Mama & Papa 04 - Die Schmugglerbande aus Hörsching

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MAMA & PAPA 04 - DIE SCHMUGGLERBANDE AUS HÖRSCHING

Thema gestartet
von bujerl
am 28.10.2023 - 23:03 Uhr
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bujerl  Mama & Papa 04 - Papa & Mama, diese Schmugglerbande aus Hörsching

Papa stammt aus dem bäuerlichen Grenzgebiet von Niederösterreich ins Burgenland. Scharndorf. Ein gut 400-Einwohner-Nest zwischen Regelsbrunn an der Donau und Höflein, und dann kommt schon Bruck an der Leitha.

Papa hat von seiner Großmutter das Bauernhaus mit über 3000 Quatratmeter Grund geerbt. Er hat einmal gemeint, er weiß eigentlich nicht, wieso? Nun, es war damals nach dem Krieg Nichts wert. Nur Arbeit. Ein altes und schon ziemlich hiniges Haus. Aber seine Kinderstube. Die Kinder wollten es erst gar nicht. Die waren sonstwie ganz gut versorgt, bekamen ein Feldgrundstück, das sie verpachten oder verkaufen konnten, und ein paar haben sich selbst ein Haus gebaut.

Und dann wurde dieses Scharndorf zu meinen Wochenenden und Urlauben. Wenn Papa, Gendarmeriebeamter, ein paar Tage frei hatte, dann waren wir in Scharndorf. Und die ganze Verwandschaft dort unten wurde zu meiner Sparkasse. Ein Zehner von Der, ein Silberner Fünfziger von Dem. Wenn ich von Scharndorf nach Hause gekommen bin, dann war ich immer reich.

Und gleich am Anfang des Ortes links den Weg hinein, da war unser erster Anfahrtsort. Die Tante Peppi! Und sobald wir draußen vor dem Tor vorfuhren fing Tera, die Kettenhündin, an zu heulen. Sie bellte nicht, wie sonst. Nein, sie heulte. Ich lief zur (damals noch) offenen Türe hinein, zu ihr hin, umarmte sie, sie schleckte mich ab. Und ich machte sie von der Kette ab. Ich beruhigte sie. Und dann erst umarmte ich die Tante Peppi, und gab ihr ein paar Kinderbussi.

Mama und Papa blieben eine Zeit lang bei der Tante Peppi. Der Onkel Willi, ihr Sohn, war auch oft da, wenn er in der Ölindustrie von Schwechat einmal frei hatte.

Und ich bin mit Tera, einer Schäferhündin, hinten aus dem Bauerngut hinaus gelaufen, Ohne Leine! Zum Teich. Und dort hat sie sich gleich ins Wasser geschmissen. Ich habe mich schnell ganz ausgezogen, und bin ihr hinterher gehüpft. Und dann bin ich mit ihr durch den Ort hinunter bis zu unserem Haus marschiert. Und sie hat keinen Mukser gemacht, wenn wir Jemanden getroffen haben, womöglich sogar mit einem Hund. Sie hat auf jedes meiner Worte gehört. Gegen Abend habe ich sie wieder den guten Kilometer zurück gebracht, und am nächsten Tag, da "gehörte" sie wieder mir.

Eine irre Zeit. Und die Sparkasse klingelte. Sieben den Krieg überlebende Kinder. Das achte, meine väterliche Großmutter, die habe ich nur einmal gesehen. Sie ist am 13. März 1938 vor diesem Spinner noch gerade rechtzeitig in die Schweiz geflohen, und dann weiter nach England. Dort hat sie als Hilfsschwester in einem Krankenhaus gearbeitet, und dabei ihren Mann, einen Neuseeländer, einen Piloten, dem die Deutschen ein Bein abgeschossen haben, kennen gelernt. (Eine andere Geschichte.)

Und alle, die kein eigenes Haus auf dem Land hatten, sondern in Wien gewohnt haben, durften hinten im ewig langen Garten Kartoffeln anbauen, und was auch immer sie so wollten. Und ein paar Kübel mit Obst bekamen sie auch. Bei uns war immer der Ofen an, und alle haben zusammengeholfen.

Marmelade. Säfte vom Feinsten. Marillen dieser Dimension habe ich später nie wieder gesehen. Große Faustgröße. Einmal, da hatten wir Besuch aus den USA. Mamas ältere Schwester mit ihrem Mann und den zwei Söhnen, war da, einer in meinem Alter, der andere zwei Jahre älter. Und ein Haufen Verwandter. Gut dreißig Leute.

Es gab eine kräftige Gemüse-Kartoffel-Suppe und dann Marillenknödel. Mama und ein paar andere Frauen haben gekocht. Der Toni, der Fredi und ich, wir haben ein Wettessen von Marillenknödeln veranstaltet. Jeder schaffte sieben. Der Toni, der ältere, hat dann auch aufgegeben. Das Festessen hat gut zwei Stunden gedauert. Jeder hat drei, vier von diesen Riesendingern vernichtet. Und Jede auch. Ich weiß heute nicht, wie diese Frauen damals so ein Festessen geschupft haben, ja, ich kann es mir nicht einmal vorstellen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich einmal länger auf Nachschub hätte warten müssen.

Und der Papa hat jedes Mal, wenn wir in Scharndorf gewesen sind, den Kofferraum mit gut 100 Flaschen Wein angefüllt. Dazwischen Decken. Und vorne bei mir hinten im PKW, einem Kadett, stapelten sich die Flaschen links unten neben mir, bis ans Sitzende hinauf. Dazu die Koffer, Taschen und Säcke. Der Wagen hing hinten fast bis auf die Reifen durch. Also Vorsichtl! Wir sind die ganze lange Strecke nur mit 80 km/h gefahren. Schilling 2 der Liter, Schilling 4 der Doppelliter. Zu Hause hat er die Flaschen dann um 8 oder 12 Schilling verkauft, an Verwandtschaft und ein paar gute Nachbarn, und ein paar Musikerkollegen.

Er ist immer vor der Haustüre vorgefahren. Und dann haben wir das Auto ausgeladen. Im Keller haben sich die Flaschen in einem Regal in mehreren Fächern gestapelt. Irgendwann hat Papa dann die Regale mit Decken zugehängt. Er war ja ein braver Dorfgendarm, und wusste wohl so mit der sich verändernden Zeit, dass er nicht gerade etwas Legales tat. Doch der Sprit nach Scharndorf ist herinnen. Selbst die Weinkäufer haben das verstanden. Und der Wein, egal ob rot oder weiß, er war immer vom Besten, und er war noch dazu viel billiger, wie in den Geschäften.

Und als dann seine Weinbauern nicht in den Glykosol-Weinskandal 1985 verwickelt waren, - das ist wieder eine andere Geschichte.

Der Zurucker, unser Ekel aus den zwei Wohnblocks, siehe "Mutter oh Mutter", dem der Papa natürlich keinen Wein verkauft hat, der hat den Papa, den Gendarmen, auf seinem Gendarmerieposten verpfiffen. "Da in Hörsching, da gibt es eine Wein-Schmuggler-Bande, und der Anführer ist Einer von Euch." Ja, genau so hat er es gesagt. "Der schmuggelt jedes Mal, wenn er ins Burgenland fährt, hunderte Flaschen mit seinem Auto nach Hause und dann verkauft er das Zeug sauteuer hier in Hörsching. Das muss das Finanzamt wissen! Das gehört verboten!"

Diese Anzeige musste vom Posten natürlich weiter geleitet werden. Aber der Papa hat es gewusst, und den Keller schnell fast geleert. Seine Kunden waren durch das Herumgerede vom Zurucker auch schon informiert, und haben für einen flotten Abgang gesorgt.

Ein paar Tage später kam dann die Finanzpolizei und inspizierte unsere Wohnung, und dann den Keller. 18 Flaschen rot, 12 Flaschen Weiß. Und gut 30 Flaschen diverse Säfte. Ebensoviele Marmeladegläser darüber. Und alle anderen Regale waren auch brav zugeräumt mit all den anderen Sachen, die sonst auf dem Boden herumgelegen sind, wie zum Beispiel unsere Luftmatratzen, meine zu klein gewordenen Fußballschuhe, Fuß- und Wasserbälle. Letztere natürlich aufgeblasen. Zu viel freien Platz vernichten, nennt man das. Hat meine Mama gemeint. Und wir haben auch in einer nächtlichen Aktion so um 21.00 Uhr, während eines guten Films, den ich eigentlich gerne gesehen hätte, die langen Blumenschüsseln vom Balkon für den bevorstehenden Winter in den Keller getragen.

Also, als die Bullen zu uns gekommen sind, da gab es Nichts zu beanstanden. Vater hat gemeint, der Winter steht bevor, Weihnachten kommt, und Sylvester. Die zwei Bullen haben genickt.

Und da sagt Mama auf einmal:
"Bitte, und ich habe auch für den Winter vorgesorgt, wie Ihr sehen könnt, siehe meine Einmachgläser und die Saftflaschen. Ich hoffe, die reichen bis ins Frühjahr. Bis in den Sommer hat es noch nie gereicht. Ihr müsst wissen, ich habe an meine Schwestern und Brüder auch ein paar Gläser verkauft. Aber ich hatte ja Ausgaben. Zucker, Einmach-Gelee, die Gläser, Flaschen, Rex-gummis, Stoppeln usw. Das ist gar nicht so billig. Sie können meine Hefte über die Ausgaben- und Einnahmen-Abrechnungen gerne sehen. Alle Verwandten kennen sie."

Da schrie der Zurucker, der die ganze Zeit hinten vor unserem Keller gestanden ist, - ein paar Nachbarn und Kinder standen auch neugierig herum - laut dazwischen: "Seht Ihr Es? Diese Bande hat auch Marmalade und Fruchtsäfte von Scharndorf nach Hörsching geschmuggelt."

"Ja, wir hören Sie, Herr Zurucker! Entschuldigung! Aber Sie sind ein Spinner. Das ist ein ganz normaler Keller. Der meine sieht auch so ein wenig aus. Aber ich habe für den Winter mehr Flaschen Wein eingelagert. Sollen WIR UNS jetzt IHREN Keller ansehen? Wenn Sie auch nur eine Flasche Wein mehr eingelagert haben, wie der Herr Krist, dann verhafte ich Sie!"
Das wollte der immer so auf brav tuende Zurucker dann doch lieber nicht.

Und dann sind sie abgeschwirrt, die zwei Finanzpolizisten.

Papa hat dann in der Wohnung oben zu Mama gemeint, ein wenig scharf: "Wieso hast Du Das sagen müssen?"
Mama: "Ich werde doch meinen Brüdern und Schwestern und auch ein paar Freunden die Kosten für die beste Marmelade und die besten Säfte weltweit verrechnen dürfen. Und genau Das hat Deine Kollegen überzeugt. Die wollten meine Hefterl gar nicht sehen."

Papa hat dann Nichts mehr gesagt. Er hat seinen Schnofel eingezogen und Mama ein Bussi gegeben.

Ja, Mama und Papa, so waren sie. Manchmal.

Copyright by Lothar Krist (28.10.2023 von 19.15 bis 22.20 Uhr)


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