Feminismus, Gender und andere Kuriositäten
Bei dem Begriff Feminismus schwirren uns vermutlich viele Bilder im Kopf herum. Von Demonstrationen zu gesellschaftlichen Themen wie Abtreibung und Co., bis hin zu provokanten Taten von Aktivesten, die bei den einen Zuspruch finden und bei den anderen nur Kopfschütteln und Unverständnis auslösen.
Viele Bereiche scheinen es gar nicht wert zu sein, dass man über sie spricht. Ist es nicht klar, dass Frauen die gleiche Bezahlung für die gleiche Arbeit erhalten sollten? Ist es nicht selbstverständlich, dass jede Frau ihre Sexualität ausleben sollte, wie sie es möchte? Ist es nicht logisch, dass Frauen, die gleiche Rechte haben sollten wie Männer? - Ich denke, hier würde jeder mit "Ja" antworten. Ich auch. Klaro! Aber warum ist es dann eben nicht selbstverständlich?
Auf der anderen Seite denkt man sich wohl bei manchen Sachen: Muss das jetzt echt sein? Ist es erforderlich, auf Ampeln Frauen in Kleider darzustellen? (Ist das eigentlich sexistisch? Schließlich können Frauen auch andere Kleidung tragen ... ach herrjemine ... man weiß schon gar nicht mehr weiter.) Ist es notwendig, eine feste Quote an Frauen in bestimmten Berufen festzusetzen? Ist es erforderlich, die Nationalhymne gendergerecht umzuschreiben? Gender. Wieder so ein Modebegriff. Was ist Gender eigentlich? Geht es da um Transvestiten? Man(n) weiß es nicht.
Je mehr man über diese ganze Suppe nachdenkt, stellen sich mehr Fragen, als beantwortet werden. Daher gibt es wohl schon eigene Studiengänge darüber. Die haben dann so stilschöne Namen wie: "Gender Studies and Queer Theory" usw.
Aber als Mann muss ich mich Gott sei Dank nicht darum kümmern. Das ist ja gar nicht meine Baustelle. Irgendwelche Damen werden das schon umkrempeln und am Ende werden sie alles haben, was sie wollen. Das gleiche verdienen, sich ausleben können wie sie wollen und alles zu ihren Gunsten drehen. Genau?! Ist es nicht das wahre Ziel! Frauen
wollen uns (Männer) etwas wegnehmen, nicht? Eigentlich geht es bei der ganzen Gleichstellungsthematik nicht um Gleichberechtigung, sondern darum dem Mann etwas wegzunehmen! Etwas wegzunehmen, das ihn ausmacht! Die Entmannung des Mannes! - Genau dieses Denken steht dem ganzen Thema Feminismus/Gleichberechtigung entgegen.
Die Wahrheit ist, dass Politiker - die
wirklich etwas ändern könnten (und oft männlich sind) - die klassische Rollenverteilung unterstützt und fördert (z.B. FPÖ in Österreich, CSU, AfD in Deutschland usw.). Weil irgendwo ganz hinten im Kopf eine Denkweise vergraben liegt, die versucht wird mit zum Beispiel "christlichen Werten" zu untermauern. Solange die eine Seite der Welt Angst hat etwas zu verlieren, wird die andere Hälfte nie das bekommen, was sie will.
Tja, eine üble Sache. Viele Frauen werden sich vermutlich Fragen: Warum sind denn bitteschön die Männer so dumm? Warum denken sie so? Warum glauben sie, es geht nur darum sie zu benachteiligen? Hier kristallisiert sich der vermeintliche Gegner der Gleichberechtigung: Der Mann an sich. Dabei ist er nicht das wirkliche Problem.
Die Ursache ist relativ schlicht und unspektakulär. Viele Männer denken so, weil sie es gelernt haben. Gelernt von wem? Von der Umwelt. Das schließt das weibliche Geschlecht mit ein. Geschlechte Stereotypen sind das wahre
Problem. Willkommen im Bereich Gender. Denn genau darum geht es.
Sex refers to biological differences; chromosomes, hormonal profiles, internal and external sex organs.
Gender describes the characteristics that a society or culture delineates as masculine or feminine.
(Quelle: http://www.med.monash.edu.au/gendermed/sexandgender.html)
Ich persönlich habe den Eindruck (nur meine Meinung), dass das Schlachtfeld von Feminismus oft nicht der richtig gewählte Ort ist. Anstatt Ampeln umzugestalten oder Nationalhymnen umzudichten, sollte man das Problem bei der Wurzel packen. Das tolle ist: Das können wir alle tun. Nicht nur Politiker, die über Einfluss verfügen.
Idealerweise beginnt das bei der Kindererziehung. Mittlerweile findet bei uns ein Umdenken statt. Beispielsweise wird versucht Spielzeug nicht mehr nach Geschlecht zu kategorisieren. Puppen sind weder weiblich noch männlich,
ebenso das Rennauto oder die Ritterburg. Ich habe mit ersteres in der Kindheit mehr gespielt und habe nicht den Eindruck, dass es mir geschadet hat. Aber auch andere Situation in der Kindheit sind richtungsweisend und sorgen oft dafür, dass wir Rollen nacheifern, die uns eigentlich nicht liegen oder sogar verletzen.
Wer hat als kleiner Junge nicht den Satz gehört. ,,Jetzt heule nicht herum, du bist doch kein Mädchen!" Auch wenn der Wortlaut nicht immer 1 zu 1 stimmen muss, kennen bestimmt die meisten solche Aussagen und klar: Diese Situationen prägen einen und auch, wenn sie verblassen, die Botschaft dahinter schweißt sich in unsern Kopf ein und wird zu einem ständigen Begleiter. Das ist beispielsweise ein Grund, warum es meinem Geschlecht oft so schwer fällt Gefühle nach außen hin zu vermitteln. Das wäre auch falsch, das dürfen ja nur Frauen …
Diese Situationen gibt es auf der anderen Seite natürlich auch. Mädchen dürfen sich nicht raufen oder andere "männliche" Dinge tun und sollen sich darauf freuen ihren Traumprinzen zu finden, der alles für sie tun wird und vor allem beschützen wird, der Felsen zum Festhalten. Botschaften die weder gut für Mädchen noch für Jungs sind. Denn schon hier werden unrealistische Erwartungen an andere und sich selbst geboren. (Wie viele suchen noch Mr. Right, der so vollkommen ist?)
Es mag sein, dass die Kindheitsjahre, die wesentlichsten sind, aber selbstverständlich ist es nie zu spät alte Denkmuster abzulegen, die uns eigentlich nur weh tun. Nur bemerken wir sie oft nicht. Ein Beispiel:
Eine Freundin von mir trennt sich von ihrem Freund und erzählt mir von ihren Beweggründen:
-Er verdient deutlich weniger als sie (= Er hat keine Ernährer-Qualitäten, zu wenig männlichen Ehrgeiz.)
-Er ist manchen Dingen zu sensibel (= Männer müssen taff sein.)
-Er zeigt kein Interesse an einer gemeinsamen Zukunft (eigentlich gemeint: er gibt die Richtung nicht vor) (= Mann muss der Navigator der Beziehung sein.)
Beziehungen sind natürlich ein ganz eigenes Thema, über das man viele Werke schreiben kann, aber hier sieht man doch recht deutlich, welche Werte hier im Vordergrund stehen und uns auch oft behindern. Eine Partnerschaft führen zwei Menschen miteinander, nicht "Mann" und "Frau".
Geht es eigentlich noch um Feminismus? Ich schreibe ja gar nicht nur über Frauen und deren Rechte. Die Antwort: Ja. Denn Feminismus bedeutet auch mehr Freiheit für den Mann. Denn es geht um das Auflösen von geschlechtlichen Stereotypen, von denen wir alle profitieren.
Viele männliche Kollegen haben Angst davor, dass diese Stereotype verschwinden. Denn was bleibt übrig? Eine spannende Frage, die man sich einfach einmal stellen sollte. Man braucht sich nur im Internet umschauen und wird feststellen, dass viele Männer sehr unglücklich mit ihrer gesellschaftlichen Rolle sind und sie es nicht zwangsläufig leicht(er) haben. Also warum zum Henker an etwas festhalten, was weh tut? Der Mensch scheint ein sehr sadistisches Wesen zu sein.
Feminismus ist nicht: Frau gegen Mann. Feminismus ist: wir alle gegen Anschauungen und Werte, die nicht mehr zeitgerecht sind.
Der richtige Kampf gegen geschlechtliche Ungleichheit wird nicht nackt mit Plakaten auf der Straße geführt. Er wird jeden Tag geführt, bei den alltäglichen Dingen des Lebens. Der Kampf beginnt dabei Kleinigkeiten zu verändern. Der Kampf beginnt mit Verständnis und den Blick nach innen.
Denn genau das ist Feminismus. Genau aus diesem Grund bin ich ein Feminist.