Verbrechen wider Willen - XIX. Liebe ist nur ein Wort. Gift die Lösung.

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VERBRECHEN WIDER WILLEN - XIX. LIEBE IST NUR EIN WORT. GIFT DIE LÖSUNG.

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von pentzw
am 31.10.2021 - 21:28 Uhr
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pentzw  Der Vollmond stand wieder überm Hügel. Das bleiche, goldene Licht fiel ins Schwesternzimmer, eine kleine Suite im Schwesternheim des Krankenhaus. Im Bett, ein Konfektionsbett, schlicht, einfach, funktional, an der Wand mit einem Regal abschließend und für zwei Personen zu schmal, liegen Ernst und die Krankenschwester, beide halb ausgezogen, sie im Schlüpfer und BH, er in Unterhosen und Unterhemd.
Weiter kamen sie nicht. Einer war blockiert. Und das war Ernst.
Zunächst hatte es gut getan, das Streicheln von ihr. Sie hatte sich dabei ausgezogen, ihm befohlen, es auch zu tun, was er gehorsam befolgte. Welch ein erregendes Gefühl, als sie mit ihrer breiten Hand über seinen Rücken strich, seine Achseln streichelte und mit dem Finger von der Halsbeuge die Brust herunterfuhr, plötzlich aber schien ihn der Blitzschlag getroffen zu haben. Sie merkte es und zog Sich sofort zurück.
Wie war ihm geschehen, vorhin noch Wohlbefinden, jetzt einfach bloß reine Angst, die er daran spürte, daß sein Puls bis in seinen Ohren wie ein Presslufthammer hämmerte.
Ja, und jetzt blickte er auf seine Zehe, auf die große links und rechts; er schaute auch auf ihre. Es war beschämend, was er sah und fühlte. Er schmeckte auf seinen Lippen einen beißenden, salzigen Schweiß, der ihn in Strähnen über Stirn, Augen und Backen hinunter auf die Lippen floß. Zudem roch er auch ihren penetranten, widerlichen und abstoßenden Schweißgeruch.
Brechreiz erschütterte ihn. Er versuchte den Magen gewaltsam zusammen zu ziehen.
Er hatte es noch nicht mit einer Frau gemacht. Von daher war er ängstlich, verschüchtert und gehemmt wie eine Jungfrau. Kann man dies so sagen? Nein! Es war mehr, es war wie ein Kartenhaus, das wankte und drohte auseinander und ineinander zu stürzen. Wie ein Haus am Rand einer Uferklippe. Sogleich würde er die Balance verlieren und in den düsteren Abgrund poltern. Denn er war im Bewußtsein großgeworden, ein Solitär zu bleiben, im Zölibat zu leben, als katholischer Pfarrer eben, keusch und unbefleckt.
Aber hier nun drohte sein Lebensentwurf zu Ende zu gehen.
Die Krankenschwester andererseits zögerte und überlegte, ob sie einen Mann gegen seinen „Willen“ oder was immer es war, entjungfern sollte? Ein schwerwiegender Entschluß. Ein identitätserschütternder. Schließlich hatte sie sich entschieden, es wenigstens zu versuchen. Sie ging davon aus, daß sie damit Ernst einen Gefallen tun würde und an sich zu binden. Damit konnte sie ihn willfähriger machen und leichter gegen den verhassten Bruderarzt positionieren.
Hier nun aber, kurz davor, merkte sie, daß sie es einfach nicht konnte.
Aber Ernst war gleich dreigespalten.
Teils wünschte er, es einmal getan zu haben, teils empfand er dies als Sünde. Sicher, von einer Frau, im Puff hatte er sich schon ein paarmal einen blasen lassen, was er als triumphierender Akt der Männlichkeit empfand, schließlich ging die Frau vor ihm in die Knie. Nur die Aussicht bei dieser Art von Vereinigung zwischen den Geschlechtern wurde ihn schwach zumute. Mann, man begegnete sich auf gleicher Höhe, von Angesicht zu Angesicht und zudem war man sich so verdammt nahe, wenn man sich in die Auge schauen müßte. Das war eine ganz andere Sache als mit einer Hure im Puff.
Und dann der Druck seines Bruders.
Eigentlich wußte er gar nicht, weswegen er der Krankenschwester, die er eigentlich mochte und die er sehr sympathisch fand, ein Leid antun sollte, aber es war nun einmal der Bruder. Blut war dicker als Wasser.
Das Zünglein schlug zunächst mal in diese, mal in jene Richtung aus. Meist war sie in der Waage. Je mehr er aber zwangsläufig darüber nachdenken mußte, was er hier machte und wozu er von der Krankenschwester gedrängt wurde, welches in die Kategorie Böse einzuordnen ist, desto mehr schlug es in die andere Richtung aus, die da sagte: Nägel mit Köpfen machen! So schmerzhaft es auch sei. Und so blutig wie auch immer!

Sie lagen in horizontaler Lage nebeneinander, atmeten beide schwer und Ernst schaute sie von der Seite an. Wie eine heruntergekommene Hure sah er sie, die personifizierte Sünde, Verdammnis und Klarheit mit dem Kainszeichen auf der Stirn, das sagte, was sie vorhatte: dieses schmutzige Hin- und Hergevögle, wie er es von Pornos her kannte.
Dabei wußte er gar nicht, daß sie es auch schon mit seinem Bruder getrieben hatte. Er war nur getrieben worden von seinem Bruder ohne Ursache und Weil und Weshalb und nun von seinen Schuldgefühlen.
Sollte er das?
Nein!
Die Krankenschwester ging mittlerweile davon aus, daß es mit der Entjungerferung nicht klappen würde. Also war es Zeit, mit der Wahrheit ans Tageslicht zu kommen. Sie hatte sich vorbereitet, für den Fall der Fälle, der jetzt eintrat, hatte ihren fahrbaren Schreibtisch nahe ans Bett gefahren, auf dem der Computer stand, der bereits eingeschaltet war, als Ernst kam. Die entsprechende Web-Seite war auch online. Sie brauchte nur auf ihre Fernbedienung drücken und der Computer fing an zu laufen, die Seite sich aufzubauen und es lief ab, was sie eingestellt hatte und was sie jetzt tat.
„Schau mal!“
Ein Schädel, der sich in Exstase hin- und herbewegte über den Fahrersitz eines Autos, darunter ein dickhaarige Frau, deren Kopf sich auch bewegte, aber anstatt von links nach rechts, von oben nach unten. Dann bewegte sich die Frau weg, bis sie vollends aus dem Video-Blickwinkel ist und man nur noch einen aufrecht dastehenden, stark vibrierenden Penis gewahrt. Der Kopf des Mannes dreht sich um direkt in den Blick des Zuschauers und erstarkt. Sein Bruder.
Ernst ist entsetzt. Noch mehr verwirrt.
Aber als die Krankenschwester sagte: „Ja, das ist Dein Bruder. Und rate Mal, wer die Frau ist?“
„Hm!“
„Schwer zu erkennen. Schau es Dir noch einmal an. Schau auf die Haare. Kommen die Dir nicht bekannt vor?“ Und sie zupfte an ihren und zog sie immer wieder in Locken lang und kurz, kraus und gerade.
Ernst bekam allmählich einen Verdacht, wer die Frau war. Aber nein, das glaubte er nicht. Das war zu viel.
Zunächst war er in einem heftigen Impuls eifersüchtig auf seinen Bruder, dass er es mit seiner Liebe trieb, dann wütend auf die Geliebte neben sich, wollte es nicht zulassen, es verdrängen und in einer Kurzschlußhandlung stand er auf und sagte: „Moment mal!“, kramte aber geistesgegenwärtig in seinem Rucksack nach der Kulturtasche. Eigentlich wollte er sie im Schlaf überraschen, was er nun vorhatte, mit ihr zu tun.
„Mußt Du duschen?!“, fragte die Krankenschwester.
„Ja!“, stieß er dazu aus, erleichtert, daß sich eine Ausrede anbot.
Dann flüchtete er rasch ins Bad, schlug die Tür hinter sich zu und ließ sich vor der Kloschüssel auf den Kachelboden fallen, ungeachtet der zu erwartenden Knieschmerzen. Er beugte sich über die Wanne und würgte sich übergebend dahinein.
Mit der linken Hand erwischte er ein herunterhängendes Handtuch, um sich Bröckchen und Schleim vom Gesicht abzuwischen. Er atmete heftig, ließ wieder locker, übergab sich noch einmal, fühlte sich dann erleichtert und konnte sich erheben.
Im Täschchen befanden sich das kleine Serums-Fläschchen, das er öffnete und die Spritze, die er aus dem Einwickelpapier fummelte, wie sein Bruder gezeigt und geheißen.
Er verbarg die Spritze hinter seinem Rücken mit der Hand, als er mit der anderen die Badtür öffnete.
Sie lag in günstiger Stellung mit dem Bauch auf dem Bett und blätterte in ihrem Smart Phone. Er näherte sich ihr. „Bleib ruhig liegen, ich habe meine Medikamente genommen. Ich kann jetzt nicht gleich. Es dauert eine halbe Stunde, bis sie wirken.“ Es ergab in diesem Zusammenhang keinen Sinn. Trotzdem sagte sie „Gut!“, weil es schon seine Richtigkeit sein würde, ohne sich umzuwenden.
Sowie er sich aufs Bett gekniet hatte, spritze er ihr mit der Kanüle in die offene Bauchflanke.
„Was hast Du gemacht?“
In ihrer daraufhin erfolgenden Umdrehung warf er sich mit seinem Körper einfach auf sie und drückte sie samt Gesicht aufs Bett, so daß sie sich nicht mehr rühren konnte, um zu entfliehen, aber auch nicht um Hilfe zu schreien. Benötigten Hilfe und Notärzte waren in der Tat gerade nur um die Ecke.
„Du hast meinem Bruder schwer beleidigt, was Böses angetan, ich weiß zwar nicht, was, aber von ihm habe ich diese Spritze bekommen und die verdienst Du.
Die unter seiner Last schrie gepresst und atemlos: „Dein Bruder, dein Bruder hat mich jahrelang gefickt, kapierst Du das nicht?“
„Was sagst Du da? Das stimmt doch nicht. Er ist verheiratet!“
Er lockerte den Schraubstock ein bißchen, unwillkürlich auch vor Entsetzen.
„Aber ja, warum sollte ich lügen? Er ist ein Lügner, Betrüger, Ehebrecher. Jetzt hat er Angst mit den Ermittlungen zu der Erpressung, daß alles ans Tageslicht kommt. Deswegen hat er Dich dazu angestiftet, mich aus dem Weg zu räumen, damit er nicht in schlechtes Licht gerät und seine Ehe und Ehre einen Kratzer bekommt.“
„Was?“
Ernst ließ weiter etwas nach mit der Umklammerung, so daß sie mit dem Zeigfinger auf die Pinwand zeigen konnte.
„Siehst Du dort den rosa Zettel an der Pin-Wand?“
„Ja!“
„Darauf steht der Internetlink, die Portaladresse, das Video, das ich Dir gerade gezeigt habe. Schau es Dir genau an. Da siehst Du mich und Deinen Bruder, dann weißt Du, dass alles wahr ist, was ich gesagt habe.“
Freilich hat er auf dem Video nur eindeutig den Bruder erkannt, nicht aber diese Frau, mit der er es treiben sollte. Nur Evi, die Ehefrau, konnte man ausschließen, denn die hatte dunkle Haare, war breiter und voluminöser, sie hätte er bestimmt erkannt.
War es dann die Krankenschwester hier?
Ernst wurde es mulmig. Vielleicht hatte er falsch gehandelt? Aber es wurde mit jeder Sekunde weniger wichtig, weil die Krankenschwester sich bereits sterbend in heftigen Schmerzen krümmte.
Panik kam trotzdem: „Was habe ich getan? Was habe ich getan? Was habe ich getan!?“
Er ging ans Fenster, schaute in die weite Schlucht des sechsten Stockwerks hinunter, blickte in den Himmel, es war Abend, der Mond, obwohl noch heller Tag war, zeigte sich bereits, der Mond in seiner verschwommenen, silbernen Gestalt vorerst.
Als er sich umwendete, lag der Körper der Krankenschwester bereits tot auf dem Bett.
Hatte er recht getan?
Sie lag da auf dem Bett verbogen und verkrümmt wie ein Embryo und, wie es sich gehörte und wie man es machen mußte, spannte er nun ein Betttuch über sie. Er riss sich noch den Zettel mit dem Link von der Pinnwand herunter und warf einen letzter Blick auf die Frau, die er eigentlich sehr gemocht hatte, niemals nicht jemals eine Frau mehr „geliebt“ hatte – vielleicht Liebe? Was immer das sein mag.
Dann verließ er fluchtartig unter dem unbedingten Drang das Zimmer, eine Antwort von seinem Bruder zu erhalten, ob er recht getan hatte, diese Frau, diese Liebe zu töten - denn er wußte überhaupt nichts mehr, aber sein Bruder musste es wissen, er hatte ihn ja dazu gedrängt, er war ihm eine Antwort darauf schuldig, ob er recht getan oder sich schuldig gemacht hatte, weil, irgendetwas, er fühlte es nur wage, stimmte da nicht.
Er hatte einen Anspruch auf Rechenschaft, Aufklärung, Klarheit.
Und nur sein jüngerer Bruder konnte sie ihm geben. Das wußte er, wenn, dann nur dieser...
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