Der ultimative Heimatkrimi und Arztroman VII - Der Auserwählte

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DER ULTIMATIVE HEIMATKRIMI UND ARZTROMAN VII - DER AUSERWÄHLTE

Thema gestartet
von pentzw
am 08.06.2021 - 14:17 Uhr
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pentzw  Einer muß es ja tun...


Die Tatsache der Entführung verbreitete sich natürlich wie ein Flächenbrand, nicht nur im engeren, sondern auch im weiteren Umkreis der gut über 10 Prozent der umliegenden Dörfer und Ortschaften mit Familienmitgliedern im weitesten Sinne Verwandten. Der engere Familienkreis, wozu auch Tanten und Onkels zählten trat sofort zusammen. So trudelten in den geräumigen Essbereich innerhalb des weitläufigen Wohnbereichs die Nichte von der Stadtverwaltung, der Neffe vom Polizeipräsidium, aber auch die steinalte Haushälterinnen-Tante bei der Familie ein. Zur Beratung, zur Planung, zum weiteren Vorgehen.
Der Vater war vor lauter Schreck und Eile mit seiner weiß-rot-karierten Arbeitskleidung aus dem Keller ins Wohnzimmer gekommen, wo sie gerade eine Sau geschlachtet hatten,. Nicht einmal einen Anschiss hatte er von seiner Frau deswegen bekommen. Er hatte noch ein Messer und einen Wetzstein in den Händen.
Der Neffe von der Polizei, sowie er in die Wohnung trat, schrie: „Denen breche ich eigenhändig das Knack, wenn ich sie in die Hände krieg. Und glaubt mir, die derwisch ich!“ Alle im Kreis nickten glaubensselig.
Der Metzgermeister wetzte instinktiv Stein auf Stahl. Seine Schürze war blutbefleckt.
Das war zu viel. Die Stadtverwaltungs-Cousine runzelte die Stirn und seufzte. Alle schauten sie an. Was sie dachte, spiegelte sich in ihren Augen wider: das durfte man heutzutage nicht mehr sagen: Der Staat war doch jetzt demokratisch, menschlich, gegen Todesstrafe und all dies.
Die Mutter legte die Finger auf den Mund. Alle nahmen es wahr und senkten die Köpfe.
Zum Glück waren diese Worte nur im innersten Familienkreis gefallen. Jeder aber dachte, wünschte und hoffte dies natürlich inständig.
Nachdem gegen die Forderung zu bezahlen nicht der geringste Zweifel bestand – es wäre auch noch eine Null drangehängt worden – nahm man die Umstände der Geldübergabe in den Fokuss.
Darüber gab es nur einen Diskussionspunkt: sollte die Polizei eingeschaltet werden?
„Zu gefährlich!“ Also wurde die Polizei ausgeschlossen.
Sollte man sich um den abgestellten Mercedes Benz postieren, sich auf Lauer legen und warten, bis die Erpresser das abgelegte Lösegeld holen kamen? Erschien aber nur ein Verbrecher, was anzunehmen war, was war mit dem zweiten, der die Geiseln gefangenhielt?
Schwieg der gefasste Verbrecher wie ein Grab, wovon auszugehen war, so konnte der zweite den Geiseln Gewalt antun.
Eine schreckliche Vorstellung.
Besser vielleicht Abenteuer spielen, sondern mit gezinkten Karten, indem man die die Scheine des Lösegelds markiette oder besser Nummern aufschrieb, um dann später, wenn sie verwendet werden würden, die Gangster überführen zu können. Dann konnte effektive Fahndung stattfinden, behauptete der Polizistenneffe.
„Da konnte es längst schon zu spät sein!“, wandte einer ein.
„Trotzdem, das ist am Professionellsten!“, insistierte der Polizist.
Alle nickten widerwillig.
„Wer aber soll das Geld in den Mercedes legen?
Wieder schaute man sich betroffen an.
Langsam richteten sich alle Blicke auf einen.
Auf einen Bruder des Entführten. Dieser saß ahnungslos in der Runde und trank, schluckte, besser soff gerade seinen Kaffee im breit angelegten Kaffeetisch des Essbereichs in dieser weitflächigen Wohnung des großbürgerlichen Hauses am Rande der Kleinstadt inmitten dörflicher Umgebung.
Vor lauter Hektik, Unter-Druck-Gesetzt-Sein und Keine-Zeit-Haben schüttete er das Getränk mehr hinunter denn er es genoß.
Der Idiot der Familie, der Trottel, heutzutage als psychisch Kranker bezeichnet. Denn es war nicht so, daß alle in diesem Clan Karriere, Erfolg und Achtung geerntet hätten. Es gab einen, der es nicht geschafft hatte, der gar nicht ohne Medikamente, ärztliche und psychiatrische Versorgung hätte überleben können. Es war der, auf dem man herumtrampelte, den man vor anderen blamierte, zum Beispiel in der elterlichen Wirtschaft beim Bedienen: „Du Trottel, hast dem Falschen das Falsche hingestellt. Wie kann man nur so blöd sein?“, schalt ihn der Vater und der Stammtisch lachte dazu herzlich.
Musterknabe, Ministrant, sogar katholischer Pfarreranwärter – aber leider er am ersten Tag des Semesters eine Stimme gehört: „Mach es nicht. Du bist kein Pfarrer. Das ist nichts für Dich!“
Er war immer zur Stelle für jeden Verwandten im nahen und weiten Umkreis, gab es sperrige Möbeln in den Keller hinuntertragen, oder in die Wohnung hinauftragen, oder jemanden ins Krankenhaus bringen. Das Mädchen für alles; der Prügelknabe für jeden; der Hanswurst für alle.
Einen solchen brauchen alle, die Erfolg haben. Das Ventil, der Ausgleich, das Böse herauslassen wie bei einem Verengung vielleicht, ja, das brauchte man und alle.
Und er wurde zur heiklen Mission auserkoren, der älteste Bruder des Arztes.
Sowie er merkte, daß alle Blicke auf ihn gerichtet waren und was sie bedeuteten, nickte er devot:
„Ich mach's!“ Es klang so, als hätte er sich selbst ins Spiel gebracht.
Einige seufzten.
Würde er die Tour mit seiner trotteligen Art vermasseln?
Unter keinen Umständen.
„Es steht das Lebern unseres geliebten Bruders auf dem Spiel!“
Des geschätzten Onkel, Neffen, Familienvater, Ehegatten, Parteifreund, Kegelbruders, Parteimitglied, Klassenkamerad, Fasnacht-Jecken und sehr erfolgreichen Arzt. Mit solchen Exemplaren war man in Familie nicht besonders gesegnet, ja, erfolgreiche mittlerweile auf diesen Zug aufgesprungene Öko-Bauern, Verwaltungsangestellte und katholische Pfarrer - da glich ein beamteter Arzt in der Familie wie ein Quantensprung und Mutation in die richtige Richtung!
Solche Personen standen unter Artenschutz erster Ordnung.
„Was müssen wir bedenken, daß nichts schief läuft!“
Das war in der Tat die Gretchenfrage: Welche Vorkehrungen, Umstände und Zufälle mußten bedacht werden, daß Ernst, ein durch und durch lieber, hilfsbereiter und fleißiger Mensch, aber halt ein Idiot, nichts falsch machte, verflixt!?
„Aber vielleicht doch Erwin!“ Das war der Name des Polizisten.
„Der kann die Sache am besten händeln, falls unerwartet Probleme auftauchen!“
„Ich mach's sofort!“ Diese Aussage kam mich freudiger Sicher- und Resolutheit.
„Aber er hat Familie!“ Die Stimme einer Mutter drückte den natürlichen Überlebenswillen des Clans aus.
„Ernst schafft das schon! Er muß nur Geld in das Augo legen, danach sofort verschwinden! Hast Du gehört, Ernst!“
„Ja, natürlich!“ Wie immer gefügig, hilfsbereit und zu allem Ja- und Amen sagend.
Seine Füße scharrten unterm Kaffeetisch. Sein Blick machte eine Halbwendung hier- und dorthin.
'Endlich mal Tom Cruise spielen dürfen! In „Mission impossible“. Alle werden danach stolz auf mich sein.'
„Das mach ich! Das mach ich natürlich!“ , sagte er ganz bescheiden.
Mutter seufzte. Sollte ihm etwas zustoßen, würde er ihr wenigstens immer unvergesslich und unauslöschlich in Erinnerung und Herzen bleiben als der demütige Sohn, der er war. Und sie faltete unterm Tisch ihre Hände zum Gebet und warf ihren Blick auf das hölzerne Kreis an der Wand.
'Lieber Gott, hilf, daß er wenigstens diesmal nicht Mist baut!“
'Bitte, laß ihn nicht zum Opfer für die wenn auch gute Sache werden!' Dies die Worte der über 90 Jahre ältere Tante und Pfarrhaushälterin mit ihren weißen, totenblassen Händen.
'Mein geliebter Neffe ist doch der einzige Kümmerer in der Familie. Laß ihn heil aus der Sache herauskommen, bitte!'
Dabei fiel ihr Blick liebevoll auf das große, farbige Poster mit dem Konterfei des derzeitigen Papstes, das neben der Ausgangstür prangte. Jeder, der den Raum verließ, tunkte über dieses Papst-Bildnis seine Finger ins Kolymbion, woraufhin das danebentröpfelnde Weihwasser den Pontifex Maximum immer wieder aufs Neue taufte.
Jetzt trat ihm der Zwei-Meter-Polizisten-Neffe gegenüber. Sofort erhob er sich. Ihm wurde die Hand auf die linke Schulter gelegt, als vollführte die Queen einen Ritterschlag: „Das wirst Du schon hinkriegen, Ernst! Da bin ich mir sicher!“
Die Augen der ganzen großen, weitverzweigten Familie ruhte das erste Mal nur auf ihn. In den Augen spiegelte sich Hoffnung, Angst, Verzweiflung, Bestürzung...
„In Anbetracht der großen Herausforderung werde ich alle Mühe, Energie und Zeit für die Meisterung dieser schwierigen Herausforderung aufbieten, so daß ich die Erwartungen keineswegs nicht nur in diesen Punkten rest- und makellos erfüllen werde, sondern...“
Wäre man hellhörig genug gewesen, hätte man diese Politikerrede vollenden lassen. Aber man wurde mit Beginn dieser sofort unruhig und schaute sich despektierlich gegenseitig in die Augen.
Es war an Mutter zu sagen: „Ernst, jetzt mach mal einen Punkt. Du weißt, was Du noch zu tun hast. Mach schnell und bereit Dich gut, sehr gut vor!“
Wieder einmal entging leider der Welt eine brillante eloquente Rede ohne Punkt und Komma, aber nicht mehr lange, dann würde sie reichtlich davon hören dürfen, war sich Ernst sicher. Denn er hatte einen Plan.
Stolzgeschwellt und sicher bezüglich des Gelingens seiner Mission und seiner Aufgaben darüberhinaus verließ er den Raum, nicht ohne selbstverständlich mit gesegnetem Wasser den derzeitigen Papst zu beträufeln.


© Werner Pentz
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