Indianerkriege 01 - Die Kanone

0
Forum / Werbefenster / Veröffentlichungen auf mySTORYs

INDIANERKRIEGE 01 - DIE KANONE

Thema gestartet
von bujerl
am 31.10.2023 - 19:28 Uhr
Aktive Mitglieder:
bujerl  Indianerkriege 01 - Die Kanone

Ungefähr 1970 war. Ich pubertierte mich gerade 13-jährig durch das Aufklärungsdesaster dieser Zeit. Ich war eine Leseratte, die einfach Alles gelesen hat, was sie in die Finger bekommen hat. Karl May stand seit meinem 8. Geburtstag ganz oben auf meiner Freundschaftsliste. Meine Oma hat mir "Unter Geiern" geschenkt. Zuvor hatte ich schon die Winnetou-Romane verschlungen. Kein Winnetou-Film, den ich nicht ein paar Mal gesehen hatte. Und alle anderen Jungs in unseren zwei Lawog-Blocks und in der so feindlichen anderen Indianer-Stamm-Siedlung, eine von Siebenbürgern, waren auch auf demselben Trip. Und kein Mädchen weit und breit, das nicht freiwillig so ein wildes Indianerweib sein wollte. Und wenn sie es wollte, dann haben wir Indianermänner sie bei einem Überfall ganz brav dazu gezwungen.

Wir haben fast jeden Tag miteinander Fußball gespielt. Doch am Wochenende, oder in den Ferien, wenn wir mehr Zeit hatten, dann haben wir auch Indianer gegen Cowboys gespielt. Da haben wir auch schon einmal einen der anderen gefangen genommen, und an den Marterpfahl gebunden. Aber mehr als ein paar kleine Watschen, ein paar Kopfnüsse, ein paar nicht ganz so zarte Faustschläge in die Rippen, und so ein paar Ohrenzwicker war nicht. Und dann wurde Frieden gefeiert. Schließlich wollten wir ja wieder Fußball spielen. Unsere Indianerfrauen hätten lieber noch ein wenig weiter gemacht. Beim Fußball waren sie damals ja noch nicht dabei. Was war Das dann doch immer wieder für ein Gezeter. Nein, nicht Fußball! Spielen wir lieber noch ein wenig Krieg! Wir müssen auch noch gefangen werden!

Ja, so war Das damals mit den Frauen. Am Liebsten hätten sie mit uns Jungs den ganzen Tag lang Krieg gespielt. Es war ja nur so ein irre lustiger 68er-Kinder-Indianer-Krieg! Jeder wollte Winnetou oder Old Shatterhand sein. Also haben wir das gerecht aufgeteilt. Einmal die und einmal die!

Doch dann sind wir alle älter geworden. Wenn wir gerauft haben, dann wurden die Hiebe härter. Und ein paar der Älteren sind dann aus dem Ruder gelaufen. Und die haben ihre Größe und Stärke ausgenützt, um uns Kleinere zu traktieren, und zwar auch abseits unserer Indianerspiele. Und dieser um zwei Jahre, wie ich, ältere Unhold war so Einer.

Es war wieder einmal Krieg! Und Sommer war auch! Bei uns in den LAWOG-Blocks haben die meisten Väter in der VÖEST, dem größten Stahlwerk Österreichs, gearbeitet. Sie haben angefangen, in den Ferien mit ihren Kindern in den Urlaub zu fahren. In der Siebenbürger-Siedlung hinter uns war das noch nicht so. In der VÖEST haben die auch gearbeitet. Doch so ein Urlaub mit der ganzen Familie war nicht. Die haben auf ihren Grundstücken hinter dem Haus lieber gemeinsam gefeiert. Sparmeister hat man sie deshalb ein wenig verachtend hinter der Hand genannt.

Wir GROSSEN vom LAWOG waren also nur zu einem guten Drittel anwesend. Und da lässt dieser Unhold verlauten, dass sie mich am Samstag gefangen nehmen werden, und dabei werden sie unsere Burg auf unserem (gemeinsamen) Fußballplatz zerstören. Das hätten sie auch einmal heimlich in der Nacht machen können, doch Das war gegen unseren gemeinsamen Kodex.

Damals Ende der 60er-Jahre lagen in ganz Hörsching immer noch so Haus-Trümmerteile aus dem Krieg herum, von den Bombadierungen der Briten und der Amis. Der Flughafen Hörsching bei Linz war im Krieg ein Flughafen der NAZIS. Also wurde er samt Hörsching vor Kriegsende ein wenig bombadiert.

Die Häuslbauer haben nach dem Krieg diese Bombenruinen abgestierlt nach möglichen Bauteilen, und so ihren eigenen Hausbau billiger gemacht. Und von diesem Zeug lag auch bei uns noch eine Menge für das Hausbauen nicht geeignetem Schutt herum. Den hat damals noch kein braver und so grüner Herr Bürgermeister wie von Heute, wenn es denn sein muss, selber weggeräumt. Wir haben damit unsere Burg am Ende unseres Fußballplatzes errichtet. (Unsere Kinder von Heute tun mir echt leid!)

Und da war auch ein so gut 60 Zentimeter langes, 30 mal 30 dickes Mauerteil dabei. Mitten durch ein Wasserleitungsrohr. Vorne und hinten von der Bombe verbogen. Wir haben es immer vor den Eingang gelegt, wenn wir unsere Ruhe in der Burg haben wollten. Aber geholfen hat es Nichts. Wenn irgendjemand gekommen ist, dann ist er einfach drüber gestiegen. Oder sie. Unsere Indianerfrauen haben auch für Sauberkeit usw. gesorgt. Ein Lagerfeuer hatten wir auch. Irgendwer hat immer irgendwo ein paar Kartoffeln gestohlen, und alle haben sich ihre Knacker selber mitgebracht.

Also, WAS machen WIR? Die wollen Mich morgen gefangen nehmen, und foltern. Und sie wollen unsere Burg zerstören.

Da meint Herbert, unser Düsenthak, unser Erfinder, er wüsste da Etwas. Aber er muss es erst ausprobieren. Im letzten Micky Mouse Hefterl war eine Anleitung zum Bombenbau drinnen. Er müsste es aber vorher testen.

Also testet er, also wir. Er mischt im Keller Schwarzpulver, Staubzucker und ich weiß nicht mehr was, vielleicht Schwefelpulver und noch so ein Zeug. Keine Ahnung mehr, bitte, Das war ungefähr 1970. Und er füllt das Mörderzeug dann in eine Coca-Cola-Glas-Flasche, damals hat es noch keine Plastikflaschen gegeben. Und dann gehen wir zu dritt, der Herbert und ich und noch irgendeiner, ich weiß nicht mehr, wer, den Gehweg Richtung Hörschinger Wald. Nach gut fünfhundert Metern bleibt der Herbert stehen, er stellt die Flasche auf den Boden und steckt eine von ihm selbst gemachte Zündschnur oben in die Öffnung hinein und ein Stück weit ins Pulver. Wir anderen zwei stehen daneben und schauen interessiert zu. Herbert zündet die Zündschnur an und schreit: Lauft!

Wir laufen! Die Schnur brennt schnell! Wie ich über die Schulter schauend sehen kann. Sie brennt schneller als schnell. Und dann macht es:
BUMM? Es zerfetzt die Coca-Cola-Glas-Flasche und ein paar der Splitter sausen uns in den Arsch. Ich habe deshalb heute noch drei Narben auf dem oberen rechten Oberschenkel und eine kurz unter der kurzen Adidas-Hose, die ich damals angehabt habe. Ich habe immer Adidas getragen, nie Puma. Und etwas anderes gab es damals noch nicht. Der Herbert hatte nur zwei Splitter im unteren Oberschenkel, er war ein wenig schneller wie ich. Und der Dritte von Uns war, glaube ich, noch schneller. Er blutete nicht.

Die Bombe hat also funktioniert. Walt Disney sei Dank! Heute würde man ihn für so eine Information in einem Micky Mouse Hefterl an Möchtegern-Terroristen wahrscheinlich einsperren. Doch damals war das noch nicht so. Selbst die RAF war damals noch nicht ganz so weit. Aber den Walt Disney gelesen haben sie wohl schon.

Der Herbert hat dann gemeint: Die Bombe funktioniert. Aber für die Zündschnur darf ich nicht so viel von dem Pulver nehmen. Und aus dem Wasserleitungsrohr machen wir eine Kanone. Und dann hat er aus Leinenstoff drei längliche Säckchen gemacht, mit dem Pulver angefüllt, und eine Zündschnur hinein. Wir waren also vorbereitet!

Und dann hat die Siebenbürger-Indianer-Bande an einem Samstag-Nachmittag in der ersten Ferienwoche 1970 angegriffen. Ich saß mit drei ungefähr gleich Altrigen in der Burg, und vier oder fünf gut zwei Jahre Jüngeren, die die Hosen voll hatten. Am Liebsten wären sie alle gleich durchs Kukuruzfeld nach Hause gelaufen. Und ich war auch heiß. Ich wusste, wenn sie mich kriegen, dann wird das keine übliche Marterpfahl-Gaudi. Dieser Unhold ist heiß auf mich,
der will mehr.

Okay, kommt! Ich schieße Euch Eure Ärsche weg!

Der Herbert hat mit seiner Eisensäge am Wasserleitungsrohr vorne und hinten die verbogenen Teile weggesät, also vorne gut 30 Zentimeter und hinten gut 10 Zentimeter Rohr. Insgesamt mit dem Rohr im Betonblock gut ein Meter. Und hinten haben wir gut 10 Zentimeter Erde hinein gestopft.

Winnetou und seine Indianer griffen an. Wir waren die Cowboys. Wir verteidigten unsere Stadt. Und Wir Weißen hatten damals natürlich auch Kanonen. Also verstieß unsere Abwehrstrategie auch nicht gegen unseren Lawog-Siebenbürger-Indianer-Kodex.

Ich stelle also die Kanone auf. Ich schnappe mir ein Pulver-Tütchen und Herbert zündet die Zündschnur an. Sie brennt ganz zart. Ich werfe es ins Rohr, der Herbert schmeißt eine Handvoll Kieselsteine hinterher. Dann richte ich die Kanone auf die anlaufenden und so laut und wild brüllenden Indianer. Doch es tut sich Nichts. Doch ein Zischen ist noch. Ich senke die Kanone auf den Boden, beuge mich nach vorne, und will nachsehen, was los ist.

Bumm! Die Indianer blieben gut 10 Meter vor unserer Stadt stehen, fingen alle an zum Jammern. Nein, nur die Drei in der Mitte. Der Unhold war auch dabei. In ihren Schienbeinen, Knien bis zum halben Oberschenkel hinauf steckten die Kieselsteine. Ein Volltreffer vom Feinsten! Und dann zeigte ich ihnen ein zweites Sackerl mit Zündschnur. Herbert zeigte ihnen eine neue Hand voller Steine. Und sie zogen sich zurück und setzten sich dann ans Ende von unserem Fußballplatz. Um zu beraten. Großes Indianer-Sit-In. Palaver!

Und, - man stelle es sich vor, da kommt von Hinten aus dem Haus der Nizi herausgelaufen. Die Fußball-Eisen-Stoppel-Schuhe an. Seine Schritte klackerten über die Straße. Und er springt dem auf dem Boden sitzenden Unhold, der an diesem Tag der Winnetou war, mit einem Spitz ins Kreuz. Dann springt er über ihn drüber und läuft zu uns her.

"Tut mir leid! Ich habe ein Nachmittagsschlaferl gehalten! Der Knaller hat mich aufgeweckt. Tut mir leid, aber jetzt bin ich voll da!"

Er wollte ja nicht dabei sein, weil wir zwei einen Disput miteinander hatten. Er war böse auf mich, doch, bitte, fragt mich nicht, wieso? Ich habe es sofort vergessen, und wir waren wieder beste Freunde, wie immer. Doch Winnetou war für ein paar Wochen völlig hinüber. Schlimmste Kreuzschmerzen. Und ich, ich habe gewusst: Wenn Herbert's Zündschnur schneller los gegangen wäre, dann hätte ich den Indianern die Köpfe weggepustet. Ich hätte die Kanone nicht auf den Boden gestellt. Oder gar in die Augen?

Wahnsinn! Was waren Das doch für Zeiten? Ich hatte wohl immer irgendwie so einen Schutzengel an meiner Seite. Oder warst Du Das? DU, Unsere zu Uns Menschen immer so liebe Mutter Erde? Damit ich Deine wahre Geschichte schreiben kann?

Copyright by Lothar Krist (30./31.10.2023 von 20.25 bis 00.30 Uhr)

Vergangenes Jahr - Antworten
Einfügen
Thema abonnieren
8348
1
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung