?Frieda von Richthofen? Ihr Leben mit D.H. Lawrence. Lucas, Robert. München 1975

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?FRIEDA VON RICHTHOFEN? IHR LEBEN MIT D.H. LAWRENCE. LUCAS, ROBERT. MÜNCHEN 1975

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von pentzw
am 17.09.2025 - 13:19 Uhr
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pentzw  Sie haben pflegebedürftige Verwandte zu Hause? Es ist ein Märtyrium, das man erleiden muss, die Liebsten sterben zu sehen. Trost und Ansprache können Sie in dem Buch von „Söhne und Liebhaber“ von D. H. Lawrence finden. Es schildert die verwobene, verstrickte Bindung und Beziehung zwischen Mutter und Sohn, bei der keine außenstehende Person eine Chance hat. Nicht einmal eine schöne Frau.

„Söhne und Liebhaber“ ist ein eindringlicher Roman über die enge Mutter-Sohn-Beziehung, der seinesgleichen sucht und dessen Sog man sich bei nachvollziehbaren eigenen AbGründen nicht entziehen kann. Menschen, die Anverwandte zu Hause pflegen, finden sich in diesem Roman wieder, die Leiden, die Sorgen und Nöte. Die Liebe zur Mutter vereitelt die Liebe zu einer Geliebten. Die Problematik der Schwierigkeit einer zu engen Mutterliebe, zumal in solchen einem Fall, vereitelt jegliche Liebe des Sohnes zu anderen Frauen. Erst nachdem die Mutter gestorben ist, hat eine solche ein Chance. Es handelt sich bei D. H. Lawrence um Frieda von Richthofen.

D. H. Lawrence ist der Typus eines Schriftstellers, – ich weiß ich begebe mich auf glattes Eis – der „etwas zu sagen hat“, denn seine Geschichten sind erfüllt von vielschichtigen Charakterien und dementsprechenden ungewöhnlichen Handlungen und Plots. Die Literatur ist nicht verspielt, sondern erfüllt mit Leben, preisen den Menschen in der Natur an, schildern ihn als einen Teil derselben. Es kommt ihr nicht auf Magie, Verzauberung, im gewissen Sinne auf pour art pour art an, sondern um den Menschen. Zum ersteren Genre gehört etwa Franz Kafka, „Der Prozess“, oder Gabriel Marques, „Hundert Jahre Einsamkeit“, das natürlich auch seine Berechtigung, Reiz und Scharm hat. Meine Unterscheidung zwischen Literatur, die einem „verzaubert“ und diejenige, die einem „etwas sagt“, soll hier nur wertfrei verstanden werden.

Frieda Richthofen war bereits verheiratet, als sie ihre drei Kinder und einen angesehenen Professor-Ehemann mit großem literatur-fachlichen Ruhm verließ. Warum verlässt eine wohlsituierte adlige Ehefrau im streng englischen Kulturklima ihren Mann für einen noch unbekannten dahergelaufenen Arbeitersohn mit Literaturaspirationen? Ein bekannt gefährliches Unternehmen hinsichtlich sozialer Versorgung und gesellschaftlicher Akzeptanz. Oscar Wildes Beispiel war Warnung genug. Die englische gute Gesellschaft verzeiht keine gesellschaftliche Entgleisungen und meist müssen die Betroffenen ins Exil flüchten, so auch Frieda von Richthofen. Die Klassenbarrieren sind höher als anderswo.

Frau Frieda von Richthofen, adelig, heiratete von Deutschland nach England – ungewöhnlich. Ihr Bruder, ein gewisser Richthofen, war ein legendärer Flugzeugpilot-Held der Engländer, jeder Engländer, der von diesem deutschen Wüterich abgeschossen worden war, war stolz darauf - Engländer selbst durften keine englischen Heldenverehrung zelebrieren.

Frieda und ihre anderen Geschwister heirateten Männer, vor denen ihr nachgiebiger und großzügiger Vater stets ausdrücklich gewarnt hatte: „Ihr könnt heiraten, wen ihr wollt! … Vorausgesetzt, dass es kein Jude, kein Engländer und kein Spieler ist!“ Alle seine Töchter heirateten einer dieser Spezies. (S.19)

Das Zusammentreffen der Eltern D. H. Lawrence war nicht minder kurios. Sie entstammten zwei verschiedenen Klassen, die Mutter gehobeneren Standes, der Vater ein Minenarbeiter. Diese Frau verliebte sich nichtsdestotrotz in diesen berückend tanzenden, jungen, feschen Kerl, den Unkenrufen der Eltern zum Trotz. Dieser Grund wäre auch heutzutage noch ein Borderline-Symptom. Entsprechend herrschte eine eheliche Hölle, in der der Schriftsteller aufwuchs.

D. H. Lawrence, wie die meisten großen Denker und Persönlichkeiten, war als Kind sehr kränklich. Rührte daher seine starke Mutterbindung? Diese krankheitsbedingte Zurücksetzung und Quasi-Isolierung in der Kindheit könnte Ursache seine Wirkung auf andere haben. Er sei von einer starken Ausstrahlung und Aura umgeben, deren sich kaum einer entziehen könne.
In dieser Zeit und in diesen intellektuellen Kreisen scheint ziemlicher Mystizismus geherrscht haben. Visionär war er in der Aussage, der Erste ziehe einen noch schlimmeren Zweiten Weltkrieg nach sich, Grund darin seien die exorbitanten Reparationszahlungen. Darin hatte er entschieden recht.

War er ein Blut-und-Boden-Autor?
Er wäre ein „Blut-Visionär“ und einer der ersten Faschisten-Theoretiker, Aldous Huxley [„Schöne neue Welt“},
D. H. Lawrence hat jedoch keinen Nationalboden propagiert, die meiste Zeit in den Staaten zugebracht hat und von einem utopischen Eldorado geschwärmt.
Zwar werden die Menschen stark von ihren Leidenschaften getrieben, wie etwa in "Lady Chatterley", sein bekanntester Roman, weswegen es zu einem gesellschaftlichen Skandal und Gerichtsprozess kam, aber was damals revolutionär war, kommt mittlerweile biedermeierlich daher.
Wenn D. H. Lawrence einen Mythos gepflegt haben soll, dann der der Urgewalt der Sexualität, die sämtliche gesellschaftliche Konventionen sprengt. In einer rigiden Kultur um die Jahrhundertwende nicht nur Englands hatte er wohl recht gehabt und ungeheueres Aufsehen erregt. In einer eher aufgeklärten und liberalen Gesellschaft heutzutage kann man daran nicht mehr glauben, wie wichtig in der Tat eine ausgeglichene Sexualität für das seelische Gleichgewicht und körperliche Gesundheitsempfinden sehr wohl ist.

Beide postulierten die freie Liebe und offene Ehe. Sie kannten keine Eifersucht und vor allem sie genoss diese Freiheit mehr als er. D. H. Lawrence war nur in einer Hinsicht engstirnig: In seiner Forderung der Unterwerfung der Frau unter die Dominanz des Mannes. Aber eine Frieda von Richthofen unterwarf sich nicht. Für dieses Paar war das die Initialzündung unentwegter heftigster Streitereien. Meist sofortige Versöhnungsszenen folgten, als wäre Streit und Liebe zwei Seiten einer Medaille. Außenstehende schüttelten den Kopf.
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