Romane & Erzählungen
Tenebre - Leben und Lügen der Meisterdiebe

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"Tenebre - Leben und Lügen der Meisterdiebe"
Veröffentlicht am 23. April 2013, 302 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Ich lese sehr gerne und schreibe natürlich auch gerne ;) Ich bin schon sehr lange dran Texte zu schreiben und lese unglaublich gern. Ich denke jedoch nicht, dass es irgendjemandem hier anders geht ;) Neben diesen Hobbys mache ich sehr gerne Agility und interessiere mich für die griechische Mythologie. Ich bin offen für alles und hoffe hier auch gute Kritik und Meinungen zu meinen Büchern zu erfahren:) Ich beiße nicht und bin gespannt auf alles ...
Tenebre - Leben und Lügen der Meisterdiebe

Tenebre - Leben und Lügen der Meisterdiebe

Beschreibung

"Das ist nicht möglich. Kein Dieb würde es auf dieses Schiff schaffen. Sie halten mich zum Narren!", empörte Goethe sich jetzt. "Wir sind keine gewöhnlichen Diebe. Wir sind Meisterdiebe!", erklärte Fabio mit einem leisen Lächeln. Ein Leben in Dunkelheit und im Geheimen. Ein Leben voller Angst, Hass aber auch Spannung und Herausforderung. Ein Leben, welches die Diebe in Venedig, 1784 gewohnt waren, zu leben. Die Ära der Meister unter ihnen beginnt, denn die Herausforderung steigt und die Not zur Veränderung scheint unermesslich. Die Dunkelheit bricht hervor und mit ihr die kleine Menge an Narren, die es wagen, sich gegen die Gesetzte zu stellen.

Kapitel 1 - Prolog

Schmerzlich darauf bedacht, keinen Ton von sich zu geben, hielt Curzio sich den Mund zu.

Hätte er die Möglichkeit, würde er schreien.

Sein Bruder rannte, so schnell er konnte, weiter, hinter sich fünf Männer.

Sein Vorsprung verringerte sich in jeder Sekunde mehr.

Curzios Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Wie konnte er seinen Bruder aus dieser Lage befreien?

Mit einem lauten Schrei warf sich plötzlich einer der Verfolger auf seinen Bruder.

Er bekam ihn an den Beinen zu fassen und beide stürzten zu Boden.

Die anderen Männer erreichten ihren Kameraden und schlugen auf den Flüchtling ein.

Curzio musste einschreiten.

„So, was ist jetzt mit dir, juckt es dich noch immer in den Fingern?“, sprach einer der Männer zu dem am Boden liegenden Jungen.

Dieser konnte nicht antworten, da einer der Angreifer ihn mit voller Kraft ins Gesicht trat.

Curzio fluchte innerlich.

Es war ihm unmöglich, einzugreifen und seinem Bruder zu helfen.

Die Männer zerrten ihn auf die Beine.

„So, dann werden wir wohl den Übeltäter der letzten Raubzüge endlich geschnappt haben!“, brummte ein bärtiger Mann, der den Jungen im Genick hielt.

 „Sag, hattest du Komplizen?“, fragte der Mann und sah sein Opfer misstrauisch an.

Der Junge hob langsam den Kopf und blickte den Mann abwertend an.

Curzio konnte sehen, wie seine Augen den Bruchteil einer Sekunde zu ihm hinüber huschten, doch dann schüttelte sein Bruder den Kopf.

„Ob wir ihm glauben sollen?“, fragte der Mann, der ihn zu Fall gebracht hatte.

„Es bleibt uns nichts anderes übrig. Aber bestimmt wird er noch reden, falls er gelogen hat, denn dafür hat er jetzt genügend Zeit!“

Die Männer lachten und der Junge wurde weiß.

Auch Curzio merkte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich.

Im nächsten Moment schleiften die Männer seinen Bruder mit sich, in Richtung Marktplatz.

Curzio folgte ihnen durch abgelegene Gassen und beobachtete seinen Bruder und die Männer.

Als diese ihr Ziel, eine Kutsche, die aussah wie ein Gefangenentransporter, erreicht hatten, öffnete einer der Männer die Tür und ein anderer schubste den schwer verwundeten Jungen in das Gefährt.

„Schöne Fahrt!“, sagte der bärtige Mann und schloss sich lachend seinen Gefährten an, die sich von der Kutsche entfernten und auf ein Gasthaus zusteuerten.

Curzio holte erleichtert Luft.
Er konnte seinen Bruder noch immer befreien.

Aufgeregt sah er sich nach einem Hilfsmittel um, um das Schloss an der Tür aufzubrechen.

Gerade als er ein stabil aussehendes Stück Holz entdeckt hatte, näherte sich ein Mann der Kutsche.

Nervös beobachtete Curzio, wie sich der Mann auf den Kutschbock setzte.

Curzio fluchte und eilte, jedem Risiko zum Trotz, auf die Kutsche zu. Doch es war zu spät.
Der Mann schnalzte zweimal laut mit der Zunge und die Pferde galoppierten los.

Curzio schrie verzweifelt auf und sah sich um. Einige Leute beobachteten ihn misstrauisch, sodass er sich in den Schatten eines alten Hauses rettete. Verzweifelt rutschte er an der Wand hinab.

Er war weg. Sein Bruder war tatsächlich weg.

Nach einigen Augenblicken, in denen Curzio verstört in die Luft gestarrt hatte, rappelte sich der Junge auf.

Er würde die Verfolgung aufnehmen und seinen Bruder finden…

 

 

Kapitel 2 - Efrem

Venedig,

Im Jahre

1786

Efrem

 

„Hilfe! So helfen sie mir doch! Mein Hund, er ist verletzt. Hilfe!“

Die Menschen auf dem Marktplatz eilten zu dem Jungen, der auf dem Boden saß und die Pfote seiner Mischlings Hündin hielt.

Während sich alle um ihn drängten, sah er, wie eine dunkle Gestalt aus einer Gasse huschte und sich der Menschenmenge näherte. Um die Menschen weiter abzulenken, wehklagte der Junge wieder. Die Gestalt schnappte sich im Vorbeigehen zwei prall gefüllte Lederbeutel. Gerade wollte sie nach dem dritten Beutel greifen, da drehte sich die Besitzerin um. Einen Moment sah diese ihn sprachlos an. Der Junge griff sich schnell den Lederbeutel und rannte im Zick-Zack durch die Schar der Schaulustigen.

„He! Haltet den Dieb! Da, er versucht abzuhauen!“

Die Menschen drehten sich um und sahen dem Dieb hinterher. Der Junge in ihrer Mitte nutzte die Gelegenheit, gab seinem Hund ein Zeichen und die Beiden huschten in eine dunkle Gasse.

Sie liefen die Seitenstraße entlang, bogen zweimal nach links und einmal nach rechts ab und hielten dann beim Palazzo Loredan, an der Riva del Carbon, vor der verschlossenen Tür eines alten, unbenutzten Gefängnisses.

Es war heruntergekommen und viele der Bretter an der Vorderseite waren durch neue ersetzt worden, sodass ihr Anblick auf eine seltsame Art und Weise zusammengewürfelt aussah.

Der Junge sah kurz über die Schulter und verschwand dann in dem Gebäude. Lautlos lief er eine schmale Treppe hinunter, dicht hinter ihm sein Hund. Die Wände neben ihm wiesen teilweise Löcher auf und die Stufen unter ihm wurden an einigen Stellen von großen leeren Stellen durchzogen.

Als er unten ankam und an den Zellen vorbeilief, rief er: „Hey, ich bin’s, Efrem. Es gab Probleme!“

Ein blondes Mädchen streckte neugierig den Kopf aus einer Zelle und sah ihn fragend an.

Sie hatte blaue Augen, die klug und zugleich verletzt aussahen. In ihnen spiegelte sich die Vergangenheit ihrer Besitzerin wieder.

„Was ist passiert?“, fragte eine Stimme, die aus den höher gelegenen Zellen kam. Efrem versuchte seinen Anführer und Freund Curzio zu entdecken, sah aber nichts.

„Mhm, anfangs lief alles glatt. Face und ich haben die Aufmerksamkeit der Leute auf uns gezogen, aber dann hat eine Frau bemerkt, wie Ric ihr den Geldbeutel abnehmen wollte. Er ist weggerannt, aber ich weiß nicht, ob sie ihn noch erwischt haben oder nicht!“

„Okay. Lea, du beziehst oben Wache. Gib sofort Bescheid, wenn Rico wieder da ist!“, sagte die Stimme, und das blonde Mädchen eilte nach oben.

„Lucio?“, fragte Curzio und trat aus der Dunkelheit zu Efrem.

Er war groß und dünn, gleichzeitig jedoch muskulös. Seine schwarzen Haare standen ein wenig ab und seine dunkle Kleidung machte es unmöglich, ihn im Schatten zu erkennen.

Konzentriert sah Efrem sich um und versuchte Lucio in der Dunkelheit ausfindig zu machen. Gerade dachte er, eine kurze Bewegung hinter Curzio gesehen zu haben, als eine leise Stimme sagte: „Ja?“

Efrem zuckte erschrocken zusammen und drehte sich um.

Ein großer Junge, mit ebenfalls schwarzen Haaren trat aus dem Schatten hinter ihm. Er trug seine Haare Schulterlang und aus tiefen braunen, fast schwarzen Augen blickte er Efrem misstrauisch an. Keiner wusste viel über Lucio, doch da er von Anfang an mit Curzio zusammen gewesen war, stellte auch niemand Fragen.

Er redete wenig, und war eher ein Einzelgänger. Er ging der Gruppe aus dem Weg, wann immer er die Möglichkeit dazu hatte, doch wenn es drauf ankam, konnte man sich voll und ganz auf ihn verlassen. Und was das Stehlen anging, war nur Curzio ihm gewachsen.

Lucio war unauffällig und schnell. Der perfekte Spion und Dieb.

„Lucio, du gehst raus. Guck, ob du Ric irgendwie helfen kannst. Bleib aber unauffällig. Komm ab und zu vorbei und erstatte Bericht, falls es nötig ist. Sollte Rico hier auftauchen, achte auf Face, ich werde sie dann losschicken!“, sagte Curzio.

Lucio nickte und verschwand dann wieder in der Dunkelheit.

„So, jetzt heißt es warten!“, sagte Curzio dann zu Efrem und seufzte.

 

Kapitel 3 - Ricardo

Ricardo

 

Mit schnellen Schritten eilte er eine dunkle Seitenstraße entlang, die zum Marktplatz führte. Sein Atem ging stoßweise, als er schließlich an der letzten Abbiegung anhielt, die ihn noch vom Markt trennte.

Es war ein großer Platz mit vielen kleinen Läden, die die verschiedensten Dinge zum Verkauf anboten.

Von Lebensmitteln bis hin zu Edelsteinen und kostbaren Stoffen.

Auf dem Markt drängten sich viele Leute. Die meisten von ihnen waren prunkvoll eingekleidet, doch hier und da sah man auch normal gekleidete Bürger.

Normalerweise lungerten die Menschen in Grüppchen um die Verkaufsstände herum, doch nun hatten sich die meisten in einem Kreis zusammengescharrt.

Dies machte ihm auch deutlich, dass er seinen Auftritt um ein Haar verpasst hätte. Efrem saß schon neben Face auf dem Boden und rief um Hilfe. Zur Unterstützung winselte Face kläglich.

Hastig huscht Rico auf den Markt und nähert sich der Menge. Efrem sieht ihn und jammert noch ein wenig lauter.

Schnell hat Rico es geschafft, unauffällig zwei Lederbeutel zu ergreifen und einzustecken. Gerade packt er den dritten, als sich die Besitzerin umdreht und ihn entsetzt ansieht.

Energisch reißt er den Beutel an sich und rennt dann, so schnell er kann und den Menschen ausweichend, davon.

Nach einem Ausweg suchend, blickt er sich um.
Die Gassen links von ihm fallen in sein Blickfeld und Erleichterung durchströmt ihn.

Er steuert auf das irreführende Straßensystem von San Salvadore zu, da er dort seine Verfolger, falls es welche geben sollte, schnell abhängen kann.

Schon ruft die Frau: „He! Haltet den Dieb! Da, er versucht abzuhauen!“

Rico beschleunigt seine Schritte und biegt in die erste Seitenstraße des „Labyrinths“ ein.

Ab hier dürfte es seinen Verfolgern schwer fallen, ihn im Auge zu behalten.

Schneller und vor allem näher, als er gedacht hätte, ertönen jedoch hinter ihm schwere Schritte.

So wie es sich anhört, sind es ungefähr vier Leute, doch nach zehn Minuten reduziert sich der Lärm.

Rico verschwindet immer schnellstmöglich hinter der nächsten Ecke und schlägt abwechselnd Haken nach links und rechts.

Dennoch halten sich die übrigen Schritte hartnäckig hinter ihm.

Nicht mehr lange würde er ihnen entkommen.

Da kommt ihm plötzlich eine Idee.

Bei der nächsten Ecke sieht er auf das Straßenschild, das an einem hohen Pfosten hängt und durch Regen und Unwetter kaum noch zu erkennen ist.

Er befindet sich an der Ecke zur Basilica di San Marco.

Um zum „Tänzelnden Schwan“, der Dorfkneipe, zu gelangen, muss er nur zwei Straßen weiter zum Campo Guerra.

Vor dem Eingang des Gasthauses standen oft leere Fässer – ein sehr gutes Versteck und seine letzte Hoffnung.

In Windeseile rennt Rico einige Gassen entlang.

Als er sein Ziel erreicht hat, überfällt ihn ein Gefühl der Erleichterung. Wie erhofft lehnen die Fässer an der Wand und stellen somit das perfekte Versteck für seine Beute dar.

Schnell wirft er die Lederbeutel hinein und huscht dann in das Gebäude.

Teilnahmslos langsam schlendert er zur Theke und lehnt sich gemütlich an den Tresen. Durch ein verdrecktes Fenster kann er sehen, wie seine Verfolger seinen Zufluchtsort erreichen, sich suchend umblicken, jedoch zum Glück nicht rein kommen.

Nach einigen Minuten gaben sie ihre Verfolgung auf, unterhielten sich noch kurz und verschwanden dann zurück in Richtung Markt.

Erleichtert stieß Rico die Luft aus, die er unmerklich angehalten hatte, und verließ dann das Gebäude. Als er draußen ankam, griff er kurz in eins der Fässer und verschwand dann mit seiner Beute in einer leeren Gasse.

 

 

 

Kapitel 4 - Curzio

Curzio

 

Nervös drehte Curzio eine alte Münze zwischen den Fingern. Dieses Warten konnte einen wirklich verrückt machen. Auch Efrem war nervös. Curzio sah hoch und beobachtete ihn, während er von einem Zellenende zum andern lief.

Anscheinend gab er sich selbst die Schuld, dass Rico jetzt nicht hier war.

Natürlich war das totaler Quatsch und Curzio hätte ihm gerne ein paar aufmunternde Worte gesagt, doch er wusste ganz genau, wie Efrem sich gerade fühlte. Auch er hatte diese Angst vor einer langen Zeit gespürt.

Bei der Erinnerung daran zog sich sein Magen krampfhaft zusammen. Der Unterschied zu der Situation damals und der jetzigen bestand darin, dass er damals wirklich die Schuld an allem gehabt hatte.

Damals war er noch recht jung gewesen und hatte gerade seine Eltern verloren. Zusammen mit seinem kleinen Bruder Fabio war er  auf den Straßen von Venedig gelandet und hatte sich von Anfang an alleine für sich und seinen Bruder durchschlagen müssen.

Durch die Notsituation hatte alles begonnen.

Zuerst kleine Gaunereien, die kaum der Rede wert waren, doch mit der Zeit entwickelten sie sich zu heranwachsenden Taschendieben.

Tagsüber blieben sie meist im Verborgenen und sammelten ihre Kräfte, doch sobald es Nacht wurde, war niemand mehr vor ihnen sicher.

Fast ein ganzes Jahr lang schafften sie es so, sich durchzukämpfen und am Leben zu bleiben.

Doch dann kam der Tag, an dem Curzio eine Entscheidung traf, die er sein ganzes weiteres Leben zutiefst bereute.

Schon oft hatte Fabio ihn gebeten, mal alleine auf Streifzug gehen zu dürfen. Bis zu dem besagten Tag hatte Curzio nicht klein beigegeben. Jedoch hatten sie zuvor eine ziemlich große Beute gemacht, und das Hochgefühl hatte Fabio die Möglichkeit gegeben, seinen Bruder zu überreden.

Zum ersten Mal, seit sie auf der Straße gelandet waren, lief nicht alles nach Plan.

Drei Männer erwischten Fabio, nahmen ihn fest, und brachten ihn fort.

Aus einer abgelegenen Gasse hatte Curzio alles mit angesehen, und doch hatte er nicht eingreifen können.

Lange Zeit versuchte Curzio seinen Bruder zu finden, doch ohne Erfolg.

Eines Tages schnappte er die Gesprächsfetzen zweier Frauen auf dem Markt auf.

Ein kleiner Junge, gerade mal ein Kind, sollte am nächsten Morgen gehängt werden.

Aus Angst, am nächsten Tag seinen Bruder bei seinem Gang zur Schlinge zu sehen, verließ Curzio noch am selben Abend die Stadt.

Viele Monate hielt er sich von Venedig fern und versuchte die Vergangenheit, so gut es ging, zu vergessen.

Doch eines Tages zog es ihn zurück in die Stadt, in der er sein ganzes Leben, alles, was ihm noch übrig geblieben war, verloren hatte.

Längere Zeit streifte er alleine herum, klaute, wann immer er etwas benötigte, und lebte sonst eher zurückgezogen, als er dann irgendwann auf Lucio traf.

Auch Lucio hatte eine schwere Kindheit hinter sich.

Ohne erkennbaren Grund hatten ihn seine Eltern als Kleinkind auf die Straße gesetzt.

Viele Jahre war er von einer Bande in die nächste geraten und hatte so schon dem größten Teil der Gesetzlosen in Venedig gegenübergestanden.

Dennoch schaffte er es selbstständig und unabhängig zu bleiben, sodass er jederzeit eine Bande verlassen konnte.

Die Zeit des Rumstreunens hatte Spuren auf ihm hinterlassen, und seinen Charakter geprägt.

Als Curzio ihn zum ersten Mal traf, hatte er sich raue Sitten angewöhnt und es benötigte einige Anläufe, bis er und Curzio sich wirklich auf einer Wellenlänge bewegten.

Doch im Nachhinein stellte sich heraus, dass ihre Verbindung sehr nützlich und hilfreich war.

Sechs Monate arbeiteten Curzio und Lucio als Team.

Sie entdeckten neue Möglichkeiten, ihr Handwerk zu verbessern und wurden schon bald die Meisterdiebe der Stadt.

Ihre Geschäftspartner reichten von kleineren Gaunern, wie Don Camillo, bis hin zum höchst geachteten Maestro Caio D’Angelo, der die Diebe der Stadt alle in der Hand hielt.

Durch diese Verbindung hatten sich Curzio und Lucio hohes Ansehen erkämpft und viel Respekt gewonnen.

Schon lange waren sie nicht mehr die kleinen ausgesetzten Jungen von früher.

Die anderen hatten regelrecht Angst vor ihnen und kaum jemand wagte es, sich ihnen in den Weg zu stellen.

Eines Abends kam Lucio in ihr Versteck, auf dem Arm einen Jungen, den er schwer verletzt an der Mauer einer Kirche gefunden hatte.

Als der Junge endlich aus seiner Ohnmacht erwachte, erzählte er ihnen, dass er aus einem Waisenhaus geflohen sei, jedoch gefunden und geschlagen worden war. Die Verfolger hatten ihn offenbar für zu verletzt gehalten, um ihn wieder mitzunehmen, denn sie hatten ihn einfach liegen gelassen und waren verschwunden.

Als Curzio ihn nach seinem Namen fragte, stellte er sich als Ricardo Romanelli vor.

Anfangs gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen Curzio und Lucio, als es darum ging, was sie jetzt mit Ricardo machen sollten.

Lucio hielt es für zu riskant, Ricardo aufzunehmen, doch als Curzio ihn dann fragte, wieso er ihn dann nicht einfach bei der Kirche gelassen habe, schwieg Lucio, und Ricardo schloss sich ihrer Bande an.

Mit Rico im Schlepptau hatten Curzio und Lucio schon bald das alte Gefängnis als Versteck entdeckt, das sie mit Hilfe ihrer Beute in einen halbwegs bewohnbaren Zustand brachten.

Auch wenn sie alle noch so verschieden waren, eines hatten sie doch gemeinsam: jeder von ihnen versuchte die Vergangenheit zu vergessen und ein neues Leben anzufangen.

 

 

 

Kapitel 5 - Lucio

Lucio

 

Leise und schnell huschte Lucio durch die Gassen und lauschte auf aufgeregte Stimmen, die ihm verraten würden, wo Rico steckte.

Plötzlich hörte er nur wenige Meter vor sich - am Ende einer dunklen Häuserreihe, die in der Vallaresco endete - eine tiefe Männerstimme und er blieb abrupt stehen.

Vorsichtig schlich er näher zu der Stimme, hielt sich jedoch im Schatten und machte keine Geräusche.

„… irgendwann beim Schwan, war auf einmal verschwunden. Hätte ich den erwischt, Kleinholz, das sag ich euch!“

Lucio wartete einen Moment, ob die Männer vielleicht verschwinden würden, doch als nichts geschah, zog er sich seinerseits zurück.

Jetzt hatte er wenigstens einen Anhaltspunkt. Mit dem Schwan konnte der Mann nur das Gasthaus zum „Tänzelnden Schwan“ meinen.

Mit schnellen Schritten eilte Lucio in Richtung Campo Guerra, wo sich die Kneipe befand.

Nach wenigen Minuten hörte er ein paar Straßen weiter ein leises Summen.

Vorsichtig blickte er um die Ecke und entdeckte ihn. Fröhlich vor sich hin pfeifend und mit einem kleinen Lederbeutel spielend, lief Rico die Straße entlang.

Lucio seufzte leise und zog sich dann zurück. Rico würde es schon alleine schaffen, bis ins Gefängnis zu kommen, und in diesem Moment hatte Lucio wirklich keine Lust auf Gesellschaft.

Er huscht rückwärts in den Schatten einer großen, heruntergekommenen Hauswand und will sich gerade auf den Weg machen, über einen kleinen Umweg zurück zum Gefängnis zu kommen, als er vor sich eine kleine Gestalt entdeckt. Da er nicht nur keine Lust auf Rico, sondern auf niemanden hat, will er schon umdrehen, doch auch am anderen Ende der Gasse steht jemand. Nervös sieht sich Lucio nach seinem letzten Ausweg um, eine kleine Seitenstraße zu seiner Rechten. Doch als auch aus dieser Richtung leise Schritte zu vernehmen sind, ist er sich sicher, in eine Falle geraten zu sein.

Er stellt sich leicht gebückt hin und blickt aufmerksam von einer Gestalt zur nächsten.

Kurze Zeit später hat die Gestalt, die er als erstes entdeckt hatte, ihn erreicht. Es ist ein blonder Junge, ungefähr drei bis vier Jahre jünger als er selbst.

Ohne ein Wort zu sagen, sieht Lucio ihn fragend an.

„Wir können es ganz einfach machen!“, sagt eine Stimme. Doch nicht der blonde Junge hat ihn angesprochen, sondern die Person, die jetzt direkt hinter Lucio steht. Der Tonhöhe nach zu urteilen, ist dies ein Mädchen, und als Lucio sich ein wenig nach hinten dreht, bestätigt sich sein Verdacht.

Mit braunen Locken und gleichfarbigen, großen Augen, sieht es ihn von unten an. Es reicht ihm gerade mal bis zur Hüfte.

Lucio schweigt noch immer, und dreht sich nun auch in die Richtung der letzten Gestalt.

Es ist noch ein Junge, ungefähr im selben Alter wie der erste.

Dieser hat kurze, schwarze Haare, die stachelig in alle Richtungen abstehen.

Bildet er sich das nur ein, oder hatte er Ähnlichkeit mit irgendjemandem, den er kannte? Falls das der Fall sein sollte, brachte ihn das auch nicht weiter, denn ihm wurde nicht klar, mit wem.

„Wie eine Maus in der Mäusefalle!“, sagt der schwarzhaarige schließlich.

„Schade, dass ihr so feige seid, und es zu dritt gegen einen aufnehmt, sonst wäre der Vergleich fast schon witzig!“, sagt Lucio herausfordernd.

 „Na ja, sagen wir mal zu zweit!“, fügt er nach einem kurzen Blick auf das Mädchen hinzu.

Der Blonde lacht laut auf. „Oho, unterschätze sie bloß nicht!“, dann wird er ernst. „Diesen Fehler haben schon andere vor dir gemacht. Sie kann böse werden, wenn man es herausfordert. Sehr böse sogar!“

Unsicher sieht Lucio noch einmal zu dem Mädchen. Es grinst breit und zeigte seine spitzen Zähne.

„So, genug geplaudert! Du solltest schnellstens rausrücken, was du in den Taschen hast, es sei denn, du verspürst den Wunsch, nicht heil nach Hause zu kommen!“, sagt der Schwarzhaarige und sieht Lucio abwartend an.

In Lucios Kopf rasen die Gedanken nur so hin und her.

Wer waren diese drei? Er hatte sie noch nie hier gesehen, und sie konnten auch noch nicht lange hier sein, sonst hätten sie es niemals gewagt, ihn anzusprechen. In Venedig war er bekannt, sein Ruf eilte ihm voraus, und seine Taten sprachen für sich.

Keiner wagte es mal eben sich ihm in den Weg zu stellen

Doch, was sollte er jetzt tun? Sie würden ihn wohl kaum gehen lassen, nur weil er es so verlangte, nein, er kannte sich einfach zu gut in diesem Handwerk aus, um daran wirklich zu glauben.

Lucio braucht anscheinend zu lange zum Antworten, denn mit grimmiger Miene tritt der Blonde einen weiteren Schritt auf ihn zu und murmelt: „Wartezeit ist abgelaufen, du Neunmalklug. Jetzt entscheide dich für eine Antwort und ich hoffe sehr für dich, dass es die richtige ist!“

 

 

Kapitel 6 - Lea

Lea

 

Leise stahl sich Lea die Treppe hinauf. Oben angekommen huschte sie rechts durch eine heruntergekommene Tür. Das Zimmer, das sie nun betrat, war dunkel und der einzige Lichtschein fiel durch ein großes Fenster, das zum Palazzo Loredan hin geöffnet war. Der Raum war klein und schäbig und alte Kisten lagen überall verstreut. Offensichtlich hatte jemand versucht schnellstmöglich alle wertvollen Dinge einzupacken und mitzunehmen, war, wie es aussah, jedoch unterbrochen worden.

Eine dicke Staubschicht lag auf dem Boden, sodass Leas Schritte gedämpft wurden. So leise wie möglich zog sie eine Kiste vor das große Fenster, hob anschließend eine zweite hoch und stapelte sie auf der ersten. Dann ließ sie sich auf den Kisten nieder und starrte gedankenverloren aus dem Fenster. Sie hoffte sehr, dass Rico nichts geschehen war und dass er es geschafft hatte, zu entkommen. Sie dachte zurück an eine ihrer eigenen Verfolgungsjagden, die sie längere Zeit zuvor zu Rico, Curzio und Lucio geführt hatten.

Als sie noch kleiner gewesen war, hatte sie viel Zeit bei ihrer Amme verbracht. Ihre Mutter war bei ihrer Geburt gestorben und ihr Vater entwickelte sich durch Trauer und Einsamkeit zu einem Trinker. Jedes Mal, wenn Lea auch nur eine Frage stellte, schrie er sie an und gelegentlich, im aller schlimmsten Falle, schlug er auch zu.

Oft flüchtete sie zu ihrer Pflegemutter, doch als diese dann ebenfalls verstarb, zog sie sich lange Zeit zurück und befand sich tagsüber eigentlich nur noch im Haus.

Eines Nachts kam ihr Vater betrunken nach Hause und schrie Lea an, was für eine nutzlose Tochter sie denn sei, und dass sie an allem was geschehen war, die Schuld trage.

Lea erwiderte nichts, doch in der darauf folgenden Nacht, flüchtete sie.

Wochenlang versteckte sie sich, bis sie schließlich ihr Talent, unbemerkt zu bleiben,  nutzte und Taschendiebin wurde. Stets nahm sie nur das Nötigste und achtete darauf, nie zu lange an einem Ort zu bleiben und nie mehr Aufmerksamkeit, als nötig, auf sich zu ziehen.

Eines Tages kam sie in den Stadtteil San Salvadore.

Mehrere Tage hielt sie sich dort auf und als sie sich sicher war, dass niemand ihr hier auf die Schliche kommen würde, beschloss sie, in der Gegend zu bleiben. Dies war der erste Ort, an dem sie sich wirklich sicher und wohl fühlte, obwohl dieser Teil der Stadt irgendwie einsam wirkte.

Zwei Tage lang konnte sie noch von der Beute ihres letzten Raubzuges leben, doch dann musste sie sich neues Gold beschaffen.

An ihrem dritten Tag in San Salvadore ging sie auf Streifzug, doch fiel es ihr hier um einiges schwerer. Die Menschen in dieser Gegend schienen Taschendiebe gewöhnt zu sein, denn sie waren deutlich aufmerksamer als ihre bisherigen Opfer.

Drei Mal schaffte Lea es, unbemerkt davon zu kommen, doch ihr nächstes Opfer bemerkte sie. Es gelang ihr gerade noch, schnell genug wegzulaufen. Die Polizia, die sich ausgerechnet an diesem Tag auf dem Marktplatz befand, verfolgte sie.

Kurz bevor ihre Verfolger sie erreichten, huschte Lea in das alte Gefängnis, das erstbeste Haus, das ihr halbwegs verlassen vorkam.

An der Tür lehnend betete sie innerlich, dass man die Häuser nicht durchsuchen würde.

Nach einigen Minuten hörte sie, wie ihre Verfolger in eine andere Richtung abdrehten, und sie wollte sich schon erleichtert gegen die Mauer hinter sich fallen lassen, als plötzlich ein schwarzhaariger Junge vor ihr stand und sie mit einer Mischung aus Neugierde und Ärger im Blick ansah.

Wortlos bedeutete er ihr, ihm zu folgen. Er führte sie eine Treppe hinunter und ein weiterer dunkelhaariger Junge trat ihr entgegen. Seine dunkelbraunen Augen sahen sie forschend an und sein Blick schien sie auf eine seltsame Art und Weise zu durchbohren.

Der Junge, der sie entdeckt hatte, zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, in dem er sie fragte, was sie ausgerechnet in einem heruntergekommenen Gefängnis zu suchen hatte.

Anfangs versuchte sie es mit einer Lüge, doch der Blick, den der Junge ihr bei ihrem Gestotter zuwarf, brachte sie dazu, mit etwas nüchternerem Tonfall die Wahrheit zu erzählen.

Während sie berichtete, was sie getan und was sie dazu gebracht hatte, schwiegen die beiden Jungen, doch warfen sie sich ab und an bedeutungsvolle Blicke zu.

Als sie geendet hatten, sagten sie beide zuerst nichts, doch dann brach der Junge, der sie gefunden hatte, das Schweigen mit einer einzigen Frage: „Würdest du gern wieder in einer Familie leben?“

Zuerst wusste sie nicht, was sie sagen sollte, deshalb dauerte es einen kleinen Moment, bis sie zögerlich nickte.

Der Junge lächelte und der andere verschwand wortlos.

Entschuldigend blickte der schwarzhaarige sie kurz an, dann sagte er: „Hey erst mal, ich bin Curzio, und das war Lucio. Er ist Mädchen gegenüber ziemlich vorsichtig, vor allem wenn es um Mädchen geht, die was vom Klauen verstehen! Naja gut, wenn man ehrlich ist, ist er allen Menschen gegenüber vorsichtig.“ sagte er grinsend und wieder nickte Lea.

„Also, um genau zu sein, hast du großes Glück, dass du bei uns gelandet bist!“, fuhr Curzio fort und lächelte sie erneut auf diese seltsame, aber dennoch schöne Art an.

In der nächsten halben Stunde erzählte er ihr dann von sich selbst und Lucio, wie sie sich getroffen hatten und schließlich Partner geworden waren, wie sie Rico fanden, und endete damit, wie er und Lucio beschlossen hatten, alle aufzunehmen, die ein ähnliches Schicksal wie sie selbst erlitten hatten.

Lea fiel auf, dass Curzio nichts über seine eigene Vergangenheit erzählte, und sie fragte sich, warum.

Nachdem Lea über die meisten Dinge Bescheid wusste, zeigte Curzio ihr das Versteck. Er stellte ihr Rico vor und erklärte ihr die Vorgehensweisen der Bande.

Am Abend hielten sie alle eine Art Versammlung in einer der größeren Zellen ab und nach einer kleinen Aufnahmezeremonie, in Form eines Schwures, gehörte Lea dann offiziell zur Bande.

 

Kapitel 7 - Lucio

 

Lucio

 

Sichtlich angespannt sieht Lucio von einer Person zur nächsten. Alle drei sehen ihm mit einem abwartenden Blick entgegen.

Was zum Teufel soll er jetzt tun. Wie soll er aus dieser Situation wieder herauskommen?

„Ich für meinen Teil habe keine Lust mehr zu warten, oder wie seht ihr das? Lean?“, fragt das kleine Mädchen und sieht den blonden Jungen ungeduldig an.

Lean. Der Name sagt Lucio nichts, jedoch kann es sich auch um einen Kosenamen oder einen Spitznamen handeln.

„Also, jetzt ist wirklich Schluss! Gib jetzt endlich deine Sachen her, ich habe auch keine Lust mehr zu warten!“, zischt der schwarzhaarige Junge.

Lucio reagiert nicht und mit einem genervten Blick kommt das Mädchen einen Schritt auf ihn zu. Plötzlich ertönt in einer Gasse hinter ihnen ein tiefes, gefährliches Knurren. Die drei Fremden fahren blitzschnell herum und ducken sich in eine vorsichtige Haltung. Lucio sieht, wie eine Gestalt, die ihm vielleicht bis zu den Oberschenkeln reicht, näher kommt und als sie aus dem Schatten der Häuser tritt, erkennt er Face. Erleichtert lässt er seine Schultern sinken, die er vor Anspannung hochgezogen hat.

„Verdammt! Ein Hund. Mann, hab ich mich erschrocken!“, flucht der Blonde.

Face Blick wandert in seine Richtung und sie zieht drohend die Lefzen hoch. Ihre Ohren sind nach hinten gelegt und ihre scharfen Zähne blitzen bedrohlich auf. Speichel tropft vor ihr auf den Boden und ein erneutes Grollen erfüllt die Gasse.

„Aber, was für ein Hund!“, stößt der schwarzhaarige Junge respektvoll hervor. Er lässt Face keine Sekunde aus den Augen.

Diese schleicht jetzt weiter auf Lucio zu.

Es sieht schon fast so aus, als hätten die andern ihn vergessen, doch als er zwei Schritte nach vorne macht, zischt der blonde Junge: „Bleib, wo du bist, oder ich mach Hackfleisch aus dir!“

Lucio ignoriert ihn und geht weiter in Richtung Face. Plötzlich fährt der Junge blitzschnell herum und packt Lucio am Arm. Sofort springt Face mit einem erneuten Knurren los und schlägt ihre Zähne in den Arm des Jungen. Dieser schreit vor Schreck und Schmerz laut auf und versucht Face loszuwerden, wobei sich Lucio seinem Griff entwindet. Gerade noch früh genug, denn schon springt der schwarzhaarige Junge auf ihn zu. Lucio gelingt es gerade rechtzeitig, die Arme hoch zu reißen und sich so vor dem Angriff zu schützen.

Jedoch ist die Wucht, mit der der Junge auf ihn prallt, so stark, dass sie beide zu Boden fallen. Lucio, der beide Hände benötigt um sich zu verteidigen, kann seinen Sturz nicht abfangen und fällt hart zu Boden. Sein Ellbogen schleift über die Pflastersteine und zurück bleibt eine offene Wunde, von der aus Blut auf den Boden tropft.

Der Junge versucht ihn niederzudrücken und in Schach zu halten, doch er hat den Altersunterschied und somit den Kräfteunterschied zwischen ihnen deutlich unterschätzt.

Lucio schafft es, seinen Angreifer von sich zu stoßen, und als dieser einen erneuten Angriff starten will, reißt Lucio seine rechte Faust mit voller Kraft nach oben und trifft seinen Gegner unterm Kinn. Die Wucht des Schlages reicht aus, um den Jungen für einen Moment außer Gefecht zu setzten. Lucio nutzt die Gelegenheit und sieht sich nach Face um.

Diese steht nun zwischen ihm und dem blonden Jungen, der immer wieder versucht, an ihr vorbei zu kommen. Sie hinkt leicht, scheint ansonsten jedoch nicht weiter verletzt zu sein. Der Junge sieht da schon schlimmer aus. Sein Arm blutet und tiefe Kratzer ziehen sich über Gesicht, Hals und Brust und er atmet schwer.

Jedes Mal, wenn er Face zu nahe kommt, schnappt diese nach ihm, was es ihm unmöglich macht, an ihr vorbei zu kommen.

Plötzlich trifft Lucio etwas Hartes von hinten an den Kopf. Ein stechender Schmerz fährt durch ihn hindurch und sein Kopf fühlt sich wie gespalten an.

So schnell er kann, fährt Lucio herum, wobei ihn ein leichtes Schwindelgefühl packt, sodass er einen Moment lang taumelt. Hinter ihm steht das kleine Mädchen. Mit beiden Händen packt sie einen langen Stock, der eben noch auf dem Boden gelegen hatte, wie Lucio sich erinnert.

Er spürt, wie ihm etwas Warmes in den Nacken tropft, und als er vorsichtig seinen Hinterkopf berührt, fahren seine Finger über eine große Platzwunde.

Lucio flucht, und das Mädchen lächelt ihn heimtückisch an.

Aus den Augenwinkeln kann er sehen, wie der schwarzhaarige Junge langsam wieder zur Besinnung kommt.

Dies ist seine letzte Chance.

Schnell wirbelt er herum, pfeift einmal kurz und hechtet dann mit Face im Schlepptau eine kleine Seitenstraße entlang.

Fort von seinen Angreifern.

Er horcht auf irgendwelche Geräusche, die Hinweise auf eine Verfolgung geben würden, doch er kann nichts hören, außer den leiser werdenden Flüchen des kleinen Mädchens.

Und dann erklingt ein wütender Ruf:

„Wir werden uns wiedersehen, das schwöre ich dir. Und dann sind wir vorbereitet!“

Bei dieser Vorstellung läuft es Lucio eiskalt den Rücken herunter. Er flucht leise vor sich hin und verlangsamt dann seine Schritte, um bei Face zu bleiben, die schlimmer humpelt, als er zuerst vermutet hat.

„Ach, komm her, so ist das nicht gut!“, sagt er zu ihr und nimmt sie auf die Arme.

„Danke, Kleine!“, sagt er dann und eilt schnellen Schrittes zurück zum Gefängnis.

 

 

Kapitel 8 - Ricardo

Ricardo

 

Geräuschvoll ließ Rico den Inhalt des Lederbeutels, den er heute gestohlen hatte, in die Truhe fallen.

Ungefähr zehn Münzen fielen herab, dann war der Beutel leer.

„Armes Schwein!“, murmelte Rico vor sich hin und griff dann nach dem nächsten Beutel.

Dieser enthielt deutlich mehr Gold und ein Lächeln breitete sich auf Ricos Gesicht aus, als er den Münzen  beim Herabfallen zusah. Dies war der Beutel gewesen, den er der Frau, die ihn erwischt hatte, abgeknöpft hatte. Der ganze Aufwand hatte sich also sichtlich gelohnt.

Als er den dritten Beutel packte, hörte er, wie die Eingangstür zum Gefängnis aufgestoßen wurde.

Schnell sprang Rico auf und eilte in den Flur.

Dort stand Lucio, mit Face auf dem Arm.

Blut lief an Lucios Hals hinunter und er zitterte am ganzen Körper. Face winselte kläglich und, als Lucio sie absetzte, knickte ihr linkes Hinterbein kurz weg.

„Heilige Mutter Gottes! Was um Himmels Willen ist denn mit euch passiert?“, fluchte Rico laut. Lucio sah ihn mit einem leichten Schmunzeln im Gesicht an.

„Ach, das ist eine lange Geschichte!“ Dann wurde er plötzlich sehr ernst.

„Ich muss sofort zu Curzio. Es gibt Neuigkeiten!“, sagte er und Rico nickte.

Zusammen mit Lucio eilte Rico die Treppen hinunter. Er trug Face auf dem Arm, da Lucio große Mühe hatte, überhaupt vorwärts zu kommen.

Unten saß Lea auf einer Treppenstufe und sie drehte sich um, als sie sie hörte. Als sie Lucio sah, riss sie erschrocken die Augen auf.

„Was zum…!“, begann sie, doch Lucio schüttelte nur leicht den Kopf.

„Lucio! Was ist passiert!“, ertönte Curzios Stimme von oben.

Lucio sah hoch und mit einem Satz sprang Curzio von einer höher gelegenen Zelle hinunter, direkt vor ihn.

Aus einer der hinteren Zellen kam Efrem, und als er Face sah, schrie er bestürzt auf.

So schnell er konnte rannte er zu ihr, und nahm sie in die Arme.

Lea erschien neben ihm und riss ein Stück Stoff von ihrem Kleid ab. Dann begann sie, Face’ Hinterbein zu verbinden. Efrem sah sie dankbar an, hielt Face jedoch weiterhin fest umklammert.

Lucio ließ sich an die Wand neben sich sinken, und rutschte dann zu Boden.

„Luc?“, fragte Curzio besorgt und streckte leicht die Hand nach vorne.

„Keine Sorge es geht schon. Du solltest mir lieber zuhören. Was ich zu erzählen habe, ist gar nicht gut!“, erwiderte Lucio.

Und dann erzählte er in allen Einzelheiten, was passiert war, seit Curzio ihn losgeschickt hatte.

Er begann damit, wie er auf Ricos Spur traf, und wie er ihn dann schließlich gefunden hatte.

Wie er beschlossen hatte, alleine zurück zu gehen, und wie er dann in die Falle getappt war.

Als er bei den drei Fremden ankam, erstarrte Curzio und Lea fluchte leise.

Lucio berichtete, wie die drei ihn bedroht hatten, und wie schließlich Face aufgetaucht war.

Liebevoll streichelte Efrem sie und lobte sie immer wieder leise.

Lucio erzählte, wie es ihm und Face schließlich gelungen war zu fliehen, und  er wiederholte die Drohung, die ihm hinterher gerufen worden war.

Curzio zischte und sagte: „Mistkerle!“

„Was werden wir jetzt machen, Curzio?“, fragte Lea vorsichtig.

„Ganz einfach. Wir werden warten. Wenn diese Ratten noch einmal auftauchen, dann werden wir vorbereitet sein. Die werden sich wundern und ganz gewiss sehr schnell feststellen, dass sie sich mit den Falschen angelegt haben.“

 

 

Kapitel 9 - Curzio

 

Curzio

 

Mit einem leisen Knarren öffnete sich die Tür. Curzio sah auf und erblickte Lea.

„Was gibt’s?“, fragte er sie kurz angebunden und registrierte ihren unsicheren Blick.

„Ist alles okay bei dir?“, fragte sie besorgt und sah ihn durchdringend an.

„Es ist alles in Ordnung. Ich würde nur gerne ein wenig allein sein und nachdenken!“, sagte Curzio und versuchte, nicht verärgert zu klingen.

Nachdem Lucio seinen Bericht abgeschlossen hatte, war Curzio in eines der Zimmer, die sich im oberen Stockwerk befanden, verschwunden, um in Ruhe nachzudenken. Er wollte alleine sein und dies hatte er auch deutlich gemacht.

Lea zog den Kopf ein und verschwand.

Curzio seufzte. Seine Antwort war grob gewesen und bei nächster Gelegenheit würde er sich bei ihr entschuldigen, doch nun hatte er andere Sorgen.

Er sah an die gegenüberliegende Wand und doch nahm er sie nicht wahr.

Nach wenigen Minuten löste er seinen Blick  und sah sich im Zimmer um. Es war eines der wenigen, die sich in diesem Gefängnis befanden.

Spinnnetze hingen von der Decke und jedes Mal, wenn man eine Etage höher entlanglief, knarrten die Deckenbretter bedrohlich.

Curzio fischte eine Münze aus der Tasche und drehte sie nachdenklich in den Händen.

Die Drei waren auf jeden Fall eine Bedrohung für ihn und den Rest seiner Bande.

Sie waren die ersten seit Jahren, die es wagten, sich einem von ihnen in den Weg zu stellen.

Und dann ausgerechnet auch noch Lucio.

Er war, genauso wie Curzio, eine Persönlichkeit - ja gerade zu eine Legende -  unter den Dieben in Venedig.

Man wagte es nicht einfach mal eben so aus Spaß, sich einem von ihnen in den Weg zu stellen.

Die Drei waren also neu, so viel stand fest, denn einen solchen Fehler konnten nur Anfänger begehen.

Die Frage war nur, wie stark diese Drei wirklich waren.

Lucio in eine Falle zu locken, verlangte auf jeden Fall Geschick im Handwerk und viel Geduld.

War er ein geplantes Opfer gewesen, oder war er einfach nur in den Hinterhalt dreier Taschendiebe geraten, die sich ihre Opfer willkürlich aussuchten?

Die Münze in Curzios Hand drehte sich schneller und auch seine Gedanken rasten weiter.

Wie sollte er nun vorgehen?

Die anderen erwarteten von ihm, dass er handelte, doch was sollte er tun?

Sie konnten die Fremden nur mithilfe von Lucio finden, da er der einzige war, der sie gesehen hatte.

Doch würden sie Aufsehen erregen, wenn sie sich mit Lucio auf den Weg machen würden.

Nicht nur unter den Räubern und Dieben war Lucio bekannt.

Viele Stadtbewohner kannten ihn. Zwar war keinem von ihnen bewusst, was genau Lucio tagsüber und auch nachts, in den Gassen und auf den Flüssen von Venedig zu suchen hatte, dennoch war er ihnen nicht fremd.

Die Leute wussten, dass er ein Einzelgänger war, und eher zurückgezogen und unauffällig lebte.

Sie fragten nicht, und kümmerten sich auch nicht um ihn, denn ein Junge, der zurückgezogen lebte, bereitete auch keinen Ärger.

Man wusste zwar, dass Lucios Weste nicht ganz rein sein konnte, da er schon ein bis zwei Mal bei Maestro Caio gesehen worden war, doch ihn auf diese Besuche hinzuweisen und mehr zu erfahren, dass traute sich niemand, aus Angst, am Ende noch von Caios Leuten aufgesucht zu werden.

Maestro Caio war auch unter den normalen Bürgern gefürchtet und respektiert.

Da kam Curzio plötzlich eine Idee, und er ärgerte sich, dass er nicht früher darauf gekommen war, da es geradezu lächerlich offensichtlich war, was er zu tun hatte.

Er würde einfach zu Caio gehen und ihn fragen, ob er ihm etwas über die Drei erzählen konnte.

Caio würde Fragen stellen, doch wenn Curzio ihm von dem Angriff auf Lucio erzählte, würde Caio sich auf ihre Seite schlagen.

Es herrschten strenge Gesetze in der Welt der Gaunerei. Gesetze, die Caio aufgestellt hatte und an die sich jeder Gesetzlose, ob Dieb oder Mörder, auch wirklich zu halten hatte.

Es war so etwas wie ein Ehrenkodex, den sie achteten und an den sie sich zu jeder Zeit hielten.

Die Drei hatten sich nicht an diesen Kodex gehalten und würden dafür bezahlen müssen.

Mit einem neuen Gefühl der Hoffnung sprang Curzio vom Boden hoch, auf dem er, seit er die Versammlung geschlossen hatte, bewegungslos gesessen und nachgedacht hatte.

Geschickt schob er die goldene Münze wieder in seine Tasche und stürmte aus dem Zimmer.

Er eilte nach unten in Richtung Zellen, doch als er Lucio erblickte, blieb er stehen.

„Hey. Was ist denn mit dir passiert. Du bist ja total aufgeregt!“, sagte Lucio erstaunt und sah ihn misstrauisch an.

„Ich geh zu Caio. Wundert euch also nicht, wo ich bin. Wartet nicht auf mich. Ich werde bald zurück sein!“, sagte Curzio, und nachdem er sich sicher war, dass Lucio ihn verstanden hatte, verschwand er nach oben, eilte zum Eingang des Gefängnisses und schlüpfte dann zur Tür hinaus, als niemand ihn sah.  

Mit schnellen Schritten eilte Curzio die Riva del Carbon entlang, bis er in Richtung Campo S. Luca kam, und schließlich in die R. Fuseri einbog. Er folgte dieser Straße, bis er das Teatro La Fenice erreichte. Dort zügelte er seine Schritte und warf hin und wieder einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass niemand ihm folgte.

Als er den Campo Maurizio erreichte, huschte er in eine Seitenstraße, die Zaguri, und stand einen Augenblick später vor dem Versteck des Maestro Caio.

Es war ein großes Haus, das schon ziemlich verrottet und heruntergekommen aussah.

Einige Bretter an der Vorderseite hatten Risse und Löcher, manche fehlten ganz.

Leinentücher bedeckten die scheibenlosen Fenster, und als Curzio an die Tür klopfte, knarrten die  wenigen, noch vorhandenen Bretter beängstigend laut.

Es war seltsam, dass ein so reicher und so bedeutender Mann wie der Maestro Caio in einer so heruntergekommenen Bude lebte, doch Curzio wusste, dass dies nur dazu diente, dass niemand ihn einfach so finden konnte. Nur wenige wussten wo er sich aufhielt.

Die Tür wurde geöffnet und ein großer, böse dreinblickender Muskelprotz stand vor Curzio.

 „Curzio Scento. Ich möchte mit Maestro Caio sprechen.“, stellte Curzio sich vor und verneigte sich leicht, wie es die Höflichkeit von ihm verlangte.

„Maestro Caio empfängt niemanden.“, brummte der Kerl und sah ihn dabei aus dumpfen Augen an.

„Nennt ihm meinen Namen, und er wird euch eines Besseren belehren!“, sagte Curzio mit herausforderndem Blick.

„Wartet!“, sagte der andere nach kurzem Überlegen und schloss dann widerwillig die Tür.

Nach einigen Minuten kam er nervös zurück.

„Verzeiht mir, Signore Scento, mir war nicht bewusst, mit wem ich es zu tun habe. Maestro Caio wird sie unverzüglich empfangen. Ich entschuldige mich noch einmal für mein unangemessenes Verhalten.“, sagte der Riese.

„Ich werde noch einmal ein Auge zudrücken. Führe mich jetzt bitte zu Signore Caio.“, antwortete Curzio und nickte kurz, als Zeichen, dass er die Entschuldigung zur Kenntnis genommen hatte.

„Si, si Signore. Folgen sie mir.“, sagte der Riese und verbeugte sich vor Curzio.

 Dies war kein Beweis der Höflichkeit mehr, sondern ein klares Zeichen von Unterwerfung.

„Grazie.“, bedankte sich Curzio und folgte dem Mann dann ins Haus.

Er führte ihn einen langen Gang entlang, der an einer großen Treppe endete.

Der Mann wies mit der Hand auf eine Tür, die oberhalb der Treppe lag und machte dann einen Schritt nach hinten.

Ab hier würde Curzio seinen Weg alleine fortsetzen müssen.

Mit gemischten Gefühlen erklomm Curzio die Stufen, und als er oben ankam, klopfte er zwei Mal an die Tür, die ihm einen kurzen Moment zuvor gezeigt worden war.

Geduldig wartete er auf eine Antwort.

Einen Moment später sagte eine Stimme: „Si?“, und Curzio öffnete die Tür.

Der Raum, den er nun betrat, war hoch, und die kahlen Wände und kaum vorhandenen Möbel, bestärkten diesen Eindruck.

Hier und da standen vereinzelt ein paar Kisten herum und das einzige Möbelstück, dass noch halbwegs im heilen Zustand war, war der Tisch, an dem Caio D’Angelo saß und ihn mit unschlüssiger Miene ansah.

Als Curzio ihn das letzte Mal gesehen hatte, musste er Mitte Dreißig gewesen sein, doch nun, nur wenige Jahre später, sah man deutliche Spuren, die die Zeit an ihm hinterlassen hatte.

Eine große Anzahl von grauen Strähnen durchzog sein blondes Haar, sodass es eher grau als blond wirkte.

Mehrere Falten hatten sich in seinem schönen Gesicht gebildet und auch seine Augen wiesen auf ein langes Leben hin.

Sie waren klug und von einem so durchdringenden Blau, dass Curzio es nicht schaffte, ihnen länger als einen kurzen Augenblick entgegenzublicken.

„Signore Scento. Wie lang ist es her. Damals noch mit dem jungen Caputo unterwegs. Was führt sie zu mir?“, fragte Caio mit sanfter Stimme und deutete auf eine Kiste, auf der Curzio sich niederlassen sollte.

Curzio überquerte die Strecke zwischen sich selbst und der Kiste innerhalb eines Augenblicks und ließ sich dann, wie geheißen, auf ihr nieder.

„Oh, ich bin noch immer mit Lucio unterwegs, obwohl unsere Gruppe sich mittlerweile deutlich vergrößert hat. Aber so, wie ich euch kenne, wisst ihr dies vermutlich schon von Beginn an. Mir wäre es ganz lieb, wenn wir mit offenen Karten spielen könnten, Maestro D’Angelo.“, erwiderte Curzio und betonte dabei die letzten beiden Wörter, da er und Caio sich auf einer Ebene befanden und somit jede Anrede unüblich war. Caio würde seinen Wink verstehen, und wenn er Glück hatte, auch seine Art, mit ihm zu reden, ändern.

Ein leises Lächeln huschte über Caios Gesicht, doch er neigte leicht seinen Kopf, zum Zeichen, dass er einverstanden war.

„Grazie!“, sagte Curzio und ließ seine Schultern, die er vor Anspannung hochgezogen hatte, wieder sinken. Der erste Anfang war gemacht.

„Also, wie kann ich dir helfen, Curzio?“, fragte Caio erneut nach dessen Anliegen.

Er hatte seinen Hinweis verstanden, und redete nun von Mann zu Mann mit ihm. Curzio wurde leicht nervös, da Caio einer Zurechtweisung von ihm früher niemals Beachtung geschenkt hätte.

Da er keine Ahnung hatte, wie er seine Frage formulieren sollte, konfrontierte Curzio Caio direkt mit seinem Problem.

„Es sind neue in der Stadt. Drei Stück. Vielleicht sind es auch mehr. Lucio ist welchen begegnet. Zwei Jungen und einem Mädchen. Die Jungen sind etwas jünger als Lucio und ich. Das Mädchen noch sehr jung, vielleicht halb so alt wie wir. Lucio hat sie vorher noch nie hier gesehen, was normalerweise heißt, dass sie noch nicht lange hier sein können. Dennoch machen sie bereits Ärger und ich wollte wissen, ob du dir eventuell vorstellen könntest, wer sie sind.“, erklärte Curzio dann ohne Umschweife.

„Neue? Drei auch noch? Mhm, unter deiner Beschreibung kann ich mir niemanden vorstellen. Nein, beim besten Willen, ich habe keine Ahnung!“, sagte Caio mit überraschter Stimme.

Curzio suchte nach einer Lüge in den blauen Augen des Mannes, doch er sah nur Erstaunen.

Er wusste wirklich nicht, von wem Curzio da redete.

„Na ja, eigentlich war es auch mehr ein Wunsch als sonst irgendetwas. Ich glaubte nicht lange daran, dass du sie kennen würdest.“, sagte Curzio, mehr zu sich selbst, als zu Caio.

„Perdono!“, fügte er dann noch um Verzeihung bittend hinzu.

„Kein Problem!“, sagte Caio und grinste.

Langsam wurde Curzio nervös. Seiner Meinung nach, war Caio etwas zu nett zu ihm.

Er hatte ihn als brutalen, emotionslosen und skrupellosen Verbrecher in Erinnerung. Keine Spur von dieser Höflichkeit damals.

„Va bene. Wenn es sonst nichts zu sagen gibt, werde ich woanders versuchen, etwas über die Drei herauszufinden.“, sagte Curzio und wollte sich von seinem Stuhl erheben.

„Hast du vielleicht noch einen Moment, Curzio?“, fragte Caio mit einem verschmitzten Lächeln.

Also hatte das ganze Drum- herum doch einen Grund gehabt. Irgendetwas führte Caio im Schilde. Doch was wollte er?

Curzio blieb nur eine Möglichkeit, dies herauszufinden.

„Si. Natürlich.“, sagte er und ließ sich wieder auf die Kiste sinken.

„Eigentlich wollte ich die Tage mal bei dir und deinen Freunden vorbeischauen, doch ich fand einfach keine Zeit dafür, und da du ja heute hier vorbeigeschaut hast, kann ich mir den Weg ja jetzt ersparen. Ich schätze mal, du wirst meine Botschaft den anderen überzeugend genug rüberbringen.“, erklärte Caio und seine Stimme nahm einen bedrohlichen Ton an.

Nervös sah Curzio sein Gegenüber weiter an, und wartete darauf, dass Caio mehr erklärte.

Dieser schien auf keine Antwort von ihm zu warten, denn schon fuhr er fort:

„Euer Versteck. Das alte Gefängnis am Riva del Carbon, es ist ziemlich mitgenommen, findest du nicht auch?“

Curzio schwieg. Worauf wollte Caio hinaus?

„Also, ich finde, man kann die Menschen in Venezia von einem solch schrecklichen Anblick ganz leicht befreien. Denn, wie es der Zufall will, gehört dieser Stadtteil zu einem von meinen.“

Curzio zog die Augenbrauen hoch. Es gab kaum noch Stadtteile, die nicht Caio gehörten.

„Und wie du mich kennst, möchte ich nicht, dass irgendjemand in meiner Stadt unzufrieden ist. Verstehst du, was ich meine, Curzio?“, endete Caio.

Curzio hatte verstanden.

Doch würde er ganz gewiss nicht klein beigeben.

„No, perdono!“

Caios selbstgefälliges Lächeln erschlaffte ein wenig und wütend sah er Curzio an.

„Ganz einfach. Ihr kleinen Tagesdiebe schafft mir genug Geld an, oder ich werde ein paar meiner Handlanger losschicken, die sich dann um euer kleines Zuhause kümmern werden. Vielleicht durch ein kleines Feuer oder so. Jetzt klar?“

Curzio nickte.

„Na also. Ich will zehntausend Dukaten.“

Curzio riss erschrocken die Augen auf.

„Nicht weniger!“, sagte Caio laut.

„Ich hoffe für euch, dass ihr das Geld schnellstens zusammenbekommt. Ansonsten werden die geehrten Herren Scento und Caputo vielleicht endlich ihre gerechte Strafe bekommen.“, endete er dann mit drohender Stimme.

Curzio schwieg.

Das konnte er unmöglich ernst meinen.

Zehntausend Dukaten? Das war geradezu unmöglich. und selbst wenn, würde es Monate in Anspruch nehmen und Curzio war sich sicher, dass sie nicht Monate lang Zeit hatten. Caio sprach hier von Wochen, wenn nicht sogar Tagen.

Doch was ihn am meisten verwirrte, war die Tatsache, dass dieser Auftrag ganz und gar gegen ihren Ehrenkodex verstieß.

Man klaute nur soviel, wie man auch wirklich brauchte, nur soviel, wie die Bürger verkraften würden.

Aber zehntausend Dukaten? Das würde heißen, dass sie viele Leute beklauen mussten und nicht gerade wenig nehmen würden.

„Also, das war alles. Curzio, wenn du mich entschuldigst, ich habe noch viel zu tun. Ungehorsame Leute müssen bestraft werden. Ich hoffe sehr, dass man nicht eines Tages deine Schreie durch meine Kerker hallen hört.“, sagte Caio mit einem bösen Grinsen. Dann wandte er sich ab.

Curzio erhob sich und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer.

Er stürmte die Treppe hinab und als er an dem Muskelprotz von Türsteher vorbeikam, verbeugte sich dieser tief und öffnete die Tür.

Curzio ignorierte ihn und eilte aus dem Haus.

Als er die Straße betrat, rasten die Gedanken in seinem Kopf nur so hin und her und leise fluchend machte er sich auf den Weg zum Gefängnis.

Diese Neuigkeit war überhaupt nicht gut und Curzio überlegte fieberhaft, wie er sie vor dem Rest der Bande geheim halten konnte. Sie würden geradezu in Panik ausbrechen. Er musste einen Weg finden, das Gold alleine zu beschaffen.

 

 

Kapitel 10 - Lea

Lea

 

Gerade als Lea damit fertig war, Face Fuß erneut zu verbinden, hörte sie, wie sich oben an der Treppe etwas regte.

Sie sah hoch und entdeckte Curzio.

Seinem Gesicht nach zu urteilen, war das Treffen mit dem Maestro Caio nicht so gut gelaufen.

Die ganze Zeit über hatten sie alle überlegt, was Curzio von ihm wollte, und waren alle auf die verschiedensten und verrücktesten Ideen gekommen.

„Curzio! Was ist passiert? Was wolltest du von Signore Caio?“, fragte Lea und sah ihn besorgt an.

„Ach, das ist egal. Gibt es hier irgendetwas Neues? Wo ist Luc?“, antwortete Curzio nur und wich ihrem Blick aus.

„Lucio hat sich aufs Ohr gehauen. Ihm ging’s nicht gut. Ich habe eben Face zusammengeflickt. Was Rico und Efrem machen, weiß ich nicht. Aber jetzt sei doch mal ehrlich, was wolltest du…“, begann Lea, doch Curzio unterbrach sie:

„ Lea, vergiss es einfach, okay? Es ist nicht wichtig, klar? Hör zu, dass ist echt nicht böse gemeint, aber du musst das nicht wissen. Und jetzt, entschuldigst du mich bitte, ich hab was zu erledigen!“

Mit diesen Worten drehte er sich um und mit schnellen Schritten verschwand er nach oben, zu den anderen Zellen.

Mit offenem Mund stand Lea noch immer unbewegt an derselben Stelle.

Nach einem Moment hatte sie sich wieder gefasst, und holte tief Luft.

Er wollte ihr nicht die Wahrheit erzählen?

Gut, dann würde sie eben selbst herausfinden was passiert war.

Sie brauchte seine Hilfe nicht und selbst wenn, wenn er so egozentrisch war und meinte, dass sie  das alles nichts angehen würde, dann würde es ihn ja auch nicht stören, wenn sie überhaupt nichts machen würde.

Es war ja eh alles nicht wichtig.

Lea seufzte schwer und ließ die Schultern hängen.

Wem machte sie da etwas vor?

Natürlich würde sie Curzio helfen. Sie machte sich Sorgen um ihn und das, was er zu ihr gesagt hatte, war ihm bestimmt nur herausgerutscht, weil er wütend und aufgelöst gewesen war.

Er würde mit ihr reden, wenn die Zeit gekommen war, da war sie sich sicher.

Doch nun war da erst einmal die Frage, wie sie jetzt weiter vorgehen würde.

Wie konnte sie herausfinden, was Curzio von Caio gewollt hatte?

Auf jeden Fall würde sie nicht noch einmal Curzio um eine Antwort bitten.

Sollte sie vielleicht mit Lucio reden?

Wenn es jemanden gab, der selbst in dieser Situation mit Curzio reden konnte, dann war es Lucio.

Doch würde er ihr helfen? Was, wenn er ihr dasselbe sagen würde, was auch Curzio gesagt hatte, was, wenn er mit derselben ablehnenden Haltung auf sie reagieren würde?

Dennoch, dies war die einzige Möglichkeit, die ihr einfiel.

Sie beschloss, mit Lucio zu reden, wenn dieser wieder wach war, doch dafür musste sie erst einmal geduldig warten, bis er genug Schlaf gefunden hatte.

Wie lange, das stand in den Sternen. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 11 - Efrem

Efrem

 

Gedankenverloren streifte Efrem durch das Gefängnis. Als er dann zum dritten Mal an derselben Ecke vorbeigekommen war, beschloss er, in die Zelle zu gehen, in der sie ihre Beute aufbewahrten, und nachzusehen, wie viel der ganze Stress heute gebracht hatte.                                                                                                             Also drehte er um und eilte in die zweite Etage. Dort lief er einen Gang entlang und hielt vor der vorletzten Tür.                                                                                                                                                     Gerade als er sie öffnen wollte, hörte er, wie sich auf der anderen Seite der Tür etwas bewegte.                       Einen kurzen Moment erklang ein lautes Scheppern, gefolgt von einem wohlgewählten Fluch.

Vorsichtig schob Efrem die Tür ein Stückchen auf und er sah, wie Curzio in einer der Kisten wühlte.

Er stand mit dem Rücken zu Efrem, sodass er ihn noch nicht bemerkt hatte.

Curzio richtete sich wieder auf und sah sich nach der nächsten Kiste um, als er Efrem bemerkte.

Er zuckte zusammen, so als ob man ihn bei irgendetwas Geheimem beobachtet hätte.

„Maledetto, Efrem, ich habe mich zu Tode erschrocken!“, fluchte er dann.

„Entschuldige Curzio, ich stand noch nicht lange hier, ich wollte gerade was sagen, da hast du dich umgedreht!“, versuchte Efrem die Situation zu erklären.

„Ach, ist ja auch egal. Was willst du denn hier?“, fragte Curzio und schloss die Kiste vor sich, indem er dem Deckel einen kleinen Schubs gab, sodass er auf die Kiste flog.

„Äh, ich, ach nichts, ich wollte eigentlich nur mal kurz unsere heutige Beute begutachten. Was ist mit dir?“, sagte Efrem. Er hatte den Eindruck, dass Curzio nicht so ganz bei der Sache war, da er gedankenverloren auf die Kiste starrte.

„Ach, ich hab nur mal nach dem Rechten gesehen, wollte nur gucken, dass alles in Ordnung ist.“, erklärte Curzio teilnahmslos.

„Sag mal, ist alles in Ordnung mit dir, Curzio? Du bist irgendwie so-“, begann Efrem, doch Curzio wirbelte plötzlich herum, und mit einem seltsamen Glänzen  in den Augen, unterbrach er ihn: „Was ist mit mir? Ich bin komisch, na und? Kümmert euch doch um euren eigenen Kram, ich hab genug um die Ohren, klar soweit?“

Efrem sah ihn verwirrt an.

„Klar, ich hab’s verstanden. Entschuldige bitte, dass wir uns Sorgen machen!“, sagte er dann, drehte sich einmal um die eigene Achse, und verschwand aus dem Zimmer.

Als er auf den Flur hinaustrat und zwei Schritte gegangen war, hörte er, wie Curzio drinnen wieder fluchte und irgendetwas gegen die Wand warf.

Eines stand für Efrem fest. Irgendetwas stimmte nicht mit Curzio.

Normalerweise verlor Curzio nie seine unglaubliche Fähigkeit, selbst in den härtesten Situationen kühlen Kopf zu bewahren und ruhig zu bleiben.

Noch nie zuvor hatte er  ihn so außer Kontrolle erlebt.

Bei Caio musste etwas wirklich Schlimmes passiert sein.

Etwas, dass Curzio total aus der Bahn geworfen hatte. Doch was konnte das sein.

Bis jetzt hatte Curzio noch niemandem etwas über seinen Besuch bei Caio erzählt, und es sah nicht gerade danach aus, als würde sich bald etwas an diesem Umstand ändern.

Curzio versuchte alleine mit seinem Problem klarzukommen, doch anscheinend, gelang ihm das nicht wirklich.

Vielleicht würde ja bald Lucio mit ihm reden, und vielleicht schaffte er es, mehr aus Curzio heraus zu bekommen.

 

 

Kapitel 12 - Lucio

Lucio

 

Lucio öffnete seine Augen, als er das Knarren der Tür hörte.

Er lag in seiner eigenen Zelle auf einem großen Heuhaufen, und sah konzentriert zur Zellentür.

Er war noch nicht wach genug, um erkennen zu können, wer sich in seine Zelle schlich, das Bild vor seinen Augen war noch verschwommen.

„Lucio? Bist du wach?“, flüsterte eine leise Stimme.

Es war Lea.

„Was gibt es denn?“, fragte Lucio und wunderte sich, was sie ausgerechnet von ihm wollte.

„Also, ähm, ich weiß nicht genau, wo ich anfangen soll, ich-“, plötzlich hörte Lucio einen dumpfen Schlag, dann fluchte Lea einmal kurz.

„Was ist passiert?“, fragte Lucio nervös.

„Ich bin irgendwo gegen gestoßen.“, erklärte Lea, und klang verärgert.

„Ich schätze, Licht wäre jetzt nicht schlecht!“, sagte Lucio und konnte sich einen amüsierten Ton nicht verkneifen.

Er hantierte kurz an einer Kiste neben sich rum, dann flackerte der Lichtschein einer Kerze auf.

„Na, besser so?“, fragte Lucio grinsend.

„Ja.“, sagte Lea nur und hockte sich dann neben Lucio auf den Boden.

„So, also, was gibt es?“, fragte Lucio und versuchte seine immer noch vorhandene Verwunderung zu verbergen.

„Ähm, ich weiß nicht, ob du es schon mitbekommen hast, aber Curzio verhält sich ziemlich komisch, seit er von Caio zurückgekommen ist.“, erklärte Lea.

„Mhm, habt ihr ihn mal drauf angesprochen?“, fragte Lucio.

„Ja, aber er will nicht darüber reden, im Gegenteil, er geht geradezu an die Decke, wenn man ihm Hilfe anbietet. Er ist total aus dem Häuschen.“

„Ja, und was soll ich jetzt machen?“

„Ich dachte mir, wenn du mit ihm redest, also, auf dich hört er ja mehr, vielleicht erzählt er dir, was passiert ist:“, sagte Lea schnell, gerade so, als ob diese Bitte unangemessen war und sie es nicht hätte wagen sollen, ihn danach zu fragen.

„Ich mein, klar, ich kann mal mit ihm reden, aber ich weiß nicht, ob das wirklich hilft. Weißt du, Curzio ist so ein Mensch, der in manchen Dingen einfach seine Zeit braucht, verstehst du?“, erwiderte Lucio.

„Dennoch, vielleicht hilft es ja wirklich!“, drängte Lea weiter.

„Ja, in Ordnung. Weißt du, wo er sich gerade aufhält?“, fragte Lucio  und erhob sich dann mit einem leisen Ächzen.

„Ich glaube, er ist irgendwo nach oben gegangen!“, sagte Lea, ein kleines Lächeln im Gesicht.

„Okay, ich rede mal mit ihm.“, sagte Lucio.

Lea verließ das Zimmer und einen Moment später folgte Lucio ihr.

Er stieg eine kleine Leiter hinauf und gelangte so in den zweiten Stock.

„Curzio?“, rief er, doch niemand antwortete ihm.

Er rief noch zwei oder drei Mal, während er in ein paar Zellen schaute und die Etage entlanglief.

In der vorletzten Zelle fand er ihn schließlich.

Curzio saß auf der Pritsche und starrte gedankenverloren an die Wand.

„Hier bist du. Was ist los, compagno?“, fragte Lucio lässig, jedoch deutlich.

 Er wusste, dass es keinen Sinn hatte groß um das eigentliche Thema herumzureden, da Curzio ihn vermutlich eh sofort durchschaut hätte.

„Ach, eigentlich nichts. Wieso?“, antwortete Curzio.

Curzio sah Lucio nicht an, als er das sagte, doch Lucio wusste auch so, dass etwas nicht stimmte.

Lea hatte Recht. Curzio benahm sich komisch und er war der letzte der ihm etwas vormachen konnte.

„Curzio, sei ehrlich, du weißt, dass ich es sowieso merke, wenn du nicht die Wahrheit sagst. Was hat Caio gesagt?“

„Ach, verdammt, du hast ja Recht. Er…“, stammelte Curzio, dann brach es aus ihm heraus: „… verdammt… Luc…er will unser Versteck niederbrennen lassen.“

Darauf war Lucio nicht gefasst gewesen. Schockiert sah er Curzio an.

„Was sagst du da. Curzio, ist das dein ernst?“

Schnell erzählte Curzio ihm, was bei Caio geschehen war.

„Mhm, ich kann mir das auch nicht erklären. Auch, wenn Caio ein ziemlicher Dreckskerl ist, hat er sich doch immer an den Kodex gehalten, vor allem, weil der ja größtenteils von ihm ist. Das verstehe ich nicht.“, sagte Lucio nach kurzem Schweigen.

„Wir sind total verloren, was sollen wir nur tun!“, jammerte Curzio.

„Uns bleibt nur eine Möglichkeit, auch wenn sie mir überhaupt nicht gefällt! Wir müssen das Gold beschaffen. Ich weiß sonst keinen Ausweg, aber Kopf hoch, Curzio, das schaffen wir schon irgendwie!“, versuchte Lucio ihn zu beruhigen.

„Vermutlich hast du Recht.“, sagte Curzio und sah wieder an die Wand.

„Wieso hast du die ganze Zeit nichts erzählt?“, fragte Lucio.

„Ich wollte euch nicht verunsichern. Ich wollte erst gucken ob ich einen Weg finde, ohne großen Aufwand die zehntausend Dukaten zusammenzukratzen. Total dämliche Idee, wie’s aussieht. Unsere Beute ist zu wenig. Wir besitzen zwar viel, doch müssten wir die meisten Dinge erst in Münzen umtauschen, und selbst das würde nicht reichen, abgesehen davon, dass das viel zu sehr Aufsehen erregen würde! Wir haben uns immer an den Kodex gehalten. Wie stellt  Caio sich das eigentlich vor. Das wir uns alles aus dem Ärmel schütteln?“, fragte Curzio aufgebracht.

„Mhm, hast du nicht gesagt, er hätte irgendetwas von einer gerechten Strafe für dich und mich gesagt? Ich glaube nicht, dass es ihm um das Gold oder das Gefängnis geht, ich vermute eher, dass er sich an uns rächen will, da wir mittlerweile  eine Position eingenommen haben, die gefährlich für ihn werden kann. Ich glaube, er fürchtet die Konkurrenz!“, überlegte Lucio.

Darüber hatte Curzio noch nicht nachgedacht und doch kam es ihm beängstigend logisch vor.

Denn neben Caio waren er und Lucio die gefürchtetsten Diebe von ganz Venedig.

 

 

Kapitel 13 - Ricardo

Ricardo

 

Rico kletterte leise die Treppe ins untere Stockwerk hinunter.

Als er unten ankam und sich umdrehte, schreckte er mit einem leisen Schrei zusammen. Hinter ihm stand plötzlich Curzio.

„Verdammt, Curzio. Erschreck mich doch nicht so zu Tode. Alles klar bei dir?“, fragte Rico und schaute sich nervös um, so als könnten noch mehr versteckte Leute hervorspringen.

„Si, alles in Ordnung, Hör zu, du und Lea, ihr müsst sofort los!“, sagte Curzio knapp und er klang abwesend.

„Äh, und dann?“, fragte Rico vorsichtig. Er konnte sich nicht erklären, wieso er und Lea noch mehr hätten klauen sollen, also was wollte Curzio dann von ihnen?

„Ihr sollt klauen, was sonst? Nehmt so viel, wie ihr kriegen könnt, verstanden?“, fragte Curzio und klang sofort genervt.

„Aber, was ist mit dem Kodex, das ist doch vollkommen verrückt, wir haben doch noch genug, wieso sollen wir dann- “, meinte Rico, doch Curzio ließ ihn nicht ausreden:

„Nix aber und wieso. Ich hab dir gesagt, was du machen sollst, also mach es auch, klar? Ich habe keine Zeit, dir das zu erklären. Beschafft einfach soviel wie ihr könnt und achtet nicht auf den Kodex. Lasst euch aber nicht erwischen!. Jetzt geh und hol Lea und dann  macht euch endlich auf den Weg.“

Rico sah ihn nur verwirrt an und bewegte sich keinen Zentimeter.

„Verdammt Rico, hau ab!“, fuhr Curzio ihn an. Rico zuckte einmal kurz zusammen, dann machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand wieder nach oben, um Lea zu finden.

Zum Glück kam sie ihm gerade entgegen und schnell erzählte er ihr von ihrer Aufgabe.

Zusammen verließen sie das Gefängnis und verschwanden in den Gassen von Venedig.

Sie suchten sich einen sicheren Platz in einer Seitenstraße und warteten auf vorbeigehende Bauern oder Edelleute.

Zugegeben, dies war keine besonders gute Art und Weise, doch ohne Vorplanung ließ sich auch nicht viel machen.

„Was soll das hier eigentlich alles?“, fragte Lea leise, als weit und breit niemand zu sehen war.

„Ach, was weiß ich. Curzio hat mir nichts verraten, er war ganz aufgebracht!“, sagte Rico achselzuckend.

„Glaubst du, es hat was mit seinem Besuch bei Caio zu tun?“, fragte Lea nachdenklich.

„Naja, ich denke mal schon, so wie er sich seit dem verhält.“

„Denkst du, Caio kannte die drei und es hat etwas mit ihnen zu tun?“

„Ich weiß nicht, ich glaube schon, dass Caio sie kennt, ich mein, Caio weiß eigentlich über alles Bescheid, was hier passiert, oder?“, warf Rico ein.

„Das erklärt nur nicht, wieso Curzio uns nichts erzählt hat!“, überlegte er dann weiter.

„Mhm, vielleicht kennt Curzio die drei ja auch, jetzt, nachdem Caio ihm alles erklärt hat und er will nicht, dass wir mehr mit ihnen zu tun haben, ich mein, du kennst ja Curzio, er hat da so ne leicht väterliche Seite, meinst du nicht auch?“, überlegte Lea.

„Da hast du natürlich Recht. Aber, was können die schon an sich haben, dass wir sie nicht besser kennen lernen sollen. Wär doch mal echt interessant, neue Leute kennenzulernen, oder? Du weißt schon, eine andere Diebesbande, oder?“, sagte Rico, jetzt ganz in seiner Idee aufgehend.

„Naja, also ich möchte niemanden kennenlernen, der auf Lucio losgeht.

Du darfst nicht vergessen, was sie getan haben!“, erinnerte Lea ihn.

„Ja, du hast ja Recht, ich meine ja auch eigentlich mehr so generell.“, sagte Rico ausweichend.

Sie schwiegen einen Moment.

Gerade im richtigen Augenblick, wie es scheint, denn ein gut gekleideter Mann biegt soeben in die Straße ein.

Als er sie sieht, zögert er einen kurzen Moment, doch er versucht sich nichts anmerken zu lassen und geht sicheren Schrittes weiter.

Rico stößt sich mit dem Fuß von der Wand ab, an der er gelehnt hat und sieht dem Mann entgegen.

Es ist ein älterer Herr, der sein Wohlhaben deutlich zur Geltung bringt.

Rico überlegt nicht lange. Wer so offensichtlich mit seinem Geld prahlt, hat es nicht anders verdient, als ausgeraubt zu werden.

Als der Mann sie erreicht hat, bleibt er vorsichtig stehen, da Lea und Rico ihm den Weg versperrt haben.

„Ähm, Kinder, wie kann ich euch helfen?“, fragt er unsicher.

Lea schnaubt bei dem Wort Kinder verächtlich.

„Ach, sie könnten eigentlich ganz lieb sein, und uns ohne Umstände ihr Gold geben.“, sagt Rico.

Der Mann schaut sie verwirrt an.

„Aber bitte, Kinder, sowas ist doch kein Spaß!“ Anscheinend nimmt er die Beiden nicht für ernst.

„Signore, sie sollten lieber auf uns hören, denn ansonsten würden Curzio und vor allem Lucio von ihrer unkooperativen Seite erfahren. Und das wollen wir ja nicht, stimmt’s?“, sagt Lea mit einem breiten Lächeln im Gesicht.

„Signore Lucio? Wieso sagen sie das nicht gleich. Aber bitte, natürlich werde ich ihren Wünschen nachkommen. Bitte verzeihen sie mir diese Unachtsamkeit!“, sagt der Mann. Jetzt spricht er in einer ganz anderen Art mit ihnen als zuvor.

Er wühlt kurz in einer seiner vielen Taschen und zieht einen schön verzierten Lederbeutel hervor.

Er reicht ihn Rico, wobei seine Hand leicht zittert.

„Na also, allerherzlichsten Dank. Dieses gute Stück wird sich toll in unserer Sammlung ausmachen.“, sagt Rico grinsend. Der Mann schweigt. Er scheint nur noch schnellstmöglich verschwinden zu wollen.

Lea trat zurück und mit schnellen Schritten verschwand der Mann.

„Glaubst du, er geht zu der Stadtwache?“, fragte Lea nervös.

„Ha, wohl kaum, so viel Angst, wie er vor Lucio hat, wird er es nicht wagen, uns zu verraten!“

Wie Rico vermutet hatte, kamen in der nächsten Zeit nur noch drei weitere Bürger vorbei, die ihren Wegezoll zahlten. Von Söldnern oder der Polizia gab es keine Spur.

„So, sieht ja schon mal ganz beachtlich aus. Wie wär‘s, wenn wir ein wenig auf den Markt gehen und gucken, ob wir dort ein bisschen was einstecken können?“, schlug Rico nach einer Weile vor.

„Mhm, ja können wir machen. Aber was ich dich noch fragen wollte. Weißt du, was wir jetzt noch wegen Curzio machen können?“, fragte Lea, ein wenig leiser jetzt, als zuvor. Ihr behagte dieses Thema nicht, sie war es nicht gewöhnt, Curzio in solch einer Verfassung zu sehen.

Aber wer war das von ihnen schon, außer vielleicht Lucio, der ihn aufgelesen hatte, als er den Tod seines Bruders zu überwinden versucht hatte.

„Naja, ich denke, es ist am besten, wenn wir jetzt einfach mal abwarten, wie sich alles entwickelt, oder? Hattest du nicht gesagt, Lucio wollte noch mit ihm reden?“

Lea nickte.

„Na also, siehst du, dann warte erst mal ab.“, sagte Rico und lächelte sie aufmunternd an.

Sie seufzte kurz, lächelte dann aber auch.

„So und jetzt ruft die Arbeit, also Konzentration bitte!“ Er grinste und lief voraus in Richtung Markt.

 

Kapitel 14 - Curzio

Curzio

 

Leise schlichen Lucio und Curzio eine Seitengasse entlang.

„Wo wollen wir anfangen?“, fragte Lucio und drehte sich langsam zu seinem Freund um.

Nachdem sie eine Weile überlegt hatten, wie sie es schaffen konnten, so viel Gold zu klauen, wie sie benötigten, hatte Lucio die Idee gehabt, alte Bekannten um Hilfe zu bitten. Nach einer langen Diskussion, ob sich überhaupt irgendjemand die Mühe machen würde, ihnen zuzuhören, hatten sie sich endlich auf den Weg gemacht.

Sie hatten gerade das Ende der Riva del Carbon erreicht.

„Mhm, ich würde sagen, am schnellsten kämen wir jetzt zu Mio. Er ist ein alter Freund von mir. Damals, als ich … naja, als ich mit Fabio hier war, haben wir ihn kennengelernt. Vielleicht sollten wir es als erstes dort versuchen. Wir finden ihn in der Nähe vom Campo Manin, in der Fotachiesa bei einer Kirche - vorausgesetzt, er lebt noch immer dort.“, sagte Curzio.

„Okay, aber ich hoffe, er erkennt dich wieder, wir brauchen echt Hilfe.“

Eine Weile schlichen sie wortlos durch die Gassen und vermieden es, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Nach einiger Zeit erschien vor ihnen eine Kirche.

„So, da wären wir. Er wohnte immer in diesem heruntergekommenen Haus dort. Es gehörte vor Jahrzehnten einer recht wohlhabenden Familie. Das erzählte Mio uns jedenfalls immer!“, sagte Curzio mit einem breiten Lächeln.

Vorsichtig näherte er sich dem Haus. Er klopfte kurz an die Tür.

Als nichts geschah, öffnete er sie einen Spalt breit.  

„Mio?“, fragte er vorsichtig in die Dunkelheit hinein.

Lucio stand direkt hinter Curzio und verlagerte sein Gewicht nervös von einem Bein auf das andere, schwieg aber.

„Wer will das wissen?“, fragte eine leise Stimme aus der Dunkelheit heraus.

„Ich heiße Curzio, bei mir ist mein Freund Lucio. Ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnerst, es ist lange her.“, erklärte Curzio.

„Curzio… Lucio… mhm, diese Namen sagen mir nichts, also –“, plötzlich stockte die Stimme. Dann fuhr sie fort: „Curzio, Curzio, halt warte mal. Curzio. Dieser Name sagt mir doch irgendwas. Du bist doch nicht etwa-“, doch auch dieser Satz wurde nicht zu Ende gesprochen. Ein plötzlicher Freudenschrei ertönte und Schritte näherten sich. Curzio wich grinsend ein Stück zurück und schon wurde die Tür aufgerissen.

„Curzio?“, fragte ein blonder, großgewachsener Junge ungläubig.

„Mio!“, erwiderte Curzio lachend.

Mio lachte jetzt ebenfalls und umarmte Curzio freundlich.

„Per amor di Dio, wie lang ist es jetzt schon her.“, sagte Mio, der es immer noch nicht fassen konnte.

„Mio, ich hätte bestimmt vorbeigeschaut, doch dieser Besuch weckt Erinnerungen, die ich kaum ertrage. Kurze Zeit, nachdem wir uns getrennt hatten, wurde mein Bruder gefasst und weggebracht. Fabio, erinnerst du dich?“, fragte Curzio, nun nicht mehr lächelnd.

Mio nickte ernst.

„Dies ist mein Freund und Gefährte, Lucio Caputo. Wir beide führen mittlerweile eine fünfköpfige Diebesbande an.“, erklärte Curzio.

„Si, si, man hört viel von euch. Dies ist also der bekannte Signore Caputo. Es freut mich, dich kennen zu lernen.“, sagte Mio aufgeregt an Lucio gewandt.

„Ach, nenn mich einfach Lucio.“, erwiderte dieser.

Mio nickte noch einmal und sah dann wieder zu Curzio.

„Also, erklär mir, lieber Curzio, was führt dich nach all den Jahren zu mir?“

„Mio, ich brauche deine Hilfe!“, sagte Curzio sofort frei heraus.

„Meine Hilfe? Wobei kann ich euch denn helfen?“, fragte Mio verwirrt.

In raschen Sätzen erklärte Curzio ihm die Situation.

„Zehntausend Dukaten? Maledetto, das ist unmöglich!“, fluchte Mio.

Curzio sah ihn jedoch weiter nur fragend an.

„Curzio, du weißt, ich zähle dich ehrlich zu meinen Freunden. Aber zehntausend Dukaten, du weißt, dass das nicht mit dem Kodex übereinstimmen kann. Es tut mir wirklich leid, aber ich kann es mir nicht erlauben, mich gegen Maestro Caio aufzulehnen. Verstehst du, was passieren würde, wenn er davon erfahren würde? Mein Rang erlaubt mir ein solches Unternehmen nicht. Perdonare, mein Freund.“, entschuldigte sich Mio mit ausweichendem Blick.

„Si, Mio, ich verstehe. Ich kann es natürlich auch nachvollziehen. Es ist viel verlangt, doch es ist unsere einzige Hoffnung. Ich danke dir trotzdem und ich hoffe, wir sehen uns bald wieder!“, sagte Curzio. Mio nickte.

„Ciao, Mio!“, verabschiedeten sich Curzio und Lucio.

Mio winkte ihnen kurz nach und verschwand dann wieder in seinem Haus.

„Toller Freund!“, zischte Lucio missgelaunt.

„Ach, er hat ja Recht. Er steht ziemlich weit unten. Für ihn wäre es echt gefährlich!“, erklärte Curzio ihm.

„Schauen wir als nächstes bei Luca vorbei?“, fragte Lucio nur.

„Si, ich denke schon. Palazzo Fortuny, nicht wahr?“

Lucio nickte und sie machten sich auf den Weg.

Um zum Palazzo Fortuny zu gelangen, mussten Curzio und Lucio den Rio San Luca überqueren.

Als sie das Ufer erreichten, sahen sie sich um. Hier gab es keine Brücke, doch eine kleine Gondel, genannt Gondolin, ermöglichte ihnen die Überquerung.

Sie sprangen leise auf die Gondel, schoben sie mithilfe des Ruders näher an das andere Ufer und sprangen dann wieder an Land.

Als sie sich umblickten, dümpelte die Gondel langsam in den leichten Wellen des Rio San Luca. Wegtreiben konnte sie nicht, da sie mit einem Seil an einem Holzbalken festgebunden war.

Eilig liefen die beiden Diebe weiter. Es dauerte nicht lange, bis sie den Palazzo Fortuny erreicht hatten.

„Mhm, dort drüben, in dem kleinen Haus, hat man ihn immer angetroffen, oder irre ich mich?“, fragte Curzio nachdenklich.

„Nein, ich glaube auch, dass das dieses Haus war. Kaum Platz für drei Leute in einem Zimmer.“, sagte Lucio mürrisch.

„Na, Lucio, bedenke, dass wir ihm vieles zu verdanken haben. Durch ihn hatten wir unser erstes Treffen mit Caio. Weißt du noch, wie Luca sich lange Zeit für uns einsetzte, um dieses Treffen zu arrangieren?“, fragte Curzio und ein Erinnerungsseeliger Blick tauchte auf seinem Gesicht auf.

„Ich frage mich nur, wieso er selbst nie mehr aus sich gemacht hat. Er steht relativ weit unten, wenn man bedenkt, was aus ihm hätte werden können!“, überlegte er jetzt laut und sein normaler Gesichtsausdruck kehrte zurück.

„Ich vermute mal, er war einfach immer nur zu feige, am Ende in irgendeinen Machtstreit zu geraten.“, kommentierte Lucio.

„Naja, ist ja auch nicht unser Problem. Los, schauen wir mal nach, ob er noch da ist.“, schlug Curzio vor, und sie traten an das Haus.

Lucio klopfte.

Nach einem kurzen Moment erschien ein kleines Mädchen.

„Äh, salve, wir suchen Luca Tisato.“, erklärte Curzio ein wenig verwirrt.

„Wer seid ihr?“, fragte das Mädchen, ohne auf Curzio einzugehen.

„Lucio Caputo und Curzio Scento. Was ist jetzt?“, erwiderte Curzio.

„Es wohnt hier kein Luca Tisato. Ihr müsst woanders nach ihm suchen.“, sagte das Mädchen und grinste frech.

„Dir ist wohl nicht klar, mit wem du –“, polterte Lucio los, doch Curzio hielt ihn zurück.

„Ist schon gut, so kommen wir nicht weiter, vergiss es einfach!“, raunte er Lucio zu, und drehte ihn von dem Mädchen weg.

„Curzio? Lucio?“, erklang plötzlich eine Stimme hinter ihnen.

Lucio und Curzio drehten sich wieder um. Hinter dem kleinen Mädchen stand jetzt ein Junge mit blonden Haaren und grünen Augen. Er war ungefähr vier Jahre älter, als Curzio und Lucio, und sah krank aus.

Seine Haut, die bleich war, spannte sich über die Knochen und seine Augen sahen ihnen aus tiefen Höhlen entgegen.

„Luca?“, fragte Lucio erstaunt.

„Ja, ich bin es!“, sagte Luca. Seine Stimme war matt und er sprach leise, als ob er kaum noch Kraft hätte.

„Was soll das ganze Theater hier?“, fragte Curzio mit einem Blick auf das kleine Mädchen.

Dieses sah sie nun aus interessierten Augen an.

„Oh, entschuldigt bitte. Darf ich euch vorstellen- meine Schwester Ricarda!“, sagte Luca.

Das Mädchen lächelte jetzt und zwinkerte einmal kurz.

„Sie öffnet immer die Tür, und vergrault die Leute, die nach mir fragen!“

„Aber wieso?“, fragte Lucio.

„Naja, Caio hat seine Leute auf mich gehetzt!“

„Wieso denn das?“, fragte Curzio und sah Luca abschätzend an.

„Cosí, es war so… ich habe einige Dinge getan, die dem Lieben Maestro Caio nicht gefielen. Ich habe ein paar Dukaten mitgehen lassen und widersetzte mich einigen seiner Männer. Also beschloss er, mir das Leben schwer zu machen.“, erklärte Luca.

„Und seit dem versteckst du dich hier?“, fragte Lucio ungläubig.

„Anfangs schlich ich noch durch die Gassen, ich war schnell und kaum einer bemerkte mich, doch ihr wisst, dass ich Caio früher ziemlich nahe stand, und er sah mein zukünftiges Handeln voraus.

Er kennt mich einfach zu gut. Eines Tages erwischten mich ein paar seiner Helfer und schlugen mich zusammen. Durch viel Glück konnte ich entkommen und seit dem halte ich mich hier versteckt. Mich hat vor einigen Monaten eine schlimme Krankheit erwischt, doch vermag ich nicht aus dem Haus zu gehen, wegen Caios Männern.

Meine Schwester und ich sind mittlerweile alleine, da Caio meine Eltern aufsuchte, als sie auf dem Markt waren, um etwas zu essen zu kaufen. Er ließ sie gefangen nehmen und folterte sie, mit dem Ziel, dass sie ihm verraten würden, wo ich steckte. Doch sie schwiegen, bis sie dann irgendwann sterben mussten.“

Als Luca zu Ende erzählt hatte, leuchtete in seinen Augen etwas auf, und Curzio erkannte den Hass, den er selbst eine Zeit lang verspürt hatte, als sein Bruder starb, darin wieder.

„Es tut uns leid!“, sagte Curzio. Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte.

„Aber lassen wir das jetzt. Was führt euch hier her?“

Curzio zögerte kurz, dann erklärte er Luca die Situation.

„Nun ja, das ist wirklich ein Problem. Ich weiß nicht, ob ich eine große Hilfe bin, denn ich bin entkräftet und nicht mehr in Form, aber ich bin gerne bereit euch zu helfen.“

„Maledetto, gar nichts wirst du machen!“, meldete sich plötzlich Ricarda zu Wort.

Verwundert sahen die drei Jungen sie an.

„Du bist krank und Caios Leute suchen dich überall. Was glaubst du eigentlich, wie lang du es da draußen jetzt aushältst?“, sagte sie in leicht drohendem Ton.

„Sie hat Recht!“, sagte Curzio leise.

Jetzt sahen Lucio, Luca und Ricarda ihn an.

„Du hast uns damals schon einen viel zu großen Gefallen getan, als du Caio überredet hast, uns zu treffen, ein weiteres Mal möchte ich dich nicht um etwas so Großes bitten. Du hast eine Schwester, auf die du aufpassen musst. Wir werden bestimmt die nötige Hilfe noch finden.“, erklärte Curzio.

Lucio nickte jetzt und Luca ließ den Kopf hängen.

„Mach dir keine Gedanken, wir schauen hier vielleicht dann nochmal vorbei, wenn sich alles bei uns beruhigt hat!“, sagte Lucio.

Luca seufzte, schien jedoch einzusehen, dass sie Recht hatten.

„Wir danken dir trotzdem für alles. Ich hoffe, dass wir eine gute Botschaft übermitteln können, wenn wir uns das nächste Mal wiedersehen. Lebe wohl, Luca Tisato.“, verabschiedete sich Curzio.

Lucio nickte und Ricarda und Luca zogen sich zurück ins Haus.

Als sich die Tür geschlossen hatte, wandte sich Lucio an Curzio:

„Was jetzt?“

„Ich weiß nicht, nachdem ich die bisherigen Reaktionen gesehen habe, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob überhaupt jemand bereit wäre, uns zu helfen. Die einzigen die mir noch einfallen, sind Callisto und Alessa, die Rico mal erwähnte, kurz nachdem er zu uns stieß, weißt du, wen ich meine? Die beiden Waisen, die er von früher kannte, doch ich bezweifle, dass sie uns helfen würden. Caio und seine Männer stellen einfach eine zu große Gefahr dar.“, erklärte Curzio mürrisch.

„Nun ja, vermutlich hast du Recht. Keiner wäre so dumm -  nein, warte mal… ich kenne da jemanden. Oh nein. Das funktioniert nie!“, redete Lucio vor sich hin.

„Luc, wovon redest du? Wenn auch nur ein Hauch von Hoffnung besteht, müssen wir es versuchen!“

„Sein Name ist Enrico Fellini. Ich kenne ihn… aus einer der früheren Banden, in denen ich war. Es war eine furchtbare Bande. Lauter gierige Idioten, und nur durch ihn führten wir ein halbwegs gesittetes Leben…!“

„Und wieso genau sollten wir dann zu ihnen gehen?“, fragte Curzio verwirrt.

„Nun ja, ich kenne bis jetzt nur zwei Menschen, die im Klauen besser sind als er!“, sagte Lucio mit einem leichten Grinsen.

„Nun ja, wenn das so ist, bleibt uns ja nichts anderes übrig, als es zu versuchen. Weißt du, wo wir ihn finden?“

„Ich könnte dich dorthin führen, wo wir früher waren, ob sie noch immer da sind, kann ich dir jedoch nicht sagen!“

„Na also, machen wir uns auf den Weg!“

„Wir müssen zum Campo de la Caritá. Das heißt, wir müssen über den Canale Grande, bei der Accademia.“

„Dann sollten wir uns beeilen. Langsam wird der Himmel düster.

Nach einiger Zeit erreichten die Beiden endlich den Campo de la Caritá. Es war eine gefährliche Gegend, der die Geheimnisse regelrecht anzusehen waren.  Die Gassen hier waren dunkel und verlassen, kaum ein Bürger war zu sehen.

Nervös folgte Curzio Lucio, der zielsicher ein paar Gassen durchquerte und dabei kaum einen Blick über die Schulter warf.

Plötzlich wurde Lucio langsamer. Er hielt vor einer Art Kirche, die genauso wie ihr Geheimversteck, alt und kaputt aussah. Das Dach hatte große Löcher und die Kirchturmglocke fehlte.

„Wir sind da. Am besten ist es, wenn du nichts sagst. Sie kennen dich nicht und sind Fremden gegenüber sehr misstrauisch. Ich hoffe für uns beide, dass sie mich nicht als einen Fremden ansehen.

Dann könnte es sehr ungemütlich für uns werden.“

Curzio schwieg.

Lucio atmet einmal tief durch und huscht dann zur Rückwand der Kirche. Dort schlüpft er durch ein winziges Loch und wartet auf der anderen Seite, bis auch Curzio hindurch ist.

„Vielleicht sollten wir…“, beginnt Curzio in einem leisen Flüsterton, als ihn plötzlich eine kalte Stimme unterbricht: „Wer wagt es, dieses Gebäude zu betreten? Verrate mir, wie du es geschafft hast, unseren kleinen Geheimtunnel zu entdecken. Und ich hoffe sehr, du hast eine gute Antwort, denn meine Gefährten hatten schon lange niemanden mehr zum Spielen.“

Ein leises Lachen dringt aus der Dunkelheit.

Curzio versucht irgendetwas zu erkennen, doch seine Augen haben sich noch nicht an die völlige Dunkelheit gewöhnt.

„Wartet. Mein Name ist Lucio Caputo, bei mir ist mein Freund Curzio Scento, wir kommen in friedlichen Absichten.“, erklärt Lucio.

„Mich interessieren eure Absichten nicht! Ihr habt dieses Gebäude unerlaubter Weise betreten, jetzt werdet ihr für diese Dummheit bezahlen. Ganz Dorsoduro weiß, dass niemand einen Fuß in dieses Gebäude setzten darf.“

„Wir kommen nicht aus Dorsoduro, sondern aus der Gegend um San Marco.“

„Ich kenne nur einen Menschen, der die Möglichkeit hätte, hierher zu kommen, der aus San Marco kommt. Nenne noch einmal deinen Namen!“, mischt sich plötzlich eine ganz andere, tiefere Stimme ein.

„Das ist nicht Enrico!“, flüstert Lucio in Curzios Richtung.

„Mein Name ist Lucio Caputo und ich komme mit der Absicht, mit Enrico Fellini zu sprechen!“, sagt er jetzt laut.

„Lucio Caputo, also doch. Welch ein Glück, lieber Lucio, es wird dich freuen zu hören, dass ich jetzt an der Spitze dieser Bande kämpfe!“, sagt die zweite Stimme.

„Raul?“

„Gewiss, mein alter Freund. Der liebe Enrico hat sich eines Tages tragischer Weise von seinem Posten verabschiedet. Wir sollten uns zusammensetzten und über die Vergangenheit plaudern, doch mein Gefühl sagt mir, dass du nicht gekommen bist, um ein kleines Schwätzchen zu halten.“

„Dein Gefühl trog dich selten, Raul. Ich komme in einer Notsituation zu dir!“, erwidert Lucio.

Schnell erzählt er auch Raul von ihrer misslichen Lage. Curzio misstraut der Situation.

Seine Augen haben sich an die Dunkelheit gewöhnt und der Ausdruck, den er auf Rauls Gesicht erkennen kann, gefällt ihm ganz und gar nicht.

„Also möchtest du, dass meine Bande und ich dir helfen, genügend Gold zu besorgen, um euer Versteck zu retten?“, fasst Raul noch einmal zusammen.

„Das war der Gedanke, ja!“, stimmt Lucio ihm zu.

„Was für eine niedliche Rettungsaktion!“, kommentiert Raul mit einem breiten, hämischen Grinsen.

„Aber, wieso besorgt ihr euch nicht einfach eine neue Unterkunft? Nach dem, was man über Lucio Caputo und seinen ach so tollen Gefährten Curzio Scento hört, dürftet ihr kein Problem haben, etwas zu finden!“

„Du vergisst, lieber Raul, genauso wie dieses Versteck hier, hat auch unseres einige entscheidende Vorzüge. In einem neuen Unterschlupf bräuchten wir Monate, um die ganzen Geheimverstecke und Geheimgänge wieder herzurichten. Unter ganz San Marco findest du ein riesiges Tunnelsystem, auch wenn ich dir hierzu nicht all zu viel verraten möchte. Ein neues Versteck wäre äußerst unpraktisch für uns.“

„Mhm, da hast du wohl recht, doch, wenn wir gerade schon von Vorzügen reden, was genau soll bei dieser ganzen Sache eigentlich für uns rausspringen? Wie ich es verstanden habe, braucht ihr jedes Stückchen Gold, das ihr auftreiben könnt, also kann von einer ordentlichen Bezahlung wohl kaum die Rede sein. Also, wie gedachtest du uns zu entschädigen?“, fragt Raul lächelnd.

Curzio hätte ihm am liebsten sein blödes Grinsen aus dem Gesicht geschlagen, doch wie Lucio ihm gesagt hat, schweigt er und verhielt sich so unauffällig wie nur irgend möglich.

Lucio sagt nichts, was offensichtlich die falsche Reaktion ist.

„Ah, habe ich es mir doch gedacht. Tja, du kennst das Gesetz: Keine Bezahlung bedeutet keinen Dienst.“

Lucio knirscht mit den Zähnen, als sich plötzlich der Junge, der zuerst mit ihnen gesprochen hat, meldet. Curzio hat ihn fast schon wieder vergessen.

„Raul, sie haben etwas, was uns interessieren könnte, etwas, dass wir nicht haben!“

Stille tritt ein.

Anscheinend überlegt Raul, genauso wie Curzio und Lucio, was gemeint war.

„Celio, sag, was du meinst, oder schweig einfach still, aber rede nicht in solchen Rätseln!“, fährt Raul plötzlich auf.

Zurechtgewiesen und mit zusammengebissenen Zähnen, wie es sich anhört, zischt Celio nur zwei Worte: „Das Mädchen!“

Curzio überläuft ein eiskalter Schauer.

In den allerwenigsten Banden sind Mädchen erlaubt, denn kaum einer nimmt sie für ernst. Dass Lea bei ihnen in der Bande war, hatte sie nur einem Zufall zu verdanken und auch so waren viele Diskussionen wegen ihr entstanden. Lucio hatte von Anfang an gesagt, mit ihr könnte es noch Ärger geben und zu seinem Entsetzen musste Curzio feststellen, dass er wieder einmal Recht behielt.

Kaum ein Dieb kann von sich behaupten einem Mädchen nah gekommen zu sein, außer natürlich bei einem Raubzug, und so ist das Interesse an den weiblichen Mitgliedern des Volkes sehr hoch, vor allem in den unteren Schichten.

„Ja, Celio, eine wirklich gute Idee. Ein Mädchen wäre hier noch einmal gerne gesehen. Das ist ein brillanter Vorschlag für einen Handel. Wir helfen euch, euer Versteck zu retten, und bekommen dafür das Mädchen. Selbstverständlich nur vorübergehend. Na, was ist, Lucio, du warst doch auch früher schon immer fürs Handeln bereit.“

„Die Zeiten ändern einen Menschen, Raul, merk dir das. Diesen Handel werden wir niemals eingehen und ich habe jetzt erkannt, dass es ein Fehler war, wieder zurück zu kehren. Aus diesem Grund werden wir jetzt auch verschwinden.“, sagt Lucio, dieses Mal mit einer veränderten Stimme. Die Erwähnung seiner Vergangenheit hat seine  Laune nicht gerade gehoben.

„Ach, Lucio, du warst doch kaum hier, du kannst doch nicht schon verschwinden. Ich bin sicher, die anderen würden dich auch gerne wiedersehen. Marco, Calimero, Fulvio und der gute Enrico, oh nein, dass geht ja nicht mehr, der liegt ja leider unter der Erde, da er es irgendwie nicht verstanden hat, dass ich ihn als Anführer ersetze… doch ich bin mir sicher, gerade er würde sich sehr über ein Wiedersehen mit dir freuen!“

„Curzio, lass uns verschwinden, allerhöchste Zeit abzuhauen!“, zischt Lucio und macht einige Schritte rückwärts.

Auch Raul und Celio bewegen sich.

So schnell sie können, flüchten Curzio und Lucio durch den Tunnel und die Gassen entlang.

Niemand verfolgt sie und dennoch werden sie erst beim Campo San Angelo langsamer.

Ein wenig außer Puste bleiben sie schließlich stehen und sehen sich gegenseitig missmutig an.

„Ich würde mal sagen, wir sind vollkommen aufgeschmissen!“, sagt Curzio.

„Wir müssen uns was einfallen lassen. Vielleicht sollten wir noch einmal mit Caio reden!“, schlägt Lucio vor.

„Du weißt genauso gut wie ich-!“, beginnt Curzio, doch Lucio bringt ihn mit einer kurzen Handbewegung zum Schweigen.

„Hörst du das?“, flüstert er und drehte sich lautlos im Kreis.

Curzio spitzt die Ohren, und nach einem kurzen Moment hört auch er es.

Es klang wie Schritte. Kaum zu hören und offensichtlich auch darum bemüht, nicht gehört zu werden.

„Sehr klug von euch. Macht jetzt bloß keinen Lärm.“, erklingt eine Stimme aus einer der Gassen.

Curzio dreht sich rasch in die Richtung, aus der die Stimme kam und entdeckt zwischen den Schatten eine dunkle Gestalt.

„Curzio, das sind sie!“, zischt Lucio ihm zu.

Curzios Augen huschen die Gassen zu ihrer Seite entlang. Wenn Lucio Recht hatte, wovon er überzeugt war, dann waren sie zu dritt.

„Was denkst du, Adriana, werden wir wieder solch ein Pech haben wie vor ein paar Tagen?“, sagt die Gestalt.

„Oh nein, das glaube ich kaum. Denn jetzt sind wir vorbereitet und zweimal in ein paar Tagen auf ein und denselben Narren zu treffen, wäre doch wirklich unglaubliches Pech!“, sagt eine Mädchenstimme zu ihrer Rechten.

„Tja, dass tut mir jetzt aber leid… Adriana. Wie es aussieht, seid ihr verdammte Pechvögel!“, sagt Lucio.

Die Gestalt bleibt stehen, doch ein leises Murmeln ist zu hören.

„Du lügst. Nenne mir deinen Namen!“, zischt das Mädchen erzürnt.

„Ich bin Lucio Caputo, und ich schätze, der Hund hat euch letztes Mal ziemlich aus der Bahn geworfen! Wenn du mich einen Lügner nennst, Kleine, komm aus dem Schatten heraus und vergewissere dich selbst!“

Eine leise Bewegung ist zu hören, dann ein Fluch:

„Maledetto, Adriana, lass dich doch nicht provozieren. Wir werden ja sehen, ob… verflucht, er ist es wirklich!“, knurrt der schwarzhaarige Junge, der jetzt nah genug ist, dass er sie erkennen kann und sie ihn.

„Wie du schon sagtest, wir sehen uns wieder!“, spottet Lucio.

Der Junge knirscht mit den Zähnen und sieht ihn wütend an.

„Lean, Adriana, ich glaube wir haben noch etwas zu erledigen!“, sagt er an seine Gefährten gewandt und alle drei näheren sich ihnen wieder und ziehen einen engeren Kreis um sie.

Der einzige, der sich nicht bewegt hat, ist Curzio.

Bestürzt sieht er den schwarzhaarigen Jungen an.

Verwirrt durch dieses Verhalten, wird der Junge langsamer, bis er schließlich stehen bleibt.

„Was ist, hast du noch nie einen Menschen gesehen, oder was gibt es da zu starren?“, fährt er Curzio aufgebracht an.

Dieser beachtet ihn gar nicht sondern starrt weiterhin verwirrt auf ihn.

Auch Adriana und Lean sind stehen geblieben.
„Fabio, was soll das?“, fragt Adriana verwirrt.

Entsetzt sieht Lucio zwischen Curzio und dem Jungen hin und her.

Curzios Augen weiten sich noch mehr und er macht einen zögerlichen Schritt nach vorne.

„Was weiß ich, vielleicht…“, beginnt der Junge, doch Curzio unterbricht ihn:

„Wie lautet dein Name?“

„Was?“, fragt der Junge, völlig abgelenkt von seinem Plan.

„Dein Name. Wie zum Teufel heißt du? Wiederhol es noch einmal!“, schreit Curzio plötzlich.

„Fabio.“, antwortet der Junge völlig baff und verwirrt.

„Das kann nicht sein! Du lügst!“, schreit Curzio aufgebracht.

„Was willst du von mir? Ich lüge nicht. Wie kommst du auf die Idee so etwas zu behaupten?“, fragt der Junge sichtlich erschrocken.

„Du bist tot. Es kann einfach nicht wahr sein!“

„Fabio, vielleicht sollten wir lieber gehen!“, flüstert das Mädchen leise.

„Nichts da. Ihr bleibt hier. Wie kann das sein?“, fragt Curzio. Seine Stimme klingt wie die eines Wahnsinnigen.

Lucio sieht nervös zwischen dem Jungen und Curzio hin und her. Auch er kann sich diese Situation nicht erklären.

„Fabio!“, zischt der blonde Junge, mit dem Namen Lean nervös.

Doch auch der schwarzhaarige Junge, Fabio, sieht Curzio jetzt nachdenklich an.

In seinen Augen leuchtet etwas auf und sein Gesicht wird bleich.

„Ich kenne dich!“, sagt er langsam.

„Was?“, ruft das Mädchen, Adriana, verwirrt und sieht ihn an.

„Du… nein, du hast recht, das kann nicht sein!“, sagt der Junge und weicht vorsichtig zurück.

Curzio und er starren sich ungläubig an.

„Fabio?“, flüstert Curzio, wie als wolle er erneut eine Bestätigung.

„Ja!“, antwortet der Junge langsam.

Tränen steigen Curzio in die Augen und vorsichtig geht er auf den Jungen zu.

„Curzio?“, fragt dieser plötzlich und auch in seinen Augen leuchten Tränen auf.

„Wer ist das, Fabio?“, fragt Adriana, jetzt wirklich ernsthaft besorgt.

„Dies, Adriana, ist mein Bruder!“, erklärt Fabio.

Sein Gesicht wirkt jetzt ausdruckslos, nur seine feuchten Augen lassen auf seine Gefühle schließen.

Lean zieht scharf die Luft ein und Adriana blickt verstört von Fabio zu Curzio.

„Fabio!“, ruft Curzio plötzlich freudig aus und mit einem Schritt ist er bei seinem Bruder.

Die Beiden umarmen sich und ein zittern durchfährt ihre Körper. Nach einer Weile lösen sie sich von einander und sehen sich immer noch verwirrt an.

Einen Moment sagt niemand von ihnen etwas, alle stehen da und verarbeiten das eben Geschehene.

„Es ist tatsächlich wahr!“, sagt Fabio. Er seufzt laut und schüttelt dann unmerklich den Kopf.

„Ja!“, erwidert Curzio nur.

„Ich weiß, es gibt viel zu bereden, doch sollten wir dies nicht hier tun.

Es ist nicht der richtige Augenblick oder der richtige Ort dafür. Uns drängt die Zeit und wir müssen handeln.“, sagt Lucio schließlich nach einigen Minuten.

Curzio weiß, dass er recht hat und doch fällt es ihm schwer, sich jetzt mit ihrem Problem auseinander zu setzten. Dennoch reißt er sich zusammen und in knappen Sätzen erzählt er den drei anderen ihre Geschichte, wobei er ihnen alles von Anfang an erzählt: Wer Maestro Caio ist, welchen Stand er hier in Venedig hat, welche Gefahr ihre Bande für ihn darstellt und wie er versucht sie zu zerbrechen.

Curzio erzählt ihnen von ihrer Bande, von dem Leben das sie aufgebaut haben und den Status, den sie nun genießen.

Die drei lauschen interessiert. Die ganzen Tage, die sie schon hier sind, hat niemand sie zu Recht gewiesen, obwohl es die Aufgabe von einigen Männern von Caio ist, Neuankömmlinge zu unterweisen. Doch sie alle vermuten, dass es für Caio im Moment wichtigere Dinge zu erledigen gibt.

„Doch, wie sollen wir jetzt vorgehen?“, fragt Fabio plötzlich in einem geschäftsmäßigen Ton.

Auch er weiß, dass die Zeit zum Reden bald kommen wird, doch das es jetzt wichtigere Dinge gibt.

Curzio kämpft noch immer ein wenig mit sich selbst, bis er schließlich in nüchternem Ton sagt:

 „Wir werden uns zusammenschließen. Mit drei weiteren guten Dieben könnten wir es vielleicht schaffen das nötige Gold zusammen zu kriegen. Es bedeutet viel Arbeit, doch wird es sich mit Sicherheit lohnen. Wenn die Probleme mit unserem Versteck gelöst sind, werden wir uns eurem weiteren Aufenthalt in Venedig widmen und klarstellen, dass ihr den angemessenen Respekt zu spüren bekommt!“

„Warst du auch damals schon so ein herum kommandierender Anführer?“, fragt Fabio, jetzt mit einem glücklichen breiten Grinsen, wobei man ihm noch immer die Unsicherheit anmerkt.

„Ich habe einfach alles gerne geplant!“, erwidert Curzio mit einem leichten Hauch Rosa im Gesicht.

„Und natürlich kommandiert er gerne rum!“, fügt Lucio hämisch hinzu, in dem Versuch, die Lage etwas zu entspannen. Adriana und Lean lachen, wenn auch nervös.

Kapitel 15 - Efrem

Efrem

 

„Halt doch endlich mal still, du!“, sagte Efrem zu seiner Hündin.

Face lag vor ihm auf dem Boden und zuckte nervös mit ihren Beinen, als er versuchte, sich ihren Fuß genauer anzusehen.

Gerade als er schon fast aufgeben wollte, wurde sie ganz still und spitze die Ohren.

Unsicher wandte er sich um. Niemand war zu sehen. Er beschloss ihre Reglosigkeit zu nutzen und besah sich wieder ihren Fuß, doch mit einem Satz sprang sie auf und spurtete im nächsten Moment zur Treppe, die zur Tür führte.

Das konnte nur eines bedeuten.

Lucio und Curzio waren wieder zurück.

Efrem pfiff einmal kurz und schnell kam Face zu ihm zurück.

Ungeduldig setzte sie sich neben ihn und wedelte vor Aufregung mit ihrem Schwanz, während sie den Treppenabsatz nicht aus den Augen ließ.

Einen kurzen Moment später erschienen Lucio und Curzio dann endlich.

Efrem hob den Befehl auf und freudig begrüßte Face die Beiden.

Sie hatten sich in einem gedämpften Ton über etwas unterhalten, verstummten aber, als sie Efrem erblickten.

Dieser meinte, eine Art Glitzern in Curzios Augen zu erkennen, doch als er genauer hinsah, war es schon verschwunden. Dennoch wirkte Curzio mitgenommen und irgendwie verwirrt.

„Da seid ihr ja endlich! Ihr wart den ganzen Tag unterwegs. Wo habt ihr gesteckt?“, fragte Efrem.

„Ach, das ist wirklich eine lange Geschichte. Efrem, du musst Face losschicken, Rico und Lea müssen sofort zurück kommen. Wie müssen euch allen wirklich dringend etwas erzählen.

„Worum geht es denn? Wart ihr bei Caio? Habt ihr die drei getroffen? Was ist eigentlich los. Wieso habt ihr nicht gesagt, wo ihr hinwollt?“, fragte Efrem, ohne auf Curzios Bitte zu achten.

„Hör mal, es ist wirklich wichtig, dass die andern Beiden so schnell wie möglich wieder da sind.

Hier geht es um all das, was wir aufgebaut haben, unser ganzes Leben und unsere ganze Zukunft.“, erklärte Lucio in einem ernsten Ton.

Erschrocken sah Efrem ihn an.

Lucio war schon immer ein Geheimnis für ihn gewesen und irgendwie war er auch schon immer froh gewesen, nicht all zu viel mit diesem Jungen zu tun haben zu müssen.

Er hatte etwas Bedrohliches an sich.

Die normalen Bürger kannten ihn genauso wie die Diebe und von allen Seiten sprach man mit großer Achtung und auch einer Menge Angst von ihm.

Natürlich war Curzio ebenfalls bekannt unter den Bürgern, doch trotz allem sah fast jeder in ihm eine Art Rebell, der nicht nur für sich selbst lebt, sondern versucht, eine bessere Welt zu schaffen.

Lucio war ein klarer Einzelgänger, was dazu führte, dass Efrem sehr verwundert war über das, was er gerade gehört hatte.

Was meinte er, als er von der ganzen Existenz ihres bisherigen Lebens redete?

Was war es, das selbst bei dem berühmten Dieb Lucio eine solch heftige Reaktion hervor rief?

Wie es aussah, waren sie alle wirklich in sehr großen Schwierigkeiten.

„In Ordnung. Aber mir gefällt es eigentlich nicht, sie jetzt wieder da raus zu schicken…“,  begann Efrem, doch der Blick von Lucio brachte ihn zum Schweigen.

„Face, du musst noch einmal los, und musst Rico und Lea finden. Schaffst du das?“, wandte er sich dann liebevoll an den Hund.

Face wedelte mit dem Schwanz und eilte im nächsten Moment zur Treppe.

Einen Augenblick später war sie verschwunden.

„So, und worum genau geht es jetzt?“, fragte Efrem Curzio.

„Gleich, wenn alle da sind!“, antwortete dieser nur und er und Lucio verschwanden in Richtung der hinteren Zellen.

Fassungslos sah Efrem ihnen nach.

Er hoffte sehr, dass die Neuigkeiten, die sie hatten, wirklich interessant und somit die ganze Sache wert waren.

 

 

Kapitel 16 - Lea

Lea

 

Mittlerweile hatten Rico und Lea schon einiges an Gold zusammen geklaut.

Durch tatkräftige Ablenkungsmanöver und ein vorsichtiges Händchen, waren sie die ganze Zeit über unentdeckt geblieben.

„So, wie machen wir jetzt weiter? Ich sehe hier erst einmal niemanden mehr, der reich aussieht, bei dem wir es nicht schon versucht haben.“, sagte Lea und blickte sich um.

„Du hast Recht. Was meinst du, wollen wir vielleicht mal irgendwo was trinken gehen? Und unseren wunderbaren Tag feiern?“, schlug Rico grinsend vor.

„Das ist eine gute Idee!“, stimmte Lea zu.

Nach kurzen Überlegungen, wo sie hingehen sollten, beschlossen sie, in das Gasthaus „Tänzelnder Schwan“ zu gehen, der beim Campo Guerra lag.

Gemütlich schlenderten die Beiden die Gassen entlang und unterhielten sich angeregt über die Leute, die sie heute am Marktplatz gesehen hatten.

Schon bald hatte jeder von ihnen Tränen in den Augen und sie bekamen kaum noch Luft, so sehr mussten sie lachen.

Nach einigen Minuten hatten sie das Gasthaus erreicht.

Sie betraten es und suchten sich einen Tisch, der weiter hinten in der Ecke stand.

Selten trauten sie sich in irgendein Gebäude, in dem all zu viele Leute waren, doch die Beiden genossen noch immer den Erfolg, den sie heute gehabt hatten, und machten sich deshalb nicht wirklich Gedanken darüber, was die Leute von ihnen denken konnten.

Als sie einige Augenblicke später ihre Getränke erhalten hatten, waren beide schon ein bisschen beruhigter und ihre Glückseligkeit hatte sich in ein leises Lächeln verwandelt.

Zwei Männer betraten den Raum und sahen sich nach einem Tisch um.

Sie entschieden sich für den Tisch direkt neben Lea und Rico und die Beiden warfen sich einen bedeutungsvollen Blick zu.

Der eine war dünn, klein und in gewisser Weise ein Mensch, den man ohne Probleme einfach übersah.

Der andere jedoch wirkte so falsch, dass er einem sofort ins Auge fiel. Er trug ein Gewand, wie es sich nur die ärmeren Menschen leisten konnten. Gleichzeitig war er aber so gut genährt und bewegte sich mit einer solchen Anmut, wie man es nur bei Adligen und reichen Menschen sah.

Irgendetwas stimmte mit diesen Herren nicht.

Als die Beiden sich neben ihnen niederließen,  verfielen Rico und Lea in ein unaufgefordertes Schweigen, um ein wenig von dem Gespräch zu hören, das die Beiden führten.

„Und, was meint ihr?“, fragte der dünne Mann.

„Ich meine, dass die Schwierigkeiten wachsen, je näher man seinem Ziele kommt.“, sagte der andere.

„Was… was meint ihr damit? Ich wollte wissen, wie ihr die Situation, in der wir jetzt stecken, beurteilen würdet!“

„Ich weiß, was du meintest, mein lieber  Philipp, jedoch solltest du, wenn du eine weise Antwort verlangst, vernünftig fragen!“, sagte der Dicke.

Der andere Mann schwieg, also sprach der Dicke erneut:

„Ich denke, bis jetzt läuft alles ganz gut. Natürlich kann man die jetzige Situation, nicht vergleichen mit dem, was wir gewöhnt sind, aber immerhin bin ich endlich von dort weg. Was den Komfort hier angeht, wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten, also bin ich gerne bereit, diese kleine Hürde auf mich zu nehmen.“

„Ich weiß immer noch nicht, zwar sehe ich, dass es euch jetzt besser zu gehen scheint, doch dies scheint mir bei diesen Voraussetzungen geradezu unmöglich!“

„Aber nein. Überleg nur mal, wie weit ich mit Iphigenie gekommen bin. Ich habe es geschafft, es in Versform zu bringen, und mit Egmont habe ich auch große Fortschritte gemacht. Dies beweist, die Sinne trügen nicht, das Urteil trügt. Es war richtig diese Reise anzutreten und ich bereue es nicht, diese Entscheidung getroffen zu haben. Endlich geht mir niemand mehr auf die Nerven!“

Mittlerweile sprach er mit solch einem Enthusiasmus, dass  seine Stimme lauter wurde, und sich viele zu ihm umdrehten. Sein Gefährte warf ihm einen warnenden Blick zu und der Mann verstummte schnell.

„Sag mal, verstehst du irgendetwas von dem, was da geredet wird?“, fragte Rico an Lea gewandt. Er sprach leise, aus Angst, dass jemand anderes als sie ihn hören könnte.

„Du wirst es nicht glauben, aber ja. Die Männer sprechen Deutsch und auch wenn ich nicht viel verstehe, dass Wichtigste habe ich mitbekommen.“, sagte Lea grinsend.

„Aber woher kennst du diese Sprache?“, fragte Rico verwirrt.

„Nun ja, früher, als ich noch nicht in der Bande war, war ich viel unterwegs. Ich war nicht immer in Venedig, ich war auch viel außerhalb und so lernt man halt hier und da was.“

Rico wirkte beeindruckt.

„Bene, aber jetzt erzähl mal, was haben die geredet?“

„Nun ja, also du hast ja gesehen, dass das Aussehen von diesem Herren nicht zu seinem Verhalten passt. Nun, das liegt daran, dass er nicht so arm ist, wie er es aussehen lässt.“, erklärte Lea.

„Aber wieso sollte sich jemand als arm verkleiden, dass ist doch irgendwie dumm!“, sagte Rico verwirrt.

„Ja, da hat er auch Gründe für. Soweit ich das verstanden habe, macht er gerade eine Reise, die er mit anderen Mitteln durchlebt, als er sie normalerweise gewöhnt ist. Er ist froh, von dort, wo auch immer  „dort“ liegen mag, weg zu sein. Ich würde sagen, er ist sehr froh, seiner Vergangenheit entkommen zu sein. Außerdem schätze ich, dass er eine echte Berühmtheit ist, er hat von Werken erzählt, die er vollendet hat, oder wo er gerade dabei ist, sie zu vollenden. Außerdem spricht er sehr weise. Was er sagt, ist nicht unklug, auch wenn er eine seltsame Weise hat, es auszudrücken!“, sagte Lea nachdenklich.

„Was meinst du damit? Was hat er denn gesagt?“, frage Rico verwundert.

„Nun ja, da wäre einmal, wenn ich es richtig übersetzt habe, so etwas wie: Die Sinne trügen nicht, sondern das Urteil.“

„Maledetto, ziemlich einfache Worte und dennoch tiefsinniger, als man denkt!“, pflichtete Rico Leas Bewunderungen bei.

„Also wenn du mich fragst, ist das ein reicher Mann, mit vielen Problemen.“

„Und der andere?“

„Nun ja, dem Ton nach zu schließen, wie er zu dem anderen sprach, sein Diener oder etwas in der Art! Auf jeden Fall niemand, den man als ebenbürtig einstufen würde!“, sagte Lea.

Rico schwieg und beobachte die beiden Männer nachdenklich.

„Na ja, lass uns mal schnell abhauen. Curzio wartet sicher schon!“, sagte Lea und erhob sich langsam.

Rico kramte kurz in einem der Beutel, die sie ergattert hatten und warf zwei Goldmünzen auf den Tisch, dann verließ er zusammen mit Lea das Gasthaus.

Draußen war es dunkler und kälter geworden und die beide eilten die Gassen entlang.

Gerade als sie in eine Seitenstraße einbiegen wollten, hörten sie hinter sich ein Bellen.

Die Beiden drehten sich um und entdeckten Face.

Freudig lief sie auf die Beiden zu.

„Ja, was macht die denn hier?“, fragte Rico verblüfft.

„Keine Ahnung!“, antwortete Lea und sah Face fragend an.

Face hatte sie erreicht und wedelte erwartungsvoll mit dem Schwanz.

„Na du. Hast du uns gesucht?  Aber was willst du von uns?“, fragte Rico.

Face drehte sich zweimal wild im Kreis und streckte ihnen ihre Pfote entgegen. Als weder Rico noch Lea irgendeine Reaktion zeigten, lief Face einmal um sie beide herum und eilte dann wieder in die Richtung, aus der sie gekommen war.

Abrupt blieb sie stehen und sah sich nach den Beiden um.

„Ich glaube, wir sollen ihr folgen!“, überlegte Lea.

Wie zur Bestätigung bellte Face zweimal und wedelte wieder mit ihrem Schwanz.

„Na gut, wir können es ja mal probieren!“, stimmte Rico zu und die Beiden liefen Face hinterher.

Noch einmal wedelte Face mit dem Schwanz, dann lief sie voraus in Richtung Gefängnis.

Eiligen Schrittes folgten Lea und Rico ihr.

 

Kapitel 17 - Ricardo

Ricardo

 

Erfreut sah Rico, dass sie das Gefängnis erreicht hatten.

Zwar mochte er die Hündin, doch ihr in den Gassen Venedigs zu folgen, war eine sehr anstrengende Unternehmung und leicht keuchend lehnte er sich an die Tür ihres Versteckes.

„Na, schon kaputt?“, fragte Lea grinsend, doch auch sie atmete schwer.

Face schien zufrieden mit sich und war im nächsten Moment die Treppe hinab verschwunden.

„Ich denke, wir sollten schnell zu den anderen!“, schlug Rico vor und Lea nickte zustimmend.

Eilig liefen sie die Stufen herunter und wurden unten von Lucio, Curzio, Efrem und Face erwartet.

Curzio sah ein wenig bleich, aber recht glücklich aus.

 „Da seid ihr ja endlich!“, seufzte Lucio und sah sie abschätzend an. „Wo wart ihr?“

„Naja, Curzio hat uns ja losgeschickt und wir sollten so viel wie möglich klauen und das dauert halt ein bisschen!“, erklärte Rico.

„Wart ihr erfolgreich?“, fragte Efrem.

„Oh ja, ihr glaubt ja gar nicht, was uns passiert ist. Als erstes waren da lauter komische Leute, vor allem einer, aber als wir dich dann erwähnten, Lucio, gab er uns sofort, was wir haben wollten und als wir uns dann kurz in ein Gasthaus gesetzt haben, um uns auszuruhen, da haben wir…!“, begann Lea aufgeregt zu erzählen, doch Curzio unterbrach sie ungeduldig:

„Das ist jetzt nicht wichtig. Ich habe euch allen viel zu erzählen!“ Er wechselte einen bedeutungsvollen Blick mit Lucio.

Sofort verstummte Lea und sah Curzio abwartend an.

Auch Rico wurde aufmerksam. Würde Curzio endlich berichten, was ihn die ganze Zeit beschäftigte?

„Wir hören!“, sagte Efrem mit ernster Miene.

Curzio sah ihn an und seufzte dann.

„Am besten setzen wir uns alle, es könnte ein wenig länger dauern.“

Verwundert sah Rico zu Lea. Sie zuckte leicht mit den Schultern und ließ sich dann auf den Boden sinken.

Die anderen taten es ihr nach und einen Moment später saßen sie alle in einem Halbkreis um Curzio herum, wobei sich Lucio ein wenig hinter ihn gehalten hatte und eher auf Curzios Seite saß, als auf ihrer. Diese Tatsache machte Rico nachdenklich. Wusste Lucio mehr, als sie?

Jetzt, wo er darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass sie alle, ausgenommen Lucio, ständig gefragt hatten, was mit Curzio sei. Lucio musste mehr wissen.

Auf der anderen Seite wunderte ihn das nicht. Lucio war Curzios bester Freund und die Beiden kannten sich in der Bande schon am längsten.

Immerhin hatten sie sie gegründet und aus diesem Grund war es mehr als verständlich, dass Lucio eingeweiht war.

Rico sah verstohlen zu den anderen.

Lea ließ den Blick nicht von Curzio ab. Ihre Augen waren verengt und sie sah misstrauisch aus.

Efrem wirkte zwar interessiert, aber keineswegs so nervös wie Lea. Er streichelte Face, die sich neben ihn gelegt und ihre Pfoten auf seinem Schoß gebettet hatte. Sie schloss zufrieden die Augen und legte ihren Kopf auf ihre Pfoten.

„Nun gut, wo soll ich beginnen!“, durchbrach Curzio nachdenklich die erwartungsvolle Stille.

„Am besten ganz am Anfang!“, antwortete Lea steif.

Curzio holte noch einmal tief Luft und begann dann mit seiner Geschichte:

„Nun ja. Begonnen hatte alles mit der ersten Begegnung von den drei Fremden mit Lucio. Ihr werdet euch noch erinnern.“ Alle nickten.

„Er berichtete uns von ihnen und verwirrt überdachte ich die Situation.

Eine Bande, die einen von uns aufhält, ist ungewöhnlich, und dann auch noch Lucio? Das war gerade zu unmöglich. Es waren Neue, so viel war klar, aber wieso hatten Caios Leute sie noch nicht eingewiesen? Eine neue Bande, die sich nicht an die Regel hält, dass wir und Caio und seine Leute absolut tabu sind, die  nicht von Caio aufgesucht wird? Sehr verdächtig. Vielleicht führte er also etwas gegen uns im Schilde, doch wollte er uns Amateure auf den Hals hetzen? Zwar scheint mir Caio nicht als der hellste, aber so viel Verstand traute ich ihm doch zu, dass er eine solche Dummheit nicht machen würde. Das Risiko, dass sie scheitern würden, was eigentlich klar war, und somit der Verdacht auf ihn fallen würde, da er sie hätte zurecht weisen müssen, ist doch entschieden zu groß. Also dachte ich mir, ich geh zu Caio und sprech ihn auf die Neulinge an.

Zu meiner Verwunderung hatte Caio keine Ahnung von wem ich da redete.

Ich suchte nach einer Lüge in seinen Augen, doch er sprach die Wahrheit.

Als ich mich gerade wieder auf den Weg machen wollte, hielt Caio mich auf.“ Curzios Blick verfinsterte sich.

„Ich merkte von Anfang an, dass etwas nicht stimmen konnte, denn er war etwas zu freundlich, wenn man bedenkt, wie sich das Verhältnis zwischen uns entwickelt hat. Und ich hatte recht. Dieser Dreckskerl, verzeih diesen Ausdruck, “, sagte er mit einem Grinsen zu Lea, „meinte mich doch tatsächlich erpressen zu müssen. Natürlich könnte man meinen, dass ich weise genug wäre, um mich nicht erpressen zu lassen, doch er hatte einfach ein zu starkes Ass im Ärmel.

Er verlangte Gold, so viel Gold, dass es mir unmöglich erschien, auch nur die Hälfte zusammen zu bekommen, oder – er würde unser Versteck dem Erdboden gleich machen!“

Entsetzt riss Lea die Augen auf.

Rico schluckte schwer und auch Efrem sah seinen Anführer sprachlos an.

„Tja, also lief ich schlecht gelaunt zurück. Ich entschuldige mich hiermit gerade bei euch allen, aber ich denke, ihr versteht meine leichte Reizbarkeit jetzt.

Lange überlegte ich, wie ich nun vorgehen sollte.“

Rico unterbrach ihn: „Wieso hast du uns das verschwiegen? Wir hätten zusammen einen Weg finden können!“

Curzio seufzte wieder und antwortete: „Ich dachte, ich könnte alleine einen Weg finden. Versteht, ich wollte euch nicht unnötig beunruhigen.“

Lea schnaubte.

„Ich weiß, totaler Blödsinn, aber unter Druck wird auch ein schlauer Denker manchmal ein wenig seltsam!“, erklärte Curzio grinsend.

Dann fuhr er fort:

„Als Lucio mich dann aufsuchte und mit mir sprach, überredete er mich, ihm alles zu erzählen. Zusammen beschlossen wir, alte Bekannte aufzusuchen, die uns vielleicht helfen konnten.

Wir besuchten Luca und Mio und dachten auch einen Moment daran, zu Callisto und Alessa zu gehen, doch nachdem wir die Reaktionen von Mio und Luca sahen, verwarfen wir den Gedanken wieder.

Der Hoffnung beraubt und ahnungslos, wie es weiter gehen sollte, überlegten wir lange, was zu tun sei.

Schließlich fiel Lucio ein weiterer… Bekannter ein und wir suchten ihn auf.

Leider kann man nicht sagen, dass dieser Besuch sehr gut verlief und so standen wir dann mit leeren Händen da.

Wir machten uns auf den Weg zurück hier her, doch dann wendete sich endlich alles.“

Curzio hielt einen Moment inne. Die nächsten Worte schienen ihm schwer zu fallen.

„Wir trafen auf dem Weg zurück die drei Unbekannten. Anfangs dachte ich, dass der Tag nicht schlimmer hätte laufen können, doch als wir die Gesichter der drei sahen, konnte ich meinen Augen nicht trauen.

Vor sehr langer Zeit war ich schon einmal in Venedig.

Ich war zusammen mit meinem kleinen Bruder hier, da unsere Eltern gestorben waren. Wir lebten auf den Straße und schlugen uns mit Betrug und unseren diebischen Fähigkeiten durch.

Doch eines Tages schnappten sie meinen Bruder und brachten ihn weg.

Lange suchte ich ihn, doch schnell war ich davon überzeugt, dass ich nichts mehr tun konnte. Ich musste ihn verloren haben.

Eines Tages traf ich dann auf Lucio und wir gründeten, wenn auch anfangs ungewollt, diese Bande.

Ich versuchte, mein altes Leben zu vergessen, und auch wenn mir dies nie wirklich gelungen ist, führte ich doch ein wunderbares neues Leben.

Und da laufe ich in meinem neuem Leben diese Gasse entlang und stoße wie durch ein riesengroßes Wunder auf mein altes.

Wie sich herausstellte, ist der Anführer der drei Neulinge, mein jüngerer Bruder Fabio.

Ich konnte es nicht glauben, doch als ich seine Geschichte hörte, war ich mir sicher. Ich hatte ihn wiedergefunden.

Und somit wendet sich unser Blatt.

Zusammen mit den anderen, können wir unser Versteck vielleicht retten!“, schloss Curzio mit einem strahlenden Gesichtsausdruck.

Keiner sagte ein Wort.

Verwirrt versuchten sie, diese Neuigkeiten zu verarbeiten.

Nach einer Weile durchbrach Rico die Stille:

„Wenn ich es richtig verstanden habe, zieht Caio das alles nur ab, um uns Schwierigkeiten zu bereiten? Es geht ihm gar nicht um das Gold?“

„Ja!“, stimmte Curzio langsam zu.

„Aber wieso sollte es dann wichtig sein, ob wir das Gold haben? Er könnte dann trotzdem unser Versteck niedermetzeln, ohne dass wir irgendetwas machen könnten. Wieso sollten wir dann das Gold zusammenklauen, wenn es eh auf dasselbe hinaus läuft?“, fragte Rico verwirrt.

„Da könntest du natürlich recht haben, doch du musst unsere Situation bedenken. Caio erpresst uns, da wir eine zu große Gefahr darstellen, doch kann er uns nicht einfach so schaden, indem er unser Versteck einfach zerstört, da auch wir einen hohen Rang behaupten können. Was meinst du, was für ein Chaos in seinem Volk ausbrechen würde, wenn er seine eigenen Regeln verletzt? Viele, die ihn für streng, aber dennoch gerecht halten, würden sich auf unsere Seite stellen, was sehr fatal für ihn enden könnte.“, erklärte Lucio.

„Aber er bricht ja auch so die Regeln. So viel Gold zu klauen, spricht gegen den Kodex. Außerdem kann er es sich nicht erlauben, eine so ungerechte Tat durchzuziehen. Ich meine, ihr seid fast auf dem gleichen Rang wie er. Er kann doch nicht einfach beschließen euer Leben zu zerstören, wenn er keinen wirklichen Grund dafür hat. Die Leute würden sehen, dass er diese Stadt nicht auf gerechte Weise führt.“, warf Lea ein.

„Ja, aber diese unmögliche Aufgabe hat er uns ja inoffiziell gestellt. Er kann uns erpressen. Wenn wir ihm das Gold nicht liefern und er unser Versteck zerstört, kann er den Leuten immer noch sagen, dass wir die Chance hatten, es zu retten. Er hat uns ja eine Frist gegeben und eine Möglichkeit unser Versteck zu behalten. Also könnte er alles gerecht aussehen lassen. Wenn er aber ganz offiziell einen Krieg mit uns anfängt, hat er das eben genannte Problem. Die Leute würden sich auf unsere Seite schlagen. Aus diesem Grund muss er alles hinten rum machen, in der Hoffnung, dass wir diese Aufgabe nicht meistern und er somit einen guten Grund hat, gegen uns vorzugehen!“, erklärte Curzio.

„Wie blöd ist das denn?“, meldete sich Efrem verärgert zu Wort.

„Das ist nicht blöd, sondern die ungerechte Verteilung der Macht.“, erwiderte Curzio.

„Aber wie soll es dann weitergehen?“, fragte Lea plötzlich. „Glaubst du wirklich, er würde sich damit zufrieden geben, wenn wir ihm einmal das geben, was er verlangt? Vorausgesetzt wir würden es schaffen. Er würde immer neue Dinge finden, um uns zu erpressen. Curzio, du wirst doch nicht so naiv sein, dass du glaubst, er würde uns dann in Ruhe lassen, oder?“

„Nein, natürlich nicht. Aber was schlägst du vor? Sollen wir jetzt gar nichts machen?“, fragte Curzio und in seine Stimme mischte sich erneut der verzweifelte Unterton, den er die meiste Zeit des Gesprächs hatte unterdrücken können.

„Ich weiß nicht. Aber so kann es ja auch nicht funktionieren!“, sagte Lea trotzig.

„Ich glaube, wir sollten ihm zuerst einmal versuchen das zu geben, was er haben will. Wenn er anschließend erneut versucht uns zu erpressen, müssen wir einen anderen Weg finden. Vielleicht können wir dann Leute um uns scharen, die sich ebenfalls gegen Caio stellen.“, wandte Lucio ein.

„Ja klar, als ob irgendjemand uns helfen würde. Genauso wie sie uns alle jetzt geholfen haben!“, sagte Lea sarkastisch.

„Ich weiß, aber jetzt hatten wir ja auch keine Zeit und wenn Caio uns erneut erpressen sollte, sehen vielleicht mehr Leute ein, dass er nicht gerecht handelt. Wenn sie sehen, dass ihr Boss versucht die Konkurrenz grundlos niederzustrecken, helfen sie uns vielleicht.“, sagte Lucio, wenig überzeugt von seinen eigenen Worten.

Lea sah ihn zweifelnd an.

„Das spielt ja jetzt auch keine Rolle. Die Situation lässt sich nicht ändern. Wir können nichts anderes machen, als uns seinen Bedingungen zu stellen. Wie es danach weiter geht, werden wir ja sehen.“, sagte Curzio, und beendete somit die Diskussion.

„Aber das ist doch komisch. Zwar hört man nicht immer gute Dinge über ihn, aber dass er vertrauenswürdig ist, dachte ich schon!“, stellte Efrem plötzlich leise fest.

Da regte sich etwas in Ricos Erinnerungen. Was hatte Lea ihm gesagt, was der Mann im Gasthaus gesagt hatte?

Die Sinne trügen nicht, das Urteil trügt.

Da kam Rico die Idee.

Breit grinsend sah er Curzio an.

Dieser schien nervös.

„Äh, zwar sind es gute Neuigkeiten, dass wir jetzt drei gute Diebe mehr haben, aber ich kann euch nicht versprechen, dass wir es wirklich schaffen!“, erklärte er nüchtern an Rico gewandt.

„Wenn Leas Verstand uns nicht im Stich gelassen hat, haben wir eine sehr, sehr gute Chance!“, sagte Rico glücklich.

Verwirrt sah Lea ihn an.

Sie verstand nicht, worauf er hinauswollte.

„Als wir im Gasthaus „Tänzelnder Schwan“ waren, haben wir, dass heißt eigentlich sie, einem sehr interessanten Gespräch folgen können.“, erklärte Rico.

Leas Miene hellte sich auf. Auch sie wusste nun, worauf er hinauswollte.

„Wir haben einen reichen Mann entdeckt. Also ich vermute, dass er reich ist!“, sagte sie dann an Curzio gewandt.

„Wie kommst du drauf?“, fragte dieser verwundert.

Schnell erzählte Lea von dem Gespräch, das sie belauscht hatte und auch Lucio, Curzio und Efrem begannen zu grinsen.

„Zwar sah er schäbig aus und man schloss daraus, dass er arm ist, doch seine Haltung verriet ihn. Wie er selbst sagte: Die Sinne trügen nicht, das Urteil trügt!“, schloss sie dann fröhlich.

„Gut. Das könnte unser erster Anhaltspunkt sein. Nun jedoch wieder zurück zu den dringendsten Dingen:  Morgen früh werden Fabio und seine beiden Freunde hier hin kommen. Ihr sollt sie kennenlernen und dann wollen wir einen gemeinsamen Plan entwickeln!.“, sagte Curzio an Rico, Lea und Efrem gewandt.

„Natürlich. Ein erstes Opfer haben wir ja auf jeden Fall. Den armen, in Wahrheit unglaublich reichen Signore aus dem „Tänzelnden Schwan“!“, rief Efrem lachend und die Anderen sahen ihn ebenfalls lächelnd an.

 

Kapitel 18 - Lucio

Lucio

 

Aufgeregt lungerten sie alle am nächsten Tag in den unteren Zellen herum.

Die Nacht war kurz gewesen, denn nachdem Curzio angekündigt hatte, die drei Anderen würden am nächsten Tag kommen, waren alle zu nervös gewesen, um wirklich schlafen zu können.

Efrem war den ganzen Morgen hektisch von einer Zelle zur andern gelaufen und war so seinen Bandenmitgliedern tierisch auf die Nerven gegangen. Schließlich hatte er sich ein wenig zurück gezogen und sich der Pflege seiner noch nicht ganz gesunden Hündin Face hingegeben.

Rico hatte gleich nach dem Aufstehen Platz in seiner Lieblingszelle bezogen und saß nun schon mehrere Stunden dort herum und vertrieb sich die Zeit damit, mit einem Messer einen Holzklotz zu bearbeiten.

Lea hingegen hatte viel Zeit in ihrer eigenen Zelle verbracht, bis sie schließlich hinunter gekommen war und sich zu Rico gesellte hatte. Anfangs hatten die Beiden ein paar Worte gewechselt, doch schnell waren sie verstummt und jeder hing seinen Gedanken nach.

Curzio war den ganzen Tag nicht gesehen worden, außer ein einziges Mal, als er einen Abstecher in ihren Speiseraum gemacht hatte, um sich etwas zu Essen zu holen, dann war er wieder verschwunden.

Lucio hatte kein Auge zugetan, sondern war die Nacht über in einigen ihrer Geheimverstecke gewesen.

Im Gegensatz zu den Anderen, versuchte er eine Lösung zu finden, wie sie weiter machen sollten, falls es ihnen nicht gelingen sollte, das Gold zusammen zu bekommen.

Er war in zwei kleineren Häusern gewesen, die sie früher einmal zu ihrem Versteck hinzu gezogen hatten.

Es waren zwei Häuser, in denen die Bewohner auf mysteriöse Weise zu Tode gekommen waren.

Ihnen allen war natürlich klar, dass Caios Männer dahinter steckten.

Nachdem eine Weile niemand nach den Häusern gesehen hatte, hatten sie beschlossen, einen Weg zu bauen, durch den sie zu Beiden Häusern unbemerkt gelangen konnten.

Sie hatten damals für eine Notsituation vorgeplant.
Nachdem sie sich aber so gut unter den Dieben behaupten konnten, hatten sie diese Noteinrichtungen bald schon wieder vergessen.

Lucio war sich nicht sicher, ob er nicht der einzige war, der sich noch an diese Fluchtmöglichkeiten erinnerte.

Aus diesem Grund war er auch alleine gegangen, um zu sehen, was von ihren Häusern noch zu gebrauchen war.

Das erste Problem war schon in den Tunneln aufgetaucht. An einigen Stellen waren sie fast ganz zugeschüttet gewesen  und Lucio hatte lange Zeit gebraucht, um sich den Weg frei zu räumen. Schließlich hatte er es geschafft und war zu den Häusern durchgedrungen. Beide waren heruntergekommen und kaum zu bewohnen, doch als letzte Rettung würden sie reichen.

Lucio hatte einige Lebensmittel aus dem Gefängnis in die Häuser geschmuggelt, nur für den Fall, dass sie schnell abhauen mussten. Außerdem hatte er einige Fallen in den Tunneln aufgestellt, die zwar umgangen werden konnten, aber nur wenn man wusste wie man es machen musste und wenn man wusste, wo sie lagen.

Als dann der Morgen hereingebrochen war und es die ersten Regungen im Gefängnis gab, saß Lucio zufrieden mit sich in einer der unteren Zellen.

Als nach und nach Rico und Efrem und schließlich auch Lea kamen, zog Lucio sich zurück und mied jeglichen Kontakt zu den anderen.

Gerade schlich Lucio von einem alten Zimmer in den Flur, als er ein Klopfen vernahm.

Er sah sich um.

Die anderen waren unten und Curzio hatte er nicht mehr gesehen, also musste er wohl öffnen.

Lucio schritt vorsichtig den Gang entlang und stand dann vor der Eingangstür des Gefängnisses.

Er sah durch das alte, verstaubte Fenster, das sich zur seiner Rechten befand, und konnte die Schemen dreier vermummter Gestalten ausmachen.

Sie mussten es sein.

Vorsichtig öffnete er die Tür.

Drei Gesichter sahen ihn gespannt an und mit einem Grinsen hob Fabio sich die Kapuze vom Kopf.

Freundlich nickte er Lucio zu und dieser bat die drei herein.

Lucio trat einen Schritt zurück und Fabio, Lean und Adriana folgten ihm in den Gang.

Staunend sahen sie sich um.

„Nicht schlecht. Wie lang lebt ihr hier schon?“, fragte Fabio.

„Mittlerweile schon mehrere Jahre. Die genaue Zeit kann ich dir leider nicht sagen. Es ist schon lange her!“, antwortete Lucio grinsend.

Lean pfiff anerkennend.

„So, jetzt kommt aber mal mit. Ich möchte euch den Rest vorstellen. Obwohl, wartet. Curzio fehlt noch!“, sagte Lucio und rief dann nach seinem Freund.

Einige Augenblicke später trat Curzio aus einer Tür rechts von ihnen, die kaum zu sehen war.

„Oh, da seid ihr ja. Seid gegrüßt. Ich hoffe Lucio war freundlich!“, sagte Curzio mit einem leisen Lächeln.

„Naja, es hielt sich in Grenzen!“, scherzte Fabio und sah seinen Bruder dann glücklich an.

Curzio lächelte noch einmal kurz und wandte sich dann um.

„Bitte folgt mir!“, sagte er und ging voraus und die Treppe hinunter.

Fabio lief ihm als erster hinterher, dicht gefolgt von Adriana und Lean und Lucio bildete den Schluss.

Als Curzio den Absatz der Treppe erreicht hatte, rief er nach den anderen.

Einer nach dem anderen kamen Lea, Rico und Efrem langsam aus den Zellen.

Anfangs blickten sich die drei Neuankömmlinge noch staunend in dem Raum um, doch als der Rest von Lucio und Curzios Bande hervortrat, beäugten sie diese mit einer Mischung aus Misstrauen und Neugierde.

„Darf ich vorstellen: Das sind Fabio, mein Bruder und Adriana und Lean!“, sagte Curzio zu seinen Leuten.

„Eigentlich“, sagte Lean plötzlich, „ist mein richtiger Name Leandro.“

„Gut, dann Leandro!“, sagte Curzio mit einem Lächeln und einem leisen Seufzen.

Lea, Rico und Efrem sahen erstaunt auf Adriana. Sie war sehr jung und dieser Umstand schien sie sehr zu verwirren.

„Das sind Lea, Rico und Efrem!“, stellte Curzio die anderen vor und zeigte jeweils auf die erwähnte Person.

„Und das ist Face!“, warf Efrem plötzlich ein und zeigte auf seine Hündin.

„O ja, wir erinnern uns. Wir hatten schon eine… Begegnung mit ihr!“, sagte Lean und verzog ein wenig das Gesicht bei dieser Erinnerung.

Efrem lächelte schüchtern und legte Face eine Hand auf den Kopf, um sie hinter den Ohren zu kraulen.

„Mhh, Face klingt nicht gerade italienisch. Eher Englisch.“, sagte Fabio nachdenklich.

„Ja, sie kommt auch aus England. Vor langer Zeit war ich dort und habe sie gefunden. Sie war noch ein Welpe. Ich schnappte eines Tages, kurz bevor ich weiterzog, dieses Wort auf und ich fand es so schön, dass ich es ihr als Namen gab!“, erklärte Efrem.

Fabio nickte.

„Ich schlage vor, ihr setzt euch ein wenig zusammen und tauscht euch aus.

Fabio, du kommst bitte mit mir mit!“, sagte Curzio und sah dann in die Runde.

Einige nickten und Fabio gesellte sich zu seinem Bruder.

„Wir sind gleich zurück!“, erklärte Curzio und mit diesen Worten verschwand er zusammen mit seinem Bruder die Treppe hinauf, in das obere Stockwerk.

Leandro und Adriana sahen sich unsicher um. Ohne ihren Anführer wirkten sie seltsam zurückhaltend.

„Setzt euch doch!“, schlug Lea freundlich vor und deutete auf ein paar vereinzelte Stühle, die sie mehr schlecht als recht zusammengesucht hatten.

Ihre Bande hatte die Angewohnheit auf ein paar alten Strohballen Platz zu nehmen, doch wollte man den Gästen nichts an Komfort verweigern.

Leandro und Adriana wechselten einen kurzen Blick, ließen sich dann aber auf den Stühlen nieder.

Sie streiften ihre Mäntel ab und sahen ihre Gegenüber nachdenklich an.

„Erzählt doch mal, wie seid ihr nach Venedig gekommen?“, fragte Rico nach einem Moment des peinlichen Schweigens.

„Nun ja. Also… Ich denke, alles begann damit, dass ich Fabio kennen lernte…!“, begann Leandro langsam. Dann räusperte er sich und erzählte die ganze Geschichte:

„Damals, vor ungefähr vier Jahren, kam ich in ein Findelhaus, wegen ein paar unwichtiger Dinge.“, sagte er ausweichend, doch als er Adrianas Blick auffing, erklärte er es genauer. „Nun ja, ich habe mir ein wenig Gold von meinen Eltern genommen, was ihnen anscheinend nicht gefallen hat, also bin ich abgehauen. Als ich dann nachts durch eine Gasse lief, sah ich, wie ein Mann, um genau zu sein ein sehr reicher Mann, versuchte, sich an einem kleinen Mädchen zu vergreifen. Ich half ihr und wurde dafür eigezogen.

Ich lernte einige Leute kennen, darunter auch Fabio. Er war zurückhaltend, aber nicht ängstlich. Etwas Bedrohliches ging von ihm aus und alle gingen ihm aus dem Weg. Doch ich fühlte mich irgendwie zu ihm hingezogen. Ich redete mit ihm, obwohl er anfangs nichts anderes tat, als mich, so gut es ging, zu ignorieren. Nach einer Weile vertraute er mir dann. Schon bald wurden wir Freunde.

Wir schlugen uns gemeinsam durch und entdeckten schnell, dass wir eine Gemeinsamkeit hatten. Wir stahlen. Sehr gut muss ich sagen. Einige andere Kinder suchten bald ihr Hab und Gut, doch fanden sie es nie.“, sagte Leandro grinsend.

Dann fuhr er fort: „ Nachdem ich zwei Jahre dort war, zog ein kleines Mädchen bei uns ein. Sie erinnerte mich an das Mädchen, dem ich geholfen hatte, auch wenn es zu jung dafür war. Ich wurde neugierig und beobachtete sie. Viele der Jungs dachten daran, sich einen Spaß aus ihrer Anwesenheit zu machen, doch merkten sie schnell, dass dieses Mädchen nicht gewöhnlich war. Ich bekam nicht alles mit, doch nach einigen Wochen sah sie kein Junge mehr an und sie wurde in Ruhe gelassen. Dies weckte mein Interesse noch mehr. Wie hatte sie es geschafft sich diese rauen Knaben vom Leibe zu halten? Eines Tages wagte ich mein Glück. Ich suchte sie auf, als wir gemeinsam in einem Speiseraum aßen. Sie ließ mich lange Zeit zappeln, bis sie endlich auf meine Fragen antwortete. Zwar war sie anfangs gemein und ziemlich hinterhältig, doch als sie merkte, dass ich nicht an ihrem Körper interessiert war, sondern an ihrer Persönlichkeit, wurde sie freundlicher und offener. Ich stellte sie bald Fabio vor und zusammen brachten wir die Wärter zur Weißglut.“

Adriana kicherte leise.

„Nach ein paar Monaten wurden wir dann aktiv. Wir beschlossen, dass uns das Haus, in dem wir lebten, als Freiraum nicht mehr reichte. Lange Zeit schmiedeten wir einen Plan für unsere Flucht, wobei wir sehr aufpassen mussten, dass wir uns nicht verdächtig verhielten.

Nach ungefähr acht Monaten hatten wir dann unseren Plan fertiggestellt und nach diesen harten Monaten der Beobachtung und des Pläneschmiedens gelang uns tatsächlich die Flucht.

Fabio hatte uns vorgeschlagen, nach Venedig zu flüchten, wo er schon früher gewesen war.

Doch bevor wir uns auf den Weg hierher machten, zogen wir noch durch einige andere Länder.

Schließlich lag uns Fabio so lange in den Ohren, bis wir dann vor wenigen Monaten hierher aufbrachen. Die Reise dauerte lange, da plötzlich viele Menschen nach uns suchten. Wir fanden diesen Umstand sehr seltsam, da man normal nicht so intensiv nach ein paar kleinen Kindern, die abgehauen sind, suchte.

Als wir dann vor zwei Wochen in Venedig eintrafen, zogen wir uns als erstes zurück, um die Lage zu untersuchen. Wir lebten in einem heruntergekommenen, alten Haus, das leerstand und auf das wir durch Zufall gestoßen waren. Vor ein paar Tagen machten wir dann unsere ersten Streifzüge. Bis wir dann eines Tages auf Lucio trafen. Den Rest kennt ihr ja.“, endete Leandro mit einem kleinen Grinsen in Lucios Richtung.

Dieser erwiderte es und sah dann weg.

„Ähm, entschuldige die Frage, Adriana, aber wie alt bist du?“, fragte Efrem plötzlich zögernd.

Adriana grinste frech, antwortete aber: „Sieben Jahre. Aber vom Geiste her bin ich schon viel älter!“

Leandro nickte grinsend.

„Und was ist mit Fabio? Wisst ihr etwas über seine Vergangenheit?“, fragte Lea neugierig. Nachdem die ersten Worte gewechselt waren, schienen sie alle nicht mehr so nervös.

„Nun ja. Er hat mir ein bisschen was erzählt. Er war schon lange Zeit dort. Sieben Jahre um genau zu sein. Er wurde beim Diebstahl erwischt und man brachte ihn ohne viel Gerede in die nächst Beste Unterkunft. Mehr hat er mir nicht erzählt. Er erwähnte kurz seinen Bruder, Curzio, doch er mochte es nicht, wenn man ihn auf diesen ansprach. Er war sehr still.“, erklärte Leandro.

„Und, wie gefällt es dir hier, Leandro?“, fragte Rico. Er war sehr interessiert an dem Jungen.

„Ach, nenn mich Lean, das klingt nicht so formell!“, warf Leandro ein.

„Ich finde es hier sehr interessant, auch wenn ich weniger Wasser bevorzugen würde.“

„Ich finde es toll!“, sagte Adriana strahlend.

Nachdenklich sah Lucio die Beiden an.

Lea, Efrem und Rico vertrauten ihnen schon voll und ganz und mochten sie auch, doch er selbst war eher skeptisch.

Was würde passieren, wenn das ganze mit Caio überstanden war? Wo würden die drei hingehen?

Würden sie hierbleiben?

Würden sie sich an die Regeln ihrer Bande halten können?

Was wäre wenn nicht?

Kapitel 19 - Curzio

Curzio

 

Curzio führte Fabio in einen leeren Raum.

Früher war dies der Aufenthaltsraum der Wachmänner gewesen, weshalb es einer der wenigen Räume war, die mit etwas mehr Möbeln ausgestattet waren.

In der Mitte des Raumes befand sich ein abgenutzter Tisch, an dem drei stark ramponierte Stühle standen.

In einer Ecke fand man eine alte verrostete Truhe, in der einige Wertpapiere und ein paar persönliche Gegenstände aufbewahrt wurden.

Curzio hatte sie am Anfang, als sie das Gefängnis bezogen hatten, nach wertvollen Gegenständen durchsucht, musste aber enttäuscht feststellen, dass die wenigen Papiere nichts mehr wert waren.

Der Rest des Raumes war relativ leer, auch wenn sich am anderen Ende des Zimmers einige Fächer befanden, in denen früher vermutlich interessante Dinge gelagert worden waren. Das einzige, was übrig geblieben war, war ein Dolch, den sich Lucio schnellstens unter den Nagel gerissen hatte.

Das Zimmer war dunkel, da es nur ein kleines Fenster gab, durch das kaum Licht drang.

„Setz dich doch!“, sagte Curzio zu Fabio und deutete auf einen der Stühle.

Sich immer noch umblickend, ließ sich Fabio auf dem Stuhl nieder und Curzio setzte sich ihm gegenüber hin.

„Es ist Zeit, dass du mir ganz genau erzählst, was damals passiert ist!“, sagte Curzio dann.

Fabio hörte auf, sich im Zimmer umzusehen und blickte seinem Bruder ins Gesicht.

Er holte tief Luft und begann dann mit seiner Geschichte:

„Wie du dich vermutlich erinnerst, gelang es mir nicht, unbemerkt mit dem Gold zu verschwinden, das ich geklaut hatte. Man sah mich und nahm mich fest.

Ich weiß nicht mehr genau, was damals geschah, doch sie brachten mich in ein Findelhaus.

Ich war lange dort und anfangs glaubte ich fest daran, dass du kommen würdest und mir helfen könntest. Ich wartete lange, doch du kamst nicht.“

„Ich konnte nicht! Ich habe nach dir gesucht, doch ich fand dich nicht. Ich wusste nicht, wo sie dich hingebracht hatten. Eines Tages hörte ich dann von einem Mordprozess gegen einen kleinen Jungen und ich flüchtete vor der Wahrheit. Ich wollte nicht sehen, wie mein kleiner Bruder gehängt wurde!“, unterbrach Curzio ihn mit schmerzverzerrter Stimme.

„Keine Angst, ich mache dir keinen Vorwurf. Mittlerweile verstehe ich, dass es unmöglich war, doch ich war noch so jung damals und für mich warst du immer ein Held. Damals wusste ich, es gäbe nichts, was du nicht schaffen könntest. Jedenfalls dachte ich es.

Also blieb mir nichts anderes übrig, als den Umstand, dass du nicht kommen würdest, zu akzeptieren.

Anfangs war ich noch sehr schüchtern und meine Mitgefangenen machten sich meine Angst zum Vorteil. Ich wurde verprügelt und geärgert, wann immer sich die Gelegenheit dazu ergab.

Ich war schwach und verzweifelt, doch mit der Zeit wuchs auch der Wunsch zu überleben.

Da die Wachmänner sich einen Dreck darum kümmerten, wie manche Gefangenen behandelt wurden, geschah es manchmal, dass im Morgengrauen eine Leiche aufgefunden wurde. Die Wärter brachten sie fort und man hörte nie wieder etwas von diesem Menschen, oder was mit seinem Körper geschehen war. Uns anderen Gefangenen wurde verboten, über den Verstorbenen zu reden, und sollten wir tatsächlich eines Tages nach ihm befragt werden, wurde uns eingeredet, dass alles nur ein Unfall gewesen war.“

Curzio pfiff leise und sah seinen Bruder nachdenklich an. Es musste schrecklich gewesen sein, und der schmerzhafte Ausdruck in Fabios Augen verriet ihm, dass er recht hatte.

„Ich wollte nicht als Unfall in Erinnerung bleiben und so begann ich mich zu wehren.

Anfangs musste ich viele Schläge einstecken, doch es war immer noch besser, als gar nichts zu tun.

Mit der Zeit wurde ich stärker. Mein Körper veränderte sich, ich wurde kräftig.

Schnell wendete sich mein Blatt.

Die meisten Gefangenen dort schienen nicht sehr intelligent zu sein und so konnte ich meine Kraft und meine Intelligenz vereinen und schaffte es so bald selber Schläge auszuteilen.

Die meisten Kämpfe gewann ich und mein Name machte unter den Sträflingen die Runde.

Bald schon ließen die meisten mich in Ruhe.

Doch noch immer gab es vereinzelte, die es darauf anlegten, mich herauszufordern.

Eines Tages wurde einer der wichtigeren Personen unter den Häftlingen aufmerksam auf mich.

Er provozierte mich und verlangte einen Kampf, der die Fronten zwischen uns klären sollte.

Mit einer großen Portion Glück und einem klaren Verstand gelang mir der Sieg.

Ab diesem Zeitpunkt mied mich jeder Insasse.

Zwar hatte ich keine Freunde, doch meine Feinde gingen mir aus dem Weg und mein Leben schien einigermaßen erträglich.

Eines Tages, ungefähr vier Jahre, nachdem ich ins Findelhaus gekommen war, kam Lean zu uns.

Er war neu und wusste nicht, dass ich nicht gerade der absolute Gemeinschaftsmensch war. Er kam Tag für Tag zu mir und versuchte mit mir zu reden.

Ich traute niemandem mehr und versuchte Anfangs ihn zu ignorieren. Doch dieser Idiot ließ nicht locker!“ Fabio sagte das mit einem breiten Grinsen und einem Ton, der ganz deutlich zeigte, wie froh er war, dass Leandro es nicht hatte sein lassen.

„Irgendwann gab ich auf und wir unterhielten uns oft. Er war anders als meine übrigen Mitgefangenen.

Er schien nicht wirklich schuldig. Ich vermute, das liegt daran, dass er eigentlich nur richtig gehandelt hatte. Er hat ein Mädchen vor einem adligen, reichen Scheißkerl gerettet und musste dafür dann in dieses Drecksloch. Ich vermute viel Gold hat den Besitzer gewechselt.

Jedenfalls traute ich ihm und schon bald waren wir fast unzertrennlich. Da er mit mir rumhing, entging er den meisten Problemen und wir schafften es, uns eine eigene Welt vorzustellen.

Mit einem Freund an der Seite, erschien einem das alles gar nicht mehr so grausam.

Nach weiteren zwei Jahren brachten sie Adriana. Sie war oft in einer der Arbeitsgruppen, in denen auch Lean war.  Er war sehr interessiert an ihr und damit meine ich nicht, dass er an ihr als Mädchen interessiert war, sonder schien er sehr an das Mädchen erinnert, dass er gerettet hatte.

Wie Lean halt ist, hatte er sie schnell in ein Gespräch verwickelt. Nach ein bis zwei Monaten, gehörte dann auch sie zu unserer kleinen Gruppe von Rebellen.

Wir waren unzertrennlich und weder die anderen Kinder, noch die Wärter konnten uns verunsichern.

Irgendwann fühlten wir uns so stark - und so eingeengt -, dass wir beschlossen, aus dieser Hölle zu fliehen.

Alleine ist dieses Werk meiner Meinung nach unmöglich, doch zu dritt schafften wir es, die Gewohnheiten und Abläufe im Inneren der Gemäuer zu erkennen und zu unseren Gunsten zu verwenden. Mithilfe unseres Wissens gelang uns nach einem Jahr die Flucht.

Überglücklich über das Erreichte zogen wir los. Da wir auf uns allein gestellt waren, mussten wir einen Weg finden, zu überleben. Ich erinnerte mich an früher und brachte Lean und Adriana viele Tricks bei. Wir entwickelten uns von Monat zu Monat immer weiter und brachten unser Handwerk schon bald zur Perfektion. Wir reisten viel und weit, doch vor einigen Wochen gelang es mir dann, die andern Beiden zu überreden, hierher zu kommen. Ich wollte in die Stadt zurück, in der alles begonnen hatte!“, endete Fabio seinen Bericht.

Curzio atmete einmal tief durch. Er war stolz auf seinen Bruder und sehr froh, dass er ihn wieder bei sich hatte.

„Und jetzt erzähl du. Wie hast du es geschafft, so viele um dich zu scharen? Sie scheinen dir voll und ganz zu vertrauen!“, stellte Fabio mit einem leichten Staunen fest.

„Damals verließ ich Venedig, doch auch mich zog es hierher zurück. Ich schlug mich lange alleine durch, doch eines Tages traf ich auf Lucio. Er ist mit neunzehn Jahren der älteste unter uns und ihm ist Schlimmes widerfahren. Gemeinsam ließen wir unsere Vergangenheit, so gut es ging, hinter uns.

Am Anfang fiel es uns schwer uns auf einander abzustimmen und einige Meinungsverschiedenheiten entstanden. Doch schnell merkten wir, wie gut wir uns ergänzten. Wir eroberten bald die Spitze der Diebe in Venedig und jeder kannte und achtete uns. Ein Freund von uns führte uns zu Caio und so verhandelten wir mit dem mächtigsten Mann in Venedig, wodurch unser Status noch einmal deutlich stieg.

Dieser Umstand ermöglichte uns ein Leben hier, das sich wirklich zu genießen lohnte.

Jeder Dieb und jeder normale Bürger kannte die Namen Curzio Scento und Lucio Caputo. Trotz dem Leid, das wir erlebt hatten, fühlten wir uns rundum glücklich.

Wir schafften es, unsere Vergangenheit zu verdrängen und ein neues Leben zu beginnen.

Nach einiger Zeit fand Lucio Ricardo und brachte ihn in unser Versteck. Lange überlegten wir, was wir mit ihm machen sollten. Er war aus einem Waisenhaus abgehauen, wurde erwischt und halb tot geschlagen. Schließlich beschlossen wir, ihn bei uns zu behalten. Er schloss sich uns an und wurde ebenfalls zum Dieb. Mittlerweile ist er sechzehn Jahre alt.

Gemeinsam fanden wir drei dann dieses Versteck hier und gingen unserem Handwerk nach.

Wenige Monate später trafen wir dann auch auf Lea. Sie hatte sich in unser Versteck verirrt, als sie auf der Flucht vor der Polizia war. Sie hatte sich lange Zeit alleine durchgeschlagen. Auch sie nahmen wir auf. Sie gehörte zu uns und erlernte unser Handwerk schnell. Sie ist, genauso wie ich, siebzehn Jahre alt.

Als letztes trafen wir dann auf Efrem und Face, seine Hündin. Sie sind erst vor einigen Monaten zu uns gestoßen und gehören dennoch zur Familie. Efrem ist mit seinen vierzehn Jahren noch relativ jung und unerfahren, doch er lernt schnell und bildet schon jetzt ein wichtiges Glied in unserer Bande. Ohne ihn würden uns viele Raubzüge nicht gelingen. Auch seine Hündin stellt eine große Hilfe dar. Face ist extrem intelligent und dient als sehr gutes Ablenkungsmanöver. Außerdem ist ein Wachhund immer zu gebrauchen.“ Bei diesen Worten zwinkerte Curzio Fabio kurz zu.

„So geschah es, dass aus zwei Leuten auf einmal fünf wurden.“, sagte Curzio dann abschließend. Fabio nickte langsam und nachdenklich.

 

Kapitel 20 - Efrem

Efrem

 

Nach einiger Zeit kehrten Curzio und Fabio zurück. Beide sahen erleichtert und fröhlich aus, was Efrem, nach dem, was er gerade gehört hatte, nicht wunderte.

Er versuchte sich vorzustellen, wie toll es sein musste, nach so langer Zeit seinen todgeglaubten Bruder wiederzutreffen.

Er konnte es sich nicht vorstellen.

„Also Leute, ich denke es ist klar, was wir als nächstes tun werden!“, sagte Curzio feierlich.

Als keiner antwortete, seufzte er kurz und fuhr dann fort:
„Wir werden uns jetzt an die Arbeit machen, und jeder von euch wird so viel klauen, wie er sich unter den Nagel reißen kann. Wir dürfen keine Rücksicht nehmen, denn wir müssen zusehen, dass wir so viel Gold wie nur irgend möglich zusammenkriegen. Es wird sehr schwierig. Zwar haben wir jemanden, bei dem wir vielleicht ein kleines Vermögen erbeuten, doch sicher ist nichts, und auch wenn es uns gelingen sollte, wird es bestimmt nicht reichen.“

Die anderen nickten zum Zeichen, dass sie verstanden hatten.

„Ich denke, wir werden uns aufteilen. Immer zwei gehen zusammen. Seht aber zu, dass nicht vier Leute an derselben Stelle zuschlagen. Ihr müsst euch in und um San Salvador verteilen, damit nicht zu viel Aufsehen erregt wird. Geht vorsichtig und mit Bedacht vor. Wir können es uns nicht leisten, jetzt zu versagen!“, erklärte Curzio.

Wieder nickten sie alle.

Dann sahen sie sich untereinander an.
Nach einigen Minuten standen die Teams fest. Efrem und Adriana würden in San Salvador zuschlagen, Ricardo und Leandro würden die Gegend um San Marco besetzten. Lucio würde nach Dorsoduro aufbrechen.

Während die anderen sich auf Streifzug begeben würden, hatten Curzio und Fabio vor, sich, mithilfe von Lea, dem Plan „Reicher Signore“ zuzuwenden. Sie wollten das Ausspähen des Opfers vorbereiten und die Möglichkeiten, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, festlegen.

Curzio, Fabio und Lea zogen also los, um den Signore aufzusuchen und ihn zu beschatten. Sie wollten die Gewohnheiten und Charakterzüge des Mannes herausfinden und mithilfe dieser Informationen einen ungefähren Plan erstellen, wie ein Diebstahl gelingen konnte.

Zuerst machten sich Ricardo und Leandro auf den Weg, kurz nach ihnen Lucio. Curzio, Fabio und Lea verließen als nächstes das Gebäude und Efrem und Adriana schlichen als letztes hinaus.

Efrem führte Adriana einige Gassen entlang, bis sie nicht weit vom Marktplatzt entfernt eine kleine Gruppe von adligen Damen entdeckten. Adriana grinste breit und auch Efrem konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

Diese Damen trugen teure Seide und ihre Kleider waren prunkvoll und elegant.

Efrem zog Adriana vorsichtig hinter die nächste Ecke.

„Hör zu. Am besten ist es, wenn wir sie täuschen. Mit dir dürfte dies nicht besonders schwer fallen. Du könntest ihnen große Augen machen, während ich unauffällig ihre Lederbeutel einstecke. Ich könnte so tun, als wäre ich verzweifelt und dann kann ich mich von einer Dame an die nächste schmeißen. Wir sagen einfach, wir wären Geschwister, die… ihr Zuhause verloren haben. Oder etwas in der Art.“, schlug Efrem vor.

Adriana überlegte kurz und durchdachte den Plan.

Sie schien einverstanden, denn sie nickte und trat wieder um die Ecke.

Als Efrem sie ansah, erblickte er schon einige Tränen, die ihr über die Wange rollten.

Auch er besann sich auf sein schauspielerisches Talent und schon spürte er die Tränen, die ihm in die Augen stiegen.

Leise schluchzend torkelten die Beiden auf die Frauen zu. Diese schienen erschrocken und noch ein wenig argwöhnisch, ob ihres plötzlichen Erscheinens.

Dann sahen sie Adriana und schnell wurden ihre Mienen weich.

„Per amor di Dio, Mädchen. Was ist passiert!“, rief eine der Frauen besorgt. Sie war ziemlich wohl genährt und ihr Doppelkinn wackelte grotesk, als sie sprach.

„Oh, Signora, es ist alles so schlimm!“, schluchzte Adriana mit verzweifelter Stimme.

Efrem war erstaunt. Sie spielte ihre Rolle so überzeugend, dass er vermutlich selbst auf sie hereingefallen wäre.

Er schluchzte ebenfalls ein wenig und als die Beiden die Frauen erreicht hatten, verbarg er sein Gesicht zwischen seinen Händen.

„Unser Haus … nichts ist mehr da ... nirgends können wir hin. Oh nein!...“, brachte Adriana zusammenhangslos heraus.

Efrem sog scharf die Luft ein und begann dann hemmungslos zu weinen.

Eine der Frauen löste sich und hockte sich hin, um Adriana ins Gesicht zu sehen.

„Mädchen, was meinst du? Was ist nicht mehr da? Was soll das heißen, ihr könnt nirgends hin? Wo sind eure Eltern?“

Adriana heulte noch lauter auf. Eine andere Frau, eine dünne, hochgewachsene Blonde, sah ihre Freundin vorwurfsvoll an, schob sie ein Stück beiseite und umarmte Adriana um sie zu trösten.

Efrem sah aus wachsamen Augenwinkeln, wie Adriana vorsichtig nach dem Lederbeutel griff, der an der Seite der Frau hing und ihn mit ein paar geübten Handgriffen schnell und unauffällig leerte.

Efrem warf sich weinend an die nächste Frau und schlitze mit einem kleinen Messer, dass er immer im Ärmel bereit hielt, das Band durch, mit dem der Lederbeutel am Gewand dieser Frau befestigt war.

Jetzt drängten sich alle Frauen um sie, es waren ungefähr sechs, und versuchten sie mit ihren Worten zu trösten.

Irgendwann schniefte Adriana laut und wischte sich mit ihrem Ärmel über ihr Gesicht.

„Vielen Dank, Signora. Es geht uns schon viel besser. Wir werden jetzt wohl besser unseren Onkel aufsuchen!“, sagte sie und löste sich von einer der Frauen.

Verwirrt sahen diese sie an.

Schnell, bevor Verdacht geschöpft werden konnte, verschwanden Efrem und Adriana hinter der nächsten Ecke.
Sie ließen einige Gassen hinter sich, bevor sie es wagten, stehen zu bleiben.

An einer Mauer sanken sie dann keuchend zu Boden.

„Ich bin beeindruckt. Du warst unglaublich!“, brachte Efrem mühsam hervor.

„Danke! Ich hatte lange Zeit, um zu üben!“, antwortete sie und griff dann in eine Tasche ihres Mantels.

Sie zog die Geldbeutel hervor und leerte sie dann auf einem Stein neben sich aus.

Es waren viele Goldmünzen und zusammen mit Efrems Beute, sah ihr Ergebnis recht passabel aus, auch wenn Efrem wusste, dass dies gerade mal der Anfang war.

Schnell sammelten sie die Münzen auf und steckten sie in einen der Beutel zurück.
Adriana verstaute den Beutel wieder in ihrer Tasche. Sie erhoben sich und versteckten die übrigen, jetzt leeren Beutel in einem Loch in der Mauer. Efrem stellte noch den Stein davor, damit auch niemand das Versteck fand.

Zusammen gingen die Beiden einige Gassen entlang, bis sie in einer besonders schmalen auf zwei Männer stießen.

Als diese sich an ihnen vorbeidrängen wollten, tat Efrem, als würde er stolpern, und hielt sich an beiden Männern gleichermaßen fest.

Diese schubsten ihn leise schimpfend zurück und stießen einen Fluch in seine Richtung aus.

Efrem entschuldigte sich, doch die Männer liefen schnell weiter, während sie ihre Gewänder ausklopften, als hätte etwas Dreckiges sie berührt.

Efrem ärgerte sich nicht über dieses Verhalten.

Er war es gewohnt, dass die reicheren Leute sie als Abschaum und Dreck ansahen und wunderte sich deshalb auch nicht über ihre Reaktion.

Adriana sah den Männern böse hinterher, doch als sie sich umdrehte und Efrem ihr zwei weitere Beutel unter die Nase hielt, strahlte sie zufrieden über das Ergebnis.

Sie nickte Efrem anerkennend zu und, nachdem er die Beutel verstaut hatte, machten die Beiden sich auf den Weg in Richtung Marktplatz.

Vielleicht würden ja ein wenig mehr wohlhabende Leute dort zu finden sein.

Es herrschte schönes Wetter, was unter normalen Umständen hieß, dass sich die obere Schicht vor die Tür traute.

Und wie erwartet, befanden sich viele Leute auf dem Marktplatz. Efrem nickte Adriana kurz zu und die Beiden machten sich an die Arbeit.

 

Kapitel 21 - Lea

Lea

 

Mit einem leisen Schnauben betrat Lea das Gefängnis. Den Mann wiederzufinden, den Rico und sie im „Tänzelnden Schwan“ gesehen hatten, war schwieriger, als sie gedacht hätte.

Sie hatte lange suchen müssen und war sich oft nicht sicher, ob er es hätte sein können, oder nicht.

Schließlich hatten sie ihn dann bei einem Händler gesehen und waren ihm dann einen halben Tag lang so unauffällig wie möglich gefolgt.

Lea war jetzt geschafft und hatte wenig Lust, auch nur noch drei Schritte zu gehen.

Sie war es leid, angespannt darauf zu achten, ob irgendjemand auf sie aufmerksam wurde.

Missgelaunt spurtete sie hinab zu den unteren Zellen.
Wenige Augenblicke später folgten Fabio und Curzio ihr. Auch sie sahen nicht besonders zufrieden aus.

„Einen langweiligeren Menschen hätten wir uns wohl nicht aussuchen können!“, rief Fabio aus, „Er war insgesamt bei sechs Händlern für Bücher und ältere Schriften!“

Curzio seufzte und ließ sich dann, gegenüber von Lea, auf den Boden sinken.

„Also, was haben wir jetzt heute herausgefunden?“, fragte Lea langsam.

Ihr Denkvermögen war auf das Minimum reduziert und sie hielt die Augen geschlossen.

„Er trinkt gerne Bier, liest gerne und ist immer mit diesem Burschen unterwegs.“, zählte Fabio auf.

„Nicht immer!“, verbesserte ihn Curzio, „Als er bei einem Händler war, der interessante Bücher zu haben schien, schickte er seinen Gefährten weg, der dann wenig später mit etwas zu Essen wiederkam.“

Fabio verdrehte die Augen.

Curzio konnte sich ein Lachen nicht verkneifen und drehte sich kichernd weg.

Einige Zeit saßen die drei zusammen und sammelten, was sie an Informationen erhalten hatten, als sie plötzlich ein wenig Gepolter hörten.

Sie sahen zur Treppe und Face, die bei ihnen gelegen hatte, sprang freudig wedelnd auf.

Lea lächelte und flüsterte: „Efrem!“

Und wie zur Bestätigung kam er in diesem Moment die Treppe herab. Er begrüßte Face und sah dann zu ihnen auf.

Hinter ihm erschien Adriana, die Face vorsichtig und zugleich neugierig musterte.

„Salve, ihr drei!“, begrüßte Adriana sie und winkte kurz.

Curzio lächelte und nickte, sagte jedoch nichts.

Efrem durchquerte den Raum und ließ sich seufzend neben Curzio nieder.

„Und, wie ist es gelaufen?“, fragte dieser und sah Efrem erwartungsvoll an.

„Relativ gut. Adriana hat alles!“

Adriana zog drei prall gefüllte Lederbeutel hervor und grinste schüchtern.

„Am besten, tun wir alles nach oben. Lea, würdest du mit Adriana nach oben gehen und ihr unsere… Geheimkammer zeigen?“, schlug Curzio vor.

Lea nickte, erhob sich und ging dann Adriana voran auf die Treppe zu. Diese folgte ihr schweigend und sah auf den Boden.

Nach einigen Minuten standen sie vor dem Raum, in dem sie ihre Beute aufbewahrten.

„Nun, bist du bereit?“, fragte Lea grinsend.

Adriana nickte, lächelte aber nur leicht.

Lea öffnete die Tür und die Beiden betraten den Raum.

Ein leiser Pfiff drang durch Adrianas Lippen und fasziniert sah sie sich in dem Raum um.

„Maledetto, das ist wirklich viel!“

Lea lächelte, schwieg aber.

Nachdem sich Adriana lange genug umgesehen hatte, verstauten sie und Lea die Beutel in einer der größeren Kisten, die noch nicht ganz voll war.

Lea schloss den Deckel mit einem leisen Rums und drehte sich dann zu Adriana um.

„Und?“, fragte sie, doch Adriana sah nur verständnislos in ihr Gesicht.

„Ich meine, wie… wie fühlst du dich als einziges Mädchen in einer Bande? Vor allem, bist du noch so jung!“, versuchte Lea es erneut.

„Ich finde es gut. Ich habe endlich Freunde gefunden!“, antwortete Adriana.

„Behandeln dich die Jungs gut?“, fragte Lea grinsend und zwinkerte Adriana zu.

„Oh ja, sie sind sehr darauf bedacht, nicht zu viel von mir zu verlangen und mir nicht zu schaden! Sie sind wirklich lieb!“

Lea nickte und sagte: „Es hört sich ganz so an, als wärst du solch eine Behandlung nicht gewöhnt. Was ist dir früher zugestoßen? Wie kamst du überhaupt in dieses Findelhaus?“, fragte  Lea neugierig.

„Nun ja, ich war früher ein ziemlich schweres Kind. Meine Eltern versuchten immer, mich den Leuten auf dem Präsentierteller zu servieren, doch ich wollte nicht vorgezeigt werden!“, begann Adriana.

„Soll das heißen, deine Eltern sind reich?“, fragte Lea schockiert.

„Na ja, sie waren es. Sie sind vor einigen Monaten gestorben, soweit ich weiß!“, antwortete Adriana.

„Oh, das tut mir leid, perdono!“, entschuldigte sich Lea verlegen.

„Kein Problem, sie waren mir nie wirkliche Eltern und unsere Trennung liegt schon eine lange Zeit zurück. Ich trauere nicht um sie!“, erklärte Adriana ohne den Hinweis eines Gefühls in ihrer Stimme.

„Und dann? Was hast du gemacht?“

„Also, wie gesagt, sie versuchten mich vorzuführen. Ich wehrte mich so gut es ging, doch sie schleiften mich von einem Fest zum nächsten.

Vor einigen Jahren kamen wir dann zu einem besonders wichtigen Fest, damals war ich fünf Jahre und ein paar Monate alt.

Ein adliger Mann sprach mit mir und fragte mich, ob mir das Fest gefiele. Ich schleuderte ihm entgegen, dass ich alles dafür geben würde, nicht dort sein zu müssen.

Er hielt es für einen Scherz und lachte. Also drehte ich mich um und wollte mich irgendwo verstecken, wo mich niemand finden würde. Er rief mich zurück, doch ich beachtete ihn nicht. Er folgte mir, um mich zur Rede zur stellen, doch ich war kleiner und flinker als er und verschwand unter den anderen Gästen. Er schimpfte laut und steigerte sich total in diese Sache rein. An dem Tisch mit den Speisen sah er mich dann. Ich rannte um den Tisch herum und riss einen Kerzenständer um. Viele Leute schrien und lachten durcheinander.

Der Mann beschimpfte mich und als meine Eltern auftauchten, verlangte er von ihnen, dass ich die Nacht da bliebe, um am nächsten Tag bei den Aufräumarbeiten zu helfen.

Sofort willigten meine Eltern ein, aus Angst, man könnte sie in diesem Haus nicht mehr willkommen heißen. So musste ich dort bleiben, als alle anderen Gäste gingen.

Mir war von Anfang an klar, dass der Mann andere Dinge im Kopf hatte, als mich das Haus putzen zu lassen.
Kaum waren alle Leute weg, verlangte er von mir, dass ich mich meiner Kleider entledigte.

Ich weigerte mich, seiner Aufforderung zu folgen und so geschah es, dass er mich schlug und fast zu Tode prügelte. Als ich mich kaum noch bewegen konnte, ließ er mich in einer Ecke liegen.

Am nächsten Tag, als am späten Nachmittag meine Eltern erschienen, erzählte er ihnen, ich wäre ungehorsam gewesen und hätte mich geweigert, sein Haus wieder in Ordnung zu bringen. Er warf ihnen vor, wie schlimm ihre Tochter doch sei und dass man ihr wohl kaum beigebracht habe, wem man zu gehorchen hatte. Meine Eltern, in ihrer Ehre beschmutzt, entschuldigten sich mehrmals für mein unakzeptables Verhalten und flehten ihn an, ihnen mein Verhalten nicht nachzutragen. Der Mann sagte, dass eine Möglichkeit, die Sache wieder gut zu machen, darin bestand, mich in ein Waisenhaus oder ein Findelhaus zu stecken. Meine Eltern, denen ihr Name wichtiger war, als ihre eigene Tochter, steckten mich kurzer Hand in das nächste Findelhaus. Ich habe sie nie wieder gesehen!“, endete Adriana.

Lea seufzte leise. Sie selbst war schlimm von ihren Eltern behandelt worden, doch die kleine Adriana hatte ihr volles Mitleid. Eltern, denen der eigene Name wichtiger war als das eigene Fleisch und Blut, waren ihrer Meinung nach nicht geeignet, überhaupt ein Kind zu haben.

Lea sah Adriana traurig an.

“Wie hast du es geschafft, ohne Eltern weiter zu leben?“, fragte sie.

„Va bene, du musst bedenken, ich hatte zwei wunderbare große Brüder gefunden!“, antwortete Adriana grinsend.

Lea nickte.

Auch sie hatte eine tolle Familie gefunden. Schon lange waren die anderen eine Familie für sie geworden, auch wenn es unter ihnen auch jemanden gab, den sie noch anders sah.

Adriana unterbrach ihre Gedanken: „Vielleicht sollten wir langsam wieder runter zu den anderen gehen!“ Lea nickte und die Beiden eilten wieder hinunter, wo die anderen saßen.

 

Kapitel 22 - Ricardo

Ricardo

 

Die nächsten Tage verbrachten sie alle damit, sich in Gruppen nach draußen zu schleichen und so viele Dukaten mitgehen zu lassen, wie möglich.

Die Moral der ganzen Gruppe war an einem erschreckenden Tiefpunkt angelangt, da sich alles als viel schwieriger erwies als Anfangs angenommen. Sie alle standen unter großem Druck, weshalb ihnen viel mehr Fehler unterliefen als gewöhnlich.

Nicht selten geschah es, dass einer ihrer Bande, völlig außer Atem, in das Gefängnis platzte, und kopfschüttelnd bedeutete, dass es wieder ein erfolgloser Raubzug gewesen war.

Während Rico, Efrem, Lucio, Adriana und Leandro alles darum gaben, mehr Gold anzuschaffen, beschäftigten sich Lea, Curzio und Fabio damit, den reichen Mann zu beobachten.

Sie liefen ihm den ganzen Tag unauffällig hinterher und merkten sich seine Gewohnheiten und die Leute, mit denen er Kontakt hatte.

Es stellte sich als ein langweiliges und relativ ergebnisschwaches Unterfangen heraus.

Schon bald waren sie alle so niedergeschlagen, dass der Vorschlag, einfach aufzugeben, unausgesprochen im Raum stand. Curzio schaffte es jedoch, mit seiner ganzen Überredenskunst, die andern zum weitermachen zu animieren.

Eines Abends saßen sie dann, wie schon lange nicht mehr, alle gemeinsam in den unteren Zellen und besprachen die Ereignisse der letzten Tage.

„Wie weit sind wir jetzt gekommen?“, fragt Curzio in die Runde.

„Es geht. Den größten Teil haben wir zusammen, ungefähr achttausend Dukaten, doch uns fehlen weitere Opfer.“, antwortete Rico.

„Wie meinst du das?“

„Nun ja, wir wüssten nicht, von wem wir das restliche Gold bekommen sollten, bei dem wir es nicht schon versucht hätten!“

„Habt ihr es bei den reichen Leuten aus der Umgebung vom Campo San Maria Formosa versucht?“, fragte Lucio.

„Ja. Haben insgesamt vier Leute ausgenommen. Gab in etwa eintausend Dukaten.“, sagte Efrem.

„Wisst ihr sonst keine Gegend?“, fragte Fabio verwirrt.

„Nun ja, es gehört nicht mehr wirklich viel zu San Salvador und Umgebung.“, sagte Curzio zögernd.

„Dann müssen wir eben woanders unser Glück versuchen.“, meinte Lucio.

„Du hast recht. Wir müssen über den Canal Grande nach San Polo und vielleicht auch hoch nach Cannaregio. Es ist unsere einzige Möglichkeit!“, sagte Curzio entschlossen.

„Aber wo ist das Problem? Wieso sind wir nicht gleich dorthin gegangen?“, fragte Leandro.

„Tja, diese Stadt ist in Gebiete eingeteilt und als Dieb darfst du nicht einfach überall zuschlagen, wo du willst. Lucio und ich, und somit die ganze Bande, sind San Salvador zugeteilt worden. Die anderen Stadtteile dürfen wir zwar besuchen, also wir dürfen uns dort aufhalten, doch wir haben nicht das Recht, dort unserem Handwerk nachzugehen.

Es ist eine traditionelle Regel, dass jeder Dieb nur sein Stadtteil bestiehlt. In den anderen Teilen der Stadt gibt es auch Diebe, auch wenn sie noch lange nicht unseren Status genießen. Dennoch könnten wir uns nicht einfach gegen sie stellen, denn es sind viele und gemeinsam könnten sie uns vernichten.

Damit es kein Blutbad unter den einzelnen Banden gibt, hat jeder sein Gebiet, und Raubzüge in einem anderen Gebiet sind absolut verboten.“, erklärte Curzio.

„Ach, das gibt’s doch nicht. Wieso habt ihr solche Regeln. Dann kann man euch doch auch gar nicht als Gesetzlose bezeichnen!“, grummelte Fabio.

Curzio lachte kurz und leise auf.

„Würden es diese Regeln nicht geben, gäbe es auch kein friedliches Venezia!“, sagte er zu Fabio und in seinem Blick lag etwas Mahnendes.

Fabio zuckte kaum merklich mit den Schultern, und sie kamen zu ihrem eigentlichen Gespräch zurück.

„Also werden wir unser Angriffsfeld erweitern?“, fragte Lea.

„Ja, doch wenn es Probleme mit den anderen Bandenführern gibt, müssen wir uns überlegen, wie wir vorgehen sollen. Aber das besprechen wir, wenn es so weit ist.“, sagte Curzio.

„Gut, dann werden wir uns morgen am besten erst einmal San Polo vornehmen, oder?“, fragte Rico und sah einmal durch die Runde.

„Gute Idee!“, stimmte Efrem ihm zu.

„Ich werde versuchen nach Santa Croce zu kommen!“, meinte Lucio leise.

„Lean und ich, wir nehmen uns den Campo San Polo vor!“, rief Rico voller Vorfreude.

„Tja, dann gehen Adriana und ich zum Campo San Rocco!“, sagte Efrem mit einem leisen Lächeln.

„Und wir kümmern uns um Goethe!“, sagte Lea, guckte jedoch mürrisch.

Verständnislos sahen die anderen, außer Fabio und Curzio, sie an.

„Wer ist Gote?“, fragte Adriana.

„Nicht Gote. Goethe! So heißt der reiche Mann. Wir haben es heute herausgefunden!“, erklärte Fabio.

„Ich dachte er heißt Möller!“, sagte Rico verwirrt.

„Tja, das ist eine Lüge! Wir haben heute gehört, wie er mit seinem Diener Philipp geredet hat. Er ist gar kein Maler, wie er sonst behauptet hat und er heißt auch nicht Möller. Sein Name ist Johann Goethe und er schreibt Bücher und Gedichte.“, erklärte Lea.

„Wow!“, sagte Leandro und pfiff leise.

„Ob Möller oder Goethe ist doch egal, wichtig ist nur, dass er viele Dukaten besitzt!“, sagte Efrem lachend.

„Da bin ich mir sicher!“, sagte Lea grinsend.

Kapitel 23 - Lucio

Lucio

 

Nachdem sie alle eine Nacht geschlafen hatten und sich von den Strapazen erholt hatten, standen sie am nächsten Tag mit neuer Zuversicht auf.

Efrem und Adriana machten sich gleich, nach einer kleinen Mahlzeit, in Form von einem Leib Brot und ein Stück Wurst, auf den Weg zum Campo San Rocco, wo sie an diesem Tag zuschlagen wollten.

Rico und Leandro blieben eine Weile länger, machten sich dann aber auch schnell auf den Weg.

Schließlich war nur Lucio noch da, der Fabio, Lea und Curzio beobachtete, während sie alle Informationen über ihr Opfer zusammentrugen.

Gerade wollte Lucio gehen, als Curzio nach ihm rief.

Er ging zu den anderen und sah Curzio fragend an.

„Ich denke wir brauchen deine Hilfe. Jedenfalls bei der Planung!“, erklärte dieser.

„Wer soll ihn ausrauben?“, fragte Lucio.

„Ich dachte, Fabio und ich würden es machen! Du solltest versuchen, mit Caio zu reden, um heraus zu finden, wann er das Gold haben will. Ich habe nämlich ein sehr schlechtes Gefühl, so als ob wir keine Zeit mehr haben.“, antwortete Curzio.

„Na gut. Und was wollt ihr jetzt von mir?“

„Wir überlegen, wann wir es am besten machen!“, erklärte Fabio.

„Was für Möglichkeiten gibt es?“, fragte Lucio.

„Also, er hat vor, eine Schiffsfahrt zu machen. Von Venedig nach Triest und wieder zurück.“, begann Curzio.

„Außerdem, will er in ein Haus hier in San Salvador. Er war auf einer Reise, quer durch Venezia. Wir haben ihn gestern an der Stazione Marittima gesehen, wo er mit seinem Diener über den Halt hier in San Salvador geredet hat. Von hier aus kommt er leicht zu der Stelle, wo er auf das Schiff gehen möchte. Jedenfalls haben sein Diener und er es so geplant. Also schlagen wir entweder zu, wenn er diese Schiffsreise macht, oder wenn er hier in San Salvador Rast macht.“, sagte Fabio.

„Warum schlagen wir nicht gleich zu, wenn er sozusagen bei uns Zuhause ist?“, fragte Lucio.

„Es geschieht noch heute. Spätestens in zwei oder drei Stunden.“, antwortete Curzio.

„Oh. Das ist zu wenig Vorbereitungszeit. Frühestens Morgen könnt ihr es wagen ihn auszurauben. Es wäre zu folgenschwer, wenn etwas schiefgehen würde.“, stellte Lucio fest.

„Dann bleibt uns nur das Schiff!“, sagte Curzio.

„Was ist mit der Schiffsreise? Wo liegt da der Haken?“

„Wir könnten zu viel Aufmerksamkeit auf einem so engen Raum auf uns ziehen, oder wir haben keine Fluchtmöglichkeit, falls was schiefgeht.“

„Ich denke, ihr solltet dieses Risiko auf euch nehmen. Besser so, als ungeplant!“, sagte Lucio.

„Ich finde, er hat recht. Zwei Stunden Vorbereitungszeit, ist einfach zu wenig. Außerdem wissen wir auch dabei nicht genau, ob alles gut geht.“, sagte Fabio.

Curzio nickte.

„Gut, dann lasst uns versuchen, ihn zu finden, um noch einmal genau herauszufinden, wann diese Reise ist, von wo aus wir an Deck kommen und alle anderen wichtigen Dinge!“, sagte Lea.

„Ich schlage vor, du kümmerst dich um die genaue Fahrzeit, und Fabio und ich überlegen uns, wie wir gegen ihn vorgehen.“, sagte Curzio zu Lea.

Diese nickte.

Dann überlegte sie kurz.

„Ich denke, ich werde heute mal eine andere Taktik ausprobieren!“

Verständnislos sahen die Jungen sie an.

„Wartet hier!“, sagte sie grinsend, und dann verschwand sie die Treppe hinauf.

Es dauerte eine Weile, doch als sie wieder hinunter kam, klappten Curzio und Fabio die Kinnladen herab.

Lucio sah Lea nur schmunzelnd an.

Sie trug ein Kleid, ein Kleid, dass Lucio wenige Wochen zuvor noch in einer Kiste in ihrer Lagerkammer gesehen hatte. Es war ein schönes, dunkelrotes Kleid, das vorne einen weiten V-Ausschnitt hatte, und am Rücken durch viele, über Kreuz geschnürte Bänder zusammengehalten wurde.

Am Saum des Kleides befand sich eine Reihe von Rüschen und mithilfe einer, fast nicht zu erkennenden, Nadel, wurde verhindert, dass das Kleid über den Boden schlurfte.

Lea trug passende Schuhe, die elegant und mit einem kleinen Absatz versehen waren.

Ihre Haare hatte sie so gut es ging hoch gesteckt, wobei ein dünner Stab sie oben hielt.

Schüchtern sah Lea sie an.

„Wow!“, war das einzige, was Curzio hervorbrachte.

„Ich wusste gar nicht, dass ihr so etwas hier habt!“, sagte Fabio staunend.

„Ich auch nicht!“, gab Curzio zu.

„Ich schon!“, sagte Lucio ganz leise.

Lea lächelte ihn an.

„Doch die Schuhe kenne ich nicht!“, sagte er dann und sah zu ihren Füßen.

„Sie gehörten meiner Mutter. Das einzige, was ich noch von ihr habe.“, erklärte Lea.

„Wieso trägst du so etwas nicht öfters?“, fragte Curzio mit einem breiten Grinsen.

Nervös sah Lea ihn an.

„Na ja, es ist unpraktisch und ich wollte nicht, dass es schmutzig wird. Jetzt aber, wird es kein Problem sein, sich als eine etwas reichere Dame auszugeben. Ich habe diesen verzierten Lederbeutel genommen, den Adriana und Efrem mitgebracht haben und habe ihn mit ein paar Münzen gefüllt. Ich werde nichts davon ausgeben, wenn es sich vermeiden lässt, doch es soll ja überzeugend wirken!“

„Das ist wirklich gut!“, sagte Lucio anerkennend. „Du kannst dich Goethe bis auf wenige Meter nähern, vielleicht kannst du auch mit ihm in ein Gespräch kommen, immerhin sprichst du ja auch ein wenig Deutsch. So hast du die größte Chance heraus zu finden, wann er morgen aufbricht. Das war eine sehr gute Idee!“

„Danke!“, sagte Lea und ein leiser Hauch Rosa kroch ihr ins Gesicht.

„Gut, wenn das jetzt alles geklärt ist, machen wir uns am besten an die Arbeit!“, sagte Curzio und sah immer noch Lea an.

Diese schaute nervös weg.

Lucio nickte kurz und eilte dann die Treppen hoch. Er hörte, wie Lea ihm folgte und verlangsamte seine Schritte.

Sie holte ihn ein und lief schweigend neben ihm.

„Du siehst gut aus!“, sagte er.

Sie dankte ihm schüchtern und schwieg weiter.

Als sei die Tür erreicht hatten, spähte Lucio vorsichtig aus dem Fenster.

Da niemand zu sehen war, stahl er sich durch die Tür.

Draußen blickte er die Gasse hinauf und hinunter und winkte dann Lea heraus.

Sie sah ihn an.

„Besser, man sieht uns nicht zusammen!“, sagte er und lächelte kurz.

Sie lächelte zurück, nickte aber.

Dann brach sie auf, und ging in Richtung Markt.
Lucio ging in die andere Richtung und machte sich auf den Weg nach Santa Croce.

Er durchquerte einige Gassen und ging dabei den anderen Menschen aus dem Weg.

Nur ab und zu sah er hoch, um nachzusehen, wo genau er sich befand, doch die meiste Zeit verbrachte er damit, auf den Boden zu schauen, Leuten auszuweichen und nachzudenken.

Er dachte über das nach, was er eben gesehen hatte.

Als Lea die Treppe hinab gestiegen war, so voller Eleganz und ganz anders als er sie sonst kannte, war bei ihm eine Art Bruder Instinkt erwacht.

Er hatte in Curzios Augen einen seltsamen Ausdruck wahrgenommen und war Anfangs fest davon überzeugt, dass dieser genauso gefühlt hatte wie er selbst.

Doch mittlerweile war er sich da nicht mehr sicher.

Dieser Ausdruck passte nicht zu den Gefühlen die er gespürt hatte, also musste Curzio etwas anderes gedacht haben.

Lucio schüttelte leicht den Kopf. Das konnte nicht sein.

Jemand rempelte ihn an und er sah hoch. Ein Mann sah ihm wütend entgegen, doch als er ihn erkannte, wurde er bleich und eilte schnellen Schrittes davon.

Lucio blieb stehen. Kurze Zeit viel es ihm schwer, sich zu orientieren und ahnungslos lief er in Richtung Ende der Gasse. Als er es erreicht hatte, sah er sich kurz um und stellte fest, dass er sich am Campo Francesco Morosini befand.

Erleichtert atmete er auf. Ohne drauf zu achten, war er zur Ponte dell Accademia gelangt, die neben der Ponte di Rialto, die einzige Brücke war, die über den Canal Grande führte. Jedenfalls die einzige Brücke in ihrer Nähe.

Lucio überquerte die Brücke und nachdem er längere Zeit durch viele Gassen und über einige Flüsse gelangt war, erreichte er schließlich Santa Croce. Einen Moment sah er sich abschätzend um, dann machte er sich an die Arbeit.

Kapitel 24 - Curzio

Curzio

 

„Also, ich fasse noch einmal zusammen: Er wird heute eine Reise nach Trieste machen, auf einem Linienschiff, das über den Golfo di Trieste fahren wird.  Bei ihm wird sein Diener Philipp sein, wie immer.“, sagte Curzio an Fabio gewannt.

Vor wenigen Stunden war Lea von ihrem Streifzug wiedergekommen und hatte ihnen all die wichtigen Informationen, die sie benötigten, gegeben.

Sie war den ganzen vorherigen Abend, zusammen mit Goethe, der ihr nach einem kurzen Gespräch schon nicht mehr widerstehen konnte, durch die Gassen Venedigs gezogen und hatte so alles in Erfahrung gebracht.

Fabio nickte kurz und fuhr dann fort:

„Wir werden die Identität zweier reicher Geschäftsleute annehmen. Du bist Signore Edoardo Glovinco, kommst aus Trieste und bist zusammen mit einem englischen Grafen unterwegs.

Ich bin dieser englische Graf, um genau zu sein, Lord Clarks von Brighton. Du willst mich mit in deine Heimat nehmen, wo wir einem Weinhandel nachkommen wollen“

„Sehr gut.“, sagte Curzio.

Die nächste Zeit verbrachten sie damit, ihren Plan in allen Einzelheiten noch einmal durch zu gehen.

Dann machten sie sich daran, sich zu verkleiden.

Sie verschwanden für mehrere Stunden in ihrem Lagerraum, in dem sie alles aufbewahrten, dass nützlich sein konnte, und nicht aus Gold bestand.

Als sie dann aus dem Raum traten, war das Ergebnis nicht zu unterschätzen.

Fabio trug einen Hut mit einer großen Feder. Seine Hose steckte in hohen Stiefeln und unter seinem Mantel schauten der Rüschenkragen und die Rüschenärmel hervor.

Curzio trug ebenfalls einen Mantel, unter dem die Rüschenärmel hervorschauten.

Sein Mantel war mit goldenen Fäden bestickt und reichte ihm bis in die Kniekehlen.

Beide sahen aus, wie reiche, adlige Geschäftsleute.

Es war fast unmöglich, Fabios und Curzios wahre Gesichter unter der Maskerade zu erkennen.

„Maledetto, das ist wirklich überzeugend!“, stieß Fabio anerkennend hervor.

„Si, und das ist auch wichtig!“, antwortete Curzio ernst.

„Es wird langsam dunkel. Wir sollten uns auf den Weg machen!“, meinte Fabio, nachdem er sich noch einmal in einer alten Fensterscheibe begutachtet hatte.

Curzio holte einmal tief Luft und nickte dann.

Zusammen verließen Curzio und Fabio das Gefängnis.

„Wo sind eigentlich die anderen?“, fragte Fabio, während er nervös über die Schulter sah.

„Die sind noch ein letztes Mal auf Beutezug. Aber wir müssen uns beeilen. Niemand darf uns in einer solchen Gegend sehen.“, erwiderte Curzio und beschleunigte seine Schritte ein wenig.

Gerade als sie fast den Marktplatz erreichten und somit aus der verdächtigen Umgebung herauskamen, trat ein Mann vor ihnen auf den Weg.

Er war nicht arm, gehörte jedoch auch nicht zu den reichsten Leuten in Venedig.

Er wandte sich ihnen zu und ein fragender Ausdruck erschien in seinem Gesicht.

„Merda, das musste ja kommen. Fabio, mach langsam!“, raunte Curzio und verlangsamte seine Schritte.

Fabio tat es ihm nach  und hielt sich vorsichtig im Hintergrund.

Der Mann sah sie misstrauisch an, wobei er vor allem Fabio abschätzend von oben bis unten musterte.

„Ah, Signore! Fantastico, wir brauchen Hilfe! Wir haben uns verirrt!“, rief Curzio dem Mann entgegen und mischte so viel Akzent in seine Stimme, wie er nur konnte.

Der Ausdruck des Mannes entspannte sich ein wenig und er ließ die Schultern sinken.

„Wo wollt ihr denn hin?“, fragte der Mann, nachdem Fabio und Curzio ihn erreicht hatten.

„Wir wollen zur Ponte di Rialto!“, antwortete Curzio.

Der Mann beschrieb ihnen den Weg und nachdem Curzio sich umständlich bedankt hatte, machten er und Fabio sich auf den Weg in Richtung Rialto Brücke.

Als sie nach einiger Zeit dort ankamen, sahen sie sich am Wasser nach einer kleinen Menschenmenge um. 

Fabio entdeckte sie und die Beiden gingen, so elegant wie möglich, auf die Leute zu.

„Perdono, Signore und Signora, aber fahren sie alle nach Trieste?“, fragte Curzio.

„Si. Hier sind sie richtig. Das Schiff sollte jeden Augenblick kommen.“, antwortete ihm eine blonde Frau.

Sie lächelte und er lächelte freundlich zurück.

„Ah, das ist gut. Dürfen wir uns vorstellen? Mein Name ist Edoardo Glovinco, ich komme aus Triest. Und dies ist mein Weggefährte. Lord Clarks von Brighton. Er hilft mir bei einigen geschäftlichen Dingen!“, sagte Curzio feierlich.

Einige Leute nickten, andere zeigten gar keine Reaktion.

Plötzlich flüsterte Fabio neben Curzio:

„Da ist er!“

Curzio blickte sich unauffällig um und entdeckte dann den geheimnisvollen Fremden.

Dieser hatte einige Taschen bei sich und unterhielt sich aufgeregt mit seinem Diener Philipp.

Die Beiden schauten ein bis zweimal in der Runde umher, so als suchten sie etwas, schienen jedes Mal jedoch zu dem Schluss zu kommen, dass es nichts wirklich interessantes zu sehen gab.

Schon bald hatten sie ihr Gespräch beendet und schlossen sich dem Rest der Gruppe an.

Sie sagten kaum etwas, was Curzio vollkommen nachvollziehen konnte, da man ihnen sofort anmerken würde, dass sie kaum italienisch sprachen.

Nach einiger Zeit kam das Schiff und die Menge eilte an Bord.

Nachdem das Schiff abgelegt hatte, hielten sich Fabio und Curzio bei Goethe und ließen ihn keinen Moment aus den Augen.

Abwechselnd folgten sie ihm, wenn er sein Zimmer verließ, sodass nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf sie fiel.

Während der eine den Deutschen im Auge behielt, begutachtete der andere die Landschaft.

Venedig von einem Schiff aus zu sehen war etwas ganz anderes, als dort zu leben.

Sie sahen viele Dinge, die ihnen vorher nie aufgefallen waren und bewundernd besah sich Curzio seine Heimat von außen.

Schnell wurde es dunkel und das Schiff legte im nächsten Hafen an.

Einige Mitreisenden vergnügten sich auf dem Land, doch viele, unter ihnen auch Goethe, Curzio und Fabio, nutzten die Zeit, um mehr über das Schiff zu erfahren.

Als die Dunkelheit des Himmels sie dann voll und ganz verschluckt hatte, zogen sich die meisten Leute in ihre Kabinen zurück.

„Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Fabio leise an Curzio gewandt.

„Ich schlage vor, wir warten bis morgen, schließen uns Goethe und seinem Diener an, wo immer sie auch hingehen mögen und machen so Bekanntschaft mit ihnen.“, antwortete Curzio.

Die Nacht war kühl und tief in Gedanken versunken, fiel es Curzio schwer, die Augen zu schließen und zur Ruhe zu kommen.

Eine Weile beobachtete er seinen Bruder und dachte über dessen Leben nach.

Als er dann endlich einnickte, hörte man keinen Laut mehr an Bord.

Am nächsten Morgen setzte sich das Boot wieder in Bewegung und überbrückte die letzte Strecke über den Golfo di Trieste, bis sie am späten Nachmittag dann endlich im Hafen von Trieste anlegten.

Fabio und Curzio ließen Goethe und seinen Diener nicht aus den Augen, bis sich dann endlich eine günstige Gelegenheit ergab.

Goethe und Philipp wollten die Stadt erkunden.

Fabio und Curzio folgten den Beiden so unauffällig wie möglich von Bord und liefen in einigem Abstand hinter ihnen her.

Nach einiger Zeit schlossen Fabio und Curzio dann zu ihnen auf.

„Perdono, Signori, wir hätten da eine Frage!“, rief Curzio, nachdem sie nur noch wenige Meter entfernt waren.

Erschrocken drehten Goethe und Philipp sich um.

„Ich glaube, sie verstehen uns nicht richtig!“, meinte Curzio zögernd.

„Mhh, da hab ich eine Idee. Dürften wir sie kurz stören?“, fragte Fabio.

Verblüfft sah Curzio ihn an. Die letzten Worte seines Bruders, hatte er nicht verstanden.

Er hatte in einer anderen Sprache geredet. Wenn er sich nicht irrte in Englisch.

Der Deutsche sah Fabio erstaunt, zugleich aber auch erfreut an.

„Sie sprechen Englisch?“, fragte Goethe mit höflichem Interesse.

„In der Tat.“, sagte Fabio lächelnd und blickte seinem Gegenüber entschlossen entgegen.

„Wie können wir ihnen helfen?“, fragte Philipp argwöhnisch.

„Wir fragten uns nur, ob sie ein wenig Gesellschaft gebrauchen könnten. Dies ist ein Geschäftspartner von mir, der aus Trieste stammt und mir seine Welt zeigt. Ich selbst bin Lord Clarks von Brighton.“, stellte Fabio sich vor. Er ließ in seiner Stimme einen arroganten Unterton einfließen und blickte ab und an abwertend auf einige umstehende Leute.

Sein Bruder Curzio verstand nichts von dem, was Fabio mit Goethe sprach, versuchte sich jedoch nichts anmerken zu lassen.

Die nächsten Stunden liefen Goethe, sein Diener Philipp, Curzio und Fabio gemeinsam durch die Straßen von Trieste.

In dieser Stadt war das Pflaster der Straßen anders als in Venedig und Curzio fühlte zugleich auch noch einen Unterschied zwischen den Bürgern.

Die Bewohner von Venedig wirkten weniger distanziert zueinander, als die aus Trieste.

Schmunzelnd dachte Curzio über diesen Gedanken nach, während Fabio das Gespräch aufrecht erhielt. Gleichzeitig beobachtete Curzio ihr Opfer noch einmal aus nächster Nähe und versuchte ihn besser einzuschätzen.

Als die Dunkelheit hereinbrach, erreichten die vier wieder das Schiff, das im nächsten Moment auch schon ablegte, um die Rückreise nach Venedig anzutreten.

Die Nachtfahrten über dieses Gewässer galten als besonders Angesehen und Curzio und Fabio beobachteten eine Zeit lang, fasziniert, wie sich das Wasser an dem Holz ihres Schiffes brach.

Goethe und Philipp luden Fabio und Curzio nach einiger Zeit in ihr Zimmer ein und nach einem vielsagenden Blickwechsel unter ihnen, folgten Curzio und Fabio der Einladung und suchten Goethe und Philipp in ihren Räumen auf.

Sie hatten das Zimmer fast erreicht, als Curzio etwas einfiel.

„Ich werde einige Flaschen Wein holen! Ich habe heute in Trieste ein paar besorgt, für einen besonderen Anlass.“, meinte er zu Fabio und verschwand dann.

Fabio blieb einen Moment vor der verschlossenen Tür des Zimmers stehen, dann klopfte er an.

Er wurde hereingebeten und zögernd betrat er den Raum.

Goethe und Philipp sahen ihn fragend an und Fabio erklärte, dass sein Freund gerade etwas Wein holte.

Nachdem Curzio zu ihnen gestoßen war, begannen die vier eine gemütliche Runde beisammen, bei der sie über alte Zeiten und Geheimnisse sprachen.

Die Flaschen leerten sich schnell und Curzio war erstaunt über die Mengen, die der Deutsche trinken konnte, ohne dass es ihm anzumerken war.

Sein Diener hörte nach der zweiten Flasche Wein auf, mitzutrinken, da er sich unwohl fühlte.

Fabio musste zugeben, dass dessen Gesicht eine seltsam weiße Farbe angenommen hatte.

Während Goethe ohne weitere Folgen trank, schütteten Curzio und Fabio ihre Anteile des Getränks immer wieder unauffällig zurück in die Flasche.

Einige Stunden vergingen, dann verließ Curzio kurz das Zimmer.
Er ging an Deck und betrachtete den Himmel.

Das erste Morgenrot zog sich über ihm durch die Wolken und Curzio wusste, dass es langsam Zeit wurde zu handeln. Sie hatten bald den ersten Hafen von Venedig erreicht, sodass ihre Möglichkeiten, hier auf dem Schiff zu zuschlagen immer geringer wurden.

Er schritt das Schiff einmal ab, um einen möglichen Fluchtweg zu entdecken, falls sie zu solch drastischen Mitteln greifen mussten.

Nachdem er sich einige Ausweichmöglichkeiten zusammengelegt hatte, kehrte er zurück zu Goethe, Philipp und Fabio.

Fabio warf ihm einen kurzen Blick zu und nachdem Curzio kurz nickte, verstummte Fabio.

Curzio setzte sich wieder neben ihn, schwieg aber ebenfalls.

Nach einigen Augenblicken fiel ihren Gegenübern auf, dass die Beiden vollkommen verstummt waren und mit einem leicht schielenden Blick und einer kaum verständlichen Aussprache fragte Goethe:

„Was ist denn los mit euch? Ihr schweigt auf einmal still wie eine tote Maus!“

Curzio und Fabio antworteten ihm nicht und nervös sah Goethe sie an.

Sein Blick flackerte und ein leicht abwesender Ausdruck zeichnete sich in seinen Augen.

Fabio seufzte kurz, so als würden ihm die folgenden Worte schwerfallen.

Er hatte den Mann aus Deutschland richtig gut leiden können und eine gewisse Sympathie war in der ganzen Runde aufgekommen.

 „Signore, es tut uns leid, aber ich denke, wir müssen sie um einige Dinge erleichtern!“, erklärte er dann ernst.

„Was soll das heißen?“, fragte Goethe verwirrt.

„Das heißt, dass wir in Wahrheit Diebe sind und dass das hier alles geplant war!“, antwortete Fabio, fast schon entschuldigend.

„Das ist nicht möglich. Kein Dieb würde es auf dieses Schiff schaffen. Sie halten mich zum Narren!“, empörte Goethe sich jetzt.

„Wir sind keine gewöhnlichen Diebe. Wir sind Meisterdiebe!“, erklärte Fabio mit einem leisen Lächeln.

Eine Weile schwieg Goethe, dann sagte er leise:

„Mir scheint, als würdet ihr die Wahrheit sprechen, auch wenn mich dieser Umstand mit Trauer erfüllt.“

„Auch mir tut es leid. Es war ein interessanter Abend. Wären die Umstände nicht die, die sie sind, würden wir euch eventuell verschonen!“, sagte Fabio, jetzt mit einem freundlichen Lächeln.

Während Fabio und Goethe sprachen, sah Philipp, Goethes Diener, verwirrt zwischen den Beiden hin und her. Zwar verstand auch er kein Englisch, doch er hatte den plötzlichen Gefühlwechsel bei seinem Herren bemerkt.

Er fragte diesen etwas auf Deutsch und Fabio nutzte diesen Moment, um Curzio den Ablauf des Gesprächs zu erläutern.

„Ich habe ihm jetzt offenbart, wer wir wirklich sind. Ich denke, er wird uns unseren Willen geben. Es wird alles gut laufen!“

Curzio nickte und Fabio wandte sich wieder an Goethe.

Dieser beendete seinen Satz, den er zu Philipp gesprochen hatte schnell und wandte sich dann selbst wieder dem Gespräch mit Fabio zu.

„Was genau wollt ihr?“

„Wir benötigen alles an Gold was du besitzt. Jeden einzelnen Dukaten! Zusätzlich noch alle Wertpapiere, die du mit dir führst. Jeden Schmuck, jeden Gegenstand und jeden verkaufbaren Stoff.“, erklärte Fabio.

„Das ist nicht gerade wenig, was ihr verlangt.“

„Doch das Mindeste, was wir benötigen. Ärgerliche Umstände zwingen uns dazu!“

„Vermutlich werdet ihr euch auch so nehmen, wonach es euch drängt, ob mit oder ohne Gewalt. Deshalb bevorzuge ich den Weg ohne!“, gab Goethe seufzend auf.

„Ich danke ihnen wirklich sehr dafür. Dies erspart uns Zeit und ich muss zugeben, es würde mir schwer fallen, euch niederzustrecken. Zweifelt jedoch nicht daran, das ich es zur Not auch tun würde.“

„Gewiss!“, sagte Goethe und neigte leicht seinen Kopf.

Er erhob sich und hob eine Decke, die auf einer Reisetasche lag, langsam an.

Es war eine alte, angeschimmelte Tasche und das Quietschen der Scharniere erfüllte den Raum.

Gerade als die Tasche fast ganz offen war, ertönte plötzlich ein Ruf:

„Nein!“

Es war Philipp.

Verwundert sieht Curzio ihn an.

Fabio beißt sich nervös auf die Unterlippe.

„Nein!“, wiederholt Philipp, nun nicht mehr laut, jedoch immer noch bestimmt.

„Ihr werdet alles da lassen, wo es ist!“, sagt er dann langsam zu Fabio.

Goethe sieht seinen Gefährten verblüfft an. Dann erklärt er Fabio, was sein Diener gesagt hat.

„Philipp, es tut mir leid, aber du musst verstehen, es geht nicht anders, wir-“, beginnt Fabio, doch Philipp unterbricht ihn noch während Goethe für ihn übersetzt.

„Ihr werdet nichts entwenden. Keinen einzigen Dukaten bekommt ihr! Keinen Schmuck und auch keinen Stoff…“

Goethe versucht während Philipps Redeschwall zu erläutern, was dieser sagt..

Philipps Stimme schwillt an und erreicht schnell eine gefährliche Lautstärke.

Curzio flucht leise und sieht Fabio verwirrt und fragend an.

Dieser erklärt ihm in knappen Sätzen, was soeben geschehen ist.

Curzio sieht Philipp böse an, dann schreitet er entschlossen an Fabio vorbei.

„Warte!“, warnt ihn dieser, doch Curzio achtet nicht auf ihn.

Er will diese Tasche haben, in der hoffentlich alle wertvollen Gegenstände untergebracht waren und schnellstmöglich hier verschwinden.

Sollte sie irgendjemand bemerken, wäre ihr Gefängnis für immer verloren und die Last der Anforderungen und des Hohngeschreis, das auf sie zukommen würde, wären eine zu große für die Bande.

Sollten sie diese Tasche nicht bekommen, wäre das Schicksal der Meisterdiebe besiegelt.

Curzio flucht innerlich und nachdem er zwei Schritte gegangen ist, stellt Philipp sich ihm mit einem leisen Knurren in den Weg.

Mit hoch gezogenen Augenbrauen sieht Curzio ihm entgegen.

Er will sich schon an ihm vorbei drücken, als Philipp plötzlich ein Messer hervor zieht.

Curzio erstarrt, Goethe flucht leise und redet dann aufgeregt auf Philipp ein und Fabio zieht scharf die Luft ein.

„Du solltest das Messer sofort weglegen!“, zischt Fabio.

Schnell und zischend übersetzt Goethe.

„Ihr solltet besser sofort gehen!“, entgegnet Philipp.

„Sag ihm, dass ich ihm den Kopf abschneide, wenn er uns nicht in Ruhe lässt!“, sagt Curzio zornig.

„Curzio wird wütend. Und glaube mir, du willst ihn nicht wütend erleben!“, sagt Fabio nur zu Philipp.

Dieser schnaubt verächtlich nachdem Goethe ihm die Nachricht übermittelt hat und Curzios Augen verengen sich zu Schlitzen.

Fabio wirft seinem Bruder einen kurzen Blick zu und überlegt fieberhaft, wie es jetzt weitergehen soll.

„Ihr geht jetzt!“, sagt Philipp noch einmal.

Fabio ignoriert ihn und Curzio tut es ihm nach.

„Wie soll es jetzt weitergehen?“, fragt Goethe unsicher.

Fabio will gerade antworten, als Curzio einen Satz nach vorne macht und sich auf Philipp stürzt.

Da Curzio das Überraschungsmoment auf seiner Seite hat, landet Philipp überrumpelt auf dem Boden.

Curzio zischt und versucht Philipp das Messer aus der Hand zu schlagen, doch dieser hat sich wieder gefasst und fängt Curzios Arm ab.

Philipp verdreht Curzios Arm und nutzt die Gelegenheit um ihn von sich herunter zu schieben.

Voller Schmerz rutscht Curzio ein wenig zur Seite und wendet seine ganze Kraft auf, um Philipp abzuschütteln.

Fabio will seinem Bruder zu Hilfe eilen, doch ein harter Gegenstand trifft ihn am Kopf. Als er mit tränenden Augen aufsieht, erblickt er Goethe, der mit einem Kerzenständer in den erhobenen Händen dasteht.

Fabio stürzt auf seine Knie, während sein Blick an den Seiten verschwimmt und schwarz wird.

Unsicher sieht der Deutsche auf ihn herab.

Neben ihm ringen Curzio und Philipp mit einander.

Als es gerade so aussieht, als ob Philipp die Oberhand gewinnen wird, reißt Curzio sich von ihm los und schleudert seine Faust mit voller Kraft gegen Philipp.

Er trifft diesen mit solch einer Stärke oberhalb der Brust, dass er hinten über kippt und Curzio sich befreien kann.

Er will zur Tasche eilen, als eine Hand seinen Knöchel umschließt und ihn wieder nach unten zieht.

Schmerzhaft landet Curzio auf dem Boden, während sich die Finger in sein Fleisch bohren.

Curzio tritt mit dem freien Bein nach hinten aus, und als er spürt, wie sein Fuß etwas trifft, verschwinden die Finger und ein Stöhnen ertönt hinter ihm.

Ein letztes Mal rappelt sich Curzio auf und nähert sich seinem Ziel.

Goethe stellt sich zwischen ihn und die Tasche und sieht ihn unsicher an.

Curzio wischt sich langsam über die Lippe.

Er sieht auf seinen Ärmel und entdeckt eine rote Spur.

Er spuckt aus und Blut landet auf dem Boden.

„Basta!“, ruft er und sieht Goethe dann abschätzend an.

Dieser nickt langsam und Curzio weiß, dass er ihn verstanden hat.

Langsam lässt Goethe den Kerzenständer sinken, verliert Curzio aber für keine Sekunde aus den Augen.

Curzio blickt sich nach Philipp um, der bewusstlos am Boden liegt.

Curzio eilt zu ihm und entreißt ihm das Messer.
Dann wendet er sich wieder zu Goethe um. Die Hand mit dem Messer erhoben.

Goethes Augen weiten sich angstvoll.

Curzio sieht ihn schweigend an, als plötzlich ein leises Stöhnen zu hören ist.

Vorsichtig blickt Curzio sich um.

Fabio bewegt sich und steht dann wackelig auf.

Er schwankt kurz, hebt seinen Arm und betastet vorsichtig seinen Hinterkopf.

Er knurrt und als er den Arm wieder sinken lässt, glitzert seine Handfläche von frischem Blut.

Curzio sieht ihn kurz an und als Fabio nickt, zum Zeichen, dass alles in Ordnung ist mit ihm, dreht sich Curzio wieder zu seinem Opfer um.

Dieser sieht von Curzio zu Fabio und wieder zurück.

Curzio deutet mit dem Messer auf die Tasche und bedeutet Goethe dann, dass er zur Seite treten soll.

Goethe zögert kurz, machte dann aber den Weg frei.

Curzio nickt und eilt zur Tasche.

Er öffnet den Deckel ganz und sieht hinein.

Viele Papiere und auch einige Dukaten sehen ihnen entgegen.

Curzio stopft so gut es geht alles in seinen Mantel und Fabio macht es ihm gleich.

Als sie fertig sind, ist Curzio zufrieden mit ihrer Arbeit.

Mehrere Wertpapiere, einige Goldstücke und ein paar teure Stoffe bilden das Ergebnis ihrer harten Bemühungen.

Auch Fabio ist zufrieden.

„Es tut mir leid, dass es so weit kommen musste!“, sagt er schließlich an Goethe gewandt.

„Mir auch!“, erwidert dieser.

„Vielleicht werden wir eines Tages-“, beginnt Fabio, doch ein lautes Signal unterbricht ihn.

Erschrocken sehen er und Curzio in Richtung Tür.

Nach einem kurzen Moment ertönt das Signal erneut.

Sie lauschen und hören, wie einige Türen zu geschlagen werden und wie viele Passagiere wild durcheinander laufen.

Curzio nickt Fabio zu und dieser wendet sich, nach einem schnellen Blick auf Goethe, hastig zur Tür.

Die Schritte kommen näher und erneut ertönen laute Rufe.

Nervös sieht Curzio seinen Bruder an, eine stumme Frage in seinem Blick.

Fabio lauscht, dann wird er bleich.

„Sie suchen nach uns!“, erklärt er Curzio.

Dieser sieht ihn verwirrt an.

Die beiden Brüder sehen sich in dem Zimmer nach einer Fluchtmöglichkeit um.

Sie entdecken ein kleines Fenster, durch das kaum ein Mensch passen konnte.

Verzweifelt überlegten sie, wie sie das Schiff unbemerkt verlassen kann.

„Wir müssen hier raus!“, meint Curzio.

Fabio sieht ihn zweifelnd an.

„Wenn wir hier bleiben, finden sie uns auf jeden Fall, wenn wir aber raus gehen und ebenfalls Angst und Verständnislosigkeit vortäuschen, haben wir wenigstens eine Chance!“

Fabio überlegt einen Moment, dann gibt er nach.

Die Beiden holen einmal tief Luft und schleichen dann aus dem Zimmer.

Draußen herrscht ein wildes Durcheinander.

Jeder rempelt jeden an und laute Rufe hallen durch die Flure.

So schnell sie können laufen die Beiden auf das Deck des Schiffes.

Dort fallen sie beinahe einer Gruppe von Wachmännern in die Arme, doch Curzio rettet sie im letzten Augenblick.

Er ist überglücklich, dass er eben nach Fluchtmöglichkeiten gesehen hat, sodass sie jetzt keine Probleme haben und direkt wissen, was zu tun ist.

Sie gehen auf ein kleines Beiboot zu, dass Curzio entdeckt hat, doch als sie gerade damit begonnen haben, die ersten Taue zu lösen, mit denen es am Schiff gehalten wird, wird ein Mann auf sie aufmerksam.

Er schlägt Alarm und so schnell er kann streckt Curzio ihn nieder.

Bewusstlos sinkt der Mann zu Boden, doch zu spät.

Von allen Seiten kommen  Männer angerannt, die versuchen, sie zu erwischen.

Im letzten Augenblick gelingt es Curzio und Fabio das Boot herabzulassen.

Sie springen hinterher und nachdem sie für einen kurzen Moment ins eiskalte Wasser getaucht sind, retten sie sich auf das Boot.

Fabio ergreift die Ruder und beginnt, das Boot mit kräftigen Stößen vorwärts zu bewegen, weg von dem Schiff und somit weg von den Wachleuten.

Nachdem Fabio eine Weile gerudert hat und er erschöpft ist, übernimmt Curzio die Arbeit.

So geht es weiter, bis sie irgendwann wieder Land erreichen.

Sie verstecken das Boot, so gut es geht und eilen einen kleinen Abhang hinauf.

Oben angekommen sieht Curzio sich kurz um.

„Wir befinden uns an der Calle Rosa!“, sagt er. „Glaube ich!“, fügt er dann jedoch zweifelnd hinzu.

„Was soll das denn heißen? Du musst doch wissen, wo wir sind!“, sagt Fabio aufgebracht.

Die Nacht hat ihn sehr mitgenommen.

„Naja, das ist nicht mehr meine Gegend. Wenn wir dort sind, wo ich denke, befinden wir uns in der Nähe von San Polo.

Das heißt, wir müssen zusehen, dass wir hier schleunigst verschwinden!“, erklärt Curzio.

Fabio seufzt leise und gemeinsam machen die Beiden sich auf den Weg nach San Salvador.

Gerade, als sie die Rialto Brücke überquert haben, hört Curzio etwas.

Er gibt Fabio ein Zeichen, dass er stehen bleiben und still sein soll.

Fabio erstarrt augenblicklich und kein Mucks ist mehr zu hören.

Nach einem kurzen Moment ertönt wieder das Geräusch.

Es sind Schritte, soweit Curzio es erkennen kann.

Gerade als er sich unsicher umsieht, springen neben ihnen, in einer Seitengasse, zwei Gestalten auf den Weg.

Curzio versucht etwas zu erkennen, doch es ist zu dunkel.

Die Gestalten kommen langsam auf sie zugeschlichen.

Curzio zückt das Messer, dass er Philipp abgenommen hat und bereitet sich darauf vor, es erneut zu benutzen.

Nach einigen Augenblicken, haben die Gestalten sie erreicht. Es sind zwei Männer, der eine klein und abgemagert, der andere groß aber ein wenig fülliger.

Sie bleiben vor ihnen stehen und sehen sie nachdenklich an.

Dann spricht der eine von ihnen:

„Seid ihr Curzio und Fabio?“

Curzio überlegt kurz und nickt dann zögerlich.

„Gut. Mein Name ist Cosimo und dies ist Antonio. Maestro Caio schickt uns!“, erklärt der Mann.

Curzio sieht sie misstrauisch an. Was wollte Caio?

„Steck das Ding weg!“, sagt Antonio plötzlich.

Verwirrt blickt Curzio ihm entgegen.

„Nein. Und jetzt sagt, was Caio will, oder wir gehen!“

Wütend sieht Cosimo Curzio an, dann zischt er:

„Ihr habt nicht mehr lange Zeit. Ihr solltet euch besser ranhalten. Außerdem sollt ihr euch aus anderen Stadtvierteln raushalten, denn die Diebe dort beschwerten sich bei ihm.“, antwortet Antonio, jetzt mit einem amüsierten Lächeln.

„Na super. Sagt Caio, dass wir bald zu ihm kommen werden, in einem, höchstens zwei Tagen!“, antwortet Curzio kühl.

Antonio erstarrt und Cosimo lässt drohend die Knöchel knacken!

„Er heißt immer noch Maestro Caio. Auch für dich!“, knurrt Antonio wütend.

„Ich nenne ihn, wie ich will und von so zwei Handlangern, wie ihr sie seid, lasse ich mir ganz gewiss nicht drohen!“, antwortet Curzio herablassend.

Antonio schimpft leise und Cosimo tritt einen Schritt näher.

Curzio will sich schon für einen Kampf mit den Fäusten widmen, als er plötzlich etwas aufblitzen sieht. Cosimo hat ebenfalls ein Messer in der Hand.

Erschrocken weicht Curzio ein Stück zurück. Dann lockert er kurz sein Handgelenk und geht leicht in die Knie.

Cosimo brummt böse und Antonio lacht leise.

Curzio wartet und Cosimo macht einen Sprung nach vorne.

Curzio weicht ihm aus und rammt ihm seinen Ellenbogen in den Rücken.

Cosimo heult auf vor Wut und Schmerz und wirbelt zu ihm herum.

Curzio bereitet sich auf einen erneuten Angriff vor und behält Cosimo im Blick, während er auch Antonio aus den Augenwinkeln beobachtet.

Cosimo springt wieder nach vorne, ändert mitten im Flug die Richtung und stürzt sich plötzlich auf Fabio.

Dieser ist auf den Angriff nicht vorbereitet und wird überrumpelt.

Er und Cosimo landen auf dem Boden und ein Schrei zerreißt die Stille der Dunkelheit.

Curzios Herz setzt einen Moment aus und als Cosimo sich erhebt und zusammen mit Antonio schnellstmöglich das Weite sucht, rasen Curzios Herz und seine Gedanken wild umher.

Er sieht auf Fabio und entdeckte eine große Wunde auf dessen Brust, aus der stetig eine dunkle Flüssigkeit quillt. Bestürzt springt Curzio zu seinem Bruder, der auf seine Rufe keine Reaktion zeigt.

Kapitel 25 - Efrem

Efrem

 

„Es ist unglaublich!“, rief Efrem erfreut.

Sie saßen alle, abgesehen von Fabio und Curzio, in ihrer Vorratskammer und begutachteten ihr Werk.

Efrem, Lea, Lucio, Rico, Leandro und Adriana war es tatsächlich gelungen an einem Tag ungefähr eintausend Dukaten zu stehlen.

Diese Tatsache versetzte sie alle in Hochstimmung.

Seit ein paar Stunden saßen sie alle zusammen und zählten ihre Beute.

Wenn Fabio und Curzio Erfolg gehabt haben sollten, wäre ihnen das Versteck sicher.

„Wir haben es tatsächlich geschafft!“, rief Rico aus und sprang auf, nahm Lea bei den Händen und begann sich mit ihr im Kreis zu drehen.

„Rico, entspann dich! Noch sind Fabio und Curzio nicht zurück. Was ist, wenn sie es nicht geschafft haben?“, versuchte Lucio den Übermut seines Kameraden zu bremsen.

„Ach, jetzt sei nicht immer so ein Schwarzseher! Wir reden hier von Curzio, dem größten Meisterdieb seiner Zeit. Äh, zusammen mit dir natürlich!“, sagte Lea.

Lucio grinste kurz, sagte aber nichts mehr.

Die anderen feierten ihren noch ungewissen Sieg fröhlich.

Sie sangen und tanzten und berichteten sich gegenseitig von ihren Raubzügen.

Lucio hielt sich im Hintergrund und beobachtete die Bande nachdenklich.

Efrem kam nach einer Weile zu ihm.

„Was ist mit dir?“, fragte er.

„Was soll sein?“, erwiderte Lucio.

Efrem hob zur Antwort nur die Augenbrauen und sah ihn zweifelnd an.

„Es geht mir gut. Doch es wundert mich, dass gerade du zu mir kommst. Mir schien immer, als wär dir nicht wohl in meiner Gegenwart!“, sagte Lucio spöttisch.

Efrem schluckte schwer und sah Lucio abschätzend an.

„Nun ja. Du bist ein Einzelgänger. Ich wusste nie, wie ich mit dir reden sollte!“

„Nicht schlimm. Ich hätte dich vermutlich eh abgewiesen.“, sagte Lucio kalt.

Efrem zuckte leicht, hielt sich aber tapfer.

„Wieso solltest du?“

„Weil ich, wie du schon sagtest, ein Einzelgänger bin. Ich mag es nicht besonders mit anderen zu reden!“

„Und was ist mit Curzio?“, fragte Efrem verwirrt.
„Curzio ist etwas anderes! Er ist mein bester Freund und durch ihn habe ich ein neues Leben begonnen. Er war immer für mich da!“

Efrem schwieg.

Noch nie zuvor hatte er wirklich irgendwo alleine mit Lucio gesessen und in Ruhe mit ihm geredet.

Lucio folgte seinem Beispiel und schwieg, beobachtete ihn jedoch aufmerksam.

Irgendwann brach Efrem die Stille:

„Wieso tust du es jetzt?“

„Bitte was?“, fragte Lucio.

„Warum redest du jetzt mit mir?“

„Nun ja, du bist zu mir gekommen. Dich anzuschweigen wäre ein bisschen unhöflich!“

„Was interessiert es jemanden wie dich, ob du unhöflich zu einem wie mir bist?“ fragte Efrem herausfordernd.

„Was bist du denn für einer?“

„Na ja, ich bin nicht ansatzweise so wichtig wie du. Ich habe den Maestro Caio zum Beispiel noch nie gesehen, geschweige denn, mit ihm verhandelt. Mich achten die Leute nicht so wie dich und niemand zuckt zusammen, sobald er meinen Namen hört. Wieso solltest du dir also Gedanken darum machen, dass du unhöflich zu mir sein könntest?“, erklärte Efrem.

„Du bist wichtig. Ohne dich und deine Hündin hätten wir das Gold zum Beispiel nicht zusammenbekommen. Gut, zugegeben, so ein großer Dieb wie ich, bist du noch nicht, aber doch bist du Teil eines Ganzen, dass ohne dich weniger Wert wäre. In dieser Bande zählt nicht einer allein, sondern alle zusammen. Curzio und ich sind da auch keine Ausnahme!“

Efrem schwieg und dachte über das nach, was Lucio gerade gesagt hatte.

Lucio unterbrach seine Gedanken nicht und fuhr damit fort die anderen zu beobachten.

„Wieso erzählst du mir das alles? Du erschienst mir nie wie jemand, der die Moral anderer Leute hebt und sie in ihren Unternehmungen stützt.“, sagte Efrem nach einer Weile.

„Lass es mich so sagen, die Zeiten ändern sich, die Menschen ändern sich und die Situationen ändern sich. Vielleicht war dies gerade die einzige Möglichkeit, dir mitzugeben, was ich in meinem Leben lernte: Niemand kann alleine überstehen, was eine Gemeinschaft ihm in den Weg legt!

Caio bildet diese Gemeinschaft, da er viele Handlanger und viele Verbündete hat und nur als eine Bande konnten wir uns ihm widersetzen. Doch ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!“

„Wie meinst du das?“, fragte Efrem.

„Ich werde feiern. Doch erst, wenn Curzio und Fabio zurückgekehrt sind und mit Erfolg Handelsware besorgt haben!“, erklärte Lucio.

Efrem nickte.

„Was glaubst du, wie es weitergeht?“, fragte er dann.

Lucio schwieg eine Weile, dann sagte er mit einem leisen Lächeln:

„Lieber Efrem, es war schön mit dir zu plaudern, doch ab hier wird es mir zu viel. Bitte, versteh mich nicht falsch, doch noch haben die Zeiten sich nicht geändert und noch bist du nicht Curzio!“

Efrem lächelte ebenfalls und ließ Lucio nach einem letzten Blick alleine.

„Was ist denn mit Lucio los?“, wollte Rico wissen, als Efrem sich wieder zu ihnen gesellte.

„Nichts. Er ist wie immer!“, sagte Efrem mit einem wissenden Lächeln.
Rico zuckte die Schultern und wandte sich dann wieder Adriana zu, mit der er sich zuvor aufgeregt unterhalten hatte.

Efrems Hochgefühl war nach dem Gespräch mit Lucio ein wenig gesunken.

Er hatte Recht. Noch war Curzio nicht da und somit war auch das Gold noch nicht da.

Efrem beschloss, nach Face zu sehen, die sich oben in eine der Zellen zurückgezogen hatte.

Er stieg die Treppe hinauf und blickte hier und da in einige Räume, um zu sehen ob sie dort lag.

Er hätte sie rufen können, doch er wollte ihr die Ruhe gönnen, nachdem sie die letzten Tage so mitgenommen gewesen war.

Gerade als er das Ende des Ganges erreicht hatte, hörte er ein seltsames Geräusch.

Es war eine Mischung aus Schlurf- und Schniefgeräuschen.
Fast hörte es sich so an, als ob etwas über den Boden kriechen würde.

Efrem ging langsam die Wand entlang um wieder zur Treppe zu gelangen, die zum Eingang des Gefängnisses führte.

Er erreichte den Treppenabsatz, als er ein seltsames Kribbeln im Nacken spürte. Er wandte sich um und erblickte Face, die langsam auf ihn zu schlich. Auch sie hatte diese seltsamen Geräusche gehört.

Efrem blickte um die Ecke und sah einen absurden Umriss.

Auf den ersten Blick, sah es aus, wie ein Mensch, doch hatte dieser Mensch merkwürdige Konturen.

Die eine Schulter wirkte viel größer und breiter als die andere und der Gang erschien merkwürdig schief.
Die Gestalt zog das eine Bein nach und verbog ihren Rücken, als ob ein schweres Gewicht auf ihr lagern würde.

Dann wurde es Efrem plötzlich klar.

Das war ein Mensch, der etwas Schweres über die Schulter gehievt hatte.

Die Gestalt machte noch zwei Schritte, doch am Treppenabsatz, sackte sie zusammen.

Ein Stöhnen erklang und etwas rutschte zu Boden.

Face hob den Kopf und schnüffelte. Dann knurrte sie, wedelte gleichzeitig jedoch mit dem Schwanz. Verwundert sah Efrem sie an.

Sie musste es kennen, was immer auch oben auf der Treppe saß.

Efrem fiel nur eine Sache ein.

„Curzio?“, flüsterte er vorsichtig und trat auf die Treppe.

Ein Brummen ertönte, dann ein Schluchzer.

Jetzt war sich Efrem sicher.

Er eilte die Stufen hinauf und versuchte etwas zu erkennen.

Curzio lag jetzt halb am Boden, völlig erschöpft. Neben ihm lag etwas Längliches.

„Was ist passiert?“, wollte Efrem wissen, doch Curzio unterbrach ihn.

„Los, schnell, hol Hilfe. Er ist verletzt!“, brachte er mühsam hervor.

Nun erst verstand Efrem, was da neben Curzio lag.

Es war Fabio.

„Hilfe!“, schrie Efrem im nächsten Moment, so laut er konnte und ließ sich dann neben seinem Anführer nieder.

Nach einigen Augenblicken, tauchten unten die anderen auf.

„Lean, Lucio, schnell, Fabio, er ist verletzt, ihr müsst ihn runtertragen. Rico, du musst mir mit Curzio helfen, er ist erschöpft.“, rief Efrem.

Lean, Lucio und Rico stellten keine Fragen, sondern eilten sofort zu ihm nach oben.

Face, Adriana und  Lea standen unten an der Treppe und sahen besorgt hinauf.

Lean und Lucio erreichten Efrem als erstes.

Sie tasteten nach Fabio, dann packte einer ihn an den Beinen, der andere nahm seine Arme.

Gemeinsam hievten sie ihn hoch und trugen ihn dann vorsichtig die Treppe hinab, bis nach ganz unten, wo die unteren Zellen lagen.

Rico half Efrem, Curzio hochzuheben und ihm als Stütze zu dienen.

Zu dritt schritten sie die Treppe mehr schlecht als recht hinab, bis sie ganz unten angekommen waren und Rico und Efrem Curzio auf einen Stuhl setzten.

Als Curzio halbwegs sicher saß, eilte Efrem zu den anderen, die Fabio auf einen alten Tisch gelegt hatten.

Fabios Oberkörper war mit Blut überdeckt und Lea drückte feste ein Tuch gegen seine Brust.

„Was ist mit ihm?“, fragte Adriana besorgt.

„Eine Wunde in der Brust, vermutlich mit einem Messer. Sie ist sehr tief. Ich kann die Blutung nicht stoppen.“, erwiderte Lea verzweifelt.

„Kriegst du das wieder hin?“, frage Rico.

Efrem sah sich verwirrt um. Er dachte Rico sei noch bei Curzio, doch anscheinend war er ihm gefolgt.

„Ich weiß es nicht. Er ist sehr bleich und scheint eine Menge Blut verloren zu haben.“, sagte Lea und Tränen stiegen ihr in die Augen.

Rico ergriff ihre freie Hand und drückte diese kurz.

„Beruhige dich. Lass mich mal gucken!“, sage Lucio.

Efrem sah ihn verwundert an. Er war noch immer ruhig, doch auch in seinem Gesicht spiegelte sich Schmerz wieder.

Lea trat einen Schritt zur Seite und überließ es Lucio, sich um die Wunde zu kümmern.

Dieser hob kurz das Tuch, doch als das Blut beängstigend schnell aus der Wunde quoll, drückte Lucio es schnell wieder darauf.

Er seufzte leise und berührte dann Fabios Stirn.

Ein Schauder fuhr durch Efrem. Es sah nicht gut aus.

Lucio hob ein Augenlied an, doch das Auge starrte nur regungslos nach oben.

Lucio ließ das Tuch los.

„Was tust du da? Du musst auf die Wunde drücken, damit er nicht noch mehr Blut verliert!“, schrie Leandro verzweifelt und mit brüchiger Stimme.

Er wollte sich an Lucio vorbei drängen und die Sache selbst in die Hand nehmen, doch Lucio streckte einen Arm aus und hielt ihn zurück.

Leandro versuchte sich zu wehren, doch Lucios Griff war eisern.

„Es ist zu spät. Er hat zu viel Blut verloren!“, sagte Lucio leise, aber bestimmt.

Leandro und Adriana schrien auf, Lea begann schluchzend zu weinen und auch Efrem spürte, wie die Tränen seine Wagen hinunter kullerten.

„Es tut mir leid, doch wir können nichts mehr machen.“, sagte Lucio.

„Wir müssen nach Curzio gucken, ob er verletzt ist!“, sagte Lea plötzlich. Dennoch schaffte sie es nicht, sich von Rico zu lösen, der sie tröstend in den Arm genommen hatte.

Lucio blickte noch einmal nervös zu Leandro, der sich nun jedoch mit dem unvermeidlichen abgefunden zu schienen hatte.

Lucio ließ ihn los und eilte zu Curzio.

Dieser saß reglos am Stuhl.

„Curzio!“, rief Lucio laut und mit angsterfüllter Stimme.

Curzio regte sich und öffnete ein Auge.

„Was ist mit ihm. Überlebt er es?“, fragte Curzio schwach.

Lucio hatte ihn erreicht und ließ sich neben seinem Freund nieder, um ihm ins Gesicht blicken zu können.

„Es tut mir Leid.“, sagte er matt.

Curzio heulte auf und sank von dem Stuhl zu Boden.

Lucio zog ihn in seine Arme und wiegte ihn leicht hin und her, während Curzio wehklagend schrie.

„Das darf nicht wahr sein. Ich kann ihm noch helfen.“, sagte Curzio wie im Wahn und er versuchte sich aus Lucios Griff zu befreien.

Dieser hielt ihn jedoch fest und begann ihn mit Worten zu beruhigen.

Lange saßen sie so am Boden, bis Curzios Tränen verebbten und er sich beruhigte.

Die anderen hatten sich zu ihnen gesetzt und weinten jetzt nur noch stumm um den Verlust.

Die ganze restliche Nacht saß die Bande so da, bis Curzio sich zitternd erhob und in die Runde sah.

Lucio blickte ihn von unten unsicher an, schien jedoch zu beschließen, dass es seinem Freund wieder gut genug ging, um selbst stehen zu können.

„Wie ihr alle wisst, war Fabio ein großartiger Mensch!“, begann Curzio trocken.

Adriana schluchzte und klammerte sich an Leandro. Dieser blickte nur noch ausdruckslos nach vorne.

„Er war mein Bruder und euer Anführer. Er war ein guter Dieb und ein ehrenwerter Mensch.

Er verbrachte sein Leben damit, arme Leute zu unterstützen, in dem er den reichen Leuten das Gold nahm und ihre Pläne somit durchkreuzte.

Dennoch verletzte er niemanden, wenn es nicht unbedingt nötig war, was nur noch schlimmer macht, wie er sein Leben  genommen bekam.

Es war hinterhältig und gemein, doch mein Bruder starb im Kampf, so wie er es bestimmt immer gewollt hatte. Er wird in unseren Herzen weiterleben!“

Als Curzio geendet hatte, schwiegen alle, doch Leandro und Adriana nickten.

Curzio atmete einmal tief durch, dann ging er zu der Leiche seines Bruders.

Er schloss mit einer Hand dessen Augen und erwies ihm somit die letzte Ehre.

„Wir sollten ihn begraben!“, meinte Rico matt.

„Nein!“, erwiderte Curzio bestimmt. „Er wird geehrt, wie es ein wahrer Meisterdieb verdient. Wir werden seinen Körper verbrennen und die Asche vom Wind davon tragen lassen, damit er auch nach seinem Tod noch immer frei ist!“

Die andern nickten und auch Rico neigte den Kopf.

Zusammen mit Lucio trug Curzio den Körper seines Bruders nach oben.

Sie wickelten ihn in ein altes Tuch, suchten eine Flasche Steinöl, die sie ebenfalls einsteckten und gemeinsam mit den anderen, verließen sie das Gefängnis.

Einige Leute sahen sie argwöhnisch an, doch das kümmerte sie alle nicht.

Sie trugen Fabio durch Seitengassen aus der Stadt hinaus, bis sie einen kleinen Hügel erreichten.

Oben angekommen legten sie Fabio auf einen länglichen Stein.

Curzio suchte altes, trockenes Holz zusammen und legte es neben den Stein.

Dann zog er das Öl hervor, löste das Tuch von dem Körper seines Bruders und tränkte es in der Flüssigkeit. Das restliche Öl goss er über den Leichnam.

Zuletzt legte er das Holz über und neben seinen Bruder, sodass vor ihnen ein großer Haufen Holz aufragte.

„Möchte noch jemand etwas sagen?“, fragte er dann trocken.

Keiner sagte etwas, doch dann trat Adriana vor.

„Er war mir ein großer Bruder und ich werde ihn niemals vergessen!“

Leandro nickte und verbarg dann sein Gesicht.

Auch Lucio ergriff das Wort.

„Leider hatte ich nur kurz das Vergnügen ihn kennenzulernen, doch ich kenne seinen Bruder und deshalb muss auch er ein großartiger Mensch gewesen sein. Er wird in unseren Herzen weiterleben!“

Curzio nickte, dann flüsterte er:

„Lebe wohl, mein kleiner Bruder, wenn die Zeit gekommen ist, werde ich zu dir stoßen!“

Er entfachte ein Feuer und wenige Augenblicke später standen sie alle um eine lodernde Flamme herum.

Efrem, Lea, Rico, Adriana und Leandro weinten, doch Lucios und Curzios Gesichter blieben ausdruckslos.

Nur in Curzios Augen blitze der Schmerz auf, der in seinem Inneren herrschte.

Nach einer Weile schrumpfte das Feuer, bis es irgendwann ganz verloschen war und nur noch Asche dalag.

Wie zum Zeichen, dass der Himmel sie unterstütze, kam ein starker Wind auf und trug die Reste von Fabio davon.

Einige Augenblicke blieben sie alle noch stehen, dann machten sie sich auf den Weg zu ihrem Versteck.

Kapitel 26 - Lea

Lea

 

Als sie das Versteck erreicht hatten, zogen sich alle ein wenig zurück, um über das Geschehen nachzudenken.

Lea saß eine Weile in ihrer Zelle, bis sie beschloss, mit Curzio zu reden.

Sie suchte eine Weile nach ihm, bis sie ihn in ihrer Lagerkammer fand, wo er die Gegenstände und Papiere, die er und Fabio geklaut hatten, in die noch nicht ganz vollen Kisten schüttete.

„Curzio?“, flüsterte Lea vorsichtig, als sie von hinten an ihn heran trat.

Er wandte sich zu ihr um und sah sie abwartend an.

„Wie geht es dir?“, brachte sie nach einer Weile leise hervor.

„Schon besser!“, sagte Curzio mit tonloser Stimme.

Lea seufzte und setzte sich hinter ihm auf eine geschlossene Kiste.

„Willst du reden?“, fragte sie dann.

Er überlegte kurz, schüttelte dann aber den Kopf.

„Kann ich dir sonst irgendwie helfen?“, f rage sie.

„Ich denke nicht, aber das ist lieb von dir!“, antwortete Curzio.

Er schenkte ihr ein kleines, kaum überzeugendes Lächeln.

Sie erhob sich, machte einen Schritt auf ihn zu und umarmte ihn.

Zuerst reagierte Curzio nicht, stand einfach nur bewegungslos da, doch dann hob auch er die Arme und erwiderte die Umarmung.

Nach einem kurzen Moment zog er Lea mit einem leisen seufzen fester an sich.

Sie ließ es zu und wartete.

Einige Augenblicke später ließ Curzio sie wieder los, hielt aber immer noch ihren Arm mit einer Hand fest.

„Ich danke dir!“, flüsterte er.

„Wenn es dir hilft, bin ich gerne für dich da.“

Curzio nickte leicht und blickte Lea unverwandt an.

Sie zögerte kurz, dann beugte sie sich langsam nach vorne und legte ihre Lippen auf Curzios.

Dieser schien überrascht, erwiderte den Kuss aber.

Sie löste sich von ihm und sah ihn unsicher an.

Er lächelte und sie legte ihren Kopf auf seine Schulter.

Lange Zeit standen sie so da, bis Curzio plötzlich sagte:

„Am besten, du rufst die anderen zusammen. Ihr solltet erfahren, was letzte Nacht geschah!“

Lea sah ihn nervös an, nickte aber und verschwand.

Curzio holte tief Luft, dann folgte er ihr und ging zu den unteren Zellen.

Nach einigen Augenblicken, hatten sich alle versammelt und sahen ihn fragend an.

„Ich denke, ihr solltet erfahren, was Fabio und mir passiert ist.“, erklärte Curzio.

Die andern setzten sich, wie lange Zeit zuvor schon, in einem Halbkreis um ihn herum und Curzio ließ sich im Schneidersitz vor ihnen nieder.

Er blickte einmal durch die Runde.

Lucio sah ihn abwartend und aufmerksam an, Lea beäugte ihn besorgt.

Leandro und Adriana war noch immer der Schmerz anzusehen und Efrem wirkte irgendwie verstört.

Rico saß da, in seinem Blick lag etwas Bedauerndes.

Curzio holte noch einmal tief Luft, dann begann er mit seiner Geschichte:

„Als erstes machten Fabio und ich uns für die Reise fertig. Wir zogen uns um und verkleideten uns erfolgreich als reiche Geschäftsmänner. Wir verließen das Versteck und machten uns auf den Weg zu der Anlegestelle, an der Goethe und sein Gefährte Philipp auftauchen sollten.

Kaum waren wir draußen auf den Gassen, als das erste Problem auftauchte. Ein Mann entdeckte uns, doch wir schafften es, ihm vorzutäuschen, wir hätten uns verirrt und wären aus diesem Grund in solch einer Gegend. Es gelang uns also, unbemerkt zur Ponte di Rialto zu gelangen, wo das Schiff ablegen sollte. Goethe und Philipp hielten sich anfangs gegenüber den andern Reisenden sehr zurück, weshalb es uns schwer fiel, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Als wir dann am nächsten Tag in Trieste ankamen, machten sich die Beiden auf den Weg, um die Stadt zu erkunden und wir schlossen uns ihnen an. Wir kamen mit ihnen ins Gespräch, wobei das nur Fabio zu verdanken ist. Er konnte ein wenig Englisch, was unsere einzige Chance war, überhaupt mit ihnen zu reden. Ich verstand nichts von dem, was sie sagten, doch Fabio erklärte mir bald, dass alles gut lief. Nachdem wir den Tag mit ihnen in Trieste verbracht hatten, stießen wir abends, bei der Rückfahrt, mit den Beiden an.

Schon bald hatten wir sie in der Hand. Gemeinsam bezogen wir das Zimmer von Goethe, wo wir einige Flaschen Wein leerten. Nun ja, um genau zu sein, er und sein Diener, denn die Beiden bemerkten nicht, dass wir kaum etwas tranken.

Nachdem Goethe vollends betrunken war, offenbarte Fabio unsere wahre Identität und unsere Absichten.

Goethe sah ein, dass er keine Chance hatte und wollte uns schon das Gold geben, als sich Philipp plötzlich auf uns stürzte. Wir lieferten uns einen Kampf mit den Beiden, den wir mit Glück gewannen. Wir nahmen uns gerade die Beute, als wir bemerkten, dass man nach uns suchte. Zwar weiß ich noch immer nicht, wie man von uns erfahren konnte, doch uns blieb nur die Flucht.

Wir klauten das Beiboot und flüchteten auf Wasserwege. Wir konnten entkommen und erreichten wieder festen Boden unter den Füßen. Nachdem wir die Ponte di Rialto überquert hatten, liefen wir auf einmal Caios Leuten in die Arme. Sie drohten uns, dass die Zeit bald abgelaufen sei und wir uns ranhalten sollen.

Es kam zu einer Meinungsverschiedenheit und dann zu einem Kampf. Einer von ihnen hatte ein Messer und begann einen Zweikampf mit mir. Während dem Kampf änderte er jedoch seine Meinung und fiel über Fabio her. Dieser war nicht darauf vorbereitet und wurde überrumpelt. In diesem Moment führte der andere ihm die Verletzung zu.

Die Beiden verschwanden feige und ließen uns zurück.

Ich trug Fabio zurück, den Rest kennt ihr ja!“, endete Curzio.

Einen Moment schwiegen alle, dann meinte Lucio:

„Du sagst, sie haben nach euch gesucht?“

Curzio nickte.

„Maledetto!“, fluchte Lucio.

„Was ist?“, frage Curzio verwirrt.

„Es war meine Schuld!“

Verblüfft sah Curzio seinen Freund an.

„Ich habe Caio doch da drüber informiert, wo ihr steckt. Hätte ich nichts gesagt, hätten seine Handlanger euch nie gefunden!“

„Das ist Unsinn. Ich sagte dir, du sollst ihn informieren. Es ist nicht deine Schuld. Es war ein schrecklicher Zufall!“, versuchte Curzio ihn zu beruhigen.

„Nein. Ich gab ihm die nötige Information!“, redete Lucio weiter, jetzt mit bleichem Gesicht.

„Silenzio! Was passiert ist, ist passiert und jetzt hör auf dir Vorwürfe zu machen!“

Lucio schwieg, blickte aber noch immer verzweifelt umher.

„Wir können das Geschehene nicht rückgängig machen, also sollten wir jetzt lieber über die Zukunft nachdenken. Wie soll es weitergehen?“, fragte Curzio in die Runde, wobei er Lucio noch einmal böse ansah, da dieser noch immer nachzugrübeln schien.

„Als erstes müssen wir gucken, was wir wegen Caio machen. Wir müssen die Papiere, die Stoffe und alles Wertvolle in Gold umtauschen und es ihm, zusammen mit dem, was wir schon erbeutet haben, bald geben.“, sagte Rico langsam.

„Wieso sollten wir ihm auch noch das Gold geben? Reicht es nicht, dass er sich einen von uns genommen hat?“, warf Leandro ein.

„Er hat recht!“, meinte Efrem trocken.

„Soll Fabio umsonst gestorben sein?“, meinte Adriana wütend.

„Nein, eben deswegen sollten wir Caio nicht seinen Willen geben. Er kann nicht einfach nach Lust und Laune die Leute ermorden und dann noch bekommen, was er will!“, sagte Efrem.

„Sollen wir warten, bis er noch einen von uns umbringt. Vielleicht Lea oder Face oder Rico. Soll das so weitergehen?“, fragte Adriana bissig.

„So kommen wir nicht weiter!“, sagte Lucio bestimmt und machte dem Streit somit ein Ende.

„Wir müssen gemeinsam eine Lösung finden.“

Adriana nickte und Efrem sah sie kurz an.

„Vielleicht sollten wir-!“, begann Curzio, doch plötzlich begann Face knurren. Sie hatte die Ohren zurückgelegt und blickte zur Treppe.

„Da ist jemand!“, sagte Efrem.

Curzio und Lucio sahen sich kurz an, dann näherten sie sich vorsichtig der Treppe und gingen langsam hinauf.

Efrem, Lea, Rico, Adriana und Leandro standen abwartend unten und beobachteten den Treppenabsatz.

Sie hörten einen Fluch, der eindeutig nach Curzio klang, dann einen Schlag und im nächsten Moment rollte ein älterer Mann die Treppe herunter.

„Wie kannst du es wagen, hier her zu kommen.“, schrie Curzio, während er die Treppe herab stieg.

Lucio legte von hinten einen Arm um seinen Freund und hielt ihn zurück.

Der Mann rappelte sich auf und sah Curzio wütend an.

„Pass auf, Scento, überlege dir, mit wem du redest!“

Curzio spuckte aus, ließ sich von Lucio aber zurückhalten.

„Wer sind sie, dass sie es wagen, so mit Curzio zu reden?“, fragte Lea wütend.

„Sei still, Lea!“, rief Curzio warnend.

„Wer ich bin? Lea Bariello, du musst lernen, deine Zunge zu hüten, sonst kostet dich dein vorlautes Mundwerk eines Tages den Kopf.“, sagte der Mann.

Verblüfft sah Lea ihn an.

„Woher wissen sie meinen Namen?“, fragte sie dann.

„Ich weiß all eure Namen. Ich weiß eure ganzen Lebensgeschichten. Aus diesem Grund solltet ihr mehr Respekt haben und nicht wie vorlaute Kleinkinder mit mir reden!“, knurrte der Mann.

Da wurde es Lea klar. Sie hatte gerade den mächtigsten Mann in Venezia beleidigt.

Sie senkte den Kopf und presste die Lippen aufeinander.

„Lass sie in Ruhe, Caio!“, sagte Lucio.

„In Ordnung, aber bringt euren Haustieren mal Manieren bei!“

Curzio knurrte und Lucio ballte seine Hände zu Fäusten.

„Wie wäre es, wenn du dich mal um deine Haustiere kümmerst!“, zischte Curzio wütend.

Der arrogante Gesichtsausdruck von Caio verschwand.

„Curzio, deswegen bin ich gekommen. Ich bin untröstlich über das, was geschehen ist. Es war ein Unfall!“, sagte Caio.

„Ein Unfall?“, wiederholte Curzio und schritt auf Caio zu. Jetzt hielt Lucio ihn nicht zurück.

„Durch deinen Unfall ist mein Bruder gestorben! Deine verfluchten Männer haben sich nicht unter Kontrolle und jetzt ist mein Bruder tot. Und du wagst es doch tatsächlich, hier aufzukreuzen und meine Leute niederzumachen. Wie kannst du es wagen, in einem solchen Ton mit mir zu reden, nachdem mein Bruder wegen deinen dreckigen Geschäften sterben musste?“, schrie Curzio jetzt.

„Hör mal, Curzio, es tut mir wirklich leid. Ihr müsst mir das Gold natürlich nicht geben. Ich mein, ist doch selbstverständlich.“, sagte Caio mit freundlicher Miene.

„Ach ja?“, zischte Lucio. „Und was ist noch selbstverständlich? Was verlangst du von uns?“

„ Nun ja, es wäre wichtig, dass ihr nicht erzählt, weshalb und wie dein Bruder starb. Es würde sich schlecht machen, die Leute würden anfangen zu zweifeln und es würde wirklich böse zugehen in dieser Stadt. Curzio, das willst du doch nicht!“

Curzio knurrte.
„Raus hier!“

Caio sah ihn verblüfft an.

„Ich sagte, raus hier! Verschwinde aus meinem Versteck. Und wag es ja nicht, hier noch mal aufzutauchen!“

Caio reagierte nicht und Curzio machte einen bedrohlichen Schritt auf ihn zu.

Widerwillig drehte Caio sich um und eilte die Treppe hinauf.

Stille erfüllte den Raum.

„Wie oft ist es schon vorgekommen, dass jemand den Maestro Caio angeschrien hat, ihn aus seinem Haus geworfen hat und Caio ernsthaft gemacht hat, was von ihm verlangt wurde?“, durchbrach Efrem das Schweigen.

 „Nun ja, ich würde sagen genau ein Mal. Und zwar gerade. Das sollten wir feiern!“, sagte Lucio mit tonloser Stimme.

Curzio schwieg.

„Den sind wir ein für alle mal los!“, stellte Leandro fest.

„Das stimmt wohl, doch ich kann es noch immer nicht fassen!“, sagte Rico.

„Wollen wir jetzt unseren Sieg genießen, auch wenn er getrübt wird durch den Tod eines wunderbaren Menschen?“, fragte Efrem.

„Lasst uns feiern. Fabio hätte uns in den Hintern getreten, wenn wir einen solchen Erfolg nicht angemessen genossen hätten!“, stellte Curzio fest.

Es dauerte eine Weile, doch dann hatten sie alle verarbeitet was gerade passiert war, genossen wirklich, was geschehen war und verarbeiteten so den Verlust, den sie erlitten hatten.

Sie aßen und tranken, lachten und tanzten noch die ganze Nacht durch.

Nach einiger Zeit kam Lucio zu Curzio.

„Ich muss mit dir reden!“

Curzio nickte und folgte seinem Freund dann in die oberen Zellen.

Lea, die Curzio kaum aus den Augen gelassen hatte, beobachtete besorgt, wie er verschwand.

Sie mochte Lucio, doch was konnte er jetzt von Curzio wollen?

Angestrengt versuchte sie sich darüber keine Gedanken zu machen, doch es beschäftigte sie die ganze Zeit.

Sie wartete einige Augenblicke, dann konnte sie sich nicht mehr zusammenreißen.

So unauffällig wie möglich, folgte sie den Beiden.

Vorsichtig, darauf bedacht kein Geräusch zu verursachen, schlich sie die Treppe hoch.

Sie lauschte auf Stimmen und hörte nach kurzer Zeit tatsächlich Curzios Stimme. Diese kam aus den hinteren Zellen.

Auf Zehenspitzen schlich Lea der Stimme entgegen, so lange, bis sie nahe genug war, um zu verstehen, was gesagt wurde.

„Was ist jetzt?“ Das war Curzios Stimme.

„Werden Adriana und Leandro hier bleiben?“, war Lucios Gegenfrage.

Curzio schwieg einen Moment und Lea hatte ein ungutes Gefühl.

„Ja!“, sagte Curzio dann bestimmt.

Lucio schwieg.

„Was hast du vor, compagno?“, fragte Curzio in einem sanften Ton.

„Du weißt, was ich damals sagte, als Efrem zu uns kam.“

„Ja.“

„Ich denke, es ist nun so weit!“

„Luc, das ist doch verrückt. Du magst die Beiden doch. Und mit Efrem verstehst du dich auch! Das ist doch gar kein Problem. Ich will nicht, dass du das machst!“, sagte Curzio, jetzt schon ein wenig aufgebrachter.

„Ich wollte dich nicht um Erlaubnis bitten. Ich wollte dich nur informieren.“, sagte Lucio langsam.

„Das kannst du nicht machen!“, meinte Curzio.

„Es bleibt mir nichts anderes übrig. Es werden mir einfach zu viele!“

„Ich werde nicht zulassen, dass du-“, begann Curzio, doch Lucio unterbrach ihn:

„Zerstöre nicht unsere Freundschaft, in dem du anfängst mir Dinge vorzuschreiben. Mein Entschluss steht fest und ich werde mich nicht umstimmen lassen. Entweder du akzeptierst meine Entscheidung, oder du stellst dich auf das Ende unserer Freundschaft ein. Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, was ich zu tun habe!“

„Gut, fratello, wenn es das ist, was dich glücklich macht!“, sagte Curzio niedergeschlagen.

Bruder. Dies bewies mal wieder, wie nahe die Beiden sich standen, überlegte Lea.

„Ich werde euch besuchen.“, sage Lucio tröstend.

Lea sog die Luft ein.

Wollte Lucio sie wirklich verlassen. Wo sollte er denn hingehen?

„Wo willst du hin?“, fragte Curzio, so als könnte er Gedanken lesen.

„Mal sehen. Als erstes wollte ich mich ein bisschen alleine durchschlagen. Die neuen Möglichkeiten ausnutzen, jetzt wo Caio uns nichts mehr zu sagen hat! Danach, weiß ich noch nicht. Entweder setze ich mich irgendwo zur Ruhe, schlage mich weiterhin alleine durch oder ich kehre zu euch zurück!“, sagte Lucio lachend.

„Du wirst eh zurück kommen, da du unserem Humor gar nicht widerstehen kannst.“, sagte Curzio, jetzt ebenfalls lachend.

 „Ich werde dich vermissen, Bruder!“, meinte Lucio plötzlich ernst.

 „Ich dich auch.“, erwiderte Curzio. Dann war es einen Moment still.

„Berichte den anderen bitte erst von meiner Abreise, wenn ich weg bin!“, bat Lucio.

„In Ordnung. Ich wünsche dir alles Gute und lass dich ja noch mal blicken!“, meinte Curzio.

Dann wurde es still und Lea vermutete, dass die Beiden sich umarmten.

Leise schlich sie sich weg, damit keiner der Beiden sie bemerkte.

Einige Zeit, nachdem sie unten war, kam auch Curzio. Er wirkte bedrückt, sagte aber den ganzen Abend kein Wort über das, was Lucio ihm gesagt hatte.

Nachdem sie einige Zeit gefeiert hatten, saßen sie alle beisammen und schauten auf den Boden ihrer Gläser.

Irgendwann durchbrach Curzio die bedrückende Stille:
„Wir sollten auf einen der größten Meisterdiebe überhaupt trinken. Auf einen guten Freund und einen unvergleichbaren Bruder!“

Alle hoben die Gläser und gemeinsam sagten sie:

„Fabio lebe hoch!“

Jeder von ihnen trank.

Dann wurde es wieder still.

„Wie soll es jetzt weitergehen?“, fragte Lea nach einiger Zeit.

„Naja, lassen wir uns einfach davon überraschen, was die Zukunft bringt!“, meinte Rico.

„Das wird am sinnvollsten sein!“, sagte Curzio leise.

„Wo ist eigentlich Lucio?“, fragte Efrem plötzlich.

Stille trat ein und alle sahen sich um.

Alle außer Curzio und Lea.

Diese musterte ihren Anführer und Freund nachdenklich.

„Er wird irgendwo oben sein.“, sagte Curzio, ohne irgendjemanden anzusehen.

„Was macht er da?“, fragte Adriana verwirrt.

„Sich auf die Zukunft vorbereiten vermutlich!“, sagte Curzio, sodass kaum jemand ihn hörte und ein leises Lächeln umspielte seine Lippen.

Sein Freund würde zurückkehren, da war er sich sicher.

 

Kapitel 27 - Epilog

Epilog

 

Lucio

 

Langsam schlich Lucio durch die Gassen und sah sich verstohlen um.

Er befand sich jetzt beim Palazzo Fortuny und beobachtete das heruntergekommene Haus, in dem Luca Tisato mit seiner Schwester Ricarda wohnte.

Lucio blickte noch einmal die Gasse hinauf und hinunter, dann eilte er zu dem Haus.

Er klopfte drei Mal und wartete.

Wie er sich gedacht hatte, öffnete Ricarda. Sie musterte ihn einen Moment, dann fragte sie:

„Lucio Caputo?“

Lucio nickte und sie trat zurück. Er folgte ihr ins Haus.

Es war dunkel und roch vermodert und alt. Lucio wartete und nach einigen Augenblicken näherte sich der flackernde Schein einer Kerze.

Lucio sah hoch und erblickte Luca.

„Sei gegrüßt!“, sagte er und lächelte.

Luca erwiderte das Lächeln, so gut es ging.

„Ich vermute, eure Geschichte hatte ein gutes Ende?“, fragte Luca.

„Zum Teil. Doch zu einem hohen Preis!“, antwortete Lucio.

Luca sah ihn fragend an und in einigen knappen Sätzen, erzählte Lucio, was seid ihrer Begegnung damals geschehen war.

Ricarda hörte ebenfalls aufmerksam zu.

Sie holte tief Luft, als Lucio geendet hatte, sagte jedoch nichts.

„Wie geht es Curzio jetzt?“, fragte Luca.

 „Gut. Du musst bedenken, es ist schon mehrere Monate her!“, sagte Lucio.

„Dennoch. Er verzweifelt noch immer an dem Geschehenen. Dafür kenne ich ihn zu gut. Er macht zwar den Eindruck, als wäre alles in Ordnung mit ihm, doch in seinem Inneren führt er noch immer einen stillen Kampf aus. Er möchte Rache, weiß aber, dass dies seinen Bruder auch nicht zurück holt!“, fuhr Lucio seufzend fort.

„Was machst du jetzt?“, fragte Luca, ohne darauf einzugehen, was Lucio gesagt hatte.

„Ich habe mir ein eigenes Leben aufgebaut. Sechs Leute und ein Hund waren mir entschieden zu viel.

Ich habe eine Unterkunft beim Palazzo Ducale gefunden.

Es ist ein Haus, das für eine Person zu groß ist, und ich bin selten dort. Das ist auch der Grund, wieso ich dich aufsuche!“, meinte Lucio.

Verständnislos sah Luca ihn an.

„Wenn du willst, kannst du mit deiner Schwester dort hin ziehen. Es bietet euch mehr Platz als dieses Haus und es ist in einem guten Zustand. Ich werde euch kaum zur Last fallen, höchstens nachts und das auch nicht immer!“

„Das kann unmöglich dein Ernst sein!“, meinte Luca überrascht.

„Sag einfach Ja und zieh ein!“, sagte Lucio lachend.

„Das ist wirklich großzügig von dir!“, meinte Ricarda strahlend.

„Für einen alten Freund tue ich so etwas gerne!“, meinte Lucio.

„Ich danke dir sehr!“, meinte Luca.

„Ich hoffe, ihr findet es alleine. Ihr solltet erst morgen früh aufbrechen, es ist nicht empfehlenswert nachts durch die Straßen zu laufen. Wartet das Morgengrauen ab und begebt euch dann zum Palazzo San Marco, wenn ihr dort seid, könnt ihr es eigentlich nicht verfehlen. Fragt, wenn ihr es nicht findet nach dem Palazzo Ducale und im schlimmsten Falle, fragt nach mir, doch es wäre mir lieber, wenn ihr das vermeiden könntet.“

„Wo willst du jetzt hin?“, fragte Luca.
„Ich werde ein paar alten Freunden einen Besuch abstatten!“, meinte Lucio.

„Na dann wünsche ich dir viel Erfolg. Wir sehen uns morgen!“

„Gut. Ciao.“, sagte Lucio und verschwand dann.

Er sah noch einmal über den Platz und machte sich auf den Weg nach San Salvador.

Er überquerte den Rio San Luca, durchquerte einige Gassen und befand sich kurze Zeit später vor dem Gefängnis, das so lange sein Versteck gewesen war.

Er blickte die Gasse hinauf und hinunter, holte tief Luft und betrat dann das Gefängnis.

Vertraute Umgebung umhüllte ihn und erfreut begutachtete er sein altes Zuhause.

Er ging einige Schritte und hörte dann, wie jemand nach Face rief.

Er lächelte und lauschte.

Einen kurzen Moment später kam sie von unten die Treppe hochgeschossen.

Sie wedelte erfreut, setzte zum Sprung an und stieß Lucio um.

Er lachte, während sie auf ihm lag und ihn freudig begrüßte.

Er ließ sie einen Moment in Ruhe und scheuchte sie dann von sich runter.

Er stand auf und versuchte nicht über Face zu fallen, während sie die ganze Zeit um seine Beine lief.

Er hörte wie sich vorsichtig Schritte näherten und als er hochsah, erblickte er Efrem, der ihm mit offenem Mund entgegensah.

„Was zum-?“, begann dieser, ließ dann einen Schrei los und umarmte Lucio freundlich.

„Hey Efrem. Wie geht es dir?“, fragte Lucio, erfreut über die Begrüßung.

„Was machst du hier? Wo warst du? Also ich mein, Curzio erzählte uns, dass du dich alleine durchschlagen wolltest, aber was hast du getrieben?“, fragte Efrem aufgeregt.

Lucio grinste.

„Wo ist er?“, fragte er dann, ohne auf Efrems Gerede zu achten.

Efrem verstummte augenblicklich und lächelte.

„Komm mit!“, sagte er und führte Lucio die Treppe hinunter.

Lucio folgte ihm und spürte, wie sich sein Magen vor Freude zusammenzog.

Als sie unten angekommen waren, schlug Lucios Herz wild in seiner Brust.

„Was war denn?“, fragte Curzio, der der Treppe den Rücken zu gedreht hatte und sich über ein Messer beugte, dass er schliff.

„Ein alter Freund entschied vorbei zu kommen!“, sagte Lucio.

Curzio wirbelte herum und nahm seinen Freund in Augenschein.

„Lucio!“, rief er dann und stürzte auf seinen Freund.

Lucio begrüßte auch noch Lea und Leandro, während Curzio ihm erzählte, dass Rico und Adriana auf Streifzug waren.

„Los, erzähl schon, was machst du jetzt so?“, fragte Efrem neugierig.

„Nun ja, ich habe mein eigenes Haus und ich war eben bei Luca und Ricarda, um ihnen ein neues Zuhause anzubieten!“, sagte Lucio lächelnd.

„Und?“, fragte Curzio.

„Sie ziehen morgen bei mir ein!“

 „Das freut mich. Er wird sich im nu erholen! Aber sag, was hast du die ganze Zeit getrieben?“, fragte Curzio.

„Ich habe mir als erstes ein bisschen Gold besorgt. Dann war ich bei Caio, um zu klären, wo ich als nächstes hingehen sollte, wobei ich sagen muss, dass er sehr Kompromiss bereit war!“, sagte Lucio.

Efrem lachte und auch Curzios Mundwinkel zuckten.

„Wie soll es weitergehen?“, fragte Lea.

„Ich weiß noch nicht, aber zuerst, möchte ich einfach auf mich zukommen lassen, was passiert!“

Sie redeten alle noch eine Weile, wobei Curzio Lucio berichtete, was bei ihnen alles geschehen war.

Adriana und Leandro waren schnell ein festes Mitglied der Bande geworden, wobei Adriana meist die Aufgabe des Schauspielerns bei einem Raubzug übernahm.

Efrem, Rico und Face hatten ihre Taktik des Ablenkens zur Perfektion gebracht und Lea und Curzio führten eine glückliche Beziehung.

Als es Zeit wurde, erhob sich Lucio.

„Du gehst schon?“, fragte Lea.

„Ja es wird Zeit für mich!“, sagte Lucio entschuldigend.

„Ich bring dich noch hoch.“, sagte Curzio.

Lucio verabschiedete sich von den anderen und ging zusammen mit Curzio nach oben.

Dort umarmte er seinen Freund noch mal und verließ dann das Gebäude.

„Wo wohnst du jetzt? Damit wir vorbeikommen können!“, rief Curzio.

„Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich wieder bei euch vorbei schauen!“, rief Lucio zurück und verschwand hinter der nächsten Ecke.

Ja, wenn die Zeit gekommen war, würde er zurückkehren.

 

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Über den Autor

JWyrda
Ich lese sehr gerne und schreibe natürlich auch gerne ;) Ich bin schon sehr lange dran Texte zu schreiben und lese unglaublich gern. Ich denke jedoch nicht, dass es irgendjemandem hier anders geht ;) Neben diesen Hobbys mache ich sehr gerne Agility und interessiere mich für die griechische Mythologie.
Ich bin offen für alles und hoffe hier auch gute Kritik und Meinungen zu meinen Büchern zu erfahren:)
Ich beiße nicht und bin gespannt auf alles was hier kommt ;)

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