Beschreibung
Was passiert mit den Menschen, die zu gut für die Hölle, aber zu böse für den Himmel sind? Richtig! Sie erhalten in der Zwischenwelt Mudiles eine zweite Chance um der Hölle zu entgehen und als Engel anerkannt zu werden.
Prolog
„Prolog“
Ich habe mir den Tot immer ganz anders vorgestellt. Ich dachte, dass in dem Augenblick in dem mein Herz aufhört das Blut durch meine Adern zu jagen, die schönsten Momente meines Lebens an meinem inneren Auge vorbei ziehen wie ein Film. Ich hätte mein erstes Date gesehen, meinen ersten Kuss, mein erstes Mal, meine Hochzeit, die Geburt meiner ersten Tochter, ihre ersten Schritte, ihre ersten Worte und so ziemlich alles was ich mit ihr und meinem Ehemann in Verbindung brachte. Danach hätte sich die Himmelspforte für mich geöffnet und ich wäre ins Paradies eingetreten. Jetzt muss ich feststellen, dass ich bestimmt nur viel zu naiv war um die Wahrheit zu erkennen. Obwohl ich wahrscheinlich schon längst Tot war als das Auto vor mir meinen Körper gegen die nächstbeste Mauer presste, fühlte ich noch Sekundenlang den Schmerz, der meinen Körper durchbohrte. Das hört sich zwar nicht nach viel an, kann einem aber wie eine halbe Ewigkeit vorkommen, wenn gerade die eigenen Innereien zerquetscht werden.
Das schlimmste an der Sache war eigentlich, dass der anschließende Film in meinem Kopf nicht einmal schön war. Er war erfüllt von fürchterlichen Szenen und Gedanken – meistens aus meiner Kindheit. Ich lebte damals mit meiner jüngeren Schwester und meiner alkoholkranken Mutter auf dem Land. Der Arzt hatte ihr geraten aus der Stadt und in ein ruhigeres Umfeld zu ziehen, damit ihr Stresspegel sinken und sie leichter von ihrer Sucht los kommen konnte. Ich hätte ihn schon damals für diese schwachsinnige Idee am liebsten meine Faust in seinem Gesicht spüren lassen. Wie es sich für so ein Kaff, in dem jeder nun einmal jeden kennt, gehört, sprach sich die „Krankheit“ meiner Mutter sehr schnell unter den Dorfbewohnern herum. Eltern ließen ihre Kinder nicht mit uns spielen und erlaubten sie es doch, liefen sie Gefahr verspottet zu werden. Meine Schwester und ich merkten schnell, dass wir nicht willkommen waren und sich das ganze wahrscheinlich auch nie bessern würde. Unserer Mutter allerdings war nicht einmal klar, dass sie der Grund dafür war, dass uns jeder in der Umgebung mied. Ihr wollte es vielleicht auch gar nicht klar sein. Die Folge davon, dass wir ihr oft versuchten zu erklären wie unerwünscht wir waren, waren blaue Flecken auf unserer unschuldigen Kinderhaut - ihre Argument zu bleiben. Und dadurch, dass keiner etwas mit uns zu tun haben wollte oder durfte, merkte auch niemand wie sehr wir wegen ihr litten. Es war ein Kreislauf, den wir nicht eigenständig durchbrechen konnten.
Während ich älter und reifer wurde und mich stetig weiterentwickelte, stellte ich mir häufiger Fragen zu meiner Situation. Wieso gerade ich und meine Schwester? Wieso hatte ausgerechnet unsere Mutter so ein schwerwiegendes Alkoholproblem? Wieso musste sie gerade zu diesem Arzt gehen, der ihr riet mit uns in eine ruhigere Umgebung zu ziehen in der die Probleme erst richtig anfingen? Ich wollte jemanden, dem ich die Schuld in die Schuhe schieben konnte. Irgendjemand musste da doch sein, der das Denken und Handeln der Menschen beeinflusste, der über Leben und Tot entschied. Ich wollte eine Antwort.
Eines Tages sah ich die Dorfbewohner in die Kirche gehen. Es war ein altes Gemäuer, dessen rote Ziegel schon lange ihre leuchtende Farbe verloren hatten. Die Buntglasfenster mit Bildern von schönen betenden Frauen und Männer waren eingeschlagen und die Tür schon so oft aufgebrochen worden, dass man sie durch eine schwere Eisentür ersetzt hatte, die nicht so recht in das Bild einer christlichen Kirche mitten in einem kleinem, friedlichen Dorf passen wollte. Alles in einem war sie hässlich und unansehnlich und ich fragte mich immer häufiger, weshalb selbst dieses schreckliche Haus mehr akzeptiert wurde als wir. Und als ich die Leute durch ein großes Loch im Glas Beten sah wurde mir klar, wer die Fäden in der Hand hatte: Gott.
Auch, wenn das vielleicht etwas unsinnig klingt, aber es konnte kein Mensch sein, der hier mit dem Schicksal spielte. Es musste etwas sein, dass höher als wir normal-sterblichen gestellt und noch dazu geistlicher war. Etwas, dass keine Emotionen oder jegliche Art von Verantwortung spürte. Es musste nüchtern entscheiden und durfte sich nicht fragen, ob diese oder jene Entscheidung falsch war. Es hatte meine Mutter alkoholkrank werden lassen. Es hatte sie zu diesem Arzt geschickt. Es hatte die Dorfbewohner auf uns gehetzt. Kurzum – es hatte uns zu Außenseitern gemacht und diesen Kreislauf erschaffen. Und es tat ihm nicht einmal leid, weil das nicht in seiner Natur lag.
Doch natürlich wollte ich meinen Hass ausleben, denn die Ungerechtigkeit hatte mir meiner Meinung nach lange genug die Kehle zugeschnürt. Ich zerriss die Ketten, die mich an Schweigsamkeit und Gehorsam gegenüber meinen Mitmenschen gefesselt hatten und lehnte mich auf. Meine Mutter traute sich nicht mehr, mir oder meiner Schwester nur noch ein Haar zu krümmen seit ich hoffnungslos in die Hooligan-Szene abgerutscht war und dort auch neue Freunde gewonnen hatte. Wir schimpften auf Gott und seine Regeln, sie galten für uns nicht. Das Leben fühlte sich wieder lebenswert an. Ich wurde akzeptiert, auch wenn ich niemanden wirklich angriff sondern nur verbal attackierte. Ich hätte es niemals über mich gebracht einem unschuldigen Menschen leid zuzufügen. Während ich mit meinen Kumpels herumzog und ihnen bei sinnlosen Prügeleien zusah, war ich in Gedanken immer nur bei meiner Schwester. Ich musste sie beschützen und, wenn das bedeutete als ein pöbelndes, kompliziertes Hooligan-Mädchen zu gelten war das okay für mich. Doch ich rechnete nicht damit, dass mich Gott mit dem Schicksal noch mehr bestrafen konnte. Mitten in der Nacht, als ich wieder mit den anderen in der nächsten Stadt herumzog und Leute vollmotzte, passierte es. Ein Fahrer verlor die Kontrolle über seinen Wagen und raste in eine Mauer. Dazwischen klemmten meine letzten Überreste. Ich hatte nur noch laute Schreie gehört, zwei immer größer werdende Punkte gesehen und war erstarrt. Um mich herum wurde es mit einem Mal dunkel und ich spürte nicht mehr als einen immer weiter abschwächenden Schmerz. Eine Nachwirkung des Sterbens, wie mir erklärt wurde.
Nun bin ich also hier und kann nicht einmal wirklich sagen ob ich lebendig oder tot bin – das alles ist immer noch sehr verwirrend – doch eins weiß ich mit Sicherheit: Ich bin Siana. Ich bin ein Gotteslästerer.
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Danke für's Lesen!
Diese Geschichte wird sich nicht um den Kampf der Religionen oder ähnliche Themen drehen sondern um eine Zwischnwelt für Leute, die nicht wirklich böse waren im Leben, aber auch nicht gut genug für den Himmel!
Das erste (richtige) Kapitel wird alles aufklären.