die seerosenfee
Nach einer ausgiebigen Wanderung durch den Wald entspanne ich am liebsten auf der Bank am Seerosenteich im Wald. So wie heute.
Einfach auf der grob gezimmerten Holzbank sitzen und die Libellen und Schmetterlinge beobachten, die über dem mit Seerosen bedecktem Wasser tanzen. Die Lunge noch voller würziger Waldluft.
Doch etwas ist seltsam. Das ist keine Libelle, die da über der Seerose
schwirrt. Vielleicht ein seltener Schmetterling?
Ich nehme die Brille ab, reibe mir mit zwei Fingern den Nasenrücken und setzte die Brille wieder auf.
Ich kann nicht glauben, was ich da sehe. Es ist eine winzig kleine Fee. Sie hat ein blau-grünes Kleidchen an, grüne Haare und himmelblaue Flügel.
„Na sowas!“, rufe ich erstaunt. Die kleine Fee verschwindet augenblicklich in einer Seerosenblüte.
„Du brauchst dich nicht verstecken“, sage ich. „Ich hab dich schon gesehen.“ Vorsichtig lugt sie aus der Seerosenblüte heraus. „Was machts du hier?“, will sie wissen. „Ich ruhe mich aus“, antworte
ich.
Anscheinend habe ich ihre Neugierde erweckt, denn jetzt flattert sie aus der Blüte heraus und setzt sich auf das Seerosenblatt.
„Ausruhen? Von was?“, fragt sie. „Vom Wandern“, lasse ich sie wissen.
„Was ist denn wandern?“ ist ihre nächste Frage. Ich erkläre ihr, es ist wie spazieren gehen, nur eben in der Natur. Erstaunt sieht sie mich an. „Und das machst du den ganze Tag?“
Ich muss lachen. „Natürlich nicht. Nur wenn ich frei habe und das Wetter passt.“ Aber anscheinend habe ich sie jetzt vollkommen verwirrt.
„Wie kannst du denn machen, dass das
Wetter passt? Und wieso frei? Wirst du etwa gefangen gehalten?“ Ich erkläre ihr weiter, dass ich nur auf passendes Wetter warte und es natürlich nicht machen kann. Dass es eben mehr Freude macht bei schönem Wetter zu wandern, als bei Regen. Und dass ich nur dann wandern gehen kann, wenn ich nicht arbeiten muss.
„Was ist denn arbeiten?“, unterbricht sie mich. „Nun“, versuche ich zu erklären. „Man macht für jemanden etwas und der gibt einem Geld dafür. Mit diesem Geld kann man sich dann alles leisten , was man braucht oder was man gerne möchte. Ein Haus, ein Auto oder auch mal einen
Urlaub.“
„Oder wandern“, ruft sie erfreut. „Naja, zum Wandern braucht man nicht all zu viel Geld“, erklärte ich weiter.
„Du hast also nicht viel Geld gebraucht, um durch diesen Wald zu wandern?“, fragt sie mich erstaunt. „Nein“, gebe ich lächelnd zu.
„Hmm“, macht sie schließlich. „Ihr Menschen seid schon seltsame Wesen.“ „Wie so?“, will ich, immer noch lächelnd, wissen.
„Du sagst, du musst Geld verdienen um dir Sachen zu kaufen, die dich glücklich machen. Aber, als du an diesen Seerosenteich gekommen bist, habe ich gefühlt, wie glücklich du bist. Ist es
nicht das Wichtigste, glücklich zu sein?“
Ich lasse mir diese Worte durch den Kopf gehen. „Ist es nicht das Wichtigste, glücklich zu sein?“
Ich fühle einen leichten Schlag auf meiner Stirn. Ein Tannenzapfen ist mir auf den Kopf gefallen. Ich mache die Augen auf. Habe ich das alles nur geträumt? Ich blinzle auf die Wasseroberfläche des Seerosenteichs, auf der sich das Sonnenlicht bricht.
Ich vermisse die kleine Seerosenfee. Aber ihre Worte werde ich nie mehr im Leben vergessen.
„Ist es nicht das Wichtigste, glücklich zu sein?“
(C) R.Schilling
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