Rodin Penck, geboren am dritten Januar um fünf Uhr abends in Altstadt in Sechsen, wohnt mit seinen Eltern Rainer und Luzie und Zwillingsschwester Ronda in dem kleinen Örtchen Niederoldendorf auf der Hauptstraße Nummer Elf. Er geht auf die Freddy-Saaler-Schule in Altstadt und will nach seiner mittleren Reife das wirtschaftliche Berufsgymnasium Preisstadt besuchen. Er hat viele gute Freunde, zum Beispiel Georg Klinke, Samuel Versieg und Emil Rieten, mit welchen er dieselbe Klasse besucht. Das trifft auch auf seine Freundin Martha Hamms zu; eine etwas kräftiger gebaute junge Hobbymalerin, die ihre Freizeitbeschäftigung einmal zum Beruf machen will. Beide wohnen im selben Ort (Martha im Prinzengässchen 3) und kennen sich im wahrsten Sinne des Wortes bereits ihr Leben lang, denn ihre Familien sind schon länger befreundet und besuchen sich darum oft. Je älter Martha und Rodin wurden, desto enger wurde die Freundschaft, bis ihnen klar war, dass aus Sympathie Liebe geworden ist, die offensichtlich für immer und ewig bestehen bleiben wird.
Rod, wie Rodin mit Spitznamen genannt wird, erhielt seinen Namen durch einen mehr oder weniger dummen Zufall. Seine Mutter hat ihre Abschlussarbeit für die Berufsschule über den französischen Künstler Auguste Rodin geschrieben. Seine Eltern wollten keineswegs 08/15-Namen ihren Zwillingen geben und haben sich nach langem Überlegen entschlossen, dass die Namen mit R beginnen sollten. Der Name Rodin wurde sprachlich eingedeutscht und mit der Zeit ergab sich der Vorname Ronda für das Mädchen. Wie Martha zu ihrem Namen kam, ist ganz einfach: Vater Thorsten wollte, dass das Geburtsdatum seiner Kinder auch das Datum ist, an dem das Kind Namenstag hat. Bei ihrem zwei Jahre älteren Bruder Eduard (Ede) war’s der 13. Oktober und bei ihr der 29. Juli. Früher haben sich beide darüber aufgeregt, dass ihr Name altmodisch klinge, aber heute hebt sie das nicht mehr sonderlich an. Im Gegenteil –sie sind sogar irgendwie stolz darauf, Martha bzw. Eduard zu heißen.
Wenn man Rodin nach drei Dingen fragt, die er liebt, antwortet er immer: „Schokoeis, Tennis und Martha. Bei Martha ist es fast ähnlich. Sie sagt: „Erdbeerschnecken vom Haufe-Bäcker, Aquarelle malen und Rodin.“ Die Zwei geben sich einander gern Spitznamen. Am häufigsten sind „Pummelchen“ (Rodin zu Martha) und „Putzi“ (Martha zu Rodin). Die beiden sind sogar schon seit einiger Zeit verlobt. Rodin hat ihr abends im Mondenschein einen spontanen, aber lange vorausgeplanten, Antrag gemacht und Martha stimmte zu.
Auf den folgenden Seiten findet ihr, liebe Leser, eine kleine Auswahl an Erlebnissen, welche die zwei Verliebten erleben. Eins kann ich euch jetzt schon verraten; es wird sehr romantisch. Viel Spaß beim Lesen!
Martha hatte Franka, Janina und Rodin zu ihrer Geburtstagsfeier eingeladen, aber nur Rod konnte zu ihr kommen, die anderen waren leider verhindert. Martha selbst störte das nicht so sehr: „Machen wir uns eben nur zu zweit einen schönen Abend.“ Rodin war begeistert und einverstanden mit ihrem Vorschlag: „Ja, das wird sicher auch schön!“
Marthas Eltern, Thorsten und Amelie, waren an diesem Abend bei Bekannten. Rod schenkte seiner Verlobten ein Buch über den Ex- und den Impressionismus und einen selbst gemachten Gutschein „Ein Monat Kostenlos Erdbeerschnecken Vom Bäcker Haufe“. Man kann sich sehr gut vorstellen, wie sie sich darüber gefreut hat: „Danke, Putzi!“ Zusammen setzten sie sich, mit einer Tafel weiße Schokolade und frischem Orangensaft, vor den Fernseher und sahen sich „Wir machen Millionäre“ mit Publikumsliebling Gunther Joch an.
Eine Frage bereitete den Beiden am meisten Kopfzerbrechen: „Welcher erfolgreiche Jungstar hatte mit `Leiser Grat´ seinen Durchbruch? Miriam, Marian, Marco oder Mario?“ Rodin hatte viel Wissen in Sachen Musik, aber bei diesen Antwortmöglichkeiten kam er ganz schön ins Grübeln. Martha hingegen wusste die richtige Lösung: „Marco natürlich.“ Rodin bewunderte sie: „Super, Pummelchen! Ich wär nich so schnell darauf gekommen.“
Die zwei küssten sich kurz und, nach dem Einsatz des letzten Jokers, hatte auch der Kandidat im Studio die richtige Antwort geben können. Danach kam Werbung, die mit einem Spot über den Abnehm-Drink „Thin-Quick“ begann. Rod fragte Martha: „Was denkst du, wenn du diese schlanken Frauen siehst?“ Sie antwortete: „Die können ja ruhig so aussehen. Ich find mich so wie ich bin extrem okay.“ Rodin: „Genau dasselbe denk ich auch!“
Rod sprach weiter: „Kennst du den Spot, wo die zwei Frauen einander fragen, wer Pim ist? Den find ich so sinnlos!“ Martha: „Wer auch immer dieser Pim ist – du bist mit Sicherheit das Gegenteil von ihm.“ Rod: „Wem sagst du das?! Ach, deine Kurven machen mich wahnsinnig! Ich liebe wirklich jedes einzelne Speckröllchen an dir!“ Sie küssten sich, Rodin machte den Fernseher aus und stand auf: „Komm mit, Pummelchen!“ Sie gingen in Marthas Zimmer und sie schloss die Tür ab. Währenddessen fiel draußen ein starker Regen.
Am nächsten Morgen: Martha und Rodin liegen aneinandergekuschelt im Bett, als vor der Tür die Stimme von ihrem Bruder Eduard zu hören war: „Hey, kleine Dicke, wo hast du das Müsli hingetan?“ Martha: „In den Schrank überm Herd, wohin sonst!?“ Eduard: „Dort hab ich schon nachgekuckt – nix is. Komm raus und such mit!“ Martha: „Ede, du nervst! Such’s selbst und lass mich in Ruhe, klar?“ Eduard: „Ach, leck mich doch, Alte!“ Rodin war verdutzt: „Wie? Der nennt dich kleine Dicke?“ Martha kicherte: „Das hat der sich angewöhnt, als ich noch ein Kleinkind war und bis heute beibehalten. Mich stört das nicht weiter.“ Rod: „Ach so, ich war schon ein bisschen erstaunt über diesen Spitznamen, hahaha…!“
Martha sagte Rodin, er solle warten, bis sie ihm sagte, dass er raus kommen kann und verließ das Zimmer auf schleichenden Sohlen. Plötzlich kam Eduard aus der Küche: „Morgen, kleine Schlafmütze! Hab das Müsli wieder gefunden. Rate mal, wo – im Spülmittelschrank!“ Martha versuchte einen Themawechsel: „Ich hab das da nicht reingestellt. Musst du nicht langsam zur Lehre?“ Eduard: „Ja, ich geh schon – alte Kuh!“ Seine Schwester zeigte ihm die Zunge, als er das Haus verließ, sich auf sein Moped schwang und davonfuhr.
Sie rief Rodin zu sich, er kam aus ihrem Zimmer und sie fragte: „Was willst du frühstücken?“ Rod grinste: „Na, Müsli wäre nicht schlecht.“ Die beiden kicherten, Martha nahm Milch im Kühlschrank und Rodin schaltete das Radio an: „Ha, Radio Dreisen 105.3 ist der allerbeste Sender!“ Auf einmal kam Mutter Amelie in die Küche, Vater Thorsten kam hinterher: „Guten Morgen, habt ihr gut geschlafen?“ Die zwei Verlobten nickten und Rod sagte: „Es war ja auch schön ruhig … so drumherum.“ Martha lachte: „Hahaha, genau!“
Zwei Wochen später war Talentebühne in der Schule, wofür sich einige Schüler wochenlang vorbereitet hatten; so auch Rodin. Er grübelte einige Zeit über den Text für ein Liebeslied, das nur für Martha bestimmt sein sollte. Sie selbst wusste nichts, womit sie auftreten sollte und gab sich damit zufrieden, im Publikum zu sitzen. Rod bat darum, als Letzter dranzukommen: „Mir geht es echt nicht um den Sieg, sondern nur um die Tatsache, meine geliebte Verlobte glücklich zu machen.“ Diese Bitte wurde erfüllt. Martha saß in der dritten Reihe von der Bühne aus gesehen links. Vor Rodin traten zwei Sechstklässlerinnen, die das berühmte Ballett „Storchenteich“ tanzten, auf. Als danach sein Name aufgerufen wurde, freute sich Martha innerlich wie verrückt: „Los, Putzi, los!“, dachte sie mit festem Glauben an seinen Sieg. Dann trat er auf die Bühne, nahm ein Mikrofon vom Halter und sagte leise: „Okay, Musik ab!“ Mit sinnlichen Klaviermelodien wurde der Song eingeleitet, Rod atmete nochmals tief durch und begann, sein selbst gedichtetes Liebeslied vorzutragen*:
Vom allerersten Tag war mir klar, wie ich dich mag. Deine blauen Augen, dein erdbeerroter Mund. Nichts macht mich glücklicher, auf dem Erdenrund. (2x) Oh Marti, wenn du lachst, geht in mir auf die Sonne. Ich bin glücklich mit dir, oh Marti, auch, dich zu küssen ist Wonne. Ich liebe dich so sehr, oh Marti.
In der warmen Sommernacht hab ich dir die Ringe bracht. Die Zeichen unsrer Liebe, die Zeichen unsres Glücks. Wenn ich dich sehe, werd ich fast verrückt, oh Marti, wenn du lachst, geht in mir auf die Sonne. Ja, ich will bleiben bei dir für immer. Auch, dich zu küssen, ist Wonne. Ich liebe dich so sehr, oh Marti.
Ich versinke glatt, wenn wir uns küssen. Ich sage es dir jetzt, denn das musst du wissen! Oh Marti, wenn du lachst, geht in mir auf die Sonne… Und ich liebe dich!!
Mit sanften Streichermelodien klang das Lied aus. Die Zuschauer klatschen, Rodin verbeugte sich, verließ die Bühne hinterm Vorhang und Martha saß ziemlich perplex, aber glücklich auf ihrem Platz: „Mensch, Putzi…!“, dachte sie, während Herr Auers sagte: „Alle Mitglieder der Jury ziehen sich nun für etwa 15 Minuten zurück. Vielen Dank.“
Doch Rod ließ sich die ganze Zeit nicht bei Martha blicken. Nach einer Viertelstunde setzten sich die Teilnehmer des Talentwettbewerbs neben die Bühne, wo Herr Auers mit seinen Jury-Kollegen auftrat: „Erst einmal ein großes Dankeschön an alle, die mitgemacht haben, ihr wart allesamt super! (Applaus) Aber nun kommen wir zu den drei Besten. Auf Platz Drei sind Rick Löhne und Addi Reifner mit ihrem Cityrap.“ Der Schuldirektor gab den zwei Jungs Urkunden und jeweils einen Block mit Kuli: „Nun zum zweiten Platz, den da gewonnen haben, Lucina Pohl und Mia Wohlwarter mit ihrem wunderschönen Storchenteich-Ballett.“ Die zwei Mädels erhielten auch Urkunden mit Blöcken und Stiften. Herr Auers: „Kommen wir zum Gewinner der Talentebühne. Er hat mit Sicherheit all unsere Herzen erobert und nicht nur das des Mädchens, um das es in diesem Lied ging. Ich bitte auf die Bühne, Rodin Penck!“ Völlig überwältigt bestieg er die Bretter, welche die Welt bedeuten zu Herrn Auers: „Hier, deine Urkunde und der Schreibblock mit dem Kugelschreiber.“ Rod bedankte sich herzlich bei ihm. Herr Auers: „Wer ist diese Marti, welche du in diesem schönen Song besungen hast?“ Rodin rief Martha nach vorn, die leicht verlegen unter rhythmischem Applaus zu ihm kam. Er sagte lieb lächelnd: „Dieses Lied habe ich allein für dich geschrieben.“
Die Zwei umarmten und küssten sich, als ein tosender Applaus losging und das Saalpublikum mit stehenden Ovationen für das Paar aufwartete. Rodin und Martha winkten zum Schluss den Leuten nochmals zu, ehe sie den Saal verließen und heimfuhren.
*Melodie: Barry Manilow – „Mandy“
Frau Wulf hatte in einer Kunststunde folgende Aufgabe gestellt: „Malt auf ein DIN-A4-Blatt aus dem Kopf eine Person, die ihr bewundert oder einfach nur nett findet! Es muss kein völlig realitätsnahes, aber doch erkennbares, Bild werden.“ Martha und Rodin zeichneten (natürlich) den jeweils anderen. Das war für beide selbstverständlich. Am Ende sollten alle ihre Portraits vorzeigen. Einige sahen aus wie Strichmännchen und andere, wie Marthas Bild von Rod, sehr profimäßig. Sie stellte ihn in einer schmucken Ritterrüstung dar.
Die Lehrerin war sehr beeindruckt von dieser Darstellung: „Na, Rodin, wie hast du eigentlich Martha gezeichnet?“ Er zeigte sein Bild, worauf eine schöne Prinzessin mit wallendem roten Haar im dunkelblauen Kleid mit Spitze zu sehen: „Gefällt es dir, Pummelchen?“ Martha hielt ihre Hände an die Wangen: „Das ist ja schön!“ Sie nahm das Bild: „Echte superklasse ist dir das gelungen!“ Die zwei Verliebten umarmten und küssten sich.
Kurz darauf hatte es zur Pause geklingelt, in welcher Emil, Samuel und Georg zu Rodin und Martha fragen kamen: „Ihr seid ja jetzt schon längere Zeit verlobt. Und? Schon Pläne für die Hochzeit?“ Rod: „Erst einmal wollen wir unser Abitur in der Tasche haben. Es ist doch keine Pflicht, sofort nach der Verlobung zu heiraten. Ist doch Quatsch!“
Nach der Schule setzten Rodin und Martha auf dieselbe Bank in denselben Park, wo auch der romantische Verlobungsantrag seinerseits stattfand. Schwärmend lehnten sie sich aneinander und küssten sich. Rodin: „Komm mit, wir gehen zu Haufe Erdbeerschnecken essen!“ Martha kicherte: „Du liest meine Gedanken!“ Sie küsste ihn nochmals kurz und sie gingen zu ihrem Stammbäcker. Die Schnecken schmeckten Martha: „Lecker! Wie könnte man es anders von Herrn Haufe erwarten?!“ Sie liebte sie die Erdbeerschnecken sehr.
Auf einmal kommt ein junger Fahrradkurier um die Ecke gefahren und hält vor ihr und Rodin an: „Kommt doch heut Abend in den Big Bang. Da findet eine tolle Party für Verliebte statt.“, sagte er, gab ihnen zwei Freikarten für die Feier und fuhr weiter. Das ließen sich die beiden nicht zweimal sagen: „Wir kommen bestimmt!“, riefen sie hinterher.
Martha ging mit Rodin zu ihm nach Hause, wo sie gemeinsam Hausaufgaben machen wollten. Heute waren es nicht sehr viele und somit waren sie schnell fertig: „Was ziehst du denn heute Abend an?“, fragte Martha. Rod: „Na, bestimmt meine Jeans im Sand-Look, das Shirt mit den ausgefransten Ärmelenden und meine Lieblingsweste. Du, Pummi?“
Mit einem verlegenen Lächeln sagte Martha: „Meinen dunklen Rock, mein neues mittelblaues Neckholdertop und die Schuhe suche ich mir dann später noch aus. Es wird herrlich werden!“ Rod: „Ganz sicher.“ Die Beiden küssten sich, danach verabschiedete sie sich, weil sie noch im Haushalt zu tun hatte. Rodin sah ihr schwärmend durchs Fenster nach.
Der Partyabend war schließlich da und eine lange Schlange bildete sich vorm „Big Bang“. An der Eingangstür hing ein Schild mit der Aufschrift „Eintritt nur mit Freikarte“. In der Disko trafen sie auch viele Schüler aus der Schule wieder: Sam mit Freundin Lora, Mina mit Freund Timo und Nadja mit ihrem „Kumpel“ Tilo. Zuerst begrüßte der DJ die Gäste: „Hallihallo ihr Turteltäubchen und frisch Verliebten, DJ Mirco Bond ist mein Name, ich begleite euch durch diesen Abend. Wir haben unter anderem dabei; die Flowing Packers, Bayzoom, Waitland und einen Live-Überraschungsgast. Nun wünsch ich euch viel Spaß hier im Big Bang! Wir starten sofort durch mit, äh … Nero di Amato mit Jenseits vom Elend. Yeah!“
Sam kam zu Rodin: „Ey, cool, dass du hier bist! Die Lora nervt mich dauernd, dass ich mit ihr tanzen soll. Ich will aber nicht – was soll ich machen?“ Rodin dachte kurz nach: „Ich würde sagen, mach’s.“ Martha: „Genau, es ist doch nichts Schlimmes dabei!“ Sam: „Haha, wenn ihr wüsstet, wie oft und hart die mir schon auf den Fuß gelatscht ist...! Aber okay, ich werd’s tun. Bis später.“ Mit einem zerknirschten Gesicht ging er zurück zu Lora.
Bevor der erste Song gespielt wurde, kam noch eine Durchsage vom Sponsor: „Einen schönen Abend wünscht die `Lina-Love-Company´ euch allen im Saal!“ Danach gingen ein paar Paare auf die Tanzfläche, inklusive Martha und Rodin, und das erste Lied startete*:
Wenn jedes Kind wieder lacht, wie ein Kind, dann sind wir jenseits vom Elend. Wenn wir dann fühlen, die Erde, sie lacht wie kein andrer Planet, haben wir nicht umsonst gelebt. Wenn eine Träne mehr als Wasser ist, dann sind wir jenseits vom Elend. Wenn unsre Liebe alle Gottesmacht hat, um jeden Hass zu verdräng´n, haben wir nicht umsonst gelebt. Lass uns jeden Tag das Leben endlos spüren und uns niemals unsere Ehrlichkeit verlieren. Denn, was uns all hier zusammenhält, entzündet auch das letzte Licht der Welt. Wenn unser Glaube immer siegen kann, dann sind wir jenseits vom Elend. Wenn jede Hoffnung sich an den Kräften misst, die man leichter erreicht, haben wir nicht umsonst gelebt. Ich will mit dir eine neue Liebe spüren, wenn wir uns auch in Gedanken nur berühren. Irgendwann muss ich für immer geh´n. Dann will ich sagen, diese Welt war schön.
Am Ende des Song sagte DJ Mirco: „Ich hab hier eine junge Dame, die etwas sagen will. Na, wie heißt du denn?“ Die etwa 13-Jährige sagte fröhlich: „Ja, hallo, also ich bin die Mona und will meinem Schatzi sagen, dass ich ihn sehr, sehr lieb hab.“ Marco: „Wie heißt dein Schatz?“ Mona: „Ralf.“ Marco: „Danke, Mona und weiter geht’s mit Musik.“
Nach dem nächsten Lied hatte Marco wieder etwas zu sagen: „Wieder habe ich hier eine nette junge Dame namens Nadja bei mir; ist’s richtig?“ Nadia: „Ja, erst einmal hallo an alle! Ist ne echt coole Fete heute. Ich will nur mal sagen, dass langsam einmal Schwung in den ganzen Laden kommen sollte. Leg doch mal eine etwas fetzigere Platte auf!“
Gerade, als Nadjas Wunsch erfüllt wurde, machten sich Martha und Rodin aus dem Club raus ins Freie: „Uh, wurde langsam echt voll da drin!“, sagte sie. Er machte einen Vorschlag: „Wir gehen zur Haltestelle – der Bus müsste gleich kommen.“ Sie war einverstanden: „Oh ja! Ich bin nämlich ganz schön müde und morgen haben wir wieder Schule.“ Als die zwei im Bus saßen, legte Rod seinen Kopf auf Marthas Schulter und schloss seine Augen. Sie stupste ihn: „Putzi, wir sind da!“ Rod stieg langsamen Schrittes mit ihr aus. Nachdem der Bus weg war, verabschiedeten sich die beiden mit einem Kuss und gingen nach Hause.
Ein schwerer Schicksalsschlag
Daheim angekommen sagte Marthas Mutter Amelie: „Bäcker Haufe ist bei einem Autounfall gestorben; in der Kurve vor der Hochwaldklinik.“ Marthas Worte blieben ihr im Hals stecken. Sie rannte in ihr Zimmer, knallte die Tür zu und begann, zu weinen. Innerlich dachte sie: „Er hat keine Kinder. Das Rezept für die Schnecken hatte er nie aufgeschrieben, geschweige denn jemandem verraten. Mein Leben hat keinen Sinn mehr! Rodin kann das bestimmt auch nicht besser machen. Niemand kann das!“, seufzte sie vor sich hin.
Am nächsten Morgen lag bereits die Einladung für sie zur Beerdigung im Briefkasten, welche sie sofort zerriss und in einen Abfalleimer schmiss. Dann kam Rod fröhlich des Wegs: „Guten Morgen, Pummelchen. Komm, wir gehen zum Bus!“ Ihm fiel die sehr traurige Mimik von ihr auf: „Was hast du?“ Martha: „Bäcker Haufe ist tot. In der Todeskurve vom Hochwald von der Straße abgekommen.“ Seine Verlobte sagte, bis sie in der Schule waren, kein einziges Wort mehr. Niemals zuvor war sie so unglaublich traurig gewesen.
*Melodie: Nino de Angelo – „Jenseits von Eden“
Gleich am nächsten Tag ging Martha bei der Haufe-Bäckerei vorbei, stieß jedoch auf herunter gelassene Rollläden und ein Schild „Wegen eines Todesfalls vorübergehend geschlossen“. Sie schlug gegen ein Fenster und schrie: „Nein, aufmachen, nein…!“
Janina und Franka, die zufällig vorbei kamen, liefen zu ihr hin: „Martha, hey, psst, ganz ruhig. Was hast du denn?“ Sie brach in Tränen zusammen: „Das sieht man doch. Dort vorne an dem Schild!“ Janina: „Aber der Bäcker ist doch nicht der Einzige auf der Welt.“ Martha: „Aber der Einzige, der so leckere Erdbeerschnecken gemacht hat. Die von Geigenbauers und Raters sind mit Abstand nicht so unwiderstehlich köstlich! Es ist furchtbar.“
Sie stand langsam wieder auf. Franka: „Och du Arme.“ Martha: „Ach, was mach ich mir denn Gedanken um solche lächerlichen Dinge. Ich hab doch noch Rod! Der ist doch mein Ein und Alles.“ Die anderen Mädels stimmten ihr zu und sie ging heim.
Zu Hause war es mucksmäuschenstill – niemand war da. Nachdem sie die Schulsachen ins Zimmer gelegt hatte, ging sie in Eduards Zimmer, machte eine der drei Nachttischschubladen auf, nahm zwei Hefte des Männermagazins „Sexy Lexy“ heraus und verließ den Raum genau so schnell wieder, wie sie ihn betreten hatte zurück ihn Ihren.
Martha sah sich die erste Zeitschrift an und bekam schon beim Anblick des Covergirls große Sehnsucht nach etwas ganz Bestimmtem: „Mensch, hat die ne tolle Figur! Die hätt ich auch so gerne. Jetzt, wo Herr Haufe tot ist, bin ich auch diese Kalorienbomben von Erdbeerschnecken los.“, dachte sie bei sich, während sie durch das Heft blätterte.
Unerwartet kam Eduard nach Hause und an der offenen Zimmertür vorbei und sah Martha auf dem Boden mit seinen Zeitschriften liegen: „Gib die her!“ Er riss die Hefte an sich: „Träum´ weiter, kleine Dicke. So wirst du nie aussehen!“, sagte er und ging aus dem Raum. Martha senkte deprimiert den Kopf: „Ha, und ob ich das werde, Alter!“
Es klingelte an der Tür, sie machte auf – es war Rodin: „Hallo, Pummelchen. Ich hab für dich ein paar Fernando-Kisschen mitgebracht.“ Martha lächelte leicht: „Ist echt nett von dir, Putzi, aber ich kann die nicht annehmen. Komm rein, ich erklär es dir.“
In ihrem Zimmer erläuterte sie ihm ihren Sinneswandel: „Nichts hat mir je mehr geschmeckt, als Haufes Erdbeerschnecken, aber erstens ist er gestorben, zweitens hatte er keine Kinder, an die er das Rezept weitergeben konnte und er hat es nirgendwo aufgeschrieben. Und drittens waren die Schnecken auch ganz schöne Kalorienbomben. Darum habe ich mich entschlossen, abzunehmen.“ Rodin nahm die Nachricht mit blankem Entsetzen auf: „Was? Bist du verrückt geworden?“ Er versuchte krampfhaft, seine Verlobte umzustimmen: „Aber, ich hab dir doch immer wieder gesagt, dass ich deine weiblichen Rundungen an dir am meisten liebe!“ Martha wiegelte ab: „Die stören mich kein Stück! Mich stört allein die Tatsache, wie sie entstanden sind. Jeden zweiten Tag eine Erdbeerschnecke war einfach zu viel!“ Rod fasste ihre Wangen an: „Pummelchen, da gebe ich dir vollkommen Recht, aber trotzdem schätze ich die enorme Weiblichkeit deines wunderschönen Körpers!“ Er küsste sie kurz auf den Mund und sprach dann weiter: „Du bist für mich wirklich die Allerschönste der Welt. Bitte, lass diese albernen Abnehmgeschichten, bitte!“ Martha begann wieder, zu lächeln: „Du hast ja so was von Recht, Putzi.“ Rod: „Eben!“ Die Zwei küssten sich lang und leidenschaftlich.
Mutter Amelie rief zum Kaffeetisch: „Es gibt Erdbeerschnecken!“ Martha horchte erfreut auf und rannte mit ihrem Geliebten in die Küche: „Was hab ich da grade eben gehört?“, fragte sie. Amelie: „Frau Haufe hat uns den letzten Vorrat geschenkt. Sie hat es regelrecht geahnt, wie furchtbar traurig du über den Tod ihres Mannes sein musstest!“
Mit einem erfreuten, erleichterten und glücklichen Gesichtsausdruck aß Martha genüsslich die Erdbeerschnecke auf ihrem Teller und Rodin aß noch eine mit.
Bei einer Party im Kellerclub traf Rodin eine alte Freundin wieder: Sie hieß Mira Eden, ging aufs Geißinger-Gymnasium Altstadt und kam aus Pauschen. Ihr Traumberuf war schon immer Model, was man bei ihrer superschlanken Figur sofort sah. Sie liebte Rodin bereits in der Grundschule abgöttisch und sah Martha als größte Konkurrentin an.
Als die Feier voll im Gange war, sah Mira „Ich bin die Schönste“ Eden ihre große Chance, da Martha eben den Raum verlassen hatte. Sie unterbrach kurzerhand das Gespräch mit Charles Gart und machte sich auf zu Rod: „Hi, tolle Fete, nich?“ Rodin: „Ist okay.“ Mira: „Du wirst von Jahr zu Jahr sexier, weißt du das?“ Rod sah sie genervt an: „Ich will nichts von dir, ist das klar?!“ Miras Blick wurde ernster: „Hat es was mit der Hamms zu tun? Du bist bis heute nicht von ihr losgekommen! Was hat die doofe Kuh, was ich nicht habe?“
Rod sagte laut: „Das sieht man doch; eine weibliche Figur! Dich könnte man glatt mit einem Besenstiel verwechseln!“ Mira traute ihren Ohren nicht: „Also, das ist…“ Doch bevor sie sich wehren konnte, kam Martha zurück. Rodin küsste sie kurz, dann sagte sie: „Oha, Mira, nett, dich wieder zu sehen. Machst du immer noch `Bohnenstangen-Kur´?“
Mira wurde es zu bunt: „Haha, sehr witzig! Ach, hast du eigentlich schon gehört, dass Bäcker Haufe gestorben ist?“ Martha: „Ja, na und?! Bei uns im Keller stehen noch elf Obstkisten voll Erdbeerschnecken, die uns Frau Haufe geschenkt hat.“ Mira: „Aha interessant, aber jetzt mal Themawechsel. Haste nicht mal darüber nachgedacht, abzunehmen?“
Rod riss der Geduldsfaden: „Hau ab, Mira!“ Das eitle Möchtegern-Model sagte: „Na gut, ich geh ja schon.“ Sie gab ihm noch einen kleinen Zettel mit ihrer neuesten Handynummer drauf. Martha las mit: „Oh Gott, diese Vorwahl kenn ich! Die ist von Nobel-Net, dem allerteuersten Mobilfunk-Anbieter aller Zeiten. Was für eine verwöhnte Zimtzicke!“
Plötzlich stand Mira wieder hinter Martha: „Wie bitte?“ Sie gab Rods Verlobten eine gehörige Ohrfeige: „Ich kann mir jedenfalls so etwas leisten, im Gegensatz zu dir!“ Rodin ging mit seiner Geliebten aus dem Haus: „Und, Pummi, tut es noch sehr weh?“
Martha schüttelte den Kopf: „Nein, geht schon.“ Rod: „Ich kann mich noch sehr genau an die Zeit erinnern, wo sie ihre unglückliche Liebe zum ersten Mal zeigte. Sie kleidete sich immer auffällig eng und tief ausgeschnitten in turmhohen Schuhen. Ein Wunder, dass sie dennoch so gut wie nie krank war. Sie konnte es nie verstehen, dass ich Mädels wie sie nie lieben kann.“ Mit lächelndem Gesichtsausdruck sagte Martha: „Keine Einsicht ist auch eine Sicht.“ Janina kam aus dem Clubhaus: „Diese Mira Eden nervt. Überall erzählt sie rum, was für ein hirnloser Dummkopf du bist, Rodin.“ Franka kam auch raus: „Hi, zusammen. Habt ihr auch keine Lust mehr auf diese doofe Party?“ Auf einmal klingelte Marthas Handy: „Hamms?! Frau Kurt, was wollen Sie denn noch um diese Zeit?“ Einige Sekunden lang war alles still.
Martha beendete das Telefonat: „Ich überlege es mir, ja? Gut, Wiederhören!“ Sie legte wieder auf: „Meine Kunstkursleiterin will mich für einen Monat in die IAS Fredfurt geben, damit ich meine Kenntnisse in Sachen Malerei noch um einiges verbessern kann.“ Rodin fragte: „Was heißt denn IAS?“ Franka: „International Art School. Willst du da echt hin?“ Martha: „Liebend gerne, aber diese Schule ist hunderte von Kilometern weit weg und ich werde ganz sicher viel hier verpassen.“ Janina: „Aber deine Berufskarriere ist doch auch wichtig.“
Rod: „Genau, also ich habe nichts dagegen, solange es deinem Wohl dient.“ Martha: „Ich will nicht so weit weg fahren!“ Sie verließ die Gruppe und ging nach Hause.
Am Tag darauf kam Mira Martha auf der Straße entgegen: „Dein Rod hat's echt drauf!“, sagte sie ihr im Vorbeigehen – mit einem Mal blieben beide stehen. Martha: „Wie meinst du das?“ Mira kicherte: „Na, wie ich es sage. Der ist wirklich gut!“ Einen Moment lang dachte Martha nach: „Red gefälligst Klartext!“ Mira: „Mein Gott, bist du schwer von Begriff! Rod hat mich, kurz nachdem du gegangen warst echt geil durchgecheckt!“
Martha blieb der Atem stehen: „Unsinn!! Hör’ auf, dir Möchtegern-Geschichten auszudenken und sie dann für wahr zu verkaufen!“ Mira: „Ich denke mir nix aus; es war wirklich so, glaube mir!“ Martha stapfte wortlos und sehr verärgert von dannen.
Wie es der Zufall will, war sie an diesem Tag bei Pencks zum Kaffeetisch eingeladen. Nach dem Essen unterhielt sie sich mit Rodin in dessen Zimmer: „Ich habe Mira wieder getroffen. Sie wollte mir weismachen, dass du, nachdem ich fort gegangen war, dich mit ihr unterhalten hättest.“ Rod: „Na ja … nein, So kann man es nicht nennen.“
Er stand von seinem Sessel auf und ging zum Fenster: „Ich wollte ihr nur noch einmal genau klar machen, dass ich absolut nicht an ihr interessiert bin.“ Martha: „Aha. Sie hat mir nämlich gesagt, dass du sie, ihrer Version zufolge, `geil durchgecheckt´ hast.“ Rodin schaute ziemlich entsetzt: „Was? Die Alte spinnt ja, das hätte sie wohl gern!“
Martha war sehr erleichtert, aber am nächsten Tag (Montag) war sie in einer morgendlichen Freistunde im „Shopland“, um eine neue Fernsehzeitschrift zu kaufen. Als sie dann den Gang langging, erblickte sie Rodin bei Mira in der Kosmetikabteilung. Sie hielt sich die Zeitung als Tarnung vors Gesicht, stellte sich an eine Ecke am Gangende und versuchte, das Gespräch der beiden anderen so gut wie’s nur irgendwie ging mitzuhören.
Rodin: „Bin ich froh, dass Martha mir die Story abgenommen hat.“ Mira: „Ja, schön, aber sie sollte woanders auch mal abnehmen…“ Rod: „Oh ja, stimmt. Sie ist immer glücklich darüber, dass ich jemand sei, der sie akzeptiert, wie sie ist. Da hat sie aber den falschen Fisch aus dem Teich gezogen, hahaha…!“ Als Martha das hörte, wurde ihr innerlich so richtig schlecht. Sie lief schnurstracks in Richtung Kasse und verließ den Laden.
Nach der Schule wollte sich Rodin im Bus wieder neben sie setzen, doch sie lehnte lautstark ab: „Setz dich woanders hin, Alter!“ Rod erschrak und nahm hinter ihr Platz: „Ey, was hast du denn, Pummelchen?“ Martha schwieg zunächst, aber sagte dann: „Ha, ich habe dich mit Mira im Shopland gesehen und euch reden gehört.“ Rodin wurde Einiges klar: „Oh, nein. Versteh´ das bitte nicht falsch!“ Martha: „Was gibt's da falsch zu verstehen?!“
An der Haltestelle Niederoldendorf stiegen die beiden aus. Rod: „Warte doch!“ Martha: „Ich kann mir vorstellen, dass du mich liebst. Nur eben nicht äußerlich gesehen.“ Rodin: „Was ich da zu Mira gesagt hab, tat ich nur, damit sie mich nicht mehr nervt. Ich liebe dich unendlich - innerlich und äußerlich.“ Martha: „Wirklich?“ Rodin nickte verlegen lächelnd. Sie umarmten und küssten sich. Rod: „Am Freitagabend sind meine Eltern nicht da und Ronda hat ne Party bei einer Freundin. Treffen wir uns um sieben?“ Martha: „Ja klar!“
Am selben Abend rief Mira bei Rodin an: „Meine Familie will nächste Woche nach Putzdom umziehen. Ich werd dich echt vermissen. Denk mal an mich!“ Er hat seitdem nichts mehr von ihr gehört. Martha ist sich nun seiner Treue zu ihr mehr als sicher.
Während sie die Straße entlanggingen, kamen sie am ehemaligen Bäcker-Haufe-Haus vorbei. Über der Eingangstür hing ein Plakat: „Neueröffnung am 28. April“. Innen sahen Rodin und seine Verlobte zwei Männer, die die Wände strichen. Zufälliger Weise war die Tür auf und sie traten ein: „Guten Tag, sagen Sie, äh ... kommt hier wieder ein Bäcker rein?“, fragte Martha. Einer der Maler sagte: „Ja.“ Der Andere fragte Rod: „Ey, kannste mir mal den Kübel geben?“ Plötzlich kam noch ein Mann in den Raum: „Was wollt ihr hier?“
Es war der neue Besitzer der Bäckerei, Peter Losch: „Ihr habt hier nichts zu suchen!“, sagte er laut. Martha machte ein sehr erstauntes Gesicht: „Ist nicht wahr. Onkel Peter, hey, bist du das wirklich?“ Herr Losch: „Martha? Oh, meine kleine Nichte!“
Sie hatte den ältesten Bruder ihrer Mutter seit langer Zeit wieder getroffen: „Wie lange ist das jetzt her? Mindestens neun Jahre – bist du groß geworden!“
Rodin stand etwas überwältigt da: „Was geht denn hier ab?“ Martha: „Kennst du noch Rodin? Der Kleine mit dem blauen Entenrucksack.“ Peter: „Ah... ja, ich erinnere mich. Ihr beide seid ja immer noch gut befreundet.“ Martha kicherte: „Hahaha, kuck mal auf unsere Finger!“ Peter entdeckte die Ringe: „Ihr seid doch nicht etwa verlobt?“ Martha: „Seit fast einem halben Jahr schon. Wenn wir all unsere Ausbildungen beendet und gute Jobs haben, geht es ans Heiraten.“ Rodin: „Ja genau, wir freuen uns schon unheimlich darauf.“
Martha fragte: „Welche Highlights wird es in deinem Angebot geben?“ Peter: „Oh, äh, nichts Besonderes. Kleine Schokokringel, Eierschecke und so. Warum fragst du?“ Martha: „Na, … wegen den leckeren Erdbeerschnecken. Hast du die auch auf Lager?“ Onkel Peter schüttelte den Kopf: „Nein, leider. Ich heiße nun mal nicht Gottmar Haufe.“ Martha sagte: „Tja, da kann man nix machen. Tschüss!“, und verlies mit Rod den Laden.
Doch, wer jetzt denkt, dass die Zwei heimgegangen sind, irrt gewaltig. Ein paar Meter um die Ecke stand ein kleines Gründerzeit-Haus, welches die große Immobilienfirma „Waldesgrün“ sehr lang erfolglos versuchte, zu verkaufen und es schließlich besitzerlos fallen ließ. Mit einer Haarklemme gelang es Martha, in das Gebäude, gemeinsam mit Rod, einzudringen. Die Zwei ließen ihre Schultaschen fallen und verkrochen sich in eine Ecke.
Dort begannen sie eine ununterbrochene Knutscherei und flüsterten sich dabei verschiedene Sätze zu, wie zum Beispiel „Du bist echt sexy!“ Oder: „Wenn ich dich küsse, ist die Welt für mich egal.“ Und: „Du bist mein Sonnenschein in der Dunkelheit!“
Martha hatte eine Idee: „Machen wir doch das Haus zu unserem Cliquentreffpunkt. Es gehört niemandem und so kriegen wir auch keinen Ärger.“ Rodin: „Ja, ich sag Sam und den Anderen bescheid. Hey, du bist echt genial, Pummelchen!“ Er küsste sie liebevoll. Danach verließen beide das alte Haus und gingen getrennt jeweils zu sich nach Hause.
Draußen kam Franka Rodin entgegen: „Hi Rod, übermorgen ist im Naturbad eine große Party. Sollten wir, also Martha, Jani, ich und du, nich auch dabei sein?“ Rod: „Gerne, aber da bin ich schon verabredet.“ Franka: „Aha, verstehe. Na ja, tschüss dann!“
Als Rod dann durch die Tür seines Hauses trat, sah er Ronda telefonierend vor ihrem Zimmer sitzen: „Klar, gerne Martha. Okay, tschau!“ Sie legte auf: „Hallo Rod, biste nun endlich auch eingetroffen?! Dorothee, Pauline und ich feiern übermorgen hier. Martha hat grade angerufen und ich soll dir sagen, dass ihr euch dafür in der Grubengasse 1 trefft.“
Rodin: „Aha, na gut.“ Ronda: „Aber die olle Bruchbude da ist doch verkauft!“ Rod: „Erstens ist das Haus noch gut intakt und zweitens ist es nicht verkauft. Waldesgrün hat das Ding nicht losgekriegt und es ohne festgesetzten Besitzer zurück gelassen. Unsere Clique richtet es in der nächsten Zeit bewohnbar ein – das wird unser neuer Stammtreffpunkt!“
Ronda: „Ah, interessant. Wo bekommt ihr denn die Möbel her?“ Rod: „Janinas Großvater hat auf seinem Dachboden noch viele alte Tische, so kleine Schränke und Stühle stehen. Den Rest besorgt Franka am nächsten Samstag noch mit ihrer Mutter bei IDEA.“
Freitagabend: Um sieben hatten sich Rodin und Martha vor dem alten Haus verabredet, doch er wartete bis zehn Minuten nach 19 Uhr; seine Verlobte kam und kam nicht. Er versuchte, sie auf ihrem Handy zu erreichen - sie ging ran: „Ich bin schon längst drinnen. Komm rein!“ Rodin machte sich leicht verdutzt auf den Weg ins Haus.
Ein wohlriechender Moschusduft verführte in Richtung eines Zimmers vom ersten Stock. Vor der verschlossenen Tür dessen blieb er stehen: „Bist du da drin, Pummelchen?“ Martha blieb zunächst ganz still: „Unter dem Läufer liegt der Schlüssel.“ Rod nahm den Schlüssel, schloss die Tür auf und ging in das von Kerzen beleuchtete Zimmer.
Dort fand er eine runde Glasplatte von, mit rotem Samt umhüllten, Versandkatalogen gestützt, darauf eine kleine Schüssel „Ma Cerise“-Schokostückchen und zwei Pikkoloflaschen Kinder-Sekt nebst zwei Sektgläsern vor und die Fenster waren mit kleinen Herzbildern beklebt. Doch von Martha war nichts zu sehen, bis Rod einen Zettel fand.
Auf diesem stand: „Du findest deinen süßen Spatz, wenn du laut sagst folgenden Satz.“ Rodin las kurz weiter und sagte dann: „Es singen alle Vögel und es blühe aller Klee, wenn ich dich nun gleich in voller Schönheit seh.“ Marthas Stimme war wieder zu hören: „Dreh´ dich um, mein schöner Märchenprinz.“ Er drehte sich um: „Wow, du siehst toll aus!“ Rodin ersah seine Verlobte in ihrem (und seinem!) dunkelblauen Lieblingsoverall, die Haare waren zu einem Pferdezopf zusammengebunden und ihre Augen leuchteten.
Wortlos begannen die Beiden, sich zu küssen. Danach fragte Rodin: „Wo ist denn das ganze Zeug her?“ Martha: „Das Bett ist vom Speicher unserer Nachbarin. Den Rest habe ich mir so zusammengesucht.“ Wieder küssten sich die Zwei und ließen sich aufs Bett fallen. Rod sagte leise: „Deine Einfälle sind einfach die unerreicht Allerbesten.“
Während die zwei Verliebten sich in dem Jahrzehnte alten Haus vergnügten, schien draußen der strahlend weiße Halbmond auf das kleine Niederoldendorf.
Am darauf folgenden Montag war Martha nicht in der Schule, sondern mit ihrem Kunstkurs in Dreisen bei einer Ausstellung. Dies nutzte Franka für ein ganz besonderes Geständnis aus. Sie traf sich mit Rodin nach dem Unterricht auf dem Schulhof und sagte zu ihm: „Ich bin zwar mit Jan sehr glücklich, aber ich werde ihn nie so lieben wie…“
Rod: „Wie was?“ Franka: „Wie ... dich. Ich war so froh darüber, dass du mit mir Tanzstunde getanzt hast. Ich glaubte, meine Chance sei gekommen, dir meine Zuneigung zu präsentieren, aber du hast jeglichen Versuch verkannt und/oder abgeblockt.“
Rodin: „Ich glaub, mich tritt ´n Esel! Jetzt weiß ich auch, warum du mich dauernd angelächelt hast, ohne mit der Wimper zu zucken! Tut mir echt leid, Franka, aber ich habe meine Martha, die ich echt über alles liebe, und du hast deinen Jan. Zwischen uns zweien kann nie mehr als eine ganz normale gute Freundschaft bestehen. Es ist nun mal so.“
Franka senkte den Kopf: „Na okay, aber könntest du mir trotzdem einen Gefallen tun?“ Rodin nickte: „Aber gerne doch.“ Franka: „Erzähle Martha bitte nichts davon.“ Rod: „Nur, wenn du mir schwörst, auch Jan nichts zu sagen.“ Franka: „Ich schwöre!“ So hatte Freundschaft doch noch gesiegt. Als die Zwei sich grade anschickten, zum Busstopp zu gehen, kam ihnen eine fröhliche Martha entgegen: „Hallo ihr. Die Ausstellung war toll!“
Franka blieb ihrem Freund Jan treu und sah Rodin nur als guten Kumpel; ganz zur Freude von Martha, die von der ganzen Sache nie in Kenntnis gesetzt wurde.
Tags darauf: Frau Pier-Huben gab die letzte Bio-Kontrolle wieder. Sie ging durch die Reihen, gab die Zettel aus und kam schließlich bei Rod an: „Also, wenn man deine Arbeit durchliest, bekommt man nen halben Lachkrampf. Zum Beispiel, äh... ist das erbliche Merkmal der roten Blutkörperchen nicht der Jesus-, sondern Rhesusfaktor!“
Fast die ganze Klasse kicherte – bis auf Martha und Franka. Rodin erklärte seine Fünf so: „Ich hatte echt keine Lust, gerade an diesem Tag was zu schreiben, aber ich wollte auch kein leeres Blatt abgeben. Darum hab ich fast alle Antworten erfunden.“
Nachdem er aber auch am Rest des Schultages in Sachen Aufmerksamkeit und Mitarbeit eher schlecht abschnitt, machte sich besonders Martha große Sorgen um ihn: „Was ist bloß mit dir los, Putzi? Dein Verhalten heute gefällt mir ganz und gar nicht!“
Erst, als die Zwei wieder allein am Niederoldendorfer Parkteich saßen, rückte Rodin mit den wahren Gründen raus: „Letzte Woche ist meine Großmama Lisa gestorben. Sie hat mir immer wieder geschworen, dass ich irgendwann ihr Haus in Weinhirschesfeld erben werde, weil sie mich immer so gern hatte. Doch vor etwa einem Jahr lernte sie Theo kennen; ihre späte große Liebe, wie sie immer sagte. Aber für mich ist er ein absoluter Kotzbrocken! Kurz vor ihrem Tod änderte sie zugunsten Theos ihr Testament – er solle nun das Haus bekommen.“ Martha hörte ganz interessiert zu: „Lass uns für dein Erbrecht kämpfen!“ Rod fragte: „Wie meinst du das?“ Martha: „Am Freitag ist doch schulfrei. Dann könnten wir doch nach Weinhirschesfeld fahren und diesem Theo einen Besuch abstatten. Wie wär’s?“ Rodin stimmte freudig zu: „Oh, Pummelchen, was würde ich ohne dich machen?“ Er küsste sie.
Als die Beiden in der 5000-Einwohner-Stadt, 20km von Niederoldendorf entfernt, ankamen, fragten sie erst einmal herum, wo die Paulinenstraße sei. Ein älterer Mann wies sie schließlich in die richtige Richtung. Das Haus von Rods Oma war sehr groß.
Plötzlich kam ein alter mürrischer Mann aus dem Haus; in der einen Hand den Telefonhörer, in der anderen einen gefüllten Müllsack: „Ich sag es Ihnen nicht noch einmal. Wenn Sie alter Klopapierfalter mir übermorgen keinen ausführlichen Bericht liefern, sind Sie geliefert, Herr Meier!“ Erbost legte der Mann auf und erblickte Rod und Martha.
Er schmiss den Sack in den Container vorm Haus und rief: „Ey, was gibt's da zu glotzen? Wir sind hier doch nicht bei `Schau mal her´! Was ist?“, krächzte er mit seiner alkoholverseuchten Stimme. Rodin sagte: „Bist du Theo Leif, der Witwer meiner Oma?“
Der Mann kuckte schief: „Hä? Du bist doch nicht etwa der kleine Langweiler, der Lisa dieses Haus überlassen wollte? Ah, ich seh schon, du bist es wirklich. Du hast wohl eine Ausbildung als Metzger angefangen?!“ Rodin: „Wie kommst du denn da drauf?“ Theo grinste: „Kuck mal neben dich! Das ist eine fette Kuh, boah! Die Alte ist doch so groß wie breit!“ Rod verteidigte Martha: „Pass auf, was du über meine Verlobte sagst, du alter Saftsack!“ Theodor lachte: „Ha, ich glaub, mein Schwein pfeift. Wa, die fette Tonne ist deine Verlobte?“ Rodin sagte laut: „Ja, und ob! Komm, Süße, wir gehen. Auf dieses Erbe verzichte ich lieber.“ Die zwei Verliebten verließen die Paulinenstraße, als ihnen Soraya Geigenbauer aus der 10a mit ihrem Freund Feodor entgegen kamen: „Hallo ich Zwei, was macht ihr denn hier?“ Rod: „Hi Feo, Soraya. Wir waren bei, äh, einem Bekannten und machen uns nu wieder auf den Weg zum Bahnhof.“ Soraya: „Aha, na dann tschüss zusammen und schönen Tag noch!“
Martha bekam wenig später einen Brief von Frau Kurt, der Leiterin ihres Kunstkurses: „Herr Grauermeier, Direkter der IAS Fredfurt, hat mich kürzlich angerufen und vorgeschlagen, dass du über Ostern eine `Kurz-Weiterbildung´ machst. Er und ich, wir würden uns freuen, wenn du zusagst, indem du das beiliegende Formular ausfüllst. (…)“
Martha dachte einige Momente über die Situation nach und beschloss dann, Rodin darüber zu informieren. Sie ging zum Telefon, doch der Hörer lag nicht auf seinem Platz. Sie suchte in ein paar Räumen, bis sie Eduard telefonierend in dessen Zimmer fand: „Klaro, Pike, mach ich gern. Wie geht's eigentlich Manni?“, sagte er seinem Gesprächspartner, seinem alten Kumpel Lukas Pikenmeier, mit dunkler und leicht angekratzter Stimme.
Martha fragte ihn: „Dauert es noch lange?“ Eduard: „Moment mal, Pike. ... Ja, was dagegen?! Du hast selbst ein Handy. Nimm das, wenn du unbedingt telefonieren musst!“ Martha: „Das hat kein Geld mehr auf der Karte.“ Ed: „Oh, verzieh dich, Alte!“
Verärgert ging Martha in ihr Zimmer, kramte in ihrer Schultasche und nahm etwas Kleingeld aus ihrem Portmonee: „Muss ich eben in eine Telefonzelle gehen.“, murmelte sie vor sich hin, verließ das Haus, überquerte die Straße und ging dort in eine Zelle. Sie steckte ein paar Cents in den Münzeinwurf und wählte langsam Rodins Handynummer. Er ging ran: „Hallo Pummi, was gibt's denn?“ Martha fasste sich sehr kurz: „Komm, wenn du Zeit hast, bitte zu mir. Es ist wegen meiner Kunst-Weiterbildung.“, sagte sie und legte auf.
Minuten danach war Rodin bei ihr am Haus, wo sie auf ihn wartete: „Los, wir gehen in den hinteren Garten!“ Dort setzten sie sich auf eine Bank. Martha: „Frau Kurt hat einen Brief geschrieben, worin stand, dass ich zu Ostern einen kurzen Weiterbildungskurs machen kann.“ Rod: „In Fredfurt?“ Martha: „Ja. Soll ich das Anmeldeformular ausfüllen?“ Rodin: „Mach es. Ich find’s super, dass es diese Kurse auch in den Ferien gibt.“ Martha wollte, dass Rod immer bescheid weiß, was sie macht - so fühlte sie sich innerlich sicherer.
Das Internat der dortigen IAS war modern eingerichtet. Martha kam in ein Zimmer, wo schon drei andere Mädchen Quartier bezogen hatten. Sie hießen Lara Tauber, Dorit Preys und Selma Wehmann. Lara bezeichnete sich als „Boss in diesem Raum“. Martha bezog das Bettzeug des unteren Teils des zweiten Doppelstockbettes unter Selma. Sie legte sich dann zum Ausruhen nach der sehr langen Reise hin und die Mädels fragten sie aus.
Lara: „Bist du dir echt sicher, richtig hier zu sein?“ Martha: „Klar doch! Ich bleibe aber bloß über Ostern.“ Dorit: „Oh, nicht, dass du dich im Haus geirrt hast.“ Selma: „Ja genau, denn das hier ist ein Kunstschulinternat und nicht das Abnehmcenter…!“ Martha sah Selma verdutzt an: „Ich bin doch nicht blöd! Ich will nur eine Weiterbildung machen, damit ich später eine große Karriere als ein professionelle Berufsmalerin starten kann.“
Dorit kicherte: „Aber, ob du Mann fürs Leben finden wirst…“ Martha grinste: „Den habe ich schon gefunden.“, sagte sie und zeigte ihren Verlobungsring: „Ich sag aber nicht, wie er heißt. Er ist der Süßeste des ganzen Universums!“ Lara: „Ich ahn schon, wie er wohl heißt. ... Stefan Superdoof. Hahaha, ich glaube, den gibt es überhaupt nicht.“
Von den unerhörten Beschuldigungen, Vermutungen und Hänseleien der drei Mädels ließ sich Martha nicht beeinflussen. Sie konzentrierte sich auf ihre Arbeit im Kunstseminar, denn ihr großer weiser Leitspruch lautete: „Kunst kommt von Können!“
Als Martha nach ihrer Rückkehr am Niederoldendorfer Park vorbei ging, sah sie viele Leute am Parkteich stehen. Sie wurde neugierig, was da los sei, und lief zu der kleinen Menge hin. Sie drängte sich in den Vordergrund der Schaulustigen und sah zwei Polizisten neben einem Haufen gesplitterten Holzes – einer stand mit einem Notizblock da und schrieb etwas auf, der andere sicherte alles rundherum ab. Martha fragte, was los sei.
Der Polizist mit dem Schreibblock sagte: „Die Randalengang von Altstadt hat nun wohl auch hier zugeschlagen und diese Parkbank stückweise auseinander genommen.“ Martha erkannte erst jetzt, dass es die Bank war, wo Rodin ihr den Verlobungsantrag gestellt hatte: „Das ist ja furchtbar!“ Ein Schaulustiger stimmte ihr zu: „Oh ja, und wie!“
Nachdem Martha ihre Reisetasche bei sich daheim abgelegt hatte, ging sie schnell zu Rod, um ihm von dem Vorfall zu berichten. Rodin nahm die Nachricht halb entsetzt, halb betrübt auf, denn er hatte ihr etwas Wichtiges zu beichten: „Ich hab dir doch vor längerer Zeit gesagt, dass ich aus der Randalengang von Altstadt ausgestiegen sei. Nun ja, das bin ich … nicht.“ Martha starrte ihn entsetzt an. Rod weiter: „Die Coups, die wir vorhatten, waren noch bis vor kurzem eher milde – zum Beispiel das Besprühen der alten Schmiede.“
Martha begann zu verstehen, was Rodin sagen wollte: „Du hast doch nicht etwa die Parkbank mitzerstört?!“ Rod: „Nur teilweise! Ich habe Luke, dem Führer unserer Gang, gesagt, was die für mich bedeutet, aber er drohte mir den Ausschluss oder den untersten Rang in der Gruppe.“ Seine Verlobte glaubte sich im falschen Film: „Bei denen geht's ja zu wie bei den Tieren! Du, na, hättest einfach demonstrativ den Tatort verlassen sollen.“ Rodin machte ein zerknausertes Gesicht: „Es tut mir so leid, Pummi.“, sagte er und wollte Martha umarmen, aber sie blockte ab: „Nein, lass es; es ist besser, wenn wir uns nicht mehr sehen.“ Wortlos lief sie aus Zimmer und Haus – Rodin schämte sich dafür, dass er der Randalengang nicht schon viel früher hätte den Rücken zukehren können: „Ich war so was von megadumm!“
Martha hatte sich unterdessen auf ihr Fahrrad geschwungen und sich in Richtung Theseusberg gemacht, wo sie sich immer hinflüchtete, wenn sie allein sein wollte. Während sie bitterlich weinend auf der Bank am Bergesrand saß, dachte sie: „Dass er bei der Sache unter Zwang der Gruppe stand, ist verständlich, aber …, dass er schließlich mitgemacht hat, ist unverzeihbar!“ Sie schaute auf ihren Verlobungsring: „Dieses Mistding!“ Mit einer riesigen Wut im Bauch wollte sie den Ring eigentlich von ihrem Finger ziehen, aber er klemmte fest – schließlich gab Martha die Aktion auf: „Oh Mann, der geht einfach nicht ab!“
Zufällig kam ihre Kindergartenfreundin Natalie Grabe vorbei und sprach sie an: „Hey, was ist denn mit dir los?“ Martha erzählte ihr die ganze Story von Rodin, der Parkbank und der Gang. Natalie schlussfolgerte: „Aha, und darum wolltest du jetzt heimlich, still und leise für dich die Verlobung lösen. Also, so geht das aber nicht! Liebst du ihn?“
Martha sah ihre Kumpeline mit leerem Blick an und dann in die Ferne hinter Altstadt: „Wenn ich das wüsste…“ Natalie versuchte, sie aufzumuntern: „Ich kenn Rod fast genau so lange wie du und ich weiß, dass er dich liebt und niemals verletzen würde.“ Natalie schaute auf ihre Armbanduhr: „Oh, ich muss heim. Ciao, und überlege dir die Sache noch mal.“, sagte sie und lief den Berg hinab. Der Himmel färbte sich rot; denn es dämmerte schon. Martha blieb noch ein paar Minuten sitzen und fuhr daraufhin betrübt nach Hause.
Daheim angekommen stand Eduard mit einem Briefumschlag in der Hand vorm Wohnzimmer und sagte: „Hier, der ist für dich. Von deinem geliebtem Rodin!“ Martha nahm den Zettel aus dem Umschlag und las ihn – auf ihm stand: „Ich hab einen echt großen Fehler gemacht. Ich liebe dich und hoffe, dass du es auch noch tust. Kuss, dein Putzi.“
Am Tag darauf, es war ein Sonntag, war Martha zum „Cliquenhaus“ gegangen, in Erwartung, Rodin dort zu anzutreffen – er war da. Er machte gerade die Physikhausaufgaben. Martha: „Ich verzeihe dir alles, was du getan hast.“ Er ließ den Stift in seiner Hand fallen, stand auf und umarmte Martha überglücklich. Sie sagte den Tränen nahe: „Wen interessiert schon so eine belämmerte Parkbank?! Darum müssen wir uns doch nicht streiten.“ Sie holte ein kleines Buch aus ihrer Handtasche: „Hier stehen die schönsten Verse, Zitate und Gedichte, die es auf der Welt gibt, drin. Zum Beispiel dieses hier.“ Sie las den Namen des Dichters vor und sprach dann weiter: „ Wilhelm Reiber. Ich lese es dir vor.“ Dies tat Martha dann auch, indem sie sich an ein Fenster stellte und die das Gedicht betont vorlas:
So wonniglich es ist, dass du wieder bei mir bist, habe ich mich doch vergrämt zurückgezogen und geschämt. Unser Liebesband, es schien zerschnitten, ich dacht, es ging nie mehr zu kitten. Als dann, ganz tief in Gedanken pur, eine Träne rann, abwärts meiner Wangen Flur, gelobt ich mir still und heimlich, ganz allein für dich für immer nur dich da zu sein. Verzeih mir alles Wort der Bos, denn ich will mit dir beisammen sein, bloß.
Rod lächelte: „Schön!“ Just in dem Moment kamen Janina und Franka ins Zimmer: „Ah, hallo ihr beiden.“ Rodin: „Hi. Pummi hat mir gerade ein Gedicht von Wilhelm Reiber vorgelesen.“ Janina, die sehr bewandert war, was Dichter und Schriftsteller anging, dachte nach: „Wilhelm Reiber? Was? Noch nie gehört.“ Martha: „Den gibt's gar nicht.“
Franka war erstaunt: „Sag bloß, du hast das selbst geschrieben.“ Martha nickte. Rod: „Manno, Pummelchen, das hättest du mir doch sagen können.“ Er lachte leise: „Du mit deiner falschen Bescheidenheit. Das Gedicht war echt toll!“ Er küsste sie kurz.
Martha schaute auf ihre Armbanduhr: „Oh, ich muss heim – Mama und ich wollen Tante Julia besuchen.“ Mit einem Kuss verabschiedete sich von Rodin und mit jeweils einem Handschlag bei Janina und Franka. Danach verließ sie Zimmer und Haus.
Rod schrieb an seinen Physikaufgaben weiter, Franka sagte: „Ich habe mit einem Angestellten des Rathauses gesprochen. Er will mit dem Chef des städtischen Bau- und Wohnamtes reden, dass dieses Haus für unsere Clique ganz legal bewohnbar wird.“ Janina: „Das is ja interessant. Was soll denn passieren, wenn der Typ vom Amt zustimmt?“
Franka: „Na, dass das Haus wieder an das Strom- und Wassernetz angeschlossen wird und so weiter.“ Plötzlich waren von draußen Hilfeschreie zu hören. Rodin schreckte auf: „Pummi, oh mein Gott!“ Er rannte schnell die Treppe runter, sah aus dem Fenster und sah einen Mann, der Marthas Hals fest mit dem Arm umschlang. Rod lief hinaus.
Der Mann erblickte den jungen Schüler und nahm seinen Schal vom Gesicht: „Hallo, so sieht man sich wieder.“ Es war Theo Leif, der Witwer seiner Oma. Rod fragte, was er hier und vor allem mit seiner Verlobten wolle: „Tja…“, sagte Theo nur. Auf einmal ließ er Martha los und fasste sich an den Bauch. Sie hatte ihn mit einem Pinsel, den sie rein zufällig bei sich trug, gestochen: „Mach dich fort, Alter!“ Theo stieg in sein Auto.
Mit schmerzverzogenem Gesichtsausdruck fuhr er davon. Rodin: „Puh, gut, dass du so gerne malst.“ Martha nickte und die Zwei küssten sich lange. Dann ging sie nach Hause, wo schon lange ihre Eltern und Eduard im Auto auf sie warteten.
Als Amelie eines Mittags in Eduards Zimmer Staub saugte, stieß sie aus Versehen an seinen an seinen Nachttisch, von welchem ein Blatt Papier fiel. Sie hob es und faltete es langsam auf. Auf dem Zettel stand: „Hi, Ede, was machst du grade? Wie geht's dir? Sehen uns Sonnabend im Big Bang. Kuss, Leo“ Amelie legte den Brief wieder weg.
Später beim Abendbrot fragte die Mutter ihren Sohn nach diesem Zettel: „Von wem ist dieser Brief?“ Eduard laut: „Das geht dich gar nichts an!“ Amelie: „Er ist mir beim Staubsaugen aus Versehen runter gefallen. Wer ist Leo? Hey, ich rede mit dir!“ Protestierend schwieg Eduard. Thorsten überlegte: „Schatz, du denkst doch nicht etwa, dass…?“
Martha wurde neugierig: „Was? Dass Ede … ha, nein das kann ich mir nicht vorstellen. Noch nicht mal bei dem alten Doofkopp.“ Amelie ermahnte sie: „Also Martha, reiß dich zusammen! Was nun; ist Leo ein Junge?“ Eduard rief laut: „Nein, verdammt! Es ist ein Mädchen namens Leonie Ilze. Reicht das?“ Thorsten horchte auf: „Heißt ihr Vater zufällig Ingo?“ Ede kuckte gelangweilt: „Ja.“ Amelie: „Der Chef vom Bauhof!“ Martha verstand Bahnhof: „Ingo wer? Den Typen kenn ich net.“ Im Grunde war er ihr auch piepegal.
Kurz darauf überraschte sie ihren Bruder in dessen Zimmer: „Wie ist diese Leonie denn so?“, fragte sie. Eduard, der gerade „Geheimagent Nick Velave“ schaute, sagte: „Sie is ganz dufte.“ Martha hakte nach: „Hört sich ja nicht gerade romantisch an. Küsst sie gut?“ Ede drehte sich genervt um: „Oh, ey, weiß ich nicht –lass mich einfach in Ruhe!“
Am nächsten Tag „verkündete“ Samuel, dass Lora und er sich getrennt haben. Georg war echt froh darüber: „Die hat mich eh genervt.“ Emil hielt sich mit Kommentaren zurück, aber Rod konnte es nicht wahr haben: „Okay, sie war manchmal nervig, aber ihr beiden habt doch super zusammengepasst.“ Sam: „Wie auch immer – sie will nicht mehr. Ihr doofer Cheerleaderclub ist ihr wichtiger als unsere Beziehung. Ich akzeptier’s und basta.“
Nach der Schule redete Emil unter vier Augen mit Samuel: „Lora hat dich nicht wegen ihrem Club verlassen.“ Sam: „Woher willst du das wissen?“ Emil zögerte kurz: „Nächste Woche ist doch die Gruppe S.O.S. in Dreisen. Ich habe ihr eine Freikarte versprochen, wenn sie mit dir Schluss macht. Die Band liebt sie doch so!“ Sam erschrak sehr – er drehte sich von Emil weg: „Und ich dachte, sie wollte nicht mehr meine Süßkirsche sein. Du Arschloch hast alles kaputt gemacht!“ Zügig lief er zu seinem Fahrrad und fuhr wortlos weg.
Erwar zu Loras Haus gefahren und hatte inzwischen mehrmals geklingelt und geklopft, doch niemand machte auf. Er rief ihre Handynummer an und eine ihm eher unbekannte Stimme meldete sich: „Ja, hallo, wer ist da?“ Sam: „Ich bin’s – Samuel. Wo ist Lora und wer bist du?“ Nach ein paar ruhigen Sekunden war endlich Lora am anderen Ende der Leitung: „Was willst du? Ich hab gesagt, es ist aus!“ Einige Minuten redeten die zwei. Am Schluss des Gespräches sagte Lora: „Ich muss jetzt zum Training. Wir treffen uns um fünf an der alten Schmiede. Wir reden dann weiter, okay?“ Samuel: „Okay, gut. Bis dann, Schatz!“
Gleich nach dem Training fuhr Lora zur Schmiede in Pauschen, wo Samuel bereits auf sie wartete: „Willst du wirklich nichts mehr von mir wissen?“, fragte er. Lora: „Von allen Seiten habe ich in der letzten Zeit nur Kritik gehört. Ob ich nicht mehr richtig ticke, mit dir `ollem Torfkopf´ rumzuhängen und so. In der Truppe war es am schlimmsten.“ Mit „Truppe“ meinte sie den Cheerleaderclub, mit dem sie stets trainierte und auftrat.
Sam dachte kurz nach, packte ihre Schultern, umarmte und küsste sie: „Hör nicht auf die Girls ohne Verstand und Geschmack. Wenn sie dich das nächste Mal wegen mir ansprechen, sage, was du von ihnen und ganz besonders von mir denkst.“ Lora: „Dass die alten Puten gefälligst die Klappe halten und meine Gefühle für dich akzeptieren sollen.“
Vor einigen Tagen war der Schwager von Rainer gestorben und Luzies ältere Schwester Inge, die bis dahin bei ihm gelebt hatte, zog nun nach Oberoldendorf, nicht weit entfernt von dem Haus von „Lulu“, wie sie Luzie immer scherzhaft nannte. Rod war nicht sehr von dem Umzug seiner Tante begeistert, da sie ihn immer wie ein kleines Kind behandelte. Bis heute hat sie ihr Verhalten nicht im Geringsten geändert. Rodin war total genervt…
So gut wie jeden Tag kam Inge zu den Pencks entweder zum Im-Haushalt-Helfen oder, um im Garten diverse Arbeiten zu verrichten. Die gemeinsamen Nachmittage am Kaffeetisch wurden nur von Inges Themen beherrscht: Wie traurig sie doch ist, ihren Bruder verloren zu haben, in was für eine schöne Umgebung sie doch gezogen sei und so weiter.
Ronda war nicht wie ihr Zwillingsbruder – sie hörte ihrer Tante gerne zu. Am liebsten mochte sie ihre Geschichten aus Ledenau, dem Heimatort von Luzie und Inge. Als Rodin sich einmal vom Tisch wegschleichen wollte, rief „Tante Nimmerstill“ ihn zurück: „Halt! Hier geblieben, junger Mann. Ich habe gehört, du hast eine Freundin. Erzähl mir doch mal von ihr. Wie ist sie denn so?“ Rod murmelte: „Ganz nett.“ Ronda kicherte: „Wie bitte?!“
Sie sagte: „Du schwärmst Tag und Nacht von Martha, hast sonst wie viele Fotos von euch im Zimmer liegen und sagst, sie wär ganz nett?“ Inge lächelte: „Keine falsche Bescheidenheit, es gibt doch keinen Grund dafür! Wie lange kennt ihr euch schon?“ Rodin überlegte eine Weile und sagte dann: „Na ja, … eigentlich schon unser Leben lang.“ Inge staunte und Luzie klärte ihre Schwester auf: „Kannst du dich noch an Rods Schuleingang erinnern? Da gab es doch so eine kleine Rothaarige mit gedrehtem Zopf – Martha Hamms.“ Inge verstand alles: „Aha, die ist das. Mein Stiefsohn geht mit ihrem großen Bruder in die Lehre.“
Auf einmal kam Martha durch die Tür: „Hi, Putzi!“ Sie begrüßte Rodin mit einem Kuss und Inge mit einem kurzen Händedruck: „Du musst Inge sein. Rod hat mir viel von dir erzählt! Ich bin Martha.“ Inge: „Ja, ich kann mich noch an dich erinnern. Du hattest zum Schulanfang eine rosa Zuckertüte mit Bärchen drauf, stimmt´s?“ Martha schaute etwas verlegen: „Ja, ja, so war es. Komm jetzt Putzi, lass uns zu dir gehen.“ Rod: „Okay. Ciao, Inge!“
Oben in Rodins Zimmer sagte Martha: „Deine Tante ist ja echt so eine Spezies für sich.“ Rod nickte: „Da hast du Recht. Was macht ihr eigentlich zurzeit im Kunstkurs?“ Martha: „Bilder aus dem alten Testament. Katja und ich malen jeweils ein Bild von Noah mit der Arche. Sehr gut für mich, weil ich meine Vorliebe für Aquarell-Malerei voll ausleben kann.“ Rodin „Klar, diese Arche schwamm ja auf Flutwasser!“ Plötzlich piepte sein Handy.
Er las die SMS, die er erhalten hatte: „Ach,... is nur Werbung.“ Rod löschte die Nachricht und schaltete das Handy aus: „Wie weit bist du eigentlich mit deinem Geschichtsprojekt?“ Martha lässig: „Habe ich fast fertig. Weißt du, ob Venus die römische oder die griechische Göttin der Liebe ist?“ Rod: „Die Römische.“ Die zwei begannen, sich zu küssen. Währenddessen ließen sie sich auf sein Bett fallen, dann schaute Martha auf ihren Verlobungsring: „Ich habe ich das Gefühl, dass er, wenn ich mit dir zusammen bin, stärker als sonst strahlt.“ Rodin: „Dasselbe denk ich auch von meinem Ring. Daran merkst du es; wir sind füreinander bestimmt. Ich liebe dich mehr als mein Leben, Pummi!“ Martha: „Mir geht's da nicht anders.“
Inge rief von unten die Treppe hinauf: „Hallo? Es gibt Abendbrot, kommt bitte runter!“ Rodin sagte lächelnd: „Darf ich Sie zu Tisch führen, Mademoiselle?“ Martha kicherte: „Aber gerne. Gehen wir!“ Sie nahm seine Hand und lief mit ihm langsam nach unten.
An einem verregneten Abend kam Luzie vom Elternabend nach Hause, als Ronda mit einem unbekannten Jungen zu ihr kam: „Mama, das ist Piet – ich hab ihn letzte Woche im Big Bang kennen gelernt. Kann er heute Nacht bei uns bleiben? Oh, bitte!“ Luzie sah den jungen Mann, der einen Kopf größer als ihre Tochter war, kritisch an: „Tut mir echt leid, Ronda, aber das geht nicht. Wir kennen ihn ja noch nicht einmal richtig und…“ Ronda: „Ach, Gott, Mum, das ist so gemein von dir!“ Piet schaltete sich in das Gespräch ein: „Macht nix, dann gehe ich.“ Mit einem Kuss verabschiedete er sich von seiner Freundin und ging. Rodins Schwester war wütend: „Danke, Mama – Glanzleistung!“, schrie sie laut und ging in ihr Zimmer. Inzwischen war Rainer von der Arbeit zurückgekommen: „Hallo, Lulu!“ Seine Frau ging langsam weg, er lief ihr neugierig nach: „Hey, willst du mir nicht erzählen, was los ist?“
Luzie redete mit ihm in der Küche: „Unsere Ronda bringt dauernd die schrecklichsten Typen an – entweder sind sie hässlich wie sonst etwas oder viel zu alt für sie! Warum nimmt sie sich kein Beispiel an Rod?“ Rainer: „Das ist jugendliche Rebellion, um sich von den Vorgesetzten, die einen ein Leben lang kontrolliert haben, zu lösen – ganz einfach.“ Luzie: „Einfach? Der Junge von eben, Piet hieß er glaub ich, war der Höhepunkt!“ Rainer: „Den kenn ich doch. Mit seinem Vater geh ich öfter mal zum Bowlen; Lothar Weiheler.“ Luzie schaute auf: „Oh nein! Das war der Sohn? Herrje, das hätte ich wissen müssen!“ Rainer schaute fragend: „Hast du etwa was gegen Lode?“ Luzie kicherte: „Was ist, wenn ja? Bei dem fällt der Apfel nicht weit vom Stamm! Hey, schau dir die zwei doch mal an und dann siehst du, was ich meine!“ Rainer lief wortlos und verärgert aus dem Raum und rief: „Ich dachte, wir hätten immer dieselbe Wellenlänge.“ Luzie entgegnete: „Da hast du dich wohl arg getäuscht!“
Rodin kam mit Martha and der Hand zu seiner Mutter: „Hi, Mama! Du siehst so seltsam aus. Ist irgendwas?“ Luzie wischte sich eine Träne aus dem Auge: „Ach was, ist schon okay.“ Rod fragte: „Kann Martha heute Nacht hier bleiben?“ Luzie nickte: „Ja, natürlich!“ Plötzlich stand Ronda in der Tür: „Was? Sie lässt du bei uns übernachten und Piet nicht? Du bist so gemein!“ Sie rannte zur Haustür hinaus. Martha: „Hä? Was ist denn mit Roni los?“ Rodin: „Dieser Piet war sicher wieder einer von ihren Kurzbekanntschaften, stimmt’s?!“ Luzie: „Ja, aber nicht nur das. Der Vater von dem Typ ist auch Rainers bester Oberschulkumpel.“
Als Rod und Martha in seinem Zimmer waren, kramte sie in ihrer Tasche herum: „Ich hab dir ein neues Bild mitgebracht. Hier ist es, voilà!“ Dieses Bild zeigte Rodin, wie er am Fenster lehnt und ganz verträumt hinaus schaut. Er sagte dazu: „Das ist wunderschön – du steigerst dich mehr und mehr!“ Martha: „Wenn ich allein bin, stelle ich mir vor, dass genau in diesem Moment an mich denkst – so ist das Werk entstanden.“ Die zwei küssten sich bis von draußen lautes Schreien zu hören war: „Gut, wenn du keinen Ausweg siehst, … dann trennen wir uns! Es ist doch nicht nur mein Problem.“ Es war Rainer. Rodin lief aus dem Zimmer, die Treppe runter, zur Tür raus in den Garten, wo er Luzie weinend vorfand: „Das ist alles meine Schuld! Wenn ich den Piet nicht weggeschickt und Rainer nicht von ihm erzählt hätte, gäbe es jetzt gar keinen Streit.“ Rodin: „Oh, Mama, mach mal halblang! Das Ganze hat sich unglücklicher Weise einfach Schritt für Schritt so ergeben. Niemand trägt die Schuld daran – erst recht nicht und am allerwenigsten du, glaube mir!“ Martha kam dazu: „Was ist denn los?“ Luzie: „Ach nichts, nur ein kleiner Streit zwischen Rainer und mir.“ Sie schnäuzte sich in ihr Taschentuch und sagte dann: „Es geht schon wieder. Ich mache erst mal Abendbrot.“
Martha war erleichtert: „Schön, dass sie sich beruhigt. Dein Vater wird das auch bald tun, da bin ich sicher!“ Rodin: „Dankeschön nochmals für das schöne Bild, Pummi.“ Er lachte, nahm ihre Hand und ging mit ihr langsam durch den Garten, bis seine Mutter alle zum Abendessen rief. Rainer hatte den Streit bereits vergessen und aß in aller Ruhe mit seiner Familie und Schwiegertochter in spe total entspannt am runden Esstisch in der Küche.
Wie so oft war im Kellerclub eine ganz spontan geplante Party zugange, auf der auch eine alte Bekannte auftauchte – Mira. Fast alle waren von ihrem Überraschungsbesuch alles andere als begeistert – außer Justin, ihr Ex-Freund: „Toll, dass du mal wieder hier vorbeischaust! Wollen wir was trinken?“ Die Wahl-Putzdomerin wollte eigentlich nichts mehr von ihm wissen, ging jedoch auf sein Angebot ein. An der Bar redete sie mit ihm über Rodin: „Ich habe ihn vorhin schon wieder mit dieser Hamms knutschen sehen. Mir ist fast schlecht geworden, bäh! Weißt du, ich liebe ihn ja immer noch. Diese fette Kuh hat ihn nicht verdient!“ Justin: „Ich habe eine geniale Idee, wie du Martha ganz einfach von Rod weg bekommst.“
Nachdem die zwei zu Ende geredet hatten, ging Justin zu Rodin, mit dem er sich schon immer gut verstanden hat: „Na, Alter, was geht?! Ist echt ne super Feier heute. Draußen steht mein neues Bike – kommste raus? Ich zeig´s dir!“ Rod nickte und ging mit ihm. Unterdessen war Martha hinterm Haus, wo sie mit Franka und Janina quatschte. Mira kam dazu: „Hallo, Girls, wie geht's?“ Franka: „Zieh Leine, wir wollen dich hier nicht haben!“ Janina: „Genau, los geh schon, husch!“ Plötzlich war ein sehr lautes „Ah!!!“ zu hören. Martha schreckte auf: „Das war Justin.“, rief sie und lief ums Haus zur anderen Seite, wo sie diesen auf dem Boden liegen und Rodin mit einer Luftpumpe in der Hand sah: „Ich habe nichts gemacht – echt nicht!“ Mira tat so, als ob sie sich um Justin sorgte und rief: „Hey, Süßer, wach doch auf! Hörst du mich?“ Sie sah zu Rod: „Das wirst du bitter bezahlen!“ Auf einmal musste Justin niesen – der ganze Plan von ihm und Rods Verehrerin war dahin: „Du Depp!“, rief Mira, „Alles schien perfekt und du machst mit popeligem Niesen alles zur Farce. Ich verachte dich!“
Martha wurde Einiges klar: „Mira Eden, das war wieder eine von deinen Methoden, mich und Rodin auseinander zu bringen! Finde dich endlich damit ab, dass du ihn niemals bekommen wirst! Er liebt nur mich allein.“ Gemeinsam gingen Rod und sie wieder ins Haus. Mira drehte durch vor Wut auf Justin: „Du unfähiger Holzkopf!“, rief sie, „Ich hab es richtig gemacht, als ich mit von dir trennte.“ Ihr Geschrei hörten Rod und Martha an einem angekippten Fenster mit und lachten sich darüber halb kaputt: „Die hat echt eine Schraube locker!“ Clubchef Udo kam hielt eine Durchsage: „Das war es leider schon wieder mit unserer Party. Ich wünsche euch einen ruhigen Nachhauseweg und eine gute Nacht!“ Martha und Rodin gingen aus dem Clubhaus, wovor sie einen zerknirschten Justin vorfanden: „Sorry, dass ich dir in die Schuhe schieben wollte, du hättest mich geschlagen. Rodin: „Ist ja schon gut!“ Es kam Justins große Liebe, Udos Tochter Lara, dazu: „Äh, kommst du noch mit zu mir?“ Justin willigte sofort ein. Rodin legte seinen Arm um Martha, während sie nach Hause gingen: „Mira sehen wir nicht so schnell wieder. Das ist sicher wie das Amen in der Kirche!“, sagte er.
Seine Verlobte sah das auch so: „Sie ist für sehr, sehr lange Zeit ganz bestimmt nicht mehr in Niederoldendorf unterwegs. Äh, Putzi, was lachst du denn so?“ Rod: „Warte, bis wir bei der Losch-Bäckerei angekommen sind!“ Am besagten Ort fragte Martha: „Was ist denn jetzt?“ Genau in diesem Moment kam ihr Onkel Peter mit einem zugedeckten Teller aus dem Haus: „Kuck mal, was ich für dich habe, Martha!“ Sie nahm das Tuch weg und erblickte erstaunt drei Erdbeerschnecken: „Das gibt's doch nicht! Wo hast du die her?“ Peter: „Es stimmt nicht ganz, dass Herr Haufe keinem das Rezept verraten hat. Seine Witwe hat es vorgestern in der Nachttischschublade gefunden.“ Martha jubelte, als wenn sie gerade bei den Olympischen Spielen gewonnen hätte: „Wow, das ist wunderbar!“ Nun konnte sie seit langer Zeit wieder genussvoll in ihr Lieblingsgebäck beißen: „Mh, lecker wie immer.“, sagte sie mit halbvollem Mund. Rodin durfte selbstverständlich auch eine Schnecke verputzen.
Martha hatte sich eigentlich schon damit abgefunden, nie wieder eine Erdbeerschnecke essen zu können, aber der Fund des Rezepts hat alle Erwartungen verändert.
Martha hatte mit Rodin schon seit längerem ein Picknick auf dem Wehnerberg, einer Anhöhe außerhalb Niederoldendorfs, geplant – vorausgesetzt, das Wetter stimmte. An einem Sonntag, der warm und sonnig werden sollte, war es soweit. Auf dem Berg wehte ein leichter Wind, als Rod die Decke ausbreitete und Martha im Korb nach ihren Erdbeerschnecken kramte: „Ah, da sind sie ja.“ Sie packte zwei Halbliterflaschen Apfelschorle aus: „Putzi, wolltest du nicht noch die Fotos vom Wandertag holen?“ Rodin: „Die sind noch nicht fertig. Ich versuche es morgen noch mal.“ Er nahm eine Flasche und erhob sie: „Cheers, Pummi!“ Mit einem verschüchterten Lächeln fragte Martha: „Willste ne Schnecke haben?“ Rod: „Eine? Ich habe doch zwei – dich und die mit der Erdbeerfüllung, hihi.“ Martha: „Hahaha, stimmt.“ Nach einiger Zeit flog ein Sportflugzeug über den blauen Himmel, das ein langes Transparent hinter sich herzog. Martha nahm ihr Fernglas und las die Aufschrift: „I love you, Pummi!“ Sie sah den grinsenden Rodin erstaunt an: „Oh, Putzi!“ Überwältigt küsste sie ihn. Rodin nahm ihre linke Hand und küsste den Verlobungsring: „Ich würd alles tun, damit du glücklich bist.“ Marthas Wangen liefen rot an: „Mensch, Putzi, ich doch auch!“ Die Zwei küssten sich lange.
Martha durchkramte ihren Rucksack, bis sie etwas kleines in Folie Eingepacktes herausholte: „Ich glaube zwar, dass mein Geschenk diese Sache mit dem Flugzeug nicht mehr übertreffen kann, aber…“ Sie gab ihm ihr Präsent, Rod packte es aus: „Körner? Ach nein, hier steht es ja; Sonnenblumensamen von höchster Qualität. Oh, danke, Pummi!“
Martha: „Nachdem ich dir eine künstliche Blume geschenkt hatte, wollte ich dir auch einmal echte schenken. Ich hoffe sehr, dass es mir gelungen ist.“ Rodin küsste sie: „Ist diese Antwort ausreichend?“ Sie nickte, ihr Handy piepte: „Es ist Franka; sie fragt, wie das Wetter hier oben ist und, ob das Flugzeug schon zu sehen war. Was, sie wusste auch davon?“ Rod: „Insgesamt wussten vier Leute davon – Franka, Janina, die Sabrina und ich.“
Martha legte sich auf den Rücken: „Das ist ja was! Äh, Putzi, ich muss dir was sagen.“ Rodin legte sich zu ihr: „Was denn?“ Martha: „Nächste Woche bin ich wieder in Fredfurt, weil dort eine Ausstellung in der IAS stattfindet, wo auch ein paar meiner Bilder zu sehen sein werden. Du wirst mich von Montag bis voraussichtlich Freitag nicht bei dir haben.“ Rod: „Das macht doch nichts! Ich bin am Donnerstag auch nicht da – im Preisstädter Wirtschaftsgymnasium ist Tag der offenen Tür.“ Martha stutzte: „Da ist doch ein … Feiertag!“ Rodin kicherte: „Hahaha, Pummelchen, du merkst aber auch alles. Du bist wirklich clever!“ Nach einem kurzen Kuss auf ihre Wange legte er sich mit seinem Kopf auf Marthas Bauch: „So gemütlich und relaxed sollte jeder Tag sein!“ Martha: „Alles geht, wenn du es nur willst.“
Martha schaute auf ihre Armbanduhr: „Na holla, in einer halben Stunde gibt es Abendbrot!“ Rodin: „Ach, schon? Ich will aber noch ein bisschen hier bleiben.“ Martha lächelte: „Gut, ich rufe daheim an.“ Sie nahm ihr Handy und tippte die Nummer von zu Hause ein. Nach ein paar Sekunden sprach sie: „Hallo, Papa, ich bin's, Martha! Rod und ich wollen noch länger dieses tolle Wetter hier oben genießen; ich komme also später heim, ja? Okay, dann bis später, ciao!“ Sie legte ihr Mobiltelefon weg: „So, das wär hiermit geregelt!“
Rod fragte sie, was gerade im Kunstkurs bei Frau Kurt gemalt werde: „Nichts allzu Besonderes; wir machen im Moment nur Studien für Landschaften und solchen Kram.“, antwortete sie mit einem etwas schiefen Lächeln. Er fasste ihr an die Wange: „Du wirst ja ganz rot!“ Martha schaute verlegen weg. Rod: „Nein, ich liebe Mädels, die ganz offen ihre Gefühle zeigen können!“ Sanft küsste er sie und beide legten sich hin.
ENDE