Als Ben nach 7 Jahren aus München wieder zurück nach Köln kommt, will er eigentlich nur sein komplettes Leben hinter sich lassen und von vorne anfangen. Doch dann erlebt er etwas, was wohl keinem von uns passieren möchte. Er rettet eine Frau davor, sich das Leben zu nehmen und von heute auf morgen wird Bens "neues" Leben auf eine harte Probe gestellt und völlig durcheinander geworfen. Denn diese Frau hat ein Geheimnis und welches das ist, könnt ihr nur herausfinden, wenn ihr das Buch lest :)
Kapitel 4
Â
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag Sarah immer noch in meinen Armen und ich fragte mich, ob wir uns in dieser Nacht überhaupt ein einziges Mal vom Fleck bewegt hatten. Ich beobachtete sie eine ganze Weile, sie war so wunderschön wie sie da lag, ich hätte Stunden lang so weiter machen können. Keine Ahnung wie lange ich einfach nur da lag und sie ansah, doch irgendwann wurde sie, und ich muss zugeben ich war ein bisschen enttäuscht, dann auch wach.
Â
„Guten Morgen.“, nuschelte sie vor sich hin und sah mich mit kleinen Augen an. Sie war so verdammt süß.
Â
„Morgen Sarah, hast du gut geschlafen?“
Â
„Ja... So gut wie schon lange nicht mehr.“, sie lächelte ein wenig.
Â
Einen Moment lang sahen wir uns tief in die Augen und ich wünschte, dieser Augenblick würde nie zu Ende gehen.
Â
„Und du? Hast du auch gut geschlafen?“, fragte sie plötzlich.
Â
„Was?“, ich war immer noch total verwirrt.
Â
„Ob du gut geschlafen hast möchte ich wissen.“, wieder lächelte sie mich an.
Â
„Habe ich, ja. Sehr gut sogar.“, diese Augen machten mich wahnsinnig.
Â
Wieder schwiegen wir, aber es war kein unangenehmes Schweigen. Ich fühlte mich richtig wohl bei ihr, hätte auch einfach den ganzen Tag hier liegen bleiben und sie einfach nur anschauen können. Doch dann tat ich etwas, was ich vielleicht besser nicht hätte tun sollen. Ich strich ihr ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Zuerst hatte ich das Gefühl, es gefiel ihr, sie schloss die Augen, sagte erst einmal nichts. Doch dann sprang sie plötzlich auf, ging zum Fenster und schaute nach draußen.
Â
„Ich glaube es ist besser, wenn du jetzt gehst Ben.“, sagte sie in einem ruhigen Ton.
„Sarah, hör zu, ich wollte nicht...“, weiter kam ich nicht.
Â
„Ben bitte... geh einfach.“, ihre Stimme wurde schärfer.
Â
Ich stand auf und zog mich an. Ich wusste nicht wie ich das ganze deuten sollte. Warum reagierte sie jetzt plötzlich so komisch?
Â
Immer noch stand sie am Fenster, sah mich nicht an, sprach kein Wort mehr. Die Situation war für mich unerträglich, ich musste wissen was los ist.
Â
„Sarah, was ist los? Warum reagierst du so komisch? Ich wollte dich nicht anmachen okay? Das habe ich nie getan und das werde ich auch nicht. Ich weiß doch, dass du es nicht willst.“
Â
„Das ist nicht das Problem Ben und das weißt du auch. Wenn es so wäre, dann hättest du heute Nacht nicht hier geschlafen.“
Â
„Aber was ist es dann? Warum schickst du mich jetzt weg?“
Â
Ich ging näher zu ihr, stellte mich hinter sie und legte meine Hände an ihre Arme.
Â
„Verdammt noch mal Ben.“, plötzlich drehte sie sich um, stieß mich von sich, so dass ich ein Stück nach hinten fiel. „Jetzt hau einfach ab und lass mich alleine. Was daran verstehst du nicht???“
Â
Sarah war sauer und mir wurde klar, dass es so keinen Sinn machte sie weiter auszufragen. Ich sah sie an, ihre Augen glänzten, sie war kurz davor zu weinen. Wieder schwankte ich, wieder wusste ich nicht was ich tun sollte. Ich wäre am liebsten zu ihr gegangen und hätte sie in den Arm genommen, aber ich wusste auch, dass sie es jetzt niemals zulassen würde.
Â
Ich stand auf, nahm meine restlichen Sachen und verließ das Zimmer. Ich schloss die Tür, lehnte mich dagegen und holte erst einmal tief Luft. Das alles nahm mich ziemlich mit, vor allem, weil ich es einfach nicht verstehen konnte. Nichts von all dem was in den letzten zwei Tagen passiert war. Ich war so in Gedanken, dass ich nicht einmal Chris bemerkte, der mittlerweile neben mir stand.
Â
„Ben!“, er schrie mich schon fast an.
Â
„Chris... Sorry ich war in Gedanken.“
Â
„Ja, das hab ich gemerkt. Warst du die ganze Nacht hier? Bei Sarah?“
Â
Ich nickte. „Ja ich... ich hatte keine Lust mehr nach Hause zu laufen, es war so kalt. Und Sarah meinte ich könnte bei ihr pennen.“
Â
„Ist alles in Ordnung?“, fragte er mich, er sah schon fast besorgt aus.
Â
„Ja alles in Ordnung, ich war einfach nur in Gedanken, nicht weiter tragisch.“
Â
„Dann ist ja gut, möchtest du was essen?“
Â
„Nein, ich werde jetzt nach Hause gehen. Ich muss duschen und ich glaube ein bisschen Schlaf brauche ich auch noch.“
Â
„Okay, wir sehen uns ja?“
Â
„Ja, ich melde mich. Tschau.“
Â
„Tschau Ben.“
Â
Ich ging aus dem Haus und machte mich auf den Weg nach Hause. Es war bitter kalt draußen und wieder einmal schneite es. Ich musste an die Nacht auf der Brücke denken, die Nacht, in der Sarah versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Es war schrecklich und ich wusste immer noch nicht, wieso sie überhaupt versucht hatte ihr Leben zu beenden...
Â
Â
Â
Â
Einige Wochen später...
Â
In den nächsten Wochen sah ich Sarah kaum, sie ging mir so gut es ging aus dem Weg. Wenn ich zu ihnen nach Hause kam, verließ sie kurze Zeit später das Haus und wenn ich sie doch mal irgendwie erwischte, fand sie immer irgendeine Ausrede, warum sie gerade keine Zeit hatte. Das einzig Positive an der ganzen Sache war, dass sie sich zumindest psychisch wieder gefangen und mit dem Gedanken sich umzubringen, wohl abgeschlossen hatte.
Â
Heute war wieder einmal ein komischer Abend. Es war Freitag, ich hatte frei und saß alleine zuhause auf der Couch. Irgendwie fühlte ich mich mies und einsam, hätte gerne irgendwas unternommen, aber Chris hatte heute Abend keine Zeit und andere Leute kannte ich nicht wirklich. Also beschloss ich, mir eine DVD rein zu schmeißen und mich so ein bisschen abzulenken.
Â
Allerdings lief die DVD keine 10 Minuten, als das Telefon plötzlich klingelte.
Â
„Hallo?“
Â
„Hey Ben, ich bin es Chris.“
Â
„Hey, na was gibt’s? Ich dachte du bist unterwegs?“
Â
„Ja wollte ich auch, aber es ist was dazwischen gekommen. Was machst du gerade?“
Â
„Mich langweilen, hab mir gerade eine DVD rein geschmissen.“
Â
„Hast Bock vorbei zu kommen? Wir könnten Fußball gucken.“
Â
„Wer spielt?“
Â
„Köln gegen Dortmund.“
Â
„Alles klar, bin in 20 Minuten da.“
Â
„Gut, bis gleich.“
Â
Ich zog mich an und machte mich auf den Weg, zum Glück kam ich jetzt noch noch ein bisschen hier raus. Und Fußball war definitiv das beste Mittel gegen negative Gedanken, allerdings drehten sich schon auf dem Weg zu Chris, die Gedanken schon wieder nur noch um Sarah. Ich fragte mich, ob sie wohl auch da sein würde und ob wir vielleicht endlich anfangen konnten, normal miteinander umzugehen. Chris stand schon in der Tür und wartete auf mich, als ich ankam.
Â
„Hey, das ging ja schnell.“
Â
„Ja, ich habe doch gesagt ich bin in 20 Minuten da.“
Â
„Ja schon, aber das heißt bei dir ja nicht viel.“, er lachte. „Na los, komm rein.“
Â
Wir gingen ins Wohnzimmer und ich schmiss mich auf die Couch.
Â
„Ist Sarah nicht da?“, fragte ich.
Â
„Nein bisher nicht, ich habe auch keine Ahnung, ob sie überhaupt noch kommt. Sie ist kaum zuhause in letzter Zeit.“
Â
„Hmm...“
Â
„Warum fragst du?“
Â
„Ach nur so, zu dritt wäre es vielleicht lustiger.“
Â
„Ich denke nicht, mit Sarah ist in letzter Zeit nicht mal ein bisschen an Spaß zu denken. Sie ist echt sehr merkwürdig geworden.“, jetzt klang Chris ein bisschen besorgt.
Â
„Hey, mach dir keinen Kopf. Sie beruhigt sich auch wieder, ist wahrscheinlich nur so eine doofe Phase.“
Â
„Ja ich hoffe es, aber jetzt lass uns das Spiel gucken. Ich hole uns mal Bier.“
Chris stand auf und ging in die Küche und ich saß hier, mit meinem Wissen über das Geschehene und konnte Chris nichts sagen, obwohl er sich große Sorgen um seine Schwester machte. Es war wirklich eine miese Situation für mich.
Â
„So hier nimm.“, sagte Chris, hielt mir das Bier hin und setzte sich neben mich.
Â
Wir schauten das Spiel, unterhielten uns darüber, welch schlechten Fußball die Kölner an diesem Abend mal wieder spielten und nicht zu unrecht verloren sie das Spiel gegen die Borussen mit 1:3.
Â
„Das war wieder so klar, die steigen ab diese Saison, da geht kein Weg mehr dran vorbei.“, Chris war so wütend, dass es echt schon wieder lustig war und ich mich zusammen reißen musste, nicht zu lachen.
Â
„Chris komm mal wieder runter.“, jetzt musste ich doch lachen. „Die Saison ist noch lang, warten wir mal ab.“
Â
„Nein, da muss ich mich drüber aufregen über so einen Scheiß.“, auch er lachte jetzt. „Bleibst du noch?“
Â
„Ne ich hau ab, ich bin irgendwie ganz schön platt.“
Â
„Alles klar, dann bis Morgen.“
Â
„Ja bis Morgen, tschau.“
Â
„Tschau Ben.“
Â
Ich beschloss, einen kleinen Umweg durch den Park zu machen, es war noch sehr früh und Lust auf Zuhause hatte ich irgendwie immer noch nicht. Mittlerweile war es auch nicht mehr ganz so kalt, so dass ein Spaziergang durchaus zu ertragen war.
Â
Kaum jemand war noch draußen, höchstens war jemand mal mit seinem Hund unterwegs, aber das war auch eher eine Seltenheit. Lange lief ich einfach so rum, ohne ein bestimmtes Ziel, mir war einfach nur wichtig, dass ich noch nicht nach Hause musste, da fühlte ich mich ja doch nur wieder allein.
Â
Ich lief ein ganzes Stück unten am See entlang, als ich ein Stück weiter etwas auf dem Boden liegen sah. Ich ging näher ran, da ich nicht erkennen konnte, was es war und war ziemlich geschockt, als ich erkennen konnte, dass dort ein Mensch lag. Ich rannte hin, irgendwie schien ich solche Sachen in letzter Zeit anzuziehen.
Â
Doch als ich endlich dort ankam und ich die Person zu mir drehte, konnte ich einfach nicht glauben, wen ich da sah. Es war Sarah, sie lag da, rührte sich nicht. Ich bekam Panik, versuchte sie wach zu rütteln.
Â
„Sarah... Sarah hörst du mich?? Verdammt Sarah wach auf.“, ich schrie sie an, aber sie reagierte nicht. „Scheiße, scheiße, scheiße, wo ist denn dieses verdammte Handy bloß???“, ich sprach mit mir selbst, suchte mein Handy, zitterte am ganzen Körper.
Â
Bis plötzlich jemand nach meiner Hand griff.
Â
„Ben nicht...“, sie sprach ganz leise.
Â
„Sarah...“, mir fiel ein Stein vom Herzen. „Du brauchst einen Arzt, warte ich hab mein Handy gleich.“
Â
„Ben...“, sie drückte meine Hand und ich sah sie an. „Keinen Arzt, bitte...“
Â
„Aber du musst doch...“
Â
„Sshhhh...“, sie unterbrach mich, schüttelte den Kopf. „Mir war nur schwindelig und dann bin ich umgekippt, der Kreislauf, du weißt doch.“
Â
„Das ist doch nicht normal Sarah. Verdammt ich mach mir Sorgen um dich.“, ich hatte plötzlich Tränen in den Augen.
Â
Sie setzte sich langsam auf, nahm mich in den Arm. Ich merkte wie sehr ich immer noch zitterte, aber auch wie gut es tat, ihr so nah zu sein.
„Das brauchst du nicht okay? Du brauchst dir um mich keine Sorgen zu machen. Ich bin einfach manchmal ein bisschen unvorsichtig.“, sie vergrub ihr Gesicht an meinem Hals, zog mich immer fester an sich.
Â
Auch ich legte jetzt meine Arme um sie, hielt sie ganz nah bei mir. Was war hier nur los? Warum passierten immer wieder diese komischen Dinge? Und was war nur mit Sarah los? Das war doch alles nicht mehr normal. Aber warum wollte sie nicht mit mir reden? Ich verstand es einfach nicht.
Â
Eine ganze Weile saßen wir so da, ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen. Ich genoss ihre Nähe, hätte sie am liebsten nie wieder los gelassen. Doch das tat sie irgendwann, löste sich leicht von mir und sah mir dann in die Augen.
Â
„Kannst du mich nach Hause bringen? Bitte?“, sie sah mich schon fast flehend an, so wie an dem Abend, als sie mich gebeten hatte, bei ihr zu bleiben.
Â
„Sicher dass wir nicht doch lieber zu einem Arzt fahren sollten?“
Â
„Ganz sicher, bring mich einfach nur nach Hause bitte.“, sie flüsterte schon fast.
Â
„Okay...“, mehr sagte ich nicht und stand auf.
Â
Ich zog sie zu mir hoch, sie konnte sich kaum auf den Beinen halten und sank gleich wieder in meine Arme. Wieder hielt ich sie bei mir, wusste nicht was ich tun sollte, ich war immer noch der Meinung, dass es besser wäre sie zu einem Arzt zu bringen.
Â
„Sarah bitte... Wäre es nicht doch besser wenn...“, weiter kam ich nicht, noch bevor ich zu Ende sprechen konnte, legte sie mir einen Finger auf die Lippen und ihre Stirn an meine.
Â
„Ben bitte.“, sie sprach ganz leise. „Vertrau mir einfach, es geht gleich wieder, genau wie an dem Tag im „No Limits“, ich möchte einfach nur in mein Bett. Ben bitte...“, sie sah mir in die Augen und ich dachte wirklich, die Welt bleibt stehen.
Ich versuchte, mich wieder einigermaßen zu fangen und lief ohne ein weiteres Wort zu sagen mit ihr Arm in Arm in Richtung Hauptstraße. Ich hoffte, dass sie es überhaupt den ganzen Weg über schaffen würde, sich auf den Beinen zu halten. Es war schon ein ganzen Stück zu laufen.
Â
Sie sprach kein Wort mit mir, schaute nur durch die Gegend oder sah mich zwischendurch immer wieder an. Ich zitterte irgendwie immer noch, hatte den Schrecken von vorhin einfach noch nicht überstanden. Ich dachte wirklich sie sei tot, keine Ahnung was ich getan hätte, wenn es so gewesen wäre.
Â
„Ist Chris da?“, fragte sie mich als wir vor dem Haus standen.
Â
„Ich denke schon, ich war vorhin noch bei ihm.“
Â
„Hmm...“
Â
„Willst du alleine hoch? Ich kann auch direkt nach Hause gehen.“
Â
„Nein bitte nicht.“, sie hielt meine Hand fest. „Sorry ich...“
Â
„Was ist los Sarah?“, ich streichelte ihre Hand ein wenig und sie schaute auf unsere Hände.
Â
„Ich weiß auch nicht, ich kann einfach nicht...“, sie sprach nicht weiter.
Â
„Was kannst du nicht?“
Â
„Ich kann nicht alleine bleiben heute Nacht.“, wieder flüsterte sie und sah mich an. Sie hatte Tränen in den Augen und auch ich war fast wieder so weit.
Â
„Ich bleib bei dir wenn du das möchtest.“
Â
„Wirklich?“
Â
„Ja wirklich. Komm schon, ich lass mir was einfallen für Chris.“
Â
„Danke...“
Â
„Nichts danke, komm schon.“
Â
Ich nahm sie an die Hand und zog sie hinter mir her. Sie war wieder wie ein kleines Kind, total hilflos. Warum nur konnte und wollte sie heute Nacht nicht alleine bleiben? Ich wollte das alles einfach nur verstehen, konnte es aber nicht.
Â
Als wir zur Tür reinkamen, kam uns Chris natürlich schon entgegen und wunderte sich sofort, warum ich mit Sarah zusammen kam.
Â
„Hey ihr zwei, alles in Ordnung? Warum bist du wieder hier Ben?“
Â
„Wir haben uns zufällig getroffen und wollten noch ein bisschen quatschen.“
Â
Chris sah uns ziemlich skeptisch an, nahm meine Antwort dann aber so hin.
Â
„Alles klar, dachte schon es ist etwas passiert.“
Â
„Nein es ist alles okay.“, mischte sich Sarah jetzt auch ein. „Können wir gehen Ben?“
Â
„Ja sicher.“
Â
Ich sah Chris an und ging dann wortlos an ihm vorbei in Sarah Zimmer. Ich setzte mich auf ihr Bett, beobachtete sie, als sie auch ins Zimmer kam. Sie setzte sich neben mich, legte sich dann aber kurze Zeit später hin und starrte an die Decke. Eine ganze Weile sah ich sie einfach nur an, doch diese Stille machte mich wahnsinnig, ich wollte endlich wissen was los war. Wieso Sarah ständig umkippte, wieso sie sich umbringen wollte, diese Ungewissheit machte mich noch wahnsinnig.
Â
„Sarah?“
Â
„Hmm?“
Â
„Können wir reden?“
Sie sah mich an. „Worüber willst du reden?“
Â
„Über alles Sarah, was mit dir los ist. Was passiert ist, warum du dich umbringen wolltest.“
Â
„Ben...“, sie sah mich weiterhin nur an, diese Blicke machten mich wahnsinnig.
Â
„Bitte Sarah. Ich mach mir solche Sorgen.“
Â
Sie sagte nichts, fasste mich nur am Arm und zog mich zu sich runter. Ich legte mich neben sie und sie drehte sich zu mir, sah mir in die Augen und schwieg weiter. Meine Gefühle fuhren Achterbahn, ich war dabei mich unsterblich zu verlieben, wenn ich es nicht schon längst getan hatte.
Â
„Sarah ich...“, wieder legte sie mir ihren Finger auf die Lippen.
Â
„Ben... Ich sagte dir vorhin schon, du brauchst dir keine Sorgen machen. Es ist alles in Ordnung und das mit dem Selbstmordversuch...“, sie stoppte.
Â
„Ja?“, ich drehte mich auch zu ihr.
Â
„Das war... einfach... Ich hab etwas überreagiert. Das ist alles.“
Â
„Etwas??“, ich konnte nicht glauben, dass sie das so herunter spielte.
Â
„Mensch Ben, können wir das nicht einfach vergessen?“
Â
„Wie soll ich das bitte vergessen können?“
Â
„Ich weiß nicht...“, sie streichelte mir kurz über die Wange. „Mir zu liebe, ja?“
Â
„Ja...“, ich glaube ich hätte ihr in diesem Moment alles versprochen.
Â
„Danke...“, flüsterte sie und sah mich weiter an, streichelte immer noch meine Wange. Was war hier nur los?
Â
Es war eine verdammt schöne Situation, wir waren uns irgendwie so nah, so nah wie noch nie. Ich genoss ihre Nähe und ihr schien es nicht anders zu gehen. Doch so schön wie dieser Moment auch war, so schnell war er auch wieder vorbei.
Â
„Ich hole uns mal was zu trinken.“, sagte sie und sprang auf.
Â
Sie ging aus dem Raum und ich musste erst einmal durchatmen. Ich fragte mich, ob Sarah vielleicht ähnlich empfand wie ich, konnte es mir aber nicht wirklich vorstellen. Aber was hatte das gerade dann zu bedeuten?
Ein paar Minuten später kam sie auch schon wieder zurück und drückte mir ein Glas Cola in die Hand.
Â
„Wir sollten gleich schlafen, ist schon spät.“, sagte sie.
Â
„Ja, vielleicht sollten wir das tun.“
Â
Ich nahm ihr die Cola aus der Hand und trank sie aus, anschließend zog ich mich aus und legte mich ins Bett. Kurze Zeit später legte Sarah sich dann auch zu mir. Wieder war ich ihr so nah, wieder fuhren meine Gefühle Achterbahn. Mein Herz schlug wie wild und ich wäre am liebsten auf der Stelle verschwunden.
Â
„Ben?“, flüsterte sie.
Â
„Ja?“
Â
„Nimmst du mich in den Arm?“
Â
„Ja... Komm her.“
Â
Sie rutsche an mich heran, ich spürte ihre Wärme und dabei war sie noch nicht einmal ganz bei mir. Ich nahm sie in den Arm, zog sie an mich, hielt sie fest. Wie sollte ich diese Nacht nur überstehen?
Â
„Danke Ben.“
Â
„Wofür?“
Â
„Dafür dass du bei mir bist.“
Â
„Nichts zu danken. Ich bin es gerne.“
Â
„Trotzdem.“, sie gab mir einen Kuss auf die Wange und kuschelte sich wieder an mich.
Â
Ich schloss die Augen und es dauerte nicht lange und wir waren auch schon eingeschlafen.
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Kapitel 3
Â
Im „No Limits“ angekommen, stellten wir fest, dass es noch nicht sonderlich voll war. Wir fanden direkt einen kleinen Tisch und machten es uns bequem. Wir bestellten uns etwas zu trinken und zu Chris Überraschung bestellte Sarah sich nur eine Cola.
Â
„Was ist? Bist du krank?“, fragte er sie ungläubig.
Â
„Warum? Hast du n Problem damit, dass ich keinen Alkohol trinke oder was?“, Sarah wurde sofort sehr aggressiv.
Â
„Nein, ich... Sorry, ich frag doch nur. So kenne ich dich eben nicht.“
Â
„Ja, dann lernst du mich jetzt eben so kennen.“, sie schien sehr sauer zu sein.
Â
„Meine Güte, geht’s noch? Ich hab dich nur was gefragt. Krieg dich mal wieder ein.“
Â
Ich sagte nichts dazu, mischte mich nicht ein. Aber ich fand schon, dass Sarah sehr überreagierte. Auch Chris sagte nichts weiter und wir schwiegen eine ganze Zeit lang. Doch nach und nach wurde dieses Schweigen sehr unangenehm und ich versuchte mit Chris ein Gespräch zu beginnen, was mir dann auch schließlich gelang. Irgendwann mischte auch Sarah wieder kräftig mit und es schien sich so langsam alles wieder beruhigt zu haben.
Â
Nach und nach wurde der Laden dann auch voller und ich war froh, dass wir so früh her gefahren waren. Um diese Zeit hätten wir sicherlich keinen Platz mehr bekommen. Wir quatschten und quatschten, lachten viel. Auch Sarah war jetzt richtig gut drauf.
Â
„Hat jemand Lust zu tanzen?“, fragte ich irgendwann.
Â
„Vergiss es!“, antwortete Chris ziemlich energisch. „Du weißt, dass ich nicht tanzen kann.“
Â
Ich musste ein wenig lachen. „Und was ist mit dir Sarah?“, ich sah sie fragend an.
Â
„Ja klar, nichts lieber als das.“, sie lächelte und ich muss zugeben, ich war schon ein bisschen überrascht.
Â
„Na dann los. Komm schon.“, forderte ich sie auf und lief schon mal in Richtung der Tanzfläche.
Â
Sarah lief mir hinterher und kurze Zeit später standen wir auch schon auf der Tanzfläche. Der Song war noch nicht wirklich die Art von Musik auf die wir tanzen wollten, deshalb beschlossen wir, auf den nächsten zu warten. Und wie es der Zufall so wollte lief einen Moment später auch schon mein Lieblingssong. Chris Brown – Turn up the Music. Ich bewegte mich ein bisschen zur Musik, muss leider auch zugeben, dass ich tänzerisch nicht gerade sehr begabt war, aber ich tanzte gerne. Es befreite mich einfach. Erst registrierte ich so gar nicht was um mich herum passierte, doch plötzlich bemerkte ich, dass alles um mich herum irgendwie ein Stück nach hinten rutschte. Und dann sah ich auch warum – Sarah tanzte. Und wie sie tanzte, es war einfach der Wahnsinn. Ich war wieder einmal fasziniert von ihr, von der Art wie sie sich bewegte. Ich hätte ihr stundenlang zusehen können.
Â
Als der Song zu Ende war, klatschten alle um uns herum und ich hatte das Gefühl, dass Sarah erst jetzt bemerkte, was um sie herum passierte. Ihr schien das Ganze sehr unangenehm gewesen zu sein. Sie kam zu mir und die Leute, die ihr gerade noch so interessiert zugeguckt hatten, kümmerten sich wieder alle um sich selbst.
Â
„Wow, das war wirklich verdammt toll.“, sagte ich zu ihr.
Â
„Danke, wenn ich tanze, vergesse ich irgendwie alles um mich herum, ich hatte gar nicht bemerkt dass...“, sie sprach nicht weiter, wurde plötzlich total blass.
Â
„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte ich besorgt.
Â
„Ja... Ich...“, sie sackte zusammen und ich konnte sie gerade noch rechtzeitig festhalten.
Â
„Sarah? Was ist denn los? Kann ich irgendetwas tun?“, ich machte mir wirklich Sorgen.
Â
Sie sah mich nicht an, hatte ihren Blick nach unten gesenkt. Plötzlich sah ich, dass ihre rechte Hand komplett voller Blut war. Sie hatte Nasenbluten.
„Komm, wir gehen zu Chris und dann nach Hause.“
Â
„NEIN!“, sie schrie mich an. „Bitte nicht zu Chris, bring mich erst einmal ins Bad. Bitte...“
Â
Ich fragte nicht weiter nach, nickte nur und schleppte sie zu den Toiletten. Sie wusch sich das Gesicht und die Hände, noch immer musste ich sie stützen. Ich hatte das Gefühl, dass sie immer blasser wurde. Sie sah überhaupt nicht gut aus und ich machte mir so langsam richtige Sorgen um sie.
Â
„Geht es wieder?“, fragte ich nach einer ganzen Weile.
Â
„Ich denke schon.“, antwortete sie mir so leise, dass ich sie kaum verstand.
Â
„Was ist denn nur los?“
Â
„Ich... Ich weiß nicht. Vielleicht der Kreislauf. Mach dir keine Gedanken.“
Â
„Mache ich aber, du siehst schrecklich aus.“
Â
„Vielen Dank für das nette Kompliment.“, sie lachte ein wenig.
Â
„Ich finde das nicht lustig, du weißt genau wie ich das meine.“
Â
„Ja... Es tut mir leid okay? Es geht gleich wieder, alles nicht so schlimm. Mach dir bitte keine Sorgen.“
Â
Sie nahm meine Hand und das so plötzlich, dass ich total zusammen zuckte. Ich weiß nicht, ob sie es bemerkt hatte, aber kurz darauf sah sie mich an, blickte mir direkt in die Augen. Und sie hatte verdammt schöne Augen, sie waren grün, mit einem Hauch von grau gesprenkelt. Ich versank in ihnen, konnte kaum mehr einen klaren Gedanken fassen.
„Ben? Hörst du? Mach dir bitte keine Sorgen um mich ja?“
Â
„Ich...“, noch immer sah sie mich an, ich versuchte mich zu sammeln. „Das sagst du so einfach.“
Â
„Ja das sage ich, mir geht es gut und das hier, das ist gleich wieder vorbei.“
Â
„Wirklich? Dir geht es wirklich gut?“, so langsam hatte ich mich wieder gefangen.
Â
„Ja wirklich, es ist alles in Ordnung Ben.“, sie drückte meine Hand ein bisschen, das Ganze hier war einfach total verrückt.
Â
„Meinst du...“, ich löste meine Hand aus ihrer. „Meinst du wir können zurück gehen?“
Â
Sie nickte, „ja, lass uns gehen, Chris sucht uns bestimmt schon.“
Â
Ich drehte mich um, wollte zur Tür gehen, als Sarah mich noch einmal zurück rief.
Â
„Ben?“
Â
„Ja?“
Â
„Ich weiß, ich verlange das Heute echt oft von dir, aber könnte auch das hier unter uns bleiben? Bitte?“
Â
Ich nickte nur, auch wenn ich nicht verstand warum.
Â
Wir gingen zurück zu Chris, der sich natürlich längst fragte, wo wir so lange bleiben.
Â
„Wo ward ihr denn?? Lasst mich hier sitzen und mich langweilen. Was soll denn der Scheiß???“, er schien ziemlich sauer zu sein.
Â
„Wie lange waren wir denn weg?“, fragte ich.
Â
„Fast eine Stunde!!“
Â
„Das... Das tut mir leid Chris. Ich war...“, ich unterbrach Sarah bevor sie weiter sprechen konnte.
Â
„Es ging mir nicht gut. Mir war schwindelig und schlecht. Ich brauchte einfach ein bisschen frische Luft und Sarah hat mich begleitet. Es tut mir leid, aber wir haben nicht daran gedacht dir Bescheid zu sagen.“, log ich.
Â
Sarah sah mich an, ich konnte ihr ansehen, dass sie irgendwie erleichtert war.
Â
„Gut, dann sollten wir vielleicht nach Hause fahren, wenn es dir nicht gut geht, oder?“, Chris sah mich fragend an.
Â
„Ja, ich denke das ist eine gute Idee.“
Â
Ohne ein weiteres Wort gingen wir aus dem Laden und direkt zurück nach Hause. Auf dem Weg sprach auch niemand von uns ein Wort. Chris schien immer noch ein bisschen sauer zu sein und Sarah ging es wohl immer noch nicht besser. Wenn ich doch nur irgendetwas für sie hätte tun können.
Â
Ich ging noch mit nach oben in die Wohnung, da ich meinen Haustürschlüssel dort hatte liegen lassen. Chris ging sofort ins Bad und Sarah in ihr Zimmer. Ich nahm meine Schlüssel und wollte schon wieder aus der Wohnung gehen, als Sarah plötzlich wieder im Flur stand.
Â
„Du willst schon gehen?“, fragte sie mich und sah mich an.
Â
„Ja, eigentlich schon, es ist auch schon spät.“
Â
„Ich weiß...“, sagte sie und machte eine kurze Pause. „Aber...“, wieder sagte sie nichts.
Â
„Aber? Sarah sprich mit mir.“
Â
„Ich möchte heute Nacht nicht alleine sein Ben.“, sie sah mich bittend an, stand da wie ein kleines Kind.
„Soll ich bei dir bleiben?“
Â
„Ja... Bitte... Natürlich nur, wenn es keine Umstände macht.“
Â
Ich schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht. Ich bleibe gerne.“
Â
„Danke.“, flüsterte sie und ging zurück in ihr Zimmer.
Â
Ich ging ihr hinterher, fragte mich, was mit ihr los war. Immer noch gingen mir die Bilder von vorhin durch den Kopf, wie sie wie ein Häufchen Elend vor mir stand, total blass und total am Ende. Wie sie im Bad meine Hand hielt, mir in die Augen sah. Das Ganze machte mich total verrückt, vor allem, weil ich einfach nicht wusste, was los war.
Â
Sarah stand am Fenster, als ich ins Zimmer kam und schaute nach draußen. Allerdings glaubte ich kaum, dass sie in der Dunkelheit überhaupt irgendetwas erkennen konnte. Ich ging zu ihr und stellte mich neben sie, stand lange Zeit einfach nur schweigend da, wusste einfach nicht was ich sagen sollte.
Â
„Es tut mir leid Ben.“, sagte sie plötzlich.
Â
Wieder einmal sah ich sie fragend an. „Was tut dir leid Sarah?“
Â
„Naja... in den zwei Tagen in denen wir uns wieder gesehen haben, ist eine Menge passiert und jetzt... jetzt bitte ich dich wieder darum für mich da zu sein. Und das tut mir leid, ich denke, das ist so nicht okay.“
Â
Ich drehte mich zu ihr, konnte irgendwie nicht glauben, was sie da gerade zu mir sagte.
Â
„Warum glaubst du denn, dass es nicht ok ist? Ich war doch immer für dich da, auch früher schon und daran hat sich nichts geändert. Und das wird es auch nicht. Ich bin für dich da wenn du mich brauchst, hörst du?“
Â
„Schon, aber das hier ist... es ist... anders.“
Â
„Was meinst du mit anders?“, ich verstand es einfach nicht.
Â
„Nichts, ist schon gut. Lass uns schlafen gehen ja?“, jetzt sah sie mich wieder an und ich hatte das Gefühl, dass da Tränen in ihren Augen waren.
Â
„Sarah, wenn es etwas gibt, was du mir sagen musst, dann...“, weiter kam ich nicht, denn sie legte mir einen Finger auf die Lippen und schüttelte den Kopf.
Â
„Lass uns einfach schlafen gehen Ben... bitte...“
Â
„Okay.“, mehr sagte ich nicht.
Â
Sarah sah mir immer noch in die Augen und es machte mich einfach nur wahnsinnig. Ich war kurz davor, mich in sie zu verlieben und ich war mir nicht sicher, ob das überhaupt so eine gute Idee war. Keiner von uns beiden sagte etwas, wir sahen uns einfach nur an und das Kribbeln in meinen Bauch wurde immer stärker. Ich musste raus aus dieser Situation und zwar ganz schnell.
Â
„Komm schon, es ist spät. Wir sollten schlafen, ansonsten kommen wir morgen nicht aus dem Bett.“
Â
Ich ging zu ihrem Bett, zog mich aus und legte mich rein. Es war kein großes Bett, ich würde sagen etwas größer wie ein Einzelbett, ca. 1,20 m breit. Sie würde mir also auch hier total nah sein, der Gedanke daran lies mein Herz schneller schlagen.
Â
„Ich geh noch einmal kurz ins Bad.“, sagte sie und war dann auch schon verschwunden.
Â
Ich stand nochmal kurz auf, um schon mal das Licht aus zu machen. Dann legte ich mich wieder hin und kuschelte mich in die Decke. Ich schloss meine Augen und hatte sofort wieder Sarah vor mir. Ich versuchte die Bilder zu verdrängen und auch die Gefühle die in mir hoch kamen.
Â
Ich war so sehr in meinen Gedanken versunken, dass ich nicht einmal mehr gemerkt hatte, dass Sarah bereits wieder neben mir lag. Erst als sie mich ansprach und mich etwas erschrak, registrierte ich sie.
Â
„Ben? Schläfst du schon?“, flüsterte sie.
Â
„Nein, ich bin noch wach.“
Â
„Das ist gut. Würdest du vielleicht... Also könntest du?“
Â
„Was ist denn los?“
Â
„Nimmst du mich in den Arm?“, flüsterte sie wieder fast unhörbar.
Â
Ich antwortete nicht, rückte einfach näher an sie und zog sie in meine Arme. Sie war total warm und roch unheimlich gut. Wie sollte ich in dieser Nacht auch nur ein Auge zumachen können? Sie kuschelte sich nah an mich, legte auch ihre Arme um mich. Es war ein unglaublich tolles Gefühl sie bei mir zu haben. Ich streichelte ihr sanft über den Rücken und kurze Zeit später war sie auch schon eingeschlafen.
Â
Â
Â
Kapitel 2
Â
Als ich wieder wach wurde fühlte ich mich ziemlich kaputt. Ich hatte das Gefühl kaum geschlafen zu haben. Und irgendwie war es ja auch so. Wenn es hoch kommt waren es vielleicht zwei oder drei Stunden. Mehr aber mit Sicherheit nicht.
Â
Ich drehte mich zur Seite, um zu sehen, ob sie noch schläft. Allerdings lag sie nicht mehr neben mir. Naja, dachte ich, vielleicht war sie bereits duschen gegangen. Ich blieb noch ein paar Minuten liegen, musste erst einmal vernünftig wach werden.
Â
Langsam schleppte ich mich aus dem Bett, die letzte Nacht hatte mir doch mehr zugesetzt als ich gedacht hatte.
Â
„Bist du im Bad?“, rief ich, bekam aber keine Antwort.
Â
Ich ging ins Bad, schaute nach, aber da war sie nicht. Auch sonst schien sie nirgendwo zu sein, sie war also ohne ein einziges Wort gegangen. Na ganz klasse. Nicht dass ich ein Danke erwartet hatte, aber wenigstens verabschieden hätte sie sich können. Ich hoffte nur, dass sie nicht auf die Idee kam, ihr Vorhaben von gestern, jetzt in die Tat umzusetzen.
Â
Um die Gedanken erst einmal bei Seite zu schieben, ging ich in die Küche und machte mir etwas zum Frühstück. Und einen Kaffee brauchte ich, dann konnte ich vielleicht auch wieder einigermaßen klar denken. Ich setzte mich an den Küchentisch und erst einige Minuten später entdeckte ich den Zettel, der fein säuberlich gefaltet darauf lag. Ich faltete ihn auseinander und begann zu lesen..
Â
Hey,
Â
Du wunderst Dich sicherlich, dass ich so einfach verschwunden bin, aber ich konnte nicht anders. Wäre ich geblieben und hätte mich verabschiedet, wäre ich vielleicht noch auf die Idee gekommen mit dir in Kontakt zu bleiben. Und das geht einfach nicht. Ich kann dir nicht erklären warum, aber es ist besser so.
Â
Ich möchte Dir danken, für das, was Du gestern Abend und auch heute Nacht für mich getan hast. Du hast mich vor einer riesigen Dummheit bewahrt und mir zudem auch noch das Leben gerettet. Und dafür bin ich dir verdammt dankbar. Auch die Gespräche mit dir haben mir sehr geholfen, ich hatte das Gefühl dich schon ewig zu kennen und genau das ist der Grund warum ich ohne ein Wort gehen musste.
Â
Mach es gut, Du bist wirklich etwas Besonderes.
Â
Ich las den Brief bestimmt fünf Mal, verstand nicht so wirklich, was sie mir damit sagen wollte. Warum war es besser, dass sie einfach so gegangen war? Und warum konnte sie nicht mit mir in Kontakt bleiben. Es war nicht wirklich zu verstehen. Ich legte den Brief erst einmal bei Seite und aß den Rest meines Frühstücks auf. Es war schon recht spät und ich hatte nur noch wenig Zeit um mich fertig zu machen.
Â
Ich wollte zur Uni, Chris, mein bester Freund wartete da auf mich. Seine kleine Schwester gab dort ein Konzert. Ich kannte Chris schon ewig, wir sind zusammen zur Schule gegangen und auch zu seiner Schwester hatte ich immer ein gutes Verhältnis. Sie war 6 Jahre jünger als wir gewesen, als sie noch kleiner war habe ich oft auf sie aufgepasst, da ihre Eltern viel unterwegs waren. Und als sie dann älter war, haben Chris und ich sie viel mitgenommen. Ich mochte sie immer, man hatte so gut wie nie Probleme mit ihr. Ich fragte mich, ob ich sie wieder erkennen würde nach so langer Zeit. Immerhin hatte ich sie das letzte mal gesehen, da war sie gerade 15 geworden..
Â
Ich ging schnell duschen, zog mich an und machte mich auf den Weg. Ich war schon viel zu spät dran, sicherlich würde ich den ganzen Anfang verpassen. Das war wieder so typisch für mich.
Â
Zu meinem Erstaunen, schaffte ich es dann aber doch noch rechtzeitig. Das Konzert hatte nicht einmal angefangen, so dass ich sogar noch genug Zeit hatte, um Chris zu suchen.
Â
Kurze Zeit später fand ich ihn dann auch, zusammen mit Mara, einer Freundin. Ich war froh ihn gefunden zu haben. Alleine hätte ich wirklich keine Lust auf das Ganze gehabt.
Â
Â
„Hey ihr zwei. Alles klar bei euch?“, begrüßte ich die Beiden.
Â
„Hi Ben, ja alles super und bei dir?“, fragte mich Chris.
Â
„Mir geht es ganz gut ja. Wann fängt es an?“
„In 10 Min, hast also noch nichts verpasst, so wie es eigentlich typisch für dich ist.“, er lachte.
Â
„Jaja, mach dich nur über mich lustig.“, auch ich musste lachen. „Bin mal gespannt, ob ich deine Schwester auch wieder erkenne nach so langer Zeit.“
Â
„Das bezweifle ich, sie hat sich ganz schön verändert und das nicht nur äußerlich.“
Â
Ich sagte nichts weiter dazu, schaute mich nur ein bisschen um. Ich selbst hatte früher sehr oft hier auf der Bühne gestanden und gesungen. Aber das war nun auch schon wieder eine halbe Ewigkeit her.
Â
Plötzlich ging das Licht aus, die Bühne wurde beleuchtet und die Musik ging an. Es würde also jetzt endlich los gehen. Und dann fing sie an zu singen, man sah sie nicht, aber es reichte, dass ich sie hörte. Ich dachte nur, wow.. Was für eine Wahnsinns-Stimme. Chris muss meinen erstaunten Blick bemerkt haben, denn er sprach mich sofort darauf an.
Â
„Da bist du platt was? Sarah ist richtig richtig gut.“
Â
„Ja das ist sie wirklich, ihre Stimme ist der Hammer.“
Â
Chris grinste nur und ich schaute wieder zur Bühne. Sarah stand immer noch im Dunkeln und ich konnte es kaum erwarten, dieses Mädchen endlich zu sehen. Doch als die Lichter dann endlich auf sie gingen und ich endlich das Mädchen sah, das sich hinter dieser tollen Stimme verbarg, wollte ich es einfach nicht glauben.
Â
Es war das Mädchen von gestern Nacht, das durfte doch nicht wahr sein. Sarah... Ausgerechnet sie... Der ich gestern das Leben gerettet hatte, die kleine Schwester von meinem besten Freund, stand da oben auf dieser großen Bühne. Das Mädchen, mit dem ich damals fast täglich zusammen war. Ich konnte und wollte es einfach nicht fassen. Chris musste meinen Blick bemerkt haben, denn er sprach mich sofort darauf an.
Â
„Ben? Alles okay?“
Â
„Was? Nein... Ja... Ich denke schon.“
Â
„Du guckst so komisch.“
Â
„Alles in Ordnung. Wirklich.“
Â
„Dann ist gut.“
Â
Den Rest des Konzertes stand ich nur noch da und hörte zu, beobachtete Sarah. Dachte über die gestrige Nacht nach, über das, was Sarah mir geschrieben hatte. Ich war immer noch sprachlos, konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Wie sollte ich ihr gleich nur gegenüber treten? Wie würde sie auf mich reagieren? Am liebsten hätte ich jetzt die Flucht ergriffen, da ich ihr das gern irgendwie erspart hätte, aber das konnte ich nicht.
Â
Als das Konzert zu Ende war, waren die Leute wirklich total begeistert. Und das auch zurecht. Es war wirklich der Wahnsinn was die Band und nicht zuletzt auch Sarah da oben abgeliefert hatten.
Â
„So und jetzt suchen wir Sarah mal, sie wird sich bestimmt freuen dich wiederzusehen Ben.“, Chris grinste, wenn der wüsste.
Â
„Sollten wir ihr nicht erst noch ein bisschen Zeit geben? Also ich meine, das war doch bestimmt auch anstrengend.“
Â
„Ach was, Sarah kann das ab. Jetzt komm schon!“
Â
Ich sagte nichts mehr, hatte ja sowieso keinen Sinn. Ich lief also hinter Chris her und wir gingen hinter die Bühne. Irgendwie war ich total nervös, obwohl ich ja eigentlich gar keinen Grund dazu hatte. Schnell hatten wir Sarah auch gefunden, sie stand an einem Tresen, quatsche mit ihren Bandkollegen. Sie wirkte ganz locker, gar nicht so ängstlich und verzweifelt wie noch in der gestrigen Nacht.
Â
Chris ging zu ihr, begrüßte und gratulierte ihr. Ich hielt mich bewusst im Hintergrund, doch ich wusste, dass ich dieser Begegnung nicht aus dem Weg gehen konnte. Die Beiden unterhielten sich eine ganze Weile, schienen mich schon fast vergessen, als Chris mich dann doch zu ihnen rief.
Â
„Hey Ben, jetzt steh da nicht so dumm rum, komm endlich zu uns.“, er winkte mich zu sich rüber.
Â
Sarah sah immer noch nicht in meine Richtung, hatte also noch keine Ahnung davon, wer ich wirklich war. Erst als ich schon fast bei ihnen war, sah sie mich an. Ich konnte sehen wie geschockt sie war, mit mir hatte sie definitiv nicht gerechnet.
Â
„Ja ich sehe schon, ihr beide hättet euch so nicht wieder erkannt, oder?“, wieder lachte er.
Â
Ich wusste nicht was ich dazu sagen sollte und auch Sarah fehlten die Worte. Wir sahen uns nur an, waren beide mit der Situation überfordert.
Â
„Hallo? Alles klar bei euch?“, Chris holte mich aus meinen Gedanken.
Â
„Was? Ja, ich... Nein, ich hätte sie nicht wieder erkannt.“, und das war ja nicht einmal gelogen. „Hey Sarah.“
Â
„Hey.“, mehr sagte sie erst einmal nicht, sah mich wieder nur an, ihr Blick war einfach nicht zu deuten. „Ich muss los, die anderen warten auf mich.“
Â
Ohne ein weiteres Wort ging sie an uns vorbei und lief in Richtung Ausgang. Na das war ja mal total schief gegangen.
Â
„Was ist nur mit ihr los in letzter Zeit?“, Chris sprach mehr zu sich selbst als zu mir. „Es tut mir leid Ben, sie ist einfach scheiße drauf im Moment.“
Â
„Mach dir keinen Kopf, ich werde dann auch nach Hause gehen. Wir sehen uns dann heute Abend.“
Â
„Ja ist gut, aber komm nicht zu spät.“
Â
„Nein, ich bin um acht Uhr da, keine Sorge.“
Â
„Gut, dann bis später.“
Â
„Ja, bis später.“
Â
Wir wollten heute Abend erst zusammen essen und danach vielleicht auch noch feiern gehen. Ich fragte mich, ob Sarah auch da sein würde und wie sie dieses Mal reagieren würde. Sie konnte mir schließlich nicht ständig aus dem Weg gehen.
Â
Ich fuhr also nach Hause, beschäftigte mich den Rest des Nachmittags mit Hausarbeit und irgendwelchem anderen Quatsch. Versuchte mich irgendwie von meinen Gedanken um Sarah abzulenken, aber es wollte mir einfach nicht gelingen. Warum nur wollte sie sich das Leben nehmen, was war nur passiert mit dem fröhlichen Mädchen von damals? Tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf, aber ich fand keine Antwort auf meine Fragen. Ich musste unbedingt mit ihr sprechen, wenn ich sie das nächste Mal sehen würde und ich hoffte, dass sie mir auch die Gelegenheit dazu geben würde.
Â
Gegen halb acht machte ich mich dann auf den Weg zu Chris, ließ das Auto stehen, da ich nicht wusste, was genau wir machen würden und ob ich nicht vielleicht doch ein bisschen Alkohol trinken würde. Ich trank zwar sehr selten und dann auch recht wenig, aber sicher war sicher.
Â
Bei Chris angekommen, war ich wieder sichtlich nervös, auch wenn ich eigentlich keinen Grund dazu hatte. Aber die Gedanken um Sarah und um ihre momentane Situation machten mich irgendwie fertig.
Â
„Hey Ben, da bist du ja.“
Â
„Hi Chris, alles klar?“
Â
„Ja soweit, Sarah ist noch nicht da, sie kommt aber auch gleich.“
Â
„Das ist gut.“, mehr konnte ich nicht dazu sagen.
Â
Wir gingen in die Küche, Chris hatte den Tisch bereits gedeckt und das Essen war auch schon fertig.
Â
„Weiß Sarah, dass ich auch hier bin?“, fragte ich nach einiger Zeit.
Â
„Nein, nach heute Mittag wusste ich nicht so recht, ob ich es ihr
sagen sollte, sie hatte schon sehr komisch reagiert.“
Â
„Schon ja.“
Â
„Ich frage mich nur warum. Ich meine ok, sie fand das damals nicht gut, dass du so einfach und so plötzlich weg bist. Aber das kann ja nach so langer Zeit nicht mehr der Grund dazu sein.“
Â
„Vielleicht hat es auch einfach nur getäuscht Chris.“, log ich.
Â
„Ja vielleicht, setz dich, sie ist bestimmt gleich da.“
Â
Ich setzte mich an den Tisch und sah Chris dabei zu, wie er das Essen auf den Tisch stellte. Kurze Zeit später hörten wir dann auch schon die Tür ins Schloss fallen.
Â
„Ich bin wieder zurück.“, rief Sarah aus dem Flur zu uns.
Â
„Dann komm direkt her, es gibt Essen.“
Â
„Ich habe keinen Hunger Chris.“
Â
„Jetzt komm schon her, du musst essen.“
Â
Man hörte nur noch ein Grummeln und Nuscheln, ich verstand nicht wirklich was Sarah so vor sich her quatschte und ich musste ein bisschen schmunzeln. Kurze Zeit später stand sie auch schon in der Tür, sprach sofort mit Chris, so dass sie mich auch dieses Mal nicht sofort bemerkte.
Â
„Ich hab dir schon mal gesagt, ich kann selbst entscheiden, wann ich was mache oder nicht.“, meckerte sie sofort los.
Â
„Verdammt Sarah, du isst seit Tagen nichts, wo soll das denn noch hinführen? Jetzt setz dich an den Tisch und iss was. Außerdem haben wir Besuch.“
Â
Chris sah in meine Richtung und auch Sarah drehte sich jetzt zu mir.
Â
Hey Sarah.“, sagte ich.
Â
„Hi, mal wieder.“, antwortete sie und ging Richtung Tür. „Ich gehe in mein Zimmer.“
Â
„Sarah verdammt jetzt bleib doch.“, rief Chris ihr noch hinterher, aber sie reagierte nicht mehr. „Es tut mir leid Ben.“
Â
„Das muss es nicht. Warte mal, ich schau mal nach ihr.“, sagte ich und stand auf.
Â
Keine Ahnung, warum ich das sagte, oder was ich überhaupt zu Sarah sagen sollte. Aber ich ging aus der Küche und blieb vor ihrer Zimmertür stehen. Ich überlegte einen Moment, ob ich nicht vielleicht doch wieder zurück gehen sollte. Entschied mich aber dann dagegen und klopfte an die Tür.
Â
„Man Chris hau ab, ich habe keinen Hunger. Nicht jetzt und auch nicht später.“
Â
Ich antwortete gar nicht erst, öffnete einfach die Tür ohne großartig darüber nachzudenken.
Â
„Sag mal, hörst du schlecht?? Du sollst abhauen!“, schrie sie mich an, stoppte aber dann, als sie sah, dass ich nicht Chris war. „Was willst du?“
Â
„Mit dir reden.“
Â
„Ich wüsste nicht, was wir beide zu besprechen haben.“
Â
Ich schloss die Tür, erneut ohne ihr zu antworten, ging ein paar Schritte auf sie zu und setzte mich dann auf ihr Bett. Sah sie erst einmal nur an.
Â
Ben, bitte geh.“, sagte sie ganz ruhig.
Â
„Nein Sarah, wir haben was zu klären.“
Â
„Was bitte willst du denn klären??“
Â
„Das von gestern Nacht? Warum bist du ohne ein Wort gegangen? Warum verdammt wolltest du dich umbringen Sarah??“
Â
„Das geht dich einen Scheißdreck an Ben.“
Â
„Sarah...“
Â
„Nichts da Sarah. Es geht dich nichts an okay? Halte dich aus meinem Leben raus, so wie du es die letzten sieben Jahre auch getan hast und lass mich in Ruhe. Du hast mir das Leben gerettet, dafür bin ich dir auch sehr dankbar, aber das war es dann auch. Alles andere geht dich verdammt nochmal nichts mehr an Ben!“ ihre Stimme wurde wieder lauter, es hatte wohl jetzt keinen Sinn mehr mit ihr darüber zu sprechen.
Â
„Ok pass auf, ich gehe jetzt, aber Sarah... Wenn du mich brauchst, wenn du reden willst... Ich bin da... ok?“
Â
„Spar dir das Ben.“
Â
Ich sagte nichts mehr, stand auf und ging zur Tür, wollte sie gerade öffnen, als sie mich nochmal zurück hielt.
Â
„Ben? Warte mal bitte.“
Â
„Was?“, fragte ich und drehte mich wieder zu ihr.
Â
„Kannst du bitte... also...“
Â
„Ich behalte es für mich, das hätte ich aber auch so getan.“
Â
„Danke.“
Â
Ich öffnete die Tür und ging aus dem Zimmer, vielleicht half es ihr ja, wenn ich ihr ein bisschen Zeit gab. Sie musste das Ganze ja auch erst einmal verarbeiten.
Â
„Da bist du ja wieder.“, sagte Chris zu mir, als ich zurück in die Küche kam.
Â
„Ja, bin wieder da, aber ich denke, Sarah wird nicht mit uns zusammen essen.“
Â
„Das dachte ich mir schon, dann komm und setz dich, sonst ist gleich alles wieder kalt.“
Â
Ich setzte mich zu ihm an den Tisch und wir fingen an zu essen, quatschten ein bisschen über dieses und jenes. Irgendwann hörten wir wieder eine Tür ins Schloss fallen und ich war mir sicher, dass Sarah sich mal wieder vom Acker gemacht hatte. Allerdings rechnete ich nicht mit dem, was dann passierte. Sie kam in die Küche, nahm sich einen Teller und setzte sich zu uns.
„Hab ich irgendetwas verpasst?“, fragte Chris sie und sah sie unglaubwürdig an.
Â
„Was sollst du verpasst haben? Ich esse! Das war doch das, was du wolltest oder nicht?“
Â
„Ja schon, aber...“, weiter sprach er nicht.
Â
„Was machen wir denn jetzt gleich noch Chris?“, versuchte ich das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.
Â
„Keine Ahnung, ich dachte wir gehen ein bisschen raus. Feiern oder etwas trinken, das ist mir gleich.“
Â
„Klingt sehr gut. Was ist mit dir Sarah? Kommst du mit?“
Â
Sie sah mich an und zu ersten mal vielen mir ihre unglaublich schönen Augen auf. Sie funkelten wie tausend Sterne.
Â
Â
„Naja ich...“
Â
„Oder hast du schon was anderes vor?“, fragte ich.
Â
„Nein, eigentlich nicht.“
Â
„Das heißt du kommst mit?“
Â
„Ich weiß nicht, eigentlich ist mir da gar nicht nach.“
Â
„Hey komm schon, das wird bestimmt lustig.“
Â
Chris schaute immer wieder von einem von uns zum anderen.
Â
„Wenn ihr mir dann mal sagen würdet wohin, überlege ich es mir vielleicht.“
Â
Ich musste ein bisschen grinsen, da hatte aber jemand schnell seine Meinung gewechselt.
Â
„Also ich wäre fürs No limits.“, mischte Chris sich schließlich wieder ein.
„Das kenne ich nicht, ist das gut?“, fragte ich.
Â
„Kann man hingehen ja. Also gut, ich komme mit. Aber dann gehe ich erst einmal duschen.“, sagte Sarah.
Â
Sie stand auf und ging aus der Küche. Chris sah mich jetzt ungläubig und fragend an.
Â
„Was hast du mit ihr gemacht?“
Â
„Ich? Nichts, warum?“
Â
„Weil sie seit Ewigkeiten nicht mehr raus war, vorhin nicht einmal mit dir reden wollte und jetzt bereit dazu ist mit uns weg zu gehen.“
Â
„Tja...“, ich lachte ein wenig. „Das ist mein Charme Chrissi.“
„Hör auf mit dem Scheiß man.“, auch er lachte jetzt.
Â
„Stell keine Fragen, freu dich einfach darüber, dass sie mit kommt.“
Â
„Ja du hast recht und vielleicht sollten wir uns dann auch fertig machen. Brauchst du andere Klamotten?“
Â
„Kommt drauf an, ich kenne den Laden nicht.“
Â
„Ja, wir werden schon was finden, aber ich gehe jetzt auch erst einmal duschen.“
Â
„Alles klar.“
Â
Jetzt saß ich allein in der Küche und starrte so vor mich hin. Dachte über das nach, was Chris vor ein paar Minuten gesagt hatte. Dass Sarah seit langer Zeit nicht mehr weg gewesen war und ich fragte mich warum. Sie war noch so jung, sie war erst 22. Was war nur mit dem Mädchen los?
Â
Eine ganze Weile saß ich so da, dachte über dies und jenes nach, aber hauptsächlich über Sarah. Chris war es, der mich schließlich wieder aus meinen Gedanken holte.
„Was ist? Kommst du heute noch?“
Â
„Was? Warum?“
Â
„Weil du schon seit einer halben Stunde hier rum sitzt. Was ist denn nur los?“
Â
„Nichts, ich komm ja schon.“, ich hatte gar nicht bemerkt, wie lange ich hier schon gesessen hatte.
Â
Ich ging mit Chris zusammen in sein Zimmer, suchte mir ein paar Klamotten aus und zog mich um.
Â
Gegen 22 Uhr wollten wir uns dann auch endlich auf den Weg machen. Chris und ich waren schon längst fertig und standen schon im Hausflur, aber von Sarah war keine Spur.
„Mein Gott, dass das bei Frauen immer alles so lange dauern muss.“, beschwerte sich Chris.
Â
Ich musste lachen. „Naja, sie muss halt für die Männerwelt gut aussehen.“
Â
„Dafür muss sie aber nicht doppelt solange im Bad stehen wie unser eins. Sarah, jetzt hau rein Mensch.“, rief er in die Wohnung.
Â
„JAAAA ICH KOMME DOCH!“, rief sie zurück.
Â
Einige Sekunden später stand sie auch schon im Flur und ich war wieder hin und weg von dieser Frau. Sie sah verdammt gut aus, so hatte sie selbst auf dem Konzert nicht ausgesehen. Wieder konnte ich meinen Blick kaum von ihr lassen, ich sollte mir das echt abgewöhnen.
Â
„So, da bin ich. Können wir jetzt endlich gehen?“, fragte sie genervt.
Â
„Endlich??“, Chris lachte. „Wir warten doch nur auf dich.“
Â
Sie grinste nur vor sich hin und ging die Treppen hinunter. Von dem traurigen Mädchen von vor noch ein paar Stunden, war nichts mehr übrig geblieben.
Kapitel 1
Â
7 Jahre ist es jetzt her, als ich von hier weg ging.. 7 lange Jahre, in denen ich meine Familie und meine Freunde sehr vermisste. Doch ich wollte damals etwas anderes, etwas neues. Eigentlich wollte ich in München nur studieren, aber es kam anders. Ich lernte eine tolle Frau kennen, wir waren lange zusammen und sie war es, die mich so lange Zeit dort hielt. Aber jetzt, 3 Monate nach unserer Trennung, hatte ich mich dazu entschlossen zurück nach Köln zu gehen, mein altes Leben hinter mir zu lassen und nach vorn zu schauen. Zu viel war in den letzten Jahren passiert und ich wollte es einfach nur vergessen..
Â
Ich war jetzt seit knapp 2 Wochen wieder hier, meine Familie hatte mich herzlich wieder aufgenommen und ich war wirklich froh darüber, wieder hier zu sein. Einen neuen Job hatte ich noch nicht wieder gefunden, war in zwei Wochen auch nicht unbedingt einfach. Also hielt ich mich erst einmal mit einem Nebenjob als Kellner über Wasser. Fürs erste würde es schon reichen.
Â
Und bevor ich jetzt weiter erzähle, vielleicht erst einmal ein paar Worte zu mir. Ich heiße Ben, bin 28 Jahre alt, ca. 1,90m groß und wiege knapp 82 Kilo. Ich habe kurze schwarze Haare, blaue Augen und ja, ich würde mich als sportlich bezeichnen. Ich habe Jura studiert, was ich aber mittlerweile ziemlich bereute. Aber dazu vielleicht später mehr.
Â
Es war ziemlich kalt in dieser Nacht, typisch für Ende Januar. Ich musste an diesem Abend lange arbeiten, mittlerweile war es schon nach 2 Uhr und jetzt fing es auch noch an zu schneien. Der Wind wehte mir um die Nase und ich hatte das Gefühl erfrieren zu müssen. Dass ich natürlich auch noch über die Autobahnbrücke laufen musste, machte das Ganze nicht besser. Dort war es noch windiger und ich lief erst einmal einen Schritt schneller.
Â
Ich war schon fast in der Mitte der Brücke, als ich im Augenwinkel jemanden am Brückengeländer stehen sah. Im ersten Moment dachte ich mir nichts dabei, doch dann musste ich mit Erschrecken feststellen, dass derjenige nicht so am Geländer stand, wie man es normalerweise tat. Erst nach und nach begriff ich, was da wirklich vor sich ging.. Es wollte sich jemand das Leben nehmen..
Â
Langsam ging ich in ihre Richtung. Ich konnte nicht wirklich erkennen, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte, dafür war der Schneefall einfach zu stark. Mir ging alles mögliche durch den Kopf, doch ich wusste absolut nicht, wie ich jetzt handeln sollte. Noch nie vorher, war ich in so einer Situation gewesen.
Â
Erst zwei Meter vor dem Geländer blieb ich stehen, wusste immer noch nicht wirklich was ich tun sollte. Doch ich musste handeln und zwar schnell.
Â
„Hey..“, ich merkte wie meine Stimme zitterte.
Â
Erschrocken drehte die Person sich um, es war ein Mädchen, ich würde sagen Anfang 20.
Â
„Verschwinde und lass mich in Ruhe.“, schrie sie mich an.
Â
„Hör zu.. Egal was es ist, wir finden eine Lösung..“
Â
„Du hast keine Ahnung wovon du sprichst.“
Â
„Nein vielleicht nicht, aber es gibt immer einen Weg... Mach keinen Mist und komm darunter... Du bist doch noch so jung...“
Â
„Was weißt du denn schon von mir??“, sie schrie immer noch, fing an zu weinen „Lass mich das hier zu Ende bringen, es hat doch sowieso keinen Sinn.“
Â
Ich ging einen Schritt näher, ich durfte sie nicht springen lassen. Ich musste das verhindern.
Â
„Bleib wo du bist! Oder ich lass los!“, ihre Stimme wurde leiser, ich sah, dass sie zitterte.
Â
„Komm schon, gib mir deine Hand...“, ich hielt ihr meine hin, in der Hoffnung, sie würde endlich zur Vernunft kommen.
Â
„Geh endlich weg verdammt...“, jetzt weinte sie nur noch.
Â
Ich musste irgendetwas tun, die letzten paar Minuten kamen mir vor wie endlose Stunden. Ich stand hier, vor mir ein verzweifelter Mensch der sich das Leben nehmen wollte, aus welchem Grund auch immer und ich war so hilflos.
„Ich geh hier nicht ohne dich weg hörst du?“, plötzlich fiel mir etwas ein „Entweder du kommst da jetzt runter, oder ich springe auch..“, ich ging auf das Brückengeländer zu, hoffte, dass ich nicht erst rüber klettern musste, bevor sie zur Vernunft kam..
Â
„Mensch hör auf mit dem Mist. Was soll denn das??“
Â
„Hast du doch gehört. Springst du, springe ich auch.“
Â
„Warum solltest du das tun?? Du kennst mich nicht einmal.“
Â
„Muss man einen Menschen kennen, um ihn vor einer riesigen Dummheit zu bewahren?“
Â
Ich sah sie fragend an, war mit einem Bein schon über dem Geländer. Meine Beine und Arme zitterten, ich hatte verdammte Angst.
Â
„Stop!!“, rief sie plötzlich „Ich hab es verstanden. Ich komme runter.“
Â
Ich ging zurück auf die Brücke, beobachtete dabei, wie sie sich langsam umdrehte und auch wieder zurück klettern wollte.
Â
„Warte, ich helfe dir.“, sagte ich zu ihr, doch da war es schon zu spät.
Â
Sie rutschte ab, fiel nach unten, konnte sich gerade so mit einer Hand noch festhalten. Ich lief hin, beugte mich über das Geländer, versuchte sie irgendwie festzuhalten, doch ich kam nicht an sie heran.
Â
„Bitte... hilf mir.“, sie hatte Panik in den Augen.
Â
„Los, gib mir deine Hand.“
Â
Ich streckte meinen Arm so weit es ging nach unten, versuchte immer wieder nach ihrer Hand zu greifen. Immer und immer wieder, doch ich bekam sie einfach nicht zu fassen.
Â
„Komm schon.. Du schaffst das!“, schrie ich sie immer wieder an.
Â
„Ich kann nicht mehr.“, sie weinte immer mehr „Ich hab keine Kraft mehr.“
Â
Ich weiß nicht wie, aber irgendwie bekam ich sie dann doch endlich zu fassen, zog sie mit letzter Kraft über das Geländer. Erschöpft fiel ich zu Boden, bemerkte erst gar nicht, dass sie komplett weinend neben mir zusammen gebrochen war.
Â
Ich stand auf, ging mit zitternden Knien zu ihr und nahm sie in den Arm. Sie war total durch gefroren, ich wollte gar nicht wissen, wie lange sie schon hier draußen war..
Â
„Hey...“, versuchte ich sie zu beruhigen. „Alles wird wieder gut ok?“
Â
„Nichts wird gut hörst du?? Einfach gar nichts wird wieder gut!!“
Â
Sie weinte und weinte, zitterte am ganzen Körper. Wieder einmal wusste ich nicht was ich tun soll, saß einfach nur hilflos da und hielt sie im Arm. Ich selbst war den Tränen nah.. Was war nur passiert, dass sie so verzweifelt gewesen war?
Â
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Doch so langsam hörte das Zittern auf und sie weinte auch nicht mehr so viel.
Â
„Hör mal.. kann ich dich vielleicht irgendwo hin bringen? Zu deiner Familie vielleicht? Du kannst jetzt so nicht alleine bleiben.“
Â
Sie sagte eine ganze Weile nichts, saß nur schweigend vor mir.
Â
„Ich kann nicht zu meiner Familie.“, sagte sie plötzlich.
Â
„Aber warum..?“
Â
„Sie würden es nicht verstehen..“, ihre Stimme war ganz ruhig geworden.
Â
„Gut dann komm.“, ich stand auf, packte sie am Arm. Sie sah mich nur an, wusste nicht wirklich was ich von ihr wollte. „Du kommst mit zu mir, wärmst dich auf. Wir schlafen ein bisschen und in ein paar Stunden sehen wir dann weiter.“
Â
Sie nickte nur und versuchte aufzustehen. Es viel ihr unheimlich schwer, sie hatte einfach keine Kraft mehr. Ich versuchte sie zu stützen, war aber mittlerweile selbst einfach völlig am Ende. Keine Ahnung wie wir es schafften, aber irgendwann kamen wir dann doch bei mir Zuhause an.
Â
Ich brachte sie in mein Schlafzimmer, zog ihr die nassen Klamotten aus und gab ihr neue von mir. Danach legte sie sich in mein Bett und kuschelte sich unter die Decke, wie ein kleines Kind.
Â
„Ich mache uns einen Tee, okay?“
Â
Sie nickte nur und drehte sich dann von mir weg. Ich ging also in die Küche und kochte uns einen Tee. Erst jetzt bemerkte ich, wie durchnässt auch ich war. Mir war kalt, ich zitterte und erst jetzt wurde mir klar, was da gerade wirklich alles passiert war.
Â
Ich zog mich um, nahm den Tee und ging zurück ins Schlafzimmer. Sie lag immer noch genauso da, wie vorhin als ich gegangen war. Ich wusste nicht, ob sie vielleicht doch schon schlief, deshalb setzte ich mich erst einmal langsam neben sie aufs Bett.
Â
„Hey..? Schläfst du schon?“, fragte ich leise.
Â
Sie schüttelte langsam den Kopf. „Nein.. ich bin noch wach..“
Â
„Hier... dein Tee. Trink ihn, wird dir gut tun.“
Â
Sie drehte sich um, setzte sich und nahm mir die Tasse ab. Eine ganze Weile saßen wir wieder schweigend nebeneinander. Wieder einmal wusste ich nicht was ich tun oder sagen sollte und das kam heute definitiv viel zu oft vor.
„Es tut mir leid..“, sagte sie auf einmal.
Â
„Was tut dir leid?“
Â
„Na.. das alles heute. War nicht so geplant, dass mich jemand sieht. Um die Uhrzeit läuft da ja normalerweise niemand mehr herum.“
Â
„Mal gut, dass ich es getan habe.“
Â
„Ansichtssache.“
Â
Wieder schwiegen wir. Ich suchte nach den passenden Worten, wollte sie fragen warum sie es tun wollte, aber ich konnte nicht.
Â
„Wie geht es dir überhaupt?“, fragte ich nach einer ganzen Weile, um wieder ein Gespräch zu beginnen.
Â
„Ganz Okay und dir?“, zum ersten Mal seit wir hier waren, sah sie mich an.
Â
„Mir auch.“
Â
„Das ist sehr gut.“, ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Â
„Ja das finde ich auch, aber...“, und ich erwiderte es „darf ich vielleicht mit unter die Decke? Mir ist ziemlich kalt.“
Â
„Klar, komm her.“, sie rutschte zur Seite, hob die Decke hoch und ich krabbelte drunter.
Â
Nachdem wir beide unseren Tee getrunken hatten, legten wir uns dann auch hin. Allerdings schliefen wir nicht, wir redeten. Wir redeten über Gott und die Welt, über alles mögliche was uns einfiel. Und ich genoss es. Keine Ahnung warum, aber ich hatte das Gefühl, sie schon ewig zu kennen, wir waren uns so vertraut, dass es schon fast unheimlich war.
Â
Ich weiß nicht, wie lange wir so da lagen, doch irgendwann waren wir dann doch eingeschlafen.
Â
Kapitel 7
Â
„Ich muss langsam zurück, die warten auf mich.“, Sarah lag immer noch in meinen Armen.
Â
„Ja ich weiß, komm ich bringe dich zurück.“
Â
Ich stand auf, nahm ihre Hand und zog sie zu mir. Sie hatte immer noch total verweinte Augen, ich strich ihr die letzten Tränen aus dem Gesicht und sah sie an.
Â
„Geht es?“, fragte ich sie.
Â
Sie nickte nur und nahm mich noch einmal fest in den Arm. Ich hätte am liebsten die Zeit angehalten und somit einfach alle Sorgen von uns geschoben.
Â
Kurz darauf ließ sie mich wieder los und wir liefen zusammen zurück zum Krankenhaus. Sarahs Blick war starr geradeaus gerichtet, er war leer. Ich hätte alles dafür gegeben, jetzt zu wissen was sie denkt, um ihr doch nur irgendwie zu helfen, ihr ihre Sorgen zu nehmen, aber das konnte ich nicht. Ich fühlte mich so hilflos, war total verzweifelt, wollte das alles einfach immer noch nicht glauben.
Â
Sarah klopfte an die Tür und kurze Zeit später öffnete uns auch schon die selbe Krankenschwester wie vorhin. Sie ging hinein und ich wollte ihr hinterher, doch sie hielt mich auf.
Â
„Geh bitte nach Hause Ben.“, sie sah mich nicht an.
Â
„Nein Sarah, ich möchte bei dir sein, für dich da sein.“
Â
„Ben bitte, ich möchte nicht, dass du das alles mit bekommst, dass du mich so siehst. Geh bitte nach Hause, ich melde mich bei dir. Okay?“, jetzt sah sie mir direkt in die Augen.
Â
„Sarah... Bitte schick mich nicht weg.“, sagte ich flehend.
Â
„Ich kann nicht anders. Es tut mir leid.“, mehr sagte sie nicht, schloss dann die Tür hinter sich und ließ mich einfach stehen.
Â
Jetzt stand ich hier, wie bestellt und nicht abgeholt, total am Ende. Warum nur schickte sie mich jetzt weg? Ausgerechnet jetzt, wo ich wusste was los war? Das konnte sie doch nicht bringen. Das konnte sie mir einfach nicht antun.
Â
Ich blieb noch eine ganze Weile vor der Tür stehen, in der Hoffnung, sie würde es sich noch anders überlegen. Aber das tat sie nicht, sie kam nicht wieder, ließ mich wirklich einfach so vor der Tür stehen.
Â
Irgendwann machte ich mich dann auf den Rückweg, lief wie in Trance zurück zu meinem Auto. Ich habe keine Ahnung, wie ich es überhaupt wieder bis nach Hause schaffte, aber wahrscheinlich hätte ich besser nicht mehr fahren sollen.
Â
Ich ging in meine Wohnung, blieb einfach mitten im Flur stehen und brach plötzlich komplett zusammen. Nach und nach kapierte ich, was ich da in den letzten paar Stunden alles erfahren hatte, was das alles bedeutete, was das alles für Sarah bedeutete. Sie würde sterben, sollten sie nicht in absehbarer Zeit einen geeigneten Spender finden. Ich würde sie verlieren, für immer verlieren.
Â
Nun saß ich auf dem Boden, Tränen liefen mir über das Gesicht und sie hörten nicht auf. Ich wünschte mir, endlich aus diesem Alptraum aufzuwachen, wünschte mir, dass es Sarah gut geht. Ich wollte doch nur, dass alles wieder gut werden würde. Doch so einfach war das nicht, es würde noch ein verdammt langer und harter Weg bis dahin werden, wenn es überhaupt so weit kam.
Â
Immer wieder versuchte ich mich zu beruhigen, schaffte es aber kaum, erst als es an der Tür klingelte, gelang es mir, mich so einigermaßen wieder zu fangen. Ich stand auf, dachte gar nicht weiter darüber nach, wer es sein könnte und öffnete die Tür.
Â
„Chris?“, ich war doch geschockt, dass jetzt ausgerechnet er vor mir stand.
Â
„Scheiße Ben, was ist denn passiert? Wie geht es deinem Dad? Geht es ihm so schlecht?“
Â
„Was?“, ich kapierte erst gar nicht wovon er sprach.
Â
„Lass uns erst einmal rein gehen. Du bist ja total fertig.“
Â
Er schob mich ins Wohnzimmer und wir setzten uns auf die Couch. Was um Gottes Willen sollte ich ihm jetzt nur erzählen?
Â
„So und jetzt erzähl mal, was ist los? Wie geht es deinem Dad?“
Â
„Den Umständen entsprechend gut.“
Â
„Warum bist du dann so fertig? Ist noch irgendetwas anderes passiert?“
Â
„Nein, ich...“, ich schlug die Hände über dem Kopf zusammen, fing wieder an zu weinen.
Â
„Hey, Ben. Komm her.“, Chris nahm mich in den Arm und ich ließ meinen Gefühlen einfach freien Lauf.
Â
Nach einer ganzen Weile schob Chris mich wieder von sich und sah mich fragend an.
Â
„Möchtest du reden?“, fragte er mich.
Â
„Selbst wenn ich wollte, ich kann nicht. Es tut mir leid.“
Â
„Okay pass auf, pack dir ein paar Sachen zusammen, du kommst mit zu mir.“
Â
„Was? Aber warum?“
Â
„Weil ich dich in diesem Zustand hier sicher nicht alleine lasse. Und ich kann auch ein bisschen Ablenkung gebrauchen, also tun wir uns doch gegenseitig diesen Gefallen, hmm?
Â
„Warum? Was ist bei dir los?“
„Naja, Sarah eben. Ich mache mir echt Sorgen um sie.“
Â
Ich wusste nicht was ich dazu sagen sollte. Sarah musste einfach mit Chris sprechen, damit auch er endlich wusste was los ist. Das Ganze konnte so einfach nicht weiter gehen.
Â
„Ok, dann lass uns gehen ja?“
Â
Er nickte nur und stand auf. Ich ging eben schnell ins Schlafzimmer und packte ein paar Sachen zusammen, kurz darauf machten wir uns auch schon auf den Weg. Wir gingen zu Fuß und ich muss sagen, dass mir die frische Luft sehr gut tat. Wir unterhielten uns nicht sehr viel, jeder von uns war in seinen eigenen Gedanken vertieft, was mir aber auch ganz lieb war. Ich hätte nicht gewusst, was ich ihm hätte sagen sollen, wenn er mich nach Sarah gefragt hätte.
Â
Bei ihm angekommen, holte Chris und erst einmal zwei Bier, dann schmissen wir uns auf die Couch und er legte eine DVD ein. Allerdings bekam ich nicht wirklich viel von dem Film mit, denn meine Gedanken kreisten die ganze Zeit nur um Sarah. Ich machte mir so große Sorgen, hatte verdammte Angst um sie und sie hatte sich immer noch nicht bei mir gemeldet. Immer wieder schaute ich auf mein Handy, so oft, dass es sogar Chris schon auffiel.
Â
„Wartest du auf einen wichtigen Anruf?“, fragte er mich.
Â
„Ja... Nein... Ich meine, ich...“, mir fehlten die Worte.
Â
„Schon okay, du musst es mir ja nicht sagen.“
Â
„Sorry Chris.“
Â
„Schon gut.“, mehr sagte er nicht, schaute wieder zum Fernseher.
Â
Die Situation war für mich unerträglich, Chris machte sich genauso Sorgen um seine kleine Schwester, wie ich es tat, nur aus einem anderen Grund. Und ich, ich durfte ihm die Wahrheit nicht sagen. Ich kam mir irgendwie total mies vor, musste meinen besten Freund belügen und ich hoffte nur, dass Sarah die Situation bald von alleine aufklären würde.
Kurze Zeit später hörten wir, dass jemand die Tür öffnete, es konnte nur Sarah sein. Chris stand auf, ich konnte ihm ansehen wie wütend er war.
Â
„Wo warst du?“, fuhr er sie an.
Â
„Das geht dich nichts an.“
Â
„Das geht mich nichts an? Sag mal spinnst du?, er war total außer sich. „Sieh dich mal an, du siehst schrecklich aus. Was zum Teufel ist los mit dir? Kannst du mir das mal bitte erklären?“
Â
„Wie gesagt, es geht dich nichts an Chris.“, Sarahs Stimme wurde lauter.
Â
Ich stand auf und ging ebenfalls in den Flur, ich konnte nicht zulassen, dass die beiden sich jetzt stritten.
Â
„Hört bitte auf mit dem Quatsch.“, mischte ich mich ein.
Â
„Aufhören?“, Chris sah mich entsetzt an. „Los Ben, sieh sie dir an. Willst du mir erzählen, dass das normal ist? Sie sieht aus, als würde sie bald sterben und du sagst ich soll aufhören???“
Â
Sarah stand da wie angewurzelt, sagte kein Wort mehr, Tränen stiegen ihr in die Augen und ich fühlte mich wieder einmal verdammt hilflos.
Â
„Ich denke, es ist besser, wenn ihr euch jetzt erst einmal wieder beruhigt und wir dann in Ruhe weiter reden.“, ich wollte Chris am Arm wieder zurück ins Wohnzimmer ziehen, doch er ließ mich nicht, statt dessen ging er auf Sarah los, schubste sie nach hinten.
Â
„Verdammt noch mal, jetzt sag mir endlich, was für eine Scheiße du in dich rein schmeißt.“, er schrie sie an.
Â
Sarah stürzte nach hinten an die Wand, wehrte sich nicht. „Bitte Chris, lass mich einfach.“, ihre Stimme wurde immer leiser.
Â
Jetzt platzte Chris endgültig der Kragen, er ging auf sie zu, drückte sie mit voller Wucht gegen die Wand.
„Ich will jetzt endlich wissen, welche scheiß Drogen du nimmst. Sag mir endlich die Wahrheit, oder du kannst deine Sachen packen und verschwinden.“, er schrie immer noch.
Â
„Ich kann nicht.“, sie flüsterte nur noch, weinte.
Â
Ich ging dazwischen, riss Chris von ihr weg.
Â
„Man Chris, siehst du nicht, dass es reicht? Lass sie in Ruhe jetzt.“
Â
„Stellst du dich jetzt auf ihre Seite oder was?“
Â
„Chris bitte.“, mehr sagte ich nicht.
Â
Chris drehte sich um, ging zurück ins Wohnzimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Er war sauer und ich konnte ihn verdammt gut verstehen. Ich drehte mich wieder zu Sarah, die mittlerweile wie ein Häufchen Elend auf dem Boden saß und weinte. Ich kniete mich vor sie, nahm sie in den Arm.
Â
„Hey, alles ok?“, fragte ich sie.
Â
„Geht schon.“
Â
„Komm, wir gehen in dein Zimmer.“
Â
Sie nickte nur und stand auf, nahm mich an die Hand und zog mich hinter sich her. Dann setzte sie sich auf ihr Bett, starrte Richtung Fenster. Ich blieb eine Zeit lang in der Tür stehen, beobachtete sie einfach nur, weil ich nicht wusste, wie ich mit ihr umgehen sollte.
Â
„Ich muss ihm die Wahrheit sagen, oder?“, sie sah mich fragend an.
Â
„Ja Sarah, du musst. Er hat ein Recht darauf es zu erfahren.“
Â
„Ich weiß, aber es tut so weh Ben.“, wieder fing sie an zu weinen.
Â
Ich ging zu ihr, setzte mich neben sie und zog sie fest an mich.
Â
„Ich weiß Sarah, aber es wäre nicht fair, ihn so lange im Ungewissen zu lassen. Er macht sich große Sorgen um dich.“
Â
„Ja, du hast ja recht. Aber ich...“
Â
„Was aber Sarah?“
Â
„Ich schaff das nicht allein.“, sie sah mich bittend an.
Â
„Ich bin da, ok? Ich werde bei dir bleiben, werde für dich da sein.“
Â
„Danke.“, flüsterte sie.
Â
„Nicht dafür.“
Â
Ich sah ihr in die Augen, meine Gefühle fuhren wieder Achterbahn, in meinem Bauch flogen tausend Schmetterlinge. Ich legte meine Hand an ihr Gesicht, zog sie leicht zu mir, wollte sie küssen, doch sie löste sich von mir, stand einfach auf und ging zum Fenster.
Â
„Aber nicht mehr heute okay?“
Â
„Was meinst du?“, ich war total verwirrt.
Â
„Ich möchte nicht mehr heute mit Chris reden, lass uns das morgen früh machen, ja?“
Â
„Ja sicher, wie du möchtest.“
Â
„Danke, ich würde jetzt gern schlafen, bin total am Ende.“
Â
„Ja klar, kann ich sehr gut verstehen.“
Â
Ich stand auf, ging zu ihr zum Fenster und stellte mich hinter sie. Es war schön ihr so nah zu sein, ihre Wärme zu spüren. Ich legte meine Arme um sie, wollte sie einfach nur bei mir halten, doch sie stieß mich von sich und ich verstand die Welt nun überhaupt nicht mehr.
Â
„Du solltest jetzt gehen.“, sagte sie plötzlich.
Â
„Was? Aber warum? Ich dachte...“
Â
„Ich möchte, dass du gehst Ben.“, sie sprach ganz ruhig, fast anteilnahmslos.
Â
„Sarah bitte, ich möchte bei dir sein, für dich da sein.“
Â
„Ich komm alleine klar, okay?“
Â
„Aber ich...“
Â
„KEIN ABER!“, jetzt schrie sie mich an. „Geh und lass mich allein.“
Â
„Gut, wenn das dein Wunsch ist.“, was hätte ich jetzt auch sonst tun sollen. „Ich werde morgen früh da sein, wenn du mit Chris redest.“
Â
„Tu was du für richtig hältst Ben.“, jetzt drehte sie sich wieder von mir weg, starre aus dem Fenster, so wie sie es so oft tat.
Â
„Wenn irgendetwas ist, du weißt, dass ich immer für dich da bin.“
Â
„Geh bitte.“
Â
Mehr sagte sie nicht mehr und ich wusste auch einfach nicht, wie ich auf ihr Verhalten reagieren sollte. Heute Mittag noch waren wir uns so nah, sie hatte sich auf mich eingelassen und ich hatte eigentlich auch das Gefühl, dass sie sich das genau so sehr gewünscht hatte wie ich, doch sie belehrte mich jetzt eines Besseren.
Â
Ich fühlte mich plötzlich so leer, so hilflos. Ich wollte doch nur bei ihr sein, für sie da sein, ihr alles so leicht wie möglich machen. Doch sie ließ mich nicht, stieß mich einfach von sich. Ich wollte jetzt einfach nur noch nach Hause, in Ruhe über alles nachdenken, doch da hatte ich die Rechnung ohne Chris gemacht. Ich stand schon an der Tür, wollte gerade rausgehen, als er mich zurück hielt.
Â
„Ben warte bitte.“
„Was ist Chris? Ich möchte eigentlich nur nach Hause.“
Â
„Bitte, wir müssen reden, ich halte das einfach nicht mehr aus.“, er hatte Tränen in den Augen, was sollte ich jetzt bloß nur tun.
Â
„Okay, was ist denn los?“, fragte ich, obwohl ich genau wusste was los war.
Â
„Komm mit bitte.“, er ging zurück ins Wohnzimmer und ich lief ihm hinterher.
Â
Er setzte sich auf die Couch, legte sein Gesicht in seine Hände, er war wirklich total verzweifelt. Ich blieb in der Tür stehen, sah ihn einfach nur an, hatte keine Ahnung, was ich ihm jetzt sagen sollte.
Â
„Ben?“
Â
„Hmm?“
Â
„Du weißt genau was los ist oder?“
Â
„Chris ich...“
Â
„Warum zum Teufel sagst du mir nicht die Wahrheit Ben? Warum nicht?“, er fing an zu weinen.
Â
Ich ging zu ihm, nahm ihn in den Arm. Sarah musste endlich mit ihm reden.
Â
„Chris hör zu, ich weiß, dass das alles gerade nicht einfach ist, aber ich kann es dir einfach nicht sagen.“
Â
„Und warum nicht? Man Ben, du bist mein bester Freund, Sarah ist meine Schwester. Sagt mir endlich was los ist, ich geh sonst kaputt daran.“, er weinte immer mehr, die Situation war einfach unerträglich.
Â
„Es tut mir so verdammt leid Chris.“, flüsterte ich schon nur noch.
Â
Eine ganze Weile saßen wir da, ich hielt Chris im Arm und versuchte ihn irgendwie zu beruhigen, doch es wollte mir nicht so recht gelingen. Kein Wunder, er machte sich Sorgen um Sarah, hatte absolut keine Ahnung, was mit ihr los war und ich Idiot wollte ihm einfach nicht die Wahrheit sagen.
Â
„Ich muss die Wahrheit wissen Ben, bitte.“, sagte er auf einmal.
Â
„Ich weiß und du wirst sie erfahren, ganz sicher.“
Â
„Aber wann Ben? Wann?“, jetzt sah er mich an.
Â
„Chris ich...“
Â
„Jetzt...“, plötzlich stand Sarah in der Tür.
Â
Sie kam zu uns, setzte sich neben mich und lehnte sich nach hinten. Ich war unglaublich froh darüber, dass sie jetzt da war und Chris nun endlich die Wahrheit erfahren würde. Ich stand auf, hielt es für besser, die beiden alleine und in Ruhe reden zu lassen.
Â
„Wo willst du hin?“, fragte mich Sarah.
Â
„Ich lasse euch in Ruhe reden.“
Â
„Nein bleib!“, sie hielt meine Hand fest. „Ich möchte dich dabei haben.“
Â
Ich setzte mich wieder. „Ok, wie du möchtest.“
Â
„Chris ich...“, sie stoppte, ich merkte ihr an, wie unglaublich schwer ihr das fiel.
Â
„Sarah, sag mir endlich was mit dir los ist. Egal was es ist, wir werden eine Lösung finden, das verspreche ich dir.“
Â
„Es wird keine Lösung geben Chris.“
Â
„Was willst du damit sagen? Es gibt immer eine Lösung, immer einen Weg. Und wir werden ihn finden, zusammen, das verspreche ich dir.“
Sarah fing an zu lachen und gleichzeitig liefen ihr die Tränen über das Gesicht.
Â
„Chris, ich bin krank. Ich habe Leukämie und es besteht kaum noch Hoffnung, dass ich es überhaupt schaffen werde.“
Â
„Das ist nicht wahr. Das ist nicht wahr oder Ben? Sie lügt, sagt mir, dass sie lügt.“
Â
„Ich würde gern, aber ich kann nicht. Es ist die Wahrheit.“
Â
„Wie lange weißt du das schon?“, fragte Chris.
Â
„Ein halbes Jahr, circa.“
Â
„Und dann sagst du mir das erst jetzt?“, er sprang auf, war völlig außer sich. „Was hast du dir dabei gedacht, mir das so lange zu verschweigen, verdammt?“
Â
„Es tut mir leid, ich wollte keinen von euch belasten.“
Â
„Du hast sie doch nicht mehr alle.“, er holte aus, schmiss die Bierflaschen, die auf dem Tisch standen, auf den Boden.
Â
Sarah zuckte zusammen, starrte Chris nur an, sagte kein Wort mehr.
Â
„Chris komm mal wieder unter.“, ich stand auf, versuchte ihn zu beruhigen.
Â
„Ich soll wieder runter kommen? Meine Schwester verschweigt mir seit einem halben Jahr, dass sie todkrank ist und ich soll wieder runter kommen???, jetzt schrie er auch mich an. „Wie lange? Ich meine, wie lange hast du noch Zeit?“, seine Stimme wurde wieder ruhiger.
Â
„Ich weiß es nicht, vielleicht ein paar Monate, ein paar Wochen, vielleicht auch nur noch ein paar Tage. Ich weiß es wirklich nicht.“
Â
Chris antwortete nicht, drehte sich um und rannte aus dem Raum, einen Moment später hörten wir die Tür ins Schloss knallen. Sarah stand auf, wollte ihm hinter her, doch ich hielt sie fest.
Â
„Sarah lass ihn.“
Â
„Aber ich...“
Â
„Kein aber, lass ihn jetzt einfach. Er braucht jetzt Zeit für sich, Zeit um das zu verarbeiten, was er gerade erfahren hat. Er wird wieder kommen.“
Â
„Verdammte scheiße.“, sie fing an zu weinen, ging zu Boden und versuchte die Scherben aufzusammeln.
Â
„Sarah nicht, ich mach das gleich. Komm, ich bring dich in dein Zimmer.“
Â
Ich stand auf, zog sie zu mir hoch und brachte sie rüber in ihr Bett. Sie weinte die ganze Zeit, war total fertig. Irgendwie schaffte ich es dann doch sie zu beruhigen, so dass sie dann auch irgendwann eingeschlafen war.
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Kapitel 6
Â
Die nächsten Wochen verliefen wieder genau so wie die letzten. Ich ging arbeiten, saß fast jeden Abend allein zuhause rum und der Kontakt zu Sarah war genau wie vorher, fast auch wieder komplett abgebrochen. Ich bekam sie nur zu Gesicht, wenn ich bei Chris zu Besuch war und selbst dann sprachen wir kein Wort miteinander. Ich hatte versucht, das was zwischen uns passiert war, noch einmal mit ihr zu klären, aber es hatte keinen Zweck. Sie blockte komplett ab, ließ mich einfach nicht an sich ran. Mittlerweile hatte ich sie seit über drei Wochen nicht mehr gesehen.
Â
Das Wetter war mittlerweile wundervoll, die Sonne schien, es war total warm. Genau so, wie es sein Anfang Juni auch sein sollte. Ich hatte mich an diesem Tag mit Chris verabredet, wir wollten schwimmen gehen, nur so konnte man es heute aushalten.
Â
Ich setzte mich gegen zwölf ins Auto und fuhr zu ihm, er hatte mich gebeten ihn abzuholen, so musste er nicht auch extra fahren. Natürlich war er noch nicht fertig, als ich ankam, deshalb ging ich erst noch einmal hoch in die Wohnung.
Â
„Am Besten setzt du dich noch ein bisschen ins Wohnzimmer, ich brauche noch eine halbe Ewigkeit.“, er lachte.
Â
„Ja das ist ja nichts neues.“, auch ich lachte jetzt. „Komm schon mach hin, wir wollen keine Weiber aufreißen.“
Â
„Na du vielleicht nicht, ich kann mir durchaus vorstellen da heute jemanden kennenzulernen, also nerve nicht.“, er lachte immer noch und verschwand im Bad.
Â
Ich setzte mich ins Wohnzimmer, nahm mir eine Zeitung aus der Tischschublade und versuchte, mich irgendwie so lange zu beschäftigen. Eine ganze Weile saß ich da, dachte schon, Chris würde überhaupt nicht mehr wieder kommen, als ich eine Tür auf und zu gehen hörte.
Â
Ich stand auf, ging aus dem Raum.
Â
„Chris, also selbst eine Frau wäre jetzt schon zehn mal fertig.“, ich lachte wieder.
Â
Doch vor mir stand nicht der, den ich erwartet hatte, sondern dort stand Sarah und ich dachte wirklich, ich traue meinen Augen nicht. Sie sah verdammt schlecht aus, war total dünn geworden. Ihr Gesicht war blass, fast weiß. Ihre Augen waren so leer, ich erkannte sie kaum wieder. Sie hatte eine schwarze Wollmütze auf dem Kopf, die ihr Gesicht noch blasser erscheinen lies, sie sah überhaupt nicht gut aus.
Â
„Sarah...“, mehr bekam ich nicht heraus, ich war immer noch geschockt.
Â
„Was willst du Ben?“, ihre Stimme klang kalt, ohne Gefühl.
Â
„Was ist los mit dir? Wie geht es dir?“
Â
„Mir geht es super und jetzt lass mich in Ruhe.“, sie wurde richtig schroff.
Â
„Sarah bitte, ich sehe doch, dass es dir nicht gut geht.“
Â
„Lass mich verdammt noch mal in Ruhe Ben. LASS... MICH... IN... RUHE...!!!“, sie schrie mich an, ich wusste so schnell gar nicht, wie mir geschah.
Â
Bevor ich auch überhaupt nur etwas sagen konnte, kam Chris auch schon aus dem Badezimmer.
Â
„Was ist denn los hier?“, fragte Chris sichtlich überrascht.
Â
„Ich weiß auch nicht, ich...“, ich kam nicht dazu, zu Ende zu sprechen, denn im nächsten Moment rannte Sarah mich auch schon um und verschwand aus der Wohnung.
Â
Ich stand starr im Flur, schaute ihr nur hinterher, wusste nicht, was ich dazu sagen sollte.
Â
„Was ist passiert Ben?“, er kam zu mir.
Â
„Sie sieht schrecklich aus.“, meine Stimme zitterte.
Â
„Ja ich weiß, aber ich kann nichts tun. Ich komme nicht mehr an sie ran. Ich habe das Gefühl, dass es von Tag zu Tag schlimmer wird.“
Â
„Hast du eine Vermutung?“
Â
„Schon ja.“
Â
„Und die wäre?“, ich sah ihn fragend an.
Â
„Ich glaube, sie nimmt irgendwelche Drogen. Ich meine, sie hat so viel abgenommen, sie ist scheiße aggressiv manchmal. Schau dir an wie blass sie ist, das ist doch alles nicht normal.“
Â
„Nein ist es auch nicht.“, ich war total geschockt, das hätte ich einfach nicht erwartet.
Â
„Was ist? Wollen wir trotzdem los? Wir können es gerade eh nicht ändern und ich habe keine Lust, mir wegen ihr den Tag verderben zu lassen.“
Â
„Ja vielleicht hast du recht, lass uns abhauen.“
Â
Chris nahm seine Klamotten und wir machten uns auf den Weg zum See. Klar, Chris hatte recht, es brachte nichts, sich den Tag von Sarah kaputt machen zu lassen. Und dennoch machte ich mir große Sorgen um sie. Ich hatte Angst, davor, dass ihr etwas passiert, dass sie vielleicht wieder versuchen würde, sich das Leben zu nehmen. Aber ich wusste auch nicht, was ich tun sollte. Alles war so verdammt schwer und kompliziert.
Â
Wir verbrachten den ganzen Nachmittag am See, hatten auch eigentlich wirklich viel Spaß. Ich schaffte es zeitweise, auch mal nicht an Sarah zu denken und das tat mir wirklich verdammt gut. Ich fühlte mich zum ersten mal seit langem mal wieder befreit, bis plötzlich mein Handy klingelte.
Â
„Ja?“
Â
„Ben, ich bin es, Mama.“
Â
„Hey Mum. Was ist los?“
Â
„Du musst sofort kommen Ben.“, sie klang plötzlich total panisch.
Â
„Mum, was ist passiert??“
Â
„Dein Vater liegt im Krankenhaus Ben, er hatte einen Herzinfarkt. Bitte komm hier her.“
Â
„Wo liegt er?“
Â
„Im Marienhospital, bitte Ben, beeile dich.“
Â
„Ich bin schon unterwegs.“, ich hatte den Satz noch nicht ganz ausgesprochen, da hatte ich schon aufgelegt.
Â
Ich schnappte mir mein Handtuch, stopfte es schnell in den Rucksack und wollte schon los rennen, als Chris mich am Arm packte und zurück hielt.
Â
„Was ist passiert Ben? Du wirkst plötzlich so aufgebracht.“
Â
„Mein Dad liegt im Krankenhaus, Herzinfarkt, ich muss sofort los. Kommst du klar?“
Â
„Scheiße... Ja klar, man hau ab.“
Â
„Danke.“
Â
Ich rannte so schnell ich konnte zu meinem Auto und fuhr ins Krankenhaus. Hoffentlich ging es meinem Dad den Umständen entsprechend gut. Keine zehn Minuten später war ich auch schon da, rannte wieder wie ein Irrer über das Krankenhausgelände. An der Anmeldung schickten sie mich direkt weiter auf die Intensivstation, ich konnte nur hoffen, dass ich nicht zu spät kam.
Â
Als ich auf der Intensivstation ankam, sah ich auch schon von weitem meine Mutter vor der Tür stehen.
„Mum, wie geht es Dad? Geht es ihm gut?“, ich war völlig außer Atem.
Â
„Ben, gut dass du endlich da bist.“, ich nahm sie in den Arm, sie weinte.
Â
„Alles wird gut Mum, ich bin jetzt bei dir. Erzähl mir was los ist.“
Ich lies sie wieder los und wir setzten uns zusammen auf die Wartebank, die vor dem Raum stand.
Â
„Ich weiß noch gar nichts, seit wir hier sind, war noch keiner der Ärzte hier draußen, um mir zu sagen was los ist. Ich werde noch verrückt.“
Â
„Sie werden sich schon melden Mum, mach dich jetzt bitte nicht verrückt.“, es sagte sich leichter, als es getan war.
Â
Es verging noch ca. eine ganze Stunde, bis endlich ein Arzt aus dieser bescheuerten Tür kam, um uns endlich zu sagen, wie es meinem Dad ging.
Â
Es ging ihm, Gott sei Dank, den Umständen entsprechend gut. Sie mussten ihn notoperieren, aber er hatte alles sehr gut überstanden. Nun mussten sie noch die Nacht abwarten, um genaueres zu sagen. Mir fiel wirklich ein Stein vom Herzen.
Â
„Können wir zu ihm?“, fragte meine Mum schließlich.
Â
„Nicht sie beide, ihr Mann braucht sehr viel Ruhe, aber einer von Ihnen kann gerne einen Moment zu ihm.“
Â
„Geh nur Mum, er braucht dich jetzt.“
Â
„Und was ist mit dir?“, sie sah mich traurig an.
Â
„Ich fahre dann nach Hause und komme morgen früh zu den Besuchszeiten wieder, ok?
Â
„Ist gut, ich melde mich nachher bei dir und sage dir, wie es ihm geht.“
„Ja mach das Mum.“, ich gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Bis später.“
Â
„Bis später.“
Â
Ich lief den Gang zurück in Richtung Ausgang, war wirklich sehr glücklich darüber, dass mein Dad alles einigermaßen überstanden hatte und hoffte, dass das auch die Nacht über so bleiben würde.
Noch nicht ganz am Ausgang angekommen, sah ich im Augenwinkel eine Person sitzen. Ich weiß nicht warum, aber ich blieb stehen, weil sie mir irgendwie bekannt vor kam. Sie saß auf einem Stuhl vor einer weißen Tür, ich konnte nicht wirklich etwas erkennen und trotzdem war mir, als würde ich sie kennen. Ich ging näher ran, lief ein bisschen auf sie zu. Sie hatte den Kopf in die Hände gelegt, schaute starr auf den Boden. Irgendetwas war da, was mich dort hinzog und ich konnte nichts dagegen tun. Als ich näher kam, sah ich, dass es ein Mädchen war und ich weiß nicht warum ich es tat, aber ich konnte nicht anders, als sie anzusprechen.
Â
„Hey, hör mal, ich weiß, das klingt vielleicht blöd jetzt, aber kann es sein, dass wir uns vielleicht kennen?“
Â
Zuerst reagierte sie nicht, hob dann aber den Kopf und ich fiel fast aus allen Wolken.
Â
„Sarah?!?! Was machst du denn hier?“
Â
„Oh mein Gott Ben.“, sie war mindestens genauso geschockt wie ich.
Â
„Was zum Teufel...“, weiter kam ich nicht, denn plötzlich ging die Tür auf.
Â
„Sarah kommst du? Es ist alles vorbereitet.“, sagte die Krankenschwester die aus der Tür kam.
Â
Sarah sah mich an, sagte aber kein Wort, drehte sich um und wollte in den Raum gehen. Das konnte doch jetzt nicht ihr ernst sein.
Â
„Stopp, Sarah, was ist hier los?“
Sie blieb stehen. „Ich komme sofort ja? Ich muss das hier eben klären.“, sie sprach noch einen Moment mit der Krankenschwester und schloss dann die Tür.
Â
Ich sah sie nur an, wartete auf eine Erklärung. Was war hier los? Warum war sie hier? Und was um Gottes Willen war vorbereitet?
Â
„Ben was tust du hier?“
Â
„Das Selbe habe ich dich gerade schon einmal gefragt.“
Â
„Ich weiß.“, sie war kurz still. „Sagst du es mir trotzdem?“
Â
„Mein Dad hatte einen Herzinfarkt, er liegt auf der Intensivstation.“
Â
„Oh, das tut mir leid.“, sie sah mich immer noch an, ihre Augen waren so leer.
Â
„Warum bist du hier Sarah?“
Â
Sie drehte sich von mir weg, schlug die Hände über den Kopf zusammen, sagte aber nichts. Warum konnte sie mir nicht endlich sagen, was los war?
Â
„Sarah bitte, ich möchte doch nur wissen was los ist.“
Â
„Das möchtest du immer.“
Â
„Ja, weil du mir wichtig bist und ich mir Sorgen mache.“
Â
„Kannst du nicht einfach gehen und vergessen, dass du mich hier getroffen hast?“, immer noch sah sie mich nicht an, ich hatte das Gefühl, dass sie kaum noch sprechen konnte.
Â
Ich ging zu ihr, legte meine Hand auf ihre Schulter. „Sarah bitte, sag mir was los ist.“
Â
Sie legte ihre Hand auf meine, hielt sie kurz fest. „Ich komme gleich wieder ja? Ich kläre das nur kurz ab.“
„Ja ist gut.“
Â
Sie verschwand in dem Raum, war etwa fünf Minuten weg, als sie schließlich wieder kam.
Â
„Los komm.“, sagte sie zu mir.
Â
„Wo gehen wir hin?“
Â
„In den Park, das hier ist kein guter Ort, um so etwas zu besprechen. Einverstanden?“
Â
„Ja klar, einverstanden.“
Â
Wir gingen den langen Flur entlang, bis wir schließlich zum Hinterausgang des Krankenhauses kamen, an den ein wirklich wunderschöner Park grenzte. Wir gingen eine ganze Weile einfach nur spazieren, keiner von uns beiden sagte auch nur ein Wort. Ich sah Sarah ab und zu an, sie wirkte so verdammt zerbrechlich.
Â
Irgendwann hielt ich es einfach nicht mehr aus, ich blieb stehen, nahm ihre Hand und hielt sie fest.
Â
„Sarah, wir müssen reden.“
Â
„Ja ich weiß Ben. Setzen wir uns?“, sie zeigte auf eine Bank ganz in unserer Nähe.
Â
„Klar.“
Â
Wir liefen zusammen hinüber und sie ließ meine Hand die ganze Zeit über nicht los. Sie setzte sich, zog mich dann zu sich, hielt immer noch meine Hand.
Â
„Ben hör zu ich...“, sie schluckte, konnte nicht weiter reden, ich sah, dass sie Tränen in den Augen hatte.
Â
„Sarah jetzt rede endlich.“, ich drücke ihre Hand.
Â
„Ich bin krank Ben.“, Tränen liefen ihr übers Gesicht und auch mir stiegen sie jetzt in die Augen.
Â
„Wie krank Sarah?“, ich musste mich so sehr zusammen reißen.
Â
Sie sagte nichts, legte plötzlich die Hand an ihre Mütze und zog sie langsam nach unten. Ich war geschockt, sie hatte keine Haare mehr.
Â
„Hmm...“, sie sah mich eine ganze Zeit lang einfach nur an, weinte immer noch. „Chemotherapie, die Nebenwirkungen sind sichtlich erkennbar.“
Â
„Was hast du Sarah?“, ich konnte kaum mehr reden, auch mir liefen jetzt Tränen übers Gesicht.
Â
„Leukämie, ich weiß es seit...“, sie stoppte kurz. „Seit dem Tag, an dem ich versucht habe mich umzubringen.“
Â
Ich war total geschockt, das durfte doch alles nicht wahr sein, das musste doch ein schlechter Traum sein. Ich hoffte so sehr, im nächsten Moment aufzuwachen und alles wäre vorbei, aber es passierte einfach nicht.
Â
„Was sagen die Ärzte? Können sie dir helfen?“
Â
Sie schüttelte den Kopf. „Sie finden keinen passenden Knochenmarkspender, sie hatten mir bei der Diagnose schon gesagt, dass das Ganze unheimlich schwer werden wird. Und das ich im schlimmsten Fall...“, wieder stoppte sie, es fiel ihr alles unheimlich schwer.
Â
„Was passiert im schlimmsten Fall Sarah?“, ich sah sie an, nahm ihre Hände und hielt sie ganz fest.
Â
Sie sah auf unsere Hände, es dauerte eine Weile, bis sie weiter sprach. „Dass ich im schlimmsten Fall nur noch ein halbes Jahr zu Leben habe.“
Â
Ich konnte erst einmal nichts dazu sagen, stattdessen fing ich an zu rechnen. Als ich ihr damals auf der Brücke das Leben rettete, hatten wir Anfang Januar und jetzt war es Juni, das hieß... Oh mein Gott.
Â
„Sarah, das ist ein Witz, oder? Sag mir, dass das ein Witz ist. Sie können dir doch helfen! Sag mir bitte, dass sie dir noch helfen können!!“, ich war plötzlich total aufgelöst, die Tränen liefen nur noch, ich konnte mich kaum noch beherrschen.
Â
„Es tut mir leid Ben...“, sie legte eine Hand an mein Gesicht, strich mir die Tränen weg. „Wenn sie nicht in der nächsten Zeit einen Spender finden, dann... Dann habe ich nur noch ein paar Wochen.“
Â
Ich schluckte, brachte kein einziges Wort mehr heraus, war total am Ende. Warum hatte sie mir nicht gesagt was los ist? Warum hatte sie wochenlang geschwiegen? Und was mich am meisten beschäftigte war die Frage, warum ausgerechnet Sarah? Warum sollte sie sterben? Ich konnte und wollte das alles einfach nicht glauben, ich wollte es nicht wahr haben.
Â
„Sag mir bitte, dass das nicht wahr ist.“, flüsterte ich.
Â
„Wenn ich es könnte, würde ich es tun. Aber ich kann nicht.“
Â
Wieder war Stille, wir sahen uns nur an. Keiner von uns beiden wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte. Die Minuten, die wir da saßen, fühlten sich an wie Stunden, es war einfach unerträglich.
Â
„Warum hast du mir nichts gesagt? Warum hast du alles für dich behalten Sarah?“, so langsam hatte ich mich wieder einigermaßen gefangen.
Â
„Weil ich keinen von euch belasten wollte und dich schon mal gar nicht. Ich wollte einfach alleine damit klar kommen und euch nicht leiden sehen wegen mir.“
Â
„Aber wir haben DICH leiden sehen? Meinst du nicht, dass ich nicht gemerkt hab dass etwas nicht stimmt? Du wolltest dich umbringen, du bist ständig umgekippt. Als ich dich heute morgen gesehen hab, hab ich dich fast nicht wieder erkannt. Du hättest es doch nicht ewig verstecken können. Und vor allem, wenn du was gesagt hättest, ich wäre für dich da gewesen Sarah.“
„Du hast schon genug für mich getan Ben. Und was hab ich getan? Ich habe dich immer wieder verletzt.“
Â
„Hör auf damit bitte.“
Â
„Nein, ist doch so. Ich meine, du hast mir das Leben gerettet, du warst für mich da, wenn ich dich gebraucht habe. Und ich, ich habe dir immer wieder in den Arsch getreten und dir verdammt weh getan. Das weiß ich.“
Â
„Hey...“, ich nahm ihre Hand wieder in meine. „Vergessen wir das ok?“
Â
Sie nickte, sagte einen Moment lang nichts. „Ich will nicht sterben Ben, hörst du? Ich will einfach noch nicht sterben.“, wieder fing sie an zu weinen und brach jetzt völlig zusammen.
Â
Ich nahm sie in den Arm, hielt sie fest bei mir. Auch ich fing wieder an zu weinen, lies meinen Gefühlen einfach freien Lauf. Wir saßen eine ganze Zeit lang so da, Arm in Arm, gaben uns gegenseitig den Halt, den wir gerade brauchten, doch Sarah beruhigte sich einfach nicht. Sie weinte und weinte, sagte immer wieder, dass sie nicht sterben wollte. Es war schrecklich für mich, sie so zu sehen und ich wollte irgendetwas dagegen tun.
Â
Ich zog sie sanft von mir weg, nahm ihr Gesicht in meine Hände und sah ihr in die Augen. Ich musste sie einfach irgendwie beruhigen.
Â
„Sarah, hey... sieh mich an ja? Sieh mich bitte an Sarah.“
Â
„Lass mich bitte.“, sie schüttelte den Kopf, weinte immer mehr. „Ich kann einfach nicht mehr.“
Â
Ohne weiter großartig darüber nachzudenken, zog ich sie an mich und küsste sie. Immer und immer wieder.
Â
„Es wird alles wieder gut hörst du? Ich bin bei dir und wir beide finden einen Weg. Du wirst nicht sterben, das verspreche ich dir.“
Â
Plötzlich sah sie mich an und auch wenn ihr immer noch Tränen über das Gesicht liefen, schien sie sich so langsam wieder einigermaßen zu beruhigen.
Â
„Was tust du denn da?“, fragte sie mich.
Â
„Das was ich damals schon hätte tun sollen.“, ich küsste sie erneut.
Â
Sie lies es zu, stieß mich nicht wieder von sich. Ich genoss ihre Nähe, hätte sie am liebsten nie wieder los gelassen.
Â
Kapitel 5
Â
Als ich am nächsten Morgen aufwachte lag Sarah schon nicht mehr neben mir. Ich schaute mich kurz im Zimmer um, da ich sie aber nicht entdecken konnte, beschloss ich, noch ein paar Minuten die Augen zu zu machen.
Â
„Ben? Ben wach auf...“, hörte ich sie irgendwann sagen.
Â
Einen Moment später spürte ich, wie sie mir durchs Gesicht streichelte. Ich öffnete meine Augen nicht, genoss einfach den Moment, ihre Berührungen. Ich hinterfragte nicht, was hier gerade passierte, dafür war es einfach zu schön. Eine ganze Weile lag ich so da, sie streichelte weiter mein Gesicht, fuhr mir zwischendurch durch die Haare, es war einfach wunderschön.
Â
„Ben? Hey... Schlafmütze wach auf.“, an der Art wie sie sprach merkte ich, dass sie ein Lächeln auf den Lippen hatte.
Â
Auch ich musste jetzt lächeln und öffnete die Augen, sah direkt in ihre Augen und hatte plötzlich ein unglaubliches Kribbeln im Bauch.
Â
„Hast du gut geschlafen?“, fragte sie mich.
Â
„Ja, wie ein Baby und du?“, ich grinste.
Â
„Ich auch, ja. Magst du mitkommen? Ich habe Frühstück gemacht.“
Â
„Ja gern, ich zieh mir eben was an, okay?“
Â
„Alles klar, ich geh schon mal in die Küche.“, sie hatte den Satz noch nicht ganz ausgesprochen, da war sie auch schon verschwunden.
Â
Ich zog mich an, ging danach kurz ins Bad und dann direkt zu Sarah in die Küche. Sie hatte den Tisch gedeckt, es fehlte wirklich an nichts. Ich setzte mich zu ihr, wir frühstückten und unterhielten uns eine ganze Weile über Gott und die Welt. Ungefähr eine Stunde später beschloss ich, mich auf den Heimweg zu machen, da ich mir nicht sicher war, ob Sarah den Tag überhaupt mit mir verbringen wollte.
„So, ich denke ich verschwinde jetzt. Danke fürs Essen Sarah.“
Â
„Du willst gehen? Musst du arbeiten? Oder hast du irgendwas vor?“, sie sah mich fragend an.
Â
„Ich hab nichts vor, nein. Ich dachte nur...“
Â
„Was dachtest du?“, sie sah mir in die Augen, ich drohte wieder in ihnen zu versinken und ein erneutes Mal war da wieder dieses unglaubliche Kribbeln in meinem Bauch.
Â
„Ich war mir nicht sicher, ob du möchtest, dass ich noch bleibe.“, ich konnte meinen Blick nicht von ihr abwenden.
Â
„Du solltest nicht immer so viel denken Ben.“, sie grinste. „Ich dachte, wir könnten vielleicht irgendetwas zusammen unternehmen. Ist doch Wochenende und schönes Wetter haben wir auch.“
Â
Im ersten Moment war ich ziemlich baff, damit hatte ich jetzt überhaupt nicht gerechnet.
Â
„An was hast du gedacht?“, ich stand auf, um nicht noch ganz verrückt zu werden.
Â
„Keine Ahnung, ich dachte... Also ich soll heute Nachmittag auf meine kleine Cousine aufpassen. Wir könnten in den Zoo gehen. Wenn du Lust hast.“, sie sah mich fragend an und ich fand die Idee verdammt süß.
Â
„Wann soll ich euch abholen?“, fragte ich und grinste sie an.
Â
„So um 13 Uhr?, auch sie grinste jetzt.
Â
„Gut, ich bin dann da. Ich fahr dann eben nach Hause mich umziehen usw. Okay?“
Â
„Ok. Dann bis später.“
Â
„Bis später.“, sagte ich, lächelte sie wieder an und verließ die Wohnung.
Â
Ich lief nach Hause, hatte ein totales Grinsen im Gesicht. Ich freute mich auf den Nachmittag, auf den Nachmittag mit Sarah und ihrer kleinen Cousine. Auch wenn ich überrascht gewesen war, dass sie mich danach fragte, freute ich mich riesig.
Â
Zuhause angekommen, sprang ich schnell unter die Dusche, zog mir anschließend ein paar frische Klamotten an und machte mir noch kurz etwas zu essen. Die Zeit verging irgendwie wie im Flug und ich war gerade mit dem Essen fertig, da musste ich auch schon wieder los. Ich packte ein bisschen was zu Essen und zu Trinken ein. Auch ein paar Süßigkeiten für die Kleine. Auch wenn ich nicht wusste wie alt sie war, für Süßes war man ja schließlich nie zu groß.
Â
Ich setzte mich ins Auto und fuhr los, es war nicht weit bis zu Sarah und Chris nach Hause, deshalb war ich fünf Minuten später auch schon da. Da die Beiden noch nicht unten standen, beschloss ich noch kurz rein zu gehen. Vielleicht konnte ich ihr ja auch noch irgendwo bei helfen.
Â
Ich klingelte an und sie machte mir auch sofort die Tür auf, ich ging hoch, die Wohnungstür stand offen, allerdings stand niemand in der Tür.
Â
„Sarah?“, rief ich in die Wohnung.
Â
„Komm rein, wir sind in der Küche. Lara hat zu viel Spielzeug, das sie mitnehmen möchte.“, sie lachte.
Â
Ich schloss die Tür hinter mir und ging in die Küche, blieb allerdings in der Tür stehen. Die Beiden saßen auf dem Boden und packten eine riesige Tasche voll mit Spielzeug. Es war ein verdammt schönes Bild, aber ich fragte mich, was sie mit dem ganzen Zeug vor hatten.
Â
„Hey ihr zwei.“, sagte ich und ging ein bisschen auf die Beiden zu. „Das wollt ihr aber nicht alles mitnehmen oder?“, ich grinste.
Â
„Glaub mir, ich habe schon alles versucht, um sie davon zu überzeugen, dass es einfach zu viel ist. Aber sie lässt sich nicht davon abbringen.“, sie lächelte mich an und wir sahen uns einen Moment lang tief in die Augen.
Â
Ich brauchte einen Moment lang, um mich wieder zu fangen. Sah dann die Kleine an, sie war wirklich noch klein, ich würde sagen, ca. 4 oder 5 Jahre alt und verdammt süß.
„Sag mal Lara, sollen wir das ganze Zeug nicht einfach hier liegen lassen und sofort in den Zoo fahren, bevor die Tiere Mittagsschlaf machen? Sonst sehen wir die nachher alle gar nicht.“
Â
„Die machen Mittagsschlaf?“, sie sah mich ungläubig an.
Â
„Natürlich, du doch auch oder nicht?“
Â
„Nein, ich bin schon groß.“, sie sah mich an, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt und ich musste lachen.
Â
„Na gut, du bist schon groß, aber die Tiere nicht, also denke ich, sollten wir schnell los fahren. Oder was meinst du?“
Â
Sie sprang so schnell auf, dass ich mich sogar ein bisschen erschrak.
Â
„Komm schon Sarah, sonst schlafen die Tiere alle, wenn wir da hin kommen.“, sie fasste Sarah an der Hand, wollte sie hinter sich herziehen und schmiss sie fast um.
Â
„Stopp, stopp, stopp.“, sie lachte. „Erst einmal in Ruhe anziehen ja?“
Â
Sie sagte nichts mehr, rannte statt dessen sofort in den Flur um sich anzuziehen. Ich musste ein bisschen schmunzeln, das war einfacher, als ich es mir vorgestellt hatte.
Â
„Danke.“, sie lachte immer noch. „Ich hatte schon befürchtet, ich müsste einen Koffer mit den Zoo schleppen.“
Â
„Kein Problem.“, auch ich lachte wieder. „Aber sie ist wirklich süß.“
Â
„Ja das ist sie, sie ist mein kleiner Sonnenschein.“, sie wurde plötzlich sehr ernst, war von jetzt auf gleich wie ausgewechselt.
Â
„Alles ok mit dir?“, ich sah sie an.
Â
Sie reagierte erst nicht, starrte stur Richtung Tür. Ich war total verwirrt und verstand nicht, was jetzt auf einmal mit ihr los war.
Â
„Hey Sarah...“, ich sprach sie erneut an. „Geht es dir gut?“
Â
„Was? Ja... Ich... Ich war nur in Gedanken. Tut mir leid.“, sie hatte Tränen in den Augen, ich musste irgendetwas tun.
Â
Ich ging zu ihr, sie saß immer noch auf dem Boden, kniete mich vor sie, nahm ihr Gesicht in meine Hände und sah ihr in die Augen.
Â
„Sarah... Was ist los mit dir?“, Tränen liefen ihr übers Gesicht.
Â
Ich strich ihr die Tränen weg, legte meine Stirn an ihre. Sie sagte kein Wort und diese Stille machte mich wahnsinnig.
Â
„Verdammt sag doch was. Was hast du? Warum bist du plötzlich so traurig?“
Â
Sie schüttelte leicht den Kopf. „Ich weiß es nicht, ich weiß es einfach nicht.“, flüsterte sie. „Sei bitte einfach nur da.“
Â
Jetzt fing sie richtig an zu weinen, war völlig am Ende. Ich nahm sie in den Arm, hielt sie fest bei mir. Ich versuchte für sie da zu sein, so wie sie mich darum gebeten hatte. Wusste nicht, ob ich wirklich dazu in der Lage war und ihr gerade das geben konnte, was sie wirklich brauchte.
Â
Nach ein paar Minuten beruhigte sie sich wieder, ihre Atmung wurde wieder deutlich ruhiger. Ich fasste sie leicht an den Schultern, drückte sie sanft von mir weg. sie sah mich nicht an, blickte auf den Boden.
Â
„Es tut mir leid Ben.“, flüsterte sie.
Â
„Das muss es nicht, hörst du? Du kannst mit mir über alles reden, egal was es ist. Ich bin für dich da und ich tu was ich kann, damit es dir gut geht.“
Â
Plötzlich fing sie an zu lachen, doch es war kein ehrliches Lachen, es wirkte eher gequält, als ob sie an irgendetwas zweifelte.
Â
„Lass uns das hier einfach vergessen ja?“, sie hob den Kopf, sah mir wieder in die Augen.
Â
„Ich kann nicht immer alles vergessen Sarah. Ich kann und will es einfach nicht.“
Â
„Ben... Bitte... Ich kann nicht. Ich kann es einfach nicht.“, sie wurde immer leiser, nahm meine Hand und sah sie an. „Lass uns gehen, die Kleine wartet doch schon.“, jetzt sah sie mich wieder an.
Â
Ich strich ihr die letzte Träne aus dem Gesicht. „Sarah, du kannst
jeder Zeit zu mir kommen, ok? Ich bin da, immer, egal wann und egal wo.“
Â
„Ich weiß, danke dafür Ben.“
Â
„Nichts zu danken.“, wir sahen uns immer noch in die Augen, ich war ihr so verdammt nah, wollte ihr einfach noch näher sein.
Â
Keine Ahnung warum ich es tat, aber mir waren die eventuellen Konsequenzen total egal. Ich legte meinen Daumen auf ihre Lippen, streichelte langsam über sie. Dann zog ich ihr Gesicht langsam zu mir, jetzt war sie mir so nah wie noch nie zuvor, ihre Lippen berührten nur leicht meine. Ich streichelte ihr über die Wange, fühlte mich so wohl bei ihr. Ich wünschte mir nichts mehr wie sie zu spüren, sie einfach zu küssen und die Chance dazu, war jetzt so nah wie noch nie.
Â
Aber sie gab sie mir nicht, löste sich abrupt aus der Situation, stand auf und ging zur Tür. Ich bewegte mich nicht vom Fleck, kam mir plötzlich so lächerlich vor. Ich blieb einfach sitzen, wusste nicht, wie ich reagieren sollte.
Â
„Vielleicht sollte ich mit Lara alleine fahren Ben.“, sagte sie plötzlich, sie stand immer noch dort.
Â
„Wie du willst.“, mehr konnte ich nicht sagen, ich fühlte mich plötzlich so leer.
Â
„Es tut mir leid okay? Ich wollte das nicht.“
Â
Ich nickte nur, bekam kein einziges Wort mehr raus. Eine ganze Zeit lang war es still, ich konnte nicht einmal mehr sagen, ob sie noch in der Tür stand, oder schon längst gegangen war. Die Kleine jedenfalls hörte ich auch nicht mehr.
„Ben eins noch.“, sagte sie so plötzlich, dass ich etwas zusammenzuckte.
Â
„Was willst du Sarah? Reicht das nicht für Heute?“, immer noch saß ich auf dem Boden, ich wollte sie einfach nicht ansehen.
Â
„Tu mir bitte einen Gefallen ja?“, sie sprach ganz ruhig, flüsterte schon wieder fast.
Â
„Und der wäre?“, ich war etwas genervt.
Â
„Bitte... Verlieb dich nicht in mich...“
Â
Ich dachte wirklich, ich hör nicht richtig, drehte mich zu ihr um und wollte ihr sofort meine Meinung sagen, doch sie war nicht mehr da. Kurze Zeit später hörte ich nur noch die Tür ins Schloss fallen, sie war weg. Ich saß da, wie bestellt und nicht abgeholt, kam mir so verdammt mies vor. Ich soll mich nicht in sie verlieben hatte sie gesagt. Ob sie sich überhaupt schon mal gefragt hatte, ob das nicht schon längst passiert war? Ich konnte einfach nicht glauben, was da gerade passiert war.
Â
Ich stand auf, ging zum Fenster und schaute nach draußen. Die Sonne schien, es war so wunderschön draußen und das passte so gar nicht zu dem heutigen Tag, dabei hatte dieser eigentlich total gut angefangen. Ich blieb eine ganze Weile einfach nur dort stehen, starrte nach draußen, dachte über das Geschehene nach. Es war einfach wieder zu viel auf einmal, vieles was ich wieder einmal nicht verstand. Ich würde irgendwann noch einmal verrückt werden, wenn das so weiter ging.
Â
Nach einer ganzen Zeit hörte ich plötzlich wieder die Tür ins Schloss fallen und ich hatte den Hauch einer Hoffnung, dass Sarah vielleicht doch noch einmal zurück gekommen war, aber ich täuschte mich.
Â
„Sarah? Bist du da?“, es war Chris.
Â
„Nein ist sie nicht, aber ich bin da.“
Â
Er kam in die Küche. „Was machst du hier? Vor allem allein?“
Â
„Ich... Ich wollte eigentlich mit Sarah und Lara in den Zoo.“, was sollte ich auch anderes sagen.
„Aber? Warum bist du noch hier und die Beiden sind weg?“
Â
„Wir hatten...“, ich stoppte kurz, wusste nicht was ich sagen sollte.
Â
„Ja? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen Mensch.“
Â
„Wir hatten einfach eine kleine Meinungsverschiedenheit, mehr nicht.“
Â
„Und die war so klein, dass du gleich nicht mehr mitfahren konntest?“, er sah mich skeptisch an.
Â
„Ja vielleicht war es auch eine größere Meinungsverschiedenheit. Wird schon wieder, alles halb so wild. Und ich geh jetzt nach Hause.“
Â
„Du musst nicht gehen, ich wollte dir nicht zu nahe treten. Sorry.“
Â
„Schon gut, aber es ist wirklich besser ich gehe. Ein bisschen frische Luft schadet garantiert auch nicht.“
Â
„Gut, wie du meinst. Aber wenn du reden musst, du weißt ja wo du mich findest.“, er legte mir eine Hand auf die Schulter und sah mich an. „Ich geh jetzt duschen, komm gut nach Hause ja?“
Â
„Sicher und danke.“
Â
„Für? Ich darf ja nichts tun.“, er grinste mich kurz an und verschwand dann.
Â
Ich blieb noch einen kurzen Moment am Fenster stehen, schaute nach draußen, verließ dann aber kurz darauf auch die Wohnung und fuhr nach Hause.
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Kapitel 10
Â
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, schlief Sarah noch tief und fest. Ich hatte mich am letzten Abend zu ihr gelegt, wollte sie einfach nicht alleine lassen. Und das würde ich auch nicht mehr tun, ich beschloss nur noch für sie da zu sein, so lange es eben möglich war. Ich musste mir so langsam eingestehen, dass uns vielleicht nicht mehr viel Zeit blieb und ich wollte diese Zeit nicht unnötig verschenken.
Â
Ich stand langsam auf, damit ich sie nicht weckte, nahm mir mein Handy und ging kurz raus in den Flur. Kurze Zeit später hatte ich auch schon meinen Chef am Telefon, der nicht besonders begeistert darüber war, dass ich fürs erste nicht mehr zur Arbeit erscheinen würde, es aber auch verstand, als ich ihm die Situation erklärte.
Â
Ich ging zurück in Sarahs Zimmer, schloss die Tür leise hinter mir, doch sie war in der Zwischenzeit schon aufgewacht.
Â
„Ben?“
Â
„Hey, du bist ja schon wach. Schlaf doch noch ein bisschen.“
Â
„Ich kann nicht, wo warst du?“
Â
„Ich hab kurz telefoniert. Wie geht es dir?“, ich setzte mich neben sie aufs Bett.
Â
„Ganz okay. Mit wem hast du gesprochen?“
Â
„Das ist doch unwichtig.“
Â
„Sag schon, bitte.“
Â
„Mit der Arbeit, ich hab...“, ich stoppte. Ich wusste nicht so recht, ob ich ihr die Gründe für mein Telefonat wirklich nennen sollte.
Â
„Du hast was? Jetzt sag endlich.“
Â
„Ich habe gekündigt.“
„Was? Aber warum?“, sie sah mich entsetzt an.
Â
„Damit ich bedingungslos für dich da sein kann, Sarah. Ich möchte dich nicht mehr alleine lassen, ich möchte für dich da sein, immer.“
Â
„Das hättest du nicht machen müssen, das habe ich nicht gewollt.“
Â
„Ja das weiß ich, ich möchte es aber so, ok?“
Â
„Okay.“, sie küsste mich. „Legst du dich wieder zu mir?“
Â
„Ja sicher.“, ich legte mich neben sie, sah sie an. „Was macht denn das Fieber?“, ich legte meine Hand an ihre Stirn.
Â
„Ich glaube, es ist runter gegangen.“
Â
„Ja, das ist es. Das ist gut. Und wie fühlst du dich sonst?“
Â
„Ganz okay eigentlich.“
Â
Sie drehte den Kopf zur Seite, sah aus dem Fenster und nahm meine Hand. Ich schob meine Finger zwischen ihre, hielt sie ganz fest und zog sie an mich. Dann schloss ich meine Augen, genoss die Nähe zu Sarah, genoss es, jetzt und hier, einfach nur bei ihr zu sein und neben ihr zu liegen. Es war immer wieder etwas besonderes zwischen uns, denn auch wenn wir nicht redeten und einfach nur beieinander waren, hatte ich nicht das Gefühl, dass wir uns nichts mehr zu sagen hatten, sondern auch diese Stille, war einfach unendlich angenehm.
Â
Ich lag eine ganze Weile einfach nur so da, dachte über nichts großartig nach, fühlte mich verdammt wohl und schreckte erst wieder hoch, als ich merkte, dass Sarah anfing zu zittern. Ich öffnete die Augen, sah sie erschrocken an, Tränen liefen ihr über das Gesicht und ich fragte mich, was plötzlich los war.
Â
„Hey... Sarah... Was ist los?“, ich setzte mich ein bisschen auf und sah sie an.
Â
„Ich weiß auch nicht.“, flüsterte sie. „Es ist nur...“
„Was? Erzähl es mir.“, ich strich ihr die Tränen aus dem Gesicht.
Â
„Ich habe gerade so darüber nach gedacht, was ich noch gerne alles machen würde.“
Â
„Magst es mir erzählen?“
Â
Sie nickte, drückte meine Hand fest. „Das ist eine ganze Menge.“, jetzt lachte sie ein wenig.
Â
„Dann los, wir haben den ganzen Tag Zeit.“, ich grinste sie an.
Â
„Okay, also, ich wollte immer schon mal Fliegen.“
Â
„Du bist noch nie geflogen?“
Â
„Nein.“, jetzt lachte sie noch mehr. „Irgendwie hatte ich immer Angst davor, keine Ahnung warum, aber letztes Jahr hatte ich mir das fest vorgenommen, ich wollte unbedingt mal auf die Malediven.“
Â
„Das klingt doch sehr schön und weiter?“
Â
„Ich wollte mir einen Hund kaufen, Bungee Jumping machen, mit Delfinen schwimmen, mit meinen Mädels als Vorband bei irgendeiner super bekannten Band spielen, ein Haus bauen. Das sind nur wenige Beispiele, aber meinen größten Wunsch, den hast du mir ja bereits erfüllt.“, sie sah mir in die Augen.
Â
„Ans Meer fahren?“, ich lächelte sie an.
Â
„Nein du Nuss.“, sie kniff mir in die Seite.
Â
„Autsch, heyy...“, ich lachte. „Was denn dann?“
Â
„Ich hab meine große Liebe gefunden.“, sie sah mich immer noch an und hatte wieder Tränen in den Augen.
Â
„Hey, nicht weinen, das ist doch wunderschön.“, ich küsste sie.
„Ja schon, aber...“
Â
„Was aber?“
Â
„Ich bin froh, dass ich wenigstens diese Sache, die schönste von allen, noch erleben darf.“
Â
„Sarah...“, ich küsste sie erneut. „Alles davon ist realisierbar.“
Â
„Nicht mehr für mich.“
Â
„Shhh...“, ich legte ihr meinen Finger auf die Lippen, doch sie zog ihn weg.
Â
„Nicht, wir brauchen uns das doch nicht schön reden. Ich werde nicht einmal mehr Weihnachten miterleben. Und dabei wollte ich...“, sie stoppte.
Â
„Was wolltest du?“
Â
„Ich liebe Weihnachten, den Schnee, die Lichter, die Musik. Die Weihnachtsmärkte, den Geruch von gebrannten Mandeln. Heiligabend um den Tannenbaum sitzen und in die Gesichter gucken, wenn alle ihre Geschenke auspacken. Sich darüber freuen, wenn man weiß, man hat genau das Richtige geschenkt. Und man selbst gar keine Geschenke mehr braucht, weil einem genau das reicht, um glücklich zu sein.“
Â
Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände, sah ihr tief in die Augen. „Ich verspreche dir, dass wir beide dieses Jahr zusammen Weihnachten feiern werden. Das verspreche ich dir hoch und heilig.“
Â
„Versprich bitte nichts, was du nicht halten kannst Ben“, sie flüsterte nur noch.
Â
„Ich verspreche es dir, weil ich weiß, dass ich es halten kann, wirklich. Wir beide erleben Weihnachten dieses Jahr zusammen, ok?“
„Okay...“
Â
Ich gab ihr wieder einen Kuss. „Gibt es irgendetwas, was du dir wünscht? Was du schon immer mal haben wolltest?“
Â
„Ja, das gibt es in der Tat, aber das sag ich dir nicht.“, sie lächelte ein wenig.
Â
„Warum nicht? Peinlich?“, ich grinste.
Â
„Ein wenig.“, auch sie grinste mich an.
Â
„Los, sag es mir. Vertrau mir.“
Â
„Du bist ganz schön gemein heute.“, sie schubste mich leicht nach hinten.
Â
„Heute?“, ich lachte. „Komm schon, so schlimm kann es ja nicht sein.“
Â
„Also gut, aber wehe du lachst.“, sie versuchte böse zu gucken und ich musste noch mehr lachen. „Man Ben du nimmst mich nicht ernst.“
Â
„Doch tu ich, jetzt sagt schon.“
Â
„Ich habe mir als Kind immer schon einen Stern gewünscht.“
Â
„Einen Stern?“
Â
„Ja du weißt schon, Sterntaufe und so. Kitschig oder?“
Â
„Ja ein bisschen, aber auch verdammt süß. Genauso wie du.“, ich lächelte sie an, zog sie dann zu mir und küsste sie.
Â
Ich war froh über dieses Gespräch, froh darüber, dass Sarah sich mir gegenüber so geöffnet hatte, dass sie mir so sehr vertraute. Wir waren uns so unglaublich nah und es hätte eigentlich alles perfekt sein können...
Â
Wir blieben noch eine ganze Weile liegen, kuschelten, redeten, bis dann Chris plötzlich im Raum stand.
Â
„Guten Morgen ihr zwei.“
Â
„Guten Morgen Chris“, sagten wir wie aus einem Mund und mussten lachen.
„Ben, deine Mutter hat gerade angerufen. Ob du nicht vielleicht kurz vorbei kommen kannst, sie möchte irgendetwas mit dir besprechen.“
Â
„Und das geht nicht am Telefon?“
Â
„Wohl nicht.“
Â
„Aber ich wollte Sarah gleich zum Arzt begleiten. Wartet, ich regele das eben.“
Â
Ich stand auf, wollte meine Mutter anrufen, doch Sarah hielt mich zurück.
Â
„Ben warte.“
Â
„Was denn?“, ich sah sie fragend an.
Â
„Du kannst nicht immer alles und jedem wegen mir absagen. Es ist deine Familie. Fahr hin und schau was sie möchte, es wird ja nicht ewig dauern. Und zum Arzt kann Chris mich auch fahren. Oder Chris?“, sie sah ihn an.
Â
„Ja natürlich fahr ich dich.“
Â
„Aber ich...“, sagte ich.
Â
„Kein aber Ben. Fahr zu deiner Mutter, sie braucht dich auch.“
Â
„Ist gut, ich beeile mich ja? Vielleicht bin ich pünktlich wieder zurück.“
Â
„Keine Hektik, ich lauf ja nicht weg.“, sie küsste mich. „Bis später.“
Â
„Ja bis später.“
Â
Ich machte mich fertig und dann sofort auf den Weg zu meinen Eltern. Was konnte nur so wichtig sein, dass es nicht am Telefon zu besprechen war? War bestimmt nur wieder irgendein Mist. Dabei wäre ich viel lieber bei Sarah geblieben und hätte ihr irgendwie Kraft gegeben. Ich konnte nur hoffen, vielleicht doch rechtzeitig wieder zurück zu sein.
Â
Als ich bei meinen Eltern ankam, stand meine Mutter bereits in der Tür, dabei hatte ich ihr nicht einmal Bescheid gesagt, dass ich schon unterwegs war. Das war wieder typisch für sie.
Â
„Da bist du ja endlich.“, sagte sie, anstatt mich erst einmal zu begrüßen.
Â
„Dir auch einen wunderschönen guten Morgen Mum.“
Â
„Tut mir leid, wie geht es dir?“
Â
„Geht so. Was gibt es denn so dringendes?“
Â
„Jetzt komm doch erst einmal rein. Ich habe uns Kaffee gemacht.“
Â
„Mum ich wollte mich eigentlich nicht so lange aufhalten, ich muss wieder zurück.“
Â
„Du hast kaum noch Zeit für mich.“, sagte sie vorwurfsvoll und sie hatte ja auch recht.
Â
„Mum bitte, warum sollte ich kommen?“
Â
„Ja, also pass auf. Ich werde mit deinem Vater nächste Woche in Kur fahren. Nach dem ganzen Mist, hat er das auch echt verdient.“
Â
„Ja das ist sehr schön und welche Rolle spiele ich jetzt dabei?“
Â
„Du musst dich um das Haus kümmern solange, Blumen gießen, die Katze füttern. Solche Sachen.“
Â
„Und um mir das zu sagen musstest du mich hier her bestellen? Das ging jetzt nicht am Telefon?“, ich wurde sauer.
Â
„Ich kriege dich doch sonst nicht zu Gesicht. Irgendwie muss ich dich doch mal hier her bekommen. Du bist doch nur noch unterwegs.“, wieder machte sie mir Vorwürfe.
Â
Jetzt war ich richtig sauer, sie hatte keine Ahnung von dem, was in den letzten Monaten los war und jetzt musste ich mir Vorwürfe machen lassen, weil ich nicht regelmäßig zum Kaffee trinken kam.
Â
„Hör verdammt noch mal auf mir Vorwürfe zu machen, du hast keine Ahnung, was im Moment in meinem Leben los ist und wie es mir geht. Ich hab genug Sorgen und keine Lust und Zeit mit dir hier Kaffekränzchen zu halten.“, ich schrie sie schon an, was ich im nächsten Moment aber auch schon wieder bereute.
Â
„Woher soll ich wissen was mit dir los ist Ben, wenn du nicht mehr kommst? Nicht mehr mit mir redest? Also mach DU mir jetzt auch keinen Vorwurf daraus, dass ich meinen Sohn sehen wollte.“
Â
„Es tut mir leid Mum.“, flüsterte ich und fing an zu weinen.
Â
Sie kam zu mir, nahm mich in den Arm und tröstete mich. Dann brach alles aus mir heraus und ich erzählte ihr alles. Sie hörte mir zu, lies mich einfach nur reden und war für mich da. Es tat verdammt gut, auch einfach mal mit jemandem zu sprechen, der nicht direkt betroffen war.
Â
Allerdings erschrak ich, als ich eine Zeit lang später auf die Uhr schaute und feststellte, dass ich schon seit fast drei Stunden hier war.
Â
„Scheiße, ich muss zurück.“
Â
„Was ist denn los?“
Â
„Ich bin schon viel zu lange hier Mum. Ich muss zurück zu Sarah.“
Â
„Ok mach das.“, sie gab mir einen Kuss auf die Wange. „Und wenn irgendetwas ist, du kannst jederzeit zu mir kommen, das weißt du.“
Â
„Danke Mum, ich melde mich.“
Â
„Alles klar, machs gut Ben.“
Â
Ich machte mich sofort auf den Weg zu meinem Auto, fuhr direkt zu Sarah nach Hause. Ich war schon viel zu lange weg, wollte eigentlich schon längst wieder zurück sein.
Â
Chris öffnete mir die Tür, als ich nach 20 Minuten endlich wieder bei ihnen ankam.
Â
„Hey Ben.“
Â
„Hey, sorry hat länger gedauert.“
Â
„Kein Problem, ich war ja da.“
Â
„Was sagt der Arzt?“
Â
„Ich weiß es nicht.“, erst jetzt merkte ich, dass er ziemlich niedergeschlagen war.
Â
„Wie du weißt es nicht? Was ist denn passiert?“
Â
„Sarah hat mich nicht mit reingelassen und auf dem Rückweg hat sie kein Wort gesagt, war total in sich gekehrt. Ich habe keine Ahnung was los ist.“
Â
„Ok, ich geh zu ihr, oder schläft sie?“
Â
„Ich weiß es nicht, aber es macht ihr sicher nichts, wenn du sie weckst hmm?“, er lächelte mich an und ging ins Wohnzimmer.
Â
Ich ging direkt in Sarahs Zimmer, schloss die Tür hinter mir und schaute auf ihr Bett, allerdings lag sie nicht wie erwartet darin. Ich war im ersten Moment etwas verwirrt, dachte mir dann aber, ok, vielleicht ist sie nur kurz im Bad. Ich ging wieder aus ihrem Zimmer raus, direkt zum Bad um nach zu schauen, ob sie da war. Aber auch dort war sie nicht.
Â
„Chris? Wo ist Sarah?“
Â
„In ihrem Zimmer, das sagte ich doch.“, er kam zu mir.
Â
„Nein, da ist sie eben nicht und auch sonst scheint sie nirgendwo zu sein.“, so langsam bekam ich Panik.
Â
„Aber wo soll sie schon sein? Ich war doch die ganze Zeit hier.“
Â
„Ich habe keine Ahnung. Sarah?“, rief ich durch die ganze Wohnung, aber es kam nichts zurück. „Sie ist nicht hier Chris.“
Â
„Ja, aber ich verstehe das nicht. Wo soll sie schon hingehen, sie kann doch eh nichts machen, dafür ist sie viel zu schwach.“
Â
„Nein, außer vielleicht...“, plötzlich kamen mir die Bilder von damals wieder in den Kopf, als ich sie auf der Brücke sah und sie sich das Leben nehmen wollte. „Scheiße Chris, ich glaube ich weiß wo sie ist.“, ich rannte direkt Richtung Tür.
Â
„Warte ich komm mit.“, rief Chris mir hinterher.
Â
„Nein du bleibst hier. Falls sie doch zurück kommen sollte, damit jemand hier ist.“
Â
„Ist gut, aber kannst du mir vielleicht sagen was du denkst?“
Â
„Jetzt nicht, dafür ist keine Zeit mehr.“, ich knallte die Tür hinter mir zu.
Â
Ich hatte die böse Vermutung, dass Sarah ihr Vorhaben von damals genau jetzt wahr machen wollte. Vielleicht war sie mittlerweile wirklich so verzweifelt gewesen, dass sie sich jetzt endgültig das Leben nehmen wollte. Ich fuhr zu der Brücke, wo sie es schon damals versucht hatte. War hin und her gerissen zwischen der Angst, dass ich eventuell schon zu spät sein könnte und der Hoffnung, dass alles nur ein riesiges Missverständnis war.
Als ich anhielt, sah ich sie auch schon. Sie stand vor dem Geländer, nicht so wie damals dahinter, schaute nach unten. Ich bekam immer mehr Panik, auch wenn ich froh war, dass sie noch lebte. Ich stieg aus, rannte direkt zu ihr, hatte immer noch verdammte Angst.
Â
„Sarah bitte nicht.“, rief ich ihr zu und sie drehte sich um.
Â
„Ben...“
Â
Ich zog sie fest an mich, hielt sie einfach nur nah bei mir und sie stand einfach nur da, bewegte sich nicht, war total anteilnahmslos. Ich war total außer Atem, fing an zu weinen, konnte absolut nicht mehr.
Â
„Ich bin so froh, dass du noch lebst. Du hast mir einen solchen Schrecken eingejagt. Mach das bitte nie, nie wieder, hörst du?“, ich weinte immer mehr.
Â
„Ben...“, sie vergrub ihr Gesicht an meinem Hals, umarmte mich auch endlich. „Es tut mir so leid.“, flüsterte sie.
„Schon gut.“, mehr sagte ich nicht, war einfach nur froh, sie wieder bei mir zu haben.
Â
Wir bleiben eine ganze Weile so stehen, doch irgendwann musste ich einfach wissen, ob ich mit meiner Vermutung richtig gelegen hatte.
Â
„Sarah?“
Â
„Hmm?“
Â
„Wolltest du? Ich meine...“, ich zog sie ein Stück von mir weg, sah ihr in die Augen.
Â
Sie nickte. „Ja, ich wollte mich umbringen, aber ich konnte nicht. Ich konnte einfach nicht. Vielleicht hätte ich woanders hingehen sollen, denn hier, ausgerechnet hier, das habe ich nicht fertig gebracht.“
Â
„Ich kann dir nicht sagen, wie froh ich darüber bin.“, ich küsste sie. „Du musst bei mir bleiben Sarah... Du musst bei mir bleiben.“
Ich nahm sie wieder in den Arm, hätte sie am liebsten nie wieder los gelassen. Doch dann fragte ich mich, was sie damit meinte, als sie sagte „ausgerechnet hier“. Ich zog sie wieder von mir weg, sah sie wieder an.
Â
„Was meinst du mit„ausgerechnet hier“?“
Â
Sie lächelte ein wenig. „Naja, hier hab ich dich zum ersten Mal getroffen, ohne zu wissen wer du bist und hier hab ich...“, sie stoppte.
Â
„Hier hast du was?“
Â
„Hier hab ich mich in dich verliebt Ben.“
Â
„Was?“, ich musste ein wenig lachen.
Â
„Ja, als du auch über das Geländer klettern wolltest, als du mich angesehen hast, deine Augen... Da war es voll und ganz um mich geschehen.“
Â
„Wow...“, mehr bekam ich nicht heraus. Das war einfach nur wahnsinnig schön.
Â
„Ich habe dir mein Leben zu verdanken Ben und das nicht nur einmal.“
Â
Ich küsste sie und mir wurde wieder einmal mehr klar, wie sehr ich diesen wundervollen Menschen liebte.
Â
„Sarah?“
Â
„Ja?“
Â
„Was ist beim Arzt passiert?“
Â
„Wie kommst du jetzt darauf?“
Â
„Ich bin nicht doof und ich weiß, dass du nicht ohne Grund vor hattest, also... Du weißt was ich meine. Also was ist passiert? Was hat er gesagt?“
Â
„Mein Zustand hat sich dramatisch verschlechtert Ben. Ich muss ins Krankenhaus, ich brauche andere Medikamente. Sie müssen mich beobachten und das alles, ansonsten...“
Â
„Ansonsten was?“
Â
„Kann es morgen vielleicht schon vorbei sein.“
Â
Sie sah mich an und ich wusste einfach nicht, was ich darauf sagen sollte. Die Zeit ging zu Ende, es fand sich einfach kein passender Spender und das bedeutete, dass Sarah sterben musste. Dass sie bald nicht mehr da war, nicht mehr bei mir war. Ich konnte und wollte mir nicht vorstellen, was sie gerade durch machte, wie sie sich fühlte. Ich wusste nur, dass ich den Gedanken nicht mehr ertragen konnte und ich wusste nicht, wie ich ohne sie weiter leben sollte.
Â
Ich nahm sie in den Arm, lief mit ihr zum Auto und wir fuhren zurück nach Hause. Die ganze Fahrt über sprachen wir kein Wort, ich hielt einfach nur ihre Hand und dachte darüber nach, wie das jetzt alles nur weiter gehen sollte...
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Kapitel 8
Â
Nachdem ich die letzten Spuren von Chris Wutausbruch beseitigt hatte, nahm ich mir eine Decke und legte mich auf die Couch. An schlafen war allerdings noch lange nicht zu denken. Zu viele Dinge gingen mir mal wieder durch den Kopf, doch ausnahmsweise machte ich mir heute mal Sorgen um Chris. Ich hatte keine Ahnung wie er mit der ganzen Situation umgehen würde, was er jetzt gerade tat. Ich versuchte ein paar mal ihn anzurufen, aber er ging einfach nicht ran. Irgendwann muss ich dann aber doch eingeschlafen sein, denn ich schreckte plötzlich hoch, weil jemand die Tür zuschlug.
Â
„Chris? Bist du das?“, ich war sofort hellwach.
Â
„Ja, ich bin es.“
Â
„Komm zu mir bitte.“, ich setzte mich auf.
Â
Kurz darauf stand Chris auch schon im Raum, er sah schrecklich aus. Ich klopfte neben mir auf die Couch, damit er sich zu mir setzt, was er dann auch tat.
Â
„Wie geht es dir?“, fragte ich ihn.
Â
„Wie soll es mir schon gehen Ben?“
Â
„Tut mir leid.“
Â
„Nein, das muss es nicht. Es ist nur... Warum hat sie nichts gesagt? Warum hast du nichts gesagt Ben?“
Â
Ich schluckte. „Ich habe es selbst erst gestern erfahren, durch Zufall, weil ich sie im Krankenhaus gesehen habe. Ansonsten hätte sie es wahrscheinlich bis zum bitteren Ende durchgezogen.“
Â
„Das darf doch alles nicht wahr sein. Ich meine, warum ausgerechnet Sarah? Warum nur?“
Â
„Ich kann es dir nicht sagen, aber ich verspreche dir, dass wir kämpfen werden. Es wird sich ein Spender finden, da bin ich mir sicher.“
Â
Er sagte einen Moment lang nichts, ich konnte ihm ansehen, dass er über irgendetwas nachdachte.
Â
„Hast du vor dich testen zu lassen?“, fragte er mich plötzlich.
Â
„Ja auf jeden Fall.“
Â
„Gut, ich werde direkt morgen früh im Krankenhaus anrufen, einen Termin machen und fragen, wie so etwas abläuft.“
Â
„Das klingt gut, dann kannst du mich direkt mit anmelden.“
Â
„Ja mach ich. Ich geh jetzt mal duschen und dann werde ich noch einmal in Ruhe mit ihr reden. Glaube, ich habe gestern ziemlich überreagiert.“
Â
„Es ist verständlich, jeder hätte an deiner Stelle so reagiert.“
Â
„Hast du so reagiert?“, er sah mich fragend an.
Â
„Nein habe ich nicht, aber...“
Â
„Was aber?“
Â
„Das ist auch was ganz anderes.“
Â
„Ist es das?“
Â
„Ja, sie ist deine Schwester.“
Â
„Und was ist sie für dich?“
Â
Jetzt hatte er mich voll erwischt, was sollte ich dazu jetzt nur sagen.
Â
„Ben, ich bin nicht doof.“
Â
„Ich weiß nicht, was du meinst.“
Â
„Doch, das weißt du. Und ich weiß, dass das Ganze für dich mindestens genauso schlimm ist wie für mich. Weil du sie liebst Ben und das nicht als Freundin oder Schwester.“
Â
„Ja...“, meine Stimme versagte plötzlich.
Â
„Hey, wir schaffen das ok? Wir werden ihr helfen, sie wird das schaffen.“, er nahm mich in den Arm.
Â
„Ich hoffe es so sehr.“, wieder liefen mir Tränen übers Gesicht.
Â
„Ganz bestimmt.“, wir blieben einen Moment so sitzen, bevor Chris weiter sprach. „Ich gehe jetzt kurz duschen okay?“
Â
„Ja ist gut, ich wecke Sarah.“
Â
„Alles klar, bis gleich.“
Â
Chris ging aus dem Raum, ließ mich alleine zurück. Ich versuchte mich gar nicht erst wieder auf diese negativen Gedanken einzulassen, deshalb stand ich auf und ging zu Sarah ins Zimmer. Sie schlief noch und ich wollte sie nicht gleich wecken. Ich setzte mich zu ihr ans Bett, strich ihr durch das Gesicht, nahm dann ihre Hand, hielt sie einfach nur fest.
Â
„Du musst bei mir bleiben hörst du? Du musst einfach bei mir bleiben.“, ich fing wieder an zu weinen. „Ich brauch dich Sarah, ich möchte nicht ohne dich sein. Ich...“, ich weinte immer mehr, konnte mich kaum noch zusammenreißen. „Ich liebe Dich Sarah, hörst du? Ich liebe dich mehr als alles andere, du darfst mich nicht alleine lassen, du musst kämpfen.“
Â
Ich legte meinen Kopf auf ihr Bett, weinte und weinte, hielt immer noch ihre Hand. Mir war plötzlich alles zu viel, ich hatte solche Angst, Angst sie zu verlieren, sie nie wieder bei mir zu haben. Es war einfach nur schrecklich.
Â
Am liebsten wäre ich nicht mehr aufgestanden, sondern einfach nur hier liegen geblieben, bei ihr. Hätte die Welt um uns herum einfach ausgeblendet. Warum musste alles nur so schlimm sein?
Â
Plötzlich spürte ich ihre Hand auf meinen Kopf, ich schreckte hoch, sah sie an und fragte mich, ob sie das was ich gerade alles sagte, mitbekommen hatte.
Â
„Sarah...“
Â
„Hey Ben.“, sie lächelte mich an.
Â
„Bist du schon lange wach?“, ich musste wissen, was sie alles mitbekommen hatte.
Â
„Lange genug.“
Â
„Sorry, ich wollte nicht...“
Â
Sie legte mir einen Finger auf den Mund. „Shhh... nicht reden.“
Â
Sie kam zu mir hoch, sah mir tief in die Augen. Alles in meinem Körper fing an zu kribbeln, es machte mich wahnsinnig. Dann küsste sie mich und es war einfach wunderschön. Ganz anders als das erste mal, viel intensiver, einfach unglaublich. Ich konnte nicht glauben, dass das hier gerade passierte, genoss einfach den Moment und wünschte mir, dass er nie wieder aufhörte.
Â
Doch das tat er natürlich, denn Sarah hörte kurz auf mich zu küssen, blieb mir trotzdem ganz nah, bewegte sich keinen Zentimeter von mir weg.
Â
„Ben?“, flüsterte sie.
Â
„Hmm?“
Â
„Ich liebe dich auch.“
Â
Ich öffnete meinen Augen, sah sie an, war überwältigt von dem, was hier gerade passierte. Ich legte meine Hand an ihr Gesicht, streichelte ihr über die Wange, sagte nichts.
„Ben?“
Â
„Ja?“
Â
„Ich weiß nicht, ob das alles so richtig ist.“, flüsterte sie.
Â
Ich ging ein kleines Stück von ihr weg, sah sie immer noch an, fragte mich, was sie mir damit sagen wollte.
Â
„Wie meinst du das?“
„Weißt du noch als ich dich darum bat, dich nicht in mich zu verlieben?“
Â
„Ja, natürlich, wie könnte ich das vergessen.“
Â
„Ich hab das nicht aus Spaß gesagt Ben. Ich weiß, wie verdammt weh es tun wird, wenn ich gehen muss und ich wollte nie, dass du leiden musst, verstehst du? Ich möchte, dass du glücklich bist und ich weiß nicht, ob du das mit mir werden kannst.“, ihr Blick ging plötzlich nach unten.
Â
Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände. „Sieh mich an Sarah, bitte.“, sie sah mir jetzt wieder in die Augen. „Du wirst nicht gehen, hörst du? Du schaffst das, du bist stark. Und ich werde dir helfen, ich bin für dich da. Du bist nicht allein, wir werden kämpfen, für dich, für uns. Du wirst sehen, in ein paar Monaten lachen wir darüber, ganz bestimmt. Das verspreche ich dir.“
Â
Sie legte ihre Stirn an meine und nickte, nahm meine Hand und drückte sie. Wie gerne hätte ich an all das geglaubt, was ich ihr gerade gesagt hatte, doch ich wusste nicht wirklich, ob ich mein Versprechen einhalten konnte.
Â
Wir saßen noch eine ganze Weile einfach so da, schwiegen, genossen einfach nur gegenseitig unsere Nähe. Chris war es, der uns schließlich unsanft aus dieser Situation holte, denn er stand plötzlich im Zimmer.
Â
„Entschuldigt, ich wollte nicht stören, aber ich muss mit dir reden Sarah.“
Â
Sarah löste sich von mir, ließ mich aber nicht los.
Â
„Klar, komm her.“, sagte sie.
Â
„Allein, wenn es geht, bitte.“
Â
„Aber ich...“, ich stoppte sie.
Â
„Ich denke, das ist eine gute Idee. Redet in Ruhe, ich fahre kurz nach Hause duschen und komme dann später wieder ja?“
Â
„Ja ist gut, wenn es sein muss.“
Ich gab ihr einen Kuss. „Ich komm schnell wieder, versprochen.“
Â
Er nickte nur, ließ mich dann los und ich stand auf. Ich sah noch kurz zu Chris bevor ich den Rum verließ, sagte aber nichts mehr. Ich machte mich nicht direkt auf den Weg nach Hause, ging noch ein bisschen spazieren und versuchte, irgendwie den Kopf frei zu bekommen, leider war dies nur schwer möglich. Ich beschloss dann irgendwann doch, nach Hause zu gehen, da ich ja auch schnell wieder zurück zu Sarah wollte.
Â
Â
Â
Â
Â
Kapitel 9
Â
Ich hatte mir fürs Erste die nächsten 2 Wochen frei genommen, um bedingungslos für Sarah da sein zu können. Nachdem Chris und ich lange genug auf sie eingeredet hatten, akzeptierte sie es auch endlich, dass ich sie zu den Chemotherapien begleitete. Und auch wenn es für mich fast unerträglich war, sie so sehr leiden zu sehen, versuchte ich für sie stark zu sein und mir nichts anmerken zu lassen, auch wenn es mir unendlich schwer fiel.
Â
Chris und ich hatten den Termin im Krankenhaus wahrgenommen und uns als Spender testen lassen, aber auch dort bekamen wir keine positive Nachricht. Wir waren als Spender ungeeignet, keiner von uns beiden, konnte Sarah helfen. Wir baten all unsere Freunde, Verwandten und Bekannten, sich ebenfalls testen zu lassen, aber auch unter ihnen war niemand dabei. Ich war verdammt verzweifelt, irgendwo musste sich doch einfach irgendjemand finden lassen, der Sarah helfen konnte. Warum musste nur alles so verdammt kompliziert sein.
Â
Sarah ging es zusehends schlechter, es gab Tage, an denen konnte sie nur im Bett liegen, schlief nur. Ich konnte ihr nicht helfen und das machte mich fertig. Ich weinte ständig, war total verzweifelt und total am Ende. Ich hätte alles für sie getan, alles damit es ihr wieder besser geht, hätte mein eigenes Leben für ihres gegeben, aber ich konnte einfach nichts tun.
Â
Morgen sollte ein schöner Tag werden, Sonne und knapp 30 Grad, das Wetter war also einfach perfekt. Und ich hoffte, dass es Sarah auch relativ gut gehen würde, denn ich hatte beschlossen, sie einfach mal von dem ganzen Mist abzulenken. Zumindest so gut es eben ging. Es stand kein Termin im Krankenhaus oder bei irgendwelchen Ärzten an, uns stand also auch der ganze Tag zur Verfügung und ich war mir sicher, dass ich sie mit meiner Aktion, wahnsinnig glücklich machen würde.
Â
Ich packte eine Tasche voll mit den Sachen, die wir brauchten und machte mich schon sehr früh auf dem Weg zu ihr. Als ich ankam, schlief sie noch und ich musste sie erst einmal wecken.
Â
„Sarah? Aufstehen...“
Â
Sie öffnete langsam die Augen. „Ben...“, sie lächelte mich sofort an. „Was machst du denn schon hier?“
Â
„Ich wollte dich überraschen.“, ich gab ihr einen Kuss. „Wie geht es dir?“
Â
„Ganz gut soweit, denke ich.“
Â
„Das ist schön. Komm, ich hab eine Überraschung für dich.“
„Im Ernst? Was denn?“
Â
„Wird nicht verraten.“, ich grinste. „Los komm, zieh dich an und mach dich fertig, dann machen wir uns auf den Weg.“
Â
Sie stand langsam auf und ging ins Bad. Ich packte in der Zwischenzeit noch ein paar Sachen von ihr zusammen, natürlich so, dass sie es nicht mitbekam und brachte diese direkt ins Auto. Kurze Zeit später waren wir dann auch schon unterwegs. Zum Glück ging es ihr heute wirklich gut, so dass einem schönen Tag nichts mehr im Wege stand.
Â
„Und? Wann wirst du mir endlich verraten wo wir hinfahren?“
Â
„Das siehst du wenn wir da sind.“, ich lächelte sie an.
Â
„Und wann wird das sein?“
Â
„Hmm, ich würde sagen, in knapp drei Stunden sind wir da.“
Â
„Waaaaaaas?“, sie lachte. „Immer musst du mich quälen.“
Â
„Natürlich, ganz genau dafür bin ich da.“, ich nahm ihre Hand, lächelte sie wieder an. Es tat unglaublich gut sie so fröhlich zu sehen.
Â
Die nächsten drei Stunden vergingen relativ schnell, auch wenn Sarah mich gefühlte einhunderttausend Mal fragte, wohin wir fahren. Eine halbe Stunde bevor wir dann endgültig da waren, bat ich sie dann noch sich ein Tuch um die Augen zu binden, damit sie nicht schon vorher sah, wo wir waren, was sie dann auch widerwillig tat.
Â
Endlich angekommen, hing ich mir die Tasche um, nahm Sarah an die Hand und lief mit ihr zusammen in Richtung meines Ziels. Ich war so gespannt darauf, ob sie sich wirklich so sehr darüber freuen würde, wie ich es mir erhoffte.
Â
„Man Ben, wann sind wir endlich da? Ich platze gleich vor Neugier.“, sie wurde immer ungeduldiger und ich musste lachen.
Â
„Die fünf Minuten wirst du jetzt wohl noch aushalten, oder etwa nicht?“
Â
„Nein werde ich nicht und du bist schuld, wenn hier gleich ein Unglück passiert.“, auch sie musste lachen.
Â
„Ja ja ja, das Risiko gehe ich gerne ein und jetzt hör auf zu meckern.“, ich gab ihr noch kurz einen Kuss und wir liefen weiter.
Â
Ein paar hundert Meter waren wir dann auch schon angekommen und wir hielten an.
Â
„Sind wir da ja?“, sie war total ungeduldig.
Â
„Ja sind wir, kannst es wohl kaum erwarten hmm?“
Â
„Man Ben mach es nicht so spannend. Komm schon, zeig mir wo wir sind.“
Â
„Also gut.“, ich fasste an ihre Augenbinde. „Bei drei... Eins... Zwei... Drei...“, dann zog ich sie ihr ab.
Â
Sie stand einfach nur da, sagte eine ganze Weile gar nichts und ich wusste erst nicht, wie ich dieses Schweigen deuten sollte.
Â
„Gefällt es dir nicht?“, fragte ich vorsichtig.
Â
„Machst du Witze? Das ist... WOW... Wir sind am Meer. Wir sind wirklich am Meer.“, sie sah mich an, fiel mir dann um den Hals. „Natürlich freu ich mich, das ist der absolute Wahnsinn.“
Â
„Schön, dass es dir gefällt. Ich hab es so sehr gehofft.“
Â
„Ich freu mich wahnsinnig.“, sie küsste mich. „Ich liebe dich Ben.“
Â
„Ich liebe dich auch. Wollen wir runter zum Strand?“
„Ja unbedingt.“
Â
Sie nahm mich an die Hand, zog mich hinter sich her, rannte los wie ein kleines Kind, das wie verrückt darauf wartete, endlich ins Wasser zu springen.
Â
Wir verbrachten den ganzen Tag am Strand, gingen ins Wasser, sonnten uns, redeten viel oder lagen einfach nur Arm in Arm da. Ich genoss Sarahs Nähe, ihre Liebe, es tat einfach unendlich gut, bei ihr zu sein. Sie war total unbeschwert, lachte sehr viel, redete wie ein Wasserfall, sie war endlich mal wieder einfach nur sie selbst. Wir dachten nicht über unsere Sorgen nach, nicht über das, was vielleicht in den nächsten Wochen passieren würde, nicht über ihre Krankheit und vor allem nicht darüber, dass sie vielleicht bald sterben würde. Dieser Tag tat uns beiden einfach unheimlich gut.
Â
Mittlerweile hatten wir schon fast sechzehn Uhr und es war so langsam an der Zeit, wieder aufzubrechen, immerhin hatten wir auch noch so einiges an Weg wieder zurück zu legen. Doch Sarah war so gar nicht damit einverstanden.
Â
„Können wir nicht noch ein bisschen bleiben?“, sie sah aufs Meer.
Â
„Ich würde gerne, aber wir müssen noch drei Stunden zurück. Der Tag war lang genug Sarah.“
Â
„Ja ich weiß, aber ich finde es sehr schön hier.“
Â
„Mir geht es genauso. Wir kommen wieder, was hältst du davon?“
Â
Sie sah zu mir. „Versprichst du mir das?“
Â
„Ja, das verspreche ich dir.“, ich zuckte ein bisschen zusammen, hatte plötzlich Angst, dieses Versprechen nicht halten zu können.
Â
„Gut.“, sie kam mir näher. „Weißt du, was ich jetzt am liebsten tun
würde?“, immer noch sah sie mir in die Augen.
Â
„Hmm, ich weiß nicht?“, ich musste grinsen.
Â
„Das hier...“, anders als ich erwartet hatte, küsste sie mich nicht, sondern warf sich auf mich und kitzelte mich.
Ich musste lachen, konnte mich kaum wehren, das war mein wunder Punkt und das wusste sie ganz genau. Kurz darauf sprang sie wieder auf, rannte weg und ich ihr hinterher.
Â
„Warte, das kriegst du wieder.“, ich lachte immer noch.
Â
„Erstmal musst du mich kriiiiiiiiiiiiiiegen.“, auch sie lachte.
Â
„Nichts leichter als das.“, und so war es auch.
Â
Ich war schon kurze Zeit später bei ihr, griff von hinten um sie und zog sie zu Boden. Ich rächte mich, kitzelte sie und wir lachten gemeinsam. Doch kurze Zeit später wurde sie plötzlich ruhiger, sackte in sich zusammen und ich bekam es auf einmal mit der Angst zu tun.
Â
„Sarah? Hey... Sarah? Was ist los? Sag doch was bitte.“
Â
Ich zog sie zu mir hoch, sah sie an, sie hielt sich die Hand vors Gesicht, sie hatte wieder Nasenbluten.
Â
„Es tut mir leid Ben.“, flüsterte sie.
Â
„Rede nicht so einen Schwachsinn. Komm, wir müssen nach Hause.“
Â
Ich nahm sie in den Arm und wir gingen zurück zu unseren Handtüchern. Schnell packte ich alle Sachen in die Tasche und wir machten uns sofort auf dem Weg zurück zum Auto. Ich machte mir schwere Vorwürfe, vielleicht hätte ich ihr diesen Tag nicht zumuten sollen, vielleicht war doch alles viel zu anstrengend für sie gewesen.
Wir fuhren zurück und je länger wir unterwegs waren, umso schlechter ging es ihr. Sie war noch blasser, als sie es sonst eh schon war, zitterte am ganzen Körper. Ich nahm ihre Hand, wollte sie beruhigen, ihr zeigen, dass ich da war, doch dann kam der nächste Schock, sie hatte hohes Fieber.
Â
„Ich fahre hier jetzt ab und bringe dich in ein Krankenhaus.“
Â
„Nein Ben, bitte nicht. Ich will nicht ins Krankenhaus. Bring mich nach Hause und dann ruf meinen Arzt an, der wird wissen, was zu tun ist.“
Â
„Aber Sarah ich...“
Â
„Kein aber... Bitte Ben, ich schaffe das.“
Â
„Ich habe solche Angst...“
Â
„Musst du nicht haben, fahr nach Hause Ben. Alles wird gut.“
Â
Ich sagte nichts mehr, versuchte mich nur noch auf die Straße zu konzentrieren, was mir allerdings nur schwer gelang. Sarah schloss irgendwann die Augen und ich hoffte, dass sie wenigstens ein bisschen schlafen konnte. Die ganze Zeit hielt ich ihre Hand, ließ sie nicht ein einziges Mal los.
Â
Zuhause angekommen, half ich ihr aus dem Auto, brachte sie nach oben. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten, war nur noch ein Häufchen Elend.
Â
„Chris? Bist du da? Ruf Sarahs Arzt an, schnell!“, rief ich in die Wohnung, als ich dabei war Sarah in ihr Bett zu legen.
Â
Chris kam sofort angerannt. „Was ist passiert? Wo zum Teufel ward ihr?“
Â
„Erkläre ich dir später, jetzt ruf endlich den Arzt an, verdammt!“
Â
Chris ging raus und rief den Arzt an, ich setzte mich zu Sarah ans Bett, hielt wieder ihre Hand und fing an zu weinen. Wieder machte ich mir Vorwürfe, machte mich für das verantwortlich, was gerade los war. Ich hätte den Tag am liebsten rückgängig gemacht, dann würde es ihr jetzt wenigstens nicht so schlecht gehen. Kurze Zeit später kam Chris auch schon zurück ins Zimmer.
Â
„Was ist passiert Ben?“
Â
„Nicht jetzt, ich erkläre dir das gleich. Lass uns warten bis der Arzt da ist.“
Â
„Gut, ich warte so lange draußen.“
Â
„Ja...“
Â
Chris verließ das Zimmer und ich blickte wieder zu Sarah. Sie schlief tief und fest, was im Moment wahrscheinlich auch das Beste war.
Â
„Es tut mir so leid Sarah, ich hab das nicht gewollt.“, flüsterte ich kaum hörbar und immer noch weinend.
Â
Plötzlich drückte sie meine Hand, ich hatte gar nicht mitbekommen, dass sie schon wieder wach war. „Ben... Hör auf zu weinen bitte.“
Â
„Ich kann nicht.“, ich küsste ihre Hand. „Das ist alles meine Schuld.“
Â
„Hey nicht... Nichts ist deine Schuld, hörst du? Das war der schönste Tag, den ich seit Ewigkeiten erlebt habe und ich danke dir so sehr dafür.“
Â
„Aber wenn ich nicht diese dumme Idee gehabt hätte, dann würde es dir jetzt nicht so schlecht gehen.“
Â
Sie legte mir einen Finger auf die Lippen, lächelte mich an. „Mir ging es heute so gut wie schon lange nicht mehr. Zum ersten Mal seit Wochen, brauchte ich einen ganzen Tag lang nicht an diese scheiß Krankheit denken. Ich war unendlich glücklich, glücklich mit dir. Es war absolut keine dumme Idee, es war das Schönste, was je ein Mensch für mich getan hat Ben.“
Jetzt fing ich noch mehr an zu weinen, brach zusammen, ich konnte einfach nicht mehr.
Â
„Ich liebe dich so sehr Sarah... So sehr...“
Â
„Ich weiß... Und ich bin dir so verdammt dankbar für diese Liebe. Dankbar dafür, dass ich diese Liebe und all das, was du mir gibst, noch erleben darf.“, sie strich mir die Tränen aus dem Gesicht. „Ich liebe dich auch und ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr ich dich liebe.“
Â
Wir sahen uns in die Augen und ich war wieder hin und her gerissen von meinen Gefühlen, die auf der einen Seite unendlich glücklich waren, einen Menschen wie Sarah gefunden zu haben. Und auf der anderen Seite zerbrachen sie fast daran, diesen geliebten Menschen vielleicht bald für immer wieder zu verlieren.
Â
„Ben? Der Arzt ist da.“, Chris stand plötzlich in der Tür.
Â
„Ist gut, ich komme.“, ich stand auf und wollte gehen, doch Sarah hielt mich zurück.
Â
„Du kommst wieder oder?“, sie sah mich bittend an.
Â
„Natürlich, bin gleich wieder bei dir.“, ich küsste sie und ging dann Chris hinterher ins Wohnzimmer.
Â
„So und jetzt mal Klartext hier. Was ist passiert? Wo zum Teufel ward ihr den ganzen Tag?“, er war sauer, das war klar.
Â
„Ich war mit ihr in Holland, am Meer.“
Â
„Du warst bitte WAS?“, er war sofort auf hundertachzig.
Â
„Ja ich weiß, war wohl keine so gute Idee.“
Â
„Bist du eigentlich noch zu retten? Geht es ihr nicht schon schlecht genug? Musst du so etwas dann auch noch herausfordern? Du hast sie doch nicht mehr alle, ich könnte ausrasten, wenn ich so eine Scheiße höre.“
Â
„Glaubst du wirklich, das war meine Absicht?“, jetzt schrie ich zurück. „Ich wollte sie ablenken, ich wollte ihr einfach nur einen Tag schenken, an dem sie nicht an ihre Krankheit denken muss. An dem sie nicht daran denken muss, dass sie vielleicht Morgen schon sterben könnte. Ich wollte ihr etwas Gutes tun. Ich wollte doch einfach nur, dass es ihr gut geht, verdammt.“, beim letzten Satz wurde meine Stimme wieder leiser, ich merkte, wie mir wieder die Tränen in die Augen stiegen und versuchte vergeblich dagegen anzukämpfen. „Es hat ihr gut getan, sie war schon lange nicht mehr so glücklich Chris. Und trotzdem mache ich mir große Vorwürfe ok? Ich wollte nicht, dass es ihr jetzt so schlecht geht. Das wollte ich einfach nicht.“
Â
Chris drehte sich um und ging in Richtung Tür, ich sah ihm hinterher, wusste nicht wirklich, was er jetzt vor hatte. Er blieb vor der Tür stehen, schlug mit voller Wucht mit der Faust gegen den Türrahmen. Ich zuckte zusammen, rechnete in diesem Moment mit allem, sogar damit, dass er jetzt vielleicht auch auf mich los gehen würde. Doch das tat er nicht, er brach weinend zusammen, kniete auf dem Boden, hielt sich mit einer Hand am Türrahmen fest.
Â
„Es tut mir leid Ben, es tut mir so leid.“
Â
„Das muss es nicht, ich hätte an deiner Stelle nicht anders reagiert.“
Â
„Ich weiß doch, dass du nur willst, dass es ihr gut geht. Das will ich doch auch. Aber ich kann nicht mehr, ich kann einfach nicht mehr. Diese Ungewissheit macht mich fertig, die Zeit läuft uns davon und wir können nichts tun außer warten, warten und nochmal warten.“
Â
Ich ging zu ihm, nahm ihn in den Arm.
Â
„Ich weiß Chris, aber uns bleibt nichts anderes übrig. Wir können nichts tun.“
Â
„Ich will aber nicht mehr warten. Sie darf nicht sterben... Sie darf einfach nicht sterben.“
Â
„Das wird sie nicht, das wird sie nicht Chris.“, ich flüsterte nur noch.
Â
Kurz darauf ging Sarahs Zimmertür auf und der Arzt kam heraus. Chris und ich standen gleichzeitig auf, gingen zu ihm. Hoffentlich ging es Sarah gut.
Â
„Wie geht es ihr?“, fragte ihn Chris.
Â
„Ich habe ihr Medikamente gegen das Fieber und die Schmerzen gegeben. Wir müssen die Nacht abwarten, aber sie ist eine Kämpferin, sie wird das schaffen.“
Â
„Können wir irgendetwas tun?“, fragte ich dann.
Â
„Das Beste wäre, sie würde ins Krankenhaus gehen, aber das möchte sie nicht. Kümmern sie sich um sie und lassen sie sie nicht alleine. Das wichtigste ist, dass sie jetzt ihre Familie und Freunde um sich hat, die ihr Kraft geben.“
Â
„Danke, dass sie so schnell hier waren.“
Â
Er nickte nur und verließ dann die Wohnung. Ich hoffte wirklich, dass Chris und ich ihr die Kraft geben konnten, die sie jetzt so dringend brauchte, obwohl wir sie eigentlich selber bitter nötig hatten...
Â
Â
Â
Kapitel 11
Â
Zwei Wochen waren vergangen, seit Sarahs zweiten Selbstmordversuch und seitdem, lag sie auch im Krankenhaus. Wir hatten Chris weder von dem einen, noch von dem anderen Versuch erzählt, damit wir ihn nicht noch mehr mit der ganzen Geschichte belasten mussten, es ging ihm so schon dreckig genug.
Â
Sarah ging es von Tag zu Tag schlechter, sie war total abgemagert, noch schlimmer als vorher, schlief sehr viel und war teilweise kaum mehr wirklich ansprechbar. Auch mir ging es nicht gut, all das zehrte so sehr an mir und ich hatte kaum noch die Kraft, das alles durchzustehen.
Â
Am heutigen Tag ging es Sarah zu unser aller Überraschung sogar ganz gut und ich beschloss, sie heute zu überraschen und zwar mit dem Versprechen, was ich ihr vor ein paar Wochen gegeben hatte: Ich wollte heute mit ihr Weihnachten feiern.
Â
Natürlich musste ich das ganze vorher mit dem Arzt absprechen, nicht, dass es da hinterher irgendwelche Probleme geben würde. Doch er war einverstanden, fand die Idee, Sarah abzulenken, sogar total super. Jetzt musste ich nur noch Sarah verständlich machen, warum ich kurz für ein oder zwei Stunden verschwinden würde.
Â
„Sarah?“
Â
„Ben?“
Â
„Ich bin mal kurz weg ja?“
Â
„Wo willst du denn hin?“
Â
„Ich muss kurz was besorgen, aber ich beeile mich, versprochen.“
Â
„Muss das heute sein? Ich möchte nicht allein sein, bitte.“
Â
„Sarah...“, ich gab ihr einen Kuss. „Es ist wichtig, wirklich. Aber ich bin schnell wieder da, ok?“
Â
„Hmm, ok.“, ich konnte ihr ansehen, wie traurig sie war und ließ sie auch nur ungern zurück.
Â
Ich küsste sie. „Bis gleich, ich liebe dich.“
Â
„Ich liebe dich auch.“
Â
Ich machte mich sofort auf den Weg, besorgte alles, was ich so brauchte. Eine Lichterkette und Christbaumkugeln hatte ich noch zuhause und im Wäldchen nebenan, besorgte ich mir dann noch einen kleinen Tannenbaum. Ich fuhr mit dem Baum nach hause, schmückte ihn und holte noch schnell das Geschenk, welches ich ihr schon vor ein paar Tagen besorgt hatte.
Â
Auf dem Weg zum Krankenhaus und auch dort wurde ich natürlich ständig dumm angeguckt und belächelt. Aber wen wundert es, wer läuft schon mitten im Juli mit einem geschmückten Weihnachtsbaum durch die Gegend? Allerdings war mir so ziemlich egal, was die Leute dachten, denn ich wusste, dass ich Sarah gleich zum glücklichsten Menschen der Welt machen würde und das war mir das Wichtigste.
Â
Bevor ich zu Sarah ins Zimmer ging, stellte ich den Baum und das Geschenk vor der Tür ab, erst einmal musste ich etwas anderes tun.
Â
„Hey, da bist du ja wieder.“, sie lächelte mich an.
Â
„Ja, entschuldige, hat etwas länger gedauert.“, ich küsste sie.
Â
„Macht nichts, jetzt bist du ja da. Was hast du denn besorgt?“
Â
„Das zeige ich dir gleich, aber erst einmal...“, ich holte die Augenbinde heraus, die sie schon damals auf dem Weg nach Holland trug.
Â
„Oje, du bringst mich jetzt aber nicht ans Meer oder?“, sie lachte.
Â
„Nein, nicht ganz, aber ich bin mir sicher, das wird dir auch gefallen.“
Â
Ich ging zu ihr, legte ihr die Augenbinde um und gab ihr noch einen Kuss.
„So, aber nicht schummeln, ok?“
Â
„Nein, versprochen.“, sie grinste vor sich hin.
Â
Ich ging wieder vor die Tür, holte den Baum und stellte ihn direkt vors Fenster. Ich dunkelte das Zimmer ein bisschen ab und steckte die Lichterkette in die Steckdose, es sah verdammt schön aus.
Â
„Was zum Teufel tust du da Ben?“
Â
„Bin gleich fertig, einen Moment noch.“
Â
„Du weißt genau, wie ungeduldig ich bin.“, sie lachte wieder ein wenig.
Â
„Ja das weiß ich, du bist schlimmer wie ein kleines Kind.“, auch ich musste lachen.
Â
„Genau und deshalb liebst du mich.“
Â
Ich setzte mich zu ihm aufs Bett, küsste sie erneut. „Nicht nur
deswegen. Bist du bereit?“
Â
„Ja und wie.“
Â
„Gut, dann wieder bei drei ja? Eins... Zwei... Drei...“
Â
Ich zog ihr die Augenbinde ab und sah sie an, sah ihre großen Augen, wie sie strahlten und wie sehr sie sich freute.
Â
„Du bist doch verrückt.“, sagte sie.
Â
„Gefällt es dir?“
Â
„Es ist wahnsinnig schön Ben, danke.“
Â
„Ich hatte es versprochen, weißt du noch?“
Â
Sie nickte. „Das ist... Ohne Worte, ich bin wirklich sprachlos.“
„Ich habe auch noch ein Geschenk für dich.“
Â
„Ein Geschenk?“, sie sah mich fragend an.
Â
„Na klar, Geschenke gehören doch zu Weihnachten dazu, oder nicht?, ich lächelte sie an, ihr Gesicht sprach Bände.
Â
„Ja schon, aber ich habe nichts für dich und vor allem, du hast schon so viel für mich getan Ben. Das alles hier ist schon Geschenk genug.“
Â
Ich sagte nichts weiter dazu, holte das Geschenk, welches ich unter den Tannenbaum gelegt hatte und setzte mich wieder zu ihr aufs Bett. Dann hielt ich ihr den Umschlag hin.
Â
„Frohe Weihnachten Sarah.“
Â
„Was ist das?“, sie sah mich an.
Â
„Mach es auf, dann siehst du es.“
Â
Sie öffnete den Umschlag, zog das Papier heraus und sah es sich an. Dann blickte sie zu mir, hatte Tränen in den Augen.
Â
„Einen Stern? Du hast mir einen Stern gekauft?“
Â
„Schau mal.“, ich schob ein weiteres Blatt unter dem anderen hervor. „Eigentlich sind es zwei.“
Â
Sie sah mich an, schaute dann immer wieder auf die beiden Blätter, konnte es wohl einfach nicht glauben.
Â
„Ich habe ihnen unsere Namen gegeben. Denn ich finde, sie sind wie wir.“, auch ich hatte jetzt Tränen in den Augen, konnte das Weinen kaum noch zurück halten.
Â
„Wie meinst du das?“
Â
„Auch wenn sie hunderte von Lichtjahren von einander entfernt sind, so sind sie doch immer da und tief miteinander verbunden. Sie werden für immer zusammen gehören.“
Â
Sie sah mir in die Augen, Tränen liefen ihr über das Gesicht und auch ich konnte meine jetzt nicht mehr zurück halten.
Â
„Ich liebe dich, hörst du? Das werde ich immer und ganz egal wo du bist, du wirst immer in meinem Herzen bleiben.“
Â
„Ich liebe dich auch Ben. Das war das schönste, was je ein Mensch zu mir gesagt hat.“
Â
Ich küsste sie, hielt sie fest bei mir und hätte alles dafür getan, diesen Moment nie zu Ende gehen zu lassen. Allerdings klopfte es ein paar Minuten später an der Zimmertür und der Arzt stand plötzlich im Raum.
Â
„Ich störe ja nur ungern, aber ich müsste dringend etwas mit ihnen besprechen.“
Â
„Kein Problem, kommen sie rein.“
Â
Ich stand auf und zog die Vorhänge wieder vom Fenster, damit es wieder hell im Raum war.
Â
„Wie geht es ihnen?“, fragte er Sarah.
Â
„Ganz gut, denke ich.“
Â
„Sehr schön. Also, passen sie auf, ich denke heute ist wirklich der perfekte Zeitpunkt, um ihnen das mitzuteilen, wenn ich mich hier so umsehe.“, er grinste uns beide an und ich fragte mich, was nur los war.
Â
„Was ist los?“, Sarah war mindestens genauso verwirrt wie ich.
Â
„Wir haben einen Spender für sie gefunden und wir werden ihnen sobald es möglich ist, das Knochenmark transplantieren.“
Â
Sarah und ich sahen uns an, keiner von uns konnte etwas glauben, keiner von uns realisierte sofort, was das zu bedeuten hatte. Erst als der Arzt uns noch einmal darauf hinwies, konnten wir es erst wirklich glauben.
Â
„Sie dürfen sich freuen, sie haben eine sehr gute Chance wieder richtig gesund zu werden.“
Â
Ich ging zu Sarah, nahm sie in den Arm und weinte nur noch. Doch zum ersten Mal seit langer langer Zeit, waren es die Tränen des Glücks. Man hatte einen Spender für Sarah gefunden, sie hatte also wieder eine Chance, sie hatte die Chance weiter zu leben. Und auch wenn es noch keine 100 %ige Garantie dafür war, dass alles wieder gut wird, so war ich in diesem Moment wieder der glücklichste Mensch der Welt...
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Â
Ein paar Monate später...
Â
Sarah hatte die Knochenmarktransplantation sehr gut überstanden, alles war gut verlaufen und wir konnten endlich wieder nach vorne schauen. Und auch wenn Sarah natürlich noch nicht wirklich wieder total fit war, so wussten wir doch, dass der ganze Alptraum endlich ein Ende hatte und es nur noch eine Frage der Zeit war, bis es ihr wieder richtig gut gehen würde.
Â
Mittlerweile hatten wir auch damit angefangen, ihre Wünsche in die Tat umzusetzen. In Absprache mit dem Arzt hatten wir für den nächsten Sommer unseren Urlaub auf den Malediven gebucht und so konnte Sarah sich schon mal ihren Traum vom Fliegen endlich erfüllen.
Â
Ich hatte mittlerweile auch einen sehr guten Job gefunden, als Anwalt und das, obwohl ich in dieser Richtung eigentlich gar nicht arbeiten wollte. Aber lange Gespräche mit Sarah haben mir gezeigt, dass es doch der richtige Weg ist und dass ich so die Möglichkeit hatte, auch anderen Menschen zu helfen.
Â
Bald konnte Sarah auch endlich wieder anfangen mit ihrer Band zu proben und das tun, was sie am allerliebsten tat, singen. Und ich würde sie in allem unterstützen, so gut ich konnte.
Â
Ich liebte Sarah, ich liebte sie mehr als mein eigenes Leben. Hätte immer meines für ihres gegeben und das würde ich immer und immer wieder tun. Und jetzt, nach all den Sorgen, all den Tränen und all dem Schmerz, konnten wir endlich unsere Liebe genießen. Wir konnten unbeschwert zusammen sein, uns lieben und glücklich sein. Für immer...
Â