Kurzgeschichte
Ikea

Der Imbus Schlüssel fällt zum zwanzigtausendsten Mal klirrend auf den Boden und ich versuche, diesmal gewaltvoll, mir endlich die verdammten Haare hinters Ohr zu klemmen. Ich klebe am Holz, die Schrauben kleben an mir und ich würde mir am liebsten die Kleidung vom Leib reißen. Allerdings hatte ich mich bereits bis auf die Unterwäsche entkleidet und so sehr ich meine Nachbarn schätze, alles will ich nun auch nicht mit ihnen teilen. Schritt 5 ist dran und endlich bin ich bei dem Moment angelangt, wo ich das Fehlen der entscheidenden Schraube bemerke. Laut fluchend schleudere ich die Anleitung in eine Ecke und stampfe kreischend auf den Balkon. Meine engelsgleiche Kreissägestimme wird mir vom Hof zurückgeechot. So. Nun wissen alle, dass es mal wieder so weit ist. Ich war bei Ikea.

Mein herallerliebster Mitbewohner hat den alljährlichen Kampfschrei vernommen und herzallerliebst, wie er ist, beschlossen mir zu helfen. Dies äußert sich darin, dass er auf meinem Schreibtischsessel Platz nimmt und mir lachend beim Herumkriechen und Fluchen zusieht. Wie gern ich ihn nicht habe. „Was ist denn das für ne beschissene Abbildung??“, mehr mit mir selbst sprechend als mit ihm, kratze ich mich mit meinem Lieblingswerkzeug am Kopf, dem Imbus. Krachend ramm ich die Holzstücke ineinander, so, wie ich mir das vorstelle und nicht wie Ikea mir das weismachen will. Zufrieden betrachte ich mein Werk. Als ich die erste CD in meinen angefertigten CD-Ständer stelle, bricht es krachend zusammen. Mein Mitbewohner bricht in Lachen und ich in Tränen aus. Nie wieder. Das sag ich mir seit Jahren. Nie wieder Ikea.

Am Abend kommt meine beste Freundin nach Hause und schafft es, aus meinen fabrizierten Trümmern ein brauchbares Gebilde zu schaffen. War doch gar nicht so schwer! Ich wisch mir den Schweiß von der Stirn und setz mich mit ner eisgekühlten Limo auf den Balkon. Oh, Malm, oh, Benno, oh Lack, warum macht ihr es mir so schwer??