Kurzgeschichte
Off Me

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"Off Me"
Veröffentlicht am 28. Juni 2013, 18 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Meine Gedichte sind Ausdruck von Gefühlen. Sie sollen kein Mitleid sammeln, denn das ist nicht der Sinn ihrer Existenz. Sie sind mein Ventil für aufgestaute Gefühle. Nicht mehr und nicht weniger. Viele dieser Gedichte schreibe ich auf Englisch, da Englisch in meinen Augen eine Sprache ist, die einige Dinge deutlich intensiver beschreiben kann als Deutsch.
Off Me

Off Me

Einleitung

(inspiriert durch einen Traum)

„Fass mich nicht an … Lass mich in Ruhe … ICH HASSE DICH!“

Judy schreckte auf. Immer wieder der gleiche Traum Immer wieder die gleiche Erinnerung. Allein in solchen Momenten war sie verletzlich. Sie keuchte, als die Erinnerung sie wieder einmal erfasste und in ein Chaos aus Gefühlen und vor allem Schmerz zerrte.

Sie hatte ihn als Freund gesehen…

 

Brian hatte nie Anzeichen dazu gegeben, dass er verantwortlich gewesen wäre…

Sie waren zusammen an der Schule gewesen. Während dieser Zeit waren einige Mädchen verschwunden und schließlich tot aufgefunden worden.

Judy war lesbisch und hatte sich immer gut mit Brian verstanden. Er tendierte ein Bisschen zu übertriebenem Selbstmitleid, war aber ein guter Freund gewesen.

Sie waren zum Schule-schwänzen in Brians Schuppen gegangen. Als die Holztür desselben ins Schloss fiel und das Licht an ging, sah sie in der Mitte eine Falltür, durch die sie stiegen.

 

Judy schnappte nach Luft, als ihr im Geist der Raum erschien. Ihr Gesicht war angesichts der Erinnerung schmerzverzerrt. Doch sie konnte nichts dagegen tun, dass die Bilder in ihrem Kopf weiter liefen.

Noch konnte sie den Raum nicht richtig sehen, doch als Brian das Licht anschaltete, stockte ihr der Atem. Kaltes türkises Licht erleuchtete den Raum und sie sah eine Gestalt am Boden, zusammengekauert und angekettet – es war ihre Freundin. Ihre Gedanken blieben stehen. Sie starrte mit leerem Blick erst ihre Freundin, dann Brian an.

„Was soll das? Naomi…“

„Weißt du, ich ertrage es nicht mehr. Ihr beide so glücklich und ich zur Einsamkeit verdammt. Keine der anderen hat ihr Glück in mir sehen wollen. Obwohl ich sie alle geliebt habe. Ich will nicht der Einzige sein, der so leidet. Ich will, dass du

empfindest wie ich!“

Angst. Nur Angst war in Judy übrig geblieben. Kein Verständnis, keine Logik, nur blanke Angst, die sie auslieferte.

„Meine Liebe hat sie nicht erreicht. Ihre Ignoranz hat sie getötet. Wehre dich nicht gegen mein Geschenk…“

„Fass mich nicht an!“

Er zückte ein Messer.

„Sicher?“

Ihr ängstlicher, unsicherer Blick huschte zu Naomi, die sie flehend ansah und nickte. Nur das brachte sie zum Erliegen. Wenn Brian sie getötet hätte, hätte sie sich nicht verzeihen können, Naomi alleine im Stich gelassen zu

haben. Und so ergab sie sich und wehrte sich nicht. Sie ließ alles geschehen und weinte leise.

Und Naomi sah die Tränen und ihr Herz zerbrach. Tausende Splitter bohrten sich in ihre Brust und brachten sie zur Vernunft, was sie Judy gerade angetan hatte. Eine einzige Träne zeigte ihr inneres Chaos.

 

Judy begann leise zu weinen. Sie hatte schon lange versucht, diese Ereignisse zu verdrängen, doch sie waren zu stark.

 

Sie beide verloren das Zeitgefühl. Sie wussten nicht, ob es Tag oder Nacht war, sie bekamen beide Hunger. Auch

Judy wurde angekettet und Brian ging. Die Falltür fiel ins Schloss und wenig später verstummten auch die Schritte über ihnen und eine Tür klappte. Sie sagten nichts. Es gab nichts zu sagen. Stumm lauschten sie auf die Geräusche des jeweils anderen und ihre Willenskraft wurde schwächer. Verzweiflung löste sie ab. Und wenn sie sich ansahen, konnten sie in den Augen der anderen die eigenen Gefühle sehen. Angst, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit.

 

Brian kam wieder. Er brachte ihnen nur wenig Essen, doch in seiner Gegenwart verging Judy jeglicher Hunger und

Appetit. Der Hass verdrängte alles. Er kam wieder auf Judy zu, doch sie fasste ihren letzten Mut.

„Lieber sterbe ich! Lass mich in Ruhe!“

„Ich habe etwas Besseres als den Tod für dich.“

Er packte Naomi und hielt ihr das Messer an den Hals. Drohend sah er zu Judy auf. Sie zitterte und ihre Beine knickten ein. So groß war ihre Angst.

„Nun, erteilen wir ihr eine Lehre.“ Säuselte er in Naomis Ohr, die erstarrt war.

 

Er hob das Messer. Naomi konnte sich nicht wehren, war fast bewegungsunfähig und konnte die

Situation nicht glauben. Das Messer ritzte ihre Haut am Hals. Sie spürte den Schmerz erst wenige Sekunden später und als es nicht aufhörte und immer mehr Schnitte hinzu kamen, begann sie erst ausdruckslos zu weinen, dann wurde der Schmerz immer offenkundiger. Bis sie schließlich jedes Mal schrie.

 

Judy zitterte unkontrolliert und jeder Schmerzensschrei schien ihr Herz weiter zu zerquetschen. Das Blut lief der immer schwächer werdenden Naomi über den Körper. Judy stürtzte nach vorne und klammerte sich an Brians Bein.

„Bitte! Hör auf! HÖR AUF!“

Mit tränenüberströmtem Gesicht sah sie

ihn an. Er stieß sie fort, doch sie taumelte wieder auf ihn zu. Er packte sie.

„Schnauze! Das ist deine Schuld!“

Er schlug ihr mit der Faust in den Bauch und sie stürtzte keuchend und schluchzend auf den Boden. Und immernoch flüsterte sie:

„Nein. Hör auf. Bitte…“

Brian sah sie an. Eine Mischung aus Schmerz, Mitleid und egoistischem Hass. Dann blitzten seine Augen mit einem wilden, irren Ausdruck auf und er schlitzte Naomi den Bauch auf. Diese blickte ungläubig auf die herausquellenden Eingeweide, dann sah sie Judy an, die noch heftiger zu zittern

begann.

„Tut mir Leid…“

Das Blut breitete sich aus und die geschwächte Naomi kämpfte nicht mehr um ihr Leben. Sie sah Judy an, unternahm den Versuch eines letzten Lächelns, das in einer Grimmasse endete und hauchte ihr Leben aus. Ihre Augen jedes Ausdrucks beraubt, weder Schmerz, noch Liebe zu sehen, nur zwei leere Augen.

„Im Tod sehen sie alle gleich aus. Jede von ihnen.“

Brian beobachtete Judy. Sie schien kurz vor einer Ohnmacht zu stehen, doch stolperte sie zitternd auf allen vieren zu ihrer Freundin, dann stürzte sie sich

unmenschlich schreiend auf Brian. Sie kratzte und biss ihn, er hatte das Messer schon wieder eingesteckt und schien auch nicht den Versuch zu unternehmen, es gegen sie einzusetzten.

„ICH HASSE DICH! TÖTE MICH! BRING MICH UM! DU MONSTER!“

Er hatte erst gegen sie zu kämpfen, doch dann bekam er die Gelegenheit auf sie ein zu schlagen. Und er schlug sie fast bewusstlos. Er schlug auf alles von ihr ein, das er zu fassen bekam.

„Warum sollte ich!? Das wäre Erlösung!“

Judy röchelte und wehrte sich bald nicht mehr, in der Hoffnung, zu Tode geprügelt zu werden. Doch halb lebend ließ er sie liegen und ging.

Judy schluchzte. Ihr Herz schien ihr aus der Brust springen zu wollen und nicht das erste Mal in ihrem Leben wollte sie sterben.

 

Einige Zeit lang war sie dort eingesperrt und wusste nicht, was Brian ihr noch antun wollte. Er brachte ihr manchmal Essen, doch sie aß nicht. Sie beobachtete teilweise, wie Ratten und Mäuse das Essen gierig mit sich schleppten, doch sie selbst aß keinen Bissen, saß nur neben ihrer toten Freundin und beschützte sie. Schließlich öffnete sich die Falltür mal wieder und Brian kam mit einem Plastiksack herein. Er machte Anstalten, Naomi

einzupacken, doch vorher musste er Judy wieder fast umbringen. Mit der Leiche verließ er den Raum und Judy schrie ihm Verwünschungen nach.

Nun vollkommen alleine war ihr alles egal. Sie aß nichts, trank nichts, wehrte sich nicht gegen Brian und bewegte sich keinen Zentimeter. Sie wollte nur sterben, doch der Tod kam nicht.

Statt dessen kamen Polizisten, die Brian festnahmen. Sie nahmen sie mit, brachten sie nach Hause und stellten ihr Fragen. Sie antwortete nicht, zeigte keine Gefühlsregung bei ihren Eltern und ging nicht auf den Psychiater ein. Es schien kein einziges Gefühl mehr übrig zu sein. Ihre früheren Freundinnen

und Freunde überschütteten sie am Anfang mit Mitleid, doch sie zeigte keine Reaktion. Weder Dankbarkeit, noch Trauer. Auch im Unterricht waren ihre Antworten tonlos und ohne Emotionen. Alle wandten sich ab. Ihre Eltern brachten sie zum Seelenklemptner, doch sogar der verzweifelte fast an ihr.

Sie weinte nicht, lachte nicht, hatte nur einen abwesenden Ausdruck in den Augen. Nie war man sich sicher, ob sie zu hörte.

Nur nachts konnte man sie schreien hören und erahnte, was in ihr vorging. Und sie selbst wunderte sich, weshalb sie sich nicht schon längst umgebracht

hatte. Es war nichts mehr, was sie an diese Welt band. Alle Bezüge waren abgebrochen, selbst die zu ihren Eltern. Sie waren grausam mit dem Messer durchtrennt worden, das ihre Freundin getötet hatte.

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