Indianerkriege 02 - Die Schneeburg

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INDIANERKRIEGE 02 - DIE SCHNEEBURG

Thema gestartet
von bujerl
am 02.11.2023 - 00:18 Uhr
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bujerl  Indianerkriege 02 - Die Schneeburg

Der Winter 1967/68 oder 69 war fürchterlich. Ich weiß heute nicht mehr, welcher. Vor Weinachten hatten wir einen Schneesturm, Blizzard-Stärke, der bei uns zu Hause an allen Zäunen und freistehenden Häusern eine zwei bis sogar drei Meter hohe Schneewehe, zwei, drei Meter breit aufgebaut hat. Die ganze Gasse ab den Blees hinauf zu den Schwarz, drei Grundstücke links und rechts weiter war morgens meterhoch zugeschneit. Da ist der Blizzard wohl gerade durchgefegt und hat sich wütend ausgetobt.

Da meint einer der zugeschneiten Anrainer, keine Ahnung mehr, wer: Also, den Schnee werden wir wohl selbst wegräumen müssen. Bis die Schneeräumer der Gemeinde zu uns kommen, das dauert ein paar Tage. Die Bundes- und Landesstraßen gehen vor.

Wir Kinder stehen auch herum. Da meint der Phillipp zu mir und den anderen Kindern: Wir könnten mit den Ziegeln eine Schneeburg bauen. Und er schreit ganz laut: Wir bauen da neben dem Gartentor der Blees eine Schneeburg. Also räumen wir erst einmal den Platz da frei. Hey, Jungs, holt die Schaufeln! Es gibt Arbeit! Wir bauen eine Schneeburg!

Die Jungs holten alle alle Schaufeln, die sie auftreiben konnten. Und dann schaufelten wir den Schnee, wohin? In das Wiesendreieck vor unserem LAWOG hinein. Wohin sonst? Überall, auch dort, lag fast ein guter Meter Schnee.

Und dann schaufelten wir sie die Wilden. Die Erwachsenen waren froh, dass wir Kinder ihnen einen Teil der Arbeit abgenommen hatten. Und der Herr Wagenhofer, ein Hauptschullehrer, und später dann der Direktor, und so nebenbei auch noch der Organist unserer Katholischen Kirche in Hörsching, war stolz auf seinen Sohn Phillipp, der diese Idee gehabt hat.

Und der hat auch gleich bestimmt, wie groß die Schneeziegel sein müssten, die zum ausstechen sind. Ungefähr 50 x 50 mal 50, damit sie beim Transportieren nicht auseinanderfallen. Das war leicht. Der Schnee war fest. Ziegelfest. Ein paar Erwachsene haben dann auch beim Tragen mitgeholfen. Auch die Jungs und die Erwachsenen von der Siebenbürger-Siedlung waren begeistert dabei. Schließlich schaufelten wir ja ihre Straße frei. Die Häuser in der zugewehten Gasse links und hinten rechts die Schwarz waren Siebenbürger.

Die Burg wuchs, die Straße wurde frei. Oben drauf legten wir ein paar lange Bretter für den Hausbau, die im Winter Niemand benötigte. Und dann auf jeder Seite drei Zinnen darauf. Und die Burg war fertig. Und die Autos konnten wieder hin und herfahren. Und die Neue-Heimat-Straße haben unsere Eltern bis zur Neubauerstraße freigeschaufelt.

Wir haben Alle, Lawogger- und Siebenbürger-Indianer samt unseren Indianerfrauen in der Schneeburg Weihnachten gefeiert. Und dann Sylvester. Mit Kinder-Sekt oder auch nicht. Und auf einmal, da war wieder Indianerkrieg. IrgendEiner vom Siebenbürger-Stamm hat auf einmal gemeint: Das geht nicht, dass WIR vom Lawog-Stamm an ihre Stammesgrenze so eine Burg bauen.

Sie werden uns morgen nachmittag am Samstag nach Sylvester angreifen, und unsere Burg vernichten. Bitte, es war auch ihre Burg! Sie und ihre Eltern haben dabei mitgebaut! Mir war das nicht ganz geheuer. Doch, was konnte ich kleiner Indianer da schon sagen. Unsere zwei Jahre älteren Häuptlinge haben gemeint: Okay! Das wird eine Gaudi!

Da kam der Nachmittag. Vierzehn Uhr! Unsere Jäger und Krieger zogen aus, um den Angriff der Feinde schon in ihrem Gebiet aufzuhalten. Was sie auch siegreich geschafft haben.

Der Phillipp, der Erfinder und Ingenieur unserer Burg, ist zurückgeblieben, um die Burg eventuell zu verteidigen, falls sie von außerhalb kommen würden, was ja möglich hätte sein können. Wenn sie von hinten über das Feld und den Zaun beim Schwarz gekommen wären.

Kamen sie aber nicht. Doch der Graz Herbert ist gekommen. Er hat bei uns im Lawog gewohnt. Sein Vater? Keine Ahnung! Er hat auch in der VÖEST gearbeitet. Seine Mutter Siebenbürgerin. Also, so eine Art "Schläfer"! Was wir jedoch nicht gewusst haben, bis zu diesem Tag. Noch dazu war er nicht mehr Teil unseres Indianerkriegs. Er war schon über 18 Jahre alt. Mit dem hat Niemand gerechnet.

Er stürzt also zur Burg hin, springt hinauf, und reißt eine der Zinnen herunter. Und springt dann zur zweiten hinauf. Da kommt der Phillipp aus der Burg herausgeschossen, mit einer Schaufel in den Händen, und haut die Schaufel dem Herbert von Hinten ins Kreuz.

Die Rettung ist gekommen. Die Polizei. Mein Vater und der Herr Niederreiter, und ein paar andere Kollegen. Der Herbert hat auch heute noch deshalb oft Kreuzweh, und eine Narbe über dem vierten Lendenwirbel. Dem Phillipp ist Nichts passiert. Ein Unglück unter Kindern war halt.

Und die Mär' von der Geschichte:
Der Herr Wagenhofer war niemals wieder in seinem Leben auf seinen Sohn Phillipp soooo stolz. Das mit der Schaufel hat ihm gar nicht gefallen. Und wenn Ihre Tochter, lieber Herr Wagenhofer, die Sissy, ein wenig mit mir Langhaxen mitgewachsen wäre, so halbwegs wenigstens, dann wäre ich wahrscheinlich irgendwann zu Ihrem Schwiegersohn geworden. Schließlich habe ich mit ihr als Kind am Liebsten Mama und Papa gespielt, wie Sie ja wissen.

Copyright by Lothar Krist (01.11.2023 von 21.45 bis 23.50 Uhr)

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