Fantasy & Horror
Das Geheimnis der Zauberin Kapitel 11-20

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"Das Geheimnis der Zauberin Kapitel 11-20"
Veröffentlicht am 23. Juli 2008, 232 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
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Über den Autor:

Ja was kann ich über mich schreiben? Ich arbeite als Krankenschwester in einem Pflegeheim und meine größte Leidenschaft ist das Schreiben. Das Schreiben an meiner Fantasystory hat mir schon durch so einige schwere Phasen meines Lebens geholfen...In dieser Welt kann ich mich verlieren und die Zeit vergessen...
Das Geheimnis der Zauberin Kapitel 11-20

Das Geheimnis der Zauberin Kapitel 11-20

11. Die Geisterstadt und die Prüfung

„Malena hatte uns auch vor Schamanah gewarnt, aber das es so sein würde, dachte ich nicht“, stellte Samarin fest.

„Lasst uns später darüber sprechen und jetzt erst einmal ein Gasthaus in diesem Dorf finden“, sagte Ciran und führte sein Pferd voraus.

Die Gruppe wanderte durch das kleine Dorf und fand erst ganz am Ende davon eine Gastwirtschaft. Ein halb abgefallenes Schild hing daran mit der Aufschrift: „Far Shudig“.

„Was bedeuten diese seltsamen Worte?“ fragte Asyet, als sie vor dem Haus standen.

„Seid willkommen Fremde“, sagte Samarin plötzlich.

„Samarin? Seid wann kannst du die Sprache Shami?“ fragte Ciran verwundert.

„Ich weiß nicht, woher ich diese Worte kenne. Auf einmal waren sie da, wie eine Erinnerung“, sagte das Mädchen selbst verwundert über ihr Wissen.

„Ich habe etwas shami gelernt und diese Worte sind mir auch geläufig“, fügte Ciran noch hinzu.

Noch immer überrascht über Samarin, gingen sie in das Wirtshaus.

„Gaha Jilok“, sagte Ciran in der fremden Sprache.

„Far Shudig“, rief der Wirt der Truppe zu.

„Du sha for?“, fragte Ciran den großen Mann, der an der Theke stand.

„Natürlich kann ich die Landessprache von Azieren sprechen. Mich wundert, dass Ihr unsere Sprache könnt“, antwortete der Mann auf Cirans Frage.

„Ich habe es in der Schule des Roten Hauses gelernt. Aber mein Herr, könnt Ihr uns denn zwei Zimmer vermieten?“

„Ja natürlich, wir haben aber Leider nur noch zwei Einzelzimmer. Wenn einer von euch einen Strohsack nehmen würde, könntet ihr hier übernachten“, schlug der Wirt vor.

„Danke lieber Mann, dass nehmen wir gerne an. Wir sind schon froh wenigstens ein Dach über dem Kopf zu haben, an diesem eisigen Tag. Mein Name lautet übrigens Ciran Soschat.“

„Meine Wenigkeit heißt Forp Zurikanahija. Aber nennt mich doch einfach Zuri, so nennt mich hier jeder“, sagte der Mann und führte die Gruppe dann in ihre Zimmer. Daniel schlief wieder bei Samarin. Ciran und Asyet konnten sich nach ihrem Saufgelage auch besser leiden und der junge Mann bot Asyet sogar freiwillig das Bett an.

„Das ist ein netter Kerl, dieser Zuri“, meinte Daniel, als er und Samarin auf dem Bett saßen.

„Ja. Etwas beschäftigt mich gerade sehr. Ich habe alles verstanden, was Ciran mit dem Wirt gesprochen hat. Seitdem ich das Schild vor der Tür gelesen habe, fallen mir so viele Worte ein, die aus der Sprache Shami stammen. Ich könnte mich jetzt einfach so in dieser Sprache unterhalten, obwohl ich sie nie gesprochen habe.“

„Vielleicht stammst du doch aus Schamanah. Du sagtest doch, dass du eine fremde Sprache gesprochen hast, als dich der Bauer fand.“

„Ja, du hast recht. Ich konnte sie vielleicht die ganze Zeit, aber sie wurde verdrängt, weil ich sie nie mehr sprach, sondern nur noch die Landessprache von Azieren lernte“, überlegte Samarin.

„Mach dir nicht so viele Gedanken darüber, wenigstens jetzt nicht“, sagte Daniel und zog seine Freundin zu sich. Gemeinsam schliefen sie auf dem Bett ein.



„Daniel, Samarin, wacht auf! Schnell!“ schrie Asyet und klopfte mit den Fäusten an die Tür.

„Was ist denn los?“ fragte Daniel, als er verschlafen die Tür öffnete.

„Ihr müsst unbedingt mit hinunter kommen. Ihr werdet nicht glauben, was passiert ist“, sagte Asyet und zog dabei ihren Mantel enger um sich.

Es war irgendwie kälter als am Tag zuvor, aber Daniel dachte sich nichts dabei. Samarin und ihr Freund zogen sich schnell an und warfen sich noch ihre Mäntel über, dann folgten sie Asyet die Treppen hinunter.

Dort zeigte sich ihnen ein seltsames Bild. Die Schankstube, die gestern noch strahlte und voll mit Leuten war, lag jetzt verlassen da. Die Möbel waren zerschlagen und die Fenster vernagelt.

„Was soll das? Wie kann es sein, dass sich ein Raum in wenigen Stunden so sehr verändert? Wir haben doch nicht geträumt? Heute morgen sah doch noch alles so neu aus und es waren doch so viele Leute hier“, fragte Daniel fassungslos.

„Habt ihr euch denn nicht in eurem Zimmer umgesehen? Das Bett in unserem Zimmer war plötzlich voller Spinnweben und die Matratze war völlig zerrissen“, meinte Asyet.

„Wir sind so eilig mit dir hier herunter, dass wir auf nichts geachtet haben. Was ist nur geschehen?“ überlegte Samarin.

„Auf jeden Fall ist das nicht in diesen wenigen Stunden passiert. Die Möbel sind schon am verfaulen durch das feuchte Wetter und die vielen Spinnweben können auch nicht in so kurzer Zeit entstehen“, stellte Ciran fest, der in den Trümmern der Theke wühlte.

„Lasst uns schnell unsere Sachen zusammenpacken und dann nichts wie weg aus diesem Haus“, sagte Daniel und alle gingen nach oben, um ihre Rucksäcke zu holen.

Kurze Zeit später traten sie vor das Haus. Der schreckliche Schneesturm von morgens hatte sich gelegt und jetzt sahen sie das ganze Dorf auf einen Blick. Es lag verlassen da und es war nirgends ein Licht zu sehen. Die gesamten Häuser waren am Zerfallen und vermodern.

„Das gibt es doch nicht! Heute früh war doch alles wie in einem normalen Dorf. Es brannten Lichter und in der Schenke war bestimmt fast das halbe Dorf versammelt. Hier ist irgendetwas oberfaul“, sagte Daniel nachdem er sich von dem Anblick des Dorfes erholt hatte.

„Und ob hier etwas faul ist. Da habe ich euch ja endlich, ihr dachtet wohl, dass ihr durch eure plötzliche Flucht entkommen könnt?“ schrie auf einmal eine für Asyet und Samarin wohl bekannte Stimme.

„Tamarus! Was wollt Ihr von uns? Wir haben nichts, was Ihr braucht. Was wollt Ihr mit uns armen Leuten?“ fragte Samarin mutig.

„Ihr habt wohl etwas, was ich brauche. Gib mir deine Haarspange Samarin!“ donnerte der Zauberer.

„Welche Haarspange? Ich habe einige.“

„Die Spange, die du im Turm immer getragen hast.“

„Aber die habe ich nicht mehr. Außerdem, was willst du mit meiner Spange?“

„Du hast sie nicht mehr? Wo ist sie? Ich werde dir bestimmt nicht sagen, was ich damit vorhabe!“

„Genauso wenig verrate ich dir, wo die Haarspange ist. Noch eine Frage, warst du es, der das Dorf so zugerichtet hat?“

„Das Dorf ist schon seit über hundert Jahren unbewohnt. Aber irgendwie musste ich euch ja aufhalten und bei dem schönen Schneesturm war für euch ein Gasthaus gerade das Richtige. Ich bin verwundert, dass ihr nicht erfroren seid bei dieser Kälte, dann wäre einiges leichter für mich. Sag mir endlich, wo die Spange ist! Ich brauche sie dringend“, schrie Tamarus das Mädchen an.

„Nein, dass werde ich dir nicht sagen, wie oft soll ich es noch wiederholen? Und jetzt lasst uns weiterreiten! Ich habe keine Lust wegen Euch meine Zeit zu vergeuden“, fauchte Samarin und stieg auf ihr Pferd, die anderen taten es ihr gleich.

„Das würde euch so passen, ich lasse euch nicht einfach so weiter, wenn du schon nicht diese verdammte Spange hast, so werdet ihr wenigstens eine Prüfung ablegen müssen“, sagte der Zauberer und holte drei Steine aus seinem Umhang.

„Wieso sollten wir?“ fragte Asyet nun auch wütend auf Tamarus.

„Ich habe wegen euch einige Arbeitskräfte verloren, was mir überhaupt nicht gefällt. Ihr werdet die Aufgabe lösen. Oder ich nehme euch gleich wieder mit nach Alabatan. Ich habe die Macht und ihr seid im Vergleich zu mir nur vier Mäuse“, prahlte er.

„Dann sage uns deine Aufgabe!“ forderte Samarin ihn auf endlich anzufangen. Sie wusste, er hatte in Schamanah keine Chance viel Magie anzuwenden, da er die Zauberin Karasalin nicht auf sich aufmerksam machen wollte. Samarin wollte ihm jedoch den Spaß lassen.

„Ich habe hier drei Steine. Zwei davon sind Steine, die beim Aufprall auf die Erde im Umkreis von fünfzig Kilometern alles vernichten. Nur ein Stein ist harmlos, aber welcher wird es sein?“

„Wir dürfen uns doch beraten, du widerlicher Kerl?“ fragte Samarin.

„Sag’ nicht noch einmal so etwas zu mir! Aber ich bin gnädig und werde euch beraten lassen, da ich mir sicher bin, dass ihr sowieso den falschen Stein auswählen werdet“, polterte Tamarus.

Die Vier stiegen wieder von ihren Pferden und überlegten.

„Welchen nehmen wir nur? Den grünen, schwarzen oder gelben?“ fragte Ciran in die Runde.

„Es ist bestimmt einer, den wir nie vermuten würden. Ich sage wir nehmen den schwarzen Stein. Schießpulver ist schwarz und er wird meinen wir nehmen ihn deswegen nicht“, schlug Samarin vor.

„Ich stimme Samarin zu. Diesen Stein würde man als gefährlich halten und wahrscheinlich ist er es gar nicht“, stimmte Daniel ebenfalls zu.

„Also, werden wir den Stein nehmen. Sollte es der falsche sein, ist die Welt verloren“, sagte Asyet dramatisch.

„Wir haben entschieden. Gib mir den schwarzen Stein und ich werde ihn auf den Boden werfen!“ forderte Samarin und streckte die Hand aus.

Tamarus gab ihn ihr und man sah wie aus seinem Gesicht die Farbe wich. Das Mädchen warf den Stein auf den Boden und alle zitterten schon davor, dass ihre letzte Stunde geschlagen hatte. Doch es geschah nichts. Der Stein blieb ruhig auf dem Boden liegen und nur noch Tamarus grollte: „Ihr kleinen Mäuse, wie konntet ihr wissen, dass dieser Stein der richtige ist? Ich werde euch noch bekommen! Seid euch nicht zu sicher, wenn ihr irgendjemandem vertraut. Ich könnte irgendwann dieser jemand sein und dann werde ich euch keine Aufgaben mehr stellen, sondern euch gleich zerstören!“

„Soweit wird es hoffentlich nie kommen“, flüsterte Asyet, als der Zauberer verschwunden war.

„Dieser verdammte Mistkerl. Entschuldige gütige Himmelsmutter, dass ich fluche, aber dieser Mann hat nichts besseres verdient“, schrie Samarin.

„Diesen Fluch wird sie dir vergeben. Ich hoffe, dass ich diesen Mann nie wiedersehen muss. Er verbreitet eine schreckliche Atmosphäre. Eines interessiert mich aber schon, was wollte er mit deiner Haarspange?“ fragte Daniel an Samarin gewandt.

„Ich weiß es nicht. Sie ist eigentlich für einen Fremden nichts besonderes. Für mich ist sie es nur, weil sie wahrscheinlich meiner Mutter gehörte“, antwortete das Mädchen.

„Lasst uns diese jetzt Totenstadt verlassen, sie macht mir Angst“, schlug Ciran vor und die anderen nickten zustimmend.

12. Der Palast der Königin und auf den Spuren der Vergangenheit

So ritten sie viele Tage durch das Königreich Schamanah. Doch nirgends entdeckten sie Siedlungen oder Städte, es war kein einziger Mensch zu sehen.

Als sie schon aufgeben wollten, weil sie keine Städte fanden, in denen sie neue Nahrung besorgen konnten, tauchte plötzlich eine gewaltige Festung vor ihnen auf.

„Seht nur, da sind Menschen. Wir bekommen endlich wieder etwas zu essen“, rief Asyet.

„Hoffentlich ist das nicht auch wieder nur ein Trugbild“, meinte Ciran.

„Die Festung sieht ziemlich lebendig aus. Ich habe gehört in Schamanah ist man sehr gastfreundlich. Vielleicht nimmt uns dieser König oder wer auch immer da lebt für eine Weile auf“, sagte Daniel.

„Ich hoffe es. Mir geht es nicht besonders gut. Ich fühle, dass ich mich von dem Würgegriff des Todes, in dem ich mich in Königsrial befand, noch nicht ganz erholt habe“, sprach Samarin.

„Dann werden sie uns noch eher aufnehmen. Die Schamaner sind sehr fürsorglich, wenn es um kranke Leute geht“, stellte Ciran klar.

„Dann lasst uns ans Burgtor klopfen“, meinte Daniel.

Die Gruppe ritt zum Tor, dort hielten sie zwei Soldaten auf. Die beiden waren völlig schwarz gekleidet und trugen den Drachen, das Zeichen von Schamanah, auf den Hemden.

„Haga shi gagut lopi Shudig?“ fragte einer der Männer.

„Hama sin du dire magut a tinus dor gotosa“, antwortete Ciran auf die Frage und deutete dabei auf die schwache Samarin.

„Dama sir du liera mega dima“, forderte der Soldat die Freunde auf zu warten. Der andere Mann verschwand durch eine kleine Tür im Tor.

„Was habt ihr da miteinander gesprochen?“ fragte Daniel leise.

„Er hat gefragt, was wir wünschen und ich habe ihm geantwortet, dass Samarin krank sei und Hilfe benötigt und das wir kein Essen mehr haben. Er sagte dann, dass wir warten sollen, denn sie müssten erst eine höherstehende Person befragen. Samarin, hast du diesmal auch alles verstanden?“ wollte Ciran wissen.

„Ja und ich finde, dass du ein sehr schlechtes shami sprichst“, antwortete diese neckend.

„Ich habe auch nie viel gelernt, aber jetzt wünschte ich mir, dass ich es getan hätte“, grollte Ciran.

„Wie wäre es, wenn ich das nächste Mal spreche? Hast du nicht gesehen, wie die Wächter gegrinst haben, als du anfingst zu sprechen?“

„Ich glaube du hast recht. Ich überlasse ab sofort dir das Reden“, sagte der Mann.

„Fara shir du Shudig?“ schrie plötzlich einer der Soldaten.

„Hifa du gagut kolp jika likiji“, sagte Samarin in perfektem Shami.

Die beiden Wächter sahen sich verwundert an und meinten dann: „Duri faga Shima?“

Das hieß soviel, wie „Seid Ihr eine Landsfrau?“

„Kija fuhi jikaji oplila fiju Shida.“

„Maga duri jikajo jikiji posilo“, sagte der Mann und ließ sie sofort in die Festung ein.

„Was war denn das? Ich habe diese Worte noch nie gehört, die du eben gesprochen hast“, fragte Ciran ungläubig.

„Das war, glaube ich, echtes Shami. Mir haben die Worte einfach so auf der Zunge gelegen. Es war so einfach, wie jetzt, wo ich wieder noridisch spreche“, antwortete Samarin selbst überrascht.

„Was habt ihr eigentlich gesprochen?“ wollte Daniel wissen.

„Es würde zu lange dauern alles zu übersetzen, aber er sagte, dass wir dort vorne zum Aufseher des Hofes gehen sollen“, sagte das Mädchen und stieg von ihrem Pferd herunter.

Die anderen taten es ihr gleich und folgten Samarin dann hinüber zu einem Mann, der die Robe eines Priesters trug.

„Faga shir jagu?“ fragte Samarin den Mann.

„Hagir Jikika Gutra.“

„Du sha for?“

«Ja, ich spreche die Sprache Noridisch. Aber Mädchen, du kannst sehr gut shami sprechen. Seht bitte über einige Sprachfehler von mir hinweg. Ich können nicht gut eure Sprache“, meinte der Priester.

„Um euch noch meinen Namen zu sagen, ich heiße Jikika Gutra und bin der Priester des Königshauses.“

„Wir sind doch nicht etwa im Königshaus von Schamanah?“ fragte Daniel verwundert.

„Oh, wusstet ihr nicht? Hier ist das Zentrum des ganzen Landes. Ihr gerade im Palast zur Morgenzauberstunde, wie es in eurer Sprache heißen. Bei uns heißt es „Dijiku Jikaduji“. Aber nun sagt, was ihr eigentlich hier wollt?“ fragte der Priester sehr neugierig.

„Wir wollten fragen, ob wir uns hier für eine Weile ausruhen können. Wir sind jetzt seid vielen Tagen unterwegs und seid zwei Tagen haben wir nicht mehr gegessen. Außerdem geht es meiner Freundin Samarin sehr schlecht. Sie hatte eine schlimme Krankheit und ist sehr geschwächt“, erwiderte Daniel.

„Dann werden wir euch gerne aufnehmen. Ich sehe, was ich alles für euch tun kann. Ich gehe gleich zur Königin und frage sie, ob sie Zeit hat euch zu empfangen.“

„Die Königin von Schamanah empfängt einfache Leute, wie wir es sind?“ fragte Daniel verwundert.

„Aber natürlich! Es ist hier nicht wie in Azieren. Königin ist für alle da, auch für euch. Königin wird freuen, endlich Landsleute zu treffen. Ihr müsst wissen, dass Königin stammen aus Azieren“, antwortete Jikika Gutra.

„Wir werden auf Euch hier warten“, meinte Samarin, als der Priester sie verließ. Doch bevor er ging, legte er dem geschwächten Mädchen noch beide Hände plötzlich auf die Schultern. Samarin ging es dadurch ganz schnell wieder besser. Sie war nicht mehr so schwach und ihre Kopfschmerzen waren verschwunden.

Als sie die anderen komisch ansahen, weil sie nun wieder gesund und kräftig aussah, sagte das Mädchen verwundert: „Er legte seine Hände auf meine Schultern und jetzt geht es mir prächtig. Ich verstehe das nicht.“

Die anderen schüttelten nur die Köpfe aus Unglauben. Später sollten sie noch erfahren, warum es Samarin durch den Priester besser ging.

„Du sprichst so gut shami, dass ich gar nichts mehr kapiere“, flüsterte Ciran zu Samarin.

Das Mädchen lächelte und sah sich dann auf dem Platz um, auf dem die Freunde standen.

Es war ein riesiger Burghof, auf dem nur so von Menschen wimmelte. Man sah Soldaten in bunten Schutzanzügen. Knechte, die Pferde zu den Ställen führten. Ritter und ab und zu auch eine Magd, die Essen zu den Bediensteten brachte.

„Hier ist ganz schön was los, nicht wahr?“ sagte da überraschend eine Stimme hinter ihnen.

Die Gruppe drehte sich um und blickte direkt in das Gesicht eines Jungen. Er mochte ungefähr sechzehn Jahre alt sein und trug eine schäbige Hirtenweste und abgenutzte Wildlederhosen.

„Da hast du recht. Aber wer bist du eigentlich?“ fragte Asyet.

„Das sage ich hier lieber nicht! Wenn mich einer meiner Lehrer in dieser Kleidung sieht, dann bekomme ich wieder Ärger. Vielleicht sehen wir uns ja noch einmal an einem günstigerem Platz und dann erkläre ich euch, wer ich bin“, sagte der Junge und war schon in der Menge verschwunden.

Als die Truppe noch immer verwundert über den seltsamen Jungen da stand, kam der Priester Jikika wieder zurück.

„Ich bringe euch jetzt in eure Zimmer und wenn ihr frisch gekleidet seid, dann kann ich euch zu Königin bringen“, sagte er freundlich.

„Nun, da gibt es aber ein kleines Problem. Wir haben nur diese Kleidung, die wir am Leib tragen“, stotterte Ciran.

„Oh, dass ist doch kein Problem. Ich werde Hika auftragen euch etwas Neues bringen zu lassen.“

„Das ist sehr nett von Euch“, sagte Daniel noch und schon liefen sie los zu ihren Quartieren.

„Das ist doch selbstverständlich“, entgegnete der Priester und führte sie weiter.

Einige Zeit später waren die vier frisch gewaschen und trugen feine Kleider, die von der Hofschneiderei kamen.

„Jetzt tragen wir schon wieder so edle Sachen. Ich fühle mich einfach nicht wohl darin“, jammerte Asyet ihrer Freundin vor.

„Jetzt fang nicht schon wieder an! Du hast mir schon bei Solom ständig damit in den Ohren gelegen. Finde dich einfach damit ab. Wir können froh sein, dass wir neue Kleidung haben und nicht in unseren schmutzigen Reisekleidern vor die Königin treten müssen“, versetzte Samarin.

„Ich höre ja schon auf. Ich glaube wir sollten jetzt auf den Gang gehen, die anderen warten bestimmt schon auf uns.“

Das machten die beiden dann auch und draußen warteten wirklich schon die Jungen und der Priester.

„Frauen immer so lange brauchen. Wir warten schon über viertel Stunde auf euch“, meinte Jikika.

„Entschuldigt uns, aber es ist schon so lange her, dass wir ausgiebig baden konnten. Bringt Ihr uns nun gleich zur Königin?“ fragte Samarin und ging dann zu ihrem Freund. Daniel nahm kurz ihre Hand und legte dann den Arm um sie.

„Nicht entschuldigen! Ich sagen nur, was Tatsache seien“, holperte der Priester über die Schwierigkeiten der noridischen Sprache. Denn die noridische Sprache war eigentlich die schwerste auf den drei Königsinseln. In keinem anderen Land sprach man eine so verschachtelte Sprache, wie in Azieren. Auch nahm auf den zwei anderen Inseln niemand so stark die Sprache des Königshauses an, wie es in Azieren das Volk tat.

In Schamanah gab es insgesamt 479 Dialekte und wenige konnten die Sprache, die im schamischen Königshaus gesprochen wurde. Nur die Kaufleute und andere, die darauf angewiesen waren mit dem Königshaus zu verhandeln.

Die Gruppe folgte dem Priester über unzählige Gänge, Treppen und Terrassen. Nach gut einer halben Stunde erreichten sie endlich den Vorplatz des Thronsaales.

„Ihr warten hier und ich melden bei Königin, dass ihr hier seien“, sprach Jikika.

Er verschwand durch einen schweren Vorhang aus dem Raum und die Truppe sah sich ehrfurchtsvoll im Vorzimmer um.

„Was ein Prachtbau! Die ganzen Verzierungen und Vorhänge“, seufzte Asyet.

„Hier würde ich gerne leben. Es ist wunderschön hier“, flüsterte Samarin.

Daniel sah sie entsetzt an. Früher hatte sie einmal gesagt, dass sie niemals in einem Schloss wohnen wollte und nun dieser Satz. Aber bevor er etwas darauf sagen konnte, kam der Priester wieder zurück.

„Kommen mit mir! Königin freuen auf eure hier sein“, stammelte er zusammen und wurde rot, weil er die Sprache so schlecht konnte.

Dann traten Daniel, Samarin, Asyet und Ciran in den wundervollen Königssaal ein. Die vier staunten nicht schlecht, denn der ganze Raum leuchtete in einem schwachen Lila und an den Wänden hingen kostbare Wandbehänge mit Märchenbildern aus dem Land Schamanah. Die Königin saß auf einem hohen Podest und war umgeben von Seidentüchern und anderen Stoffen. Die Herrscherin Dalakei Schilan Jikani von Shami winkte die Freunde zu sich und ließ dabei strahlend weiße Zähne aufblitzen.

„Ich freue mich sehr euch zu sehen. Ich habe schon lange niemanden mehr aus Azieren begrüßen dürfen. Es ist wirklich sehr selten, dass Bewohner der Nachbarinseln hierher kommen. Ich weiß, dass Schamanah nicht sehr beliebt ist auf den anderen Inseln. Sie haben Angst vor den Wesen, die hier leben. Sie können nicht verstehen, dass man auch mit anderen Lebewesen in Frieden leben kann und nicht nur mit der Rasse Mensch“, sprudelte es aus der Königin heraus.

„Wir freuen uns auch sehr Euch zu treffen, Hoheit. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass eine Königin uns hier empfängt“, sagte Daniel und verbeugte sich. Die anderen taten es ihm gleich.

„Aber das ist bei uns selbstverständlich. Ich empfange jeden, der zu mir möchte. Ihr seid das nicht gewöhnt, weil euer König so etwas nie machen würde. Aber ich bin eine Frau und bestehe sehr auf Harmonie zwischen den Völkern, die hier leben und möchte dadurch, dass ich mit ihnen spreche, Streit verhindern. Ich würde es nie zu einem Krieg kommen lassen, wie es euer König gerne macht. Hier habe ich etwas zu sagen und nicht mein Mann. Der würde, wenn es ginge zu jedem Zeitpunkt einen Krieg anfangen, aber ich habe zu bestimmen. Ich sage euch, bei mir wird es niemals Krieg geben. Genauso wenig, wie es ihn bei meinen Vorgängerinnen gab. Manchmal ist es vielleicht doch besser, wenn eine Frau regiert. Habt ihr davon gehört, das wir das friedlichste Land sind?“

„Davon haben wir noch nie gehört, Hoheit. Es wird nicht viel über Schamanah erzählt, bei uns in Azieren. Ihr habt ja schon gesagt, dass Ihr schon lange keinen Besuch mehr aus Azieren hattet“, erklärte Daniel.

„Zuerst einmal lasst bitte dieses Hoheit weg. Ich fühle mich dann als wäre ich kein Mensch, sondern eine wandelnde Märchenfigur. Sprecht mich doch bitte mit Dalakei an, dass ist mein ursprünglicher Name. Hier hab ich noch den Namen Schilan Jikani bekommen. Das bedeutet „Große Fremde“. Sie gaben ihn mir, weil es selten ist, dass eine Fremde hier regiert. Wer von euch ist eigentlich das Mädchen, dass so perfekt shami gesprochen hat? Meine Wachen haben mir vorhin davon erzählt, dass ein Mädchen mit einer Gruppe von Ausländern hier angekommen ist und das Mädchen in perfektem Shami zu ihnen gesprochen habe. Sie erzählten mir auch, dass zuerst ein junger Mann mit schrecklicher Aussprache mit ihnen redete“, fragte die Königin neugierig.

„Das Mädchen bin ich, Dalakei. Mein Name lautet Samarin und ich kann Euch aber nicht erklären, warum ich diese Sprache sprechen kann. Ich kam in dieses Land und als ich das erste Mal ein Wort las, konnte ich sie. Ich muss aber dazu sagen, dass ich von Zieheltern aufgezogen wurde und zuerst eine fremde Sprache gesprochen habe, aber keiner wusste damals was es für eine war“, erklärte Samarin umständlich.

„Das ist aber seltsam, dann stammst du also wahrscheinlich aus Schamanah. Dein Name ist aus dem Shami. Er bedeutet „Aufgehende Morgensonne“. Wir könnten in unseren Büchern nachforschen, wenn du möchtest. Priester Jikika könnte dir behilflich sein.“

„Wenn Ihr mir helfen könntet, ich würde mich sehr freuen, Dalakei“, äußerte das Mädchen.

„Aber natürlich! Jikika nimm das Fräulein Samarin mit in dein Archiv und suche mit ihr in den Büchern. Vielleicht ist eine Frau eingetragen, die zur Zeit von Samarins Geburt verschwunden ist oder deren Kind als tot eingetragen ist. Bei uns ist das leicht zu überprüfen, denn keine Frau bekommt ein Kind ohne das es registriert ist“, sprach die Königin zum Priester.

„Ihr müsst wissen, dass die Frauen hier in extra Häusern ihre Kinder gebären und dort die ganze Schwangerschaft lang betreut werden und sie dürfen diese Anlagen bis zum Zeitpunkt der Geburt nicht verlassen. Aber manchmal gelingt es Frauen von dort zu fliehen, weil sie dieses „Eingesperrt“ sein nicht ertragen. Aber bei uns geht es nicht anders, sonst sterben die meisten Kinder, da auf den Dörfern zu wenig Ärzte sind. Also Jikika wird dir schon helfen können“, sagte sie weiter und schickte dann das Mädchen mit dem Priester zum Archiv.

„Ich bedanke mich herzlich dafür, dass Ihr mir helfen wollt nach meiner Herkunft zu suchen“, sagte Samarin zu dem Priester, als sie durch die verwirrenden Gänge des Königshauses liefen.

„Aber machen doch gerne. Ihr können sprechen gut shami, haben Königin gesagt. So Ihr können mir gut helfen bei Suche. Können auch shami lesen? Unsere Bücher sind alle in Landesschrift geschrieben und unterscheiden sehr von Schrift von Azieren“, fragte Jikika.

„Ja, ich denke schon.“

„Kommt mit hier herein. Hier seien Archiv. Wir werden lang haben zu tun, um alles zu durchsehen“, stammelte er und führte das Mädchen in einen großen Raum, in dem riesige Bücherborde standen und auch die Wände waren voller Regale.

„Wie viele Bücher! Ich habe noch nie so viele gesehen“, staunte Samarin.

„Das unser Hauptarchiv über die Herkunft der Bewohner. Wir haben noch vier Räumen mit der gleichen Größe. Dort lagern Heilige Schriften und Geschichtenbücher, auch Bücher über Geschichte von Land.“

„Ich hoffe Ihr habt eine gute Ordnung in diesem verschachtelten Raum, sonst sterbe ich bevor wir fertig sind und so viel Zeit habe ich Leider nicht hier zu bleiben.“

Der Priester grinste nur und dann machten sich die beiden auf die Suche nach Büchern aus der Zeit, in der Samarin geboren war.



Zu selben Zeit im Saal der Königin wurde Daniel, Asyet und Ciran gerade etwas zu Trinken gebracht. Sie waren sehr durstig. Die Königin Dalakei war eine sehr nette Gastgeberin und machte gar nicht den Anschein, dass sie von höherem Stande war, als die Freunde.

„Hättet ihr nicht Lust einen kleinen Rundgang durch das Schloss zu machen?“ fragte Dalakei freundlich.

„Wir würden uns sehr freuen, wenn Ihr uns Euren Palast zeigen würdet, Dalakei“, erwiderte Ciran.

„Dann gehen wir los! Zum Glück sprichst du besser noridisch als shami, Ciran. Sonst könnten wir uns wohl kaum verständigen“, scherzte die Königin.

Der junge Mann wurde rot und senkte den Blick zu Boden, sagte aber nichts.

„Entschuldige Ciran, wenn ich dich beleidigt habe. Ich wollte nur einen Scherz machen.“

„Ihr müsst Euch doch nicht bei mir entschuldigen. Ich bin selbst Schuld, dass ich mich so lächerlich gemacht habe, Dalakei. Ich werde bald einmal versuchen, wieder etwas mehr von der Sprache zu lernen. Ich bewundere Samarin, dass sie so eine perfekte Aussprache hat. Als sie mit Euren Wachen sprach, war ihre Ausdrucksweise so kompliziert, dass ich kaum etwas verstanden habe. Aber genug davon, ich bitte diese peinliche Sache zu vergessen“, stammelte Ciran.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du das so ernst nimmst“, sagte die Königin noch und verließ dann mit der Gruppe den Raum, um mit der Führung zu beginnen.



„Habt Ihr schon etwas gefunden, Priester Jikika?“ fragte Samarin und streckte den Kopf über einen Berg von Büchern, die sie um sich herum aufgestapelt hatte.

„Ich könnte ein paar Dinge für Euch haben. Ich haben gefunden zehn Bücher aus Zeit Eurer Geburt.“

„Ich habe auch noch zwei Bücher aus dem Jahr des Bären gefunden. Wollen wir nicht erst einmal in diesen Büchern nachsehen, bevor wir weitersuchen? Vielleicht können wir uns Arbeit sparen.“

„Ihr haben recht. Ich kommen zu Euch und wir sehen zusammen nach.“

„Aber erst muss ich ein paar Bücher wegräumen“, sagte das Mädchen und stellte die großen Bücherstapel auf mehrere herumstehende Stühle. Der Priester half ihr dabei. Dann legten sie die zwölf Bücher nebeneinander auf den großen Tisch an dem Samarin saß. Jikika holte sich noch einen Stuhl und schlug das erste Buch auf. Gemeinsam lasen sie die Eintragungen, die mit feiner Schrift auf dem Pergamentblatt notiert waren.

„Wir suchen am besten gemeinsam. Vier Augen sehen mehr als zwei, so sagt man doch bei euch“, meinte Jikika

„Ja, dass sagt man. Ich hoffe nur, dass wir Glück haben und ich endlich herausfinde, wer meine Eltern waren oder sind.“

„Aber hoffen nicht zu viel. Vielleicht wir brauchen Tage bis durch alle Bücher des Archivs. Wir können nun eine große Glück haben aber auch Pech und müssen weitersuchen“, erinnerte der Priester.

„Natürlich Jikika, ich weiß das es viel Zeit kosten wird, aber ich mache es gerne. Damit ich endlich herausfinde, wer ich wirklich bin“, antwortete Samarin.



„Wie gefällt euch mein Palast?“ fragte die Königin, als sie mit ihren Gästen wieder im Thronsaal ankam.

„Er ist wunderbar, Dalakei. Ich habe noch nie solch schöne Dinge gesehen. Aber könnte ich nun zu meiner Freundin Samarin? Ich möchte nachsehen, ob sie etwas gefunden hat“, sagte Daniel, der seine geliebte Freundin schon nach so kurzer Zeit sehr vermisste. Wie hatte er es da früher nur ohne sie ausgehalten?

„Aber natürlich lieber Daniel. Ich werde dich von einem Diener zu ihr ins Archiv bringen lassen. Asyet und Ciran, hättet ihr Lust mit mir einen Spaziergang durch den Palastgarten zu unternehmen?“ fragte Dalakei und winkte dabei nach einem Dienstboten.

„Wir würden uns sehr freuen, Königin Dalakei“, sprach Asyet für sich und Ciran, der immer noch nicht die Sache beim Palasttor vergessen hatte und deswegen nicht viel sagte.

Es kam ein Diener zur Königin, verbeugte sich und senkte den Kopf vor Ehrfurcht.

„Hajika bitte sehe mich an! Ich verstehe nicht, warum ich dir nicht beibringen kann, dass du mich nicht immer so verehrst. Ich sagte dir doch, dass du nicht vor mir knien brauchst und auch nicht den Blick senken musst. Aber nun ja vielleicht lernst du es irgendwann noch. Und bringe jetzt den jungen Mann ins Archiv der Urkunden. Der Priester Jikika ist dort und wird dich dann bestimmt noch brauchen können.“

„Wie Ihr befehlt, Hoheit“, flüsterte der Junge, der gerade mal fünfzehn Jahre alt war.

„Verschwinde bloß, sonst werde ich dir zeigen, dass du mich nicht immer mit Hoheit ansprechen sollst“, schimpfte Dalakei scherzhaft.

Hajika verschwand mit Daniel durch den schweren Vorhang, der aus dem Saal der Königin ins Hauptgebäude führte.

„Ich kann diesem Jungen einfach nicht erklären, dass er mich nicht so anbeten soll. Aber er wird es schon noch lernen, bis jetzt hat es jeder gelernt“, sagte die Königin noch und stand dann geschmeidig wie eine Katze von ihrem Thron auf und führte die beiden jungen Leute durch eine Hintertür aus dem Raum.



„Hajika, seid wann arbeitest du für die Königin und warum kannst du sie nicht so behandeln, wie sie es möchte?“ fragte Daniel neugierig, als die beiden den Weg zur Bücherei gingen.

„Mit Euch kann gut reden. Ihr seid auch so einfach wie ich. Aber bei Königin fallen mir schwer. Ich haben schlimme Kindheit gehaben und Vater sagen auch immer können sprechen an mit Vornamen und können ihm in Gesicht sehen. Wenn ich aber tun es, dann wurden böse und schlagen viel. Ich haben Angst, dass Königin tun selbe. Arbeiten ich tun hier seit zwei Monden. Ich noch viel lernen“, brachte der Junge stockend heraus.

„Das ist ja schrecklich. Aber die Königin würde das bestimmt nie machen. Warum schlug dich dein Vater, wenn du ihn angesehen hast und beim Vornamen angesprochen hast?“ meinte Daniel mitfühlend.

„Viele dürfen Eltern nicht mit Namen ansprechen oder in Gesicht sehen. In diesem Land seien so schlimm wie Spucken in Gesicht.“

Hajika lächelte gequält und machte dann eine Tür auf der einen Seite des Flures auf. Als Daniel in dieses Zimmer trat, war er genauso überwältigt, wie es Samarin zuvor war.

„Daniel schön, dass du kommst“, rief seine Freundin, als sie ihn entdeckte. Dem Diener bot sie die Hand zur Begrüßung an. Der zögerte erst, schüttelte die Hand des Mädchens aber dann doch.

„Du glaubst nicht, was wir gefunden haben. Zur Zeit meiner Geburt gab es nur eine Frau, die meine Mutter sein konnte. Zu dieser Zeit war nur sie in dem Geburtshaus und sollte in der Panthernacht gebären. An diesem Tag bin ich geboren. Ich weiß es, weil bei mir ein Zettel mit meinem Geburtsdatum lag. Aber ich verstehe nicht, warum meine Mutter mich erst vier Jahre aufgezogen hat und mich dann plötzlich vor einer Tür in einem fremden Königreich aussetzte“, brach es aus dem Mädchen heraus.

„Ja, dass seien wirklich seltsam. Frau nicht gebären in Geburtshaus. Frau reißen vorher aus und dann leben vier Jahre in Versteck, um Kind doch noch auszusetzen. Außerdem Frau sagen falschen Namen. Geben keine Frau, die heißen Ginaja Palika. Frau mit diesem Namen nicht existieren“, sagte der Priester noch dazu.

„Das ist wirklich komisch. Aber viel hat es dir auch nicht genützt. Du weißt zwar, dass sie wahrscheinlich deine Mutter ist, aber du weißt nicht wie sie wirklich heißt und wo sie jetzt ist. Aber wenigstens weißt du jetzt, warum du shami sprechen kannst und das Schamanah dein Heimatland ist“, folgerte Daniel.

„Ist das eigentlich oft der Fall, dass Frauen von den Geburtshäusern fliehen und dann ihre Kinder aussetzen?“ fragte Samarin den Priester.

„Manchmal kommen vor, aber selten. Doch Euer Fall sehr seltsam. Wenn Frauen wollen Kind nicht haben, dann behalten doch nicht erst vier Jahre. Ich werden weitersuchen. Aber Ihr, Samarin, gehen mit Eurem Freund erst einmal ausruhen. Können nach Abendessen mir weiter helfen, aber jetzt gehen. Hajika fijikoa hista“, sagte Jikika und kommandierte danach den jungen Diener. Das tat er aber in der Landessprache, weil ihm schon normales Sprechen in noridisch schwer viel. Einen Befehl darin auszusprechen war unmöglich. Es würde nur lächerlich klingen.

So führte Hajika die beiden Verliebten also auf ihre Zimmer. Als er merkte, dass die beiden sich im selben Zimmer ausruhen wollten, wurde er verlegen.

„Normal dürfen nicht unverheiratete Frau und Mann in eine Zimmer schlafen. Das seien gegen Gesetz von Gott“, stotterte der Diener, der keinerlei Erfahrung im Umgang mit Verliebten hatte und geschweige denn selbst schon Erfahrungen in der Liebe gesammelt hatte.

In Schamanah wurden alle Beziehungen, außer der königlichen, geheim gehalten. In der Öffentlichkeit durften keine Gefühle gezeigt werden, sonst hieß es, dass Gott sie für immer verstoßen würde. Die Shamis glaubten an Firga, den Retter. Er war nicht, wie in den Religionen von Azieren oder Thallieren, nur ein einziges Wesen, das im Himmel über die Menschen herrschte, sondern sollte in der sagenumwobenen Kristallstadt leben. Die Amtszeit dauerte ein Leben lang und der neue Firga wurde vom alten auserwählt. In den Sagen von Schamanah stand geschrieben von einer riesigen Stadt, die unter einem unvorstellbar großem Kristall gebaut war. Doch es hatte noch kein Sterblicher diese Stadt jemals gesehen oder war nie mehr zurückgekehrt, wenn er sich zu ihr aufgemacht hatte. In der Kristallstadt sollte Firga, der sterbliche Retter leben und mit ihm alle Heiligen und Mächtigen der Religion von Schamanah. Dort sollten auch die größten Zauberer der bekannten Welt sein. Die Gruppe um Samarin wollte sich auch auf die Suche nach dieser Stadt machen. Sie vermuteten, dass dort auch die Zauberin Karasalin lebte und es ihre einzige Chance war dort nach ihr zu suchen. Aber keiner wusste welchem Schicksal sie entgegengingen und, ob sie jemals ans Ziel kommen würden. Vielleicht würden sie die ersten sein, die die magische Kristallstadt zu Gesicht bekamen.

„Hajika, wir glauben nicht an Firga und bei uns ist es keine Schande, wenn ein verliebtes Paar im selben Zimmer schläft. Also wird uns dein Gott bestimmt nicht böse werden. Nur unsere Götter können uns bestrafen. Da es bei uns aber nichts verwerfliches daran gibt, ist es in Ordnung. Frag deine Königin! Sie wird uns zustimmen, sie stammt ja aus unserem Heimatland“, erklärte Samarin mit einem kleinen Lächeln. Sie fand es seltsam, dass man, wenn man an Firga glaubte, nicht mit seinem Geliebten so umgehen konnte, wie man es in Azieren tat.

„Wenn Ihr sagen, dann ich müssen gehorchen. Ich werden bei Firga für Euch beten“, sagte Hajika noch und verschwand schnell, um nicht länger bei dieser unehrenhaften Situation verharren zu müssen.

„Ein seltsamer Junge, dieser Hajika. Er wäre vor Scham beinahe im Boden versunken“, meinte Daniel, als er mit seiner Freundin das Zimmer betrat.

„Du musst ihn verstehen. Das was wir tun, ist für ihn das Schlimmste, was man in seiner Religion machen kann. Außer wenn man Gott verleugnet, dass ist natürlich noch schlimmer“, erklärte Samarin.

„Na ja, dann gibt es wenigstens noch etwas schlimmeres. Aber jetzt lass uns schlafen. Ich bin so schrecklich müde“, flüsterte Daniel und zog seine Geliebte zu sich aufs Bett. In die Arme von Daniel gekuschelt schlief Samarin dann nach einiger Zeit auch endlich ein. Ihr Freund war sofort nach einem innigen Gutenachtkuss eingeschlummert. Doch sie hatte noch etwas über die Geschehnisse im Archiv nachdenken müssen und darüber, wie es nun mit ihrer Reise weitergehen sollte. Sie dachte auch noch darüber nach, wer dieser Junge auf dem Schlosshof war und ob sie ihn wirklich noch einmal wiedersehen würde.



Asyet und Ciran saßen mit der Königin auf einer Bank im Park. Zuvor hatten sie den großen Park besichtigt und waren überwältigt gewesen. Der Schlosspark war wunderschön. Die Hecken waren alle in der Form von Tieren, Märchenfiguren und Engeln geschnitten. Verschnörkelte Wege führten hindurch und an mehreren Seen standen exotische Bäume, die die beiden Azierer noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatten.

„Eure Palastanlagen sind wirklich zauberhaft“, schwärmte Asyet.

„Ja, meine Gärtner sind sehr einfallsreich und man merkt, dass sie ihre Arbeit lieben. Ich bin gerne hier im Garten. Hier kann man gut nachdenken und auch einmal Ruhe finden“, erwiderte die Königin.

So saßen die drei noch eine Weile auf der Bank und hingen ihren Gedanken nach.

13. Der Prinz von Schamanah und Samarins Geheimnis

„Samarin wach auf! Wir müssen runter zum Abendessen“, weckte Daniel seine Freundin und küsste sie dabei.

„Was? Ich bin ja schon wach. Eigentlich habe ich gar keinen Hunger“, stöhnte Samarin und hielt sich den Kopf.

„Geht es dir wieder schlechter?“ fragte ihr Freund besorgt.

„Nein, aber ich bin so furchtbar müde und ich weiß nicht warum. Wenn der Priester Jikika in meiner Nähe ist, geht es mir viel besser. Ich glaube, ich werde ihn einmal fragen, warum das so ist.“

„Vielleicht hat er besondere Kräfte, so ähnlich wie eine Heilerin oder ein guter Magier.“

„Aber diese brauchen Hilfsmittel, um zu heilen. Jikika legte nur seine Hände auf meine Schultern und es ging mir besser und als er mit mir im Archiv war, da spürte ich auch keine Schmerzen. Jetzt kommen die Kopfschmerzen langsam wieder.“

„Er wird auch beim Essen dabei sein, dann wirst du sehen, ob es dir wirklich durch ihn besser geht“, sagte Daniel noch und schob dann Samarin den Arm stützend unter. So gingen sie also den Weg, den Jikika beschrieben hatte um zum Speisesaal zu kommen.

Vor der Tür des Raumes standen zwei fein gekleidete Wachen. Sie ließen die jungen Leute sogleich in den Saal ein. Der Raum war schon fast ganz gefüllt von Edelleuten und Dienern, die herum liefen, um alle Wünsche der Reichen zu erfüllen. Asyet kam auf das Paar zugelaufen.

„Da seid ihr ja! Kommt, ich zeige euch unseren Platz“, rief sie erfreut und führte ihre Freunde an eine lange Tafel, an deren Stirnseite die Königin mit ihrem Gatten saß. Daneben entdeckte Samarin plötzlich den Jungen vom Hof. Sie hatte ihn kaum erkannt, da er nun in edlen Samt gehüllt war. Er entdeckte das Mädchen auch und grinste neckisch zu ihr. Ihre Freunde hatten ihn anscheinend nicht wiedererkannt, denn sie bemerkten nichts. Aus Zufall saß Samarin dann auch noch direkt neben dem Jungen. Ihr gegenüber hatte Daniel Platz genommen.

„Ich kenne dich doch. Du warst der Hirtenjunge vom Hof“, flüsterte Samarin unauffällig zu ihm herüber.

„Ja, der bin ich. Ich sagte doch, dass wir uns vielleicht noch einmal unter günstigeren Bestimmungen sehen werden“, sagte der Junge und grinste.

„Aber wer bist du nun eigentlich?“

„Ich heiße Palinikola Ornindo Zirgargura von Shami. Ich bin der Sohn des Königspaares. Aber bitte nenne mich doch Pali, dass ist einfacher“, antwortete der Prinz.

„Aber warum läufst du dann auf dem Hof mit Arbeiterkleidung herum? Ach ja, ich heiße Samarin Somaril.“

„Ich bin vor meinen Lehrern geflüchtet. Ich habe mir von Hajika Kleidung bringen lassen und mich dann unter das einfache Volk gemischt. Ich habe es nicht mehr ausgehalten mit meinen spießigen Lehrern. Zum Glück hat mich keiner von ihnen auf dem Hof entdeckt. Weißt du, ich hasse dieses Leben. Es wird alles durchgeplant und ich darf nichts selbst entscheiden. Sogar meine Freunde muss ich mir bestimmen lassen“, erklärte Pali.

„Dafür brauchst du nie Hunger Leiden. Du weißt nicht, wie schlecht es manchen Jungen in deinem Alter geht, die auf dem Land leben und arbeiten müssen. Viele müssen sogar schon eine eigene Familie ernähren und manchmal noch ihre Eltern und Geschwister.“

„Ich weiß davon, dass es bei euch so ist. Aber in unserem Land Leidet keiner Hunger, auch nicht die Bauern und Tagelöhner. Ihr kennt wahrscheinlich genauso wenig mein Land, wie ich eures kenne“, meinte Pali.

„Ich stamme auch aus eurem Land und ich finde es schade, dass ich so wenig darüber weiß. Aber über meine Ziehheimat weiß ich einiges. Mein Vater hat mir viel beigebracht“, erwähnte Samarin.

„Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr aus Schamanah stammt. Ihr kamt doch mit Reisenden aus Azieren.“

„Ich bin dort aufgewachsen, aber meine Eltern stammen wahrscheinlich aus diesem Land, wie ich durch Hilfe des Priesters Jikika herausgefunden habe. Wo ist er eigentlich, wisst Ihr das?“

„Ja, er brütet mal wieder über seinen Büchern. Du bist also das Mädchen, dass nach seiner Herkunft sucht. Ich habe davon gehört. Ich freue mich, dass du fündig geworden bist. Aber warum interessiert dich, wo der Priester ist? Ich wollte nicht länger als nötig mit ihm zusammen sein. Er ist mein Geschichtslehrer und ich finde ihn ziemlich langweilig“, fragte der Prinz und ließ sich dabei von einem Dienstboten den Teller mit vielen leckeren Mahlzeiten aus dem Land füllen.

„Ich mag den Priester. Er ist freundlich und auch sehr hilfsbereit. Könntest du mir nach dem Essen zeigen, wo er ist? Ich war vorhin schon im Archiv, aber ich würde den Weg wohl nicht mehr wiederfinden“, meinte das Mädchen und ließ sich nur ein paar Früchte von dem Diener geben.

„Wenn du möchtest, mache ich das sehr gerne. Ich würde mich auch freuen, wenn wir uns vielleicht morgen treffen könnten und uns etwas unterhalten.“

„Natürlich, wenn du das so willst. Wie wäre es nach dem Mittagessen?“ schlug Samarin vor.

„Gut, ich freue mich darauf.“

Nun sah Samarin hinüber zu ihrem Freund. Sie hatte ihn ganz schön links liegen lassen, als sie den Jungen vom Hof entdeckte. Daniel sah sie etwas wütend an und war auch sehr eifersüchtig darüber, dass sich ein fremder Junge mit seiner Freundin verabredete und sie auch noch zustimmte.

„Was hast du denn Daniel?“ fragte dann Samarin, als sie sein Gesicht sah.

„Ich wüsste nur gerne mit wem du dich einfach so verabredest. Aber sonst geht es mir sehr gut“, antwortete er ironisch.

„Aber Daniel, dass ist doch der Junge, den wir auf dem Hof gesehen haben. Er ist in Wirklichkeit der Sohn der Königin und möchte Pali genannt werden. Ich habe mich mit ihm für morgen verabredet, um mehr über mein eigentliches Heimatland herauszufinden. Bitte höre auf hier den eifersüchtigen Mann zu spielen. Ich bin nicht mit dir verheiratet und außerdem gibt es keinen Grund für dein Gehabe“, schimpfte sie los.

„Ist ja schon gut, aber ich werde mir das merken“, sagte Daniel noch und aß dann schweigend weiter.

In Samarin brodelte es wie in einem Vulkan. Was fiel Daniel eigentlich ein, so zu reagieren und sie hier so zu blamieren. Sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte. Sie fühlte sich zerrissen. Einmal wollte sie ihrem Freund nicht weh tun, aber auf der anderen Seite, Pali war ein Prinz und sie wollte ihn nicht beleidigen, wenn sie ihm eine Bitte abschlug. Sie wollte ja auch selbst gerne ein Gespräch mit ihm führen, aber da war noch Daniel, der den eifersüchtigen Freund spielte. Sollte Daniel doch machen was er wollte. Sie würde morgen mit Pali ein Treffen haben. Es war ja auch nichts schlimmes dabei, oder?

Nach gut einer Stunde war das Essen beendet und die meisten der Edelleute standen auf und verteilten sich im Saal zu kleinen Gruppen und führten angeregte Gespräche. Pali und Samarin standen auch auf. Sie gingen zuerst zur Königin, um sich abzumelden. Samarin würdigte ihren Freund keines Blickes und dachte, dass er nun denken sollte, was er wollte.

„Mutter, ich werde Fräulein Samarin zu Priester Jikika bringen. Sie möchte ihm noch ein wenig bei seinen Untersuchungen behilflich sein“, erklärte Pali.

„Aber natürlich mein Sohn. Doch Samarin passt bitte auf, dass Pali nicht wieder einen Unfug mit Jikika treibt. Er steht nicht sehr hoch im Kurs bei meinem Sohn“, meinte die Königin lächelnd.

„Wie Ihr es wünscht, Dalakei.“

„Aber Mutter...“, sagte Pali noch empört und verschwand mit Samarin aus dem Raum.

„Dieser eingebildete Esel! Meint er könnte mir Samarin ausspannen“, brummte Daniel vor sich hin.

„Bist du denn von allen guten Göttern verlassen? Ich rate dir nicht noch einmal so etwas zu sagen. Du kannst Samarin doch vertrauen. Sie würde dich nie betrügen“, sagte Ciran und legte seine Hand auf die Schulter seines aufgebrachten Freundes.

„Wollen wir mal hoffen...“



„Ich könnte mich nicht in diesen verwirrenden Gängen zurecht finden“, stöhnte Samarin, als sie schon mindestens durch sieben Flure gegangen waren, die für sie alle gleich aussahen.

„Das ist nur Übungssache. Ich merke mir immer bestimmte Dinge in einem Flur und weiß dann, wo ich bin. Es genau zu erklären würde zu lange dauern, außerdem sind wir schon an unserem Ziel“, erwiderte Pali und öffnete dann eine große schwere Tür. Sie standen im Archiv und sahen den Priester, der über ein dickes Buch gebeugt am Tisch saß. Samarin merkte wieder, dass es ihr besser ging und ihre ständigen Kopfschmerzen verschwanden. Es musste der Priester sein, der ihr half.

„Guten Abend Priester Jikika“, begrüßte sie den Mann.

„Oh, schön, dass Ihr hier seien. Ich haben viele Neuigkeiten für Euch. Aber erst sagen, wenn Prinz gegangen“, rief der Priester.

„Wieso muss ich gehen, bevor Ihr es Samarin erzählt?“ fragte der Prinz, der die noridische Sprache so perfekt wie seine Mutter beherrschte.

„Es gehen Euch nichts an! Ich wollen sprechen mit Fräulein Samarin alleine. Gehen jetzt bitte, Prinz!“

„Wie Ihr meint Jikika. Soll ich dich später wieder abholen?“ fragte Pali das Mädchen.

„Wir werden nach Hajika rufen lassen und er bringen Fräulein Samarin zu Zimmer. Ich nicht wissen, wie lange dauern unsere Gespräch“, fuhr der Priester den Jungen an und ließ das Mädchen gar nicht zu Wort kommen.

„Ich gehe ja schon“, fauchte Pali und verschwand wieder durch die selbe Tür, durch die er mit Samarin gerade gekommen war.

„Ihr könnt ihn wohl genauso wenig Leiden, wie er Euch?“ stellte die junge Frau fest.

„Da Ihr haben recht. Können sprechen in shami? Ich nicht gut erklären in Sprache, die ich so schlecht können.“

„Das können wir machen, wenn es Euch so leichter fällt“, sagte Samarin schon auf der shamischen Sprache. Der Priester lächelte glücklich und führte das Mädchen zu einem Stapel Bücher.



„Daniel, bitte beherrsche dich! Du wirst jetzt nicht zu Pali gehen und ihn anbrüllen. Er ist ein Prinz und du wirst in Teufelsküche kommen, wenn du ihn vor allen beleidigst. Du weißt doch gar nicht, weshalb er mit Samarin weggegangen ist“, flüsterte Ciran seinem Freund beruhigend zu und drückte ihn wieder auf dessen Stuhl zurück.

„Es ist mir egal, ob er ein Prinz ist, dieser Wicht. Ich lassen es nicht zu, dass er mir Samarin wegnimmt“, sagte er und konnte nur schwer sitzen bleiben.

„Jetzt reicht es aber! Ich lasse Samarin so etwas nicht unterstellen. Sie würde dich nie betrügen“, keifte Asyet.

„An ihr zweifle ich auch nicht, aber Pali ist ein Prinz und er kann machen was er will. Wenn er Lust hat, kann er auch anderen die Freundinnen wegnehmen“, seufzte Daniel.

„Halte endlich die Klappe! Ich glaube wir verabschieden uns lieber frühzeitig, sonst gibt es hier noch Mord und Totschlag“, schlug Ciran vor.

„Ja, dass wäre besser. Ich weiß nicht, was ich sonst noch mit diesem Prinz machen werde“, erwiderte der junge Mann.



„Das ist großartig Priester Jikika. Ich danke Euch sehr“, freute sich Samarin und umarmte den Mann flüchtig.

Die beiden saßen immer noch am Schreibtisch des Archivs.

„Ich bin glücklich darüber, dass Ihr Euch so freut. Es ist schon ein kleines Wunder, dass ich herausgefunden habe, wer Eure Mutter wirklich war. Ich hätte auch nicht gedacht, dass sie einer der seltenen Argochonten ist.“

„Was ist das nun eigentlich, ein Argochont und, wie heißt meine Mutter tatsächlich?“

„Viele Fragen auf einmal. Ich beantworte als erstes die einfachste der beiden. Eure Mutter hieß oder heißt Hilika Archinta. Archinta steht dafür, dass sie der Familie der Argochonten angehört. Nun zu der etwas schwerer zu verstehenden Antwort, was ein Argochont ist. Nun Ihr wisst, dass es in diesem Land nicht nur Menschen gibt, sondern auch andere Wesen mit uns zusammenleben. Darunter sind auch die Argochonten. Sie sind Wesen, die zum Teil Menschen sind, aber nur zu einem kleinen Teil und das ist ihr Aussehen. Im Inneren funktionieren sie jedoch ganz anders. Sie haben zwar einen Blutlauf wie wir, versorgen aber dadurch ihren Körper nicht mit ausreichend Energie, sondern nehmen diese direkt durch die Sonne auf.

Sie brauchen sich nur einige Zeit in die Sonne stellen oder unter extra gebaute Maschinen legen und haben wieder Kraft. Sie können auch durch spezielle Übungen die Gedanken von Wesen spüren und ihnen so bei Leiden helfen, die keine Heilerin hätte behandeln können. Auch sind sie nicht so vergesslich, wie wir und sehr schlau. Sie haben ein großes Wissensbedürfnis und können viele Sachen auf einmal behalten. Doch Leider sind sie auf unserer Insel nicht sehr beliebt. Warum weiß ich selbst nicht, denn sie sind sehr nette Geschöpfe und könnten niemandem ein Leid antun. Doch ich glaube, dass dieses Gedankenfühlen die Menschen und andere Wesen in unserem Land abschreckt, denn so etwas können nicht einmal die Heiler. Eure Mutter war jedoch kein reiner Argochont, sondern ein Mischwesen. Ihre Mutter war ein Argochont, aber ihr Vater ein Mensch. Diese Art nennt man dann Argos. Die Argos können alles, was auch Argochonten können, aber sie haben einen Vorteil, sie empfinden wie Menschen. Das fällt den meisten Argochonten sehr schwer, denn sie fühlen sich eher den Tieren verbunden und meiden auch oft die Menschen. In seltenen Fällen kommt es jedoch zu einer Mischhochzeit und dann entstehen diese Argos. Eure Mutter wusste von ihren Fähigkeiten und sie sah voraus, dass ihr Kind umgebracht würde, wenn sie es in dem Geburtshaus zur Welt brachte. Das berichteten einige ihrer Freundinnen. Eure Mutter hatte ihnen davon erzählt. Also floh sie. Es war eigentlich, das einzig Richtige, denn es ist war, dass die Menschen nicht noch mehr Mischgeschöpfe hier haben wollen. Die Babys werden sofort nach der Geburt ertränkt und der Mutter gesagt, dass sie ein totes Kind zur Welt gebracht hätte. Ich dachte mir außerdem gleich, dass Ihr ein Nachfahre dieser Spezies sein müsstet, denn als Ihr hier ankamt, ward Ihr schwach. Ihr wusstet nicht, dass Ihr Sonnenlicht zu Eurer Kräftigung braucht. Ich bin ebenfalls ein Argochont, doch es wissen nur wenige und so konnte ich Euch durch meine Kraft wieder stabilisieren. Pali und die Königin wissen, dass ich kein richtiger Mensch bin, sonst auch niemand. Das ist übrigens ein Grund, warum der Prinz mich nicht besonders Leiden kann. Er mag es nicht, dass ich seine Gedanken sehen und fühlen kann und das ich schon heute weiß, dass er morgen wieder versucht aus meinem Unterricht zu flüchten. Jetzt habe ich erst einmal genug gesprochen. Sagt Ihr nun Eure Gedanken dazu.“

„Es ist so überwältigend. Ich kann es einfach nicht glauben, dass ich kein reiner Mensch bin, sondern ein Mischtypus. Aber warum habe ich das nie bemerkt? Ich war früher auch nicht so schwach, nur weil ich nicht in die Sonne gegangen bin. Allerdings war ich damals auch nie ernsthaft krank gewesen. Ich kann auch nicht fühlen, was andere denken und ich weiß nicht, was in der Zukunft geschehen wird“, überlegte das Mädchen.

„Ihr braucht nur viel Sonne, wenn Ihr schwer krank seid und das war ja der Fall. Sonst reicht Euch das tägliche bisschen Sonne aus, dass jeder von den Menschen braucht. Die besonderen Fähigkeiten, die Ihr bei Euch vermisst, könnt Ihr auch nicht bemerken. Es braucht viel Schulung und Geduld, um diese zu lernen. Da Ihr aber unter Menschen aufgewachsen seid, wurde es Euch nie gelehrt. Ich rate Euch nach Eurer Reise auf eine der Lehrschulen der Argos zu gehen. Damit Ihr bei weiteren Verletzungen nicht wieder so leiden müsst, gebe ich Euch diesen Gajastein mit. Er hilft Euch wieder Kraft zu bekommen.“

„Ich danke Euch Priester Jikika und werde Euren Rat in der passenden Zeit befolgen. Ich danke Euch auch für den Stein und das Ihr Euch so viel Mühe gemacht habt. Aber nun bin ich wirklich sehr müde und ich muss erst einmal das alles verarbeiten, was ich heute von Euch gehört habe“, sagte Samarin und nahm den gelben Stein, der ihr von Jikika hingehalten wurde.

„Das verstehe ich, Fräulein Samarin. Ich werde Euch persönlich zu Eurem Zimmer bringen, damit ich weiß, dass Ihr es gut erreicht.“

„Das finde ich sehr nett. Danke“, sagte das Mädchen und hakte sich beim Priester unter, der ihr den Arm anbot.



„Königin Dalakei, wir möchten uns für heute verabschieden. Wir sind noch sehr müde von der langen Reise, die wir erst heute Mittag beendet haben“, entschuldigte Asyet das frühe Gehen der Freunde.

„Das verstehe ich gut. Pali würdest du unsere Gäste zu ihren Zimmern begleiten?“ erwiderte die Königin.

„Aber gerne Mutter“, antwortete ihr Sohn.

Daniel freute sich überhaupt nicht und ließ dann auf dem Weg durch die vielen Gänge, seiner Wut freien Lauf.

„Wo warst du vorhin mit Samarin und warum ist sie nicht wieder mit zurückgekommen?“ brüllte er los.

„Beruhige dich wieder, Mann! Ich habe sie nur ins Archiv zu Priester Jikika gebracht und bin dann sofort wieder zurück in den Speisesaal gekommen“, verteidigte sich Pali.

„Gnade deiner Seele, dass das die Wahrheit ist. Ich werde Samarin fragen, was sie dazu sagt.“

„Sie wird dir dasselbe antworten.“

„Entschuldige Pali, dass mein Freund so außer sich ist. Aber er liebt nun einmal seine Freundin sehr und ist auf jeden Mann eifersüchtig, der in ihre Nähe kommt. Aber er wird sich jetzt sofort wieder beruhigen und dir keine Vorwürfe mehr machen, nicht wahr Daniel?“ warf Ciran ein und stieß seinen Freund dabei in die Rippen. Der antwortete jedoch nicht und lief nun sehr grimmig hinter den anderen her.

Daniel öffnete leise die Tür, als Pali ihn dort abgesetzt hatte. Er sah Samarin nicht im Bett und bekam schon Angstzustände, dass ihr etwas passiert sein könnte. Doch da erblickte er ein dunkles Bündel, dass auf dem Balkon des Zimmers auf der Erde saß.

„Samarin was ist denn? Warum sitzt du draußen im Kalten?“ fragte er leise.

„Ich kann hier besser nachdenken“, erwiderte sie teilnahmslos.

Daniel setzte sich zu ihr auf den Boden und merkte, dass es empfindlich kalt dort war. Er stand wieder auf und holte eine dicke Decke vom Bett. Diese breitete er auf dem Boden aus und deutete mit der Hand darauf, damit sich Samarin darauf setzte.

„Danke“, war alles, was das Mädchen sagte.

„Was ist nur mit dir los? Du bist so abwesend.“

„Ich habe heute so viel über mich erfahren, ich kann das alles noch nicht begreifen. Bitte Daniel, wenn du bleiben möchtest dann bleib, aber lass mich bitte in Ruhe. Ich bin nicht zum Reden aufgelegt. Ich muss erst meine eigenen Gedanken ordnen, bevor ich mit jemand anderem darüber sprechen kann.“

„Wie du möchtest.“

Der Junge saß noch eine Weile neben seiner Freundin, ging dann aber doch ins Zimmer und legte sich ins Bett. Schon nach kurzer Zeit war er eingeschlafen. Samarin saß noch bis zum Morgengrauen auf der Veranda und grübelte oder starrte einfach nur in den Himmel und zum Mond. Sie hoffte Antworten von ihm zu bekommen, aber wie so oft erwies der Mond sich wieder einmal nur als stummer Zuhörer.

Erst als sich auf dem Hof schon Gestalten regten, ging Samarin ebenfalls zu Bett, doch viel schlafen konnte sie nicht. Als sie merkte das Daniel aufstand, war auch sie wieder wach.

„Guten Morgen, Daniel“, flüsterte sie.

„Guten Morgen. Entschuldige, wenn ich dich geweckt habe. Ich war extra so leise wie möglich“, begrüßte er sie.

„Ich konnte sowieso nicht mehr schlafen.“

„Hast du denn überhaupt geschlafen?“

„Ja, aber nicht mehr als eine Stunde. Ich konnte einfach nicht.“

„Erzählst du mir, was dich so bedrückt?“ fragte der junge Mann vorsichtig.

„Jetzt noch nicht. Heute Abend vielleicht. Jetzt treffe ich mich erst einmal mit Pali. Er will mir alles über sein und nun auch mein Land erzählen“, erwiderte das Mädchen

„Soll ich auf dich warten oder findest du den Weg zum Speisesaal alleine?“

„Geh nur! Ich habe keinen Hunger und werde nicht frühstücken. Ich werde mich ein bisschen im Schloss umsehen und dann den Park besichtigen. Wenn ich mich verlaufe, werde ich schon jemanden finden, der mir helfen kann. Also mach dir keine Sorgen und ich wünsche dir noch Guten Appetit“, meinte Samarin und streckte sich im Bett nach allen Seiten aus.

„Dann wünsche ich dir viel Spaß. Wann sehen wir uns wieder?“ fragte er und hoffte, dass er seine geliebte Freundin nicht zu lange entbehren musste.

„Vor dem Mittagessen nicht mehr. Ich komme dann in den Speiseraum und werde dir Gesellschaft leisten.“

Damit ging Daniel, gab aber Samarin erst noch einen innigen Abschiedskuss.

Das Mädchen blieb noch eine Weile liegen und entspannte sich ein wenig.



„Da bist du ja endlich, Daniel. Wo hast du denn Samarin gelassen? Ich hatte bis jetzt kaum die Möglichkeit mit deiner Freundin zu sprechen. Sie war gestern fast den ganzen Tag nur bei Priester Jikika“, begrüßte die Königin den jungen Mann, als er zur Frühstückstafel kam.

„Ich konnte ja selbst kaum mit ihr sprechen. Sie ist seit gestern so verschlossen und seid gestern Nacht total apathisch“, meinte der Junge.

„Oh, dass tut mir Leid. Pali ist doch später mit ihr verabredet. Wird sie dann wenigstens kommen? Ich hatte nämlich vorgehabt den beiden Gesellschaft zu leisten.“

„Sie sagte es jedenfalls. Jetzt ist sie auf einem Erkundungsgang durch Euren Palast, Dalakei. Sie wollte auch nicht essen, bevor sie dazu aufbricht. Ich wüsste zu gerne, was mit ihr los ist“, grübelte Daniel.

„Wir werden es schon noch herausbekommen. Ich werde später noch mit dem Priester sprechen, vielleicht weiß er genaueres“, sagte die Königin Dalakei.

„Das wäre sehr nett von Euch. Aber nun habe ich erst einmal einen riesigen Hunger.“

„Dann greif nur zu“, forderte ihn die Frau auf, sich etwas von den reich belegten Tellern zu nehmen.

14. Die Entdeckung und Gespräche mit Dalakei

Samarin hatte sich angezogen und schloss gerade die Tür zu ihrem Zimmer. Sie stand auf dem Flur und überlegte in welche Richtung sie gehen sollte und ob es überhaupt Sinn machte alleine durch diese Gemäuer zu laufen. Sie wusste nicht einmal wohin. Aber sie entschied sich doch dafür nicht zu den anderen zu gehen, sondern dass sie den Palastgarten suchen würde, um dort ein bisschen zur Ruhe zu kommen. Wenn man bei diesen vielen Gedanken in ihrem Kopf von Ruhe sprechen konnte. Samarin begriff immer noch nicht ganz, dass sie eigentlich kein richtiger Mensch war, sondern ein Mischwesen, wie der Priester Jikika gesagt hatte. Wie sollte sie das den anderen nur sagen? Sollte Samarin es überhaupt mitteilen? Sie wusste nicht mehr ein noch aus und ob Daniel sie überhaupt noch lieben könnte, wenn er davon erfuhr? Ihr liefen die Tränen über das Gesicht, als sie so durch die Gänge schlich und eigentlich nicht einmal wusste wohin sie überhaupt ging. Vielleicht ging sie auch immer weiter in das Schloss hinein? Eigentlich wollte sie ja hinaus.

Samarins Verdacht zeigte sich immer mehr als bestätigt, denn langsam verschwanden die Fenster in den Wänden und nur noch einige Fackeln erleuchteten die Gänge. Sie hatte sich total verlaufen und war in irgendeinem kaum benutzten Teil des Palastes. Es kam ihr nicht ein einziger Diener entgegen. Wo war sie nur?

Plötzlich hörte Samarin ein seltsames Geräusch. Es kam von einer Tür am Ende des Ganges, auf dem sie lief. Sollte sie ihre Angst überwinden und nachsehen von wem oder was dieses Geräusch kam? Oder sollte sie umdrehen und versuchen in den vorderen Teil des Palastes zurückzugelangen. Sie sprang über ihren Schatten und ging leise auf die große schwere Tür zu. Erst zögerte das Mädchen noch, doch dann öffnete sie die Tür und schrak zurück. Hinter der Öffnung lag ein mächtiger Saal, der seltsam leuchtete. Was war das für ein Raum? Mutig schritt die junge Frau in den Saal und schloss die Tür wieder. Es war unangenehm kalt an der Stelle, wo sie stand. Samarin sah sich um und wunderte sich, denn nirgends war eine Öffnung zu sehen. Sie ging ein paar Schritte nach vorne und sah, dass sie auf einer großen Terrasse stand. An beiden Seiten liefen Treppen hinunter zum Boden. In der Mitte des Bodens brannte ein großes Feuer und jetzt kam es dem Mädchen noch seltsamer vor, dass es in dem Raum so kalt war. Aber das Feuer schien keine Wärme zu verbreiten. Ob hier Menschen lebten?

„Hey, was machst du hier?“ ertönte plötzlich eine Stimme hinter Samarin.

„Ich, ich habe mich verlaufen“, stotterte das Mädchen und drehte sich um.

Vor ihr stand ebenfalls ein Mädchen. Es war kleiner als Samarin, aber nicht unbedingt jünger. Es hatte blonde lange Haare und war in ein langes Kleid gehüllt.

„Das ist aber keine Gegend für dich. Hier kann es für Menschen sehr gefährlich werden. Ich heiße übrigens Asmielle, aber alle nennen mich hier Asmia“, erklärte das fremde Mädchen.

„Ich heiße Samarin und warum ist es hier für Menschen gefährlich?“

„Nun ja, ich weiß nicht, ob ich dir das sagen darf. Weißt du, wir sind hier alle keine richtigen Menschen, wir sind...“

„Argos?“ schnitte Samarin Asmielle das Wort ab.

„Woher weißt du das?“ fragte diese erschreckt.

„Ich bin selbst einer, aber ich kann es immer noch nicht fassen. Ich habe siebzehn Jahre in Unwissenheit in Azieren gelebt und dann erfahre ich hier, dass ich kein richtiger Mensch bin. Aber wieso lebt ihr hier?“

„Du bist ein Argo? Deine Kräfte müssen sehr schwach gebildet sein, denn ich spüre erst jetzt einen leichten Hauch von deinem Wesen. Es ist gefährlich, weil wir nicht sehr gut auf Menschen zu sprechen sind. Sie wollen uns nicht und nur durch die Königin haben wir hier einen Zufluchtsort gefunden. Alle Menschen, die hier ungebeten eintreten werden sofort gefangen und in Löcher gesteckt. Meine Verwandten und Bekannten sind sehr brutal, wenn es um die dort oben geht. Sie könnten unser Versteck verraten“, sagte Asmielle und deutete zur Tür, die in den Flur führte, der nach oben ging.

„Aber warum können euch, oder besser gesagt uns die Shamis nicht Leiden? Es heißt doch, dass sie mit allen Wesen hier friedlich leben. Warum nicht mit den Argos? Sie sind ihnen doch noch am ähnlichsten?“

„Sie haben Angst vor unserer Stärke. Sie meinen wir schaden ihnen, wenn wir unsere Kräfte einsetzen. Ich würde auch gerne an der Oberfläche leben und nicht hier in diesem Verließ.“

„Warum strahlt das Feuer keine Wärme aus?“ fragte Samarin unvermittelt.

„Es ist kein gewöhnliches Feuer, es hat eine besondere Macht, die uns auch unter der Erde leben lässt. Eigentlich brauchen wir viel Sonne, um Kraft zu bekommen. Aber da wir die hier nicht haben, brennt dieses Feuer. Unsere Gelehrten haben es erfunden und wir sind ihnen sehr dankbar, denn sonst würden wir nicht mehr leben.“

„Das ist alles so seltsam. Ich bin so durcheinander...“, sagte Samarin und dann wurde ihr schwarz vor Augen und sie viel gerade noch in die Arme, die Asmielle schnell ausbreitete.



„Daniel hast du Samarin gesehen? Sie wollte sich mit mir und meiner Mutter im Palastgarten treffen, aber sie kam nicht und jetzt ist schon über eine Stunde vergangen“, sagte Pali, als er den jungen Mann endlich im Lesesaal gefunden hatte.

„Was, Samarin ist verschwunden? Ich hätte sie nicht alleine gehen lassen sollen. Ich habe gleich so ein schlechtes Gefühl gehabt“, rief er besorgt.

„Kommst du und hilfst mir suchen?“ fragte der Prinz.

„Ja natürlich. Ich hole noch Ciran und Asyet. Die beiden können uns auch noch helfen“, schlug Daniel vor.

„Das ist eine gute Idee. Wo sind die zwei denn?“

„Gleich im Nebenraum. Sie spielen mit Priester Jikika das Spiel eures Landes. Es heißt, glaube ich, Belago.“

„Dann wundert es mich, dass nicht auch du bei Belago mitspielst. Ich finde das Spiel wunderbar. Wenn wir Samarin gefunden haben, dann sollten wir beide es einmal spielen, wenn du möchtest.“

„Gerne, aber nun müssen wir unbedingt meine Freundin finden“, sagte Daniel noch und lief dann mit Pali aus dem Zimmer.



„Samarin wach doch endlich wieder auf! Was hat sie nur?“ fragte Asmielle und sah dabei einen Mann, der neben ihr saß, an.

„Sie hat einen Schwächeanfall. Sie war bestimmt schon lange nicht mehr richtig in der Sonne. Das Feuer wird ihr aber schon helfen. Sieh, sie kommt zu sich“, antwortete der Mann.

„Wo bin ich? Wer seid ihr?“ fragte das Mädchen verwirrt.

„Du bist unter dem Schloss in der Behausung der Argos. Ich heiße Lograt und bin ein Gelehrter der Argos. Asmia hast du ja schon kennen gelernt“, klärte der Mann Samarin auf.

„Schön, dass du wieder bei dir bist, Samarin. Ich habe mir große Sorgen um dich gemacht“, sagte Asmielle.

„Ich möchte aufstehen. Ich muss dringend nach oben. Meine Freunde warten bestimmt schon auf mich“, erwähnte das Mädchen aus Azieren und versuchte aufzustehen.

„Du wirst noch schön liegen bleiben! Deine Freunde werden noch warten können. Außerdem kann ich dich nicht alleine gehen lassen. Du könntest wieder zusammenbrechen“, sagte Lograt sanft und drückte die junge Frau wieder auf den Boden.

Samarin sah sich nun um und bemerkte, dass sie auf einer weichen Matte lag und mit eigenartigen Stoffen zugedeckt war. Das Feuer war in ihrer Nähe und erfüllte sie mit einer fremden Kraft und einer seltsamen Zufriedenheit.

„Ich habe Jikika rufen lassen. Er wird gleich kommen und dich nach oben bringen“, erklärte der Gelehrte.

„Wieso kann Jikika oben leben und ihr alle nicht?“ fragte Samarin.

„Nun es leben noch mehr Argos an der Oberfläche. Niemand darf davon erfahren, sonst würden sie wahrscheinlich eingesperrt. Jikika ist nur einer von vielen. Nur alle können nicht oben leben. Wir wechseln aber öfters ab. Es werden immer wieder Diener ausgetauscht. Asmia müsstest du eigentlich auch schon gesehen haben. Sie lebt auch zum größten Teil an der Oberfläche. Sie arbeitet als Dienerin für die Königin. Jikika ist aber die größte Ausnahme. Er darf für seine ganze Dienstzeit dort leben, denn er ist einer der schlausten Argos und sehr wichtig.“

„Das ist alles so kompliziert und dafür habe ich jetzt keinen Kopf. Ich werde es mir von Jikika

erzählen lassen. Aber wenn Asmia nach oben kann, dann kann doch sie mich fortbringen.“

„Nein, dass ist zu gefährlich! Asmia benutzt Schleichwege, um ins Schloss zu kommen. Diese wären in deiner Verfassung aber zu anstrengend“, versetzte der Mann.

Samarin sank erschöpft auf ihr Lager. Sie war einfach zu müde um Widerworte zu geben. Kurze Zeit später fiel sie in einen schweren traumlosen Schlaf.



„Wo ist Samarin nur? Wir haben an allen möglichen Orten nachgesehen und nachgefragt. Wo ist sie nur?“ entfuhrt es Daniel und er setzte sich niedergeschlagen auf einen Steinblock im Hof des Schlosses. Ein ebenfalls kraftloser Pali ließ sich neben ihm auf dem Boden nieder.

„Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wo sie noch sein könnte“, sagte der Prinz erschöpft.

Die beiden waren über zwei Stunden in der Burg herumgerannt und waren nun am Ende ihrer Kräfte.

„Habt ihr sie auch nicht gefunden?“ fragte Asyet, die gerade mit Ciran auf die beiden jungen Leute zuging.

Daniel und Pali schüttelten betrübt die Köpfe. Die zwei Neuankömmlinge setzten sich neben Pali auf den Boden.

„Der Priester hat gesagt, dass er auch nach ihr sieht. Vielleicht hatte er ja mehr Glück als wir“, ermutigte der Prinz die Gruppe. Keiner antwortete.



„Samarin, ich bin es Priester Jikika“, sagte der Mann und tippte dem schlafenden Mädchen dabei auf die Schulter.

„Da seid Ihr ja endlich. Bringt mich bitte gleich nach oben, ja? Meine Freunde suchen bestimmt schon nach mir. Außerdem war ich doch mit Pali und der Königin verabredet. Sie werden sehr böse auf mich sein“, sagte sie noch etwas verschlafen.

„Das kann schon alles sein. Aber warum möchtet Ihr so schnell von hier fort? Fühlt Ihr Euch nicht irgendwie besser, als in den anderen Teilen des Schlosses?“

„Ihr habt recht, woher wisst Ihr das?“ fragte Samarin erstaunt.

„Ich bin genauso ein Argo, wie Ihr es seid. Ich weiß, was das Feuer für eine Wirkung hat. Aber natürlich bringe ich Euch sofort zu Euren Kameraden, wenn Ihr das wünscht. Habt Ihr Asmielle schon kennen gelernt?“

„Ja, sie ist sehr freundlich. Ich finde es schrecklich, dass die Argos hier unter der Erde hausen müssen. Wie können die Shamis nur so böse sein?“

„Diese Frage kann ich Euch Leider auch nicht beantworten. Außerdem ist hier auch nicht der richtige Platz dafür. Kommt ich bringe Euch in Euer Zimmer, damit Ihr etwas schlafen könnt“, sagte der Priester und hielt der jungen Frau die Hand hin.

Samarin nahm sie und zog sich nach oben. Dann kam Asmielle auf die beiden Leute zu.

„Schade, dass du schon wieder gehst. Wir haben nicht oft Besuch von Fremden. Ich würde mich freuen dich einmal wiederzusehen“, sagte Asmielle zu Samarin.

„Ich würde mich auch freuen. Vielleicht kommt es ja bald dazu.“

„Es wird bestimmt dazu kommen. Nun gehen wir erst nach oben und geben Euren Freunden Entwarnung“, versetzte Jikika und führte das Mädchen am Arm durch die große Tür, die aus den Lebensräumen der Shami-Argos führte.



„Samarin, da bist du ja! Wo warst du nur die ganze Zeit und warum siehst du so blass aus?“ rief Daniel, als er seine Freundin am Arm des Priesters entdeckte.

„Nicht so viele Fragen auf einmal. Ich erkläre dir später, wo ich war. Aber jetzt werde ich erst in mein Zimmer gehen und schlafen“, sagte die junge Frau und war mit Jikika auch schon wieder verschwunden.

„Was war denn das für ein Auftritt?“ fragte Asyet ganz verwundert über ihre Freundin.

„Das wüsste ich auch gerne. Aber wir werden wohl abwarten müssen. Lasst uns zu Palis Mutter gehen und ihr sagen, dass Samarin wieder hier ist“, meinte Daniel und die kleine Gruppe lief los.



„Ich bin so schrecklich müde, warum nur?“ fragte Samarin den Priester, als sie zum Zimmer des Mädchens kamen.

„Das ist normal, wenn man zum ersten Mal zum Feuer kommt. Ich werde auch immer müde, denn ich halte mich mehr hier oben auf, als unter der Erde“, erklärte Jikika und streckte sich.

„Ich begreife das alles noch nicht. Ich kann mir nicht vorstellen immer unter dem Palast zu leben und als einziges Licht dieses Feuer zu haben.“

„Das ist auch schwer zu begreifen, aber es ist doch besser so zu leben, als zu sterben. Und das würde meinem oder besser unserem Volk geschehen, wenn sie oberhalb leben würden. Einige sehr schlaue Leute dürfen über dem Palast leben. Sie werden gebraucht und wenn nur wenige da sind, merken es die Menschen auch nicht.“

„Warum darf Asmia nach oben, wenn normalerweise nur Gelehrte an der Sonne leben?“ hakte die junge Frau nach.

„Das kann ich dir auch nicht sagen. Die Königin hat es Asmielle erlaubt als Kammermädchen zu arbeiten. Vielleicht fragst du die Königin heute Abend beim Essen danach. Ich glaube sie wird dir gerne mehr darüber sagen. Natürlich nicht direkt beim Essen, sondern wenn sich die Menge zum Schwatz verteilt hat. Ich muss nun Leider gehen. Wir sprechen morgen über deine weiteren Fragen“, sagte Jikika und ging zur Tür hinaus.

Samarin legte sich auf das Bett und versuchte einzuschlafen. Doch es dauerte noch eine Stunde, bis sie endlich Ruhe fand und vor lauter Erschöpfung über ihren Gedanken einschlief.



„Gut das ihr mir gesagt habt, dass Samarin wieder aufgetaucht ist. Ich habe mir wirklich sehr große Sorgen gemacht. Ich hätte es mir nicht verzeihen können, wenn ihr in meinem Palast etwas geschehen wäre“, sagte die Königin Dalakei, als Daniel ihr berichtet hatte.

„Wo ist sie denn jetzt?“ fragte die Herrscherin nach einiger Zeit.

„Samarin? Also meine Freundin ist in unser Zimmer“, antwortete der junge Mann.

„Ich werde schnell zu ihr gehen und nach ihr sehen.“

„Ich komme mit. Ich wollte nämlich auch gerade zu ihr“, erwiderte Daniel.

„Nein, nein, bitte bleib hier. Pali wird mich als Gastgeber vertreten. Ich möchte gerne alleine zu Samarin gehen.“

Damit verschwand Dalakei aus dem Thronsaal und hinterließ nur ratlose Gesichter.

„Warum durfte ich denn jetzt nicht mitgehen? Ich wollte doch auch nur nach meiner Freundin sehen?“ fragte Daniel den Prinzen.

„Ich weiß es nicht, aber meine Mutter wird ihre Gründe haben. Also lasst uns am Tisch Platz nehmen“, entgegnete Pali ausweichend. Er wusste weshalb seine Mutter alleine gehen wollte, aber keiner durfte von diesen Gründen erfahren.



Es klopfte an der Tür, als Samarin die Augen aufschlug und sich verwirrt umsah.

„Herein bitte“, rief sie vom Bett aus und zog dabei ihre Kleidung zurecht.

„Guten Tag Samarin. Daniel sagte mir, dass du hier bist.“

„Königin Dalakei! Woher erhalte ich die Ehre Euren Besuch zu bekommen?“ fragte das Mädchen überrascht.

„Ich möchte mit dir reden.“

Samarin gebot der älteren Frau auf einem Stuhl Platz zunehmen.

„Aber über was möchtet Ihr denn mit mir sprechen?“

„Jikika hat dir gesagt, dass du eine Argo bist?“

„Ja, er hat es mir gesagt. Aber warum wollt Ihr das wissen?“

„Er hat dir nicht alles gesagt...“

„Wie nicht alles gesagt? Es gibt noch mehr Dinge?“ schnitt die junge Frau der Königin das Wort ab.

„Es gibt noch eine Menge von der du nichts weißt. Ich werde wohl mit dem Wichtigsten anfangen. Nun wir wissen mehr über deine Herkunft, als der Priester gesagt hat. Deine Mutter lebte lange unter dem Palast. Sie lernte deinen Vater kennen und bekam dich nach einer schnellen Heirat mit ihm. Vier Jahre lang hat sie dich dort unten aufgezogen, doch sie hatte Angst um dich und wollte nicht, dass du in dieser Behausung leben musst.

Also schickte sie einen jungen Argo mit dir fort. Er sollte dich in Azieren vor eine Tür legen. In Azieren weiß niemand etwas über Argos und wenn sie nicht ausgebildet werden, merkt auch niemand etwas. Nun dieser Mann nahm dich mit und brachte dich in einer dunklen Nacht aus dem Palast.

Heute sehen wir ja, wo er dich untergebracht hatte und wie es dir ergangen ist. Denn der Mann kam nicht wieder zurück. Deine Mutter war schon ganz krank vor Sorge und schlief kaum noch. Dein Vater, der im Schloss als Schmied arbeitete, besuchte sie so oft wie möglich und versuchte sie zu trösten. Kurze Zeit nach deiner „Flucht“ wurde deine Mutter erneut schwanger. Nach vier Monaten brachte sie Asmielle zur Welt. Doch deine Mutter war noch immer durch die Trennung von dir sehr geschwächt und lebte nur noch wenige Wochen nach der Geburt deiner Schwester. Sie starb in großen Schmerzen und rief immer wieder deinen Namen und betete, dass du ein besseres Leben führen würdest als sie. Ich habe alles selbst miterlebt. Ich habe deiner Mutter auch erlaubt dich fortbringen zu lassen. Sie war meine beste Freundin und ich werde sie nie vergessen.

Dein Vater verkraftete es nicht, dass seine geliebte Frau gestorben war und nahm deine Schwester auch nicht an. In seinen Augen war sie Schuld am Tod seiner Frau. Zwei Jahre später fand man ihn tot im Pferdestall, er hatte sich erhangen. Asmia hat nie Verwandte gehabt und ist sehr einsam. Ich besuche sie oft, denn ich fühle mich ihr sehr verbunden und versuchte sie nach den Regeln deiner Eltern zu erziehen. Sie ist jetzt fast vierzehn Jahre alt und sehnt sich sehr nach einer Familie.

Ich dachte schon sie würde ihre Schwester niemals in ihrem Leben sehen. Wer dachte schon, dass gerade du hier her kommen solltest? Doch plötzlich tauchst du auf. Ich hörte deinen Namen und musste sofort an Hilika denken. Ich habe den Namen ihrer ersten Tochter nie vergessen. Ich ließ dich zu Priester Jikika gehen, hatte ihn aber zuvor schon eingeweiht. Er sollte dir irgendeine glaubwürdige Geschichte erzählen. Das hat er auch gut gemacht, doch dann sagte ich ihm, dass er dir noch etwas mehr erzählen dürfe. Aber ich konnte nicht damit rechnen, dass du auf deinem Streifzug gerade zum Argoreich kommen würdest und dann auch noch deiner Schwester über den Weg laufen würdest. Ich wusste, dass ich dir nichts mehr vorenthalten konnte und bin deswegen zu dir gekommen“, erzählte die Frau und war dabei immer mehr in ihren Stuhl gesunken.

„Das kann ich einfach nicht glauben. Ich habe wirklich eine Schwester? Ich habe noch ein Familienmitglied, das lebt? Aber wie furchtbar, dass meine Eltern so kurz hintereinander gestorben sind. Ich hätte sie so gerne wenigstens einmal gesehen. Es ist ein aber Trost, dass ich eine Schwester habe. Können wir noch einmal nach unten gehen? Ich möchte Asmia so gerne gleich sehen. Jetzt wo ich weiß, dass sie meine Schwester ist“, erwiderte Samarin.

„Gerne gehe ich mit dir zu Asmia. Sie wird sich bestimmt sehr freuen dich zu sehen. Ich schätze, dass sie bereits weiß, wer du bist. Sie hat sehr ausgeprägte Fähigkeiten. Komm lass uns gehen.“

Die beiden Frauen gingen hinaus in den Flur und die Herrscherin des Palastes führte Samarin durch unzählige Gänge ins Innere des Schlosses. Samarin hätte den Weg bestimmt nicht noch ein zweites Mal gefunden. Sie glaubte, dass sie irgendeine innere Stimme dorthin geführt haben musste. Wie hätte sie sonst diesen komplizierten Weg finden können?

„So wir sind da. Kannst du dich eigentlich noch an etwas aus deiner frühen Kindheit erinnern?“ fragte die Königin, als sie die Tür zur Unterwelt öffnete.

„Ich kann nur die Sprache sprechen, aber Erinnerungen an früher habe ich keine. Meine erste Kindheitserinnerung ist, dass ich bei meinen Zieheltern auf einem Pony geritten bin. Da war ich aber schon fast zehn Jahre alt. Es ist einfach alles ausgelöscht, was davor war. Ich habe auch bis dahin gebraucht die Sprache des Landes zu lernen. Meine Eltern sind beinahe verzweifelt, weil ich das Noridisch nicht richtig beherrschte und das nach sechs Jahren in ihrer Familie. Könnt Ihr mir nicht ein paar Dinge von meiner Mutter und meinem Vater erzählen? Ich möchte gerne so viel wie möglich von ihnen erfahren“, entgegnete Samarin.

„Wenn wir einmal Zeit dazu haben, mache ich das gerne. Aber nun lerne erst einmal deine Schwester kennen. Sie wird sich bestimmt sehr freuen.“

Dalakei und Samarin gingen durch die Tür und liefen dann hinunter zum Feuer. Dort saß ein Mädchen und sang ein leises trauriges Lied. Samarin erkannte in ihr Asmielle, ihre Schwester.

„Shaka Asmielle. Ich bringe dir jemanden, der dich sehen möchte“, begrüßte die Königin das Mädchen.

„Ich dachte mir, dass ihr bald kommen werdet. Ich habe schon auf euch gewartet“, flüsterte Asmielle.

Die Herrscherin von Schamanah entfernte sich unauffällig und ließ die beiden Schwestern alleine.

„Du bist also meine Schwester. Ich hätte nie gedacht, dass ich eine Verwandte haben könnte“, versetzte Asmielle und bot Samarin an sich neben sie zu setzen.

Samarin sah das andere Mädchen nur an und sagte nichts. Dann nahm sie ihren Mut zusammen und nahm die Jüngere in den Arm. Asmielle fing an zu weinen und schluchzte. Samarin kullerten ebenfalls Tränen über das Gesicht.

„Ich kann einfach nicht fassen, dass du Samarin bist. Königin Dalakei hat oft von dir erzählt und gesagt, dass du bestimmt irgendwann wiederkommen würdest. Aber ich wusste, dass sie log und auch sie keine Ahnung hatte, wo du warst und ob du überhaupt noch lebst“, wisperte Asmielle.

„Ich bin so glücklich dich nun zu haben. Fast mein ganzes Leben war ich nur auf der Suche nach einem Verwandten. Ich wusste jedoch, dass ich in Azieren nie jemanden finden würde. Ich hatte eine Haarspange bei mir, weißt du etwas darüber?“ sagte Samarin unvermittelt.

„Eine Haarspange? Etwa eine wie diese hier?“

Asmia nahm eine blau-weiße Schmetterlingsspange aus ihrem Haar. Die andere bekam große Augen und nickte mit dem Kopf.

„Es ist Mutters Schmuck gewesen. Man hat sie mir vor ein paar Jahren gegeben und seitdem habe ich sie nie wieder abgenommen. Hast du auch solch eine?“

„Ja, ich habe genau dieselbe. Nur im Moment nicht, denn ich habe sie einer Freundin zur Aufbewahrung und Erinnerung gegeben. Dafür hat sie mir ihre Kette gegeben. Wir mussten uns vor einiger Zeit trennen und es war unser Versprechen, uns durch das Zurückbringen dieser Sachen wiederzusehen. Ich bin auch sehr froh, dass ich sie beim Eintritt in Schamanah nicht mehr hatte. Ein Zauberer wollte sie unbedingt. Aus welchem Grund, weiß ich aber nicht.“

„Das ist ein ehrenvolles Versprechen, dass du deiner Freundin gegeben hast. Ich wünschte du hättest den Schmuck bei dir. Ich kann dir sagen, warum der Zauberer die Spange wollte. Diese beiden Spangen sind Werke der großen Zauberin Karasalin. Sie ist die Schwester unserer Mutter gewesen. Zum Abschied, als sie sich auf den Weg zur Kristallstadt machte, gab Karasalin Mutter diese Haarspangen und sagte, dass Mutter sie an ihre ersten beiden Kinder geben sollte. Dann, so heißt es, würden die Kinder die Zauberin finden, wenn ihre Mutter sterben würde. Es würde auch etwas schreckliches in Gang kommen und nur durch die Zauberin und die Kinder ihrer Schwester aufzuhalten sein. Ich weiß jetzt, dass die Zeit soweit ist, dass wir unsere Tante finden müssen.“

„Ich bin gerade auf der Suche nach der Zauberin. Wir waren im Turm des Tamarus gefangen und eine Freundin hat uns geholfen zu fliehen. Nun suchen wir Karasalin. Ich glaube du musst mit uns kommen. Wir brauchen dich und deine Spange, da ich meine ja nun nicht mit mir führe. Außerdem möchte ich dich nicht wieder verlieren“, meinte Samarin.

„Du hast recht, das Beste ist, wenn wir gleich morgen aufbrechen. Dalakei wird das nicht gefallen. Aber wenn wir ihr erklären, dass das Überleben der Welt davon abhängt, wird sie uns gehen lassen. Wir müssen sofort mit ihr sprechen!“ sagte Asmielle und zog ihre Schwester nach oben hin zur Tür.

„Nicht so schnell! Ich kann nicht mehr“, keuchte Samarin, als sie mit Asmielle auf dem Weg nach oben war. Da das Mädchen keine normalen Wege benutzen konnte, gingen die beiden durch zahlreiche Geheimgänge und Türen.

„Wir sind gleich im Thronsaal. Wir müssen jede Minute nutzen, die wir noch haben.“

„Warum bist du auf einmal so überzeugt von der Sache? Hast du schon vorher Bescheid gewusst?“

„Ja, aber das interessiert jetzt nicht. Da ist ja endlich die Tür zum Saal der Königin“, entfuhr es Asmielle und sie öffnete rasch die schwere Holztür.



„Dürfte ich nun zu Samarin gehen?“ fragte Daniel die Königin nach langem Überlegen.

„Ich glaube, dass ist jetzt nicht mehr nötig“, sagte eine Stimme plötzlich.

Sie gehörte Samarin, die gerade mit Asmielle den Saal betrat.

„Oh, da bist du ja. Hast du denn schon genügend Kraft, um wieder aufzustehen? Dalakei sagte, du bist sehr schwach“, erwähnte der junge Mann und ging dabei auf seine Freundin zu.

„Es geht mir gut, sonst würde ich wohl kaum hier stehen“, erwiderte die junge Frau.

Daniel nahm sie in den Arm und fuhr mit seinen Händen durch ihr zerzaustes Haar.

„Dalakei wir müssen mit Euch reden!“ sagte Samarin mit energischer Stimme zu der Frau, die auf dem Thron saß.

„Wir wollen in den Garten gehen. Pali, du musst mich noch einmal vertreten. Ich hoffe ihr seid mit meinem Sohn zufrieden“, versetzte die Königin.

„Aber natürlich. Euer Sohn ist ein hervorragender Gastgeber und wir hatten vorhin schon viel Spaß mit ihm“, meinte Asyet. Sie mochte Pali sehr gerne, denn er war höflich und freundlich und machte viele Späße.

Asmielle, Samarin und Dalakei gingen hinaus in den Garten und suchten sich eine Bank, die im Schatten lag. Die Sonne brannte an diesem Tag erbarmungslos auf den Palastgarten hinunter und wollte auch gegen Abend noch keine Gnade zeigen. Die Luft war sehr schwül und für diese Jahreszeit, es war die Zeit des Ripas, war es unnatürlich heiß. Ripa war eigentlich der Sturmgott und sollte viel Wind und kalte Luft bringen, aber in diesem Jahr war es nicht der Fall.

„Was ist nur mit dem Wetter los? Es sollte eigentlich regnen und stürmen. Doch es ist unerträglich heiß. Warum wolltet ihr mich nun so dringend sprechen?“ fragte die Königin und fächelte sich dabei mit der Hand Luft zu.

„Nun wir müssen noch heute Nacht aufbrechen“, sagte Asmielle klipp und klar.

„Aber warum denn? Warum willst du fort von hier Asmia?“ hakte die ältere Frau überrascht nach.

„Wir müssen gehen! Die Zauberin muss gefunden werden, sonst werdet Ihr noch mehr erleben, als das in der Zeit des Ripas heißes Wetter herrschte. Wenn wir nicht so schnell wie möglich aufbrechen, wird der Zauberer Tamarus zuerst Azieren zerstören und Thallieren. Ganz zuletzt wird er Schamanah noch übel zurichten. Es wird dann nicht nur das Wetter sein, das verrückt spielt, Königin.

Es wird eine schreckliche und nicht vorstellbare Katastrophe über das Land hereinbrechen und niemand kann etwas dagegen machen, wenn wir die Zauberin Karasalin nicht vorher finden.“

„Aber warum musst du dann mit? Ich kann dich nicht gehen lassen, du bist zu gefährdet in der Oberwelt“, sagte Dalakei zu Asmielle gewandt.

„Ich werde gehen und Ihr könnt nichts daran ändern. Ich muss Samarin und ihren Gefährten helfen Karasalin zu finden. Sie ist unsere Tante, davon wusstet Ihr nichts. Mit Hilfe meiner Haarspange können wir sie in der Kristallstadt finden. Samarin hat den selben Schmuck, doch trägt sie ihn nicht bei sich und hat keine Chance unsere Tante zu finden. Ich werde gehen und wir werden gleich packen“, antwortete das Mädchen überzeugt.

„Ich kann wohl nichts daran ändern und werde euch ziehen lassen. Mein Land ist mir wichtig und ich kann nicht zulassen, das es zerstört wird. Geht und sagt den anderen Bescheid. Packt schnell, damit ihr noch vor dem Sonnenuntergang aus dem Palast kommt. Es ist bestimmt nicht gut, wenn zu viele sehen, dass ihr so überstürzt abreist. Es wäre zu auffällig, wenn ihr in der Nacht abreist, die Wachen würden sich wundern und Gerüchte verbreiten sich schnell im Palast, egal welche.“

Der Königin standen die Tränen in den Augen und sie ließ Asmielle nicht gerne gehen. Sie fühlte sich seit dem Tod ihrer Mutter für das Mädchen verantwortlich. Würde sie Asmielle je wiedersehen?

Samarin war die ganze Zeit still gewesen und bestärkte auch jetzt nur mit wenigen Worten die Aussage ihrer Schwester. Sie war irgendwie verwirrt darüber, dass ein Mädchen, das noch jünger als sie war, so viel Überzeugungskraft hatte. Sie bewunderte ihre Schwester und hätte nie gedacht, dass sie wirklich jünger war als sie selbst. Als Samarin sie das erste Mal sah, meinte sie sogar, das Mädchen wäre älter als sie. Im Geiste war sie das wahrscheinlich auch, nur die Jahre waren weniger, die Asmielle zählte.

Also gingen die beiden hinein in den Thronsaal. Dalakei blieb auf der Bank sitzen. Sie wollte nicht, dass jemand ihre Tränen sah.

15. Neue Weggefährten und der erste Kontakt zu Karasalin

„Daniel, Asyet, Ciran packt schnell eure Sachen! Wir brechen noch heute auf und gehen auf die Suche nach der Zauberin. Ich werde euch auf unserer Reise alles erklären, denn jetzt haben wir keine Zeit dazu“, rief Samarin zu ihren Freunden und scheuchte sie auf. Die liefen schnell zu ihren Zimmern und packte ihre wenigen Habseligkeiten zusammen. Zu ihrer Verwunderung fanden sie eine Menge neue Kleider und Schuhe auf ihren Betten. Sie mussten aus der Hofschneiderei stammen, denn sie trugen alle das Zeichen des Palastes. Die Mädchen zogen sich noch eilig geeignete Reitkleidung an und schon nach einer halben Stunde standen sie wieder vollzählig im Saal der Königin. Nur Asmielle fehlte noch. Doch die Freunde von Samarin wussten noch nicht, dass sie nun noch eine Begleiterin hatten und fragten warum sie noch länger warten mussten, wenn Samarin es doch so eilig hatte.

„Wir warten noch auf das Mädchen, das vorhin bei mir war. Sie wird uns begleiten. Fragt nicht warum, ich sagte schon ich erkläre später alles“, versetzte Samarin.

„Schade, das ihr schon geht. Ich hätte euch gerne noch etwas länger im Palast gehabt. Ihr seid die ersten Leute gewesen, die ich Freunde hätte nennen können, wenn ich euch noch näher kennen gelernt hätte“, sagte Pali traurig.

„Wir können nichts daran ändern. Deine Mutter wird dir bestimmt alles erklären, weshalb wir gehen müssen“, sagte Asyet und drückte ihm dabei die Hand.

Asmielle kam nach einiger Zeit auch zu der Truppe. Sie war wie die anderen Mädchen in Hosen gekleidet und trug dazu ein seltsam leuchtendes Hemd. Die Freunde starrten sie an, sagten aber nichts. Sie wollten den Aufbruch nicht noch länger verzögern.

„Ich freue mich, wenn ihr uns bald wieder besucht. Ich wünsche euch auch alles Glück der Welt auf eurer gefährlichen Reise“, verabschiedete sich die Herrscherin des Schlosses, die zurück in den Thronsaal gekehrt war. Sie gab jedem noch einmal die Hand.

„Wir freuen uns auch Euch einmal wiederzusehen“, sagte Daniel stellvertretend für die anderen.

Somit verließen die Freunde den Palast und ritten in das Zentrum des Landes. Sie waren gerade eine Stunde geritten, als sie plötzlich Pferdegetrappel hinter sich hörten.



„Wer kommt da bloß hinter uns her? Hoffentlich keine Banditen“, flüsterte Asyet.

Ciran wollte gerade etwas sagen, als sie der fremde Reiter einholte.

„Pali?“ riefen alle erstaunt.

„Ja, ich bin es. Ich wollte mit euch kommen, aber meine Mutter hätte es mir nie erlaubt. Also stahl ich mich heimlich aus dem Palast“, sagte der Reiter.

„Aber deine Mutter wird dich suchen lassen“, erwähnte Asyet.

„Das wird sie hoffentlich nicht. Ich habe ihr einen Brief geschrieben. Darin steht, dass ich euch begleite und sie mich nicht zurückholen lassen soll. Ich schrieb, dass ich nicht länger im Palast leben könnte, wenn Asmia nicht mehr da wäre.“

„Wieso hast du das getan? Deine Mutter weiß nun, dass wir uns lieben und es wird dir schlecht ergehen, wenn du eine Argo liebst. Das du ein Prinz bist hast du wohl vergessen? Der Thron darf nur von einer Frau bestiegen werden, also von deiner Ehefrau. Meinst du, dass sie mich haben wollen? Ich bin Abschaum für die Menschen. Ich bringe dir nur Unglück. Warum liebst du mich nur?“ schluchzte Asmielle.

„Ich liebe dich und daran wird sich nichts ändern. Ich bin der Prinz und dann bestimme auch ich, ob eine Argo den Thron besteigen darf oder nicht. Ich will dich nicht verlieren, verstehe mich doch!“

„Ich begreife jetzt gar nichts mehr. Was ist ein Argo und wieso darf Asmia nicht Königin werden?“ fragte Ciran verwirrt.

„Ein Argo ist kein normaler Mensch. Er sieht nur so aus und fühlt wie ein Mensch, aber im Inneren ist er anders und er hat besondere Fähigkeiten. Die Shamis hassen uns Argos. Wir sind durch Mischehen zustande gekommen und werden zwar von Generation zu Generation immer menschlicher, aber den Menschen sind wir es noch nicht genug. Wir haben heilende Kräfte und können die Gefühle und Gedanken der anderen sehen. Samarin ist meine Schwester und ebenfalls eine Argo. Sie wusste es nie und hat auch keine ausgeprägten Fähigkeiten“, erklärte Asmielle nüchtern.

„Ich hoffe du liebst mich trotzdem noch, auch wenn ich kein richtiger Mensch bin“, flüsterte Samarin Daniel zu.

„Ich werde dich immer lieben. Mich interessiert genauso wenig wie Pali, ob du eine Argo oder sonst ein anderes Wesen bist. Für mich zählt nur deine Ausstrahlung und deine Art, sonst ist mir alles egal“, sagte Daniel und legte seine Hand auf ihre Schulter.

Er hätte sie gerne in den Arm genommen, doch das ging auf den Pferden schlecht, aber so zeigte er ihr wenigstens eine kleine Geste der Zuneigung.

„Ich werde euch begleiten, wenn ihr mich lasst“, meinte Pali unvermittelt.

„Wir können dich schlecht einfach wegschicken, wenn doch das Mädchen, das du liebst, bei uns ist“, erwiderte Ciran.

„Aber du bringst dich in Gefahr. Ich liebe dich und ich möchte nicht, dass du wegen mir verletzt wirst. Alle hassen uns Argos und ich kann nicht zulassen, dass der einzige Sohn der Königin keine angemessene Frau bekommt. Gehe lieber zurück und suche dir eine Prinzessin und vergesse mich für immer“, wisperte Asmielle.

„Nein, das werde ich nicht tun. Du wirst mich nicht so einfach los. Mir ist egal, ob es jemanden stört, dass ich dich liebe.“

Damit ritt Pali weiter und die Gruppe setzte sich auch wieder in Gang. Asmielle ritt nach einiger Zeit voraus zu Pali und sie führten leise ein langes Gespräch.

Asmielle musste von ihrem Geist her wirklich viel älter sein. Samarin konnte sich nicht vorstellen, dass ein vierzehnjähriges Mädchen so sprechen würde. Ihre Ziehschwester Discha war auch gerade in Asmielles Alter, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass Discha genauso sprechen würde wie ihre richtige Schwester.

„Wie wollen wir nun weiter vorgehen?“ fragte Asyet ihre Freundin.

„Ich weiß es auch nicht. Wir sollten uns mit Asmia unterhalten. Ich glaube sie weiß am besten Bescheid“, schlug Samarin vor.

„Daniel, lass uns Rast machen. Wir wollen unseren Wegplan besprechen“, rief sie dann zu ihrem Freund, der mit Ciran nun ganz vorne ritt.

Der Mann zügelte sein Pferd und ließ sich zu seiner Freundin zurückfallen.

„Welchen Wegplan? Wir haben doch eigentlich gar keine Ahnung, wo wir hinreiten sollen“, meinte er zu Samarin.

„Genau deswegen sollten wir anhalten. Ich denke, dass meine Schwester eine ziemlich große Ahnung davon hat, wohin wir gehen sollen.“

„Alle Mann anhalten! Wir rasten hier“, schrie Daniel und die kleine Truppe zügelte ihre Pferde.

Asyet und Samarin breiteten schnell ein paar Decken zum Sitzen aus und stellten auch etwas zu Essen und zu Trinken darauf. Über den Sitzplatz spannten sie ein großes weißes Tuch, das sie vor dem starken Wind, der plötzlich aufkam, schützen sollte.

„Warum ist es auf einmal so kalt? Das Wetter spielt wirklich verrückt“, sagte Samarin, als sie alle unter dem notdürftigen Zelt saßen.

„Das ist eigentlich das richtige Wetter für diesen Monat, aber das es nun so überraschend hereinbricht hätte ich nicht gedacht“, meinte Pali.

Sie aßen ein karges Mahl, was für Pali sehr ungewohnt war und sein Magen danach immer noch knurrte.

„Ich hätte nie gedacht, dass man mit so wenig Essen auskommen kann. Ich bin es gewohnt immer so viel zu haben, dass man es gar nicht alles essen kann. Ich glaube, ich muss mich erst daran gewöhnen, dass es nicht mehr so viel geben wird auf dieser Reise“, stellte der Prinz fest, als alle fertig waren.

„Nun als Reisender musst du dich auf vieles einstellen. Es kann auch vorkommen, dass du überhaupt nichts zu essen bekommst oder Tage nichts zu trinken“, erklärte Ciran.

„Oh nein, es fängt auch noch an zu regnen. Heute Nacht werden wir wohl nicht mehr weiterkommen. Eine gute Gelegenheit, um über unsere Pläne zu sprechen“, erwähnte Samarin und sah dabei ihre Schwester an.

„Also ich würde sagen, dass wir...“, wollte Daniel anfangen und wurde aber durch Asmielle unterbrochen.

„Schön, dass du dir Gedanken gemacht hast, aber ich glaube, dass meine Überlegungen besser sind. Ich will nicht angeberisch sein, aber ich weiß fast ganz genau, wie wir die Zauberin finden werden. Sie ist Samarins und meine Tante. Meine Haarspange wird uns dabei helfen. Ich kann mit ihrer Hilfe zu unserer Tante sprechen. Natürlich nur über die Gedanken, aber sie kann uns leiten und so werden wir auch die Kristallstadt finden.“

„Samarin, du hattest doch den selben Haarschmuck. Du hast ihn Mariet gegeben und es ist doch auch die Spange, die Tamarus haben wollte. Ist das vielleicht der Grund, dass er sie haben wollte?“ fragte Asyet.

„Asmia glaubt ja. Dann hätte ich ebenfalls die Möglichkeit gehabt den Weg zu finden, auch wenn ich es ohne Asmia nie erfahren hätte. Tamarus wollte sicher gehen, dass wir nie bei der Zauberin ankommen. Zum Glück hatte ich sie nicht mehr. Ich hoffe nur, dass Mariet nicht in Gefahr ist.“

„Deiner Freundin geht es gut. Sie ist zwar etwas bedrückt, weil sie sich große Sorgen um dich macht, aber sonst geht es ihr gut“, meinte Asmielle.

„Woher weißt du denn das? Mariet ist meilenweit von hier entfernt. Deine Kraft kann doch nicht so weit reichen?“ hakte ihre Schwester nach.

„Doch, ich bin eine der wenigen Argos, die fähig sind sehr weit zu anderen in ihre Gedanken einzudringen. Sei unbesorgt deiner Freundin geht es gut und sie wird auch nicht von Tamarus bedroht werden.“

„Nun gut. Jetzt sag uns, wie du vorgehen möchtest“, rief Daniel etwas ungeduldig.

„Also da gibt es nicht viel zu sagen. Wenn ihr schlaft, werde ich durch die Spange zu Karasalin sprechen und mir von ihr den Weg zur Kristallstadt sagen lassen. Ihr habt keine Karte von Schamanah, oder?“

Daniel, Samarin, Asyet und Ciran verneinten, doch Pali sprang auf und holte ein Stück Papier aus seinem Rucksack.

„Hier, ich habe sicherheitshalber eine Landkarte mitgenommen. Es ist eine sehr ausführliche Karte, sie müsste uns eigentlich weiterhelfen können.“

„Danke, dass ist wirklich gut, dass du daran gedacht hast“, erwiderte Asmielle und ihre Hand berührte leicht die des Prinzen.

Um Asmielle es zu ermöglichen mit der großen Zauberin Kontakt aufzunehmen, gingen die anderen schon früh schlafen.

Asmielle setzte sich in die Mitte des improvisierten Zeltes und legte die Haarspange vor sich auf den Boden. Um den Schmuck herum legte sie noch geheime Kräuter der Argos und eine schwarze Rose, die ihrer Mutter gehört hatte.

„Karasalin, meine Tante, die größte Zauberin der bekannten Welt, ich rufe dich“, flüsterte das Mädchen vor sich hin. Sie kreuzte ihre Zeigefinger und legte sie auf die Spange.

„Wer ruft mich da? Ich habe Euren Namen nicht verstanden“, ertönte plötzlich eine helle und schöne Stimme in den Gedanken des Mädchens.

Asmielle starrte gebannt auf das blaue Licht, das aus der Haarspange strahlte.

„Ich bin es, deine Nichte Asmielle, die Tochter deiner Schwester Hilika.“

„Du bist die Tochter meiner Schwester? Ich freue mich dich kennen zu lernen. Aber du musst einen Grund haben mit mir in Gedanken zu sprechen, was ist geschehen? Ist meine Schwester gestorben?“

Karasalin war zwar eine große Zauberin, aber alle Personen die in der Kristallstadt lebten waren abgeschnitten von der Außenwelt und wussten nicht, was in der Welt der Sterblichen vor sich ging.

„Sie ist schon seit langer Zeit tot. Ich spreche mit dir, weil ein großes Unheil auf unsere Welt zukommt. Meine Schwester Samarin und ich haben uns nach langer Zeit wiedergefunden und nun müssen wir auf dem schnellsten Wege zu dir gelangen. Du musst uns helfen das Land vor dem bösen Zauberer Tamarus zu retten.“

„Dieser Bastard Tamarus. Hat er wieder etwas ausgeheckt? Ich habe schon immer gesagt ihm ist nicht zu trauen, aber keiner wollte mir Glauben schenken. Was hat dieser Schandfleck von einem Zauberer vor?“

„Er will zuerst Azieren an sich bringen und danach auch in allen anderen Königreichen die uns bekannte Ordnung zerstören. Der König von Azieren wollte ihn nicht mehr als Kriegszauberer haben und Tamarus wurde sehr wütend, da er nach Alabatan verbannt wurde. Er schwor Rache und wird sie bald bekommen, wenn du uns nicht helfen kannst. Tante Karasalin, du bist unsere letzte Hoffnung!“

„Natürlich werde ich helfen. Es ist meine Pflicht und außerdem helfe ich gerne, wenn es um meinen Erzfeind Tamarus geht. Nur kann ich nichts unternehmen, solange ihr nicht persönlich hier in der Kristallstadt seid, denn keiner kann die Stadt verlassen, wenn nicht ein Sterblicher mit einem Auftrag es hierher schafft. Wie viele seid ihr in eurer Gruppe?“

„Wir sind drei Mädchen und drei Jungen. Der Prinz von Schamanah ist darunter, er möchte uns auch helfen.“

„Das ist gut. Ihr seid genügend, um die schwere Reise zu mir zu überstehen. Ich sage dir nun die ersten beiden Städte durch die ihr reiten müsst, um zu Kristallstadt zu kommen. Nur wenn ihr die Reihenfolge genau einhaltet werdet ihr zu mir finden. Es sind insgesamt sieben Städte, durch die ihr kommen müsst, um am Ende von Schamanah die Kristallstadt zu finden. Macht ihr nur einen Fehler, werdet ihr am Ende nicht mich, sondern den Tod finden. Also macht alles richtig. Ich möchte nicht, dass meine einzigen Nichten sterben und damit auch die Hoffnung für die ganze euch bekannte Welt. Hier nenne ich dir die beiden Städte: Darina und Hujikana. Seid ihr in Hujikana, spreche wieder zu mir. Nun wünsche ich euch viel Glück und bis bald.“

Das Licht war verschwunden. Die Stimme der Zauberin verklungen und Asmielle saß wie betäubt vor ihrem Haarschmuck. Sie konnte es nicht fassen, dass es wirklich geklappt hatte. Jetzt musste ihnen nur noch die Reise in die beiden Städte gelingen. Asmielle nahm sich die Landkarte zur Hand und suchte Darina und Hujikana. Die erste Stadt war mindestens noch zwei Wochenritte entfernt. Von dort waren es noch einmal zehn Tagesritte bis zur zweiten Stadt. Sie konnten sich auf eine lange Reise gefasst machen, wenn alle Städte soweit auseinander lagen. Schamanah musste größer sein, als das Mädchen immer dachte. Asmielle steckte sich ihre Spange wieder ins Haar und suchte sich einen Platz zum Schlafen. Sie legte sich neben Asyet, dort war der einzige freie Raum.

16. Das Beben, der Heilige Torian und Darina

Das Mädchen fiel in einen unruhigen Schlaf. Sie träumte von ihrer Tante, obwohl sie diese noch nie gesehen hatte. Sie stellte sie sich in ihren Träumen als eine wundervolle, sanfte und hübsche Frau vor, so wie sie sich immer ihre Mutter vorgestellt hatte, als sie noch ein Kind war und sich so sehr nach ihr sehnte. Sie erwachte schon früh am Morgen, es dämmerte erst. Sie verließ das Zelt und sah auf den immer höher steigenden Sonnenstreifen am Himmel. Das Wetter war wieder freundlicher geworden und es wehte nur noch eine leichte Brise. Trotzdem fror Asmielle, sie fühlte eine innere Kälte in sich und wusste nicht warum. Irgendwie fühlte sie, dass etwas Böses auf die Gruppe zu kam, das besonders nach dem Leben von Samarin und ihr trachtete. Dieses schöne Wetter sollte sie bestimmt nur verwirren und leichtsinnig machen. Das Mädchen musste die anderen warnen und sie um Vorsicht bitten.

Asmielle stand lange vor dem Zelt und starrte in die Sonne, die nun fast den ganzen Himmel ausfüllte.

„Schwester, was machst du da?“ rief Samarin, als sie aus der Zeltöffnung tauchte.

„Ich beobachte den Himmel. Sag deinen Freunden, sie sollen so schnell wie möglich alles zusammenpacken. Wir müssen dringend weiter. Es kommt etwas Schlechtes auf uns zu, wenn wir nicht fliehen, wird es uns alle töten. Besonders dich und mich, denn wir sind die Nichten der Zauberin und gefährlich für Tamarus. Er wird alles daran setzen die Spange zu bekommen und uns in seine Gewalt. Nur mit unserer Hilfe könnte er in die Kristallstadt kommen und wir sind in der Lage die Prophezeiung zu erfüllen. Wir müssen uns beeilen“, sagte Asmielle flehend zu ihrer älteren Schwester.

„Ich werde es den anderen sagen und wir werden uns beeilen. Da ich weiß, dass wir auf dein Gefühl hören sollten, aber habe keine Angst. Wir sind Tamarus schon zweimal entkommen und wir werden es auch noch ein drittes Mal schaffen“, meinte Samarin und legte Asmielle leicht die Hand auf die Schulter. Sie ging nach dem Gespräch in ihre Unterkunft zurück und weckte die noch fest schlafenden Freunde.

Nach kurzer Zeit saßen die Jugendlichen schon in ihren Satteln und ritten in schnellem Tempo voran.

„Ich bin noch so müde. Hoffentlich schlafe ich nicht auf dem Pferd ein“, nörgelte Pali, der frühes Aufstehen überhaupt nicht gewohnt war. Im Palast stieg er vor elf Uhr nicht aus den Federn und heute musste er um fünf Uhr früh aufstehen.

„Du wirst dich schon noch daran gewöhnen. Wir sind es schon vom Roten Haus gewöhnt, dort schläft man nie sehr lange. Samarin und Asyet sind auf einem Bauernhof aufgewachsen, da fängt der Tag auch schon früh an. Wie geht es dir Asmielle? Bist du auch noch so müde wie Pali?“ meinte Ciran.

„Ich schlafe immer wenig. Ich brauche auch nicht so viel Schlaf, wie ein normaler Mensch. Mir würden schon zwei oder drei Stunden reichen, um wieder munter zu sein“, erklärte das Argo-Mädchen.

„Jetzt weiß ich auch, warum ich nie viel schlafen musste. Meine Zieheltern sind wegen mir fast verrückt geworden. Meine Geschwister waren kaum aus den Betten zu bekommen und ich tollte schon früh am Morgen im Haus herum“, fügte Samarin hinzu.

„Ich muss mich wirklich erst noch daran gewöhnen, dass ihr beiden Schwestern seid und das ihr andere Fähigkeiten habt, als die Menschen“, sagte Daniel.

„Ich habe bis jetzt keine besonderen Fähigkeiten. Ich bin nicht darin ausgebildet. Zur Zeit ist es nur Asmia, die Gedanken lesen kann. Wo reiten wir eigentlich hin? Wir sind nun schon über eine Stunde unterwegs und du hast uns noch nicht gesagt, was unser Ziel ist und was die Unterredung mit unserer Tante gebracht hat“, versetzte Samarin und sah auf ihre Schwester, die ganz in Gedanken versunken auf ihrem Pferd Morgentau ritt.

„He, Schwester, hast du mich gehört?“ fragte Samarin schon etwas gereizt.

„Natürlich habe ich dich gehört! Du bist auch nicht zu überhören. Außerdem sind deine Gedanken so laut, dass du sie noch nicht einmal hättest aussprechen brauchen.

Wir reiten nun nach Darina. Es wird bestimmt keine einfache Reise. Wenn wir schnell voran kommen, brauchen wir mindestens zwei Wochen. Soweit ich fühle, kommt das Böse uns immer näher und ich glaube, dass es nicht zu vermeiden ist, dass wir mit ihm zusammentreffen. Wir werden kämpfen müssen, damit der Zauberer uns nicht vernichtet. Ich weiß zwar nicht, was er auf uns gehetzt hat, aber es ist etwas sehr schreckliches. Ich wünsche, dass wir Darina trotzdem ohne zu großen Schaden erreichen. Wenn das der Fall ist werden wir nach Hujikana reisen. Dort muss ich wieder mit Karasalin sprechen, um die nächsten Städte zu erfahren. Betet zu euren Göttern, dass wir alles richtig machen. Denn erreichen wir eine Stadt zur falschen Zeit, so werden wir am Ende von Schamanah nicht die Zauberin finden, sondern den Tod“, erwiderte Asmielle und sah wieder nach vorne, so das niemand mehr eine Frage stellte.

Asmielle sollte bald recht bekommen mit ihrer Ahnung. Die Gruppe hatte gerade ihr Zelt aufgebaut, als die Erde anfing zu beben.

„Was ist das?“ schrie Asyet plötzlich, denn die Luft vibrierte und man hörte auch ihr Schreien kaum.

„Es ist Tamarus’ Unheil. Er wird uns zu trennen versuchen und die Erde wird sich in kurzer Zeit auftun. Sie wird an vielen Stellen aufbrechen. Nehmt eure Sachen und eure Pferde und versucht Darina zu erreichen. Reitet nach Osten. Wir werden uns verlieren, versucht aber alle in die Stadt zu gelangen. Jeder, der ankommt, soll zum Platz des Friedens gehen“, rief Asmielle noch und schon fing es an zu krachen, der Himmel verdunkelte sich und die Erde zeigte schon erste Risse.

Jeder packte schnell seinen Rucksack und sprang auf sein Pferd. Durch die Dunkelheit verloren sie sich wirklich und keiner war mehr in der Nähe des anderen. Die Pferde galoppierten über riesige Erdspalten und mussten Bäumen ausweichen, die von überall herunter knickten.

Samarin dachte, dass Unwetter würde kein Ende nehmen, doch dann erblickte sie, dass eine Stadt vor ihr auftauchte. Dort war das Wetter friedlich und normal. Sie ritt wie durch Geisterhand angetrieben so schnell sie konnte auf diesen Lichtfleck in der Dunkelheit zu.

Sie war nicht die Einzige, die das Lichtfeld entdeckt hatte. In der Helligkeit standen schon Daniel, Ciran und Asyet. Als sie die Freunde erreichte, kam kurze Zeit später auch ihre Schwester Asmielle zu ihnen. Es fehlte nur noch Pali, aber vielleicht war er auch schon vor ihnen hier gewesen und nach Darina geritten.



Doch nein, in der Schwärze des unnatürlichen Gewitters und Erdbebens tauchte eine Gestalt zu Pferd auf. Es war Pali. Er wollte zu der Gruppe, doch kurz vor seinem Ziel tat sich ein mehrere Meter großes Loch in der Erde auf. Der Junge sah es nicht und wollte weiterreiten.

„Pali, nein! Du wirst stürzen, siehst du das Loch denn nicht?“ schrie Asmielle ihrem Freund zu.

Doch der Junge sah nur noch sein Ziel vor Augen und achtete nicht auf seine Umgebung. Erst einige Meter davor bemerkte er den riesigen Spalt, aber er konnte sein Tier nicht mehr zügeln. In großer Eile sprang er von seinem geliebten Pferd herunter und blieb am Abhang bewusstlos liegen. Sein Tier fiel mit voller Geschwindigkeit in den Spalt und starb.

„Wir müssen ihm helfen! Er wird sterben. Seht, der Rand rutscht immer mehr weg und Pali wird herunterfallen“, schrie Asmielle verzweifelt. Sie wollte nicht zusehen, wie ihr geliebter Freund starb.

Samarin betete auf einmal zu einem der Engel: „Heiliger Torian, wir brauchen deine Hilfe. Ein wahnsinniger Zauberer will deine heilige Erde zerstören und durch ihn auch noch ein Menschenleben töten. Lass das nicht zu, Schutzengel der Erde, rette unseren Freund und vertreibe diese schreckliche Katastrophe.“

„Was redest du da? Samarin, bist du etwa gläubig? Kein Argo glaubt an Engel“, brüllte ihre Schwester der Verzweiflung nahe.

„Aber ich glaube daran. Heiliger Torian, bitte hilf uns!“

Nach diesen Worten war das Gewitter wie durch Zauberhand verschwunden.

„Ich habe euch nur geholfen, weil ihr eine wichtige Mission und Prophezeiung zu erfüllen habt und der Prinz des Landes ist genauso wichtig dafür, wie ihr anderen. Lasst es euch wohl ergehen und geht den Schwierigkeiten etwas früher aus dem Weg. Die Engel helfen nicht immer und ihr habt schon ziemlich viel Hilfe von uns in Anspruch genommen“, ertönte eine alles umfassende Stimme. Man konnte nicht sagen, woher sie kam, sie war einfach überall. Die Luft bebte von ihrem Widerhall und jedem der Freunde zog ein Schreck durch die Glieder.

„Wir danken dir Heiliger Torian. Ich bitte um Verzeihung, dass wir euch Engel wütend gemacht haben. Ich werde versuchen nicht mehr eure Hilfe zu erbitten“, rief Samarin der Stimme zu. Torian war der einzige Engel, der keine menschliche Gestalt hatte. Er war einfach da, in der Luft, in der Erde und im Wasser. Man konnte ihn nur fühlen aber nicht sehen.

„So war das nun auch nicht gemeint, Samarin. Ich bin sehr stolz auf dich und du hast uns Ehre erwiesen. Ich werde bei unserem Vater Mond ein gutes Wort einlegen und dir gestatten uns noch vier Mal um Hilfe zu bitten. Beim fünften Mal müsst ihr euch entweder selbst retten oder sterben.“

Das Wort „Sterben“ klang noch lange in der Luft. Jedem war plötzlich kalt ums Herz geworden und erst nach einiger Zeit dachten sie wieder an Pali, der ja immer noch an der Erdspalte lag.

„Wie sollen wir ihm helfen? Er ist so weit von uns entfernt“, stellte Asmielle fest.

„Er kommt wieder zu sich! Wenn er gut klettern kann, kommt er auch alleine über die Kluft“, meinte Daniel.

„Pali, geht es dir gut? Kannst du selbst zu uns kommen?“ fragte Asmielle.

„Ja, ich schaffe es schon“, schrie dieser zu den anderen herüber und begann zu klettern. Nach kurzer Zeit hatte er es auch geschafft und fiel vor der Gruppe aus Erschöpfung auf den Boden.

„Geht es dir wirklich gut? Dein Sturz sah sehr gefährlich aus“, fragte Asmielle zur Sicherheit noch einmal nach.

„Mir geht es wirklich gut. Ich bin nur noch ein bisschen benommen. Der Boden war nicht gerade weich. Aber ich habe nun kein Pferd mehr. Ich bin so traurig, dass ich mein Pferd Sajikani verloren habe. Er war am Hof mein bester Freund, wenn man von meiner Liebe zu Asmia absieht“, meinte der Prinz.

„Das ist jetzt nicht so wichtig. Es zählt nur, dass du noch lebst. Wir werden in Darina ein neues Pferd für dich erstehen. Ich hoffe unser Geld reicht dafür noch aus“, sagte Ciran und holte einen Lederbeutel aus seiner Jackentasche.

„Ihr braucht euer Geld nicht zu zählen! Ich habe mir selbst ein paar Dionen mitgenommen. Es wird für ein neues Tier reichen. Außerdem, glaube ich, dass ihr auch keine Dionen hättet, oder habt ihr Geld umgetauscht?“

„Nein, aber wir dachten, dass sie hier auch Galas nehmen“, versetzte Ciran.

„Das könnt ihr vergessen! Die Händler hier hassen euer Geld. Es ist sehr schwer es umtauschen zu lassen. Manchmal muss man erst zu uns ins Schloss kommen, um jemanden zu finden, der Galas nimmt.“

„Das wussten wir nicht, aber deine Mutter hat uns auch ein paar Dionen und Musikas mitgegeben. Wir werden hoffentlich damit auskommen“, ergänzte Ciran noch.

„Dann ist es ja gut. Lasst uns endlich diesen schrecklichen Ort verlassen. Mir scheint, als würde noch etwas geschehen, wenn wir nicht schleunigst von hier verschwinden“, meinte Asmielle und setze Morgentau in Gang. Auch die anderen spornten ihre Pferde an, um diesen verwüsteten Platz zu verlassen. Pali ritt nun erst einmal mit Daniel auf einem Pferd. Überall ragten nun Löcher in der Erde auf und fast alle Bäume waren umgefallen. Es sah aus wie auf einem Schlachtfeld.



„Woher kommt Ihr und was wollt Ihr in Darina?“ fragte ein mürrisch drein blickender Soldat am Haupttor der Stadt.

„Wir sind Reisende und wollen nur für eine Nacht Rast in Eurer Stadt einlegen. Morgenfrüh sind wir schon wieder verschwunden“, erklärte Pali, der mit den Sitten des Landes am besten vertraut war. Er trug alte Kleidung und hatte seinen Hut tief in die Stirn gezogen, damit ihn niemand erkannte.



„Reitet weiter! Aber macht keinen Ärger, sonst seid ihr das erste und letzte Mal in Darina gewesen. Wir mögen keine Unruhestifter, die landen bei uns auf direktem Weg im Gefängnis. Vergesst das nicht!“

„Wir haben nicht vor Unruhe zu stiften guter Mann. Wir wollen uns nur etwas von unserer schweren Reise erholen“, sagte Pali noch und dann ritten die Freunde auch schon weiter.

„Warum sind die Soldaten so misstrauisch in dieser Stadt?“ hakte Asyet bei dem Prinzen nach.

„Ich könnte mir denken, dass sie die schwarze Wolke gesehen haben, aus der wir gerade noch heraus gekommen sind. Unsere Leute sind schnell beunruhigt, wenn sie etwas Ungewöhnliches sehen. Lasst euch davon nicht überraschen. Ach ja, nennt mich ab sofort lieber nicht bei meinem richtigen Namen, es wäre zu gefährlich. Nennt mich einfach Jilo. Das ist ein sehr häufiger Name in unserem Land.“

„Das werden wir machen“, kam es von den anderen im Chor.

Die Truppe ritt langsam durch die Straßen der Stadt Darina und suchte nach einem geeigneten Gasthaus.

„Da vorne die Wirtschaft sieht ganz nett aus. Da könnten wir doch nach Zimmern fragen“, stieß Samarin aus, als sie das Gebäude entdeckte.

„Du hast recht. Wir versuchen es dort einmal“, stimmte ihr Daniel zu.

Sie überließen ihre Pferde einem der Gasthausknechte und gingen hinein.

„Shaka Wirt. Wir wollen nach Zimmern fragen. Hättet Ihr da etwas für uns?“ sprach Pali.

„Ja natürlich haben wir etwas frei. Wollt ihr alles in Einzelzimmern oder drei Doppelzimmer?“ fragte der Wirt nach.

„Wenn Ihr drei Doppelzimmer habt, nehmen wir diese gerne.“

„Dann kommt mal mit. Ich zeige euch die Zimmer gleich“, sagte der Mann zu den Freunden und etwas lauter zu einem jungen Mann: „Gilan übernehme für einen Augenblick meinen Platz! Ich muss den Gästen ihre Unterkunft zeigen.“

Der Wirt stieg mit den Jugendlichen vier Stockwerke hoch und unterhielt sich mit Pali, Asmielle und Samarin in shami. Die anderen sahen ihre Freunde nur ungläubig an, denn sie konnten nicht verstehen, dass man diese Sprache mit ihren vielen J’s und K’s verstehen konnte.

Im ersten Zimmer wurden Samarin und Daniel untergebracht. Auch diesmal mussten Ciran und Asyet ein Zimmer teilen. Doch seit ihrem Saufgelage vertrugen sich die beiden ganz gut und niemand nörgelte herum. Asmielle und Pali teilten sich auch ein Zimmer. Eigentlich war es für schamische Leute nicht gestattet unverheiratet in einem Raum zu schlafen. Der Wirt wollte es auch zuerst nicht zulassen, doch die Freunde flunkerten ihm vor, dass sie alle aus Azieren kämen und sie dort nicht in die Hölle geschickt würden, wegen so etwas. Der Mann ließ sich erweichen und sagte nichts mehr dazu.

„Ich beneide dich, dass du shami sprechen kannst. Ich komme mir so dämlich vor, weil ich hier niemanden verstehen kann“, meinte Daniel zu Samarin, als sie nebeneinander gekuschelt im Bett lagen.

„Ich bin auch sehr froh, dass ich die Sprache beherrsche. Ich käme mir genauso verloren vor wie du. Ich kenne das, ich konnte lange kein noridisch sprechen und wurde auch immer ausgegrenzt. Nur meine Ziehgeschwister hielten zu mir. Sie versuchten mir immer wieder noch mehr Wörter beizubringen, aber erst nach vielen Jahren konnte ich die Sprache von Azieren einigermaßen perfekt“, erwiderte das Mädchen.

Samarin schmiegte sich noch enger an ihren Freund und war schon nach einigen Minuten eingeschlafen.



„Aufwachen ihr Schlafmützen! Wir sind schon seit Stunden fertig und euch bekommt man nicht aus dem Bett“, schrie vor der Tür von Daniels und Samarins Zimmer jemand herum. Sie erkannten die Stimme, als die ihres Freundes Ciran.

„Was brüllst du so Ciran? Wie spät ist es denn?“ fragte Daniel noch etwas verschlafen.

„Es ist bald Mittag und wir wollen endlich aufbrechen. Steht auf und beeilt euch. Das Frühstück wartet“, kam als Antwort zurück.

„Wir kommen gleich.“

„Ich hätte nicht gedacht, dass wir so viel verschlafen haben. Aber ist ihre eigene Schuld, sie hätten uns schon früher wecken können“, meinte Samarin zu ihrem Freund.

„Sie haben es ja anscheinend versucht, aber wir müssen so fest geschlafen haben, dass wir es einfach nicht hörten. Ist ja aber auch egal. Lass uns schnell machen, bevor Ciran noch ganz ausrastet“, versetzte der junge Mann.

„Da sind ja unsere Langschläfer! Was war nur mit euch los, wir haben seit Stunden versucht euch zu wecken und nichts hat sich getan“, begrüßte Asyet ihre beiden Freunde.

„Wir wissen es selbst nicht, aber nun sind wir ja da“, meinte Samarin.

Die beiden Verliebten setzten sich und ließen sich das Frühstück schmecken. Gleich danach packten alle ihre Sachen zusammen und verließen das Gasthaus. Sie sattelten ihre Pferde und ritten zum Tor der Sterne, das in die Richtung nach Hujikana führte. Der Wächter ließ die Gruppe ohne Probleme passieren und nun sahen die Jugendlichen wieder nur endlose Baumreihen vor sich. Das hatte aber ein Gutes, der ganze Weg bis Hujikana war durch die Baumalleen begrenzt und so gut zu finden. Verlaufen konnte man sich auf dem Weg in die Nachbarstadt von Darina eigentlich nicht.

„Gut, dass der Weg zur zweiten Stadt so leicht zu finden ist. Wie lange brauchen wir nun bis dort hin? Außerdem wollte ich noch etwas fragen. Asmia, du sagtest doch Darina wäre noch zwei Wochenritte von unserem letzten Lagerplatz entfernt, aber nun haben wir nur etwa einen Tag gebraucht, wie lässt sich das denn vereinbaren?“ fragte Asyet bei der Schwester von Samarin nach.

„Ich muss mich sehr verrechnet haben oder das Unwetter hat uns irgendwie so weit vorrangetrieben, dass es viel schneller ging. Ich kann mir das auch nicht erklären. Bis Hujikana wird es noch etwa eine Woche dauern, nach meinen Berechnungen. Aber die taugen ja anscheinend nicht sehr viel. Wir werden sehen.“

17. Die Alleen von Hujikana und Sorge um Asmielle

Sie ritten viele Tage an den endlos scheinenden Baumalleen vorbei. Jeden Abend lagerte die Gruppe an Plätzen, die alle genauso aussahen, wie die vom Vortag.

„Ich bekomme bald einen Baumkoller. Wer hatte nur die Idee gehabt, die Straße mit immer den gleichen Pflanzen zu bevölkern?“ meinte Daniel, als sie zum vierten Mal ihr Lager aufschlugen.

„Unser Retter Firga hatte vor Tausenden von Jahren einem armen Reisenden befohlen die Straße von Darina nach Hujikana mit Bäumen zu bepflanzen. Der Mann war aber sehr arm und konnte sich nur die einfachsten Samen leisten. Deswegen stehen hier überall die gleichen Bäume und Büsche“, erklärte Pali.

„Ich dachte immer euer „Retter“ sei eine reale Person, die in der Kristallstadt lebt. Wie kann er dann einem Dinge befehlen?“ fragte Asyet ungläubig.

„Er kann es mit Gedankenübertragung. Ich weiß nicht, wie das geht, aber ich habe schon viele Leute an unserem Hof getroffen, die einen Auftrag von Firga bekommen haben. Keiner kann sagen, ob wirklich alles stimmt, was die Leute erzählen. Ich glaube aber daran. Ich könnte auch sagen, eure Götter wären Hirngespinste, aber das ist eben jedem seine eigene Ansichtssache. Ich halte mich aus anderen Religionen lieber heraus.“

„Das ist auch die beste Lösung. Wir würden uns nur in die Haare kriegen, wenn wir darüber streiten würden. Hier sind so viele verschiedene Völker vereint und fast genauso viele Religionen. Also, lassen wir das und gehen nun schlafen. Morgen wird ein heißer Tag, wie ich sehen kann“, versetzte Asmielle und ging zu ihrem Schlafplatz, der genau am Feuer lag. Daniel und Samarin hatten sich in einiger Entfernung ihr Lager aufgeschlagen. Auch Asyet und Ciran lagen weiter unter den Bäumen. Nur Pali gesellte sich noch zu Asmielle ans Feuer. Beide schliefen bald ein. Dafür unterhielten sich Asyet und Ciran noch sehr lange. Daniel und seine Freundin überlegten, was die beiden nur zu bereden hatten. Ihnen fiel dazu aber nichts ein.

Asyet und Ciran, die sich zuvor nur gestritten hatten, waren nun die besten Freunde und hatten viele Gemeinsamkeiten entdeckt. Darüber unterhielten sie sich noch fast die ganze Nacht und erst spät machten sie die Augen zu. Zu dieser Zeit wurde Asmielle schon wieder munter und verließ ihre Lagerstatt. In einigem Abstand zum Rastplatz suchte sie sich einen geschützten Platz und dachte über vieles nach. Ihre Schwester machte in keiner Weise den Anschein, als wäre sie ein Argo. Asmielle mochte sie sehr, aber eine Seelenverwandtschaft konnte sie mit Samarin nicht finden. Sie war ihr zu menschlich geworden und glaubte sogar an eine Gottheit der Menschen. Das Mädchen verstand seine Schwester nicht und grübelte darüber nach, ob sie wirklich ihre Verwandte war. Aber ihre Tante hatte nichts gegen Samarin gesagt, also musste sie es sein. Asmielle fühlte sich in der Gruppe irgendwie ausgegrenzt. Pali war der Einzige, der sie beachtete. Samarin gab sich zwar Mühe ihre Zuneigung zu zeigen, jedoch war sie mehr mit ihren Gefühlen zu Daniel beschäftigt. Wenn sie Probleme hatte, ging sie lieber zu Asyet, als sich ihrer Schwester anzuvertrauen. Obwohl Asmielle für ihr Alter, im menschlichen Sinne, sehr weit fortgeschritten war, merkte Samarin das gar nicht. Auch war Samarin selbst für ihr Alter auf dem Niveau der Menschen. Sie müsste geistig und seelisch schon viel weiter sein.

Hoffentlich konnte Karasalin helfen aus Samarin wieder einen richtigen Argo zu machen. Asmielle merkte auch, dass durch ihre Liebe zu Pali schon etwas von ihrem Anderssein verloren ging. Wie konnte sie das nur verhindern?

„Was machst du denn so weit weg von uns?“ fragte jemand hinter Asmielle und legte seine Hand auf ihre Schulter.

Es war der Prinz, er hatte seine Decke um sich gewickelt und setzte sich nun neben seine Freundin.

„Ich überlege nur und das kann ich abseits besser. Hier stören mich eure Gedanken nicht. Weißt du mir kommen eure Gefühle so laut vor, als würdet ihr sie aussprechen“, erwiderte das Mädchen.

„Darf ich trotzdem bleiben?“

„Natürlich, ich wollte sowieso gerade zu euch gehen. Aber wir können auch noch ein bisschen hier sitzen.“

„Das würde ich gerne“, sagte Pali und legte den Arm um seine geliebte Freundin.



Im Lager wurden die anderen auch allmählich wach und krochen alle mit ihren Decken zum Feuer, das Pali noch entzündet hatte bevor er auf die Suche nach Asmielle ging.

„Wo sind eigentlich der Prinz und deine Schwester?“ fragte Asyet bei Samarin nach.

„Woher soll ich das wissen? Ich bin doch nicht das Kindermädchen der beiden. Außerdem ist meine Schwester, glaube ich, gerne etwas abseits, Ich verstehe nicht, warum Asmia sich so abkapselt“, versetzte diese.

„Das wüsste gerne jeder von uns. Sie ist das totale Gegenteil von dir. Vielleicht, weil sie ganz anders aufgewachsen ist als du. Sie wurde als Argo erzogen und du als normaler Mensch“, fügte Daniel hinzu.

„Damit könntest du recht haben, aber lass uns jetzt erst einmal etwas essen und nicht am frühen Morgen uns schon Sorgen machen“, entgegnete Samarin und holte den Proviant aus einem der Rucksäcke, die an dem Packpferd Schneelied hingen. Pali hatte sich in Darina ein neues Pferd besorgt und dabei noch ein Packtier gekauft. Er hatte sein neues Pferd auf den Namen Tungajur getauft. Das bedeutete so viel wie „Fliegender Hengst“. Er hoffte, dass der Name seinem Tier Glück brachte und es nicht genauso qualvoll verendete wie sein letztes.



Nach einiger Zeit tauchten auch Pali und Asmielle wieder auf und die Truppe konnte endlich weiterreisen. Schnell wurden ihre wenigen Habseligkeiten gepackt und auf den Pferden verstaut. Samarins Schwester ritt wie immer am Anfang der Karawane und hielt sich mehrere Pferdelängen von den anderen entfernt.

„Ich verstehe nicht, warum Asmia so weit voraus reiten muss. Ich würde mich so gerne mit ihr unterhalten, aber sie lässt mich gar nicht an sich heran. Pali weißt du, warum meine Schwester so ist?“ wollte Samarin von dem Prinzen, der neben ihr ritt, wissen.

„Das ist ihre Erziehung. Sie wurde gelehrt, nie mit vielen Menschen in Kontakt zu kommen. Das sie dich noch weniger an sich ran lässt als mich, wundert mich auch. Eigentlich müsste sie sich dir doch verbunden fühlen und mehr mit dir sprechen wollen. Aber irgendwie bin ich der Einzige, den sie um sich haben möchte.“

„Ich werde hoffentlich noch eine Gelegenheit bekommen mich mehr mit ihr anzufreunden. Zur Zeit kommt Asmia mir vor, wie eine Fremde. Ich habe keinen Bezug zu ihr. Bevor wir uns wieder trennen, müssen wir unbedingt reden. Meine Tante wird hoffentlich dazu beitragen“, meinte das Mädchen.

„Was soll das heißen, bevor wir uns trennen? Willst du mich wieder alleine lassen?“ schrie Asmielle plötzlich zu ihrer Schwester. Sie hatte den Abstand zur Gruppe verringert und ritt nun fast neben Samarin.

„Wir werden uns wieder trennen. Ich werde zurück nach Azieren gehen und du wirst Pali heiraten. Wie sollten wir uns da nicht trennen?“ fragte Samarin verzweifelt. Sie hatte nicht bedacht, dass Asmielle alles mit anhören konnte, wenn sie wollte.

„Ich will nicht, dass du wieder gehst. Ich habe dich doch erst gefunden. Ich will dich nicht wieder verlieren“, sagte ihre jüngere Schwester noch und dann schoss sie wie ein Blitz mit Morgentau davon.

„Asmia bleib stehen! Du wirst stürzen! Asmia bitte halt an!“ rief Samarin noch zu dem Mädchen. Doch das Unglück war schon geschehen. Morgentau scheute vor der ungewohnten Geschwindigkeit und warf das Argo-Mädchen von ihrem Rücken.

„Nein, das darf nicht wahr sein. Asmia?“ schrieen die Freunde zu ihr herüber. Samarin war als erstes bei dem bewusstlosen Kind angekommen.

„Schwester, komm zu dir! Asmia komm bitte wieder zu dir!“

Daniel und Ciran beugten sich über das Mädchen. Da sie Heilerfahrungen aus dem Roten Haus hatten, wussten sie sofort, wie die Lage aussah.

Asmielle hatte sich den linken Arm gebrochen und beide Beine sahen auch nicht sehr unverletzt aus.

„Holt einige Decken! Wir müssen sie auf einen sauberen Untergrund legen und warm halten“, befahl Daniel. Pali rannte sofort los und holte, was Daniel wollte.

„Was hat sie?“ fragte Samarin.

„Der linke Arm ist gebrochen und nach den Beinen müssen wir noch sehen“, erklärte Ciran.

Als der Prinz die Decken gebracht hatte, legten die beiden Männer vom Roten Haus das Mädchen darauf. Ciran begann den Arm zu bandagieren und benutzte dazu ein paar Stöcke, die auf dem Boden lagen. Als Tuch nahm er ein paar Streifen seines Gewandes.

Daniel untersuchte die Beine von Asmielle. „Sie sind beide schwer gebrochen“, stellte er fest. „Hoffentlich kommen wir bald nach Hujikana. Sie braucht dringend richtige Hilfe von einer Heilerin. Die Beine kann ich nur notdürftig stützen. Sie wird bald starkes Fieber bekommen. Pali, Asyet baut eine Trage aus den übrigen Decken und aus einigen starken Ästen. Beeilt euch, wir müssen schnell weiter und eine Heilerin finden, sonst sieht es schlecht aus für Asmia.“

„Wir fangen sofort an“, sagten die beiden.

„Ist es wirklich so schlimm?“ hakte Samarin nach.

„Schlimmer! Ich weiß nicht, ob sie noch innere Verletzungen davon getragen hat. Wir müssen uns beeilen“, sagte Daniel und versuchte die Beine des Kindes zu bandagieren.

Asyet und der Prinz hatten bald eine Trage gezimmert und legten nun mit Daniels und Cirans Hilfe, die noch immer bewusstlose Asmielle darauf. Die Trage wurde am Sattel von Cirans Pferd festgebunden und er ritt nun vorsichtig am Ende der Gruppe. Samarin hatte sich neben ihn gesellt und sah oft zu ihrer Schwester herunter. Ihr Körper zeigte noch keine Regung, als sie nach über zwei Tagen die Stadt Hujikana erreichten.

„Was hat das Mädchen da? Wir wollen keine Seuchen in der Stadt!“ brüllte der Soldat von der Stadtmauer.

„Sie ist vom Pferd gestürzt und hat bestimmt keine ansteckende Krankheit. Sie braucht nur eine Heilerin, die ihre Wunden versorgt“, erklärte Pali.

„Dann reitet weiter, solange die da keine Krankheit hat ist es in Ordnung“, herrschte der Mann die Freunde an und zeigte dabei auf die verletzte Asmielle.

„Eure Soldaten sind ziemlich unfreundlich. In Azieren schienen mir die Wächter höflicher“, meinte Asyet, als sie in Richtung des Platz des Friedens, der in keiner Stadt fehlte, ritten.

„Sie haben eben nicht so eine gute Ausbildung genossen, wie eure Soldaten. Auf den Mauern arbeiten meistens auch nur Söldner, die nur das Geld sehen, aber keinerlei Umgangsformen beherrschen“, erwiderte der Prinz.

An einer Schenke stellten sie ihre Pferde unter und Ciran blieb mit Asyet bei Asmielle. Die anderen suchten nach Ortskundigen, die eine Heilerin kannten. Das war in dem Getümmel, das in Hujikana herrschte gar nicht so einfach. Mehrfach verloren sich die Freunde im Gedränge und fanden sich nur durch einen großen Zufall wieder. Doch Pali hatte dann endlich Glück und fand eine ältere Frau, deren Tochter die Kunst des Heilens beherrschte.

„Gute Frau, könnt Ihr uns sagen, wo Eure Tochter lebt?“ fragte Samarin.

„Aber natürlich. Ich werde euch auch selbst zu ihr führen. Ich bin sehr schlecht im erklären von Wegen. Wo ist denn die Verletzte?“ fragte die Frau, die sich als Tinga Gurit vorgestellt hatte.

Daniel, Samarin und Pali führten sie zu der Schenke. Zuerst setzten sie Asmielle erst einmal auf eines der Pferde, denn in der Stadt konnte man sie nicht auf der Bahre hinter einem der Tiere herziehen. Sie wäre zertrampelt worden. Ciran setzte sich mit ihr auf das Tier und dann nahm Daniel noch die alte Frau mit zu sich auf den Rücken von Sonnenwind.

„Dort drüben wohnt meine Tochter! Seht ihr die grünen Zeichen über der Tür? Das Haus ist es“, stieß Tinga hervor, nachdem sie die Truppe durch einige Straßen geleitet hatte.

Sie zügelten ihre Tiere und banden sie an einem Pfosten fest, der vor der Tür der Heilerin angebracht war.

Tinga klopfte dreimal fest an die Tür. Nach wenigen Minuten wurde sie geöffnet und eine schmale, kleine und junge Frau kam zum Vorschein.

„Mutter, was machst du denn schon wieder hier? Du bist doch erst vor einer halben Stunde zum Markt gegangen“, rief die Frau erstaunt.

„Ich bringe dir eine Kranke. Das Mädchen ist vom Pferd gefallen und hat sich den Arm und beide Beine gebrochen. Ob es mehr Wunden gibt wissen die jungen Leute nicht“, antwortete Tinga.

„Dann kommt herein. Ich werde versuchen euch zu helfen“, sagte die junge Frau und ließ die Jugendlichen in ihr Haus treten. Beim Vorübergehen las Samarin noch das Schild, das an der linken Seite neben der Tür angebracht war. Darauf stand: „Linga Hilakji. Jarika Fihuju Ginga“. Die Worte lauteten auf Noridisch: „Linga Hilakji. Frau der heilenden Magie“.

Was die Leute in diesem Land doch für seltsame Namen hatten, dachte Samarin noch. Dann betrat auch sie das Haus der Kräuterfrau.

Im Inneren duftete es nach Gewürzen und verschiedenen Ölen. Ciran hatte Asmielle schon auf ein Bett im Nebenzimmer gelegt und die anderen saßen um einen kleinen Tisch herum, als Samarin zu ihnen kam.

„Wird sie meiner Schwester helfen können?“ fragte das Mädchen Ciran, als er wieder aus dem anderen Zimmer kam.

„Sie untersucht sie noch genau. Bis jetzt kann sie noch nichts über weitere Verletzungen sagen. Wir müssen einfach abwarten“, erwiderte der junge Mann und legte kurz seine große Hand auf den Arm von Samarin.

„Ich habe solche Angst um sie. Es ist doch alles meine Schuld! Hätte ich nicht von einer späteren Trennung gesprochen, wäre sie nicht so wütend geworden und wäre nicht davon geritten“, schluchzte Samarin.

Daniel nahm seine Geliebte in den Arm und tröstete sie: „Keiner hat Schuld! Es hätte auch so geschehen können. Sie wird überleben und du hörst nun auf dir Vorwürfe zu machen.“ Seine Freundin war ihm dankbar für diese Geste und kuschelte sich eng an ihn. Sie weinte noch eine Weile. Sie konnte sich einfach nicht beruhigen. Was wäre, wenn Asmielle starb? Samarin würde sich bis in alle Ewigkeit die Schuld daran geben.

„Geht doch nach oben und legt euch ein bisschen hin. Ich kann noch nichts zu dem Zustand des Mädchens erklären“, schlug Linga vor, als sie zu den Freunden an den Tisch kam.

Die junge Frau war jünger, als die Jugendlichen dachten. Sie hatte noch nicht einmal die zwanzig erreicht und war doch schon eine begabte Heilerin.

„Ich werde euch nach oben begleiten und danach weiter nach dem Mädchen sehen.“

18. Ein Geheimnis wird gelüftet und die Mönche des Sir Ivani

So landete die Gruppe in einem großen Schlafsaal, der eigentlich für Kranke gedacht war. Doch zur Zeit waren in Hujikana keine schweren Krankheiten aufgetreten und somit war der Saal vollkommen leer. Sie suchten sich jeder ein Bett aus und waren auch schon bald eingeschlafen. Es hatte sie sehr geschafft, dass sie zwei Tage lang durchreiten mussten. Linga sah zufrieden aus, als sie das Zimmer verließ. Leise ging sie hinunter zu Asmielle. Sie verschloss die Tür sorgfältig, damit niemand etwas mitbekam, was in dem Raum gesprochen wurde.



„Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch einmal ein Argo-Mädchen zu Gesicht bekommen würde. Ich bin nun schon seit vierzehn Jahren nicht mehr im Palast gewesen. Mir erging es hier auch viel besser. Meine Stiefmutter ist sehr lieb zu mir und auch mein Vater ersetzte mir meine Mutter gut“, erzählte Linga.

„Du stammst wirklich aus dem Palast? Du bist wirklich genauso eine Argo, wie ich?“ fragte Asmielle ungläubig.

„Es stimmt, ich habe unter dem Palast gelebt, doch vor deiner Geburt verließ ich ihn schon. Deine Mutter kannte ich sehr gut. Sie war eine Freundin meiner Mutter.“

„Was ist mit deiner Mutter geschehen, wenn du nur mit deinem menschlichen Vater hier her kamst?“

„Sie lebt noch immer unter dem Schloss, denke ich. Kennst du sie denn nicht? Sie heißt Schilan Archinte. Sie war die beste Freundin deiner Mutter, sie muss sich doch um dich gekümmert haben?“

„Sagtest du Schilan? Es gibt keine Argo-Frau im Schloss mit diesem Namen. Aber unsere Königin heißt mit zweiten Namen Schilan. Aber sie stammt aus Azieren, dass kann also nicht sein.“

„Die Königin heißt Schilan? Kein Mensch in Azieren trägt diesen Namen. Sie muss meine Mutter sein. Meine Mutter ist Königin von Schamanah, das glaube ich nicht.“

„Den Freunden meiner Schwester hat sie gesagt, dass sie in Azieren Dalakei genannt wurde. Aber mir hat sie das nie erzählt. Außerdem hat sie sich immer am meisten um mich gekümmert. Meinst du, dass sie wirklich deine Mutter ist und das sie eine von uns ist?“ fragte Asmielle, der es schon wieder sehr gut ging. Ihre Beine waren durch Lingas Hilfe wieder völlig gesund und nur ihr Arm sollte noch einige Zeit in einem Verband bleiben, damit die anderen nicht zu misstrauisch wurden.

„Es kann nicht anders sein. Mein Vater hat mich damals meiner Mutter weggenommen, weil er glaubte, dass sie verrückt würde. Sie erzählte allen, dass der König sie zur Frau nehmen wollte und sie dann über das Land herrsche. Wenn ich nun deine Geschichte höre, könnte sie vielleicht gar nicht phantasiert haben. Ich werde später alles meinem Vater berichten. Er weiß vielleicht mehr über die Sache. Lass uns abwarten und du tu wenigstens so als würde es dir nicht gut gehen. Ihr müsst so lange wie möglich hier bleiben, ohne das es auffällig wird. Du sagtest doch auch, dass du mit deiner Tante wieder Kontakt aufnehmen müsstest. Sage deinen Freunden du brauchst noch mehr Kraft, um dies zu tun, sonst könntet ihr nicht weiterreisen“, meinte die Heilerin und wollte gerade das Zimmer verlassen.

„Linga? Mein Freund Pali ist der Sohn der Königin. Er weiß von uns Argos, aber er ist doch dann ebenfalls einer von uns, oder?“

„Das könnte der Fall sein, doch es gibt auch einige Ausnahmen bei Kindern zwischen Menschen und unserer Rasse. Manchmal kommen auch gewöhnliche Kinder zur Welt. Ich glaube dein Pali ist solch eine Ausnahme. Ich konnte keine Kraft bei ihm feststellen. Nur mir wird gerade klar, dass er ja dann vielleicht mein Halbbruder ist. Das muss ich erst mal sacken lassen. Aber deine Schwester Samarin hat Kräfte, nur sie sind kein bisschen ausgebildet, doch sie ist eine Argo. Jetzt denk nicht mehr darüber nach. Wir werden später mit meinem Vater sprechen. Bis dahin musst du dich noch gedulden“, sagte die junge Frau und verließ nun endgültig das Zimmer.



Am Abend kam Lingas Vater von der Arbeit und auch ihre Mutter war mit ihren Besorgungen und Besuchen fertig. Sie umsorgte die Gruppe um Asmielle, wie ihre eigenen Kinder und so konnten Linga und ihr Vater Gustrael leicht zu Asmielle ins Zimmer schlüpfen, ohne das jemand es merkte.

„Das ist mein Vater Gustrael, Asmia. Er hat uns etwas zu erzählen. Er weiß viel mehr über die Sache, als er mir früher sagen wollte. Nun meint er, dass es an der Zeit wäre einiges aufzuklären“, erwähnte Linga.

Asmielle setzte sich in ihrem Bett auf und die Heilerin setzte sich zu ihr. Gustrael nahm auf einem Stuhl Platz.

„Nun ich weiß sehr viel über die Dinge, die im Palast geschehen. Mein Freund Jikika schickt mir oft Nachrichten über einen geheimen Briefdienst. Kennst du Jikika?“

„Ja, er ist ein sehr weiser Mann und auch einer meiner besten Freunde im Palast“, erwiderte Asmielle.

„Ja, er ist sehr schlau. Nun gut, zurück zu den wichtigen Dingen. Meine Frau Schilan, der ich meine Tochter wegnahm, weil ich sie für verrückt hielt, ist die Königin des Landes. Ich wollte es zuerst auch nicht glauben, doch mein Freund Jikika schwor mir, dass es die Wahrheit ist.“

„Meine Mutter ist die Herrscherin von Schamanah?“ fragte Linga überrascht.

„Ja sie ist es und ich weiß nicht, wie sie es geschafft hat dort hinzukommen. Gut, der König hatte sich in Schilan verliebt, das kann ich ja noch glauben. Aber wie er es geschafft hat meine frühere Frau auf den Thron zu bekommen, weiß ich nicht. Ich hoffe, dass mir Jikika bald etwas darüber berichtet. Er versucht seit vierzehn Jahren etwas über die Sache zu finden, doch alle Akten von Schilan wurden vernichtet und aus ihr wurde Dalakei Schilan Jikani. Ihr Stammbaum ist der eines Menschen und kommt aus dem Königreich Azieren. Keiner am Hof ahnt, dass die Königin in Wahrheit eine Argo ist. Es wird auch wahrscheinlich nie ans Licht kommen. Nur der König, Jikika, die älteren Palast-Argos und ich wissen darüber. Nun seid ihr beide noch hinzu gekommen. Nicht einmal ihr Sohn hat eine Ahnung. Er weiß nur das Argos unter den Mauern leben, aber nicht, dass seine Mutter selbst eine ist.“

„Vater, dass kann ich nicht glauben“, stieß seine Tochter entsetzt aus.

„Nun weiß ich auch, warum die Königin so sehr um mich besorgt war. Linga sagte, dass sie die beste Freundin meiner Mutter war. Jetzt wird mir alles klar“, flüsterte Asmielle.

„Ich hätte es dir gerne auf eine andere Weise erzählt, Linga. Ich wollte noch etwas warten, bis du die Wahrheit erfährst“, meinte Gustrael.

„Bis ich älter bin? Papa, ich bin neunzehn Jahre alt, wie lange wolltest du noch warten? Wie lange wolltest du mir verschweigen, wer meine Mutter ist und das ich noch einen Halbbruder habe?“ fauchte seine Tochter.

„Es tut mir so schrecklich Leid, aber ich kam mit dieser Sache selbst nicht klar. Wie sollte ich es dann erst dir erklären? Bitte sei nicht böse auf mich. Wir gehen nun besser wieder hinaus. Tinga ist eine sehr gute Gastgeberin, aber irgendwann wird es doch auffallen, dass wir nicht da sind. Asmielle, mach dir nun nicht mehr so viele Gedanken darüber und erhole dich erst einmal, wenn man bei dir noch von Erholen sprechen kann. Ihr Argos seid ja immer sehr schnell wieder auf den Beinen.“

„Papa, aber was ist mit Pali? Soll er es denn nicht erfahren? Ich bin seine Halbschwester und er macht sich Gedanken, was aus ihm und Asmia werden soll. Er ist der Meinung, dass seine Eltern etwas gegen eine Hochzeit mit einer Argo haben“, warf Linga noch ein.

„Ich habe Jikika versprochen, dass der Prinz von mir nie etwas erfahren wird. Weißt du, Jikika hat mir heute Morgen einen Brief zukommen lassen. Er wusste, dass der Prinz und seine Freunde hier her kommen würden. Ich habe es ihm versprochen und werde mein Wort nicht brechen. Der Prinz wird es erfahren, wenn die Zeit dafür gekommen ist“, antwortete Lingas Vater und damit verließen die beiden das Zimmer von Asmielle und sie blieb in ihrer Verzweiflung alleine. Die Königin war selbst ein Argo, warum hatte sie das nie bemerkt? Ihre Gabe war doch eine der stärksten im Palast gewesen. Wie konnte Dalakei ihre Gedanken so vor ihr verschließen? Sie erinnerte sich daran, dass sie nur ein einziges Mal versucht hatte in die Gedanken der Königin einzudringen. Es war ihr nicht gelungen. Sie spürte nicht ein einziges Gefühl im Kopf und in der Seele der Frau. Was war aus Dalakei geworden und warum hat sie nicht einmal der Tochter ihrer besten Freundin etwas davon erzählt? Asmielle hatte so viele Fragen, doch keiner würde sie ihr beantworten können, außer der Königin selbst. Das Mädchen legte sich wieder in die Kissen des Bettes und versuchte etwas zu dösen. An Schlaf war um diese Uhrzeit als Argo nicht zu denken. Sie würde noch eine Weile warten müssen, bis sie in die Dunkelheit und die Stille des Schlafes gleiten konnte.

In der Zwischenzeit hatte sich draußen in der Küche des Hauses von Linga und ihren Eltern eine gute Stimmung entwickelt. Die Freunde lachten und erzählten mit Tinga, die viele Geschichten kannte. Die Jugendlichen konnten sich auch mal wieder richtig satt essen. Es gab Fleisch und Gemüse aus Schamanah. Auf ihrer Reise nach Hujikana hatten sie nur Beeren und kleine Früchte zu sich genommen, als ihr Proviant zur Neige ging. In den Baumalleen gab es nichts anderes.

„Nun müssen wir aber endlich einmal nach Asmia sehen. Linga dürfen wir zu ihr?“ fragte Samarin die Ältere.

„Aber natürlich. Ich werde sehen, ob sie wach ist. Wartet einen Moment!“

Linga öffnete leise die Tür zum Krankenzimmer und sah kurz hinein. Dann winkte sie den anderen und die Gruppe ging zusammen in den Raum.

„Hallo ihr“, begrüßte sie eine gesund aussehende Asmielle.

„Dir geht es ja schon wieder sehr gut“, meinte Ciran überrascht.

„Ich bin eine Argo, habt ihr das vergessen? Wir werden schneller gesund als ihr Menschen.“

„Aber du hattest doch vorhin noch beide Beine gebrochen. Wie kann denn das so schnell heilen?“ fragte Daniel ungläubig.

„Die Beine waren gar nicht gebrochen. Sie waren nur etwas angestaucht und das ist jetzt schon wieder besser“, schwindelte das Mädchen. Keiner durfte von Lingas Hilfe erfahren und auch nicht, dass ihre Beine tatsächlich gebrochen waren.

„Ich freue mich, dass du wohl auf bist, Schwester. Ich hatte solche Angst um dich. Bist du mir noch böse?“ erkundigte sich Samarin.

„Ich weiß auch nicht, warum ich so außer mich geraten bin. Bitte entschuldige Samarin.“

„Ich muss mich entschuldigen. Ich weiß, dass du nicht willst, dass ich so schnell wieder gehe, aber ich muss nun einmal eines Tages dich verlassen. Verstehst du mich? Ich will dir nicht weh tun. Ich muss einfach zurück nach Azieren, das ist meine Heimat. Dein Zuhause ist Schamanah, aber ich bin hier nicht zu Hause. Ich werde dich jedoch nie wirklich verlassen. Wir werden in Gedanken immer verbunden sein und ich werde dich so oft es geht besuchen.“

„Mach dir nicht so viele Sorgen darüber. Ich wollte es die ganze Zeit einfach nicht wahr haben, dass du auch wieder gehen könntest. Vergessen wir das Ganze und warten bis es passiert“, tat Asmielle die Sache ab.

„Wir werden nun gehen, damit du dich erholen kannst“, sagte ihre Schwester und verließ mit den anderen das Zimmer. Nur Linga blieb noch bei ihrer Patientin.



„Wir werden uns dann einmal in den Schlafsaal begeben. Wir sind noch sehr müde und wollen euch auch nicht länger stören. Ihr wollt euch bestimmt auch schlafen legen“, sagte Daniel und verabschiedete sich von Gustrael und Tinga.

„Aber nein doch. Bleibt noch etwas“, meinte Tinga.

„Nein, wir gehen wirklich lieber nach oben. Wir sehen uns dann morgen wieder“, verabschiedete sich auch Asyet. Ciran und Samarin folgten ihren Freunden ebenfalls.

„Also dann Gute Nacht“, sagte Gustrael noch, als die Freunde die Treppe hochstiegen.

„Gute Nacht“, kam es im Chor von der Gruppe.



„Wie lange können wir eigentlich Rast machen, ohne unseren Plan zu gefährden?“ fragte Samarin ihren Freund Daniel.

„Wir müssen wohl so lange warten, bis es deiner Schwester wieder besser geht. Ich hoffe, dass das bald sein wird. Ich wollte dich auch noch etwas fragen. Hast du gemerkt, wie Asmia und Linga miteinander umgehen? Als würden sie sich schon lange kennen oder etwas würde sie verbinden.“

„Das ist mir auch aufgefallen, dass Asmia zu ihr sehr viel Vertrauen haben muss. Meine kleine Schwester scheut ja eigentlich die Nähe zu Menschen. Außer bei dir, Pali.“

„Ich werde sie morgen einmal danach fragen. Sie wird mir bestimmt eher antworten als dir Samarin“, meinte der Prinz.

„Danke, dass du so viel auf mich hältst. Ich weiß, dass meine Schwester nicht so besonders mit mir zurecht kommt, weil ich ihr zu menschlich geworden bin. Ich kann nun mal nichts daran ändern. Ich habe nicht wie sie unter Argos gelebt. Ich war nur mit Menschen zusammen und da ist es doch verständlich, dass ich auch so wie ein Mensch lebe. Warum hasst sie mich nur so?“ sagte Samarin bekümmert.

„Aber sie hasst dich doch nicht. Sie muss nur erst lernen mit dir zu leben“, beruhigte der Prinz das Mädchen.

„Aber das ich wieder gehe, wollte sie auch nicht? Warum muss sie sich an mich gewöhnen? Ich bin doch ihre Schwester.“

Samarin brach in Tränen aus. Sie verkraftete es nicht, dass ihre Schwester so kalt zu ihr war und sie sich nicht näher kamen.

Daniel kam zu ihr und nahm sie in den Arm. Er versuchte Samarin zu trösten, doch das Mädchen wurde noch lange von Weinkrämpfen geschüttelt. Warum fühlte Asmielle nicht wie sie? Warum war ihre Schwester nicht froh darüber, endlich einen Familienangehörigen zu haben?

„Liebling, bitte hör doch auf zu weinen. Ich kann nicht sehen, wie du weinst und dir so viele Selbstvorwürfe machst. Du kannst doch nichts dafür, dass Asmia nicht damit klar kommt, dass du ihre Schwester bist“, flüsterte Daniel seiner Geliebten ins Ohr.

Es waren schon mehrere Stunden vergangen. Die anderen schliefen schon lange. Nur Daniel saß mit Samarin in den Armen auf dem Boden und konnte nicht schlafen. Der ganze Schmerz der letzten Zeit brach an diesem Abend aus Samarin heraus. Sie hatte mit so vielem fertig werden müssen. Sie konnte nicht mehr länger alles in sich hineinfressen. Samarin tat Daniel so schrecklich Leid, doch konnte er ihr auch nicht richtig helfen. Dem Mädchen half es aber schon, dass er überhaupt da war und sie in seinen Armen hielt. Der junge Mann wusste nicht, ob diese Hilfe wirklich genug war, aber Samarin beruhigte sich langsam. Ihre Tränenausbrüche ebbten ab und ihr verkrampfter Griff lockerte sich etwas.

„Samarin lass uns schlafen gehen. Es ist schon sehr spät“, sagte Daniel vorsichtig und küsste seine Freundin dabei leicht auf die Stirn.

„Du hast recht. Entschuldige, dass ich mich wie eine blöde Ziege benommen habe“, wisperte Samarin und gab Daniel einen langen innigen Kuss. Der Junge erwiderte ihn und so blieben die beiden doch noch eine Weile auf dem Boden sitzen. Eng ineinander geschlungen saßen sie vor einem der Betten.

Als es draußen schon dämmerte, standen die beiden Verliebten dann doch auf und krochen in eines der freien Betten. Daniel wollte es sich zuerst auf einem anderen Lager bequem machen. Samarin zog ihn aber zu sich unter die Decke und kuschelte sich eng an ihn. Er legte seine kräftigen Arme um die immer noch bebenden Schultern von Samarin und so schliefen sie dann endlich ein.



„Asmia, bist du schon wach?“ flüsterte Lingas Stimme. Sie war in das Zimmer des Mädchens gekommen und schlich nun in der Dunkelheit auf das Bett zu.

„Natürlich bin ich wach. Ziehst du bitte die Vorhänge auf? Draußen dämmert es schon, dann brauchen wir keine Kerzen anzünden“, wisperte Asmielle zurück.

Linga ging zum Fenster und zog leise die Vorhänge beiseite.

„Ich muss mit dir sprechen. Eigentlich belausche ich mit meinen Kräften keine Leute, aber dieses Mal blieb mir nichts anderes übrig.“

„Wen hast du belauscht und was ist daran so wichtig, dass du es mir sagen musst?“ hakte das Mädchen aus dem Palast der Königin nach.

„Ich habe deiner Schwester und ihrem Freund zugehört. Du ahnst nicht, wie schlecht es deiner Schwester geht. Sie hat fast die ganze Nacht geweint und noch nicht einmal ihr Freund konnte sie beruhigen. Erst vor kurzer Zeit ist sie eingeschlafen. Ihre Gedanken waren so traurig, dass mir noch jetzt ganz seltsam ist. Sie liebt dich über alles und du bist so kalt zu ihr, stimmt das?“

„Ich kann meine Gefühle einfach nicht zeigen. Sie ist mir so fremd. Sie ist für mich nicht mehr als ein Mädchen, das ich durch Zufall kennen gelernt habe. Sie ist wie ein Mensch und nicht mehr wie eine Argo. Sie bedeutet mir einfach nichts“, sagte Asmielle betont kalt. Linga bemerkte aber die Unwahrheit dieser Worte. Asmielle wollte nur nicht zugeben, dass sie ihre Schwester mehr mochte, als sie behauptete. Asmielle schien vergessen zu haben, dass Linga ebenfalls eine Argo war und genauso tief in ihre Gedanken sehen konnte. Linga wunderte es, dass das Mädchen ihre wahren Gedanken nicht abgeschirmt hatte. Asmielle hätte Linga leicht täuschen können, sie hätte einfach nur ihren Schutzschild aufbauen brauchen. Warum tat sie es nicht?

„Du weißt genauso gut, wie ich, dass deine Worte nicht wahr sind. Ich sehe deine Gedanken, hast du das vergessen?“

Samarins Schwester senkte den Blick. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr Gedankenschild nicht aktiv war. Wie konnte ihr nur solch ein Fehler unterlaufen?

„Warum gibst du nicht zu, dass du deine Schwester genauso liebst, wie sie dich? Warum kannst du keine Zuneigung zeigen?“ fragte Linga eindringlich.

„Ich kann es nun einmal nicht“, schrie das Mädchen und vergrub ihr Gesicht in den Kissen.

„Bitte verzeih mir. Ich habe mich eben in Sachen gemischt, die mich gar nichts angehen. Eigentlich wollte ich dir nur berichten, dass es deiner Schwester schlecht geht. Ich gehe lieber wieder, aber denke nun vielleicht genauer darüber nach, was deine Gefühllosigkeit alles anrichten kann.

Du liebst doch auch Pali, warum zeigst du ihm nicht etwas mehr von deiner Liebe? Sieh dir Samarin und Daniel an, dann weißt du, was wahre Liebe ist. Überwinde endlich deine Argochontenseele und zeige mehr von deiner menschlichen Seite. Ich habe schon wieder viel zu viel gesprochen“, sagte die Heilerin noch und verließ das Krankenzimmer.

Asmielle lag in den Kissen und weinte jämmerlich vor sich hin. Warum war sie auch nur so kalt? Sie wusste es eigentlich selbst nicht. Sollte wirklich ihr Argochontenteil so stark ausgeprägt sein, dass sie nicht einmal mehr richtige Gefühle hatte?

Diese Frage konnte ihr nur eine Person beantworten und das war ihre Tante, die große Zauberin Karasalin. Sie musste die Antworten wissen. Sie musste so schnell wie möglich in die Kristallstadt. Die Gruppe durfte nicht mehr so viel Zeit verlieren. Die Reise sollte unverzüglich fortgesetzt werden. Das Mädchen wollte sich aus dem Bett erheben, aber nun merkte sie, wie schwach sie noch auf den Beinen war. Die Weiterfahrt musste doch noch etwas warten. Was würde es ihr und den Freunden von Samarin bringen, wenn sie sich nicht einmal richtig im Sattel halten konnte. Erschöpft fiel Asmielle wieder auf ihr Lager zurück und schloss die Augen. Sie wusste nicht weshalb sie plötzlich so müde war. Es war unnormal für einen Argo, dass er zu solch einer Uhrzeit schlief. So vergingen wenigstens die Gedanken an ihr Anderssein und sie musste auch nicht mehr dauernd an Samarin und Pali denken. Ob sie den beiden wirklich solche Schmerzen zufügte? Über diesen Gedanken schlief sie entgültig ein.



„Hey ihr Schlafmützen! Wollt ihr nicht endlich aufwachen?“ rief Asyet in das Zimmer. Daniel und Samarin wurden jäh aus ihren Träumen gerissen und sahen verwirrt ihre Freundin an.

„Guckt nicht, wie ein Paar betrunkene Kühe. Steht endlich auf. Wir wollen für Tinga auf den Markt. Sie ist etwas erkältet und wir möchten ihr ein bisschen zur Hand gehen. Beeilt euch, wir warten unten“, damit war Asyet wieder aus dem Zimmer und ließ krachend die Tür ins Schloss fallen.

„Was hat sie eben gesagt?“ stammelte Daniel.

„Wir sollen aufstehen und dann runter gehen“, sagte Samarin und erhob sich träge. Nach kurzem Strecken sprang sie mit einem Satz aus dem Bett und zog an Daniels Arm.

„Los komm! Wir sollten uns wirklich beeilen“, sagte das Mädchen und versuchte Daniel aus dem Bett zu bekommen. Nach einem kleinen Kampf gab Daniel schließlich nach: „Ich ergebe mich. Du bist einfach zu stark für mich.“

Samarin lockerte den Griff um das Handgelenk des Jungen, doch so schnell versah sie sich nicht und Daniel hatte sie zu sich herunter gezogen.

„Hab ich dich!“ rief er und legte beide Arme fest um die Taille des Mädchens.

„Du bist gemein“, schrie seine Freundin und kicherte los, als Daniel anfing sie zu kitzeln.

„Hör auf, Daniel! Ich kann nicht mehr. Bitte hör auf!“ rief Samarin und musste dabei wieder lachen. Daniel lockerte seinen Griff kein bisschen, hörte aber auf sie zu kitzeln.

„Ich lass dich erst wieder los, wenn ich einen langen Guten-Morgen-Kuss bekommen habe“, forderte Samarins Freund.

„Ich gebe mich geschlagen, aber nur wenn du dich dann wirklich sputest.“
Daniel nickte und bekam seinen lang ersehnten Kuss. Die beiden wären noch lange so Arm in Arm und Mund an Mund liegen geblieben, aber Asyet brüllte von unten zu ihnen herauf und ihre romantische Stimmung wurde zerstört.

„Dann müssen wir wohl“, meinte Daniel und stand von ihrem Lager auf. Samarin folgte ihm. Beide schlüpften schnell in ihre Kleidung und rannten Hand in Hand die Treppe zur Wohnküche hinunter.

„Ihr könnt einem ganz schön auf den Keks gehen. Was habt ihr denn schon wieder so lange gemacht?“ stichelte Asyet, die neben Ciran auf der Eckbank saß und gerade ihren Muratsch trank. Muratsch war das Nationalgetränk der Shamis. Es wurde ausschließlich morgens und abends getrunken. Tagsüber gab es an jeder Ecke Zierbier zu kaufen. Es war beinahe wie normales Bier, doch hatte es nur noch wenig Alkohol. Dafür enthielt der Muratsch eine Menge davon. Die Shamis dröhnten sich also morgens den Kopf zu, bevor sie mit der Arbeit anfingen und abends, wenn sie die Arbeit endlich geschafft hatten. Die Shamis waren sowieso ein alkoholliebendes Volk. Es gab fast kein Getränk und kein Essen, das nicht ein wenig berauschende Wirkung hatte. Wenn man es wollte, konnte man die Shamis alle als Alkoholabhängige bezeichnen. Aber sie hatten nie anders gelebt und so war die Verarbeitung von Alkohol ganz anders, als bei der Bevölkerung von Azieren, die schon bei geringer Menge einen Rausch bekam.

„Das geht dich nichts an. Das ist unsere Geheimsache“, flüsterte Samarin ihrer Freundin als Antwort zu.

„Wolltet ihr nicht auf den Markt gehen?“ fragte Linga nach, die gerade aus dem Zimmer von Asmielle kam.

„Ja, das wollen wir. Wir gehen auch sofort los. Unsere Langschläfer sind nämlich inzwischen auch aufgestanden“, erwiderte Ciran mit einem feinen Lächeln auf seinen Freund Daniel.

„Tinga hat euch bestimmt schon eine Einkaufsliste gegeben. Ich habe hier noch eine von mir, wenn es euch nichts ausmacht. Ich habe Leider gar keine Zeit um auf den Markt zu gehen. Ich würde es wirklich gerne selbst erledigen, denn ich liebe den Markt. Dort gibt es so viel zu sehen. Ihr werdet euch wundern, wenn ihr den Bazar von Hujikana seht“, sagte die Heilerin und drückte Ciran ihren Zettel in die Hand. Gleich darauf verschwand sie wieder in einem der Zimmer. Es blieb den Freunden also gar keine Zeit etwas dagegen zu sagen, aber sie machten es auch gerne.

„Wir werden uns wohl einmal auf den Weg machen“, meinte Asyet.

Ihre Pferde ließen sie bei dem Haus stehen. Tinga hatte gemeint, dass sie sowieso nicht weit mit den Tieren kämen. Heute war Jinga, der letzte Tag der shamischen Woche. Am nächsten Tag, dem Tunga, wurde immer der Heilige Firga, ihr spiritueller Führer, geehrt. Am Jinga war immer die Hölle auf dem Basar los, da alle Bewohner noch einmal richtig einkaufen wollten. Der Markt war für meistens zwei oder drei Tage geschlossen. Die Gruppe traute ihren Augen nicht, als sie in die Nähe des Marktes kamen. Es wimmelte nur so von Menschen. Hier wären sie mit ihren Pferden keinen Meter weit gekommen.

„Habt ihr schon mal so viele Leute auf einem Haufen gesehen?“ fragte Asyet ungläubig.

„Nein, noch nie. Linga hatte recht, dass dieser Markt etwas besonderes ist. Wie sollen wir hier nur die ganzen Stände finden, zu denen wir gehen sollen?“ erwiderte Samarin.

„Wir haben eine Platzkarte. Tinga hat alle Läden, in die wir gehen müssen, farbig markiert. Also auf ins Gefecht“, sagte Ciran und die Truppe stürzte sich in das Getümmel.



„Wo sind Asyet und Ciran?“ brüllte Samarin über den Lärm des Marktes ihrem Freund Daniel zu.

„Gerade eben waren sie noch hinter mir. Pali ist auch weg.“

„Nein, hier bin ich. Aber Asyet und Ciran sind tatsächlich nicht mehr da. Haben wir alle Einkäufe?“ sagte Pali, der etwas hinter den beiden war.

„Ja wir haben alles. Am besten gehen wir zurück zu Tinga und warten dort. Sie werden bestimmt zum Haus der Heilerin gehen“, erwiderte Samarin und so gingen die drei aus dem Gewühl des Basars heraus. Sie standen nun auf einer Straße, doch es war nicht die Straße, auf der sie den Markt betreten hatten.

„Wir haben uns verlaufen, wie sollen wir zu Tinga zurückfinden?“ fragte der Prinz.

„Wir fragen einfach den Mann dort vorne. Vielleicht weiß er, wie wir zu der anderen Straße kommen“, schlug Daniel vor.

„Guter Mann wisst Ihr, wo das Haus der Heilerin Linga Hilakji steht?“ fragte Samarin.

„Ihr meint das junge Mädchen in der Sinasastraße? Da seid ihr hier aber sehr falsch. Die Sinasastraße liegt am anderen Ende der Stadt. Entweder geht ihr direkt durch den Basar oder einen längeren Weg darum herum. Ich rate euch nicht mehr in den Markt zu gehen, dort verlauft ihr euch wahrscheinlich mehr, als in den Straßen“, sagte der Mann.

„Könnt Ihr uns denn erklären, wie wir dort hinkommen, ohne den Markt zu durchqueren?“ fragte Samarin nach.

„Aber natürlich. Ihr geht am ersten Haus der nächsten Straße rechts und dann...“, erklärte der Mann. Er sagte es ihnen noch zwei Mal, dann hatten sie den Weg ungefähr im Kopf.

„Vielen Dank mein Herr. Wir wünschen Euch noch einen schönen Jinga“, verabschiedete sich Pali für die anderen. Samarin hatte noch keine Ahnung von diesen Sitten in Schamanah. Sie sprach zwar perfekt shami, aber die Höflichkeiten beherrschte sie noch nicht vollkommen. Diesen Part übernahm immer der Prinz, der ja im Palast jede Sittlichkeit kennen gelernt hatte.

„Wenn ich diese Sprache höre, muss ich immer an das Rauschen der Wellen denken. Sie hat für mich so wenig Sinn, wie dieses Rauschen“, meinte Daniel zu seinen beiden Kameraden.

„So wenig Sinn hat noridisch für meine weniger gelehrten Landesgenossen. Viele reiche Leute lernen eure Sprache, aber eigentlich nur aus Langeweile. Sie wissen nichts mit ihrer Zeit anzufangen und beginnen eure Sprache als Zeitvertreib zu benutzen. Wie du schon gemerkt haben wirst, können sie auch nicht viele besonders gut“, sagte Pali etwas sauer über die Bemerkung von Daniel.

Samarin sah das etwas lockerer. Sie fand die Sprache mit Wellenrauschen zu vergleichen sehr schön, auch wenn Daniel es nicht verstand. Sie liebte das Meer und sah über die Unwissenheit ihres Freundes hinweg.

„So war das doch nicht gemeint. Die Sprache hat zwar keinen Sinn für mich, aber sie klingt sehr schön. Ich kann nicht verstehen, dass man diese schnellen und vielen Worte verstehen kann. Die Azierer sprechen richtig träge gegen euch“, entschuldigte sich der junge Mann.

Pali verzog das Gesicht zu einem Grinsen und zeigte Daniel damit, dass er nicht mehr böse auf ihn war.

„Hört auf euch über solche Sachen zu streiten. Wir müssen erst einmal wieder zu Tinga finden“, rief Samarin, die schon etwas voraus gegangen war.

Ihre Freunde kamen ihr nach. So suchten die drei ihren Weg durch das Straßengewirr von Hujikana. Es war nicht leicht, aber nach etwa einer Stunde standen sie vor dem Haus der Heilerin.

Das Haus lag dunkel da und die Freunde überlegten, ob wohl niemand zu Hause war. Irgendwie jagte ihnen dieses Bild Angst ein. Sie wussten nicht wieso, denn was war an einem dunklen Haus schon seltsam?

„Hier stimmt etwas nicht. Ich fühle es. Tinga und Linga wollten doch das Haus nicht verlassen. Warum ist nun niemand mehr da?“ fragte Samarin und nahm die Hand von Daniel gerne an, die er ihr anbot. Auch Pali machte ein erschrecktes Gesicht.

„Lasst uns nachsehen, vielleicht spinnen wir auch nur und es ist gar nichts schlimmes“, meinte der Prinz wenig überzeugend.

Daniel ging voraus, gefolgt von Samarin und Pali. Er klopfte vorsichtig an die Tür des Hauses. Nichts regte sich im Inneren. Der junge Mann drückte die Klinke herunter, sie gab nach. Eigentlich war die Haustür immer verschlossen, damit keine Fremden an die Heilmittel von Linga konnten.

„Ich habe Angst, Daniel“, wisperte Samarin ihm ins Ohr. Er hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.

Langsam gingen die drei ins Haus. Als sie in die Küche kamen sahen sie ein Bild der Verwüstung. Der Tisch lag umgekippt auf dem Boden, mit ihm die Stühle. Alle Schränke waren aufgerissen und der gesamte Inhalt lag nun auf dem Boden.

„Wer hat denn hier randaliert?“ fragte Pali entsetzt.

„Ich weiß es nicht. Ich hoffe nur, dass er nicht mehr hier ist“, erwiderte Daniel.

„Lasst uns nach den anderen suchen. Oh lieber Mond, lass es meiner Schwester gut gehen“, flüsterte Samarin.

Der Prinz öffnete die Tür zum Zimmer von Asmielle. Dort sah es nicht weniger schlimm aus, als in der Wohnküche.

„Oh Mond hilf mir! Asmielle ist nicht mehr hier, was ist nur geschehen?“ jammerte das Mädchen.

„Dieser Jemand muss etwas gesucht haben, aber nur was?“ wunderte sich Daniel.

„Wir sollten in den Keller gehen. Vielleicht wurden Tinga, Linga und Asmia dort eingesperrt“, meinte der Prinz.

Sie schlichen zur Kellertür und öffneten sie leise. Im Keller brannte helles Licht. Es war so grell, dass Daniel, Samarin und Pali erst einmal die Augen zusammenkneifen mussten. Ganz langsam liefen sie dicht aneinander gedrängt die Treppe herunter.

„Asmia, bist du hier?“ rief Samarin vorsichtig.

Plötzlich hörten sie ein gedämpftes Rufen. Jemand versuchte ihre Namen zu nennen. Pali entdeckte die Gestalten als erster. Es waren vier Stück, im hellen Licht der Zauberfackel zuerst nicht zu erkennen.

„Wir müssen ihnen die Knebel abnehmen“, schrie Daniel und begann gleich damit.

Langsam gewöhnten sich die drei an das gleißende Licht im Raum. Sie sahen in den Gestalten Tinga, Gustrael, Asyet und Ciran.

„Wo ist Asmia? Wo ist sie?“ brüllte Samarin die vier an.

Asyet war die Erste, die wieder klar denken konnte.

„Wir wissen es nicht. Als wir hier ankamen, weil wir euch verloren hatten, bekamen wir einen Knüppel über den Kopf gezogen. Das ist das Letzte woran wir uns erinnern.“

„Sie haben sie mitgenommen“, stammelte Tinga auf einmal los. „Sie haben Linga und Asmia mitgenommen.“

„Wer hat die beiden fortgebracht?“ wollte Daniel wissen.

„Es waren schwarz gekleidete Mönche. Sie wollten Hilfe für einen Kranken, doch dann haben sie mich geschlagen und meine Stieftochter und Asmia gefesselt. Zwei haben die beiden rausgeschleppt, zu einer Kutsche. Die anderen haben mich geknebelt und hier eingesperrt. Nach einiger Zeit kamen mein Mann, Asyet und Ciran auch hier herunter“, erklärte die kleine Frau.

„Wie sah die Kutsche aus?“ hakte Pali nach.

„Sie war weiß und hatte ein rotes Banner auf der Rückseite. Darauf waren ein Fisch und eine Katze abgebildet. Sie wurde von seltsamen blauen Tieren gezogen. Diese Tiere hatten nur eine geringe Ähnlichkeit mit normalen Zugtieren.“

„Das Banner der Mirkoten. Die Mönche leben im Gutshof meines Verwandten. Er ist ein Gutsverwalter meiner Mutter. Sir Ivani Mirkot. Ich wüsste zu gerne, was er damit zu tun hat. Ich hätte mir denken können, dass es dieser Zauberer Tamarus war, aber mein Onkel Sir Ivani? Das kann ich nicht glauben, aber ich habe gehört, dass die Mönche in Verdacht stehen Schwarze Magie anzuwenden. Wir müssen zum Gut meines Onkels und mit ihm sprechen. Vielleicht waren nur die Mönche daran Schuld. Mein Onkel wollte sie schon oft hinauswerfen aber sie haben ihn immer wieder erpresst. Diesmal sind sie aber wirklich zu weit gegangen. Wir müssen sofort aufbrechen“, versetzte Pali und war schon auf dem Weg zur Treppe.

„Meinst du, dass die Mönche mit Tamarus zusammenarbeiten?“ fragte Samarin.

„Das könnte schon sein. Macht schnell, wir müssen noch in der nächsten Stunde aufbrechen.“



„Sind Tinga und Gustrael wirklich in Sicherheit?“ fragte Samarin nach, als sie sich auf die Suche nach Asmielle und Linga machten.

„Sie hätten sie bestimmt gleich mitgenommen, wenn auch sie wichtig wären. Aber es sind nur Linga und deine Schwester, die sie interessieren. Sie sollen in ihrem Haus bleiben und keinem die Tür öffnen“, versetzte Pali.

„Wie lange dauert es bis zu deinem Onkel?“ fragte Daniel diesmal.

„Es ist nicht mehr weit. Noch etwa zwei Stunden, dann müssten wir das Gutshaus sehen. Aber wie gesagt, ich traue meinem Onkel solch eine Gemeinheit nicht zu. Es müssen die Mönche gewesen sein.“

„Wir werden sehen“, meinte Asyet.

19. Sir Ivani und der Kampf der Freiheit

Die Gruppe ritt über einen langen steinigen Weg hinauf zum Gut des Sir Ivani. Es lag in der Abendsonne da, als wäre es verzaubert. Die Strahlen spiegelten sich auf den vielen bunten Scheiben und ein Teil des Gutes war komplett aus Glas gestaltet. Daniel, Samarin, Asyet und Ciran kamen aus dem Staunen nicht mehr raus. So ein Anwesen hatten sie noch nie gesehen. Es war auf eine besondere Art schöner, als das Königshaus der Mutter von Pali. Der Palast war in vielen Jahrhunderten von vielen Herrscherinnen umgebaut und ausgebaut worden. So sah der Palast auch aus. Er vereinte viele verschiedene Bauarten, hatte aber nicht diesen Glanz des Besonderen, wie das Gut des Sir Ivani.

„Wie konnte nur so etwas erbaut werden? Es ist einmalig. Ich habe noch nie solch ein Bauwerk gesehen. Wie hält dieses ganze Glas nur der Witterung stand?“ fragte Asyet den Prinzen.

„Es ist ein sehr kostbares Gebäude. Es wurde nicht von Menschenhand erbaut. Die Sukis bauten es vor mehreren Jahrhunderten. Es war so etwas wie ihr Palast. Erst einige Jahre später eroberten die Menschen den Sukipalast. Ihr wisst wer die Sukis sind?“ erläuterte Pali.

Seine Freunde schüttelten die Köpfe.

„Ich werde es euch erklären. Die Sukis sind die Ureinwohner dieses Landes. In ihrer Sprache hieß Schamanah Lusikasu. Das bedeutete Land der Luftschlösser. Ihre ganzen Häuser bestanden zum größten Teil aus buntem und weißem Glas, so wie das Gut meines Onkels. Die Sukis konnten durch eine spezielle Herstellungsart das Glas bruchsicher machen und in einer solchen Größe herstellen. Jikika müsste hier sein. Er könnte es euch besser erklären. Er hat die Geschichte der Sukis zurückverfolgt und so gut es ging aufgeschrieben. Wenn wir jemals in den Palast zurückkehren müsst ihr dieses Buch lesen. Jikika ist ein hervorragender Schreiber. Also gut, die Sukis waren keine Menschen, sahen uns aber ähnlich. Doch sie alterten körperlich nicht, ihr Köper blieb immer der eines jungen Wesens, vergleichbar mit etwa einem zwanzigjährigem Menschen. Der Alterungsprozess des Köpers blieb dann stehen, aber ihr Geist entwickelte sich sehr weit, was man ihnen nur an den Augen ansah. Auf natürliche Weise starben die Sukis auch nicht, nur durch absichtliche Tötung. Es mussten wunderschöne Geschöpfe gewesen sein, denn auf einigen Bildern in alten Häusern waren sie abgebildet. Leider sind sie heutzutage nur Sagengestalten, ein Märchen nichts weiter. Keiner weiß, ob sie noch leben und wo, oder ob sie überhaupt jemals gelebt haben.“

„Das ist ja bezaubernd. In eurem Land leben so viele Wesen. Ich würde gerne mehr über diese anderen Lebensformen wissen“, meinte Samarin.

„Du bist ja selbst eine dieser anderen Lebensformen. Deine Argochontenhälfte ist auch etwas besonderes. Wer kann schon so etwas wie deine Schwester? Wir werden irgendwann zum Palast zurückkehren und dann zeigt dir Jikika seine Sammlungen über die Geschichte Schamanahs und über andere Lebensformen, die hier einmal lebten oder noch immer leben“, erwiderte der Prinz.

„Du sprichst auf einmal so gut vom Priester. Woher kommt denn die Wandlung?“ stichelte Asyet.

„Wenn man erst von einem Menschen weg muss, merkt man wie sehr man an ihm hängt. Im Schloss dachte ich immer, dass ich Jikika nicht Leiden könnte. Erst jetzt sehe ich, wie viel ich von ihm gelernt habe und wie viel mir an ihm liegt“, erklärte Pali.

In der Zwischenzeit waren sie am Tor des Gutes von Sir Ivani angekommen. Davor standen zwei schwergepanzerte Soldaten.

„Was wollt Ihr, Fremde?” fragte einer der Männer auf einem schweren shamischen Dialekt.

„Wir möchten zu Sir Ivani“, antwortete Pali.

„Sir Ivani empfängt keine Fremden!“

„Ich bin Prinz Pali“, sagte der Junge und zog sich die Kapuze vom Kopf.

„Ich bitte um Verzeihung Prinz Pali. Tretet ein, ich werde Euren Onkel sofort von Eurer Ankunft in Kenntnis setzen“, entschuldigte sich der Soldat und beugte das Knie. Sein Kamerad tat es ihm gleich und die Gruppe wurde in das Gut eingelassen.

„Alaschka mengara“, meinte der Prinz noch zu den Wachleuten. Er befahl ihnen keinem etwas über ihre Ankunft zu berichten. Der Wächter hielt sofort innen und blieb am Tor stehen. Er wusste, dass er das Wort des Prinzen nicht missachten durfte, da es beinah so viel galt wie das der Königin persönlich. Eigentlich hätte die Tochter der Königin am meisten zu sagen nach ihrer Mutter, doch die Königsfamilie hatte vergeblich auf eine Tochter gehofft, wie schon die Eltern des Königs. In Schamanah durfte das Herrscherpaar nur ein Kind bekommen und das war eben Pali gewesen. Nun musste der Prinz eine würdige Frau finden und sie bestieg den Thron, wenn die Königin abdankte.

Die Freunde stellten ihre Pferde im Stall ab und suchten sich einen Weg in das Innere des Hauses. Pali schien sich hier gut auszukennen, denn sie hatten schnell das Arbeitszimmer von Sir Ivani gefunden. Der Prinz klopfte an die schwere Holztür.

„Herein“, sagte eine tiefe Stimme.

Sie traten ein und entdeckten einen großen, schlanken Mann, der an einem riesigen Schreibtisch saß.

„Onkel Iva, ich freue mich dich zu sehen“, begrüßte der Prinz den Mann.

„Pali, dass ist ja eine Freude. Ich habe dich ja schon lange nicht mehr gesehen. Was machst du denn hier?“ fragte der Mann, der die Vierzig schon seit längerem überschritten hatte.

„Ich musste dich aufsuchen, weil ich große Probleme habe. Zwei meiner Kameradinnen sind von Mönchen deines Hauses entführt worden.“

„Haben die Mönche einmal wieder Ärger gemacht? Ich hasse sie so, aber sie drohen mir einfach zu sehr. Das letzte Mal wollten sie den Gutshof in Brand setzen. Was haben sie wieder für Unheil angerichtet?“

„Ich sagte doch, sie haben zwei unserer Kameradinnen entführt. Es ist sehr wichtig, dass wir die beiden finden. Wir brauchen deine Hilfe!“ flehte Pali.

„Ich werde sehen, was sich machen lässt. Gehen wir in meinen Speisesaal, dort lässt es sich besser unterhalten und du kannst mir deine Freunde vorstellen.“

Der Onkel des Prinzen ging langsam mit schlurfenden Schritten voraus. Man sah ihm an, dass er ein gebeutelter Mann war. Er sah bedrückt aus und wirkte auch sehr verzweifelt.

„Juzila hole uns Gläser und den Wein und dann bewache bitte die Tür des Raumes und lass niemanden ein“, befahl Sir Ivani einem kleinen alten Mann. Der gehorchte und brachte nach einiger Zeit die Weinkelche und drei große Krüge mit Muratsch.

„Ihr trinkt doch alle etwas Muratsch?“ fragte Sir Ivani freundlich.

„Natürlich Onkel, aber das du nicht wieder zu viel trinkst und wir nicht mehr mit dir sprechen können. Ich weiß, dass du deine Probleme oft im Rausch beseitigen willst“, meinte Pali.

„Lass gut sein Junge. Ich weiß, dass ich manchmal zu tief ins Glas schaue, aber das ist nun egal. Eure Probleme sind wichtiger.“

„Ja, Onkel. Am besten erzählt einer von euch. Ich bin nicht sehr gut im erklären“, erwiderte der Prinz und sah dabei auf seine Freunde. Sir Ivani sprach zum Glück sehr gut noridisch.

Samarin ergriff das Wort und sprach von ihrer Schwester, Linga und der Kutsche, die Tinga gesehen hatte. Der Mann hörte sich alles an und starrte dann lange auf seinen Trinkbecher.

„Nun ja, es gibt keine andere Möglichkeit, als das diese verdammten Mönche daran Schuld sind. Nur was soll ich nun tun? Sie haben mich in ihrer Hand. Ich könnte euch nur Ratschläge geben, die ihr befolgen könntet, aber sonst sehe ich keine Lösung“, sagte er und sah dabei niemanden der anderen an.

„Das wäre eine kleine Hilfe. Habt Ihr schon eine Idee?“ fragte Daniel nach.

„Ich brauche noch etwas Zeit. Morgen früh werde ich euch meine Pläne nennen. Mein Diener Juzila wird euch die Schlafräume zeigen“, erwiderte Sir Ivani und klopfte dann zweimal fest mit der Hand auf den Tisch. Juzila erschien in der Tür, der Onkel des Prinzen machte ein paar seltsame Zeichen und schon standen die Freunde mit dem Diener auf dem großen Flur des Hauses.

„Lokp gigo hunfu derdas?“ fragte der Mann plötzlich.

Alle sahen ihn fragend an. Keiner der Jugendlichen kannte diese Sprache. Noch nicht einmal Pali, der viele Akzente des Landes kannte.

„Was sprecht Ihr da guter Mann?“ versuchte der Prinz auf shami zu fragen. Der Diener schüttelte nur den Kopf und sah die Freunde dümmlich an.

„Was machen wir jetzt? Er versteht uns kein bisschen“, meinte Samarin.

„Ich gehe noch einmal zu meinem Onkel“, sagte Pali und öffnete die Tür zum Speisesaal.

„Onkel, wir verstehen deinen Diener nicht“, sagte der Prinz knapp zu dem Mann, der noch immer am Tisch saß und dabei die Wand anstarrte.

„Oh, dass habe ich ganz vergessen. Er versteht euch zwar, aber er kann selbst kein shami sprechen. Was hat er denn gesagt?“

Pali wiederholte den ungefähren Wortlaut des Dieners.

„Er fragte euch, ob...“, Sir Ivani sprach nicht weiter.

„Was hast du Onkel?“ fragte der Prinz verwirrt.

Sir Ivani war aufgesprungen, rannte zur Tür und riss diese auf. Der Flur lag ruhig und verlassen vor ihm. Pali hatte sich an ihm vorbeigezwängt und sah sich verzweifelt um. Wo waren seine Freunde?

„Oh nein, ich dachte mir schon, dass es bereits zu spät ist“, flüsterte der Bruder des Königs.

„Onkel, sag endlich, was los ist“ schrie der Prinz und er konnte die Tränen nicht mehr verbergen.

„Ich konnte doch nicht wissen, dass mein bester Diener ein Verräter ist. Junge, er fragte euch vorhin, ob ihr bereit seit zu sterben. Er konnte nicht wissen, dass ihr ihn nicht versteht und ahnte auch nicht, dass du so eilig zu mir gehen würdest. Junge, was sollen wir nun machen?“

„Was fragst du mich das? Du bist der Herrscher dieses Hauses. Du musst etwas unternehmen!“

„Die Mönche haben mich doch in der Hand. Sie werden dieses Haus und alles in meinem Regierungsbezirk zerstören, wenn ich mich gegen sie stelle.“

„Du wirst die ganze Welt zerstören, wenn du nichts machst. Wir alle, die auf der Reise waren, sind die Einzigen, die noch die Rettung bringen können. Die Welt wird von einem bösen und mächtigem Zauberer bedroht. Du wirst alle Menschen auf deinem Gewissen haben, wenn du nicht endlich deine Feigheit überwindest. Hast du dir nicht lange genug von den Mönchen auf der Nase rum tanzen lassen? Meinst du Firga wird dir für deine elende Feigheit auch noch dankbar sein? Du wirst ins ewige Feuer kommen, wenn du nicht gegen das Böse ankämpfst, das schon so lange unter deinem Dach lebt“; brüllte Pali den innerlich gebrochenen Mann an.

„Du hast ja recht, aber wie können wir beide etwas hervorbringen, was gegen diese Teufelsbrut von Mönchen ankommt?“ fragte Sir Ivani mutlos.

„Für was hat meine Mutter dir so viele Soldaten gegeben? Rufe sie aus deinem ganzen Bezirk zusammen. Wir werden eine Truppe gegen sie aufstellen und sie aus diesem Land vertreiben oder vernichten. Beeile dich, sonst ist es zu spät für meine Freunde und für die ganze uns bekannte Welt.“

Der Gutsherr holte den Befehlshaber der Wachen zu sich in sein Büro und veranlasste ihn, dass er einen großen Teil seiner Männer in die umliegenden Dörfer schickte und die Soldaten zum Gutshof beordert werden sollten. Pali ließ währenddessen die gesamte Dienerschaft in der Küche antreten.

„Bitte Leute, seid endlich still“, bat der Prinz, als alle da waren.

„Was sollen wir denn hier und wer bist du eigentlich? Wie kann der Gutsherr einen kleinen Jungen schicken, um uns etwas zu sagen?“ rief plötzlich einer aus der Menge. Der Rest stimmte ihm laut grölend zu.

„Ich werde euch sehr viel zu sagen haben. Ihr werdet auf mich hören, denn ich bin der Prinz von Schamanah“, sagte der Junge mit ruhiger Stimme und zog dabei seine Kapuze aus dem Gesicht, die er die ganze Zeit noch getragen hatte.

„Oh, der Prinz“, wisperte die Menge und viel sogleich auf die Knie.

„Steht wieder auf! Wir werden in der kommenden Situation nicht so unterschiedlich sein, wie jetzt. Wir haben einen schweren Auftrag vor uns. Es werden bald die Soldaten dieses Bezirkes kommen und wir brauchen aber auch eure Hilfe. Es wird ein vielleicht tödlicher Auftrag für uns werden, aber es steht das Überleben aller Menschen auf dem Spiel. Wer also gehen möchte, kann das gerne tun. Soll sich aber nicht wundern, wenn er morgen nicht mehr aufstehen wird und dann für immer im ewigen Feuer sein wird“, erklärte Pali und sah die Dienerschaft dann fragend an.

Keiner verließ den Raum noch an diesem Tag. Viele waren zwar nicht begeistert, aber keiner wollte sich schuldig für den Mord an der Menschheit machen lassen.



„Wie soll das aber alles nur gehen? Wir sind nicht ausgebildet zum Kampf. Soldaten sind bis jetzt auch nur etwas über einhundert Stück gekommen“, meinte der Chefkoch Ranges, der sich mit Pali unterhielt, da er als Vermittler zwischen den Reichen und den Armen am besten geeignet war.

„Es muss funktionieren. Natürlich werden die Frauen und Kinder nicht am Kampf teilnehmen, aber sie können hier alles verbarrikadieren und auch Essen und Trinken für die Kämpfer bereitstellen. Genauso gut können sie sich um die Verletzten kümmern. Ihr Männer werdet euch hinter den Soldaten aufhalten. Erst wenn es wirklich keine andere Möglichkeit mehr gibt, werdet ihr uns helfen. Aber wenn die Mönche nicht irgendwelche Tricks auf Lager haben, müssten wir sie schnell verjagt oder eingekesselt haben. Bewaffnet euch mit Mistgabeln oder sonstigen geeigneten Waffen. Mein Onkel wird die Truppe anführen. Außerdem wird erst gekämpft, wenn uns keine andere Wahl bleibt, aber die bleibt uns wohl nicht. So wie Sir Ivani über die Mönche gesprochen hat, werden sie wohl nicht durch Diskussionen zu beseitigen sein.

Ich werde mich währenddessen mit dem Küchenjungen Michael und der Magd Kira aufmachen, um in die Behausung der Mönche zu kommen. Michael und Kira kennen sich hier am besten aus und wir werden versuchen meine Freunde zu befreien. Doch wenn uns nur ein Fehler passiert, kann es dazu kommen, dass sie uns angreifen, was ich nicht hoffe. Ihr werdet den Teil des Gutes in den wir fliehen abriegeln und beschützen. Durch einen unterirdischen Gang werden uns Kira und Michael hinaus bringen. Michael wird noch einmal zurück kommen und euch Bescheid geben, ob wir aus dem Gutshof gelangt sind oder nicht. Dann wird Sir Ivani den Soldaten den Befehl geben die Mönche zur Strecke zu bringen und in die Kerker zu verfrachten, wo sie schon so lange hingehören. Falls der Plan jedoch fehl schlagen sollte, werdet ihr ebenfalls durch den Geheimgang fliehen und der Junge und das Mädchen werden am Ende dort auf euch warten und euch durch die Wälder in einen anderen Bezirk bringen. Mein Onkel meinte, dass die Mönche niemals in die Nähe von Sir Gabriel gehen würden, da dieser nicht lange fackelt. Wisst Ihr auch etwas davon?“ fragte Pali am Ende seiner Rede.

„Mir hat Huri, der Diener, der den Mönchen das Essen bringt, davon berichtet. Er hörte sie einmal sagen, dass Sir Gabriel ihr größter Feind wäre und sie schreckliche Angst vor ihm haben, weil er in seinem Bezirk die meisten Zauberer hat. Sie kämen gegen ihn nicht an, noch nicht einmal, wenn sie ihre schwarze Magie anwenden würden“, antwortete der Koch.

„Könntet Ihr Euch vorstellen, dass sie einen Vertrag mit einem der mächtigsten Zauberer von Alabatan schließen würden?“

„Das würde nicht zu ihnen passen. Sie sind zu dumm dafür. Weshalb sie Eure Freunde gefangen genommen haben, kann ich mir aber trotzdem vorstellen“, meinte Ranges.

„Sagt Mann, was meint Ihr damit?“ wollte Pali wissen.

„Ihr seid der Sohn der Königin, dass sagt eigentlich alles. Sie wollten Euch hier her locken. Dann als Ihr hier ward, haben die Mönche den übergelaufenen Diener auf Euch angesetzt. Doch er war zu dumm und sprach in einer fremden Sprache und Ihr gingt zu Eurem Onkel und somit konnten die Mönche nur noch Eure anderen Freunde entführen. Eigentlich wollten sie Euch, um dann die Königin zu erpressen. Jeder weiß, dass sie nach Euch im ganzen Land suchen lässt. Das war jetzt etwas umständlich erklärt, aber Ihr versteht, was ich meine?“

„Ja, ich verstehe! Auf diese einfachste Lösung wäre ich gar nicht gekommen. Aber ich wusste auch nicht, dass meine Mutter mich suchen lässt. Meine Freunde und ich meiden Menschenmassen und hatten auch nie Zeit auf den alltäglichen Tratsch zu hören.“

„Manchmal sind die einfachsten Lösungen die Besten, mein Prinz. Geht nun schlafen, Ihr habt morgen einen anstrengenden Tag. Ich kenne den Weg, den Michael und Kira gehen wollen und dieser ist sehr schwer. Ich hoffe nur, dass Eure geschwächten Freunde ihn auch schaffen werden. Nun gute Nacht, mein Prinz“, sagte der Koch noch und verließ den Jungen, der sich nun auf einer Holzbank zum Schlafen ausstreckte.



„Pali aufstehen! Wir müssen gehen“, flüsterte eine Stimme dem Prinzen ins Ohr.

„Was ist los? Wer bist du?“ fragte dieser noch ganz verschlafen und griff aus Reflex zu seinem Schwert, dass er an seinem Gürtel trug.

„Aber ich bin es doch, Michael. Beeile dich, wir müssen schnell sein, wenn wir deine Freunde vor dem Tod retten wollen. Die Mönche fackeln nicht lange und bringen sie vielleicht noch heute Mittag um. Einer der Diener hat berichtet, dass sie ein seltsames Gerät auf ihrem Hof aufgebaut haben“, sagte der Junge, der etwa im Alter von Samarin gewesen sein dürfte. Neben ihm stand ein kleines schmales Mädchen, dass vielleicht elf Jahre alt sein mochte. Das Mädchen war Kira, die Magd von Sir Ivani. Sie war in ein graues langes Kleid gehüllt und trug Strohsandalen. Kira zitterte vor Kälte und Angst am ganzen Leib. Michael war ihr Bruder und hatte sie überredet bei der ganzen Sache mitzumachen, da sie die Geheimgänge besser kannte. Begeistert war sie darüber nicht, Kira wäre lieber im Lager geblieben, doch nun stand sie mitten in der Nacht vor dem Prinzen des Landes und fürchtete sich schrecklich.

„Shaka, ich bin Pali“, begrüßte der Prinz das Mädchen und gab ihr die Hand. Sie nahm sie zögerlich an und sah dabei zu Boden.

„Sei doch nicht so schüchtern. Vergesse einfach, dass ich der Prinz bin. Nun bin ich einfach nur Pali“, versuchte der Adlige Kira aufzumuntern. Ihr Bruder war gesprächiger. Er hatte keine Probleme damit, dass Pali ein Prinz war und er nur ein Küchenjunge.

Die Drei packten rasch ein paar Decken zusammen, für den Fall, dass die Freunde des Prinzen stark unterkühlt waren.

Sie schlichen durch viele unterirdische Gänge und gelangten mit Kiras Hilfe nach etwa einer Stunde in das Konvent der Mönche.

„Ist es noch sehr weit?“ wisperte Pali Michael zu, der einige Schritte vor ihm ging. Kira ging an der Spitze und sah sich immer wieder ängstlich nach ihrem Bruder um.

„Das Verließ müsste gleich zu sehen sein. Ich hoffe nur, dass alle Mönche oben beim Kampf sind. Die Truppe deines Onkels müsste mittlerweile beim Angriff sein“, flüsterte der Küchenjunge zurück.

Sie hatten schon nach wenigen Minuten den Kerker gefunden. Michael brach geschickt das Schloss der Tür auf und sie traten in den eiskalten Raum.

„Daniel, Samarin, ist jemand von euch hier?“ fragte Pali leise.

„Pali, bist du das?“ kam es aus der Dunkelheit zurück.

Michael zündete schnell drei Kerzen an und gab jeweils eine seiner Schwester und dem Prinzen. Die Letzte behielt er für sich selbst.

„Wer ist von euch hier?“ fragte Pali noch einmal.

„Wir sind alle hier. Aber Linga und Asmia sind nicht mehr ansprechbar. Wie habt ihr uns nur gefunden?“ sagte jemand und nun hörte der Prinz, dass es Samarin war und aus welcher Richtung sie sprach.

„Michael und Kira kannten den Weg in die Verließe und mein Onkel hält mit seinen Soldaten gerade die Mönche draußen in Schach, so konnten wir hierher gelangen. Könnt ihr alleine gehen?“ Pali hatte seine Freunde in der Dunkelheit gefunden und zusammen mit seinen Begleitern die Fesseln gelöst.

„Asyet, Ciran, Daniel und ich sind noch kräftig genug, aber Linga und Asmia sind bewusstlos, wie ich schon sagte. Wir müssen sie tragen. Daniel und Ciran können das machen. Jetzt wissen wir aber auch endlich, warum die Wachen so Hals über Kopf verschwunden sind“, versetzte Samarin.

Eilig schoben sich die beiden Männer aus dem Roten Haus die ohnmächtigen Mädchen auf den Rücken. Asyet hatte sich auf dem Weg in den Kerker das Bein verstaucht und Samarin musste sie deswegen stützen.

Humpelnd und keuchend schleppte sich die Gruppe voran. An der Spitze liefen Kira und Michael, Pali ging am Ende und unterstütze Asyet beim Laufen. Nach einiger Zeit erreichten sie das Tor, das in den Teil des Hauses führte, den Sir Ivani besaß. Pali verriegelte das schwere Türschloss und schob noch einen Balken davor. An dieser Stelle machten die Jugendlichen eine kurze Pause. Daniel und Ciran waren schon fast am Ende ihrer Kräfte.

„Ihr werdet noch mehr aushalten müssen. Spätestens morgen Nacht müssen wir aus dem Gutshof verschwinden, da unser Zeitplan schon sehr durcheinander ist und wir noch nicht wissen, ob mein Onkel Erfolg gegen die Mönche hatte. Jetzt lasst uns weitergehen, wir sind bald in Sicherheit“, erklärte der Prinz. Der Plan hatte sich in dieser Hinsicht geändert, dass die Freunde nicht sofort das Gutshaus verließen, da Linga und Asmia nicht in der Lage waren und der Weg ins Freie so nicht erreicht werden konnte. Ein kleiner Teil des Gutshofes war verbarrikadiert worden und wurde rund um die Uhr bewacht.

„Ist es denn noch sehr weit, Pali? Daniel und Ciran brechen gleich zusammen, wenn wir noch länger laufen. Meine Schwester und Linga, haben schließlich auch ein Gewicht“, fragte Samarin den Prinzen.

„Keine Sorge, wir sind schon da. Wir müssen nur noch durch diese Tür und ein paar Treppen nach oben“, antwortete er und zeigte dabei auf eine kleine Holztür.



Nach einiger Zeit, denn der Aufstieg erwies sich als sehr schwierig für Daniel und Ciran, erreichte die Gruppe das sichere Zimmer des Sir Ivani. Der Onkel von Pali wartete schon und half mit seinen kräftigen Armen Linga und Asmielle auf zwei vorbereitete Behelfsbetten zu legen. Pali sah seinen Onkel verwirrt an, denn es war keine gutes Zeichen, dass er nicht mehr draußen kämpfte. Oder hatten sie so schnell gesiegt?

Sir Ivani sah ihn traurig an und zeigte auf seinen Kopf. Der Gutsherr hatte einen dicken Verband um den Kopf, der dem Prinz bisher nicht aufgefallen war.

„Hab ziemlich schnell eins abgekriegt, bin eben nicht sehr gut fürs Kämpfen ausgebildet. Meine Männer halten sie weiter in Schach, jedoch sieht es nicht sehr gut für uns aus“, erklärte Sir Ivani.

„Pali, habt ihr hier irgendjemand, der über Medizin Bescheid weiß?“ fragte Samarin und beugte sich dann zu ihrer Schwester herunter, die langsam zu sich kam.

„Sind die beiden ernsthaft krank? Ich dachte, sie wären nur erschöpft. Warten wir doch erst einmal ab. Aber wenn es wirklich nötig ist eine Heilerin zu holen, werde ich eine besorgen.“

„Du hast recht, wir sollten wirklich erst abwarten. Asmia kommt ja auch schon wieder zu sich“, stimmte Asyet dem Prinzen zu.

„Asmia, geht es dir gut?“ fragte Samarin ihre Schwester.

„Ich bin schon in Ordnung. Linga geht es auch gut. Die Mönche haben uns einen Trank gegeben, damit sie uns ins Verließ bringen konnten. Wahrscheinlich sind wir deswegen so fertig“, sagte Asmielle, die schon jetzt über alles Bescheid wusste, da sie ja die Gedanken der anderen lesen konnte.

„Wo sind wir eigentlich?“ kam es überraschend von Linga, die auch zu sich gekommen war. Es wusste ja noch keiner, dass sie eine Argo war und deswegen stellte sie sich etwas dumm. Eigentlich hatte sie schon gleich beim Aufwachen die Gedanken der anderen studiert und wusste, wo sie war.

„Wir sind auf dem Gut von Sir Ivani. Er ist der Onkel von Pali“, erklärte Daniel und deutete auf den großen und kräftigen Mann, der an seinem Schreibtisch saß.

Linga nickte ihm zu und sank dann wieder auf ihr Lager zurück. Auch Asmielle hatte es sich bequem gemacht. Sie sah schon wieder sehr gesund aus. Das war aber auch kein Wunder Linga half ihr mit ihrer stärkeren Heilungskraft dabei.

„Erholt euch nun gut. Wir müssen noch morgen Nacht von hier verschwinden. Wenn wir in einiger Entfernung sind wird mein Onkel auch seine Gefolgschaft gehen lassen, denn es sieht ganz danach aus, als wären die Mönche viel stärkere Gegner, als wir dachten. Er will dann als letzter gehen und ein Feuer legen. Wir werden dieses Teufelspack ausräuchern“, erwähnte Pali noch, als alle das Zimmer verlassen wollten, damit die beiden Mädchen sich ausruhen konnten.

„Nein, dass dürft ihr nicht! Ihr dürft das Haus nicht niederbrennen! Nein!“ schrie Linga plötzlich auf.

„Warum dürfen wir das nicht?“ wollte Sir Ivani wissen.

„Es gehört den Sukis! Ihr dürft nicht noch mehr Eigentum der Sukis zerstören! Wenn ihr es verbrennt, dann werdet ihr alle sterben, alle miteinander!“ brüllte die Heilerin den Onkel von Pali an. Sie war richtig hysterisch geworden und ihr liefen die Tränen über das Gesicht. Asmielle war aufgesprungen und hatte die Ältere in ihre Arme genommen.

„Geht und haltet euch an Lingas Warnung. Sie weiß, warum sie das sagt“, sagte Asmielle und die Freunde verließen betreten das Zimmer.



„Was sollte das nur? Warum hat Linga solche Angst, dass wir dieses Haus zerstören?“ fragte Daniel seine Freunde, als sie beim Essen saßen.

„Das wüsste ich auch gerne. Vielleicht sollte ich noch einmal zu ihnen gehen. Ich bin ja so etwas wie eine Verbündete, auch wenn Asmia das nicht so sieht. Für sie bin ich viel zu menschlich“, meinte Samarin.

„Dürfen wir denn eigentlich nun nicht mehr kämpfen?“ fragte plötzlich einer der Soldaten, die extra deswegen angereist waren.

„Wollt ihr euch denn wirklich unnötig in Gefahr bringen? Seid doch froh, dass ihr jetzt erst einmal nur Wache halten müsst“, erwiderte Pali gelassen auf diese Frage, die er ziemlich dämlich fand. Er war aber auch kein Soldat.

„Wofür sind wir dann hier her gekommen? Ich bin dazu ausgebildet worden zu kämpfen und nicht wie eine Maus im Loch zu sitzen. Denn das tun wir nämlich zur Zeit. Wir sitzen im Loch und diese verdammten Mönche können machen, was sie wollen. Wir müssen gegen sie kämpfen und sie in ihre Schranken zurück weisen“, sprudelte es aus dem Mann heraus, der erst vor kurzem im Gut angekommen war.

„Ich gebe dir schon recht, Soldat. Aber hast du auch an die vielen Unschuldigen hier in diesen Räumen gedacht? Willst du das Leben von so vielen Kindern und Frauen in Gefahr bringen? Ich wollte diese Bürde nicht auf mich nehmen. Außerdem sprich mit den anderen Soldaten! Sie wissen mittlerweile, dass es besser ist zu verteidigen, als zu kämpfen, denn dieser Feind kämpft mit schwarzer Magie.“

„Ihr habt gut reden. Wie sollen diese Leute hier rauskommen, wenn keiner gegen die Mönche kämpft? Wir werden nicht mehr sehr lange mit unserer Nahrung auskommen und dann müsst Ihr verantworten, dass diese Leute hier am Hungertod sterben.“

„Ich muss diesem Mann wirklich recht geben. Wir verstecken uns wie die Maus vor der Katze und dabei sind doch eigentlich wir die Stärkeren“, versetzte Daniel. Pali nickte, sagte aber nichts dazu. Er starrte nur vor sich hin und trank ab und zu von seinem Bier, das vor ihm stand. So saß er einige Stunden da. Seine Freunde und sein Onkel gingen schon nach kurzer Zeit. Sie hatten einige Male versucht ihn anzusprechen, aber er gab keinen Ton von sich.

20. Lebensmüde, verzweifelt und Audin der Engel der Dauer

Samarin war zu ihrer Schwester und der Heilerin gegangen. Linga lag auf ihrem Lager und krümmte sich vor Schmerzen. Es war eigentlich unnormal, dass ein Argo solche Schmerzen hatte. Doch nicht einmal Asmielle wusste, was ihrer Freundin fehlte.

„Können wir ihr denn wirklich nicht helfen?“ fragte Samarin ihre Schwester.

„Wie denn? Sie ist die Heilerin, nicht ich. Ich habe gar keine heilenden Kräfte, nur die zur Selbstheilung. Ich glaube, dass es ihr erst besser geht, wenn wir von hier weg sind. Es muss irgendeine Verbindung zwischen ihr und dem Haus geben. Sie schreit dauernd und sagt, dass man das Haus nicht anzünden darf. Sie ruft auch noch nach jemandem, der Lulika heißt. Ich weiß nicht, wen sie damit meint. Ich bin so verzweifelt, selbst meine Kräfte gehen einmal zu Ende“, erklärte Asmielle.

„Wenn ich dich so sprechen höre, glaube ich einfach nicht, dass du jünger bist als ich. Manchmal zweifle ich an mir selbst, weil du sogar mir überlegen bist. Haben die Argos irgendeine andere Altersregelung, als die Menschen? Nein, das geht ja gar nicht, sonst müsste ich ja auch etwas weiser sein, als Asyet und das bin ich nur in einem geringen Maße. Diese kleine Überlegenheit, kommt aber nur davon, weil Asyet zu hitzköpfig ist. Würdest du mir das erklären, mit dem Alter?“

„Das ist sehr kompliziert. Am besten merkst du dir wirklich, dass Argos in jedem Alter etwas weiter sind als Menschen. Du bist nur auf dem Stand eines Menschen, weil du nie richtig mit Argos zusammengelebt hast und auch keine Ausbildung bekommen hast. Ich könnte mir vorstellen, dass du einer der schlausten Argos sein könntest, wenn du im Schloss geblieben wärst. So hast du dich aber mehr zum Menschen entwickelt, aber ich finde zu einem ziemlich schlauen.“

„Danke, aber du sprichst immer so abwertend von den Menschen und somit eigentlich auch von mir. Warum hast du so einen Hass gegen sie?“ wollte Samarin wissen.

„Weil wir wegen ihnen nicht über der Erde leben können. Wer hat uns denn unter den Palast und in sonstige Höhlen verbannt? Meinst du uns macht es Spaß, wie Unterirdische zu leben? Eigentlich sind wir ja ein Volk der Sonne und brauchen sie sehr dringend. Aber wo leben wir? In einem Loch unter dem Palast und mit einer künstlichen Sonne. Ich muss dir sagen, dass ich nur so abweisend bin zu dir, weil du mir so fremd bist“, brachte das Argo-Mädchen gezwungen heraus.

„Ich bin dir fremd? Wir kennen uns nun schon seit mehreren Monaten und dann bin ich dir immer noch fremd? Aber Linga mochtest du gleich, warum? Sie kennst du gerade mal ein paar Tage“, schoss es aus Samarin wütend heraus. Sie konnte nur schwer die Tränen zurück halten. Ihre Schwester war so kalt.

„Linga ist ebenfalls eine Argo und deswegen habe ich eine Verbindung zu ihr. Aber zu dir bekomme ich einfach keine. Lass uns jetzt damit aufhören, bitte! Es gibt nun wirklich Wichtigeres zu tun. Wir müssen so schnell wie möglich hier raus und zur dritten Stadt, wenn wir noch länger warten wird etwas schlimmes passieren, dass habe ich im Gefühl.“
Samarin sagte nichts mehr, sondern drehte sich um und verließ das Zimmer. Sie konnte ihre Tränen nicht länger unterdrücken und wollte nicht, dass ihre Schwester sie weinen sah. Samarin hasste Asmielle auf einmal. Am liebsten, hätte Samarin sie nie wieder sehen wollen. Wie konnte man nur so gefühllos sein?



Noch immer weinend lief sie durch die gesicherten Korridore des Anwesens und wusste selbst nicht wohin sie eigentlich ging. Als sie an einen Turm kam und hinunter sah, überkam sie plötzlich das Gefühl, sie müsste dort hinunter springen. Wenn sie das tun würde, hätte sie keine Probleme mehr und alles würde gut werden.

Samarin kletterte auf die Brüstung des Turms und stand schon am Rand, als jemand neben ihr etwas sagte: „Samarin, bitte mach das nicht! Die Menschen brauchen dich.!

Das Mädchen drehte sich um und sah einen Engel auf dem Boden des Turmes sitzen. Er war in ein hellblaues Gewand gehüllt und seine Flügel zeichneten sich fein vom Himmel ab, der sich anfing in das Rot der Abendsonne zu verfärben. In der einen Hand hielt der Engel eine Laterne und in der anderen den Stock der Weisheit, wie ihn die Engel trugen, die über das Leben eines Menschen bestimmen konnten. Auf dem Gewand des Engels war eine große Sanduhr abgebildet, die sich in der Farbe nur wenig vom Untergrund unterschied.

„Samarin, bitte komm herunter zu mir. Du weißt, wer ich bin?“ fragte der Engel und reichte dem verstörten Mädchen die Hand.

„Nein, ich kenne viele Engel vom Aussehen her, aber wer du bist weiß ich nicht“, flüsterte Samarin und kam wirklich zu dem Engel. Sie setzte sich vorsichtig neben ihn.

„Ich bin Audin, der Engel der Dauer. Meine Aufgabe ist es, die Länge eines Menschenlebens zu bestimmen. Ich komme zwar nicht zu jedem der stirbt oder bald sterben wird, aber manche habe ich schon in das Reich des Himmels geführt. Doch du bist noch nicht dran dort hin zu kommen. Es wäre zu leicht, seine Probleme mit dem Freitod lösen zu wollen. Außerdem hast du eine Aufgabe, die sehr wichtig ist und die so schnell es geht bewältigt werden muss. Du bist die treibende Kraft in eurem Bunde, niemand sonst“, sprach Audin weise.

„Aber wie kann ich die Kraft unserer Gruppe sein? Ich kann bei nichts helfen. Ich habe keine Kräfte. Ich bin ein nutzloses Bauernmädchen, das aus reinem Zufall in diese Sache hineingeschlittert ist. Ich habe mir diese Aufgabe nicht ausgesucht und ich wünschte auch, ich hätte meine Schwester nie gefunden. Sie war der Auslöser für meine Entscheidung. Ich möchte einfach wieder nach Hause und mein langweiliges Leben weiterführen.“

„Willst du denn unbedingt eine von vielen sein? Warum willst du auf deinen Bauernhof, wenn du so viele Abenteuer erleben kannst? Ich verstehe, dass vieles nicht so schön ist auf dieser Reise, aber hättest du sonst Daniel, deinen Freund kennen gelernt? Ich schätze nicht. Ihr wärt euch nie über den Weg gelaufen und du hättest nie erfahren, was wirkliche Liebe ist. Ich möchte dir aber etwas verraten, da ich nicht möchte, dass du deine wahre und vorbestimmte Liebe nicht übersiehst. Daniel wird für immer einer deiner treuesten und wichtigsten Freunde bleiben, aber er wird nicht dein Leben mit seinem teilen. Er wäre dazu gar nicht in der Lage, aber genieße die Zeit mit ihm noch so lange es vorbestimmt ist.“

„Du hast ja recht und ich danke dir für dieses Geheimnis, denn ich zweifle schon seit einiger Zeit an meiner wahren Liebe zu ihm. Aber kannst du mir sagen, warum meine Schwester so abweisend zu mir ist?“

„Sie liebt dich tief in ihrem Herzen sehr, aber sie kann es noch nicht zeigen. Gedulde dich noch ein wenig. Lass uns jetzt gehen. Ich werde dich wieder zu deinen Freunden bringen“, sagte der Engel, stand auf und nahm Samarin bei der Hand, wie eine Mutter ihr kleines Kind. Neben Audin kam Samarin sich auch wie ein Kind vor. Der Engel strahlte solch eine Weisheit und Ruhe aus, dass es nicht zu beschreiben war.

„Audin, musst du mich wirklich schon verlassen? Ich kann einfach nicht mehr und du gibst mir so viel Kraft, dass ich mich wieder wie am Anfang unserer Reise fühle, nämlich richtig zufrieden“, sagte Samarin zu dem Engel, der sich gerade verabschieden wollte.

„Ich muss nun einmal gehen, ich habe noch viele Dinge zu erledigen. Ich verspreche dir, dass wir uns wiedersehen. Ich freue mich sogar sehr auf unser nächstes Treffen, denn das wird unter einem anderen Stern stehen“, sprach Audin und gab Samarin noch stärkend die Hand, bevor er ging.

Das Mädchen sah wie der Engel in einer silbrigen Dunstwolke verschwand, dass war auch ein Zeichen, dass dieser Engel viel mit den Menschen zu tun hatte. Samarin atmete noch einmal tief durch und betrat den Raum, in dem sich alle versammelt hatten.

Pali saß nun nicht mehr vor sich hinstarrend am Tisch, sondern fand sich in leiser Unterredung mit seinem Onkel. Daniel und Ciran spielten Fanbi, das Spiel der reichen Leute in Schamanah. Sir Ivani hatte ihnen die sehr leichten Spielregeln erklärt und nun befanden sie sich im harten Kampf gegeneinander. Bei dem Spiel Fanbi ging es darum so viele Truppen und Siedlungen des Gegners zu vernichten, wie es möglich war. Samarin fand, dass Fanbi ein viel zu brutales Spiel war und von den Reichen nur aus Langeweile gespielt wurde. Das Spiel der normalen Bevölkerung gefiel ihr viel besser. Es hieß Danhisi und man musste dabei versuchen den Gegner mit kniffligen Denkaufgaben in die Irre zu führen. Wer es als erstes schaffte zwanzig Fragen zu beantworten, der wurde Danhisi-König. Auf dem Spielbrett waren für jeden Spieler zwanzig Punkte aufgemalt und jeder in einer anderen Farbe. Die Farbe stand für die verschiedenen Schwierigkeitsstufen. Doch Daniel und Ciran waren ganz begeistert von Fanbi. Sie brüllten, wenn eine gegnerische Stadt fiel oder wenn einer eine Truppe in die ewigen Jagdgründe brachte. Samarin sah ihnen nur kopfschüttelnd zu und begab sich dann auf die Suche nach ihrer Freundin Asyet. Nach einer Weile fand Samarin das Mädchen bei ein paar Kindern, die um sie herum saßen. Alle schrieen durcheinander und zogen an Asyets Hosen.

„Was machst du denn da? Hast du einen Kinderhort aufgemacht?“ fragte Samarin ihre Freundin.

„Sie wollen unbedingt Geschichten aus Azieren hören. Die Engel haben es ihnen besonders angetan. Sie wollen mir einfach nicht glauben, dass wir schon Engel gesehen haben“, antwortete sie vom vielen Erzählen ganz erschöpft.

„Ich habe eben schon wieder eine Begegnung mit einem Engel gehabt. Es war bis jetzt die Schönste von allen. Er hat mir das Leben gerettet. Aber wie können dich die Kinder denn verstehen? Du sprichst doch kein Wort shami?“

„Aber die Kinder sprechen noridisch. Sir Ivani kann es doch auch und somit hat er verordnet, dass alle im Gutshof beide Sprachen lernen.“

Samarin nickte bloß und ging wieder in Richtung Tür. Sie hatte die schwere Tür gerade geöffnet, als sie von hinten festgehalten wurde.

Samarin drehte sich um und sah in die Augen von Daniel. Er blickte sie besorgt an und sagte: „Liebling, was ist mit dir los? Du warst so lange weg und nun gehst du schon wieder! Lass uns auf unser Zimmer gehen und in Ruhe sprechen, ja?“

„Das wäre lieb von dir“, erwiderte das Mädchen nur und nahm ihren Freund bei der Hand. Das Pärchen ging in schnellen Schritten zu seinem Zimmer.

„Nun erzähl schon, was ist mit dir los? Du bist so niedergeschlagen“, sagte Daniel zu seiner Freundin, als sie sich nebeneinander auf das Bett gesetzt hatten.

Doch Samarin erwiderte nichts, sondern fiel ihrem Freund nur schluchzend in die Arme. Der junge Mann streichelte ihr beruhigend über das lange braune Haar und hielt sie fest in seinen Armen.

„Willst du mir nicht endlich sagen, was dich bedrückt?“ fragte er nach einer Weile noch einmal.

„Es ist einfach alles so schrecklich. Ich habe wieder einen Engel getroffen. Durch seine Hilfe bin ich nun noch bei dir. Ich wollte...ich wollte vom Turm des Gutshofes springen. Ich habe einfach diese Kälte, die mir meine Schwester entgegenbringt nicht mehr ausgehalten. Doch Audin, der Engel der Dauer, kam und hielt mich von meinem Entschluss ab. Audin beruhigte mich und gab mir wieder etwas Kraft zurück. Trotzdem bin ich noch nicht da, wo ich gerne wäre. Daniel, ich fühle mich so leer, aufgebraucht und allein“, flüsterte das Mädchen.

„Aber ich bin doch bei dir. Du bist nicht alleine und wirst es auch nicht sein. Du hast so viele Freunde, lass dir durch Asmia nicht dein Leben vermiesen. Sie wird sich ändern, davon bin ich überzeugt“, versetzte Daniel und gab seiner Freundin einen langen innigen Kuss. Samarin kuschelte sich in seine Arme und war schon nach wenigen Minuten eingeschlafen. Daniel streichelte ihr die ganze Zeit gedankenverloren über die Haare und überlegte, wie er Samarin helfen konnte. Sie war so mit den Nerven am Ende, da musste er einfach irgend etwas unternehmen. Das Mädchen brauchte unbedingt Hilfe.

Nach ein paar Stunden klopfte es an der Tür von Daniels und Samarins Kammer. Der junge Mann war zuerst wach, denn er war nur wenige Minuten zuvor über seinen Gedanken eingenickt.

„Wer ist da?“ rief er durch die Tür.

„Ich bin es, Pali“, kam es von draußen.

„Komm doch rein“, entgegnete Daniel und deckte Samarin schnell zu, die nur im Nachthemd da lag.

„Oh, Entschuldigung, wenn ich störe“, sagte der Prinz überrascht über die schlafende Samarin.

„Nein, bleib nur. Samarin war müde und schläft deswegen ein bisschen. Aber besser wäre es, wir würden doch hinaus auf den Flur gehen. Was gibt es denn so wichtiges?“

Die beiden Jungen gingen auf den Korridor und Daniel schloss leise die Tür hinter sich, um seine Freundin nicht zu wecken. Sie hatte wirklich etwas Schlaf verdient.

„Wir wollen in zwei Stunden aufbrechen. Könnt ihr bis dahin fertig sein? Ich hoffe Samarin hält die Reise bis zum nächsten sicheren Ort durch. Sie sah mir nicht so gesund aus, als ich sie so da liegen sah. Ist sie krank?“ fragte Pali.

„Ich weiß es nicht. Ihr Körper wird wahrscheinlich noch eine Weile durchhalten, aber ihre Nerven sind am Ende. Wir müssen unbedingt für eine längere Zeit irgendwo Pause machen. Außerdem können wir mit Linga auch nicht so weit gehen. Ihr geht es ja noch schlechter als Samarin, jedoch auf eine andere Weise“, erwiderte Daniel.

„Wir werden sehen, wie weit wir kommen. Ich habe mit Michael und Kira alles besprochen. Sie bringen uns aus dem Hof und noch ein Stück weit in die Wälder hinein. Langsam werde ich dieses Weglaufen satt. Wir tun gar nichts anderes mehr. Entweder laufen wir vor Tamarus davon oder vor verteufelten Mönchen. Ich glaube Samarin wird nicht die Einzige sein, deren Nerven nicht mehr lange aushalten. Ich bin auch schon kurz vorm Verzweifeln. Aber nun packt eure Sachen zusammen. Wir treffen uns so bald wie möglich im Aufenthaltsraum. Ich habe Asyet und Ciran auch schon packen geschickt. Ach ja, noch eine gute Nachricht, wir können unsere Pferde mit durch den Geheimgang nehmen. Ich bin wirklich froh, dass ich nicht schon wieder ein Pferd verliere“, sagte der Prinz noch und war auch schon in der nächsten Abbiegung verschwunden. Daniel sah noch kurz in die Richtung, in die Pali verschwunden war und ging wieder in das Zimmer.

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Über den Autor

Lagannya
Ja was kann ich über mich schreiben?
Ich arbeite als Krankenschwester in einem Pflegeheim und meine größte Leidenschaft ist das Schreiben. Das Schreiben an meiner Fantasystory hat mir schon durch so einige schwere Phasen meines Lebens geholfen...In dieser Welt kann ich mich verlieren und die Zeit vergessen...

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