Krimis & Thriller
Der Tod der Kritikerin - Teil IXX.

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"Der Tod der Kritikerin - Teil IXX."
Veröffentlicht am 24. April 2013, 16 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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Der Tod der Kritikerin - Teil IXX.

Der Tod der Kritikerin - Teil IXX.

Geiselnahme Nummer Zwei und Drei

„Handle“, denke ich. „Ich muss handeln, irgendwas, egal, wie oder was!“

Ich bedeute dem Journalisten mit einer Herrscher-Handgeste, die Audienz sei beendet, beuge mich vor und will gerade den Starter betätigen.

Doch der Journalist und sein Kompagnon lassen nicht locker, verschwinden einfach nicht vollständig aus dem Fenster, einer hat noch einen Unterarm darauf gelehnt, der andere hält weiterhin unverrückt seine Lichtfunzel sowie Kamera ins Auto. Schlecht kann ich so starten, ohne jemanden zu verletzen. Reizen würde es mich schon sehr.

„Warten Sie noch einen Moment“, sagt er nicht – solche Tiere muss man vertreiben, bevor sie von ihrer Beute lassen. Als welches Tier bezeichnete ich ihn? Genau!

Man kennt das: du hast Dich unter Druck gesetzt, dies und jenes zu erledigen, obwohl du längst schon im Hirn die Überflüssigkeit und Überholtheit des Ziels Deiner Handlung erkannt hast, trotzdem kannst Du Dich nicht stoppen und beruhigen. Du musst es tun. In der gleichen Lage befinde ich mich nun auch.

Ich setze bereits wieder mit meinen zwei Fingern an dem Schlüssel an, doch irgendwas hält mich vom erneuten Starten ab. Die Journalisten sind ehrfürchtig zurückgetreten, warten nun, bis ich starte, erkennen mein Zögern und nutzen es sofort aus, indem der eine wieder seine bleckenden Raubtierzähne ins Auto hereinschimmern lässt.

Es muss seine Bedeutung haben, dass ich so lange zögere und dass mich die Journalisten nicht ungehindert ziehen lassen, sage ich orakelhaft und delphiegleich. Mensch, denk mal nach! Fliehen hat ja jetzt auch keinen Zweck mehr – du bist bestimmt schon in aller Munde, bekannt wie ein bunter Hund. Was also kannst Du noch Sinnvolles tun für Dein Ziel, Berühmtheit zu erlangen? Nichts! Eigentlich nichts! Oder?

Da kommt mir eine Idee.

Die Hyänen fressen mir doch jetzt wie die Lakaien und Verhungernden aus der Hand. Die Gelegenheit, sich erst einmal ein Heißgetränk von diesen Kanaillen bringen zu lassen, ist einmalig. In dieser Klickerlestankstelle hier gibt es so etwas ja nicht, aber die Journalisten werden Tod und Teufel in Bewegung setzen, um mich einen Capuccino, Kaffee oder dergleichen zu besorgen, bloß um mich noch einige Minuten länger in ihrer Reichweite zu wissen. Ja, darauf kann man getrost Deine Seele verwetten.

Als ob sie darauf gewartet hätten und sich nichts Besseres vorstellen können, flitzt einer quietschenden Reifens los, in der vagen Hoffnung, ein paar Sendeminuten mehr mit dem Ungeheuer herauszuschlagen. Da rollt der Rubel, herrje!

Ich setze fernsehwirksam und fotogen den Lauf der Pistole auf des Polizisten Schädel. Der Kameramann, ganz kirre und gleichsam geifernd wie eine ausgehungerte Hyäne, beugt sich bedrohlich nahe durchs Fenster herein mit seiner Stalinorgel oder so. Ich setze meine Hand auf das Objektiv, um ihn zurückzupfeiffen. Irr tanzend geht er, stets Kamera wie ein MG auf uns gerichtet, an der Vorderfront um den Wagen herum, um des bedauerlichen Gesicht des Opfers und Geisels willen, nämlich in seiner totalen Ohnmacht aus einem anderen Standpunkt aus ins Auge zu fassen. Sein Auftraggeber wird über diese Bilder frohlocken, wie da die Zuschauerzahlen expotentiell in die Höhe schnellen, es ist eine Wucht.

Die Show läuft wie geschmiert.

Ich raune dem Polizisten ins Ohr: „Sie kennen doch die Regeln hier. Los, zeigen Sie ein paar Schweißtropfen. Pressen Sie!“ Er schaut mich irritiert an, als glaube er, dass ich nunmehr vollständig meinen Verstand verloren habe. Wie ein gezähmter Löwe zeige ich ostentativ die weißen Zähne. Lächeln, wir sind im Fernsehen.

„Lächeln Sie wenigstens, wenn Sie schon keine überzeugende ängstliche Mimik und Gestik zustandebringen, Mann!“

Das tut er dann auch, indem er dito in die Linse grinst.

Den Zuschauern werden die Gänsehäute nur so über den Rücken schaudern: Todeskandidat zeigt sich tapfer in seiner ausweglosen Situation, in der er gefangen gehalten wird. Toll! Phantastisch! Ich rechne, dass ich mittlerweile wieder gepunktet habe. Ob es hinsichtlich meines morgigen Bücherverkaufs bis in die Besten-Liste oder besser Bestseller-Liste des Spiegels reichen wird, das und nur das ist hier die Frage.

Der andere Journalist kommt nun in einem Affenzahn wieder zurück: kavalierbremsend, aus dem Wagenschlag hopsend, vor sich gehalten wie die heilige Monstranz einen riesiger Papp- oder Plastikbecher, plus einem 9-Monats-Schwangernen-Bauch von einer Papiertüte, die beinahe überquillt mit heißem Junkfood. Sag ich’s nicht?

Überraschend stapft tollpatschig mein Bekannter aus seinem Cockpit der Tankstelle auf uns zu, wie immer im blauen Trainingsanzug, weiß der Geier, warum er diesen stets trägt. Wechselt er denn nie die Hosen, denke ich immer. Ein Rätsel.

Den Schirm beugt er nach hinten, sich selbst zu mir herein und stammelt: „Wenn es Dir nichts ausmacht... Du stehst leider im Weg... Du verscheuchst mir hier die Kundschaft...Du verstehst mich, ich sage das nicht gerne...“ Die Floskel glaube ich ihm aufs Wort. Mein Contergan-Freund hat es nicht nötig zu lügen, außerdem kann er keiner Fliege etwas zu leide tun.

Ich schaue nah hinten, beuge mich nach vorne, um links und rechts die dunklen Ecken zu spannen und deute in eine: „Dort hin?“

Völlig überraschend schüttelt er schwermütig sein Haupt. „Um ehrlich zu sein, am liebsten wäre mir, Du verschwindest völlig hier von diesem Areal!“ Wer glaubt, mich trifft der Schlag, liegt nicht falsch. Aus diesem Munde klingt es gesalbt und weisungsbefugt – und niederschmetternd, nach allem, was ich für ihn getan habe, die müßigen Stunden, mit denen ich mit ihm oder wir uns gemeinsam die Zeit totgeschlagen haben mit Allerwelts- und Tausend-und-Einer-Nacht-Geschichten und jetzt das!

War ich nur mehr ein Lügenbüßer für seine müßigen Stunden in seiner schlecht frequentierten Tankstelle oder was?

 

Ich runzele also gewaltig die Stirn, weil ich zudem momentan auch nicht weiß, wohin.

Mein Freund zuckt sogar schwermütig mit den Schultern und sagt bedauernd: „Mein Chef hat Dich im Fernseher gesehen und mich gerade angerufen, Du verstehst?“ Trotz allem bleibe ich freundlich. „Ich verstehe. Selbstverständlich fahre ich von hier weg!“ Nur weiß ich immer noch nicht, was ich so recht tun soll in dieser Situation. Wohin soll ich schon fahren, nachdem ich jetzt im Fernsehen bin. Jede Minute läuft für mich.

Ich drehe mich nach hinten und sehe durch die Heckscheibe eine Unmenge von inzwischen sich dort sich konzentrierenden Polizeiautos. Das ganze Tankstellen-Terrain ist mittlerweile mit der Grünen Minna umgeben. Das entspricht einem Belagerungszustand, fix!

„Hm!“, entfährt es mir. „Blöd!

 

Doch einer nervt weiter. „Ich möchte Dich dringend bitten, sofort von diesem Areal hier herunterzufahren! Ja!“ Das sind neue, unbekannte Seiten und Töne meines Freundes. Natürlich kann ich mir vorstellen, dass er sich unter besonderen Druck seitens seines Chefs gestellt sieht, zumal er ein ungewöhnlicher Arbeitnehmer ist.

Er schlägt leicht mit seinem Handballen auf den Fensterrahmen, um seiner Aussage größeren Nachdruck zu verschaffen. Daraufhin folgt ein aggressives Schweigen.

Dieses Verhalten kommt mich komisch an. Noch niemals habe ich meinen Bekannten wütend und erregt erlebt. Stets eingehüllt in einen Kokon fatalisierender Schwermut habe ich ihn wahrgenommen.

Wo habe ich meine Augen gelassen? Es ist nun das Gefühl da, dass nicht ich ihm mit Mitleid begegnet bin, sondern er mir, er sich meine Geschichten hat angehört, weil ich einen mitleidserregenden Zuhörer gesucht habe, dem man damit beglücken und die Zeit vertreiben konnte, wenn man ihm ein Ohr hinhielt.

Diese Erkenntnis ist ein Schock.

Bislang bin ich umgekehrt davon ausgegangen, dass er mich nötiger gebraucht hat als ich ihm. Jetzt jedoch scheint es sich umgekehrt verhalten zu haben. Ich stehe als ehemaliger Bittsteller da - was ein Ding, furchtbare Verdrehung der Verhältnisse ist da entstanden.

Ich bin der bemitleidenswerte Teil unseres Beziehungsverhältnisses gewesen, so sieht’s aus!

Mir verschlägt’s den Atem.

Aber insgesamt ist er doch beschissener dran, räsoniere ich wieder. Ich sag’s leider, ich kann mein Mitleidsstreben nicht unterdrücken. Stets sehe ich die anderen als Opfer, obwohl ich doch selbst nichts anderes bin. Aber so ist’s nun einmal.

Und so denke ich, klar, Arbeitnehmer!

Aber nein, Schluss damit, mit diesem Mitleidsgetue! Denn trotzdem, trotzdem allem, trotz schwerem Stand in der Arbeitswelt, Schwer-Behinderter hin oder her  jetzt reicht’s mir!

Ich stoße die Tür auf, die meinen Freund in den Bach schlägt, so dass er tatsächlich zusammensackt. Ich wundere mich schon, welche Kräfte ich imstande bin zu entwickeln. Aber Hebelwirkung natürlich.

Mein Ex-Freund, muss ich jetzt sagen, ist ein Grischperl, ich packe ihn um die Hüften und halte ihn hoch, schleppe ihn zum Auto und will dem Polizisten ein Zeichen geben, er solle die Hintertür aufmachen.

Er sitzt jedoch nicht mehr im Auto.

„Verflucht!“, brülle ich, drücke mich ans Auto, hangle mit den Fingern das Schloss aus, öffne mit einem Fuß die Tür und werfe meinen Freund auf den Rücksitz hinein. Aber schon steht mir wieder neuer Ärger ins Haus. Diesmal nicht vom Polizisten. Von diesem auch. Der Ärger ist schon da, weil er sich aus dem Auto gestohlen hat und die paar Meter zu seinen Kumpels gerobbt und sich dort in Sicherheit gebracht hat.

 

Der wirkliche Ärger kommt von ganz unerwarteter Seite. Inzwischen, was mir völlig entgangen ist, hat sich ein Mopedfahrer auf dieses heiße Terrain begeben. Es kann nur sein, dass er über einen Feldweg der entgegen der Polizei aufgebauten Sperre gekommen sein muss. Damit ist er der Umriegelung entgangen. Er hat sein Moped zum Auftanken an die kleine Zapfsäule für derartige Vehikel gestellt und muss unseren Tumult beobachtet haben.

Er kommt breitbeinig auf mich zu.

Der soll mir nur herkommen. Ich bin sauer über die Flucht meiner Goldpolice. Ich kann nunmehr durchaus noch eine zweite Geisel gebrauchen. Es muss für den entstandenen Mangel ein entsprechender Ausgleich her. Ob solch ein Behinderter meine Position stärkt oder schwächt gegenüber den vorhergehenden Zustand, habe ich noch nicht durchdacht. Aber Mensch ist Mensch, soll man meinen.

Jener dort ist ein Jugendlicher und Ausländer.

„He, was machen Sie da?“

Breitbeinig kommt er dahergelatscht. Das habe ich schon öfter beobachtet, dass gewisse Typen bewusst die Beine auseinanderhalten beim Gehen, die Füße gleichfalls möglichst nach links und rechts gerichtet, um was weiß ich was zu demonstrieren. Es macht einen betont stenzhaften Eindruck.

Es hat mir wirklich richtiggehende Freude bereitet, meine Kräfte und Geschicklichkeit zu spüren, als ich meinen behinderten Freund überwältigt habe, aber noch mehr natürlich mein Sieg über den Polizisten. Vor einer erneuten Probe werde ich hier gestellt: Jugendlicher, nicht zu unterschätzen.

Auf einen körperlichen Fight will ich es aber nicht ankommen lassen.

„Stopp Alter!“

Er bleibt stehen. Er guckt in die Mündung meiner Knarre.

Jedoch kann ich in nicht an seinem Gesicht ablesen, wie ernst er die Bedrohung nimmt. Checkt er stattdessen ab, wie er mich am besten attackieren kann?

„Dreh Dich rum.“

Tut er zunächst nicht. Tatsächlich, der scheit es darauf ankommen zu lassen. Will den Helden spielen.

Ich schaue ihn mir genauer an, um wen es sich wohl handelt. Ein Türke vermutlich.

„Iyi Günler!“

Men merkt, ich bin verunsichert.

„Marhaabah!“

Ein Dschihadist, ein Gotteskrieger, das hat mir noch gefehlt. Sagt bewusst „Grüß Gott!“ statt „Schönen Tag!“

Wahrscheinlich wäre es tatsächlich zu einem Konflikt gekommen, wenn nicht plötzlich die Lautsprecherstimme der Polizei erschallt wäre: „Machen Sie, was Ihnen der Mann sagt. Gehen Sie kein Risiko ein. Er ist schwerbewaffnet und gefährlich! Ich wiederhole...“

Der junge Mann glotzt in Richtung der Polizei. Dann dreht er sich um.

„Heb noch die Hände, Junge!“

Macht er.

„Bleib stehen, rühr Dich ja nicht!“

Macht er.

Ich hole mir noch ein Paar Handschellen aus dem Auto. Bei Benzin sorgt die Polizei nicht vor, aber bei Handschellen schon. Ein ganzes Knäuel davon liegt im Kofferraum.

Dann schnelle ich ihm eine um. Aber dieses Mal, ich bin ja nicht blöd, mit Händen am Rücken verschränkt.

So, Geisel Nummer zwei, ab ins Auto, und zwar auf dem Beifahrersitz.

 

Auch ich werfe mich wieder auf meinen Sitz und denke: so jetzt sitzt du hier mit zwei Geiseln, was nun?

Die Journalisten haben natürlich alles gefilmt, sehr gut, das puscht den Verkauf meiner Bücher um ein weiteres. Darum geht’s!

„Handle! Tue etwas, egal wie oder was!“

In dieser Lage hieße das, endlich von hier wegfahren und zu verschwinden!

Aber nun, erschießen lassen will ich mich ja jetzt nicht mehr.

Soll ich mich vielleicht ergeben?

Wie käme das beim meinem Publikum an, bei den neuen Lesern?

Darüber musst Du dir auf jeden Fall im Klaren sein. Ich brauche als ein bisschen Ruhe. Zum Nachdenken.

Und diese Journalisten, die mit ihrer Lichtfunzel mal dahin, mal dorthin leuchten, nerven mich gewaltig. Genau, für was hat man schließlich so ein Ding. Ich ziehe meine Knarre.

Ich winke mit dieser dem Journalisten, dem Leithammel davon, zu mir her.

Als er kommt, gebe ich ihm einen erneuten Wink, sich mir sein Ohrwascherl zu nähern, in dem ich ihn ein paar unmissverständlich deutliche Worte hineinraune: „Macht mal einen Rückzieher für zehn Minuten.“ „Ja!“, stößt er aus. „Und zwar zwanzig Meter Entfernung von hier, klar!“

„Klar!“, kommt es munter. Er hat einiges geboten bekommen.

Außerdem hört er aus meiner Stimme, das wir noch nicht am Ende sind, eine Menge Potential steckt in unserem Teamwork, das keineswegs für beendet erklärt ist mit einer zwanzigminütigen Auszeit.

Er winkt seinen Kompagnon zu und sie ziehen sich tatsächlich in ihre Autos zurück, die sie auf zehn Meter Abstand zurückstoßen.

So, das wäre mal erledigt.

Ich beuge mich in meinen Sitz zurück, schließe für einen Moment die Augen und denke angestrengt nach.

 

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