Journalismus & Glosse
Du hast noch die Wahl

Du hast noch die Wahl



Nun ist es mal wieder soweit. Die Demokratie zeigt ihr hässliches Haupt. Eine mehr als gruselige Veranstaltung, dieser Wahlkampf. Man umwirbt uns, schmeichelt uns, verspricht uns wahre Wunderdinge.
Es gibt kein Entkommen.
Sie sind überall.
Auf Plakate gedruckt lächeln sie uns an, diese Stimmenfänger. Im Radio senden sie ihre frohen Botschaften; und wenn man unvorsichtigerweise den Fernseher einschaltet kann man ihnen auch noch dabei zusehen wie sie reden; wie sie fremde Babys knuddeln, verarmten Rentnern wohlmeinend auf die hängenden Schultern klopfen und mit einem schmierigen Lächeln Bonbons an Kinder verteilen. Das ist dann so ziemlich das schlimmste und ödeste was man sich selber antun kann. ( Ausgenommen die alljährliche Vollversammlung mit Etatverteilung des Verbandes der Plastiktütenhersteller.)
Da ziehe ich doch diese hübschen Plakate vor.
Nett sind sie alle anzuschauen. Glatte, leere Gesichter mit einem gezwungen wirkenden Lächeln; diese Gesichter sind makellos, kein kleiner Pickel, keine Narbe, kein einsames Haar, kein Schweißtropfen verunziert diese Visagen der Redlichkeit. Unwillkürlich glaubt man an die Tatsache das so ein Mensch in seinem Leben noch nie etwas böses gedacht oder getan hat, geschweige denn, jemals dem Stuhlgang gefrönt zu haben. Sie sind so sauber und rein wie man sich Engel vorstellt.
Solche Menschen können doch nur Gutes im Sinn haben!
Nun denn, da gibt es einen Verteidigungsminister der die meiste Zeit damit beschäftigt ist sich selbst zu verteidigen. Vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen muss er sich dafür rechtfertigen eine nicht unerhebliche Summe an Steuergeldern ( 500 Millionen! ) für ein führerloses Fluggerät, das nie eine entsprechende Betriebserlaubnis erhalten wird, wider besseren Wissens verausgabt zu haben. Unterdessen klagen seine Landsknechte, - die am Hindukusch so heldenhaft unsere Demokratie verteidigen - über mangelhafte Ausrüstung, die den Transport von deutschem Bier und Schweinebraten in ihre Camps äußerst schwierig und nur unter Gefahr von Leib und Leben durchführbar sind.
Dann haben wir da noch einen Verkehrminister. Ein scheinbar recht tatkräftiger Mensch, wenn man sich den Zustand Bundesdeutscher Autobahnen, Straßen, Brücken, Wasserstraßen und Schleusen betrachtet. - Alles gammelt vor sich hin, zerfällt langsam zu Staub, genau so wie die öffentliche  Wahrnehmung dieses Minister. Oder kennt jemand überhaupt seinen Namen? 
Da gibt es auch einen Außenminister, weiß Gott was der überhaupt so treibt, denn der ist ja nie da. Und wenn er sich doch mal zu Wort meldet, dann fällt ihm nichts besseres ein als Neoliberale Weltanschauungen zum Besten zu geben, in denen unverschuldet in Not geratene Arbeit suchende Menschen schlichtweg als kriminelle Sozialschmarotzer betitelt werden.
Natürlich haben wir auch einen Minister für die Umwelt, den Naturschutz und die Reaktorsicherheit, der hilft den Energiekonzernen dabei das sie ihr Monopol nicht verlieren und die Preise für ihre Lieferungen nach ihrer jeweiligen Tageslaune festlegen dürfen.
Und dann haben wir da noch... Ach, es sind so viele, und alle sind darauf aus uns möglichst geräuschlos auszuplündern und zu bevormunden.
Ganz oben, da wo die Luft so herrlich und machtvoll weht, steht eine Frau mit ganz besonderen Gaben. Denn niemand hätte so charmant und eloquent deutsche Steuergelder an angeblich notleidende Banken ( ebenfalls deutsch. ) großzügig verteilen können. Selbstverständlich hörte man von ihr nie ein Wort über die Tatsache das diese Baken erst durch die maßlose Gier und die offensichtliche Unfähigkeit ihrer Banker in diese Lage geraten sind. 
Also stellte ich mir ein paar hypothetische Fragen. Würde ich diese Leute in meinem Unternehmen beschäftigen? Würde ich meine/n Tochter/ Sohn mit gutem Gewissen einem von denen als Ehefrau/mann anvertrauen?
Schnell fand ich eine Antwort.
Und um meine ach so weise Entscheidung zu feiern betrat ich eine Kneipe, bestellte mir Bier und Wodka und trank auf mein Wohl.
Doch leider störte etwas meine kleine private Party etwas. Besser gesagt war es ein Kerl, der störte. Der olle Knacker schwang große Reden von Wegen Wahlverweigerung, Politikverdrossenheit und der allgemein schlechten Stimmung in unserer Republik; er faselte was von Verpflichtungen und Treue und Stolz auf sein geliebtes Vaterland. Am meisten schien ihn aufzuregen, dass immer weniger Menschen Interesse daran zeigten ihre Volksvertreter durch eine demokratische Wahl zu bestimmen.
Wir brauchen endlich eine Wahlpflicht, schlug er vor, und alle die nicht teilnehmen, bekommen eine saftige Strafe!
Er war ganz stolz auf seine Worte, man konnte es deutlich sehen.
Dummerweise hab ich mich da eingemischt, denn so dämliche Reden lösen reflexartig Widerspruch in mir aus.
Wenn das Wählen zur Pflicht wird, ist es ja keine richtige Wahl mehr, bemerkte ich so nebenbei und in seine Richtung, denn zum Wählen gehört auch die Möglichkeit mich unabhängig zu entscheiden ob ich daran teilnehme oder eben nicht, denk mal drüber nach.
Natürlich hat er nicht gedacht.
Beschimpft hat er mich, hat mich einen verdammten Kommunisten genannt, einen verantwortungslosen Vaterlandsverräter und abgrundtief verdorbenen Sozialschmarotzer. Obendrein sei ich auch noch ein vollkommener Idiot, und ich solle dahin verschwinden wo alle diese Leute hingehörten.
Und das war ´s dann.
Mein Abend war kräftig versaut. Aber ich weiß nun was ich im September zu tun habe. Ich gehe zur Wahl. Mag sein das man damit nichts erreicht, das es unter Umständen nur noch schlimmer wird.
Doch sollte man dieses schöne bunte Spielzeug Demokratie nicht so einfach solchen Leuten überlassen. Die machen dieses Spielzeug über kurz oder lang nur Kaputt. Die muss man im Auge behalten.

Text: HarryAltona
Cover: unbekannter Künstler