Verbrechen wider Willen - XVII. Rache ist süss

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VERBRECHEN WIDER WILLEN - XVII. RACHE IST SÜß

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von pentzw
am 01.10.2021 - 13:39 Uhr
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pentzw  Sie erinnerte sich, daß der Blonde das Video auf eine Website hochgeladen hatte, ließ sich dessen Namen vom Kriminaler geben und suchte im Internet nach der Website. Sie war pass erstaunt, daß ihr Gesicht nicht auf diesem Video erkennbar war. Rechtzeitig hatte sie sich schnell zurückgezogen und war aus dem Kameraausschnitt gewichen, ohne daß ihr Gesicht erkennbar gewesen wäre.
Das war gut.
Ihr Plan war klar.
In der Folgezeit heftete sie innerhalb des Krankenhaus auf schwarze Bretter Flyer mit dem Link dieser Seite. Desgleichen schickte sie Briefe mit diesen an die zwei Zeitungen vor Ort. Einen anderen an den Pfarrer der Gemeinde, war der Arzt und seine Familie doch tief verwurzelt in der dortigen religiösen Gemeinde. An die örtlichen Wohlfahrtsverbände, deshalb, weil sie vermutete, einige seiner Verwandten dürften dort in einem Seniorenheim untergebracht sein und der Klatsch und Tratsch war der beste Brandbeschleuniger. Sie bedachte auch das ein oder andere Geschäft in der Kleinstadt des Arztes.
Sie fürchtete sich natürlich vor der Reaktion des Arztes.
Sich ihm zu entziehen, war leicht gewesen zum Beispiel Mittags in der Kantine, wo stets viele Menschen zugegen waren. Sie mußte nur darauf achten, sich nur nicht allein an einen Tisch zu setzen, mochten es auch Fremde sein, aber immer so tun, als ob man zu ihnen gehörte; höchstens zwei Stühle Abstand halten, Hauptsache von fern als zu einer Gruppe gehörig erscheinend; das hieß auch stets lächeln, nicken und den Kopf und Rumpf zu anderen geneigt halten.
Bislang konnte sie sich ihm auch anderwärts stets entziehen, sowie sie ihn kommen sah, konnte sich dünnmachen und ausweichen, indem sie sich schnell zu anderen gesellte, oder sich bewußt ins Gespräch mit den Umstehenden stürzen, nicken, gestikulieren und bejahen, auch wo es unnötig erscheinen mochte, egal, nur um nach außen zu signalisieren, ich habe zu tun, ich bin umringt, es gibt Zeugen.
Er erwischte sie jedoch just in einer Ruheecke.
Sie wurde von hinten schmerzhaft an ihrem Arm gefaßt : „Hör auf damit!“ „Womit?“ Sie entriss sich dem Klammergriff, indem sie sich schnell herumdrehte.
„Du weißt ganz genau womit! Du bist es doch, die diese Schmutzkampagne macht. Mensch – ich hab schon genug mir allem anderen zu tun und als ob ich nicht genug Ärger hätte, kommst Du daher.“
„Oh, so ein Pech! Deine Frau lässt Dich wohl gar nicht mehr drauf, war sie sonst schon so etetepete im Bett gewesen!“
Ein Moment fürchtet sie seine Reaktion, aber gleichzeitig spürt sie Erleichterung, es endlich geschafft zu haben, ihn anzufahren.
„Das ist geringste Problem, aber schon schlimm genug, kann ich Dir sagen. Aber die Behörden, Steuer...“
Typisch, Er ist so dermaßen von sich eingenommen, daß er nicht einmal ihre ironische Bemerkung erfasst; Mittelpunkt der Welt, kreist um sich selbst, sieht nur seine eigenen Wunden, während andere vor seinen Augen verbluten. Und sie, nur kein Verständnis aufbringen, kein Mitgefühl für Sorgen entwickeln, kein Mitleiden für Wehwechen des kleinen Jungen spüren - endlich Schluß damit.
Jetzt stand sie im Mittelpunkt, ihre Rache im Fokus, ja R a c h e!
Warum?
Ausgeliefert worden diesen Brutalos, gedemütigt worden bis Mark und Bein hinein, geschändet und mißbraucht und er schaut weg, dieses Aas!
Ein langer Blick in ihr Gesicht, bis sich seine Miene plötzlich aufhellt, erfasste er doch plötzlich ihre Lage: „Du bist sauer! Du fühlst Dich angepisst – das ist es!“
Das war nicht alles, typisch, er erfasste es nicht.
Und doch!
Dieses Wort „angepisst“ schlug ihr ins Gesicht, weil es so wahr war dadurch, daß es ausgesprochen worden ist, noch wahrer und brutaler als alles gewesen war.
Ja, man hatte sie angepisst, und er sie obendrein auch, das ist es letztlich!
Das Wort „angepißt!“ stand jetzt im Raum, schwebte über sie, ein Damoklesschwert, daß jetzt auf ihre Häupter heruntergesaust kam.
In diesem Moment war die Trennung perfekt!
„Wie würdest Du das sonst bezeichnen?“ Keine Sekunde gab sie ihm Zeit zu antworten, geistesgegenwärtig redete sie weiter: „Aber Dir war und ist das gleichgültig, scheißegal, wurscht – ach, vergiß es!“
Er lange demonstrativ an seinen Hals. Als ob Abschürfungen von der Krause her sein Martyrium ihrem gleichstellen könnte. War aber nichts, nichts war am Hals zu sehen.
„Du weißt, mir wurde auch ganz schön übel mitgespielt!“, untermalte er seine wirkungslose Geste.
„Da sieht man aber nichts!“
Das war's auch schon, es war klar geworden: sein Lamentieren stand ihm nicht zu. Zudem auch, weil er der Mann war, der Gebieter, ihr Chefarzt, war diese seine wirkungslose, mitleidserheischende Geste so jämmerlich erschienen, daß es nur noch hochnotpeinlich war.
Alles passte einfach nicht mehr zusammen.
Hilflos wütend und ziellos empört stand er da.

Außerdem und wenn schon. Ha, alle hatten Federn lassen müssen, zweifelslos. Der Punkt war nur der, wie man mit diesem Leiden umging. Und da hatte er in seiner feigen Art, Du gehst mich nichts an, von mir aus können sie Dich Tag und Nacht mißbrauchen und notzüchtigen, alles zerstört und zerbrochen zwischen ihnen...
Dafür forderte sie Genugtuung, Widergutmachung, Bezahlung, aber nur in ihrer Währung. Mit Blut würde er bezahlen müssen, ihretwegen auch bis in den gesellschaftlichen, existentiellen Ruin und Zerstörung hinein, dieser Egoist. Nicht mehr war sie dessen dumme, kleine Krankenschwester mit Aufblick zum großen Gott Chefarzt, die sich Hoffnungen machte wie diese dummen Gören in diesen Groschenromanen.
„Du hast mir längst nichts mehr zu sagen,“, schrie sie ihn ins Gesicht. „Die Zeiten sind vorbei, daß ich Dich respektierte!“
„Was, was sagst Du da Dummes!“, und er stieß sie hinter ihr auf das Möbelstück in der Nische, auf dieses quaterförmige Sitzpolster. Die Nische war von Vorbeigehenden wegen großer exotischer Topfpflanzen nicht einsehbar, zumindest nicht, wenn man nicht senkrecht davor stand. Ein ideales kleines Versteck, um sehr privat und intim zu werden oder wie jetzt, Tacheles zu reden. Er setzte seine Knie auf ihren Bauch, die quer über das Polster lag, die Arme in die Taille gestemmt und schaute von oben herab auf sie hinunter: „Wie, was welche Zeiten? Als ob Du nichts davon gehabt hättest vom Bumsen, Du!“
Er merkte, er war zu laut geworden, senkte die Stimme und setzte damit fort, was es nur noch dringlich zu sagen gab, aber eindringlich und leise. „Wenn Du nicht Ruhe gibst, wirst Du mich kennenlernen!“
Plötzlich hörte man ein Quietschen. Es war die sich öffnende Tür der Sakristei anbei, der kleinen Kapelle des Krankenhauses. Wie von Geisterhand kamen ein Sarg herausgeschoben, hinterher ein zweiter und die wurden in den sich verflüchtigenden, schallenden Korridor zur Pathologie hin geschoben. Aus dem Hohlraum des Korridors kamen Fahrgeräusche echogleich und zweiversetzt zurück.
Sie warteten und lauschten diesem Geräusch, bis, was sie kaum sehen konnten, die Särge hinter braunen Schiebetüren verschwanden, die zusammengeschlagen wurden, als es das schaurige Schauspiel beendete. Mit diesem sehr dunklen Schlag, als wär es ein Startsignal, wandten sich beide wieder einander zu, wie zwei Ochsen, die den Kopf zum Kampf senkten.
„Du hast doch Deine Rache gehabt. Die Gauner sind tot. Was willst Du noch?“
„Dich! Dich will ich treffen!“, schrie sie ihn keine Sekunde zögernd an.
Erschrocken tat der Arzt seine Knie herunter, sie sprang auf, lief an ihn vorbei, um die Flucht zu ergreifen. Inzwischen hatte er sich wieder gefangen und brüllte ihr nach: „Du wirst ja sehen. Ich habe Dich gewarnt!“
Sofort machte sie eine Kehrtwendung und erwiderte im gleichen Tonfall: „Ja, das werden wir ja sehen!“
Der Arzt stand allein gelassen da und schäumte, fauchte und dampfte sprichwörtlich vor Wut, wobei seine Arme an seinem Körper als Zeichen der Hilflosigkeit herunterhingen, aber seine Hand, als Zeichen seiner Entschlossenheit, zu einer Faust geballt.
„Damit wirst Du nicht durchkommen!“, schrie er sich selbst zu. Sie war schon um die nächste Ecke verschwunden. Das Echo seiner Worte hallte in den langen, hohlen Räumen des Krankenhaustraktes wider, so daß sich der Arzt dabei auf einmal sehr einsam vorkam.
Doch einen Zeugen hatte er, wenn auch widerwillig und unvorhergesehen, den Priester, der aus der Kapelle mit seinem großen schwarzen Talar heraustrat und nun den Schreihals mit einem entgeisterten Blick anstierte.
Der Arzte drehte sich rasch um und starrte ostentativ aus dem Panoramafenster. Zum Glück vernahm er nach wenigen Sekunden das sich verflüchtende Rauschen eines Stoffes auf blankem Boden, begleitet mit einem leichten Hüsteln.
Ein großer, hutförmige Hügel. Auf dem Plateau lugten verdeckt hinter Bäumen Burgmauern hervor. Auf den Abhängen sah man große, dürre, kahlgeschorene Bäume des Herbstes, die ihre große Schatten auf den sie begleitenden Schotterweg warfen. Über allem stand der goldene Vollmond in einer seltenen Schärfe, glasklar und funkelnd wie ein Diamant.
Der Arzt schaute lange in ihn hinein, hypnotisiert, fühle sich sehr allein, mit einem Mal wurde ihm klipp und klar, was zu tun war.
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