Krimis & Thriller
Das Herz der Finsternis I - Der Henker

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"Das Herz der Finsternis I - Der Henker"
Veröffentlicht am 25. September 2013, 8 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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Über den Autor:

Wer wäre ich hier, wenn nicht jemand, der seinen Visionen ein Zuhause geben will? Tue ich das gerade nicht, studiere ich Rechtswissenschaften und bemühe mich, nicht gleich jedes damit verbundene Klischee zu erfüllen (letzteres womöglich nur mit mittelmäßigem Erfolg), oder fröne in irgendeinem Pub meinen Lastern.
Das Herz der Finsternis I - Der Henker

Das Herz der Finsternis I - Der Henker

Beschreibung

Dieser Text stellt den Beginn eines Projekts dar, dass als kleine Sammlung von Kurzgeschichten die "Kehrseite" eines Unrechtsregimes beleuchten soll. Das Ganze baut dabei auf meinem Beitrag zum Storybattle 26 auf.

 

Der Henker I

„Befehl ist Befehl“, lautete die simple Weisheit des Fußsoldaten, „Wer zweifelt, hat verloren.“
Im Schädel von Oberst Richard Espenwald echote dieser Sinnspruch in Endlosschleife, während er den dunklen Gang entlangschritt, über dessen Decke von Zeit zu Zeit das Aufflackern einer Neonröhre zuckte.
Die Weisheit eines Fußsoldaten…nur dass ich kein verdammter Fußsoldat bin!
Vor ihm zerrten zwei Soldaten in dunkelgrauen Uniformen einen Mann in oranger Häftlingskleidung mit sich, der jedoch keinerlei Anstalten machte, Widerstand zu leisten. Espenwald wusste nicht, was der Kerl verbrochen hatte, aber das Regime würde seinen Tod nicht befehlen, wenn es nicht notwendig wäre.
Notwendig, nun sprach er selbst schon so und glaubte, sich erinnern zu können, dass er stattdessen einst das Wort „gerecht“ verwendet hatte. Während er durch diesen schäbigen Gang dem Hinterhof entgegenmarschierte, musste er sich fragen, ob der Traum von Gerechtigkeit vor seinen Augen zersplitterte oder schon zersplittert war. Früher hatte man die Verbrecher öffentlich hingerichtet, hatte stolz die Untaten verkündet, wegen derer man sie exekutierte,  


hatte den Erfolg des Systems zelebriert und er hatte mitgefeiert, hatte gefühlt, wie die Befriedigung durch seine Venen pochte, mit jedem Kopf, der gerollt, jeder Brust, die im Kugelhagel explodiert war.

Was hatte sich verändert, dass man die Verbrecher nun auf schäbige Hinterhöfe zerrte und dass es auf einmal so viele waren? Hätten sie nicht alle längst tot sein müssen? Hatten sie ihresgleichen nicht schon längst ausgerottet, die Welt gesäubert, gereinigt, gebessert?
Tötet die Bösen und die Welt wird gut. Was einst als Warnung ausgesprochen worden war, hallte wie eisenharte Überzeugung in seinem Herzen. Die Gewissheit darüber, wer Böse war, schien hingegen auf der Strecke geblieben zu sein.
Und erneut hallte jene eine Frage durch seinen Geist:
Was hat dieser Mann verbrochen?
Als sie vom Gang auf den Hinterhof traten, blendete ihn das Licht der Scheinwerfer. Zwei militärische Lastwagen waren auf der anderen Seite aufgefahren und beleuchteten die schäbigen Betonwände, während unzählige Soldaten über den ausgehärteten Dreckboden marschierten, die letzten Grashalme zertraten. Alle Blicke klebten auf ihm und das Licht brannte seine Zweifel aus. Den Mann hatte man bereits vor die Wand gezerrt, wo er nun frei stehen konnte.


Oberst Espenwald betrachtete ihn mit jener Genugtuung, die er schon seit Jahren in solchen Augenblicken verspürte. Er zog die Ärmel seiner dunkelgrauen Uniform gerade, hob die Hand und rief fünf seiner untergebenen Soldaten herbei. Sein Blick sagte ihnen genau, was sie zu tun hatten, und der ihre sprach davon, dass sie verstanden. Mit den Gewehren im Anschlag reihten sie sich vor dem Gefangenen auf, bereit seine Brust mit Blei zu tränken, sobald Espenwald nur die Hand sinken ließ.
Der Augenblick war berauschend; nicht das Gefühl der Macht über Leben und Tod, das zu verabscheuen er sich geschworen hatte. Menschen sollten keinen Gefallen daran finden, Gott zu spielen. Was ihn erfüllte, war das Gefühl der Gerechtigkeit, die eben kein philosophisches Konzept war, sondern als Emotion in seinen Venen brannte.
„Ein Tyrann kann unzählige Menschen töten, nur seinen Nachfolger nicht“, schrie der Mann, dessen Gesicht im Stolz schwelgte, womit er Espenwald jedoch nur ein fadenscheiniges Lächeln entlockte. Er hatte so viele Mienen gesehen, verzerrt von der Furcht, erfüllt vom Stolz, gebrochen von Reue, starr vor Gleichgültigkeit, geweitet von Erkenntnis. Es änderte nichts…


Er ließ die Hand sinken und im selben Herzschlag donnerte das Mündungsfeuer durch den Hof. Die Kugeln brachen in die Brust des Mannes, der dabei theatralisch herumgewirbelt wurde, rücklings gegen die Wand stürzte und dort mit einer Blutspur zu Boden sackte.
Während die Soldaten ihre Gewehre wieder senkten trat Espenwald über den Leichnam, um seine Theorie zu überprüfen. Er starrte in das Gesicht und musste feststellen, dass alles so war wie immer. Der Tod hatte die Sünden des Mannes ausgelöscht und jede Schuld beglichen. Die Züge waren erschlafft, die Augen starrten leer zum Nachthimmel hinauf.
Sie können noch so stolz, wütend, ängstlich oder arrogant gewesen sein, dachte er, der Tod macht sie alle gleich.
Manche sagten, der Tod würde nichts ändern und mache die Sünden der Verurteilten nicht ungeschehen, er heile nicht die Wunden der Opfer und erwecke diese schon gar nicht wieder zum Leben. Obgleich Espenwald jede dieser Aussagen für wahr hielt, verstand er doch nicht, wie sie als Argument gegen das dienen konnten, was sie hier taten. Solche Phrasen konnten nur verirrte Geister anführen, denen sich der wahre Sinn ihres Strebens entzog. Es ging mitnichten darum, den Opfern zu helfen, auch wenn Espenwald

 


glaubte, dass kein Opfer den Tod des Täters nicht ersehenen würde. Das hier geschah nicht für Menschen, geschah für die Gerechtigkeit, die nach Blut dürstete, und wer sich dagegen erhob, verstand nicht, dass es keine Gerechtigkeit geben konnte ohne Rache, ohne Blut.
Erhoben hatten, korrigierte er sich selbst, gab es doch schon seit Jahren niemanden mehr, der dieser Ideologie widersprach.
War das sein Verbrechen?, musste er sich unwillkürlich fragen, als er auf die Leiche hinabstarrte, und daran zweifeln, dass der Tod eine gerechte Strafe für eine falsche Meinung war. Im nächsten Augenblick ermahnte er sich selbst für diesen Gedanken. Er wusste nicht, was der Mann verbrochen hatte und das war auch gut so. Diese Hinrichtungen würden nicht so sauber verlaufen, wenn sie wüssten, dass ihnen Mörder, Vergewaltiger und Kinderschänder gegenüberstanden. Da würde es oftmals zu Zwischenfällen kommen und die erste Salve träfe meist nur Gliedmaßen ohne sofort zu töten. Das konnte auch nicht richtig sein.
Nein, dachte er, als er zwischen den Leuchtkegel der Scheinwerfer hindurch zur anderen Seite des Hofs marschierte, Dies ist die beste aller Welten.   

 

 

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Über den Autor

Crawley
Wer wäre ich hier, wenn nicht jemand, der seinen Visionen ein Zuhause geben will?
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EagleWriter Die beste aller Welten... - Ach ja, das ist ja seit Voltair eigentlich tot^^
Nun trotzdem mal ein interessanter Blickwinkel

lg
E:W
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