Kaminzimmer - Philosophie bei Glühwein und Spekulatius, Kerzenschein und Konfuzius

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KAMINZIMMER - PHILOSOPHIE BEI GLÜHWEIN UND SPEKULATIUS, KERZENSCHEIN UND KONFUZIUS

Thema gestartet
von LightningDream
am 20.11.2016 - 11:07 Uhr
LightningDream  Obwohl in der Rubrik Small Talk muss der Talk nicht immer small sein.
Es gibt unter uns sicher einige, die gerne ins Philosophieren geraten.
Mal angesichts von Texten der Mitautoren, mal aus Lebenssituationen heraus
oder aus dem aktuellen Weltgeschehen.
Es können Sinnfragen, Glaubensfragen, das Leben in all seinen Facetten sein.

Hier im Kaminzimmer, das wir uns gemeinsam einrichten können,
wäre das entsprechende Ambiente.
Flackerndes Feuer, knisternd und Funken sprühend.
Kerzenschein
Gemütliche Sitzgruppen
Spekulatius und anderes Gebäck
Tee, Cappuccino, Glühwein oder was immer auch

In den Kommentaren eines meiner Gedichte schrieb ich über die Faszination des Gedankes dass jeder Mensch eine ganze Welt in sich trägt. Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung - momentan sind wir bei 7.450.887.680 Menschen - eine unvorstellbar große Zahl von Welten. Nimmt man diesen Faden auf, gehören zu Welten auch Universen.....

Nur ein Beispiel, wie schnell wir ins Philosophieren geraten können
Vor langer Zeit - Antworten
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ArnVonReinhard  "Ich kann jederzeit behaupten, dass die Welt, so wie sie jetzt gerade ist, in dem Moment entstand, als ich aufwachte."

Das Problem an dieser Behauptung ist die Perspektive, denn sie stellt einzig und allein das ICH in den Mittelpunkt. Doch schon sobald man aufgestanden ist, stellt man fest, dass es noch andere Dinge in der Welt gibt außer dem ICH. Diese hat das ICH mit großer Sicherheit nicht erschaffen, nicht nur, weil es keine Erinnerung daran hat, sondern auch nicht dazu in der Lage ist, jetzt, nach dem Aufstehen, Dinge zu erschaffen. Also muss es noch anderes und andere geben - einige Dinge sind ja eindeutig 'bearbeitet' - und das bedeutet auch, dass es andere ICHS geben muss. Gibt es jedoch mehr als ein ICH, ist es unwahrscheinlich, dass jenes ICH alles Wissen besitzt um diese Aussage zu treffen, die ja genau das voraussetzt.

Denkt das Ich hingegen, dass es alles Wissen besitzt, ist dies ein unverhohlener Narzissmus, der, wenn er dazu weiterentwickelt wird, dass das ICH alles ist, leicht den Soziopathen entwickelt.
Vor langer Zeit - Antworten
LightningDream  Dass die tatsächliche Welt, in der wir leben, wahrscheinlich für uns alle gleich ist, will ich nicht bestreiten, wenn auch diese Aussage nicht bewiesen ist. Es geht um die innere Welt eines jeden Menschen. Das, was wir für die Welt, für die Wirklichkeit halten, ist nur besagtes Bild, das wir uns ganz individuell von der Welt machen. Jeder lebt in seiner Welt, die er durch erworbenes Wissen und Erfahrung für sich alleine erlebt, So nimmt ja auch jeder unterschiedliche Reize der Außenwelt auf, die er auch unterschiedlich interpretiert. Die Welten von zwei Menschen sind demnach niemals völlig deckungsgleich.
Peter Möller meint - für mich durchaus überzeugend - dass es tendenziell so ist: Je stärker Menschen miteinander verbunden sind, zeitlich, räumlich, ethnisch, kulturell, sprachlich, vom allgemeinen Bildungsniveau her etc. desto ähnlicher sind ihre Welten, je weiter Menschen in den eben genannten Dingen voneinander entfernt sind, desto verschiedener sind ihre Welten.

Ich würde noch gerne viel näher darauf eingehen, heute jedoch muss es genug sein. Ein Tag mit einer anstrengenden MRT-Untersuchung und einigem anderen, das noch als Damoklesschwert über mir schwebt verlangt seinen Tribut in Form von Schlaf.
Aber uns läuft ja nichts davon und hier im Kaminzimmer ist es gemütlich warm.
So stelle ich Dir noch einen Kaffee hin (diesmal aber koffeinfrei, ist ja schon Abend) und ein paar Kekse gibt es auch. Den Rotwein findest Du im Weinregal. Gläser, Korkenzieher usw. in der Vitrine. Ich bevorzuge halbtrockenen Dornfelder oder Valpolicella, manchmal darf's auch ein Frascati sein. Den Käse und das Ciabatta muss ich noch besorgen.
Alsdenn .... gute N8 :)
Vor langer Zeit - Antworten
ArnVonReinhard  Allerdings ist es auffallend, dass, wenn man den Blick geographisch und historisch Weitet, die Menschen überall und immer in vergleichbaren Situationen zu vergleichbaren Lösungen kommen. Dabei spielt es denn keine Rolle, ,ob die Situationen wirklich vergleichbar sind. Bestimmte Annahmen, Empfindungen für zu vergleichbaren Lösungen überall.

Oder wie Harald Lesch immer sagt (sinngemäß): "Es könnte auch alle ganz anders sein. Wir könnten falsch liegen. Aber da unser Vorstellungen so oft so gut ineinandergreifen, liegen wir auf jeden Fall ziemlich gut falsch!"
;-)

LG
AvR
Vor langer Zeit - Antworten
derrainer  wenn ich lese was du bzw. was peter möller sagt , so hat er mit seiner äusserung nicht unrecht , für mich ist seine aussage, ehr eine klassen aussage , des weiteren stimme ich avr zu ,
und damit wiederholt sich unsere geschichte immer immer wieder , es werden nur die darsteller ausgewechselt.
die tatsächliche welt ist für uns alle gleich , nur ist es nicht die welt , sie bleibt ihrer aufgabe treu , der mensch ändert seine sichtweise ,
ich hoffe , du sagst mrt , es ist nichts bedrohendes ,
gruß rainer
Vor langer Zeit - Antworten
ArnVonReinhard  Als alter Misanthrop würde ich sagen, dass der Mensch in der Welt das ist, von dem 'permanent' die größte Gefahr aus geht. Naturkatastrophen will ich natürlich nicht verharmlosen. Man denke nur an den Tsunami in Südostasien 2004(?). Aber das sind singuläre und begrenzte Phänomene,

Natürlich können die das Leben eines Menschen prägen. Betroffene leiden oft ein Leben lang. Jedoch muss man direkt betroffen sein, sprich: Zu der Zeit an diesem Ort gewesen sein. (Hinterbliebene können mit dem Tod eines lieben Menschen in so einem Fall so umgehen, wie sie sie es sonst auch tun würden. Die Last ist selbstverständlich groß, doch die Art und Weise ändert sich nicht im Vergleich zu einem anderen Tod.)

Etwas anderes ist es jedoch, wenn der Mensch ins Spiel kommt. Auch hier ist eine Naturkatastrophe als Beispiel herhalten: der Tsunami in Japan. Natürlich hat auch der große Schäden angerichtet, Zerstörung, Tod und Leid gebracht. Das dieses Ereignis jedoch NICHT singulär und begrenzt ist, das lag am Menschen. Ich meine hiermit die Katastrophe von Fukushima. Ich will jetzt nicht alle Einzelheiten aufzählen, nur so viel (zum Vergleich): In Deutschland wird nach einem Atommüllendlager gesucht. Anvisierte Einlagerungszeit: 1 Millionen Jahre! Und da ist nichts in die Luft geflogen. Und die (geschätzten) 190 Milliarden Euro (sic!) zur Räumung und Sanierung des Endlagers Asse sind da noch gar nicht bedacht.

Vielleicht wird es einem auch deutlicher, dass die Welt und gleich erscheint, weil sie gleich ist, wenn man extremere Beispiele heranzieht. Ich denke hier z.B. an den Grabenkrieg im I. Weltkrieg an der Westfront (die Ostfront ist noch weitestgehend unerforscht). Beschäftigt man sich damit, so wird man feststellen, dass die Erlebnisse, Vorstellungen, Gefühle etc. der Beteiligten ganz ähnlich sind. Naiv betrachtet würde man doch annehmen, sie würden sich unterscheiden, weil sie für unterschiedliche Seiten kämpften. Doch das spielte überhaupt keine Rolle. Dabei scheint es unwahrscheinlich zu sein, dass Millionen von Männern morgens aufgestanden sind und behauptet haben, die Welt sei gerade erst entstanden. Denn warum sollten - noch einmal - Millionen von Männern sich die gleiche verheerende Todeslandschaft vorstellen? Das erscheint weder logisch im Hinblick auf die Anzahl der Beteiligten noch, wenn man die Zerstörungskraft dieser vorgeblichen Vorstellung betrachtet.

Ja,ja, ich schwätze gern ...
;-)
Vor langer Zeit - Antworten
LightningDream  Macht es Euch gemütlich und philosophiert ein bisschen. Zu gerne würde ich mich lebhaft dran beteiligen. Aber ich muss erstmal meinen Befund aus der MRT-Untersuchung verdauen und morgen sehen, wie es weitergeht. Bis dahin ......
Vor langer Zeit - Antworten
Mondfeder  Der Hang das Leben zu überschauen ist in vielen dichterischen Werken zu beobachten

Und wann ich tot bin, ist das alles mein;
Die roten Sonnen, die gen Abend schweben,
des Rasens Schmelz, der schlanken Rohre Beben,
der Stufengang aus köstlichem Gestein.

Und sacht erschließt sich der smaragdne Hain,
dess‘ goldne Zweige zur Verschlingung streben;
in ihren Blättern glänzt ein eignes Leben,
kein Laut dringt in die stille Tiefe ein.

Ich gehe sprachlos die begrünten Gänge
Durch schweigender Gebüsche wirr Gedränge,
doch kein Gespenst folgt meinen Spuren nach.

In Rauch verwehn die wesenhaften Tale…
Du Heideland von blühendem Opale,
ich will dich schauen, wenn mein Auge brach!

Wolf von Kalckreuth

Mach, dass etwas uns geschieht!
Sieh, wie wir nach Leben beben.
Und wir wollen uns erheben
wie ein Glanz und wie ein Lied.

Rainer Maria Rilke

Mal schaun ob der Tod wirklich nur enthüllt was uns erfüllte ;-)
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LightningDream  Wer sind wir und woher kommen wir. Diese ewige Frage ist es doch, die uns Menschen immer wieder antreibt. Genauso wie das Bestreben, die Welt um uns und in uns zu begreifen und zu verstehen.
AvR, Du führst einige niederschmetternde Argumente ins Feld. Die Erlebnisse der Soldaten im Grabenkrieg waren erschreckend und gehören sicher zu der Sorte, die man so schnell wie möglich aus dem Gedächtnis streichen möchte. Dass dies nicht gelingt, wissen wir alle. Aber ich frage Dich jetzt - in dieser unserer Zeit - , wenn ein einziger Soldat mit dieser schaurigen Welt erwacht und mir, die ich keine bildhafte Vorstellung davon habe, erzählt, dass seine Welt gerade jetzt in diesem Zustand erschaffen wurde (will meinen, aus seiner Erinnerung heraus), was sehe ich dann? Habe ich so viel Phantasie, um mir genau diese Welt vorzustellen? Oder sehe ich die Welt mit meinen eigenen Augen, so wie sie mir meine Erinnerung schuf? Und selbst wenn ich mir des Soldaten zerstörte Welt vorstellen kann, ist sie noch lange nicht meine. Auch nicht wenn mir 1000 Soldaten das selbe erzählen. Davon wird die Aussage nicht wahrer. Das bringt mich wieder zurück zu meiner Behauptung. Ich kann Dir also erzählen, dass diese meine Welt gerade erst erschaffen wurde, als ich erwachte. Da Du sie nicht siehst, bestenfalls erahnen kannst, kannst Du mir auch nicht das Gegenteil beweisen. Umgekehrt kann ich Dir ja auch keine Argumente liefern, wenn Du selbst behauptest, dass DEINE Welt gerade erst erschaffen wurde.

Allerdings ist mir aufgefallen, dass sich in meinem allerersten Beitrag ein entscheidender Fehler eingeschlichen hat.

Zitat:
Ich kann jederzeit behaupten, dass die Welt, so wie sie jetzt gerade ist, in dem Moment entstand, als ich aufwachte.
Wer will mir wie das Gegenteil beweisen?

Es muss heißen, .....dass meine Welt......

Sei es drum, für mich wichtig ist, dass daraus ein spannender Austausch wird :)
Vor langer Zeit - Antworten
LightningDream  Die verschiedenen Kulturkreise, Bildungsniveaus, Sprachen und geographischen Gegebenheiten habe ich noch gar nicht angesprochen.
Nehmen wir das Wort "Exit" mal als Beispiel.
Wir Europäer mit lateinischer Schrift werden sofort begreifen, dass dieses Wort zum "Ausgang" von wo auch immer führt. Zumal die Schilder hierzu meistens einen grünen Untergrund, einen Pfeil und ein Strichmännchen als bildhafte Unterstützung beinhalten. Also sind diese Schilder Teil einer gemeinsamen Welt dieses Kultur- und Bildungskreises.
Die bildhafte Darstellung führt wahrscheinlich dazu, dass auch Menschen, die nur die kyrillische Schrift kennen, die Bedeutung dieses Schildes erkennen. Umgekehrt können wir diese Schrift " ????? " zwar nicht deuten, sehr wohl aber die bildhafte Darstellung. Also gehören auch die "kyrillisch Schreibenden" zum selben Kultur- und Bildungskreis. Es sei denn, die bildhafte Darstellung fehlt. Ist das dann schon eine andere Welt?
Wie ist es mit den arabischen Schriftzeichen? Das Wort "Exit" wird für einen arabischen Erdenbewohner, der ausschließlich die arabische Schrift kennt, keine Bedeutung haben, wie auch umgekehrt wir mit unserer Schrift mit diesen Zeichen ???? (=Exit) nichts anfangen können. Haben die arabisch Schreibenden deshalb eine eigene Welt, oder gehört diese der Welt der "nicht lateinisch Schreibenden" an.
Ebenso geschieht dies auch unseren ausschließlich chinesisch schreibenden Mitmenschen, die diese Zeichen erkennen
"??" aber nicht "Exit", das Richtung Ausgang laufende Strichmännchen aber auch deuten werden. Aber ohne letzteres wiederum einem anderen Kultur- und Bildungskreis zuzuordnen wären.
Gehören also chinesisch schreibende Menschen zur Welt der kyrillisch Schreibenden, oder unterscheiden sich diese nun wieder? Und wie ist es dann mit der bildhaften Darstellung? Vereint diese sowohl die "nicht lateinisch Schreibenden" untereinander, als auch diese mit den lateinisch Schreibenden?
Soweit, so gut. Was ist aber mit einem Pygmäenvolk, das überhaupt keine Schriftzeichen kennt? Auch keine Schilder und Srichmännchen. Wie ist deren Art der Verständigung und wie sehen sie ihre Welt?
Führen wir die vorhergehenden Überlegungen fort, so gehört das Pygmäenvolk zu den "Nicht lateinisch Schreibenden" und den "Nicht kyrillisch/arabisch/chinesisch Schreibenden. "Nicht lateinisch und kyrillisch Schreibende" sind aber auch die Araber. Haben also die Pygmäen und Araber eine gemeinsame Welt? Oder haben die Pygmäen und Russen eine gemeinsame Welt? Oder etwa die Pygmäen und Chinesen?
Damit wäre diese Überlegung ad absurdum geführt.
Was bleibt, ist die Frage, ob verschiedene Kultur- und Bildungskreise zu verschiedenen Weltbildern eines jeden Einzelnen führen. Ganz zu schweigen von geographischen Unterschieden.
Bin ich jetzt in einer Sackgasse gelandet?
Wäre es nicht wesentlich einfacher, sich vorzustellen, dass all diese Menschen nur die Augen schließen müssen, um ihre höchstpersönlich eigene Welt zu erfahren und zu erkunden. Sie mit der tatsächlichen Welt zu verweben ist nicht schwer.
Ach ja, ich kann das endlos drehen und wenden...... :-:
Vor langer Zeit - Antworten
Mondfeder  Diese meine Welt gerade erst erschaffen wurde...mh...ist es nicht eher nicht die eigene Welt die erschaffen wurde und strebt nicht jeder danach die vorgefundene Welt zu hintergehen...Rilke drückte das mal so aus:

Man kann gar nicht oft genug im Leben das Gefühl des Anfangs in sich aufwecken,
es ist so wenig äußere Veränderung dafür nötig,
denn wir verändern ja die Welt von unserem Herzen aus,
will dieses nur neu und unermeßlich sein,
so ist sie sofort wie am Tage ihrer Schöpfung und unendlich.“

Rainer Maria Rilke

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