Die Niederlassung - Flucht in ein Tal

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DIE NIEDERLASSUNG - FLUCHT IN EIN TAL

Thema gestartet
von pentzw
am 11.05.2021 - 17:38 Uhr
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pentzw  Im fremden Tal

Außer viel wildem Tier war das Tal aber von anderen Stämmen frei, so dass wir uns anschickten, darin Platz zu ergreifen. Es erstreckte sie sehr weit, welches von den Bergen umgeben war, in deren Höhlen wir unsere Behausungen errichten wollten. Unser Wunsch war es, da wir nun einmal unsere Heimat verlassen mussten, die neue Heimat genauso wie die alte einzurichten.
Aber die Umstände waren leider ganz anders. Wir mussten uns auf diese einstellen, wider Willen, was viele dazu bewog und solche Spuren hinterließ, dass sie nie mehr die Sehnsucht nach der alten Heimat verloren.
Die neue war nicht so wie die alte Heimat, sagten sie fortgesetzt. ?Ach, könnten wir doch zurück!? Welche Heimat auch besser sein mochte, die alte oder die neue, wir hatten uns in den neuen, besonderen Umständen unserer Zufluchtsstätte nun einmal einzurichten.
Das Wesentliche, worin sich diese von der alten Stätte unterschied, war die Beschaffenheit der Höhle. Es gab keine größere, nur kleinere, für nicht mehr als vier, fünf Personen geschaffene. Eine richtig große, geräumige Höhle, wohinein wir alle hätten passen und wir unsere Versammelungen hätten abhalten können, war nirgends zu finden.
Die vorhandenen Höhlen reichten nicht aus. So machten wir uns an die Arbeit und ans Werk, eine kleinere Ausbuchtung zu einer großen Höhle auszuscharren, zu hauen und zu sprengen. Alle Möglichkeiten, Werkzeuge und Menschen setzten wir aber vergeblich ein. Wir mussten erkennen und akzeptieren, dass die Steinbeschaffenheit in diesem Tal derartig hart und fest war, dass wir unmöglich eine dieser kleinen Ausbuchtungen zu einer größeren hätten ausschlagen, ausbauen und ausgestalten können.
Was soll?s! Einige schwörten zwar erhobenen, geballten Faustes oder inniger Handverklammerung oder weitgeöffneten Armes, dies nicht hinzunehmen und bei passender Gelegenheit und gebotener Stunde zu ändern, aber die Zeit drängte. Wir mussten uns erst einmal vorübergehend einrichten. Das machten wir schließlich auch. Danach geschah das fast unweigerlich und ohne viel Überlegens.
Die kleinen Auswuchtungen und Höhlungen gewährten nur Platz für wenige Personen, so dass sich zunächst nur ein Mann und eine Frau, also ein Paar dort hingesellten und einrichteten. Nachkommenschaft hätte ja noch Platz genug. Aber keine weiteren Paare. Die übrig gebliebenen Personen mussten zwangsweise im Freien, im Tal nächtigen und letztendlich dort leben.
Mochten auch einige dagegen sein und dem Geschehen Einhalt gebieten, so wurden sie nicht gehört. Sie meinten, die Einheit des Stammes würde zerfallen und wer nachdachte, musste zustimmen. Aber die Aufteilung und Zerstreuung dessen, was unseren Stamm ausgemacht hatte, begünstigte den Umstand, dass sich Pärchen bilden mussten, Mann und Frau und diese Form des Zusammenlebens nun unterstützten, ja vor allem unsere neuen Frauen, die es vorzogen, sich nur an einen Mann dranzuhängen. Deren Vorantreiben, die kleinen Höhlen zu besetzen und nur mit einem Mann zusammenleben zu wollen, ließ die Stimmen der Mahner in diesem Geschehen untergehen und ungehört verhallen.
So geschah es, dass wir uns in Pärchen, in kleinen Gruppen, später Familien genannt aufspalteten und versprengten. Unser Stamm zerfiel zusehends, zerfiel in kleine Gruppen und Familien. Die Veränderungen, die in der Folgezeit entstanden, konnten nur deswegen passieren, weil unser Stamm sich unweigerlich auflöste. Hätten wir zusammenhalten und ?sein können, wäre das furchtbare Folgende nicht eingetreten.
Die neue Form des Zusammenlebens schaffte neue Verhaltensweisen, aber es wurden auch Regeln für dieses Zusammenleben aufgestellt. Hitzig wurde darüber diskutiert, was jeder dieser kleinen Gruppen, Familien, tun durften und was nicht. Aber es wurde auch festgelegt, was für alle getan werden musste. Wie bei den neuen Höhlen etwa. So unterschieden wir bald zwischen Familien- und Stammesarbeiten.

Zerstreuung des Stammes

Wir verstreuten uns also in die umliegenden Berge, geteilt in kleinere Einheiten; ein Mann und eine Frau jeweils, dazu ein Kind. So thronte jede sogenannte Familie in ihrer Behausung, während sie von ihrem Zuhause aus, der kleinen Höhle, einen Blick auf das weite Tal werfen konnte, in dem sich noch Tier, Frucht, Beeren, Gemüse im ursprünglichen Zustand befanden. Nicht lange zwar, bis das aufgeteilt wurde in Bezirke, Parzellen, Schollen, Gärten, Ländereien, auf denen, von uns geschaffene, gepflegte und gehegte Anlegungen mit Beeren, Gemüse, Sträucher eingeteilt wurden. Zudem wurden Räume errichtet, die der Tierhäutung, -zerlegung und Fleischaufbewahrung dienten. Noch waren wir nicht imstande, eigene Tiere zu unseren Nutzen zu halten.
Jedenfalls gestaltete sich zusehends inmitten des Tales das gesellschaftliche, landwirtschaftliche und gemeinschaftliche Leben, auf das jeder einzelne einen Blick von seiner Anhöhe aus werfen konnte. So entstand von selbst ein natürliches Zentrum, inmitten des Tales.
In der neuen raumergreifenden Heimat bildeten die kleinen Höhlen in den Bergen friedensstiftende Oasen. Sie behüteten uns von oft gekannten Streitereien um Proviant, besseren Positionen zum Lagerfeuer, Reihenfolge und Zuordnung für die Jagdaufstellung und was es da mehr an tagtäglichen Kleinkrieg gab in einer Gemeinschaftshöhle, schließlich zielten die Handlungen des Einzelnen und trachteten immer mehr daraufhin ab, nur für seine kleine Einheit, Mann, Frau und Kinder zu sorgen. Die Sicherung des Überlebens der sogenannten Familie stand im Mittelpunkt des Lebens, nicht mehr der Stamm selbst. Es wurde schwieriger, dass der eine dem anderen etwas wegnahm an Platz, Position und Proviant. Dies war zwar nicht völlig ausgeschalten, da es anderswo und in anderen Fällen sich natürlich immer wieder Reibungspunkte boten, doch ließen die Rangeleien merklich nach.
Mit dieser Zerstückelung des Stammes und des sich mehr Kümmerns um seine Eigenen, seiner Familie hatte zur Folge, dass sich weniger Gelegenheiten mit anderen boten, die Zeit verstreichen zu lassen, indem man miteinander Streiterei und Zank austrug.
Damit entstanden freilich neue Probleme. Denn einige handelten besser, ertragreicher und besitzanhäufender als andere, was auch wiederum zu Unmut, Neid und Missgunst anderer führte.
Diejenigen begannen an sich selbst zu zweifeln und fühlten sich klein, mickrig und schwach. Doch es gab glücklicherweise Arbeiten, die nur gemeinschaftlich erledigt werden konnten, was wiederum für deren Auftrieb sorgte.
Noch bevor sich deswegen stärkere Konflikte bildeten, kam etwas anderes dazwischen, was gewichtigern Grund zur Klage verursachte.
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