Der letzte akt der totentänzerin
1. Die Totentänzerin
Tausende von Jahre wandelte ihre Gestalt über das Antlitz unserer Welt. Unbarmherzig und kalt wie der Stahl ihrer Schwerter brachte sie den Tod. Ihr erhobenes, vom Blut ihrer Feinde getränktes Haupt glich beim Morden dem einer anmutigen Tänzerin.
Man gab ihr viele Namen, doch aller Welt war sie als „die Totentänzerin“ bekannt.
2. Der Jäger
„Was ist an ihr so besonders?“ Fragte sie und sah ihm in die Augen. „Wie soll ich dir das erklären? Normalerweise sind Dämonen ihrer Art kalt, schwarz wie die tiefste Nacht und durchtränkt von unendlicher Macht. Sie hingegen man könnte sie eher mit der Abenddämmerung vergleichen, denn ihre Ewigkeit wirkt so vergänglich. Dennoch steht sie den Anderen in nichts nach, nein, ganz im Gegenteil! Sie ist am meisten gefürchtet und weitaus mächtiger als die Meisten von uns!“
„Du sprichst von ihr als wäre sie etwas
besonderes für dich, ist dem so?“ – „Ja, denn ihr gebührt meine Liebe. Einst habe ich geschworen sie zu beschützen, solange bis ein anderer an meine Stelle tritt.“
„Hat sie sich denn einen neuen Gefährten genommen?“ – „Nein, ich habe ihre Dienste verlassen um sie vor sich selbst zu schützen. Die Strafe des Verrats wird sie mir niemals verzeihen.“
Die alte menschliche Frau lächelte. „Du bist ein Monster, eiskalt und skrupellos. Würde man es dir befehlen so würdest du vermutlich deine eigene Familie töten und dennoch sprichst du so liebevoll von
ihr? Das verstehe ich nicht an dir, Jäger!“ Er sah ihr in die Augen, auch sie hatte in ihrem Leben viel Leid gesehen. Und die Totentänzerin, sie war nicht unschuldig daran. „Liebevoll? Und dennoch werde ich es sein, der ihr den Tod bringt.“
3. Auftakt
Der alte, verfallene Tempel am Ende der Welt. Dort, so erzählte man sich, war der Platz den sie ihr Zuhause nannte. Trotz dessen erwartete er nicht sie hier anzutreffen, warum sollte sie sich gerade heute nach ein wenig Ruhe von ihren blutigen Taten sehnen? Er war
überrascht als er sie aus den Ruinen des Eingangs auf ihn zuschreiten sah, das Haupt wie immer stolz erhoben.
„Niemals hätte ich erwartet euch hier anzutreffen, Totentänzerin. Doch nun erspart Ihr mir die Suche nach Euch. So tanzt mit mir den letzten, euren, Totentanz!“ Entschlossen ergriff er seinen Bogen, spannte die Sehne und richtete ihr die Spitze seines Pfeils entgegen. „Verräter…“ Hallte ihre Stimme von den Ruinen wieder ehe sie ihre Schwerter erhob.
4. Der letzte Akt
Steine rieselten von den Trümmern des Tempels herab, die Außenwände waren bereits in sich zusammengefallen. Immer und immer wieder flüchtete sie vor dem Pfeilhagel des Jägers, schwang sich an den stählernen Pfeilen entlang um seiner Reichweite zu entgleiten. Ohne hast trieb er sie in die Enge, so geschickt, dass nicht einmal sie es zu bemerken vermochte.
Auf einem der Stützpfeiler thronend, die Arme ausgebreitet sah sie ihm mit vernichtendem Blick entgegen. Niemals, niemals würde sie ihm verzeihen! Denn er hatte sie erst in diesen Wahnsinn
getrieben. Bitteres Lachen erfüllte den Kampfplatz während die Sonne im Westen versank.
Der Jäger, das Opfer, Entschlossenheit. Ein Pfeil schoss durch die Luft, die Sehne sprang in ihre ursprüngliche Form zurück, der Bogen wurde achtlos beiseite geworfen.
Zwei Schwerter verfehlten ihr Ziel, trafen ins Nichts.
Ein Dolch traf auf Widerstand, eine Träne glitzerte im Licht der untergehenden Sonne, ein Moment der
Stille.
Blut breitete sich um den am Boden liegenden Körper aus. „Hieß es nicht, Ihr währet unsterblich? So hatte ich recht, eure Ewigkeit ist vergänglich…“ Sie hustete, Blut sammelte sich in ihren Mundwinkeln. Er kniete sich zu ihr nieder und wischte das Blut von den totenbleichen Lippen. „Doch genau darum liebte ich Euch, bis zum Schluss.“ – „Sprich nicht von mir als sei ich bereits tot, Verräter!“ Ihre Stimme war kaum mehr ein Flüstern. „Um Euch vor euch selbst zu schützen verließ ich eure Seite, nicht um Verrat zu
begehen!“
„Warum?“ War die letzte Frage die sie ihm im Leben stellte, er hob ihren Kopf an und küsste sie sanft. Die letzten Sonnenstrahlen verschwanden hinter den Tempelruinen.
Der Dolch hatte ihr Herz durchbohrt, niemand anderem hätte sie gestattet sie zu töten. Bis zum Ende hatte sie die Fassade der todbringenden Tänzerin aufrecht gehalten.
Er umfasste ihre Hände welche immer noch die Schwerter umschlossen hielten und durchstach sein eigenes Herz. „So
wie du durch meine Hand starbst, will ich dir durch deine Hände in den Tode folgen…“
5. Totentanz
Die Musik verstummte, der Tanz endete.
Gemeinsam bis in den Tod, das wahre Ende des Totentanzes.
Es verklang das Lied, welches der Sensenmann ihnen spielte