Humor & Satire
Proust & Swann in der Métro - 1913

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"ô les hommes!"
Veröffentlicht am 02. Juni 2013, 4 Seiten
Kategorie Humor & Satire
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Über den Autor:

Hum... Ich habe Troja brennen sehen...soll ich noch mehr sagen? Aber nachdem der Rauch sich verzogen hatte, musste ich die langen Jahrhunderte standesgemäß hinter mich bringen und so gewöhnte ich mir an, viele gute und auch mal weniger gute Bücher zu lesen, Musik zu hören und zu machen, im Garten zu pütschern, zu schreiben...Jau, das wär's dann mal.
ô les hommes!

Proust & Swann in der Métro - 1913

Einleitung

... wenn man das Proustianische mal abzieht, dann bleibt eine von mir miterlebte Situation zurück, die wirklich saukomisch war. In der métro, ligne 4

In einem in mattsilbrigem Chamois getönten Wagen der Métropolitain 4, welche sich jedwede Beförderung von Fahrgästen der Metropole in Richtung Saint Ouen zur Angelegenheit werden lässt, sollten Swann und sein Biograph Proust, die nach einem erfrischenden Spaziergang im 4. Arrondissement  in der Nähe des Boulevard Saint-Michel in eben diesen Zug eingestiegen waren, an jenem Montagvormittag gegen die elfte Stunde, vielleicht zehn Minuten früher,  einer albernen kleinen Tragikomödie beiwohnen.

 

Ein eigenartiger und recht übel riechender Fahrgast, grotesk entstellt durch  einen dicken Kopf auf gedrungen kurzem Hals und mit einem seltsamen kleinen Tuch um die Kehle (eine Mode, die zwar florierte, die Swann jedoch verwarf), interpellierte, den starken Andrang zum plötzlichen Vorwand nehmend, diesen mit einer Impertinenz, die nur schlecht seinen wahrlich rüden Charakter verhehlte, und machte sich daran, mit systematischer Methode seine schmutzige Rechte  Herren oder Damen, die nach der Porte de Clignancourt sich zu begeben die Absicht hatten, frech entgegenzustrecken. Indes wartete der seltsame Mensch keineswegs auf eine Antwort, die ihn zweifellos auf den ihm gebührenden Platz verwiesen hätte, sondern nahm dreist Position in unmittelbarer Nähe der automatisch sich öffnenden Wagentür, wo er mit stupender Leichtigkeit seinem unseligen Treiben nachgehen konnte, denn die Insassen des Fahrzeuges mussten zum behufe des Ein- und Aussteigens an ihm vorbei sich schieben.

 

Drei Stationen später, da Swann sich ob des unerträglichen Odeurs des Individuums einer Ohnmacht nahe befand, geschah das nicht mehr Erwartete, indem dieses abstoßende, die feinen Sinne Swanns beleidigende mauvais sujet den öffentlichen Ort zu verlassen sich anschickte. Er schien aber selbst im Scheiden noch großen Geschmack an der Irritation Swanns zu finden, indem er ihm seinen übelriechenden Atem aus der allernächsten Nähe ins Gesicht dampfte. Und auf dem Bahnsteige drehte er sich daselbst noch einmal nach seinem Widersacher um und reckte ihm das mittlere Digital seiner rechten Hand,welcher der kleine Finger fehlte, in einer  frivolen und herausfordernden Geste entgegen.

 

In eben diesem Moment  sank Swann wie entseelt Proust in die Arme, Gesicht und Hände bleich und kalt, und kaum mehr respirierend. Später, zu Hause in seiner eleganten Stadtwohnung, würde Proust dann  versuchen, den unglücklichen Swann  mit einer in Tee getauchten Madeleine wieder ein wenig zu beleben…

 

Die Métro, dieses eisenkalte und laute Ungetüm, rumpelte jedoch ungerührt ob des unglaublichen Vorfalls weiter zur Gare du Nord.

 

 

 

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Hörbuch

Über den Autor

cassandra2010

Hum... Ich habe Troja brennen sehen...soll ich noch mehr sagen? Aber nachdem der Rauch sich verzogen hatte, musste ich die langen Jahrhunderte standesgemäß hinter mich bringen und so gewöhnte ich mir an, viele gute und auch mal weniger gute Bücher zu lesen, Musik zu hören und zu machen, im Garten zu pütschern, zu schreiben...Jau, das wär's dann mal.

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cassandra2010 Re: Großartig -
Zitat: (Original von RickBlaine am 03.06.2013 - 00:48 Uhr) und spritzig

Kompliment, Cassy
rick



Sei willkommen, alter Schwede!
Tack så mycket

Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
RickBlaine Großartig - und spritzig

Kompliment, Cassy
rick
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 Re: Heilige Jungfrau! -
Zitat: (Original von DoktorSeltsam am 02.06.2013 - 22:39 Uhr) Und ich war felsenfest der Überzeugung, ich sei der Einzige in diesem Forum, der Worte wie "stupend" und "behuf" in seine Texte einbaut...Allein aus dem Grund natürlich, um den armseligen Rest der Menschheit zu beeindrucken! Klasse geschrieben, muss ich mal neidlos anerkennen.

Dok



Sapristi!

das ist aber schön, dass du Pa-rouuuu-ssst auch zu schätzen weißt ^_*. Nun, ich liebe es, Stilisierungen zu parodieren. Unter anderem~~~

Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
DoktorSeltsam Heilige Jungfrau! - Und ich war felsenfest der Überzeugung, ich sei der Einzige in diesem Forum, der Worte wie "stupend" und "behuf" in seine Texte einbaut...Allein aus dem Grund natürlich, um den armseligen Rest der Menschheit zu beeindrucken! Klasse geschrieben, muss ich mal neidlos anerkennen.

Dok
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cassandra2010 Re: Mon Dieu... -
Zitat: (Original von HarryAltona am 02.06.2013 - 20:19 Uhr) welch frevelhafte Tat. Da helfen auch keine Madeleines.



Auch nicht, wenn sie in Tee getunkt und von Pa-rouuuu--ssst himself gereicht werden?

Na gut.

Danke, Harry!

Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
HarryAltona Mon Dieu... - welch frevelhafte Tat. Da helfen auch keine Madeleines.
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 Re: Herrlich! -
Zitat: (Original von tommy58 am 02.06.2013 - 15:26 Uhr) Will auch ne Madeleine, in thé getaucht...
tommy



"Das Spiel der verschiedenen psychologischen Gesetze richtet es also so ein, daß es in der menschlichen Flora alles das kompensiert, was in dem einen oder anderen Sinne durch allzu große Fülle oder allzu große Bestandsminderung zu deren Untergang führen könnte.
Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Bde. 1-3"

Dä. Danke, tommy

Cassy
Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 Re: PROUST & SWANN IN DER MéTRO -
Zitat: (Original von Bleistift am 02.06.2013 - 13:08 Uhr) Eine Klasse-Anekdote, vorgetragen mit herrlichem französischen Charme...
Die arme duftverwöhnte edle Nase und das auch noch in Paris, der Welthauptstadt des Wohlgeruchs... grins*
Spontan fällt mit das britische Pendent dazu ein, der Müllkutscher Dolittle, der Vater von Elisa, aus 'My fair Lady'. Lacht*


"Alle unsere Gefühle, in denen wir die Freuden und Leiden einer wirklichen Person miterleben, kommen auch nur durch ein Bild zustande, das wir uns von diesem Glück oder Mißgeschick machen.
Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Bde. 1-3"


Merci, mon cher Louis

Cassy
Wässrige Grüße aus dem schwimmenden Berlin...
Louis :-)

Vor langer Zeit - Antworten
cassandra2010 Re: -
Zitat: (Original von Zentaur am 02.06.2013 - 12:20 Uhr) Hallo Cassy,

der arme Swann,
aber leider sind solche üblen Gestalten fast überall zu finden.

lg Helga und noch einen schönen Sonntag



"Aber man macht sich ja keine Lektion zunutze, weil man nicht versteht, bis zu den allgemeinen Ideen vorzudringen, und weil man sich immer vorstellt, man erlebe etwas, was in der Vergangenheit seinesgleichen nicht hat.
Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Bde. 1-3"

Jau. Danke schön für deine guten Gaben

Cassy
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tommy58 Herrlich! - Will auch ne Madeleine, in thé getaucht...
tommy
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