Biografien & Erinnerungen
Das Dorf - Leo

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"Das Dorf - Leo"
Veröffentlicht am 11. Mai 2013, 6 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Über den Autor:

Ich bin 1950 in Berlin geboren, bin unendliche Zeiten zur Schule gegangen, habe brav studiert und in diversen Firmen artig gearbeitet, bin nunmehr das dritte Mal verheiratet, habe zwei erwachsene, tolle Kinder und gehe endlich meinen Neigungen nach, die sich auf kreativer Ebene bewegen. Ich bevorzuge die Satire, die Ironie, mag Methapher, die aber die Botschaft nicht verschleiern, eher krasser hervortreten lassen. Gerne nehme ich den typischen ...
Das Dorf - Leo

Das Dorf - Leo

 

Leo

Auf dem Dorf lebten Hühner, also fast in jedem Garten war ein Teil für sie abgezäunt und wurde von ihnen zum Dank in eine Mondlandschaft verwandelt. So sind Hühner nun einmal, doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn sie liefern ja schließlich ihre Eier ab und die will jeder essen. Manche Leute hatten zehn Hühner, andere über sechzig. Meine Eltern entschieden sich für zehn, ohne Hahn. Die armen Hühner!

Eigentlich hat meine Mutter eine Federviehphobie und alle Flattermänner sind ihr suspekt, kurz sie ekelt sich bei eventuellen Berührungen mit jeglichem Vogelvieh, doch sie liebt Eier und Kuchenbacken, auch mag sie Hühnersuppe und Frikassee. Ja, so war und ist sie bis zum heutigen Tag. Kuscheln mit Hühner ist nichts für sie. Und doch wurden zehn weiße Legehennen gekauft.

Im hinteren Teil des Gartens stand ein Häuschen aus Stein: der Stall! Es war schon vorhanden als wir einzogen. Auf der einen Seite waren zwei Buchten für die individuelle Schweinehaltung vorgesehen und auf der anderen Seite wohnten die Hühner. Man konnte durch eine Tür in den Hühnerstall gelangen, um dort die noch warmen Eier aus den Nestern zu bergen. Ein Hühnerausstiegsloch führte die Tiere nach draußen, wo sie besagte Mondlandschaft anzulegen pflegten. Nun auch bei uns. Mein Vater hatte einen Maschendrahtzaun zuvor gezogen, um den Rest des relativ großen Gartens hühnerfrei zu halten. Meinem Vater waren die Hühner so ziemlich egal, Hauptsache sie legten gut und lieferten hin und wieder eine kräftige Suppe.

Meine Mutter musste nun zusehen, wie sie mit den Biestern klar kam. Sie öffnete also Morgens schnell die Klappe und verließ fluchtartig das Außengehege, um den Hühnern zu entgehen. Später, wenn alle Tiere draußen waren, ging sie die Eier holen. Manchmal durfte auch ich es tun, wenn nämlich noch ein Untier am Legen war und halt im Nest saß. Das Füttern war leicht: man schmiss das Korn und die Küchenabfälle einfach über den Zaun. Hühner fressen so ziemlich alles. Sie sind reichlich verfressen und kommen immer hoffnungsvoll angerannt, wenn sich jemand nähert.

Das Schlachten musste natürlich mein Vater übernehmen. Für mich ein äußerst grausamer Akt.

„ Tun dir die Hühner nicht leid, Papa?“ fragte ich ihn als er wieder einmal mit der Axt bewaffnet auf Hühnerfang ging.

„Ja“, sagte er „aber einmal ist das Leben zu ende und von euch will es ja keiner machen“, brubbelte er noch. „Hühnermörder!“, rief ich und rannte vorsichtshalber ganz schnell weg. Mein Vater schlug also dem armen Huhn auf dem Hackeklotz den Kopf ab. So machten es alle. Dann holte er sich einen Eimer mit heißem Wasser und rupfte das arme, arme Tier. Meine Mutter zeterte schon in der Küche wegen der Ausnehmerei. Nie würde sie einem Huhn in den Hintern fassen, um die Eingeweide herauszuholen. Ich würde das auch niemals tun.

Nun, auch dies war Papas Aufgabe. Danach briet er sich sehr genüsslich, er summte so vor sich hin dabei, mit kleinen Zwiebelchen die Leber und verspeiste sie mit frischem Brot. Es roch im ganzen Haus sehr lecker.

Irgendwann waren fast alle Hühner aufgegessen, eine Nachzucht wurde nicht betrieben. Wir hatten nur noch fünf Hühner, meine Mutter kannte sie genau. Das kleinste hieß Leo. Leo hatte einen dünnen Hals wie der Mann der Freundin meiner Oma. Na ja, er hieß Leo und so kam es, dass unser kleinstes und dünnstes Huhn auch Leo genannt wurde. Leo legte jeden Tag ein Ei und das auch in der schlechten Legezeit. Eigentlich konnte meine Mutter Leo nicht leiden. Der richtige Leo war ein dürrer Geizkragen. Doch was konnte das arme Huhn dafür? Die anderen fetteren Hühner waren immer eher an den Körnern und hackten Leo weg, kein Wunder, dass Leo dürr blieb. Vermutlich wurde es deshalb auch nicht zum Schlachten ausgewählt.

Jedenfalls wollten meine Eltern inzwischen keine Hühner mehr, sie würden die Eier von den Nachbarn kaufen und das Theater hätte ein Ende, auch das Hühnermorden in unserem Garten, stellte ich erleichtert fest. Leo hat allerdings alle überlebt. Dieses Huhn durfte bei einer guten Nachbarin noch weiter fleißig Eier legen.

 

Im hinteren Teil des Gartens stand ein Häuschen aus Stein: der Stall! Es war schon vorhanden als wir einzogen. Auf der einen Seite waren zwei Buchten für die individuelle Schweinehaltung vorgesehen und auf der anderen Seite wohnten die Hühner. Man konnte durch eine Tür in den Hühnerstall gelangen, um dort die noch warmen Eier aus den Nestern zu bergen.

Ein Hühnerausstiegsloch führte die Tiere nach draußen, wo sie besagte Mondlandschaft anzulegen pflegten. Nun auch bei uns. Mein Vater hatte einen Maschendrahtzaun zuvor gezogen, um den Rest des relativ großen Gartens hühnerfrei zu halten. Meinem Vater waren die Hühner so ziemlich egal, Hauptsache sie legten gut und lieferten hin und wieder eine kräftige Suppe. Meine Mutter musste nun zusehen, wie sie mit den Biestern klar kam.Sie öffnete also Morgens schnell die Klappe und verließ

 

fluchtartig das Außengehege, um den Hühnern zu entgehen. Später, wenn alle Tiere draußen waren, ging sie die Eier holen. Manchmal durfte auch ich es tun, wenn nämlich noch ein Untier am Legen war und halt im Nest saß. Das Füttern war leicht: man schmiss das Korn und die Küchenabfälle einfach über den Zaun. Hühner fressen so ziemlich alles. Sie sind reichlich verfressen und kommen immer hoffnungsvoll angerannt, wenn sich jemand nähert.

Das Schlachten musste natürlich mein Vater übernehmen. Für mich ein äußerst grausamer Akt.

„ Tun dir die Hühner nicht leid, Papa?“ fragte ich ihn als er wieder einmal mit der Axt bewaffnet auf Hühnerfang ging.

„Ja“, sagte er „aber einmal ist das Leben zu ende und von euch will es ja keiner machen“, brubbelte er noch. „Hühnermörder!“, rief ich

 

und rannte vorsichtshalber ganz schnell weg. Mein Vater schlug also dem armen Huhn auf dem Hackeklotz den Kopf ab. So machten es alle. Dann holte er sich einen Eimer mit heißem Wasser und rupfte das arme, arme Tier. Meine Mutter zeterte schon in der Küche wegen der Ausnehmerei. Nie würde sie einem Huhn in den Hintern fassen, um die Eingeweide herauszuholen. Ich würde das auch niemals tun.

Nun, auch dies war Papas Aufgabe. Danach briet er sich sehr genüsslich, er summte so vor sich hin dabei, mit kleinen Zwiebelchen die Leber und verspeiste sie mit frischem Brot. Es roch im ganzen Haus sehr lecker.

Irgendwann waren fast alle Hühner aufgegessen, eine Nachzucht wurde nicht betrieben. Wir hatten nur noch fünf Hühner, meine Mutter kannte sie genau. Das kleinste hieß Leo. Leo hatte einen dünnen Hals wie der Mann der Freundin meiner Oma. Na ja, er

 

hieß Leo. Leo hatte einen dünnen Hals wie der Mann der Freundin meiner Oma. Na ja, er hieß Leo und so kam es, dass unser kleinstes und dünnstes Huhn auch Leo genannt wurde. Leo legte jeden Tag ein Ei und das auch in der schlechten Legezeit. Eigentlich konnte meine Mutter Leo nicht leiden. Der richtige Leo war ein dürrer Geizkragen. Doch was konnte das arme Huhn dafür? Die anderen fetteren Hühner waren immer eher an den Körnern und hackten Leo weg, kein Wunder, dass Leo dürr blieb. Vermutlich wurde es deshalb auch nicht zum Schlachten ausgewählt.

Jedenfalls wollten meine Eltern inzwischen keine Hühner mehr, sie würden die Eier von den Nachbarn kaufen und das Theater hätte ein Ende, auch das Hühnermorden in unserem Garten, stellte ich erleichtert fest. Leo hat allerdings alle überlebt. Dieses Huhn durfte bei einer guten Nachbarin noch weiter fleißig Eier legen.

 

 

 

 

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Helgaschreibt
Ich bin 1950 in Berlin geboren, bin unendliche Zeiten zur Schule gegangen, habe brav studiert und in diversen Firmen artig gearbeitet, bin nunmehr das dritte Mal verheiratet, habe zwei erwachsene, tolle Kinder und gehe endlich meinen Neigungen nach, die sich auf kreativer Ebene bewegen.

Ich bevorzuge die Satire, die Ironie, mag Methapher, die aber die Botschaft nicht verschleiern, eher krasser hervortreten lassen. Gerne nehme ich den typischen "Michel", den modernen Spießbürger, die großen Schlappen unserer Gesellschaft aufs Korn. Aber manchmal möchte ich auch poesievoll den Sinn des Lebens unterstreichen, allerdings immer den Boden der Tatsachen, stets lebensbejahend, im Auge behaltend. Ich liebe den Witz mit Geist und biete viel Hintergründiges an. Das Lachen über sich selbst aber auch über die allgegenwärtige Dummheit im Allgemeinen, scheint mir trotz aller schlimmen Erfahrungen immer geholfen zu haben, mich aus brenzligen Phasen oder Situationen zu bringen.

Ein intensives Nachdenken, Aufarbeiten mit einhergehendem Aufschreiben, und nicht zuletzt die eigene Malerei, sind meine Methoden mit dem Leben im positivsten Sinne umgehen zu können.

Falls sich jemand für meine Malerei interessiert, der besucht bitte meine kleine Online-Galerie. (im Augenblick noch in Beabeitung...die neusten Bilder fehlen..)

http://helga-siebecke.magix.net

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Enya2853 Ein Huhn namens Leo - - oder besser eine Henne, was man am Namen nicht so erkennen kann und der "dürre Hals" war ja auch männlich. Nun, Leo ist zweifelsohne weiblich, legt sie doch Eier.
Die Geschichte zeigt doch: Die Letzten werden die Ersten sein, schließlich hat Leo ja am längsten überlebt.

Was auch deutlich wird: Mann ist gefragt, wenn es um das Unangenehme geht. Ob das oft so ist im Leben? Weiblichkeit, egal ob jung oder älter, hat eben doch mehr Gefühl.
Aber in den Genuss kommen, wollen sie....tztztz...

Mein Großvater hatte auch Hühner (mit Namen, was das Schlachten und Aufessen erschwert - schizophren irgendwie).
Heute sind Hühner wieder im Kommen. Wir hatten letzte Woche für etliche Tage einen Brutkasten in der Schule und die Kids durften das Schlüpfen beobachten. Jetzt startet ein Vater eine AG und will mit den Kindern einen Stall bauen. Die Schüler sollen dann Pflegepatenschaften für die Hühner übernehmen. Diese allerdings haben mit den Haushühnern nicht viel gemeinsam. Sie sind kunstvoll gezüchtet in allen Größen und Farben.

Hier befriedigen die Tiere mal wieder das menschliche Ego.
Damals war das Hühnerhalten zweckgebunden und sie durften den Garten zerwühlen, was mich sehr versöhnlich stimmt.

Eine tolle Dorfgeschichte mal wieder und ich schwelge in nostalgischen Gedanken...

lg
Enya
Vor langer Zeit - Antworten
welpenweste Eine hübsche Geschichte aus dem Leben, das auch Dürrhalsleo gefallen hat.
Günter
Vor langer Zeit - Antworten
KatharinaK Hier ... - ... haben die Hühner ein ähnliches Leben. Hat mich sehr daran erinnert. BIO-Eier, ohne jedwedes Zeug drin, das nicht hineingehört. Der Hahn erzählt mir oft stolz: es ist fünf, komm raus. DA hätte ich fast keine Skrupel, ihm den Hals umzudrehen, außer sein Weckruf kommt grad gelegen.

Sehr schöne Bilder, die Du schreibst,

Katharina
Vor langer Zeit - Antworten
schnief Freut mich für Leo, aber leider ist das so mit den Nutztieren, bei uns wären die Hühner steinalt geworden, da niemand sie hätte schlachten können.
LG
Schnief
Vor langer Zeit - Antworten
rolandreaders Nein. - Hühner schlachten könnte ich auch nicht. Wenn ich Fleisch vom lebendem Tier produzieren müsste, würde ich von einer Minute auf die andere Vegetarier.
In deinem Text ist mir aufgefallen, dass du einen Satz (Seite 4-5) komplett wiederholt hast. Ansonsten, sehr lebendig geschrieben.
L.G.Roland.
Vor langer Zeit - Antworten
Helgaschreibt ja...dürr, fleißig und schlau... - ob schlau?...es hatte Glück, auch wenn es zwischen den Fetten oft genug das Nachsehen hatte.

Dankeschön fürs Lesen.
LG Helga
Vor langer Zeit - Antworten
Tintoletto Leo war der/die Schlauste... - ...und wenn sie/er nicht gestorben ist;)
L.G. Tinto
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