Kurzgeschichte
Seemann

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"Seemann"
Veröffentlicht am 08. Juni 2013, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Seemann

Seemann

Beschreibung

"Aber ich fahre hier am Ende der Welt, mit dem Wind im Gesicht und dem Rauschen der Wellen in den Ohren. Ich fahre hier, immer weiter, immer weiter Richtung Horizont, wohin der Wind mich trägt. Ich fahre dorthin, wo heute die Sonne auf- und morgen untergeht. "

Kurtisane

Ich spüre den Wind in meinem Gesicht und schmecke das Salz auf meinen Lippen. Am Horizont geht das graue Meer in den grauen Himmel über und sie bilden eine Mauer aus Wasser und Wind.

Der Sand ist weich unter meinen Füßen, weich und warm. Eine Möwe kreist am Himmel und ein einsames Fischerboot fährt über die ruhige See.

Ich frage mich, wo du gerade bist. Wohin die geblähten Segel dich tragen. Ich stelle mir vor, dass du am Bug des Schiffes stehst und mit stolz geschwollener Brust in die Ferne starrst. Du bist ein Seemann, durch und durch. Und ich nicht mehr als eine Hure.

Ich weiß, dass du nicht zurückkehren wirst. Ich weiß, dass du keine Heimat kennst. Ich weiß, dass du davon fliegst.

Nur weil ich es weiß, heißt das nicht, dass mein Herz es weiß. Mein Herz schreit nach dir, mit jedem Schlag schreit es deinen Namen, schreit in Angst und stummer Demut, aber du hörst es nicht. Du hörst die verzweifelten Rufe nicht, weil du weg bist, weit weg.

Dein Schiff ist schon lange hinter dem Horizont verschwunden und mit ihm bist auch du gegangen. Und ich? Ich stehe hier.

Ich stehe hier am Strand und starre in die Ferne. Ich stehe hier, mit dem Wind im Gesicht und dem Sand unter den Füßen und du bist alles, was ich denken kann.

Nichtmal Geld habe ich von dir verlangt. So glücklich hast du mich gemacht. Du hast mich sogar zum Lachen gebracht und das passiert nicht oft, wirklich nicht oft.

Deine Nähe war so schön und deine Stimme so betörend. Deine Stimme, die seitdem meine Gedanken füllt, deine Stimme, die ich aus tausenden heraus hören würde.

Die Möwe über meinem Kopf schreit. Ihr Schrei klingt wie der verzweifelte Hilferuf eines weinenden Kindes. Sie schreit wieder und immer wieder.
Ich drücke mir meine Hand auf den Bauch und schreie mit. Ich schreie so laut ich kann, so laut, dass es auf dem Fischerboot zu hören sein muss.

Ich schreie laut und dabei weine ich. Bevor ich dich kannte, habe ich auch nie geweint, nicht eine Träne habe ich um mein Schicksal vergossen und jetzt sieh mich an.

So gerne würde ich dich vergessen, aber das kann ich nicht. Weil ein Teil von dir immer noch in mir wohnt, ein Teil von dir, den ich unter meinem Herzen trage. Was soll ich nur damit? Ich, eine Hure, mit dem Kind eines Seemanns?

So verzweifelt stehe ich hier und warte auf dich. Hier am Strand mit dem Wind im Gesicht und dem Kreischen der Möwe in den Ohren.

Mein Herz fängt an zu rasen. Es fängt so oft an zu rasen in letzter Zeit, immer wenn ich an dich denke. Aber es ist kein gutes Rasen, ein freudiges. Es rast nicht, weil wir uns sehen werden, sondern weil du fern bleibst. Es rast aus Angst, es rast aus Sehnsucht. Es rast, weil mein ganzer Körper sich nach dir sehnt, weil mein Herz deinen Namen schreit und mein Mund auch. Es rast, weil ich mich vor dir fürchte, vor dem, was du mit mir gemacht hast .

Und ich zittere. Die ganze Zeit zittere ich, meine Hände zittern, mein ganzer Körper. Es ist weniger ein Zittern, mehr ein Beben, ein unruhiges, unstetes Beben. Ich musste aufhören zu arbeiten, weil die Männer dieses Zittern nicht mochten. Einer hat gesagt, dass ich aufhören solle zu zittern wie ein verängstigtes Kaninchen, wenn er eine schüchterne Jungfrau wolle, hatte er gesagt, wäre er woanders hingegangen. Er hat mich geschlagen. Er hat mir kein Geld gegeben.

Ich zittere, als wäre mir kalt. Mir ist auch kalt. Diese Kälte kommt von innen, sie kommt von meinem Herzen und erstreckt sich von dort in all meine Gliedmaßen. Sie erfriert meine Organe und meine Lippen. Und ich höre nicht auf zu frieren. Egal, wie dick der Mantel ist, den ich trage, egal wie weich die Decke. Ich höre nicht auf zu frieren, weil du der einzige bist, der mir die Kälte wieder nehmen könnte.

Ich stehe hier am Strand, mit dem Wind im Gesicht und dem Beben im Körper. Ich stehe hier und starre auf den Horizont. Starre auf die Wellen, die immer wieder an Land lecken und sich dann zurück ziehen.

Ich will nur bei dir sein. Ich will nicht mehr als bei dir zu sein. Ich will, dass du mich erfüllst, aber du wirst nicht kommen, du wirst nicht bei mir sein, nie wieder, nie wieder.

Das kühle Wasser umschließt meinen Körper und hält ihn fest, es bettet mich, bettet mich, wie nur deine Arme es vermocht haben.

Es bettet mich und hält mich fest. Es hält mich fest und trägt mich zu dir.

Ich stehe hier, mit dem Wasser im Gesicht. Ich stehe hier und zittere nicht mehr.  

Seemann

Ich spüre den Wind in meinem Gesicht und schmecke das Salz auf meinen Lippen. Am Horizont geht das graue Meer in den grauen Himmel über und sie bilden eine Mauer aus Wasser und Wind.

Das Schiff schaukelt sanft unter mir und das alte Holz knarrt bei jeder seiner Bewegungen. Meine Finger gleiten über die Reling und schließen sich darum, bis die Knöchel meiner Hände weiß hervortreten.

Ich presse meine Kiefer aufeinander und starre weiter unbewegt in die Ferne. Alles, an das ich denken kann bist du.

So schmerzlich ist dein Fernbleiben, so sehr vermisse ich, so sehr vermisse ich deine Stimme, deinen Geruch.

Wie oft bin ich aus dem Hafen gefahren ohne zurück zu blicken? Wie viele Städte ließ ich hinter mir? Und wie viele Herzen brach ich?

Das ist alles was ich brauche. Der Wind, das Meer und mein Schiff. Auch die stetig wechselnde Besatzung stört mich nicht. Ich brauch niemanden, niemanden um glücklich zu sein.

Und nie weiß ich wohin der Wind uns tragen wird. Es ist ein routiniertes Abenteuer, zu wissen, irgendwann anzukommen, aber nicht zu wissen wo. Mein Ziel war nie ein Ort, mein Ziel war die Fahrt, das Flüchten vor mir selbst und vor allem anderen. Das Flüchten von einem Ort zum Nächsten.

Hätte ich gewusst, wohin mich diese Flucht tragen wird, wenn ich gewusst hätte, wohin die Winde mich jenes Mal trügen, dann hätte ich diese Reise nicht angetreten.

Zu dir haben sie mich getragen, in deine warmen Arme. Zu dir, in eine kleine Kammer, in einer kalten Nacht.

Du wusstest was ich bin, ein Seemann, heimatlos, ohne Ziel. Aber es war dir egal, es war dir egal, wie es auch mir egal war, wie es mir jedes Mal egal ist. Mein kaltes Herz sehnt sich nicht nach Menschlichkeit und nicht nach Nähe. Wieso sollte es mich interessieren, nie mehr an einen Ort zurückzukehren? Was sollte mich an meiner Art zu leben stören?

Jetzt stehe ich hier an der Reling, mit der Wind im Gesicht und den Wellen vorm Bug. Jetzt stehe ich hier und fahre immer weiter auf die graue Wand zu, an deren Anfang mich nur ein weiteres Ende erwartet. Deren Ende nur der Anfang einer neuen Reise ist.

Wie leer mein Herz sich plötzlich anfühlt, wie leer ich mich fühle. Als wäre ich mit nichts mehr gefüllt als tiefer Schwärze und toten Worten. Als wären meine Gedanken nichts mehr, als das Flüstern in einer hohen Halle. So leer, das jedes Schlagen meines Herzens ein Echo mit sich trägt.

So leer, das das Bild deines Gesichtes, alles ist, was meinen Kopf füllen kann. Das der Klang deiner Stimme, das einzige was ich höre und dein Geruch, das einzige was ich rieche.

Ich fühle mich so leer und möchte doch nichts mehr, als mich wieder lebendig zu fühlen. Ich möchte das Feuer in meinem Blut spüren, wie jedes Mal, wenn ich die Meere kreuze. Ich möchte die Genugtuung der Fahrt spüren und die Erregung der Flucht.

Und gleichzeitig will ich nichts mehr, als dich berühren, bei dir sein. Deine Nähe genießen, um die ich nie gebeten habe, dein Gesicht sehen, das ich nie sehen wollte. Ich brauch das alles nicht, aber es ist alles nachdem ich mich verzehre. Ich will nicht abhängig von dir sein, aber ich will alles tun um dich glücklich zu machen.

Alles.

Aber ich fahre hier am Ende der Welt, mit dem Wind im Gesicht und dem Rauschen der Wellen in den Ohren. Ich fahre hier, immer weiter, immer weiter Richtung Horizont, wohin der Wind mich trägt. Ich fahre dorthin, wo heute die Sonne auf- und morgen untergeht.

Ich fahre weit weg von dir und spüre die Leere mit jeder Meile deutlicher und wünsche mir mit jeder Meile das Feuer zurück. Wünsche es mir so sehr, dass ich friere und keinen anderen Gedanken fassen kann.

Ich starre in die Ferne und sehe, dass die Sonne untergeht. Sie färbt den Himmel blutrot, feuerrot.

So rot wie das Feuer in der Lampe, die das Deck erleuchtet.

Feuerrot, wildes, heißes Feuer. Feuer, dass meine Seele wärmt und meinen Körper füllt. Feuer, dass deine Stimme vertreibt und deinen Geruch.

Ich fahre hier, am Ende der Welt mit dem Wind im Gesicht. Ich fahre am Ende der Welt, lichterloh, mit Feuer im Herzen.  

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FetteEule

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