbereich umzugestalten. Die Kinder sollten minimalistisch aufgezogen werden, so dass sie im Kampf nie irgendetwas vermissen würden. Sehr oft und viel erzählte
Mayer seiner Tochter schon von dem Bereich. Das Ilka sich ihre eigenen Vorstellungen machen konnte. Mayer hoffte sehr, dass Ilka keinen zu großen Schock bekam. Denn seine Tochter hatte alles was sich ein Mädchen in ihrem Alter wünschen konnte. Bücher, Puppen, Puppenstube, Kaufmannsladen, jede Art von Teddybären. Ihr Kinderzimmer war das reinste Spielzeug-Geschäft. Seine Kleine musste durch ihre Krankheit auf so vieles verzichten, dass Mayer einfach versuchte ihr so jeden Wunsch zu erfüllen. Auch wenn er wusste, dass dies nicht richtig war. Gerade deshalb hatte Mayer ein wenig Angst davor, wie seine Tochter reagieren würde, wenn sie sah, wie die anderen Kinder hausten. In dem Moment, als die beiden den Kinderbereich betraten erschrak Ilka trotzdem. Kein Wort konnte einen Menschen auf diesen krassen Unterschied vorbereiten. Wenn selbst Erwachsenen täglich einen Schock bekamen, wie
sollte das eine Elfjährige damit klar kommen. Entsetzt sah sich Ilka um, als sie von der Landebahn aus, den Bereich der Kinder betraten. "Vati, warum ist es hier so dunkel. Es ist unheimlich hier", flüsterte Ilka ängstlich. Mayer hielt an, hockte sich vor den Rollstuhl seiner Tochter. "Ilka, wir müssen nicht hier runter zu den Kindern gehen. Ich kann auch einfach befehlen, dass Lyn und einige der anderen Kinder uns besuchen kommen. Dies habe ich dir schon einige Male vorgeschlagen. Du weißt ich war nie begeistert davon, dass du hier runter wolltest. Wir fahren wieder hoch in die Wohnung, wenn es dir hier nicht gefällt und du dich unwohl fühlst. Ich sag nur schnell in der 6/blau Bescheid und dann kommen die Kinder zu dir hoch." Ilka schüttelte stur ihren Kopf. Sie wollte unbedingt sehen, wie diese anderen Kinder lebten. Ihr Vati hatte so viel über diesen Raum erzählt. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen,
dass dreiundachtzig Kinder in einem Raum leben sollten. Es musste dort unwahrscheinlich laut sein. Vor allem beschäftigte sie der Gedanke, wie die Kinder wohl miteinander spielten und umgingen. Nein, es kam für Ilka nicht in Frage, dass sie wieder nach oben ging. Sie wollte sich selber überzeugen, dass es so viele Kinder waren und dass sie wirklich kein Spielzeug hatten. Gedanklich hatte sie schon ihre ganzen Spielsachen sortiert und sich vorgenommen, wenn die Kinder lieb waren und sie auch im Rollstuhl akzeptierten, ihr Spielsachen mit ihnen zu teilen. Sie fand es ungerecht, dass sie so viel hatte und die anderen gar nichts bekamen. Dies würde sie ändern. Vorsichtig und so unauffällig wie möglich fasste sie hinter das Kissen, dass sie im Rücken hatte. Dort hatte sie einen kleinen Teddy versteckt, den sie jemanden geben wollte. Egal was der Vati sagte. Liebevoll sah Mayer seine Tochter an. Er hatte die tastende Bewegung von ihr gesehen. Auch
wusste er, was Ilka dort versteckt hatte. Innerlich amüsierte er sich über seine Kleine, die so ein gutes Herz hatte. Mayer war von seinen Gefühlen hin und her gerissen. Er wollte seiner Tochter diesen Anblick eigentlich ersparen. Er wusste allerdings auch, dass er seine Tochter hier im Projekt nicht vor allem beschützen konnte. Es war nun einmal ein Projekt, das in seinen Augen unmenschlich war. Ilka war schlau genug, um dies alles mitzubekommen. Sie lebte schließlich unmittelbar neben seinem Büro und bekam dadurch vieles mit. Alleine schon die häufigen Streitereien, die er am Telefon mit Hunsinger oder im Büro mit Jacob hatte. Wie oft hatte ihn Ilka im Anschluss gefragt, warum er so wütend wäre. Deshalb fand es Mayer wichtig, dass Ilka dies alles mit eigenen Augen sah und verstand, um was es ging. Er hatte sich in den letzten Wochen selbst davon überzeugt, dass die Kinder ungefährlich waren. Denn nach Reimunds Schilderungen, dachte er es wären wirklich
Monster. Nichts von dessen Erzählungen stimmte. Diese Kinder waren liebevolle Geschöpfe die respektvoll miteinander umgingen. Es gab keinen Streit dort in dem Raum und keinerlei Prügeleien. Bewundernswert höfflich gingen die Kinder miteinander um. Vor allem war es faszinierend anzusehen, mit welchem Respekt sie den Mitarbeitern begegneten. Viele Stunden hatte er die letzten Wochen diesen Kindern geopfert und mit ihnen gespielt, gesungen und erzählt. Er war es seiner Kleinen schuldig, dass diese sich eine eigene Meinung über die Kinder bildete. Ernst sah Mayer seine Tochter an. "Ich habe dir doch erklärt, dass die Kinder ganz empfindliche Augen haben. Das Licht tut ihnen weh. Darum ist hier alles dunkel. Die Kinder empfinden, das aber nicht so. Für diese ist es hier taghell." Ilka war so zappelig. Sie wollte endlich mit eigenen Augen sehen, wie diese vielen Kinder leben. Die sie noch nie gesehen hatte. Oft saß
sie auf dem Balkon und sah in den Park, da waren nie Kinder, das wusste sie ganz genau. Sie hörte ihrem Vati zu und erinnerte sich an das, was er ihr über die Augen der Kinder erklärt hatte. "Ach ja, da habe ich nicht dran gedacht. Vati, ich möchte die Kinder alle mal sehen. Weil ich dir nämlich nicht glaube, dass die alle so groß sind, wie du sagst. Lyn, war ja nicht sehr groß, als sie bei mir war." In sich hinein lachend erinnerte Mayer an diese Diskussionen. So oft hatte er mit ihr über dieses Thema diskutiert. Ilka wusste, dass die Kinder genetisch verändert wurden. Dass man versuchte hatte verbesserte Menschen zu züchten. Hilfe bekam er da eine heiße Diskussion, mit seiner erst elf Jahre alten Tochter. Ilka war entsetzt, als sie das hörte und hat ihn angeschrien. So wütend hatte er seine Kleine noch nie erlebt. Seine Tochter hatte eine genaue Vorstellung davon, was richtig und was falsch war. Selbst
für solche Argumente, dass man durch genetische Manipulationen Erkrankungen, wie die von Ilka, in Zukunft vielleicht verhindern könnte, war Ilka nicht offen. Sie sagte ihrem Vater klar und deutlich, dass sie das für ein Verbrechen an den Kindern hielt. Aber sie verstand auch, dass er als Soldat keine großen Möglichkeiten hatte, nein zu sagen. Es auch nur durch seine Arbeit hier möglich war, dass sie sich täglich sahen. Das beruhigte seine aufgebrachte Tochter, dann wieder einigermaßen. Sonst müsste sie in einem Pflegeheim leben, hätte nicht die Möglichkeit einen eigenen Lehrer zu haben, der sie individuell förderte. Aber richtig fand Ilka das trotzdem nicht, was man mit den Kindern hier machte. Mayer musste ihr das alles jedoch erklären. Wie sonst hätte er ihr das Alter der Kinder erklären sollen. Als ihn Ilka fragte, wie alt Lyn sei. Sie konnte nicht verstehen, dass dieses Mädchen erst acht Wochen alt sein sollte. Belügen wollte Mayer
seine Tochter nicht. Egal um was es ging, immer schon hatte er ihr die Wahrheit gesagt. Mayer vertrat stets die Meinung, dass die Wahrheit besser zu ertragen war, als eine Lüge. auch wenn sie so manches Mal weh tat. Selbst über den Weggang der Mutter, wurde Ilka wahrheitsgemäß informiert, ohne diese schlecht zu machen. Die Tatsache, dass diese mit der schweren körperlichen Behinderung ihrer Tochter nicht klar kam, war zwar nicht schön, jedoch konnte man dies schon irgendwo verstehen. Mayer sprach stets gut von seiner geschiedenen Frau und Ilkas Mutter. Die Beiden hielten engen telefonischen Kontakt. Leider konnten sie sich nur selten sehen, da Mayer nicht so oft Sonderflüge für seine Tochter und deren Betreuer buchen wollte. Ilka war deswegen oft traurig. Als Mayer ihr erklärte, dass die Kinder unten weder Mutter noch Vater besaßen, meinte sein schlaues Mädchen. "Na, ich habe wenigstens einen ganz lieben Vati.
Da habe ich es viel besser, als die armen Kinder dort unten." Seit dem sich Ilka dieser Tatsache bewusst war, war sie nicht mehr so oft traurig und verkraftet den Verlust der Mutter, etwas besser. Erst kurz vor dem Start des "Projektes Dalinow" trennte sich Mayers Frau von ihm und stellte ihn Mayer vor ein schier unlösbares Problem. Da es hier im Projekt keine Kinderbetreuung, durch Außenstehende geben konnte. Unlösbare Probleme, war für Mayer ein Fremdwort. Er ging neben seiner Arbeit auf die Suche nach einer Lösung und fand diese in Reimund. Der nicht nur ein sehr guter Lehrer war, sondern auch eine Ausbildung im Pflegebereich hatte, eine seltene Kombination. Lächelnd dachte er an den kleinen dicken Reimund zurück. Nur durch Reimund konnte er Ilka bei sich behalten. So blieb seine Prinzessin in seiner ständigen Nähe und Obhut. Dadurch verlor sie nicht auch noch den Vater. Sie in ein Pflegeheim zu geben,
brachte Mayer nicht übers Herz und zwang so Hunsinger zu dieser Ausnahmereglung. Mayer riss sich aus seinen Gedanken. "Na, dann komm Prinzessin, gehen wir endlich die Kinder besuchen." Mayer schob den Rollstuhl weiter und ging auf die Tür zu, die in den Kinderraum führte. Er öffnete die Tür und rollte mit seiner Tochter, auf einen Tisch zu. Dort stand nur eine Kerze. "Guten Morgen Emma, können wir kurz stören oder schlafen die Kinder?", wandte sich Mayer an die diensthabende Schwerster, da man in dem Raum keinen Meter weit sehen konnte. "Genosse Oberstleutnant, die Kinder schlafen nicht. Doktor Jacob macht heute einen großen Test. Er untersucht gerade alle Kinder. Aber die meisten sind hier. Da immer nur zwei, nach oben gebracht werden." An die Kinder gewandt bat Schwester Emma. "Bindet ihr bitte eure Tücher um, ich möchte Licht anmachen. Ihr habt Besuch bekommen."
Schwester Emma stand auf und ging zum Lichtschalter. Dort wartete sie noch einen Augenblick, schaltete sie die Deckenbeleuchtung ein. Geblendet schlossen Ilka und ihr Vater die Augen. Aber auch Schwester Emma, brauchte einen Moment, ehe sie wieder etwas sah. "Es ist immer schlimm, wenn wir hier acht Stunden in diesem Raum waren, tut das Licht richtig weh", sagte sie, sich die tränenden Augen reibend. Ilka allerdings staunte mit großen Augen, als sie die vielen stählernen Pritschen sah. "Vati, warum haben die Kinder nicht solche Betten wie ich. Das ist gemein. Die sind bestimmt total hart." Mayer der sich schon im Vorfeld immer wieder Gedanken gemacht hatte, wie seine Tochter wohl auf das Umfeld der Kinder reagieren würde, hatte sich vorgenommen auch hier bei der Wahrheit zu bleiben.
"Ilka, ich habe dir doch erklärt, das diese Kinder Soldaten werden sollen. Auf den Schlachtfeldern gibt es auch keine Betten. Da müssen die Kinder auf dem Boden schlafen. Deshalb haben wir uns überlegt, dass wir sie an eine harte Unterlage gewöhnen sollten. Auch, wenn das weder mir noch deinem Onkel Fritz gefällt. Aber es muss sein." Traurig sah Ilka die Kinder an, die dem sehr klein gewachsenen Mädchen riesig vorkamen. Ilka war gerade mal einhundert zweiunddreißig Zentimeter groß. Die meistern der Kinder hier hatten allerdings die Größe von einhundert fünfundvierzig Zentimeter überschritten. Auch Gewichtsmäßig waren diese viel kompakter als Ilka. Mayers Tochter sah sich nach dem Mädchen um, bei dem sie sich bedanken wollte. Weder er noch Ilka konnte Lyn irgendwo entdecken. "Vati, wo ist Lyn?", wollte sie jetzt wissen.
Mayer machte gerade Anstalten mit seiner Tochter nach hinten zu gehen, als Schwerster Emma ihm deren Abwesenheit mitteilte. "Genosse Oberstleutnant, Lyn ist noch oben auf der 6/rot, zu einem Langzeit-EKG. Genauso wie Rashida, Raiko und Jaan. Doktor Jacob, möchte ein vergleichendes EKG von dem kleinsten und den größten Kindern haben." "Soweit habe ich nicht gedacht, dass der Chefarzt den heutigen Tag für einen Test nutzte. Ich hätte meinen Besuch hier mit ihm absprechen sollen. Verdammt", fluchte er kurz. "Wie lange dauert das ungefähr? Sollen wir später wieder kommen?" Schwester Emma zuckte mit den Schultern. Sie hatte selber keine Ahnung. Plötzlich öffnete sich die Tür. Mayer drehte sich um und sah, dass Alma mit zwei Kindern den Raum betrat. Emma reagierte sofort. "Alma, wie viele Kinder hast du noch?",
erkundigte sich die Schwester gleich bei ihrer Kollegin. "Doktor Jacob, macht nur noch die Röntgenaufnahmen fertig, dann bringt er Lyn und Rashida nach unten. Ich denke, in zehn Minuten wird er auch hier sein." Alma schickte die beiden Jungs mit einem Kopfnicken in den Raum. Diese zogen sich sofort in ihre Betten zurück. Ilka dagegen sah sich staunen um. Es war totenstill in diesen Raum. Sie erinnerte sich noch sehr gut an die Zeit, als sie in eine Förderschule gegangen war. Sie waren nur zehn Schüler und es war bei ihnen ständig laut. Oft war es ihr dort zu laut und unruhig gewesen und sie war froh, wenn sie ihre Mutti, am Nachmittag, wieder nach Hause holte. Hier jedoch ging es Ilka durch den Kopf, würde das Aufschlagen eines Teddys auf den Boden für unwahrscheinlichen Krach sorgen. Ihr war dieser Raum unheimlich. Keines der Kinder sprach mit einander, obwohl einige zusammen auf diesen
Pritschen saßen. Es wurde hier nicht gelacht oder gestritten. Vor allem sah Ilka keines der Kinder in einem Buch lesen oder malen. Traurig blickte sie zu ihrem Vati hoch. So hatte sie sich das alles nicht vorgestellt. Mayer streichelte seiner Tochter über die Wange. Er konnte sich vorstellen, was in deren kleinen Kopf vor sich ging. Auch ahnte er, dass er heute Abend eine sehr heiße Diskussion mit Ilka bekommen würde. Wenn er ehrlich war, er freute sich darauf. Denn seine Tochter hatte eine sehr gesunde Einstellung zu dem, was richtig und falsch war. Das war Mayer sehr wichtig und freute ihn sehr. Er würde diese fördern so gut es ging. Hier im "Projekt Dalinow" kam man sehr schnell an die Grenze des Ertragbaren. Vieles hier ließ sich nicht mit dem gesunden Menschenverstand vereinbaren und schon gar nicht mit seinem Kodex, den er sich als Soldat selbst auferlegt hatte. Deshalb musste er dafür sorgen, dass seine Tochter hier auf diesem
Gelände nicht verrohte und ihren Gerechtigkeitssinn verlor. Mayer ging auf einen der Jungs zu, mit dem er sich schon einige Male sehr nett unterhalten hatte. Dieser war sehr verständig und aufgeschlossen. Er gehörte neben Lyn zu seinen Lieblingskindern. Genau wie die Schwestern hier, stellte er schnell fest, dass die Kinder unterschiedlich in den Charakteren waren. Es waren kleine Unterschiede, die jedoch dazu beitrugen, dass man sich mit einigen wesentlich besser verstand. Mit diesem Jungen, der ein unwahrscheinliches taktisches Wissen besaß, hatte er schon viel Zeit verbracht hatte. Seit dem er sich mit den Kindern hier näher beschäftigte, verbrachte er die wenige Freizeit die er hatte, lieber hier in diesem Raum, als in der Mensa. Hier fand er ein wenig Ruhe und vor allem Erholung. Da die Kinder wie er Soldaten waren, konnte er mit ihnen sehr interessante Gespräche über Strategien oder Kampftechniken
führen. Es war für ihn immer noch unbegreiflich, wie weit diese Kinder waren. Trotzdem wurde es stets ein Erlebnis, mit den Kindern über bestimmte Dinge zu diskutieren. Sie hatten in vielen Dingen eine völlig andere Sichtweise als er. Obwohl die Meisten am Anfang sehr vorsichtig damit waren ihre Meinung zu sagen. Langsam fassten sie zu Mayer Vertrauen und wurden offener. Vielleicht lag es auch daran, dass er mehr auf die Bedürfnisse der Kinder einging. Vor allem, weil er sich die Mühe machte die Kinder kennen zu lernen. So setzte Mayer durch, dass diese eine ordentliche Erholungspause nach den Mahlzeiten bekamen. Mayer war entsetzt darüber, dass die Kinder sofort nach dem Essen wieder zum Training mussten. Er bekam sich mit Friedrich, den Ausbilder für Nahkampf und Schießen, richtig in die Haare. Dies war so ein unangenehmer Mensch, den Mayer am liebsten aus der Ausbildung herausnehmen würde. Da dieser
allerdings Chefausbilder war und noch dazu alle zu lehrenden Ausbildungsziele selbst beherrschte, war dies nicht möglich. Dank Jacob, der ihn bei diesen Dingen immer unterstützte, konnten sie eine dreiviertel Stunde Pause nach den Mahlzeiten durchsetzen. Die Gesunderhaltung der Kinder stand neben der Ausbildung im Vordergrund. Mayer war mit seiner Tochter bei Nummer 56 angekommen. Mit seinen hundertzweiundvierzig Zentimeter und einundfünfzig Kilo gehörte rothaariger Bub nicht gerade zu den großen Kindern. Er hatte wunderschöne türkisblaue Augen, die einen eigenartigen Kontrast zu seiner sehr hellen fast weißen Haut bildeten. Mayer hatte den Jungen richtig ins Herz geschlossen. Freundlich lächelnd begrüßte er den Buben. "Hallo 56, wie geht es dir? Sprich mit mir", bat Mayer in der gewohnten Art. Nummer 56 sah erstaunt auf das im Rollstuhl sitzende Mädchen. "Sir, danke gut, Sir",
antwortete aber sofort. Nummer 56 war aufgesprungen und nahm sofort Haltung an. Mayer wusste von den Ausbildern, dass diese nur auf Aufforderungen antworteten, nie selber etwas fragten. Dasselbe teilten ihm auch schon die Lehrer mit. Seit kurzem bekamen sie im Unterricht sogar Antworten auf ihre Fragen. Allerdings nur, wenn sie den Zaubersatz an ihre Frage banden. So wie es den Kindern in den letzten Wochen antrainiert wurde, sah Nummer 56 auf den Boden und auf seine Füße. "Ich möchte dir meine Tochter vorstellen ...", erklärte der dem Jungen. "... sagst du ihr auch guten Tag? Sprich mein Junge", forderte Mayer. Der aus eigener Erfahrung wusste, dass die Kinder sehr vorsichtig mit Fremden waren. "Mam, guten Tag, Mam", grüßte 56, immer noch auf den Boden sehend und die Hände auf den Rücken. "Vati, warum sagt der Junge Mam zu mir? Ich bin doch keine Mutti", erkundigte sich Ilka
kichernd. Sie konnte sich das Lachen nicht ganz verkneifen. Es kam ihr komisch vor mit Mam angesprochen zu werden. "Ilka, die Kinder müssen die Frauen mit Mam und die Männer mit Sir ansprechen oder mit dem Rang und Genosse. Das ist beim Militär nun mal so üblich. Damit sie sich daran gewöhnen, wird ihnen das von klein auf so beigebracht. Da du ja auch älter bist als sie, sprechen sie dich halt auch förmlich an. So nennt man das." Ilka nickte verstehend. Dann sah sie den Jungen an und hielt ihm die Hand hin. "Du musst nicht Mam zu mir sagen. Ich bin die Ilka. Wie heißt du?" Völlig irritiert sah 56 zu Mayer. Er nicht wusste wie er sich verhalten sollte. "Du kannst meine Tochter ruhig mit Ilka ansprechen. Du kannst ihr die Hand ruhig geben. Sie beißt nicht", versuchte Mayer mit 56 zu scherzen, obwohl er sich nicht sicher war, ob dieser das verstand.
An seine Tochter gewandt, erklärte er ihr. "Ilka, das ist Nummer 56. Ich kann dir nicht sagen wie der Junge heißt. Die Kinder haben sich selber Namen gegeben. Mal sehen, vielleicht verrät er dir ja seinen Namen. Wenn du ihn ganz lieb fragst. Mir verraten die Kinder ihre Namen nicht. Nur Schwester Anna und Onkel Fritz." Lachend streichelte er Ilka über die Wange. Ilka sah den Jungen an. "Verrätst du mir, wie du heißt?" Einen Moment stand 56 unschlüssig da. Seine Freunde kannten alle seinen Namen und diese Mädchen war so wie sie. Ob sie auch eine von ihnen war? Was eine Tochter war wusste er nicht, diesen Begriff hatte er noch nie gehört. Vielleicht war sie eine spezielle Züchtung, genau wie sie. Er verglich schnell alle Merkmal zwischen sich und den Mädchen. Ja sie war eine von ihnen, auch wenn sie andere Augen hatte. Kurz sah er zu Mayer, der nickte ihm
aufmuntern zu. Immer war der Oberstleutnant nett zu ihm gewesen. Er konnte ihm genauso vertrauen, wie dem Doko. Trotzdem war er sich unsicher, ob er seinen Namen sagen sollte. Aber er konnte die anderen jetzt nicht fragen. Nummer 56 beschloss diesem kleinen Mädchen zu vertrauen. "Mam, man nennt mich Sneimy, Mam", gab er seinen Namen preis. "Oh das ist ein schöner Name, der gefällt mir. Snei … my", sprach sie ihn langsam aus und sah ihn dann an. "Was habt ihr denn heute schönes vor?", wollte Ilka von Sneimy wissen. Dieser sah Mayer fragend an. Er wusste nicht was er auf diese Frage antworten sollte. Solch eine Frage wurde ihm noch nie gestellt. "Sneimy, du kannst offen sprechen. Genauso wie mit mir. Wenn meine Tochter dich etwas fragt, antwortest du einfach. Du kannst auch gern etwas fragen, wenn du von ihr etwas wissen möchtest." Irritiert sah Sneimy zu Mayer. "Sir, ich weiß nicht, was ich auf diese
Frage antworten soll, Sir." Mayer wurde bewusst, was Sneimy meinte. "Sneimy, Ilka möchte einfach wissen, was ihr heute über den Tag macht", er klärte er dem Buben. Sneimy nickte. "Mam, ich weiß es nicht, Mam. Wir warten, dass wir zum Training geholt werden, Mam. Aber heute ist noch niemand gekommen, Mam.", erklärt er offen, wie es seine Art war. Dann sah er Mayer an, dann auf den Rollstuhl. Fragte mit den Augen nach dem, was er wissen wollte. "Sneimy, du möchtest wissen, warum Ilka in dem Stuhl sitzt, sprich." "Sir, ja, Sir." Es war wie immer. Nie stellten die Kinder von sich aus Fragen. "Sneimy, meine Tochter war lange sehr krank, sie kann noch nicht wieder laufen. Lyn hat ihr vor einigen Wochen geholfen, als es ihr richtig schlecht ging. Seit dem wird es langsam besser.
Aber es wird noch lange dauern, bevor Ilka so wie ihr herumlaufen und rennen kann. Darum ist Ilka heute hier. Sie möchte sich bei Lyn bedanken. Dass sie wieder gesund wird. Verstehst du was ich dir erkläre? Sprich." Sneimy nickte. "Sir, ja, Sir." Ilka mochte diesen Jungen. Sie würde mit ihm gern etwas spielen. Nur zum Reden, war sie nicht hier herunter gekommen. "Sneimy, magst du das Händeklatschspiel mit mir spielen?" Mayer fing schallend an zu lachen. Dies war typisch für seine Tochter. "Ilka, die Kinder hier kennen keine Spiele. Aber wenn du es Sneimy zeigst, wird er es bestimmt lernen. Oder Sneimy? Sprich." Sneimy sah kurz auf, nickt. "Sir, ja, Sir." Wie alle Hundert war auch Sneimy an allem interessiert. Alle dreiundachtzig Kinder waren wissbegierig. Sie sogen Informationen auf wie ein nasser Schwamm die Feuchtigkeit. Es gab kein Gebiet und kein Thema das sie nicht
interessierte. Wie Jacob, war auch Mayer von diesem Wissensdurst fasziniert. Ilka sah ihren Vati an. "Vati, hilfst du mir bitte. Könntest du es mit mir zusammen einmal vormachen. Dann kann es Sneimy lernen." "Na klar Prinzessin." Mayer sich auf einen Stuhl und drehte Ilka so, dass sie ihm gegenüber saß. Ilka fing langsam an, den Sprechreim aufzusagen. "Warum…hat der…Zottel…bär…so viel Angst…vorm… großen Meer…Großes…Meer…Zottel…bär", dabei klatschte sie abwechselnd in die Hände, dann auf die Hände ihres Vater. Einzeln überkreuzt oder gleichzeitig zusammen. So ging es die ganzen Strophen weiter, immer schneller werdend. "Warum…hat das Kän…guru…noch keine…Wanderschuh…Wander… schuh…Kän…guru...Warum…hat…das…Krokodil…so viel… Angst…vorm…großenNil…Großer…Nil…Kroko…dil…Warum…fährt…die
Hasel…nuss…noch…immer…keinen…Auto… bus…Auto…bus…Hasel…nuss…Jetzt…ist…endlich…Schluss." Lachend sah Ilka ihren Vati an. Der auch breit grinsen musste. Ach wie lange haben sie das geübt, bis Ilka das konnte. Durch die spastischen Lähmungen, war das gar nicht so einfach gewesen. Sneimy hatte genau zugesehen. "Willst du es auch mal probieren? Das macht Spaß", erklärte Ilka dem Jungen. In dem Moment erschien Zimmermann, im Raum der Kinder. Der Hausmeister machte ein verlegenes Gesicht. "Tut mir leid, dass ich sie stören muss, Genosse Oberstleutnant. Ich weiß sie hatten sich abgemeldet. Könnten sie bitte mal kurz kommen. Ich komme sonst nicht weiter. Mein Arbeitsplan kommt sonst völlig durcheinander. Ich bräuchte ihre Codekarte für die Sicherungsanlage auf 6/lila. Ich muss in der Turnhalle die Aufzüge für
die Geräte reparieren, die sind kaputt. Tut mir wirklich leid. Ich habe es Oberstleutnant Friedrich versprochen, das dies heute erledigt wird." Genervt erhob sich Mayer. "Ilka, ich bin sofort wieder da. Ich brauche nur zehn Minuten. Versprochen. Schon gut Zimmermann, ich weiß ja wie viel sie zu tun haben. Kommen sie, beeilen wir uns. Emma, Alma sie passen auf meine Kleine auf." Die Schwestern nickten und liefen zu Sneimy und Ilka. Ilka nickte, sah Sneimy bittend an. "Sneimy, bitte probiere es mal. Es ist nicht so einfach wie es aussieht. Sei bitte vorsichtig. Ilka hat noch nicht sehr viel Kraft." "Sir, ja, Sir", antwortete dieser sofort und setzte sich auf den Stuhl, auf den gerade Mayer gesessen hat. Sneimy interessierte sich sehr für dieses Reaktionsspiel. Ganz langsam erklärte Ilka, dem
Jungen mit der Augenbinde, das Spiel. Vorsichtig mit so wenig Kraft wie möglich, klatschte Sneimy auf die Hände des zierlich kleinen Mädchens, um diese nicht zu verletzen. Ganz langsam fingen die beiden an. Vergaßen darüber ganz ihre Umwelt. Schon beim dritten Mal, hatte Sneimy den Ablauf des Spieles begriffen. Ilka sagte den Spruch, Sneimy imitierte perfekt alle ihrer Bewegungen. Als Jacob mit Lyn und Rashida den Raum betrat, bekamen die beiden dies gar nicht mit. Sie waren voll auf das Spiel konzentriert. Immer schneller wurde das Tempo. Fasziniert sahen Alma, Emmy und nun auch Jacob zu. Rashida ging mit Lyn schweigend auf die Beiden zu, um nach hinten zu gehen. In dem Moment als Lyn auf der Höhe von Ilka und Sneimy war, knallte die Tür. Ilka drehte sich instinktiv nach dem Geräusch um und war dadurch vollkommen abgelenkt.
Sneimy allerdings, hatte schon zum Klatschen ausgeholt und kurz vor Ilkas Hand gewesen, konnte nicht mehr stoppen. Er schlug Ilka die sich in diesem Moment weggedreht hatte, voll ins Gesicht. Es gab ein hässliches Knackgeräusch. Ilka kippte nach vorn, aus dem Rollstuhl. Ein entsetzter Aufschrei von Mayer, der eben den Raum betreten hatte. Er zeigte an, dass dieser die Situation genauso richtig einschätzt, wie Lyn. Diese kniete sich sofort neben Ilka, um dem Mädchen zu helfen. Mayer legte einen Spurt ein und war in dem Augenblick neben Ilka, als Lyn diese berührte und dem Mädchen helfen wollte. Mayer griff sich Lyn und schleuderte dies zur Seite. Sodass Lyn mit voller Wucht gegen eines der Bettgestelle flog. Dort blieb sie bewusstlos liegen. Mit ihren gerade mal hundertundacht Zentimetern und einundzwanzig Kilo, hatte sie der enormen Kraft Mayers und der Wucht des Wurfes nichts gegen zusetzen. Mayer riss seine Tochter hoch.
Jacob brüllte. "Liegenlassen." Wollte Ilka noch helfen. Es war Aussichtslos. Das Mädchen war tot. Niemand konnte ihr mehr helfen. Sneimy hatte Ilka so ungünstig am Kinn erwischt, dass er ihr Genick einfach weg geschlagen hatte. Durch die jahrelange Krankheit, war die Muskulatur Ilkas nicht richtig aufgebaut. So hatte sie dem Schlag nichts entgegenzusetzen. Sie war auf der Stelle tot. Ein Entsetzensschrei von Mayer ertönte. Er begriff in diesem Moment, dass seine Tochter tot war. Mayer ließ seine Tochter auf den Boden fallen und ging im gleichen Augenblick auf Lyn zu. Er drosch wie von Sinnen, auf das bewusstlose Mädchen ein. Plötzlich wurde ihm bewusst, seine Wut die falsche traf. Er ließ von Lyn ab und wandte sich Sneimy zu. Den Mörder seiner Tochter. Mayer schlug mit unvorstellbarer Kraft, auf den völlig unter Schock stehenden Jungen ein. Da dieser keinen Befehl bekam sich
zu verteidigen, trafen ihn die harten Schläge Mayers, ohne eine einzige Gegenwehr. Emma und Alma waren zur Salzsäule erstarrt und konnten sich überhaupt nicht rühren. Jacob dagegen, löste aus einem Reflex heraus, sofort Alarm aus. Er versuchte mit aller Macht zwischen den sich nicht wehrenden und den völlig außer Kontrolle geratenen Mayer zu kommen. Nach dem er sich zwischen Mayer und Sneimy gedrängt hatte, verteidigte er den völlig wehrlosen Jungen, der blutend auf den Boden lag. Mayer hatte fast zwei Minuten auf Sneimy eingetreten und geschlagen. Drei Minuten nach Ilkas Tod war bereits die Wachmannschaft im Raum. Sie bekamen von Jacob den Befehl. "Helft mir Mayer zu bändigen. Sofort. Das ist ein Befehl. Der bringt mich und den Jungen sonst um." Sofort griffen die Wachleute ein. Sie begriffen, aus dem panisch geschrien Befehl Jacobs, dass es hier gerade ein Unglück geschehen war.
Überall im Raum war Blut. Jacob blutet, unter Ilka breitete sich eine immer größer werden Blutlache aus. Lyn lag in einer riesigen Blutlache. Sneimy ebenfalls. Es brauchte zehn durchtrainierte Männer und fast fünf Minuten, um Mayer von Jacob wegzuziehen. Der sich zum Schluss schützend über Sneimy geworfen hatte, um zu verhindern das Mayer den Jungen im Affekt tötete. Mayer war nicht mehr zurechnungsfähig. Endlich bekamen die Männer Mayer zu fassen und fixierten diesen mit aller Gewalt am Boden. Jacob lief, viel mehr humpelte nach vorn an den Arzttisch und zog eine Injektion auf. Er musste Mayer erst einmal ruhig stellen. Es war ihm kaum möglich, den immer noch tobenden Mayer zu spritzen. Der jetzt anfing gegen seine eigenen Männer zu kämpfen. Endlich nach weiteren wertvollen Minuten, gelang es ihm, Mayer ruhig zu stellen. Damit fertig, ging Jacob ans Telefon, wählt eine Nummer.
"General…" Weiter ließ er Hunsinger nicht sprechen. "Franz, ich brauche hier sofort einen Nottransport in eine Psychiatrische Klinik. Mayer ist gerade durchgedreht. Ich habe ihn ruhig gespritzt. Er braucht psychologische Betreuung. Im Transporter muss ein Arzt sein. Ilka, wurde eben, bei einem Unfall getötet. Er hat Lyn und Nummer 56 halb totgeschlagen. Mich hat er ebenfalls schwer verletzt. Ich habe keine Zeit, veranlasse alles nötige ich muss mich um die Kinder kümmern", schon schmiss Jacob den Hörer auf die Gabel. "Um Gottes Willen, ja ich schicke dir sofort einen Transport. Stelle ihn sola...", diese Worte von Hunsinger bekam Jacob schon gar nicht mehr mit. Als dieser im Hörer das Freizeichen vernahm, er auf, um sich um den Abtransport zu kümmern.
Jacob organisiert in der Zwischenzeit die Versorgung der Verletzten. Es war schon viel zu viel wertvolle Zeit verloren gegangen. Konkret teilte er alle für eine spezielle Tätigkeit ein. Obwohl es ihm selber nicht gut ging und er selber einen Arzt dringend nötig hatte. Er bezog genau wie die Kinder, von Mayer richtig Dresche. Vor allem konnte er sich nicht mal schützen, sonst hätte dieser Sneimy getötet. Nach Luft ringend und seine Schmerzen unterdrücken befahl er. "Chris, ihr bringt Sigmar hoch auf die 6/rot. Anna soll ihn an einen Neuroleptikum-Tropf hängen. Bis ich nach oben kommen kann. Dann soll sie sofort zwei OPs vorbereiten. Schickt mir drei Krankentragen nach unten. Einer deiner Leute soll hochgehen und mir meinen Koffer holen. Ich muss die Kinder erst einmal notversorgen."
Schon rannte einer der Wachleute nach oben. Drei andere hinterher, um Jacobs Notkoffer und die Tragen zu holen. Zwei kümmerten sich um Mayer. Der ruhig gespritzt am Boden lag. Chris lief zu Ilka, fühlte deren Puls. "Chris, bitte lasse Ilka liegen, sie ist tot. Ihr kannst du nicht mehr helfen. Kümmere dich um Lyn, bitte." Im gleichen Moment kam der Wachmann mit Jacobs Koffer. Traurig drückte Chris dem Mädchen, die immer noch die Augen offen hatte, die Augenlider zu. Stand auf, um nach Lyn zu sehen. Fassungslos sah er auf das kleine Mädchen, die in ihrem Eigenen Blut lag. Schnell zog er das Oberteil seines Overalls aus und dann das T-Shirt. Er zerriss dieses, um die größten und stark blutenden Wunden an Lyn´s Kopf und am Körper abzudrücken. Jacob lief sofort zu Sneimy der ebenfalls bewusstlos und stark blutend am Boden lag.
Über die Schulter rief er der völlig unter Schock stehenden Schwester Emma zu, während er sich um die Verletzungen von Sneimy kümmert. "Emma ruft Reimund an. Er soll für sich und Mayer Sachen packen. Für einen mindestens sechswöchigen Klinikaufenthalt. Wenn er fragt, was ist? Sage ihm ich erkläre ihm alles, wenn ich Zeit habe." Nebenbei hörte er den Jungen ab. Fühlte vorsichtig die Wirbelsäule und die Rippen. Nicht eine Rippe schien mehr ganz zu sein. Zwei waren aus dem Körper heraus getreten. So gut es ging versorgte Jacob die Verletzungen des Jungens und gab weitere Anweisungen. "Alma, löse roten Alarm aus. Rufe Doris, Walli, Pia an. Sofort hoch in den OP alles vorbereiten. Auch Doktor Anderson und Doktor Mai." Schon kamen die Wachleute zurück und brachten die Tragen. "Mayer und die Kinder sofort hoch auf die 6/rot. Zwei von euch bleiben ständig bei
Mayer. Ihr lasst ihn keine Sekunde aus den Augen. Er ist nicht mehr zurechnungsfähig." Vorsichtig legte die Wachleute Sneimy auf die Trage. Jacob ging in der Zwischenzeit zu Lyn. Das Mädchen hatte es ebenfalls schwer erwischt. Sie blutet aus dem Mund, aus der Nase und den Ohren. Höchstwahrscheinlich war durch die harten wütenden Schläge eine Rippe in die Lunge eingetreten. Lyn röchelte stark beim Atmen. "Chris, trage Lyn nach oben. Wenn du damit fertig bist. Bringst du Ilka in den Kühlraum des Labors. Dort bleibt sie so lange bis Sigmar wieder ansprechbar ist. Du sorgst dafür, dass der Transporter landen kann. Auch dafür, dass Sigmar von der 6/rot abtransportiert werden kann. Er bleibt ruhig gespritzt, bis er im Krankenhaus ist. Sagt das auch dem Arzt. Ich muss in den OP. Euer Chef ist nicht Herr seiner Sinne." Vorsichtig hob Chris die stark blutende Lyn hoch. Jacob hat lediglich die Kopfwunde
notversorgen können und die anderen Verletzungen nur provisorisch abgedeckt. Chris trug Lyn nach draußen, gefolgt von dem stark humpelnden und vor Schmerz gebeugt gehenden Jacob. Über die Schulter rief er Schwester Emma beim rausgehen nochmals zu. "Großalarm, alle Schwestern nach unten. Kümmert euch um die Kinder. Erklärt ihnen, was passiert ist. Sneimy trifft keine Schuld. Emma, das war ein schlimmer Unfall. Du hast es mit eigenen Augen gesehen." Schon war der Chefarzt aus dem Raum und humpelte Chris hinterher. Jacob fuhr nach oben in den OP. Dort standen Anderson, Mai und die Schwestern auf ihn warten. Mit kurzen klaren Anweisungen verteilte Jacob die Patienten. "Jim, gibt mit etwas gegen die verdammten Schmerzen. So kann ich nicht operieren. Anna mach die Röntgenapparate fertig wir müssen beide Kinder röntgen. Ich brauche die
Aufnahmen vor einer Stunde. Beeilung, sonst haben wir noch mehr Tote ...", Anderson gab dem Moment Jacob eine Spritze, damit dieser seine Schmerzen unter Kontrolle bekam. "... Doktor Mai kümmert sich um Mayer. Jim du kümmerst dich um Sneimy. Ich mich um Lyn. ...", teilte der Chefarzt alle für die Notoperationen ein. Keiner der Anwesenden sagte auch nur ein Wort. Jeder kam seiner Tätigkeit nach und versuchte zu retten was zu retten war. Alle waren viel zu geschockt vom Aussehen des Chefarztes und der Kinder. Keiner stellte eine Frage danach, was geschehen war. Das Team um den Chefarzt wusste hier ging es um Minuten. Jacob der selber schwer verletzt war, stand schon am Waschbecken um sich für die Operation fertig zu machen. Dass er völlig blutverschmiert war, war ihm gar nicht bewusst. Anna übernahm mit den Wachleuten das röntgen der Kinder und den Transport in die
Operationssäle. Doktor Mai informierte der in der Zwischenzeit, den gerade eingetroffen medizinische Nottransporter, um Mayer in das Militärkrankenhaus in Berlin zu bringen. Der begleitende Arzt, des Transporters musste in den OP-Saal kommen, da Jacob dort um das Leben von Lyn kämpfte. Dort informierte ihn der Chefarzt, während er operierte, über das Geschehene. Der begleitende Arzt übernahm den Patienten und Reimund, der jetzt auch noch zusammen gebrochen war und flog mit beiden nach Berlin. Nach einem OP-Marathon von fast vier Stunden hatten Jacob und Anderson, beide Kinder gerettet und stabilisiert. Beide lagen auf einen der Intensivbetten. Sneimy wie auch Lyn hatten schwerste Verletzungen davon getragen. Die Chance auf eine vollständige Genesung der beiden Kinder war minimal. Auch wenn Lyn nicht so viele schwere
Verletzungen davon getragen hatte wie Sneimy stand es um sie wesentlich schlechter als um den Jungen. Bei Sneimy gab es kaum einen Knochen den Mayer ihm nicht gebrochen hätte. Jacob hat in seiner Laufbahn als Arzt in der Unfallchirurgie schon einiges gesehen, solche schweren Verletzungen wie bei den beiden Kindern waren ihm noch nie untergekommen. Er gab beiden keine große Überlebenschance. Sneimy Rippen waren alle gebrochen, die Lunge war verletzt und er hatte einen Leber und Milzriss. Seine Nieren und auch sein Geschlechtsorgane hatten schwere Verletzungen abbekommen. Sein rechter Arm das rechte Bein, das Becken auf der rechten Seiten waren gebrochen. Selbst bei schweren Auffahrunfällen gab es selten solche dramatischen Verletzungen. Fassungslos stand der Chefarzt am Schreibtisch der Krankenstation, an der Schwester Doris die Verletzungen Sneimys in Krankenblatt eintrug. Bei Lyn sah es auch nicht viel besser aus.
Endlich kam Jacob auch etwas zur Ruhe. Er ließ sich nach der über fünf Stunden dauernden Operation, schwer auf einen Stuhl fallen, den ihm Walli hinstellte. Er legte den Kopf in den Nacken und versuchte erst einmal tief durchzuatmen. Die misslang ihm auf Grund der Schmerzen kläglich. Anderson kam auf den Chefarzt zu. "Fritz, darf ich dich bitte auch untersuchen. Chris sagte mir gerade, dass dich Mayer auch böse verprügelt hat, weil du dich schützend über Sneimy gelegt hast." Jacob nickte müde. Er war viel zu fertig um zu sprechen. Ihm tat jeder einzelne Knochen weh. Aber es waren alles nur schlimmer Prellungen, die er abbekommen hatte. Schmerzhafte Verletzungen, aber nichts Lebensgefährliches. Die Untersuchungen von Anderson ergaben, fünf seiner Rippen waren angebrochen und sein kompletter Oberkörper blutunterlaufen. Er hatte eine leichte Gehirnerschütterung und ein
angebrochenes Jochbein. Es gab Schlimmeres. Jacob könnte schreien vor Wut. Er konnte Mayers Wut ja verstehen, aber musste man die Kinder deshalb so schwer verletzen? Jacob war fassungslos, genau wie seine Mitarbeiter. Selbst die Wachmannschaft verstand das Verhalten ihres sonst immer so besonnen Vorgesetzten nicht. Im "Projekt Dalinow" war eine Stimmung wie sie schlimmer nicht sein konnte. Ilkas Tod ging allen an die Nieren. Noch mehr Probleme jedoch hatten die meisten, mit den schweren Verletzungen von Sneimy und Lyn. Traurig sah Jacob auf die Kinder. Die Mayer dermaßen zusammengeschlagen oder besser gesagt fast getötet hatte. Hoffentlich erholten sich die Beiden bald wieder. Bei Sneimy standen die Chancen auf Heilung wesentlich besser, als bei Lyn. Die hatte es, obwohl sie nicht so viele Verletzungen hatte wie Sneimy, noch viel schlimmer erwischt. Ihre Überlebenschance stand bei fünf
Prozent. Erst am übernächsten Morgen, kurz nach 9 Uhr kam Sneimy kurz zu sich. Völlig verstört, sah er den Arzt an. Der die ganze Nacht auf der Station zugebracht hatte. "Doko, woen nikyta. – Doko, ich wollte das Mädchen nicht töten", hauchte Sneimy mehr, als das er sprach. Jacob streichelte vorsichtig das völlig blutunterlaufene Gesicht des Buben. "Das weiß ich. Sneimy du kannst nichts dafür. Du hättest nichts tun können, um das zu verhindern. Das war ein schlimmer Unfall. Du musst dir keine Vorwürfe machen. Es ging einfach zu schnell", zärtlich streichelte er den Jungen, die Wange. Tränen kullern über dessen Gesicht. "Lyn?", flüsterte er ängstlich und genauso leise. Jacob zögerte mit der Antwort einen Augenblick. Er musste kurz überlegen, was er tun sollte. Mit dieser Frage hatte er gar nicht gerechnet. Wem nutze es, wenn er ihm sagte,
wie schlecht es wirklich um seine Freundin aussah. Deshalb log er ihn an und sprach mit fester Stimme. "Sie wird wieder gesund. Schlaf etwas, dann geht es dir bald besser." Sneimy drehte den Kopf zur Seite, um in das andere Bett zu sehen. Doch ihm fehlte die Kraft, um den Kopf zu heben. Fast eine Stunde brauchte der kleine Bub, um wieder einzuschlafen. Erst nachdem Jacob ihn etwas zur Beruhigung gespritzt hatte, fand dieser wieder Ruhe. Immer wieder humpelte Jacob hinüber zu Lyn´s Bett, um auch nach ihr zu sehen. Er war froh dass wenigstens Sneimy aus der Bewusstlosigkeit erwacht war. Inständig hoffte er das auch von Lyn. Obwohl die Chance gleich Null war. Lyn blieb in tiefer Bewusstlosigkeit auf dem Intensivbett liegen. Sie hatte schwerste Kopfverletzungen davon getragen, Jacob hoffte sehr, dass es zu keinen bleibenden Schäden
gekommen war. Nach reichlichen zwei Wochen konnte Jacob Sneimy entlassen. Zu seiner Verwunderung waren alle Brüche des Jungen verheilt. Selbst von den OP-Narben, war kaum noch etwas zu sehen. Sneimy hatte auch entgegen Jacobs Prognosen, keine bleibenden Schäden zurückbehalten. Wenn man von den psychischen Schaden absah. Immer wieder beteuerte der Bub unter Tränen, dass er Ilka nicht töten wollte. Die Schwestern berichten jeden Tag aufs Neue, d