Indianderkriege 03 - Die Sonnenblume

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INDIANDERKRIEGE 03 - DIE SONNENBLUME

Thema gestartet
von bujerl
am 05.11.2023 - 21:55 Uhr
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bujerl  Indianerkriege 03 - Die Sonnenblume
(Indianerkrieger weinen nicht!)

Irgend so einen Indianerkrieg hat es bei Uns immer gegeben, als wir Kinder waren. Winnetou und Old Shatterhand und so weiter wollte ein Jeder sein, irgendwann einmal. Ich auch. Wir Jungs und Mädchen vom LAWOG-Stamm und dem Stamm der Siebenbürger-Siedlung, wir standen uns sowieso immer gegenüber, schließlich lebten wir in diesem von der Politik geschaffenem Zustand. Und wenn wir gemeinsam Fußball spielten, dann herrschte Frieden.

Doch da gab es noch diese Zwillingsbrüder Stickler. Von uns die Neubauerstraße hinunter hatte ihr Vater Die Sticklerei, Metall-Be- und Verarbeitung vom Feinsten. Welcher Art auch immer? Beide in meinem Alter. Und die Zwei hatten immer irgendetwas gegen mich. Wenn ihnen irgendwann einmal irgendwie langweilig gewesen ist, dann haben sie mich ausgespottet. Sie haben zum Beispiel so gerufen: "Lothar, Eierdotter!" oder "Der Lothar Krist gehört am Mist!"

Ich weiß nicht mehr, wieso? Eigentlich gab es an mir nicht viel zu verspotten. Und ich habe sie ein paar Mal, sogar zu zweit, verdroschen. Doch so ein wenig anderer Typ Mensch bin ich wohl mein ganzes Leben lang gewesen.

Die Zwei haben irgendwie zu unserer LAWOG-Bande gehört. Sie haben mit uns Fußball gespielt. Und an diesem Tag, der Werner, war alleine. Der Walter war irgendwo. Und da hat es der Werner wieder einmal irgendwie übertrieben. Keine Ahnung mehr, wie!

Jedenfalls springt er auf sein Fahrrad und haut ab. Ich schnappe mir das Meine und düse hinter ihm her. Die Neue-Heimat-Gasse Richtung Neubauerstraße, und dann rechts in Richtung Sticklerei, also zu ihm nach Hause. Doch ich war knapp hinter ihm. Wenn er zur Türe gewollt hätte, dann hätte ich ihn erwischt.

Also fährt er weiter und biegt den kleinen Weg rechts ab, Richtung Fahrrad-Handel, unten an der Bundesstraße. Ich hinten nach. Dort hat der Grundbesitzer auf der rechten Seite Sonnenblumen angepflanzt. Riesenbiester. So Etwas gibt es heute nicht mehr. Der Blütenschirm gut einen Meter. Der Stamm fast zehn Zentimeter dick. Alle angebunden an einen Holzstamm. Doch so eine einzige nicht. Da hat irgendein besoffener Depp bei seinem Nachhauseweg in der Nacht den Stecken heraus gezogen und daneben hin geworfen. Ich hoffe, er hatte dann hinterher keinen guten Schlaf und schon gar keine lustigen Träume.

Der Werner sieht die Sonnenblume, die über den Weg hängt, also noch, hält sich an der Lenkstange fest und donnert durch. Ich sehe Nichts von diesem Mörderding. Und da kommt sie auch schon dahergeflogen und reißt mich vom Fahrrad. Der Weg geschottert. Ich lande im Tal der Schmerzen. Über den Oberbauch eine blutige Peitschenspur.

Werner lacht und vertschüsst sich. Ich habe an die zwanzig Kieselsteine in meinem Hintern und den Oberschenkeln stecken. Ich blute. Ich fahre mit den Händen den Hintern und die Schenkel runter. Zuerst nur vorsichtig. Nicht alle Kiesel fallen runter. Au weh! Also ein wenig fester. Au weh! Dann ziehe ich mir die Hose runter, und rubble meinen Hintern frei. Auuuuu! Alle Kiesel müssen raus, sonst kann ich nicht nach Hause zur Mama fahren. Und zu Hause vor dem Häuserblock da sind Nachbarn, und ein Haufen Kinder. Wenn ich da nicht auf meinem hinigen Hintern vorfahre, dann lacht mich mein ganzes Universum aus.

Also ziehe ich die letzten zwei ziemlich tief sitzenden Kieselsteine aus meinem Hintern heraus, und dann wage ich so einen ersten Sitzversuch auf dem Sattel. Also, wer so etwas nicht selbst genossen hat, der weiß nicht, von welcher Scheiße ich, so ein ehemaliger Indianerkrieger, da schreibe.

Einfach die Schnauze halten. Okay? Ich wackle also mit dem Fahrrad nach Hause. Mama ist zum Glück unten vor dem Haus und quatscht mit den NachbarInnen. Ein Haufen Kinder jeden Alters spielen auch herum. Die letzten Meter fahre ich aufrecht, wie ein Krieger. Indianer weinen nicht. Und: Indianer kennen keinen Schmerz!

Mama sieht mich kommen. Ich fahre vor, steige eiskalt ab, und sage: "Es hat mich geschmissen. Mitten in einen Schotterhaufen hinein." Dabei zeige ich ihr meine hinteren Oberschenkel und einen Teil meines Hinterns unter meiner Adidas-Hose. Sie guckt. Und ein paar der NachbarInnen gucken auch. Manche, die besonders neugierig sind, fast bis auf Körpernähe. Eine nimmt sogar ihre Brille ab, um es besser sehen zu können.

Mama: "Das müssen wir behandeln! Komm mit!" Wir sind dann zu unserer Wohnung in den ersten Stock hinauf gegangen, ich gehumpelt. Ich wusste schon, was nun kommen würde. Wie damals bei der Geschichte mit der Kanone.

Jod! Und dann habe ich zu weinen begonnen. Vor seiner Mama darf selbst ein Indianerkrieger weinen.

Copyright by Lothar Krist (05.11.2023 von 19.50 bis 21.50 Uhr)

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