Verbrecher wider Willen - XIV. Das Nachspiel

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VERBRECHER WIDER WILLEN - XIV. DAS NACHSPIEL

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von pentzw
am 07.09.2021 - 22:24 Uhr
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pentzw  Der Kriminaler, der für diesen Fall angesetzt war, krauste die Stirn, während er über den Unterlagen gebeugt war und als er sich erschöpft zurückwarf in seinen hohen Chefsessel-Lehne, schüttelte er den Kopf von links nach rechts.
'Was sollte man davon halten?'
Er war Hauptkommissar mit Fällen, die selten als kapital zu bezeichnen sind. Hier und da einmal einen Kaufhausdiebstahl, häusliche Gewalt, Suizid oder wenn's hochkam, ein richtig schönes Gewaltverbrechen im Asozialen-Mileu, das war's, was die Provinz zu bieten hatte. Und wenn es Spitz auf Kopf stand, dann schlug er sich immer noch auf die Seite der Mächtigen, der Stützen, der Entscheider und Bestimmer, so daß eine Anklage eine höchstwahrscheinlichere Trefferquote beschieden war. Daß dies seiner Karriere förderlich ist, versteht sich, da die Schwachen, wenn sie am Pranger stehen, weniger Mittel zur Verfügung stehen als die Reichen. (Wenn Sie nun an den Fall mit Blacky und dem Kaufhausdiebstahl denken, liegen sie richtig. Der dort erschienene Krimanler war diese Person hier.)
Jedenfalls, gegenüber dem sonstigen Kleinkram war doch dieser Entführungsfall eine andere Sache. Das roch regelrecht nach Lüge, Trüg und Täuschung und zwar im großen Stil. Er spürte dies wie das Wetter in seinen geschlagenen Knochen, daß das noch etwas Großes geben würde und der Fall abgründiger war, als es auf den ersten Blick vermuten ließ.
Da bei ihm das Sprichwort zutraf: Der Wunsch ist der Vater des Gedankens, darf man feststellen, daß ihn sein Ehrgeiz, Unausgelasstet- und Kühnheit nicht gerade zu einem systematisch denkenden Kopf stempelte, der langsam, aber unerbittlich zielführend war. Klar auch fühlte er sich an seinem Posten in der Pampa fehlt am Platz und für überqualifiziert. Diesen Hintergedanken ließ er nicht hochkommen, dazu war er zu professionell.
Aber sein Ansatz war immerhin richtig: zunächst an den Anfang der Erpressung kommen.
Wie begann die Erpressung?
Das hängt davon ab, welches Motiv dahinter steckte.
Und das Motiv war das am schwersten zugängliche Ding an einer Mordsache.
Nun gut, es gibt zwei Möglichkeiten:
Die Erpressung geschah
a) aus einer Verschwörung heraus
b) aus Zufall.
Beginnen wir mit dem am wenigsten wahrscheinlichen Motiv, wenn auch die am faszinierensten Variante.
Alle stecken unter einer Decke.
Hm, außer vielleicht der Krankenschwester, die keinen auffallenden Vorteil aus dieser Erpressung zieht, vielmehr das Opfer überhaupt war oder vorsichtig formuliert, das am meisten Haare und Federn ließ, kurzum, der am opfervollsten mitgespielt wurde. Wurde sie vielleicht mit Geld dazu verleitet, mitzuspielen, sich scheinbar zu opfern und zu schweigen – wenn eben alles stimmt, was die Beteiligten, vor allem dieser Arzt, sagte?

Fing es so an?
Die drei Verwandten saßen zusammen.
„Ernst sollte nach Berlin gehen!“
Die Aussicht, Ernst aus dem Blickfeld, aus der Kleinstadt, der näheren Umgebung zu haben, war eine schöne. Es hob die Stimmung am Tisch, denn jeden erfreute diese Vorstellung, am meisten natürlich Ernst.
„Nur, wie können wir das erreichen?“
Der Arzt hatte gesagt: „Da kommt mir eine Idee. Ich kenne da aus meiner Klinik zwei Drogenabhängige, zwei Kleinkriminelle und Möchte-Gern-Ganoven, mit denen man Pferde stehlen kann. Die machen wahrscheinlich alles, Hauptsache, sie können sich ein bisschen Geld verdienen.“
„Klingt interessant.“
Und schon steckten sie die Köpfe zusammen.
Diese verschworene Verbrecherbande stand nunmehr bestimmt vor diesem Problem: die Kleinganoven hatten keine Knarre, da es sehr schwer war in Deutschland, eine in die Hände zu bekommen, zumal für Drogenabhängige und allemal für Vorbelastete und Vorbestrafte. Aber richtige Entführer brauchten eine Pistole.
Also lieh der Polizist ihnen seine.
Das erklärte diesen merkwürdigen Sachverhalt mit der Pistole, hm.
Alle hatten doch damit gerechnet, die Entführung klappe und der Polizist bekomme bestimmt wieder seine Dienstpistole zurück und es falle bestimmt nicht in die Hände von polizeilichen Ermittlern nach so einem undenkbaren, unwahrscheinlichen Desaster.
Dann kommt aber noch hinzu? Wozu das viele Geld? Wer hatte ein Interesse an diesem, es war ja quasi ohnehin Familieneigentum. Hatte sich jemand verschuldet, war spielsüchtig, hatte eine Mätresse, außer der Krankenschwester. Hm, dann aber mußten nicht nur der Arzt, wenn der in Frage kommt, auch der Polizisten-Neffe einen guten Grund für das Geld haben.
Das wäre allerdings ein unwahrscheinlicher Zufall.
Jedenfalls, mit der Entführung und dem Gelderlös würden die Entführer zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen haben: Geldeinnahme und den unliebsamen Ernst und Bruder von der heimischen Bildfläche verschwinden lassen.

Zur zweiten Variante.
Gehen wir davon aus - der Kollege Polizist hatte dazu noch keine Angaben gemacht - er war so dämlich oder der Zufall wollte es, daß es so unglücklich lief, daß ihm seine Pistole irgendwie abhanden gekommen war. Oder geklaut worden, nein. Stellen wir das einmal hinten an.
Aber warum diese extreme Geldhöhe?
'Weshalb gleich solch eine hohe Summe von einer Million Euro erpressen? Wie kommen sie darauf, daß es möglich war? - Hm. - Sie haben diese Erpressung nicht geplant. Es wurde bestimmt keine Vorbereitung durchgeführt, keine Auswahl des Opfers getroffen, wie auch? Sind die zufällig am Cabrio vorbeigekommen und haben sich dazu entschieden, einen Menschen zu erpressen? Nur, was hat sie dazu bewogen? Ein Arzt muß auch nicht unbedingt ein Goldesel sein. Außerdem sieht man es keinem Menschen an der Nase an, daß er Arzt ist. Warum sind sie darauf verfallen, von diesem Doktor gleich eine Million Euro zu erpressen?'
Nochmal.
Zufällig entdecken die Ganoven also zwei Menschen gerade in einem Auto beim Sex. Anfänglich machen sie sich etwas lustig über die Beschämten, Entdeckten, Entblößten.
„Das ist doch ein gefundenes Fressen, was? Das ergibt einen fetten Happen? Die erpressen wir ein klein wenig. Das könnte sich lohnen, was Kumpel?“ „Hm, vielleicht hast Du recht? Das ist ein guter Anlaß, Sex im Auto, auf Video aufgezeichnet, ideal für eine Erpressung, hm!“ „Hm, meinst da springen ein paar Tausend Euro heraus, was!“ „Meine ich schon!“ „Wau!“ Wie gesagt, anfänglich ist es nicht ernst gemeint von den dahergelaufenen Kleinkriminellen, keine wirkliche Absicht, nur mal so ein klein bißchen Auf-dem-Busch-klopfen.
Aber einer der Entblößten verliert plötzlich die Nerven, der Mann, hier der Chefarzt, denkt, er würde wirklich entführt und treibt die Summe in die Höhe, nur aus Angst heraus, sein Fremdgehen könnte an die Öffentlichkeit gelangen; seine Karriere, sein Prestige, sein Status, den der ganzen Familie steht auf dem Spiel, und nicht zuletzt, wenn seine Ehefrau davon erfahren würde, wäre der Teufel los.
„Ihr kriegt so viel ihr wollt!“
„Vielleicht ne halbe Million?“
„Auch das, wenn's sein muß!“
Die beiden Zufallsentführer verschlägt's den Atem.
Sie starren sich an. So eine Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder, was?
„Ne Mille muß es schon sein?“
„Meinetwegen!“ Die Schweißperlen auf der Stirn des Arztes schimmern silbern.
Hauptsache es kam nicht heraus, daß er mit einer Krankenschwester, einer Untergebenen, einer Komparsin Sex im Auto gehabt hatte, was einen gehörigen Skandal verursachte, den er sich als Chefarzt und zumal als wohlsituierter Ehemann nicht leisten konnte.
War es so?
Oder war es diejenige, mit der der Arzt die Million Euro verprassen wollte, untertauchen mit ihr, ein neues Leben beginnen, die Krankenschwester - aber das ist doch zu abstrus. Schließlich hat er eine sehr gut bezahlte Anstellung als Chefarzt. Aber einmalig das Geld ausgeben, für eine Weltreise, eine Jacht kaufen, was immer? Welche Rolle aber spielte hierbei der Polizisten-Neffe?
'Na, dann hören wir uns einmal die Beteiligten an, was sie zu sagen haben!'
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