Ich, der grösste Schafologe

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ICH, DER GRÖßTE SCHAFOLOGE

Thema gestartet
von pentzw
am 12.10.2020 - 17:34 Uhr
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pentzw  Meine Mutter und sie musste es schließlich gewusst haben, hatte mich ja immer schon vor Mädchen gewarnt.
In den letzten Jahren hatte ich zwar vermehrt Kontakt zu ihnen. Aber in jüngster Zeit verschwanden sie auch wieder so schnell wie sie kamen. Mir verwirrte sich bei diesem Wechselspiel ganz der Sinn.
Besonders interessant war es freilich, traf man erneut mit ihnen zusammen. Ich kann es mir zwar nicht erklären, weswegen ich immer derjenige bin, der sitzen gelassen worden war, doch würde ich niemals aufgeben.
Ich bot stets die denkbar ärgste Liebesmühe auf, sowie setzte alle erdenklichen Listen, Finten und Schmeicheleien ein, wieder etwas von der allzu entbehrten ehemaligen Zuneigung zu erhaschen.
Nicht nur, dass ich alles an ihnen toll, superb, fantastisch, umwerfend, hinreißend, hinwegspülend, einmalig, typisch, cool, geil, schön, lecker, ultra, ultimativ, massiv, produktiv, positiv, genial, super, unbeschreiblich weiblich, was weiß ich nicht alles, fand, meine äußerste Entblödung machte sogar davor nicht Halt, der Art eines Kavaliers gemäß, zu schwören, ihr es zu verzeihen, dass sie aufgehört habe, mich am meisten auf der Welt zu lieben. ?Das hindert mich ja nicht, dich weiter zu lieben!?, brachte ich es auf den Punkt.
Somit hatten die Mädchen natürlich freie Wildbahn, unbeschränkte Suhle und mussten nicht unter eines anderen Futterneid leiden.

Selbstvergessen rezitierte sie ein Gedicht: "Es ist nicht mehr diese in dir gesenkte Schwere."
Ich musste etwas sagen, musste Worte erheben, auch, damit ich das Gefühl bekam, dass sie mich jetzt überhaupt wahrnahm, spürte und hörte: ?Handelt es sich um einen Mann? Um mich vielleicht?"
"Es ist ein anderer."
"Wer? Sag es schon!", rief ich laut und empört. Denn Neid, Eifersucht, Misstrauen verbreitete sich wie ein Virus in meiner anschwellenden Blutbahn.
"Vielleicht nennst auch du mich einmal so...? Endlich wachte sie über meine vorlaut geäußerten kessen Worte wie aus Trance erwacht auf und rief verärgert: ?Du Schafskopf, das ist ein Gedicht von mir!"
"Oh! Daran hatte ich allerdings nicht gedacht.", vergrub ich mich reumütig wie eine Schnecke ins Hornhaus, weil man sie zu unsanft an den Fühlern gestoßen hatte.

Bald jedoch steckte ich wieder meinen Kopf aus dem Spiralenhaus hervor, um einer anderer Taktik folgend nun vorerst einmal Schuldgefühle zu wecken, wo da welche sein mochten.
So behauptete ich einfach dreist, sie liebe mich nur noch mit halben Herzen.
"Ach, Schaf!", enteilte meiner Verflossenen ein tiefer Seufzer.
Ich blieb am Ball mit der Unterstellung, ihr Herz sei ja mittlerweile von einem ganz anderen besetzt, in Schach gehalten und belagert, so dass für mich keine noch so kleine Kammer mehr frei sei.
"Am liebsten wäre mir natürlich, könnte ich euch beide lieben!?, räumte sie ein. Hoffnung und Jubel keimte in mir auf: auch für mich war noch ein Quadratzentimeterchen übriggeblieben.
Doch wie zur Warnung hob sie den Zeigefinger, das Mahnzeichen für die Schwachen und Kleinen: ?Wobei mir aber keiner fremdgehen dürfte!? Auch das wäre mir recht gewesen, Treue selbst unter diesen Umständen, wo ich sie nur halb hätte besitzen können. Mir wäre jede Bedingung Recht gewesen, nur um hin und wieder mit ihr zusammen zu sein.
?Aber, ach!?, seufzte sie nun und begann ganz offen die Treulosigkeit ihres Derzeitigen zu beklagen, während ich jetzt meine Chance gekommen sah und nicht unmüßig blieb, frech das Feuer für unsereinen zu schüren, indem ich zum Vergleich meine Person als die Bessere hinstellte.
"Ja, du bist mein treuestes und bravstes Schaf", gab sie mir Recht.
"Gell, und wie brav?!"
"Ja, so brav, dass du es allen zeigen könntest."
"Du meinst, ich könnte glatt meine Bravheit weitervermitteln, am Ende einen Lehrstuhl für Schafologie besetzen."
"Oh ja, dann fragst du die Leute, sitzen sie alle vor dir: Wer will auch so ein großes Schaf werden wie ich?"

copyright Werner Pentz
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