Romane & Erzählungen
Die Zwölf

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"Die Zwölf"
Veröffentlicht am 20. Juli 2008, 10 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Auf der Suche nach Erkenntnis und Sinn.
Die Zwölf

Die Zwölf

Vorspann

Ich wache mit einem leichten Duck auf der rechten Schläfe auf. Zum dritten Mal in dieser Woche auf der Couch, und wir haben erst Donnerstag. Bugger. Zum Glück war morgen Wochenende. Mir kommt in den Sinn, dass es mir gar nicht mehr in den Sinn kommt, dass Freitag kein Wochenende sein könnte; sobald ich für einige Tage nach Europa flog, kam mir der freie Sonntag äußerst befremdlich vor. Der Gedanke, dass Couchübernachtungen mittlerweile eine schlechte Gewohnheit von mir darstellten, wird glücklicherweise von dem atemberaubenden Ausblick auf Dubai Marina, an dessen Schönheit ich mich wahrscheinlich niemals gewöhnen werde können, verdrängt. Ich genieße einige Momente dieses Gefühl, im Hochglanzreisekatalog für Yuppies zu wohnen. Seit den vier (oder sind es schon fünf? Die Emirate sind wahrlich ein Ort, in dem die Zeit so schnell verfliegt, dass sich diese einer konventionellen Wahrnehmung zu entziehen beginnt, sobald mal länger als einen Urlaub der verbringt) Jahren, die ich bisher an diesem gesegneten und verdammten Ort zugleich verbracht habe, überkommt es mich zumindest einmal täglich. Gesegnet, weil er mir meinen Geldsegen, den ich nicht mehr missen möchte, beschert hat. Über den Preis möchte ich ehrlich gesagt nicht reden. Zumindest möchte ich das nicht in nüchternem Zustand und nicht zu Ihnen. Über den verdammten Anteil, bei dem es sich noch um etwas anderes handelt als um den Preis, auch nicht. Meist morgens, nach dem Aufwachen, sobald ich mir eine Tasse Pulverkaffee aufbrühe (Red Cup selbstverständlich, denn nur der ist der einzige und wahre) überkommt es mich. Genau jenes Gefühl.

Hochglanz

Das erste Mal, dass mich dieses Hochglanzkataloggefühl überkommen hatte, lag über ein viertel Jahrhundert zurück. Auf den Bahamas. Mit der Schwester. Diese Reise, angetreten zusammen mit der Schwester, bestand von Anfang an in einem einzigen Durchschlagen Ganz anders als die Reisen, die ich heutzutage antrete. Heutzutage stimmt vor, während und auf meinen Reisen alles. Der Service, die Sterne, die Airline. Ich lege mittlerweile sehr viel WErt auf eine ruhige Anreise, eine gediegene luxuriöse und ungestörte Wartezeit sowie weitere Kleinigkeiten wie meinen Martini vor dem Start der Maschine sowie einn Milchkaffee noch kurz vor der Landung, egal wie lange der Flug angedauert hat, diese bieden Getränke stellen mittlwerweile gleichsam Rituale des Beginns und Beendens der Flugphase für mich dar.

Damals stimmte gar nichts. Kein Martini, kein Milchkaffee. Noch nicht einmal das Ritual war geboren, der Wunsch eines solchen in mir jedoch schon angelegt, das konnte ich schon damals fühlen, dass mir etwas fehlte. Wir flogen auf Stand-by Tickets (was für eine Scheiße), hatten Probleme aufgrund ermangeln einer Hoteladresse (Where do you intend to stay?? You need a place to stay, don’t you?) in Nassau eingelassen zu werden, zuvor in New York durften wir die Business Class aufgrund unpassender Kleidung nicht boarden (eine Vorschrift der Airline damals für Mitarbeiter und Freunde von Mitarbeitern, die in den Genuss eines verbilligten Tickets in der Business Class kamen, um das optische Niveau in der derselben anzuheben; heute – als Selbstzahler – ziehe ich es vor wie die meisten der anderen Selbstzahler in teuerem Casual zu fliegen, woran ich – sofern gerade überhaupt Interesse meinerseits an Kommunikation besteht – potentiell lohnende Gesprächspartner erkenne), auf dem Rückflug kamen wir nach drei überbuchten Flügen auf denen wir gelistet waren schließlich doch noch halb tot in Frankfurt an, nicht so jedoch unser Gepäck. Heutzutage ohne Gepäck einzulaufen stört mich kaum noch, alles relevante führe ich im Handgepäck bei mir, was jedoch nicht bedeutet, dass ich der entsprechenden Ansprechpartnerin der Airline nicht in zurückhaltendem Ton die Hölle heiß machen würde und die jeweilige Airline für ihre Missorganisation bluten lassen würde. Grundsätzlich sortiere ich Airlines, die nicht dieses Mindestmaß an Organisation beherrschen, ihren Business Class Passagieren die gleichzeitige Ankunft ihres Gepäckes zu sichern ohnehin aus. Unfähigkeit muss bestraft werden. All diese oben genannten Widrigkeiten, die ich mir heutzutage – zumindest zumeist – ersparen kann, konnten mich jedoch nicht davon abhalten, erstmals das Kataloghochglanzgefühl zu kosten. Das Kataloghochglanzgefühl, das ich mir heutzutage käuflich erwerben kann – wie gesagt: zumindest meistens.

Die Schwester

Beim Gedanken an die Schwester versetzt es mir einen Stich in die Herzgegend, ganz ähnlich desjenigen vorhin in die Schläfe. Ich werde wohl alt, mein Körper reagiert auf Gedanken. Sehr bedenklich. Ja genau, daher kam der leichte Druck an der Schläfe. Eigentlich verwunderlich, dass es sich nur um einen leichten Druck handelte, nach den exzessiven drei Litern chilenischen Rotweines, von denen ein letzter Rest in Form einer angetrockneten Lache auf dem Glastisch im Wohnzimmer klebte. Mein Blick schweift an den Rändern des Glastisches entlang, hangelt sich hinauf auf die glatte Fläche der Platte. Prejit hatte wieder nicht gründlich geputzt. Ein Anblick, der das Hochglanzgefühl nicht schmälerte, da dieses mir ohnehin über den Gedanken an die Schwester gänzlich entglitten war. Immer musste man ihn ermahnen seine Arbeit ordentlich zu tun, sogar grob werden damit das Resultat seiner Putzbemühungen für zumindest drei darauf folgende Wochen annehmbar wurde. Ärger vermischt mit einer leichten Übelkeit stieg in mir hoch. Ganz zu Beginn meines Aufenthaltes in einer damals fremden Welt für mich hatte ich so etwas wie Mitleid für ihn empfunden. Den Tisch peinlichst genau nachgewischt. Immerhin verdiente er nicht einmal ein hundertstel für seine Putzarbeit wie ich für meine Tätigkeit, konnte davon aber immerhin noch eine Familie mit zwei Kindern ernähren. Nun ja, vielleicht war er ja deshalb so extrem zierlich. Von nichts kommt halt nichts, insbesondere wenn man von fast nichts noch drei weitere Mäuler zu stopfen hat. Heute denke ich anders darüber, kann mir mitnichten mehr vorstellen, wie ich überhaupt jemals glauben konnte, dass man die Position die man einnimmt, aufgrund von hautsächlich schicksalhaften Fügungen einnehme. Heute glaube ich fest daran, dass gewissen Fähigkeiten, mehr noch die hochgradige Lern- und Anpassungsfähigkeit für die eingenommene Position in der Gesellschaft verantwortlich sind. Verantwortlich sein müssen. Deshalb ist aus der Schwester beruflich nie etwas geworden, blieb sie ihr ganzes Leben einfach nur erfolglos. Obwohl sie das Zeug dazu gehabt hätte. Fließendes English, ausgesprochen fast akzentfrei... oder wahlweise mit Londoner Akzent, verschwendet. Ein Hochschulabschluss, nun ja, in einer sinnlosen Fachrichtung, aber dennoch. Verschwendet. Einfühlungsvermögen, ja Empathie. Verschwendet und verschwendet. Ein nettes Aussehen und gewinnendes Wesen. Alles verschwendet.

 

Die Schwester. Früher hatte ich sie gehasst, später geliebt, jetzt war sie tot.

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marianne
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marianne Antworten auf Ihre Kommis - Halli hallo und herzlichen Dank ersteinmal fürs Kommentieren!
@ConnyB... bald komt eine Fortsetzung... frau darf gespannt sein ;)
@Blaireau... danke, das war sehr aufbauend! Motiviert zum Weiterspinnen...
@aerztefan1412... hoffentlich geht es so weiter...

Einen schönen Abend euch allen noch wünscht euch
die marianne
Vor langer Zeit - Antworten
aerztefan1412 wow - das ist eine sehr spannende geschichte
Vor langer Zeit - Antworten
FSBlaireau Ich denke mal.......... - diese Wendungen im Leben, sind das schwierigste. Denn wenn man darauf abzielt etwas wieder gut zu machen, dann kann es schon zu spät sein! Die Story hat mir sehr gut gefallen. Gruß Blaireau
Vor langer Zeit - Antworten
ConnyB Hi Marianne - Bin gespannt wie Deine Geschichte weitergeht: Sie hört sich vielversprechend an und ist spannend geschrieben!! :)
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vlg, Conny
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