Romane & Erzählungen
Kinderheim der Hoffnung - Kinderdramaerzählung

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"Kinderheim der Hoffnung - Kinderdramaerzählung"
Veröffentlicht am 13. April 2013, 174 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
© Umschlag Bildmaterial: Detlef Doletzky
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Autorenbiografie von Detlef Doletzky. Mit Beginn der Einschulung 1969, prägte der 7 jährige Junge bereits, in den ersten 4 Schuljahren sein kreatives malerische können mit fantasievoller farblichen Bildgestaltung aus. Im frühen Alter von 12 Jahren ermöglichte der Schüler Detlef Doletzky (Jahrgang 1962), geboren in Bad Freienwalde, der Oberschule Oderberg im Jahr 1974 den 1. Platz der Kinderkreismeisterschaft für hervorragende ...
Kinderheim der Hoffnung - Kinderdramaerzählung

Kinderheim der Hoffnung - Kinderdramaerzählung

Neu Ãœberarbeitung mit schnellen Lesefluss 02 August 2017

Einleitung Durch einen tragischen Unfall verlor der 8-jährige Fabian Franklin seine über alles geliebten Eltern. Aber es gab keinerlei Verwandte, die sich dem Jungen annehmen konnten. So wurde der Junge in staatliche Obhut vom Jugendamt genommen und kam in viele Pflegefamilien und Zwischenheimen, bevor er wieder Glück und vor allem Vertrauen fand. Anfänglich ging es auch gut und Fabian fühlte sich nach einiger Zeit wieder so richtig geborgen, bis ein weiteres Schicksal sein Glück bedrohte. Diese Erzählung ist eine

Kindheitsepisode aus verschiedenen, zum Teil wahren Kindheitsereignissen. Zusammengefasst verweist diese Erzählung, auf das Lebensschicksal eines 8-jährigen Junge. Eine Erzählung voller Abenteuer, aus der Sicht eines Kindes umschrieben und verdeutlicht, soll den Lesern einen mitfühlenden Denkanstoß geben.



Es war ein strahlender Sommertag der mich Anfang Juli 1992 begleitete, hin zu meiner nicht weit gelegenen Schule in der Nähe meines Elternhauses. Der Tag begann an sich schon mit dem fröhlichen Gezwitscher der Amseln, Drosseln und

den Staren, die schon vor längerer Zeit Einzug in unseren idyllisch gelegenen Kleindörfchen/ Städtchen genommen haben. Ein leises Glockengeläut ertönte unweit aus einem Nachbardorf und erleuchtete mein unbescholtenes Kinderherz im warmen Sommerwind. Mit meinem Schulranzen über die Schultern gebunden lief ich unentwegt einem kleinen bunten Schmetterling hinterher, in der Hoffnung diesen wohl greifen zu können. Allerdingst gelang es mir nicht, weil er viel zu schnell auf und abwärts schwebend davon flog. Fabian Franklin ist mein Name, den mir meine Eltern bei meiner Geburt gaben und ich gehe mit meinen knapp 8 Jahren in die 3. Klasse.

Mein Aussehen hebt sich dahingehend von meinen anderen Mitschülern ab, dass ich der einzige schwarz wellhaarige Junge unserer Klasse war. Die anderen waren eher blond, rothaarig oder mittelblond. Einer dieser Jungen war sogar braunhaarig und ein weinig pummellich von seiner Statur. Meine großen, dunkelbraunen Augen ähnelten einem italienischen Kindes. Dennoch passte sich meine kindliche sonnengebräunte Gesichtsfarbe den Augen an. Mein, über den Augen liegender schwarz glänzender Pony, prägte die restlichen Gesichtszüge und ich war ein sehr lebhafter Junge. Ich glaube, dass mein Aussehen von

väterlicher Seite abstammen könnte. Mein Vater Ismail Franklin, ein staatlicher gut aussehender Mann, hat seinen Geburtsursprung vor dreißig Jahren in Italien begonnen und zog Ende der sechziger Jahre nach Deutschland. Mein Großvater, John Franklin, hatte einen amerikanischen Ursprung und war einer der Besatzungsmächte nach dem 2. Weltkrieg. Dort lernte er meine Oma Sierra an der Südküste von Italien kennen. Soweit ich weiß, gab es keine weiteren Geschwister in meines Vaters, noch in meiner Mutters Familie. Obwohl ich meinem Vater sehr ähnelte, entdeckte man doch meine italienischen Abstammungsquellen in meinen

Gesichtszügen. Mein Vater hat wie ich, eine hellbraune Hauttönung, aber schwarzblaues Haar, während meine 29-jährige Mutter Annemarie dunkles Haar besaß, zierlich und gut aussehend einen deutschen Ursprung hat, aber dennoch sehr liebevoll und fürsorglich mit mir umging. Dennoch kann ich behaupten, dass meine Eltern sich in ihrer Ehe sehr gut verstanden und mich, als ihr einziges Kind, über alles liebten. Allerdingst auch sehr verwöhnten, da wir nicht gerade Arm im Verhältnis zu anderen Familien aus unserer Stadt waren. So wurde in unserer fast reichen und gut bestückten Familie nach italienischer Art mehr zusammen und miteinander

unternommen. Mein Vater arbeitete außerhalb unserer kleinem Dörfchen Namens „Bad Felds“, lag eher im Erzgebirge, nicht sehr weit von der Großstadt Eibenstock im (Erzgebirge) entfernt, tagsüber in einem Bergwerkstollen und grub dort nach Steinkohle, während meine Mutter halbtags als Erzieherin in unseren Hort arbeitete und somit mich ständig unter Kontrolle hatte. Mein Vater setzte sich meiner Mutter gegenüber in erzieherischen Fragen des Öfteren durch, wobei es meine Mutter nur gut mit mir meinte. So hielt sie die Zügel ein wenig lockerer bei meiner Erziehung. Es kam hin und wieder vor, dass sie nicht immer

einer Meinung waren, dennoch waren sie sich zum Schluss immer einig geworden! So konnte ich mir bei meinen Eltern immer sicher sein, wenn ich mal was Schlimmes angestellt hatte, die Bestrafung immer gemeinsam ausgedacht und erteilt wurde. Sie stritten sich nie vor meinen Augen und zeigten immer Zusammenhalt und Festigkeit. Bei anderen Familien meiner Mitschüler ist es oftmals anders hergegangen. Wie zum Beispiel auch Prügelstrafen als sichere Erziehungsmaßnahmen angewandt wurden. Einige meiner Mittschüler ließen derartiges durchsickern, so dass ich mir ein Bild von den Familienverhältnissen machen konnte. Mein bester Freund hieß

Ronny Bergmann. Ein dunkelhaariger, kess aussehender Junge meines Alters und fast gleicher Statur. Allerdingst ein wenig kräftiger wie ich. Er hatte mir schon viel von seinen Eltern erzählt, dass sie sich seinetwegen andauernd in die Haare kriegten. Ich konnte mit meinen Eltern zumindest zufrieden sein und trotz kleineren Bestrafungen ging es mir ziemlich gut. Also immer gut, wenn ich über die leichten Bestrafungen hinwegsehe, welche nie richtig ernst gemeint waren. Dazu Liebteten sie mich viel zu sehr, als das sie mich in irgendeiner Weise Leiden ließen. Hin und wieder nutzte ich diese Gelegenheit auch ein wenig aus und setzte meinen

kindlichen Dackelblick in Szene der wie immer Wirkung zeigte. Meistens klappte es so zum größten Teil und wir waren wieder ein Herz und eine Seele. So verbrachte ich meine meiste Freizeit mit Ronny, der wie immer sehr gute einfallsreiche Ideen mit sich brachte, wie an einen Julitag 1992. Meine beiden Eltern fuhren an diesen Tag in die Großstadt zum Einkauf: Zu dieser Zeit hatten wir bereits unsere Sommerferien und es stand ein sehr heißer Sommertag uns bevor. Mein bester Freund Ronny und ich machten uns an diesem Tag zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder auf den Weg zum Tümpelschacht, unweit entfernt von unserem modernen großen

Haus meiner Eltern. Unser alttschechoslowakisch aussehendes, großes Fachwerkhaus, mit seinem grau glänzenden Originalschieferdach, stand dicht an einem karg bewachsenden Feldsteinhang in unserem Dorf, Bad Felds. Dieser Berg war nicht sehr hoch, aber führte uns direkt zum Tümpelschacht. Kaum bewachsen aber sehr steinig. Teilweise überzogen mit Efeu und andere Rankengewächse, welche wenig Wasser benötigen. Der Name für diesen Schacht wurde von unseren Vorfahren übermittelt und deutete daraufhin, dass er durch einen damaligen Wassereinbruch total überflutet wurde. Nach diesem

Wassereinbruch konnte man den Schacht nicht mehr nutzen und legte ihn dann still. Die alte Bezeichnung für diesen Steinkohleschacht wurde vom Wassertümpel abgeleitet und von unseren Vorfahren mit Schacht verbunden. Zu Deutsch heißt es lediglich, ein unter Wasser stehender Kohleschacht oder Kohlemine, welche instabil geworden ist und für Abraum unbrauchbar war. Wir liefen gleich an unserem großen Hinterhaus, einen wenig bewachsenen felsigen Weg hinauf. Sehr staubig hinterließ er unsere Fußtapsen und unser Haus lag uns sobald zu Füßen. Da der Hang immer Höher aufstieg konnte man direkt auf unser Schieferdach blicken. So

konnte man gerade noch den großen Kaminschornsteinschacht von oben Einblicken. Der weitere Weg gabelte sich dann mit einem kleinen Wanderpfad in Richtung Fichtenwald und den hohen Gebirgsfelsen. Wir mussten uns am rechten Steilhang entlang tasten, um an unser Ziel zu kommen. Dieser schmale Pfad war sehr schmal und ging sehr steil abwärts. Von dort oben konnte man allerdings die schönen grünen Fichtentäler weit im Tal erkennen. Einzelne emporragende Felsen erstreckten sich dem Himmel entgegen als wollen sie die vorbeiziehenden Wolken grüßen. Teilweise entstanden Sonnenflecke über die Täler, welche

darauf hindeuteten, dass vorbei ziehende Wolken die heißen Sonnenstrahlen kreuzten. Es dauerte eine dreiviertel Stunde, um auf diesen Pfad auf den alten Bergwerksschacht zu stoßen. Zwischenzeitlich unterhielten wir uns über verschiedene Themen, wie Schule und Abenteuer die wir miteinander schon erlebt haben. Unsere euphorische Neugierde trieb uns direkt vor den alten, mit Brettern zugenagelten Schachteingang, der rechts und links mit Holzpfosten im steinigen Berghang vor vielen Jahren eingemeißelt wurde. Schon graumoosig und morsch erschien uns das alte Holzmaterial, aus dem die Tür forte gefertigt war. So wolle man wohl

verhindern, dass sich Kinder unbefugten Zutritt verschaffen. Allerdings war Ronny mit seinen über 8 Jahren von uns beiden nicht nur der Ältere, sondern auch der Schlauste, den immer etwas gescheitet einfiel uns einen geeigneten Einstiegsweg zu verschaffen. Kleine Windrosen um wirbelten den Zugenagelten Schacht, der schon leicht Holzschwammig roch. „Da schau mal, dort ist ein loses Brett!“, meinte Ronny mit Sicherheit und führte mich geradewegs zum losen Brett. Vorsichtig brachen wir das benannte morsche Brett aus dieser Tür. Es zerfiel zugleich beim herausreißen in einzelne Bruchstücke. Vielleicht drei mal drei Meter war der

Schachteingang groß und völlig in den Massiven Steinberg eingelassen. Wir stiegen somit in einer unerwarteten Dunkelheit, abwärts in den Schacht ohne nur das geringste vor den Augen zu erkennen. Aus weiter Ferne hörten wir schon ein unaufhörliches Quellengeplätscher, welches sich uns bei jeden herantasten Schritt näherte. Alte Petroleumlampen hingen voll umsponnen von Spinnengewebe an den kalten, nassen Felswänden. Ein kalter feuchter Geruch lag in der Luft und kühlte unseren Körper von der heißen Sommersonne herunter. „Vorsicht“, rief ich Ronny zu, als er über einen alten Stützbalken stolperte und kramte in

meiner kurzen Hose nach ein paar Streichhölzern herum. Ronny kontrollierte derweilen die gesamten Lampen und fand tatsächlich eine in der sich noch etwas Petroleum befand. Nach ein paar Minuten hatten wir dann die Lampe einsatzbereit zum Leuchten gebracht und mussten feststellen, dass wir gerademal 50 cm von einem riesigen tiefen Schachtloch standen. Vor Schreck sprangen wir synchron vom Loch weg und atmeten erst einmal tief durch, dass sich unsere Herzen wieder zum richtigen Fleck bewegten. Erschrocken sahen wir uns in die Augen, waren aber dennoch begeistert von der enormen Tiefe, die der Schacht uns verborgen halten wollte. Wir

beugten uns über und versuchten, dieses riesige Loch auszuleuchten, was uns aber leider nicht gelang. Eine plätschernde Tiefe zeigte sich unseren Augen und schien unendlich zu sein. Ein alter verwitterter Fahrstuhl befand sich auf der Gegenseite vom Schachtloch und war vollkommen vergittert. Schon braun und porös, geradezu verrostet waren die einzelnen Stähle. Der Gesamte Fahrstuhl war ein einzigartiger Schrotthaufen. Welcher nie wieder seine Fahrt in die Tiefe antreten würde. Er schien aber nicht mehr intakt zu sein, sagte Ronny und überlegte einen Moment. Offenbar suchte er nach einer guten Lösung. „Wir können mal schauen, ob wir eine Leiter

oder so etwas finden“, meinte ich zu Ronny, aber zögerte ein wenig, da mir das alles nicht so geheuer vorkam. Ronny schien meine Idee auch recht zu passen, so vertagten wir unseren Abstieg auf einen anderen Tag. Ronny war einen halben Kopf größer wie ich, etwas stabiler in seiner Erscheinung, aber sehr witzig und lustig. Da es in seinen Elternhaus nicht so gut klappte, fiel er in seinen schulischen Leistungen öfters zurück, während ich ihm dann bei den Hausaufgaben und beim Lernen half. So ergänzten wir uns wohl und kamen gut miteinander Klar. Ich war für meine 8 Jahre klein und zierlich, so half Ronny mir wiederum bei Bedrohungen durch

andere, ältere Mitschüler. Irgendwie passten wir von unseren Ideen und Abenteuerfreuden immer gut zusammen und erhielten dadurch eine immer größere Bindung zueinander. Wir erlebten zusammen in der Schule sowie auch in der Freizeit vielen spezielle Abenteuer, aber auch schwierige Höhen oder Tiefen miteinander, wie eben eine gute Freundschaft sein sollte. Oft weinte er sich bei mir aus, wenn es zuhause nicht gut verlief. Aber das sollte unser Geheimnis bleiben. Das musste ich schon in der zweiten Klasse fest versprechen. Das wir manchmal heimlich Rauchten, war auch eins unserer Geheimnisse. Da seine Eltern Rauchten konnte er hin und

wieder zwei Zigaretten stibitzen. So schlief ich mal bei ihm und er mal bei mir zu Hause und das schon seit unserem Kindergartenalter. Als er mal in einem Krankenhaus lag, kamen wir jeden Tag mit dem Auto und seinen Eltern zu Besuch. Wir schwuren uns dort zum ersten Mal ganz fest, dass wir uns niemals im Stich lassen werden, wenn einer den anderen braucht. Jeder von uns gab den Schwur ab, alles zu unternehmen, um den anderen, egal wo er gerade ist, zu finden. Ronny war nach diesem Versprechen richtig glücklich und hatte sich darauf schnell von seiner schweren Krankheit erholt. Da seine Eltern mit ihm wenig unternahmen,

fühlte er sich bei uns zu Hause so richtig wohl. Meine Eltern hatten Ronny, seit meiner Einschulung, schon wie einen eignen Sohn in unsere Familie aufgenommen und nahmen ihn oft zu Familienausflügen mit. Er baute eine sehr enge Beziehung zu meinen Eltern auf, das bei mir zu seinen Eltern nicht stattfand. Dazu waren unsere Eltern zu verschieden. Manchmal glaubte ich, dass sich Ronny bei uns viel wohler fühlte wie bei sich. Voller Erleichterung, die man uns ansah, tasteten wir uns dann an der nasskalten Schachtwand zum Ausgang zurück, wo uns schon die warmen Sonnenstrahlen begrüßten. Fast 20. Meter tief waren wir in diesen

dunklen Schacht gelaufen. So unterhielten wir uns in unserm abenteuerlichen Eifer auf dem Heimweg über den langen Bergkamm über dies und jenes Abenteuer, dass wir zusammen erlebten und noch erleben würden. Zuhause angekommen sahen wir schon den roten Audi meiner Eltern vor der Hofeinfahrt stehen und trennten uns sicherheitshalber an diesem Nachmittag wieder. Meine mitgeführten Streichhölzer ließ ich zum Glück in dem alten Bergwerksstollen zurück und verschwieg meinen Eltern wie so meist unseren abenteuerreichen Tag zu dem alten Kohlebergwerkschacht, da sie uns strengstens verboten hatten, dort

hinzugehen. Auch wenn sie mich sonst liebten, sammelten sich im Laufe der Zeit, mit Ronny zusammen, einige gefährliche Abenteuergeheimnisse an, wovon unsere Eltern nicht wissen sollten. So vermieden wir schon im Vorfeld, dass sich meine Eltern unnütze Sorgen wegen uns beiden machten. Unser kleines ehemaliges Bergarbeiterdorf umfasste ca. 450 Einwohner und lag etwas höher in den Bergen, nahe der tschechischen Grenze. So mussten die Menschen zum Einkaufen immer in die nächste, 50 Km entfernten Großstadt Eiben stock oder Schönheide fahren. Beide Städte nahmen sich nicht viel von der Entfernung, da Bad Felds so ziemlich

im Winkel von 90. Grad südlich dieser Städte lag. Im Zentrum stand eine kleine Kapelle, umgrenzt mit einer roten Backsteinmauer und alte Linden. Die einzelnen Wohnhäuser und ältere Gebäude vernetzten sich wie ein Spinnennetzt um das Alte Zentrum. Viele saftig grüne Bäume lassen das Dorf idyllisch erscheinen, währen ringsum Hohe Felsen sich empor erhoben. Es gab Altbaugebäude aus den 50er Jahren und Moderne ein und Zweifamilienhäuser, welche sich an die Felsen schmiegen. „Fabian wo warst du denn? Wir haben für dich schönes Eis mitgebracht und warten schon über eine Stunde!“, rief meine Mutter mit besorgt entgegen, während

ich zum hinteren Hoftor eintrat. „Ich war die ganze Zeit bei Ronny spielen“, versicherte ich meiner Mutter und freute mich schon auf mein kühles Eis. „Heute Abend wollen wir Grillen“, klinkte sich mein Vater im Laufe des Gespräches ein und genoss hingegen bereits sein Eis im Liegestuhl. Unter den saftig grünen Obstbäumen, umsäumt von vielen farbenprächtigen Blumenrabatten war der Lieblingsplatz meines Vaters. „Das finde ich toll“, rief ich meinem Vater entgegen, während ich zur kühlen Küche lief, um mein verdientes Eis aus dem Kühlschrank zu holen. Gegen Abend kam Ronny zu Besuch. Die Temperaturen wurden schon etwas angenehmer und

waren nicht mehr so heiß wie am Mittag. Mein Vater hatte Ronny kurzerhand gleich zum Grillen mit eingeladen, wie er es in der Regel bei Ronny schon immer tat. Nach dem Abendessen erfuhren wir durch meine Eltern, dass wir uns einen großen Bade Pool zulegen werden, in dem wir an solchen heißen Sommertagen baden dürfen. „Er soll 4 mal 6 Meter groß werden und in der Erde eingelassen werden“, konnte ich Ronny in vollem Umfang als Info mitteilen. „Eine große Umwälzpumpe soll dann für sauberes Wasser sorgen und du könntest dann immer mit baden, vor allem wenn mein Vater so lustige Bauchklatschers macht“, fügte ich noch eifrig hinzu. Mit

diese Bauchklatschers konnte mein Vater uns beide an jeder Badestätte schon im Vorfeld begeistern. Einmal nahm er uns beide frühzeitig zum Angeln mit, dass wir was lernen können. Meinte mein Vater, aber dann wurden wir etwas zu laut beim Spielen und er konnte nichts mehr fangen, da meine Mutter so gerne Fisch zum Mittag oder Abendessen aß. Seither meinte er immer zu uns, mit humorvoller Stimme. „Jungs, bleibt mal lieber zu Hause, denn beim Angeln braucht ein Erwachender seine redliche Ruhe. Ich habe beim Angel nichts davon, wenn solche Springfrösche wie ihr beide dabei seid!“ Ronny und ich schauten uns verwundert in die Augen und grinsten

uns entgegen. Unsere Freude an diesem Abend war riesig und wir planten schon voller Eifer und Erwartungsdrang, eine Rutsche und einen Sprungturm zu bauen. So verlief dieser schöne Abend noch sehr lustig mit vielen Gesprächsrunden, bis mein Vater, Ronny gegen 21:00 Uhr, zwei Straßen weiter nach Hause brachte. Der Rest von unseren Sommerferien verlief ziemlich schnell, da wir fast jeden Tag in unserem neuen Pool badeten und unser kühles Eis und die selbst gemachte Limonade genossen. So neigte sich der warme Sommer dem Ende entgegen und wurde vom Herbst eingeholt. Wir erlebten, genauso wie meine Eltern, einen sehr schönen gemeinsamen Sommer

und unternahmen außer baden und angeln noch Ausflüge, Wanderungen mit Zelten und Picknicks im Freien. An verregneten Tagen saßen meine Mutter und Vater gemütlich zusammen am Kaminfeuer auf der Couch und hielten ihre Hände. Ronny und ich zwängten uns auf den großen Fernsehsessel. Gleich unter dem großen Wohnzimmerfenster lauschten wir, dann die Alten Geschichten meines Vaters. Der Blick auf unseren Garten und die hohen Fichten umkreist von Felssteinberge, zeigte einem idyllischen Hintergrund. Dort ging die Sommerabendsonne im rotorange schimmernd, der herannahenden Nacht entgegen, unter. Obwohl die Tage

teilweise Trübe und verregnet waren erschien mir jeder Tag den ich mit Ronny verbrachte als ein Neues Abenteuer. Wir konnten zusammengekuschelt unter einer warmen Zudecke über alles reden. Ob es nun traurige oder lustige Dinge waren. Sollten wir mal lange Weile verspüren, so spielten wir am PC die neusteten Computerspiele die mir meine Eltern gekauft hatten. So färbten sich die Blätter an den Bäumen und die Tage verkürzten sich zusehend von einen auf den anderen. An einem Freitag, Anfang September 1992, hatte mein Vater einen guten Grund zum Feiern uns mittgeteilt, wie er meiner Mutter und mir erklärte. Er wurde kurzerhand durch seine ganzen

Qualifikationsmaßnahmen und seiner vielen Fachstudien von seinem Vorgesetzten befördert und bekam zum Monatsende 1.900,-- .DM mehr Lohn ausgezahlt, so kam er dann zum Monatsende mit über 6.500,-- DM, nach Hause. Für uns bedeutete diese Beförderung zum Schachtobermeister einen riesigen finanziellen Aufschwung, der seine Nachteile, aber auch seine Vorteile mit sich brachte. Beide Elternteile hatten dann zusammen über 8.000 DM Gehalt bezogen. Allerdingst konnte mein Vater nicht mehr so viel Zeit mit mir verbringen. So musste er länger arbeiten und war sehr viel unterwegs. Überwiegend arbeitete er in

den Chefetagen eines großen Bürogebäudes um dort Leute anzuweisen. Seine Verantwortung gegenüber den Kumpels war dadurch enorm gestiegen und verschlang viel Zeit, die für mich verloren ging. Vor dieser enormen Gehaltserhöhung gab es vor längerer Zeit ein Grubenunglück, ausgelöst durch eine Methangasexplosion im Stollen. So stellten es die Experten fest. Bei diesem Unglück konnte mein Vater 12 seiner Kumpels das Leben retten. Vermutlich bekam er dadurch seine Beförderung und die dazugehörige Gehaltserhöhung. Aber diese fehlende Zeit mit meinen Vater glich wiederum meine Mutter aus und hielt mich mit ihrer Beschäftigung ganz

schön auf trapp. Selbst ein zweites Auto legten sich meine Eltern zu, um so flexibler für mich sein zu können. Sie begründeten den Kauf damit, dass ich auch mal aus unserem Dorf herauskommen sollte und dafür sei nun mal das neue Auto für meine Mutter notwendig. So erklärten es meine Eltern. „Den ganzen Tag lang sich nur mit Ronny herumtreiben, ist auch nicht so gut für mich.“ Mit dieser ernsten, aber liebevollen Äußerung konnte ich nur noch fünf Tage in der Woche mit Ronny zusammen spielen und der Rest wurde für die Familie verplant. Ich selbst hatte nichts gegen diese Vorstellung meiner Eltern, denn so unternahm ich mehr mit

meiner Mutter, wo ich doch eigentlich ein ausgesprochenes Vaterkind war. Aber meine Mutter stand in den letzten Jahren oft im Abseits meines Lebens. Immerhin verbrachte mein Vater vorher sehr viel Zeit mit mir und Ronny und brachte uns so eine ganze Menge bei, woraus wir für unser späteres Leben lernen konnten. Aber nach einer Weile packte es meine Mutter mit mir klarzukommen, denn sie gab sich große Mühe, ihren Sohn von den väterlichen italienischen Vorstellungen so abzulecken, dass eine allgemeine deutsche Erziehung für mich vorteilhafter wurde. Meinem Vater störte diese Einstellung meiner Mutter nicht, denn er hatte eine, zum Teil

amerikanische – italienische Erziehung von meinen verstorbenen Großeltern erhalten und war sehr stolz darauf. Die zum Teil Westlich erhaltenen Ansichten meiner Großeltern unterstützten meine Mutters Methoden einer modernen Familie ideal. Ich konnte leider meine Großeltern nie kennenlernen, außer auf Fotos, die ich mir des Öfteren ansah. Sie starben schon beide vor meiner Geburt und Onkels oder Tanten hatte ich von Seiten meiner Eltern nicht. Als erstes nach der drastischen Gehaltserhöhung stand eine komplette Renovierung meines Zimmers an. Anschließend wurde es von A-Z neu und modern eingerichtet. Darunter befanden sich ein neuer

Fernsehapparat, Hi-Fi-Turm Anlage, DVD, Videorecorder und ein neuer Computer. So lohnte sich die Beförderung meines Vaters auch für mich und meinem besten Freund Ronny. Der hing seit her noch öfters bei mir herum wie ich bei ihm. Offenbar schien ihn mein Zimmer mystisch anzuziehen. Aber es konnte auch sein, dass er nur ein einfach ausgestattetes Kinderzimmer hatte. Obendrein war es auch sehr klein und ein Zwischenzimmer, denn seine Eltern mussten am Abend durch sein Zimmer schleichen, um ins Schlafzimmer zu gelangen. Das störte Ronny am meisten, weil er kaum oder sogar keine Privatatmosphäre besaß. Noch dazu,

meinte er seien die Wände im Haus sehr hellhörig. Quasi zu dünne Wände, würde ich persönlich meinen. In diesem Vergleich konnte ich auf das Stellungsniveau meiner Eltern zufrieden sein. So hatte sich unser Vermögen sehr schnell durch Zinsen und Modernisierungsmaßnahmen am Haus vermehrt. Geldsorgen hatten meine Eltern ohnehin nicht gehabt, da sie beide von ihren Eltern gut erbten. Nicht nur Geld, sondern eine ganze Reihe von Grundvermögen außerhalb des Dorfes. Wir zogen nun meinen Computer vor und spielten zu dieser Jahreszeit mehr in meinem neuen Zimmer als draußen. Die Neusten PC spiele regten unseren

Verstand an. Gleichzeitig brachten die Computerspiele neue Ideen für Abenteuertouren die wir machen konnten. Da Ronnys Eltern solch einen Luxus nicht besaßen, gab es auch keine Einwendungen ihrerseits, wenn Ronny sich mehr bei uns aufhielte. Hier, wo er sicherer und geborgener aufgehoben war, brauchte er nicht auf die Straßen, wo sich seit neusten Straßengangs herumtrieb. So würde Ronny auch nicht unter die Räder kommen, hörte ich mal von Ronnys Eltern sagen. Dennoch kamen wir eines Tages zwischen die Fronten dieser Gangs. Wir waren gerade in unserer sicheren und geheimen Berghöhle, als uns diese Kinder

hinterherschlichen. Diese Höhle lag ein ganzes Ende von dem alten Tümpelschacht entfernt, der seit unserem letzten Besuch, eine neue Eingangs forte, aus robuster Eiche bekam. So konnte nun niemand mehr in diesen Schacht laufen und wir mussten uns eine neue Höhle zum Spielen und relaxen suchen. Wir gingen dort immer hin, wenn wir mal unsere Ruhe vor meinen fürsorglichen Eltern haben wollten, oder einer von uns beiden ernsthafte Probleme hatte. Meistens kamen von Ronny derartige Problemgespräche oder Sorgen, die er aus seiner Familie mitbrachte. So lernte ich dort von Ihm, wie man eine richtig echte Zigarette raucht, ohne dass davon

etwas in die Lunge kommt. Die Zigaretten kamen von seinen Vater. Natürlich wusste sein Vater nichts davon, weil er sie heimlich aus einer Zigarettenschachtel genommen hatte. Meistens lag die Schachtel ohnehin so herum, dass man dort jederzeit heran kam. Da machte Ronny kein Hehl draus. Ich musste dennoch ganz schön husten und schlecht wurde mir danach auch noch, so ließ ich es in Zukunft vorerst bleiben. Als es uns an diesem Tag ganz gut ging, wir mal unsere Ruhe haben wollten und über dies und jenes nachdachten, standen auf einmal fünf ältere Jungen vor unserer gemütlichen Höhleneingang und drohten uns. „Wir

sollten hier verschwinden“. Rief einer trotzig uns an. Wir wussten nicht, was wir tun sollten und ließen uns etwas unbehaglich nicht auf Streitereien ein. Ronny hielt es für das Beste, vorerst das Feld zu räumen, um somit keine Prügel von den Großen zu bekommen. Reumütig verließen wir das Kampffeld, während Ronny mir zusicherte, dass wir wiederkommen. Aus sicherer Entfernung ließ es sich Ronny nicht nehmen dort rüber zu schreien: „Wir kommen wieder, das kann ich euch versprechen!“ „Ronny hör auf, die Spinner zu provozieren!“, meinte ich mit unbehaglichen Gefühlen im Bauch und wandte mich lieber den Rückweg zu. Ich hielt diesen Nachruf

derzeit nicht für angebracht und musste mir vorstellen, beim nächsten Mal in der Schule verdroschen zu werden, was mir Ängste einflößte. So erklärte ich es auch Ronny in aller Liebe. Aber bis auf ein paar jubelnde Siegesschreie der anderen sind wir an diesem Tag ziemlich glimpflich ohne Konfrontation mit ein Blaues Auge davon gekommen. Schon aus diesen Gründen Ärgern der Gangs wollten wir auch nichts mit diesen Jungen zu tun haben. Daheim angekommen, begrüßten uns schon meine Eltern, mit einem frohlockenden Vorschlag, uns beide in der nächsten Woche zum Kinoausflug nach Eiben stock mitzunehmen. Wir waren von

diesem Vorschlag überaus begeistert und freuten uns schon riesig darauf, da wir schon eine Ewigkeit nicht mehr im Kino waren. Grade zu dieser Zeit lief im Kino „Der kleine Vampir“. Eigentlich ein Deutscher Film und sollte erst ab November in den Kinos erscheinen, aber mein Vater hatte gute Kontakte und so konnten wir diesen Kinderfilm schon vorher sehen. Es spielten in den Hauptrollen wohl Matthias Raschke und Jan Steilen. Bis zum Abend blieben wir in meinem Zimmer im oberen Stockwerk und spielten eine Runde mit dem Computer oder schauten ein paar DVDs. Mein großes Kinderzimmerfenster mit den Erzgebirgischen teils Thüringer

Fensterläden und den weinroten Übergardinen wiesen ihren Blick zur Bergseite, wie unten in unserem Wohnzimmer. Ein großes Bild von mir hatten meine Eltern vor längerer Zeit, neben dem Fenster aufgehängt. Die modernen beigefarbenen Heizkörper passten sich dem modernen, im Jugendstil eingerichteten Zimmer gut an. Eine große, in schwarz gehaltende Schrankwand umrahmte meinen Fernseher und die DVD-Stereoanlage einer bekannten Marke. In weitere freie Fächer standen die Hi-Fi Anlage und noch ein Videorekorder. Die obigen und untenliegenden Türfächer der 3-Meter-Schrankwand waren für meine täglichen

Kleidungsstücke. Alle noch freien Fächer meiner Schrankwand standen voller Spielsachen und Schulunterrichtsmaterialien. Ein großes Bett aus dunkler Eiche stand gegenüber vom Fenster, mit Blick zu den hohen Bergen. Ein moderner, weinroter Doppelsessel befand sich rechts vom Bett, mit Blick auf die Schrankwand und einem Glaswohnzimmertisch dazwischen. Links vom Fenster stand mein eigener Schreibtisch mit meinem Computer. Links neben meinem Bett, im rechten Winkel der Schrankwand, stand mein Nachtschrank mit einer Messingnachttischlampe. Aber dieser Nachtisch war ein kleines

Schrankwandteil, das mir als Nachttisch nur diente und an der 3 Meter Wand nicht mehr passte. Ein Bild von meinen Großeltern und Eltern stand unter meiner Nachttischlampe. Nur Ronny fand es ein wenig spießig, woraus ich mir aber nichts machte und seine Meinung tolerierte. Im gesamten Kinderzimmer lag modernen Rotweins färbende Auslegware, die sehr warm erschien. Am nächsten Morgen, den 14. September 1992, war mein Vater wie immer bereits zur Arbeit, während ich mich auf die Schule vorbereitete. In der Regel fuhr ich meistens mit meiner Mutter zur Schule, da sie dort den Hort seit längerer Zeit leitete. Auf dem Weg zur Schule,

nahmen wir zwei Straßen weiter, Ronny mit, der bei Wind und Kälte bereits vor seiner Haustüre wartete. In der Nähe unserer Schule erblickten wir aus dem Autofenster einige Mitglieder der Straßengangs, die sich dort immer am Morgen zusammenrotteten und den jüngeren Schülern das Geld aus den Taschen stahlen. Teilweise gingen sie dabei nicht zimperlich mit ihnen Mobbingopfers um und Transalieren sie gnadenlos. Für meine Mutter waren diese Methoden nichts, so sorgte sie oft über unseren Schuldirektor dafür, dass diese Jungen bestraft wurden. Dennoch sagte sie, dass nicht immer Erwachsene in der Nähe seien, um Zivilcourage zu zeigen.

Allerdingst wurden diese Meldung diskret verfolgt und keiner wusste davon, wer diese Täter meldete. Kurz vor dem Unterrichtsbeginn erklärte mir meine Mutter, dass sie am Nachmittag mit Vati in die Stadt fahren würde, um Einkäufe zu erledigen. So sollte ich zu Hause meine Hausaufgaben erledigen und den Rest aus den Geschirrspüler ein zu räumen. „Es könnte allerdings etwas später werden wie geplant, so sollte ich mir mein Abendessen alleine zubereiten und noch ein wenig Fernsehen, “ sagte meine Mutter spontan und hielt das Auto vor dem Horteingang. In der Regel stand mein Essen immer im Kühlschrank oder unten im Herd unserer modernen Küche

Ich fand diese Nachricht ganz gut, so war ich einmal mit Ronny in einer sturmfreien Wohnung. So zögerte ich nicht sehr lange und unterbreitete Ronny, voller Begeisterung meine Pläne für diesen Nachmittag. So trafen wir uns nach der Schule gegen 14:00 Uhr bei mir zu Hause in der so genannten sturmfreien Bude. Erst ruhten wir ein wenig und überlegten anschließend, was wir mit diesem langen Nachmittag anfangen könnten. „Ich muss aber spätestens um 20:00 Uhr zu Hause sein “, sagte Ronny mit nervöser Stimme und schlug ein paar spezielle Tasten auf meinem Computer an. „Ronny, bis dahin sind meine Eltern bestimmt wieder zurück!“, tröstete ich

Ronny und öffnete ein neues Computerspiel. Während wir vor den Computer saßen, fiel mir ein, dass ich noch einen neuen Film auf DVD bekommen hatte und unterbreitete Ronny diesen Vorschlag. Ich hielt ihn diese DVD vor die Augen und schmunzelte ein wenig. Vielleicht wollte ich auch nur Ronny aufmuntern. „Den kenne ich, der Actionfilm ist gut, den habe ich schon in der Vorschau gesehen“, erklärte mir Ronny, während er es sich auf meinem Bett bequem machte. Ich legte der Weilen den Film in meinen DVD-Player ein. So verlief der Nachmittag ziemlich lustig, verbunden mit spielerischen Raufereien auf mein Bett und dem

Boden. So war die Zeit her angebrochen, dass Ronny heimgehen musste. „Mich wundert es, dass deine Eltern noch nicht zurück sind?“ Warf Ronny auf einmal in den Raum, während er sich seine Jacke überzog. „Na man weiß ja nicht, wo sie überall hin wollen!“, versuchte ich mich zu rechtfertigen, um mich selbst auch zu beruhigen. „Ich denke mal, dass sie bald zurück sein werden!“, meinte Ronny ohne besorglich zu klingen und lief die leicht gebogene Eichenholz Schwebetreppe herunter. „Denk ich ja auch“, meinte ich ziemlich sicher zu sein und brachte Ronny noch zur Haustüre. Zum Schluss verabschiedeten wir uns bis zum anderen Morgen an seiner Haustüre.

Während Ronny in der Abenddämmerung im schummrigen Laternenlicht an diesen kalten Herbstabend nach Hause lief, verspürte ich ein leichtes Hungergefühl in meiner Bauchgegend und machte mir erst mal mein Abendessen. Zwischendurch räumte ich noch unsere Küche auf, dass sie fertig war, wenn meine Eltern Heim kamen. Da meine Eltern ohnehin noch nicht zu Hause waren, nahm ich mein Abendessen mit hoch ins Zimmer, um dort noch ein wenig Fernsehen zu schauen. Eigentlich durfte ich kein Essen mit in mein Zimmer nehmen. Da gab es vor längerer Zeit schon mal Probleme, dass ich einen schmutzigen Teller in meinen Schrank

vergaß und der dann wiederum Schimmel angesetzt hatte. Meine Güte da gab es erstmals Ärger! Falls meine Eltern zwischenzeitlich doch noch kommen sollten, versteckte ich meinen Essensteller in der unteren Schublade meines Schreibtisches, weil ich ganz genau wusste, dass dort meine Mutter nicht nachsehen würde. Immerhin kannte sie ja schon mein Versteck im Schrank. Bei bestimmten Gelegenheiten, hieß die Parole meiner Mutter „ räume bitte dein Zimmer auf“, dann erst brachte ich mein angestautes Geschirr heimlich in den Geschirrspülautomaten. Allerdingst so, dass es keiner mehr mitbekam. Na ja es klappte wie gesagt nicht immer. Nun

wurde es schon 22:00 Uhr und meine Besorgnis häufte sich ein wenig, während ich mich bereits bettfertig machte und gewaschen habe. Ich konnte die ganze Zeit nicht einschlafen, mein Kopf war voller verwirrender und beängstigter Gedanken, was wohl mit meinen Eltern passiert sein könnte. Wo sie blieben oder ob sie noch jemanden besuchten. Kurzzeitig musste ich wohl eingeschlafen sein, denn es war bereits 2:00 Uhr nach Mitternacht und ich konnte mir keine passenden Bilder dazu ausmalen, weil ich so Lage noch nie alleine war. Erstmals lief ich in meinem Zimmer nervös auf und ab und überlegte energisch was ich tun könnte. Dann lief

ich durch das ganze Haus, um nachzusehen, ob sie vielleicht doch schon da waren und mich nur nicht wecken wollten. Vielleicht nahmen sie an, dass ich schon schlief und wollten mich daher nicht stören. Aber unten in ihrem bäuerlich eingerichteten Schlafzimmer waren sie auch nicht. Ich machte mir verzweifelte Sorgen und wusste absolut nicht mehr was ich noch tun sollte. Hin und wieder sah ich zur großen Wanduhr im Wohnzimmer, die leise vor sich hin tickte, aber es wurde derweilen immer später! Ganz verloren setzte ich mich auf dem großen braunen Ledersofa, gleich neben dem Marmor färbenden Fernsehtisch und deckte mich

mit einer darauf liegenden Plüschwolldecke zu. Mir wurde derweilen ein wenig kalt und unbehaglich. Eine Totenstille breitete sich über das ganze Haus aus und draußen regnete es schon seit Stunden unnachgiebig als wäre es Gottes Strafe, für den ganzen Mist, den wir schon gebaut hatten, ohne dass unsere Eltern davon ahnten. Leise Raschelgeräusche hier und dort konnte ich war nehmen die mich sehr verängstigten und verunsicherten. Offenbar Geräusche die von der automatischen Heizung her rührten, wenn sich die Thermostate an den Heizkörpern öffneten. Unweit entfernt schlug die Turmuhr vom Rathaus

3:00 Uhr und verstummte wieder im Geplätscher des Regens. Die Geheule der Winde an den Fensterläden verschärften noch zusätzlich meine ängste die mich schon seit Stunden beherrschten. Die kleine Fernsehleuchte warf ihre dunklen, beängstigten Schatten durch das Wohnzimmer, die mir zugleich das Fürchten lehrten. Ich befand mich noch nie in so einer verzweifelten, ungewissen Situation, dazu behüteten mich meine Eltern zu sehr. Noch nie war ich so lange allein und malte mir schon besorgniserregende Bilder in meinen Gedanken aus. Vielleicht ist ihnen irgendetwas Schlimmes widerfahren oder zugestoßen. Sollten sie eine Autopanne

haben und war vielleicht kein Telefon in der Nähe, schoss mir durch den Kopf. Das waren noch die geringsten Vorstellungen, welche meine Ängste schürten. Ein abgründiger Gedankenzug fuhr mir durch meinen zittrigen Körper. Plötzlich fing ich verzweifelt an zu weinen, als ahnte ich schon, dass irgendetwas ganz Schreckliches passiert wäre. Ich warf die Wolldecke von meinem Körper und rannte ängstlich zum Telefon, das gleich neben dem Fernseher auf einer kleinen Anrichte stand. Schluchzend und weinend nahm ich den Telefonhörer in die Hand und wählte voller Verzweiflung den Notruf 110. Diesen Notruf brachten mir schon meine

Eltern seit frühester Kindheit bei. „Hallo, mein Name ist Fabian Franklin, ich wohne in der Bergstraße 2, in Bad Felds und bin hier ganz allein. ... Meine Eltern sind vom Einkauf nicht mehr zurückgekommen, ... ich habe Angst!“, versuchte ich verzweifelt dem Polizisten am anderen Ende der Leitung zu erklären und brach in ein verbittertes Weinen aus. Ich konnte nur noch die tröstenden Worte vernehmen, dass man gleich jemanden zu mir schicken würde und legte den Hörer auf. Weinend verkroch ich mich wieder unter meiner Decke auf dem Ledersofa und wartete verzweifelt auf Hilfe. Meine Beine zog ich dicht an meinem Körper heran. Mein Kopf war voller schwer zu

bewältigender Gedanken, die nicht aufhörten an mich zu zerren. Nach einer langen Stunde in Angst und Ungewissheit erschienen in unserem Wohnzimmer zwei Polizeibeamte und zwei andere Frauen, die mir in dieser Nacht die schlimmste Nachricht übersandten, dass meine Eltern mit ihrem Auto durch einen Wildunfall tödlich verunglückten. …In mir brach eine Welt zusammen beherrscht von Angst und Verzweiflung. Ich musste wieder bitterlich weinen und kam mir so verlassen vor, wie noch nie zuvor. Mein ganzer Körper wurde heiß, und kalt zugleich, als würde mir mein Atem für immer versagen. Mein Herz schien stille zu stehen und alles um mich herum fiel

in tausend schwarzer Löcher, die ich nicht entrinnen konnte. ... Nur noch verschwommene Bildhafte umrisse konnte ich wahrnehmen und brach endgültig im Seelenschmerz zusammen. Ich fiel in ein tiefes, finsteres unendliches Loch, aus dem ich keinen Ausweg mehr fand. ... Nach einer Woche wachte ich in einem großen Kinderkrankenhaus auf und konnte mich an nichts mehr erinnern. Nicht einmal daran wo ich zuletzt vor meiner Bewusstlosigkeit war. Ich konnte mir im ersten Augenblick meines Erwachens nicht vorstellen, warum meine Eltern nicht an meinem Bett saßen, wie sie es immer taten. Bei schweren Krankheiten

saßen sie doch auch immer an meiner Bettseite und trösteten mich wo sie nur konnten. Das Ganze war für mich Fraglos unbegreiflich. Ich verstand die Welt überhaupt nicht mehr. … „So etwas kannte ich noch nie von meinen Eltern, sie würden mich doch nie alleine lassen!“, versuchte ich einer älteren netten Krankenschwester mitzuteilen, die gerade meinen Puls kontrollierte. „Wie fühlst du dich?“, fragte mich die nette Krankenschwester in einem leicht besorgten Ton, ließ sich aber mir gegenüber nichts anmerken. Derweilen schaute ich sie nur fragend an. „Ich werde gleich den Doktor Klein holen!“, fügte sie noch hinzu und verließ nervös

mein Einzelbettzimmer. Ich schaute in das Zimmer hinein, um mich ein wenig zu orientieren, wo ich hier sei. Die Bäume verloren langsam die Goldbraune Blätterpracht, als würden sie sich auf einen eisigen Winter vorbereiten. Viele Bunte Farbspiele der Bäume vor meinem Fenster gaben mir ein Heimisches Gefühl einer gewissen Geborgenheit. Zu mindestens stellte ich fest, dass ich noch in meiner Heimatumgebung, im Erzgebirge sein müsste. Denn diese einmalige Natur von Felswänden und Fichten gab es nur hier in meiner Heimat. Nach einer geraumen Zeit hörte ich hinter meiner Zimmertür, wie sich einige Erwachsene über mich

unterhielten. „Auf keinen Fall sollte der Junge in seinem jetzigen Zustand etwas erfahren, Zumindest so lange nicht, bis sich sein Zustand erheblich verbessert hat!“ Im selben Moment betraten, eine Krankenschwester, zwei fremde Frauen und ein Mann der wie ein Arzt aussah, mein Zimmer. Sie sahen sehr besorgt aus und vertrösteten mich auf einen anderen Tag, um über meine Eltern und ihr Fernbleiben zu sprechen. Viele Fragen stellte mir die eine Frau ohne weisen Kittel, mit Namen Frau Lindner, die in etwa Mitte dreißig sein müsste und eine stellvertretende Heimleiterin sein soll. Sie schien mir im Allgemeinen sehr streng zu sein, als sie sich mit den

anderen Erwachsenen unterhielt. Zwischenzeitlich versuchte sie, ihr langes Haar nach hinten zu legen, während sie viele Formulare ausfüllte, wo ganz oben im Text Kopf, Jugendamt Sachsen stand. Alle Fragen konnte ich dieser Frau nicht beantworten und verwies sie, sich an meine Eltern zu wenden. „Für was sind denn die ganzen Fragen?“, wollte ich neugierig wissen. Sie meinte nur, „Das seien alles Routinefragen. Es hat alles seine Richtigkeit.“ Während, ich so unter meiner Bettdecke herumkramte fiel mir auf, dass ich unter meinem, bis zum Knie gehenden Krankenhausnachthemd, keine Unterwäsche trug. Wie peinlich es in

diesen Augenblick für mich wurde. Da ich so etwas nicht leiden konnte, zog ich mir leicht geniert meine Bettdecke dicht an Körper heran. Gleich links von meinem Bett, neben dem weißen Nachttisch, befand sich das große Fenster, aus dem ich die großen bunt verfärbten Laubbäume und die sich darin tummelnden Vögel erkennen konnte. Mir war zu dieser Zeit nicht bewusst, was eigentlich um mich herum geschah, so hielt ich es aus Selbstschutz für das Beste, von nun an mit niemanden mehr ein Wort zu reden, bis meine Eltern wieder da seien und das Schwüret ich mir. Machte ich zur Bedingung für diese Menschen, welche alle durcheinander

redeten. Vielleicht war es auch alles zu viel für mich geworden, dass ich zu solchen drastischen Mitteln griff. So begann ich, eine unsichtbare Mauer um mich zu errichten, die alles Böse von mir fern halten sollte. Gleichzeitig hüllte ich mich in ein einsames, verbittertes Schweigen. Meine Seele rief nach Hilfe, doch niemand antwortete mit Liebe und Verständnis auf diesen schmerzvollen Schrei nach der heimischen Geborgenheit. So vergingen noch viele Wochen, ohne meine Eltern, trotz netter Behandlung durch die Ärzte und Krankenschwestern, bis sich aus Psychologischen Gesichtspunkten mein Zustand stabilisiert hätte. Statt meiner

Eltern, kam immer häufiger die Frau Lindner vom Kinderheim, um mich zu besuchen. Irgendwie ahnte ich, dass man mir etwas verschwieg, wusste aber noch nicht, um was es dabei ging. Bis eines Tages mein behandelnder Arzt, Doktor Klein, der Frau vom Kinderheim sein Okay-Zeichen gab, was es auch für mich zu bedeuten hätte. Spontan durfte ich von einen auf den anderen Tag mit dieser komischen Frau mitgehen, ohne zu wissen wo hin mein Weg führt. Das wurde mir bis dato weiterhin verschwiegen. Am 21 Oktober 1992 wurde ich dann mit 9 Jahre aus dem Kinderkrankenhaus, also nach 5 Wochen Ahnungslosigkeit und ohne das Beisein

meiner Eltern entlassen. Ich wurde dann von Frau Lindner, mit einer Tasche voller Kleidungsstücke in Empfang genommen und sollte mich anziehen. Während einer langen Autofahrt über mehrere Stunden, erfuhr ich dann, in etwas strengen Tönen, dass meine Eltern vor 5 Wochen durch einen Wildunfall verstarben und für immer von mir gegangen waren. Man gab sich mit der Suche nach meinen Verwandten viel Mühe, konnte aber keine finden, die mir ein neues Zuhause bieten könnten. Somit wurde ich in einem staatlichen Kinderheim vorübergehend aufgenommen und einquartiert. Mein bester Freund Ronny, mein einziges Zuhause war auf

einmal alles verloren und es gab für mich kein Zurück mehr. Wir fuhren kurz an dem Grab meiner geliebten Eltern, um mich dort zu verabschieden, dann ging die Fahrt gleich wieder unentwegt weiter in eine Ungewissheit die ich an diesen Tag am ganzen Körper spürte. Eine Totenstille breitete sich in dem Fahrzeug aus und verstummte im leisen Motorengeräusch. Mein Bewusstsein voller Schmerz, beherrscht von Ängsten die meinen Körper umgriffen und nicht mehr loslassen wollten. Mein Bestimmungsort lag in der Ungewissheit. Ich hüllte mich weiterhin in ein unendliches Schweigen und brachte kein Wort mehr über meine eins kindlich

lächelnden Lippen. Nach langer Fahrzeit und vielen Stunden kamen wir, weit nach Mitternacht an. Ein trostloser dunkler Ort und ich war schon so müde, dass ich im Auto einschlief. Am vorderen Gebäude konnte ich rechts und links von der Eingangstreppe, zwei gedämpfte Laternen leuchten sehen, die mir den Namen meines neuen Zuhauses leicht schummrig deuteten. Eine kinderlose Stille hing über diese kalten, sehr alten Gemäuer, als würden sie mir zuflüstern wollen, geht nicht hinein? Eine eisige Herbstnacht, mit Minusgraden, begleitet von Schmerzen und Verlassenheitsgefühle, verstrickt mit einer gewissen Angst umringt meinen

ganzen Körper. Kinderheim „Sonnenschein“ Frankfurt Oder, konnte ich auf der Schrift des Hinweisschildes lesen. Ein kalter verbitterter Ort der wohl schon tausende hilflose Kinderseelen vor mir beherbergt hatte. Sehr weit weg für einen 9-jährigen Jungen, fühlte ich im Innern meiner verwirrten Kindergedanken, der seine geliebte Familie bitterweh verlor. Ich war ein Junge, der nur Berge und grüne Wälder, mit hohen Tannen im Blickpunkt hatte und das von Geburt an. Ich kannte bis dahin nichts außerhalb von Bad Felds. Ein altes rotes Backsteingebäude, bestehend aus 4 Stockwerken. Zum Teil mit noch vergitterten Fenstern aus der

Nachkriegszeit, umwuchert von dunklen, schwarzen Bäumen und viele Efeuranken klammerten sich bis hoch an den Dachrinnen fest. Mauern und Fenstern deuteten auf eine düsteren Vergangenheit und sollte von nun an mein einziges Zuhause werden, weit fern von meiner geliebten Heimat. Mich schauderte es in diesen Moment extrem. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dieses Gebäude mein neues Heim sein soll, während ich müde und erschöpft die alte brüchige Betontreppe zum Eingang hinaufstieg. Ein karger, in hellgrau gefärbter riesiger Hausflur breitete sich vor meinen Augen aus. Vom Hauptkorridor führten 6 Türen ab und eine breite Betontreppe mit braun

überstrichenen Fliesen führte in die oberen Etagen dieser öden Einrichtung. Nach dort oben brachte man mich in eines der sehr dunklen, stark nach Schweiß riechenden Zimmer, wo ich gleich vorn rechts an der Tür ein Bett zum Schlafen bekam. Es war schon bezogen, als hätte man mich schon erwartet. Zumindest kam es mir in diesen Moment so vor. Leise konnte ich das Atmen und Husten vieler fremder Kinder im dunklen, stickigen Zimmer wahrnehmen. Es roch zum Teil nach Urin und anderer unangenehmer Gerüche die mir einstweilen zum würgen brachten. Ich zog meine Sachen soweit aus und verkroch mich lautlos unter meine

Bettdecke. Viele Fragen blieben mir unbeantwortet, die mir in meinen Gedanken unentwegt herumschwirrten. Wie konnte ausgerechnet mir so etwas Tragisches widerfahren, dem ich nicht gewachsen war. Traurigkeit und hoffnungslose Verzweiflung ließ mich langsam müde werden, so dass all meine Erinnerungen einfroren. Leise vor mich hin Weinen wiegte ich mich dann in den Schlaf. Am nächsten Morgen traute ich meinen Augen nicht, während ein älterer, mittelblonder, stabiler Junge an meine Bettdecke herumzerrte, um meinen Namen und Herkunft wissen zu wollte. Vierzehn Kinder, sieben Betten auf der rechten und sieben auf der linken

Fensterseite, mussten sich dieses triste, kalte Zimmer teilen. Es kam mir vor als würde die deutsch/ deutsche Wende 1989 hier noch keinen Einzug gehalten zu haben. Vielleicht hatte man dieses Triste Heim einfach nur vergessen. Zumindest bemerkte man diese Wende vom Sozialismus zum Kapitalismus in unserer Heimatstadt schneller wie hier der Schein mir offenbart wurde. Alle Kinder, die ich sehen konnte, waren Jungen, die aus verschiedenen Altersgruppen zu einem Haufen zusammengewürfelt wurden. Zum größten Teil stammten sie von sozialschwachen Generationen, wie man aus der Umgangssprache entnehmen konnte. Ich fühlte mich an diesen Ort

überhaupt nicht wohl und bekam schon Bauchschmerzen. Die älteren Jungen schienen hier das Kommando zu haben, während die Jüngeren nur kuschten und denen aus dem Weg gingen. Dieser ausweglosen Situation musste ich mich trotz meines Schweigens schnell anpassen, um nicht vor die Hunde zu gehen oder gemobbt zu werden. Schnell musste ich feststellen, dass meine Gedankenzüge vom Wortschatz her sich den diesen Jungen widerspiegelten. Mit scharfem Verstand wollte ich mich diesen Umgangstönen nicht so einfach unterwerfen. Meinen sprachgewandt, den mir meine Eltern beibrachten, wollte ich mir wegen diesen Kinderjargon nicht

abgewöhnen, auch wenn es nur meine stillen Gedanken waren. Schnell stellte ich fest, dass ich wohl weitaus der jüngste dieser Gruppe war. Alle Jungen aus dieser Gruppe waren ab 13 Jahren bis 15 Jahren vertreten. Man ließ verlauten, dass es für mich kein anderes Heim in meiner Altersgruppe gab. So brachte man mich wohl hier in dieses Heim unter. Zwischen den alten Metallbetten wurde jeweils ein weis farbiger Blechnachttisch eingegliedert. An der Tür, wo sich auch mein Bett befand, standen 14 braun gestrichene Schränke aus Blech und einem Holztisch dazwischen. Ein sehr großes Zimmer mit einem Rundbogen- Fenster, sowie zwei großen Fensterflügel

und ein im Rundbogen liegendes Oberfenster, das denselben Bogen hatte. Die schmiedeeisernen Fenstergitter haben schon über Jahrzehnten keine Farbe mehr gesehen und rosteten erbarmungslos vor sich hin. Dennoch warf unser Zimmer einen dunklen Schatten durch den gesamten kargen, kühlen Raum. Zwei sehr lange Rippenheizkörper mit dicken Stahlrohren verschweißt, hingen rechts und links von dem Mittelfenster. Hellgraue alte Farben, mehrmals übereinander gestrichen blätterten allmehlig von den Heizkörpern ab. Teilweise wackelten sie schon an den eingegipsten Halterungen, als wollten sie jenen Moment aus der Verankerung

springen. Es befanden sich in diesem vergitterten Zimmer keine Teppiche oder Läufer und der graue Fußboden war schon stumpf vom vielen herumrennen der Kinder. Aber im allgemeinem war es ein ganz sauberes, optisch gesehenes Zimmer. Es ähnelte alles eher einem Jugendgefängnis, wie ich es aus dem Fernsehen kannte. Mit so einer Realität wurde ich in meinem Leben noch nie konfrontiert und wollte es eigentlich auch nicht. Ich hatte mir früher so etwas nie richtig vorstellen können, dass es tatsächlich heute noch solche Kinderheime in der ehemaligen DDR gab, wo zum Teil unschuldige Kinder eingewiesen wurden. Die ihre Eltern

vielleicht auch durch tragische Unfälle verloren haben. Nun muss ich mich mit solchen Dingen auseinander setzen und völlig allein, ohne jegliche Hilfe, damit klar kommen. Das alles ohne meine Eltern und meinen besten Freund Ronny, wo wir einst unseren Schwur geleistet hatten. Vielleicht wusste er auch gar nicht, wo ich derzeit steckte. Wo man mir hin verschleppt hatte… Die Zimmerwände zeigten sich mir in einem vergilbten Weiß und schienen genauso wie die Heizkörpers schon mehrmals überstrichen worden zu sein. Ohne ein Wort schwieg ich in stiller Trauer auf jede Frage, die man mir von Seiten der Kinder oder Erzieher stellte. Das erste,

was ich an jenem düsteren Morgen erleben musste war, dass man meine ganzen Sachen nach etwas Brauchbarem durchsuchte. Keine guten Vorstellungen für einen neunjährigen. Ängstlich blieb ich in meinem Bett liegen, um mir nichts anmerken zu lassen wie ich mich gerade fühlte. Die lauten Unterhaltungen der Kinder schmerzten in meinen Ohren, bis diese im Einklang auf den nachhallenden Flur mehr und mehr verstummte. Zurück blieb ein abgestandener Geruch aus Schweiß- und Urin. Eine Stille breitete sich über das ganze Zimmer aus und ließ die hoffnungslosen Gedankenzügen der Kinder, die da verzweifelt sich nach ein wenig Geborgenheit sehnten,

verstummen. Stimmen der Vergangenheit, Kinder die in schmerzvollen stummen Schreien nach ihren toten Eltern riefen, aber sie dies vernommen wurden. Im selben Moment, als ich mich im Zimmer umsah, öffnete sich die Zimmertür, mit leicht quietschenden lauten. Eine mir unbekannte, fremde Heimerzieherin bat mich in barschen Ton, sofort mein Bett zu verlassen und mich zu waschen, da es um 7:00 Uhr Frühstück gab. „Trödeleien dulden wir hier nicht“! Zwei Reinigungsfrauen, hörte ich leise zu einander flüstern. „Je schneller dieser Ahnungslose Junge zu anderen Leuten kommt, umso weniger bekommt er von diesen Zuständen mit!“ Mit

vorgehaltender Hand meinte die andere. „Er ist hier fehl am Platz und gehört ganz gewiss nicht in einem Erziehungsheim“! Kurzzeitig wischten sie in diesen Moment los, als ein Herr mit Krawatte zum Treppenhaus hinunter lief. „Schade um den Jungen.“ Tuschelte noch die eine zur anderen und wischte übereifrig das Geländer der Betontreppe mit einen Feuchten Lappen über. Ich schlich mich leise über den kalten, dunklen Hausflur der oberen Etage entlang, fand aber keinen Waschraum. Schon leicht verzweifelt und nervös vor Aufregung lehnte ich mich an der Hellgrünen Flur Wand und überschränkte meine Arme leicht Sakic. Erst ein etwa

15-jähriger Junge, mit kurz geschorenen Haaren und stabiler großen Figur führte mich dann endlich zu einem der großen Kombiwaschräume. Bestehend aus Wasch- und Duschecken und Toilettenabteilen. Der große Waschraum hallte sehr laut und einzelne Wasserhähne der vielen nebeneinander liegenden Waschbecken tropften hallend vor sich hin. Die feuchten, alt verblichenen olivgrünen Bodenfliesen und die gelbbleichen Wandfliesen, wiederspiegelten das von draußen eindringendem Tageslicht. Die vergitterten alten Glasfenster waren von der Feuchtwarmen Luft sehr beschlagen und begannen bereits den Dampf zu

Kondensieren. Durch die Fenster konnte ich teilweise die laublosen kargen Lindenbaumkronen im kalten Nebel des Morgens erkennen. Leichte Wasserdampfschwaden zogen in zerrissenen Nebelfetzen an der alten, vergilbten Waschraumdecke entlang. So nahmen sie ihren ziellosen Lauf zu dem alten kalten Glasfenster und kondensierten dort zugleich, mit der kalten, zugigen Außenluft. Einzelne ältere Wasserflecke befanden sich an der Decke, wo zum Teil noch überstrichende Ton röhre befestigt waren. Der ältere Junge, der mir den Waschraum zeigte, versuchte sich mit mir anzufreunden, während er spontan übers mein Haar

strich. Kein Mensch war in der Nähe und ich wusste nicht was der Junge von mir wollte. Er redete mit unverständlichen Worten auf mich ein, die mich völlig irritierten und berührte mich an sehr peinliche stellen. Mit meiner Naivität und den kindlichen 9 Jahren kannte ich solche Berührungen nicht und fürchtete mich vor diesem Jungen. Ich versuchte verängstigt dieser schwierigen Situation in meiner Verzweiflung auszuweichen. Leicht weinend wollte ich mich diesen Jungen entreißen. Aber er ließ nicht locker und das passierte mir schon an meinen ersten Tag in diesem Heim. „Lass mich los!“ Rief ich verzweifelt und zerrte an seinen Armen herum, während

er sein höhnisches lachen aufsetzte. „Du bist wohl neu hier und da hast du zu gehorchen!“ Brüllte er mich demütigend an, während ich laut losweinte. Dann erst bekam er wohl Angst und verschwand unbehelligt aus dem düsteren Waschraum in Richtung Flur. „Vielleicht ein anderes Mal, “ Rief er im zynischen Ton. bevor er restlos im Dunkel des Flures verschwand. Ich atmete erstmals tief durch und versuchte mich zu beruhigen. Konzentriert nahm ich aus meiner Waschtasche das notwendige Waschzeug, um mich kurzerhand zu waschen, um noch zeitig zum Frühstück zu kommen. Denn meine Befürchtung bestand auch darin, bevor noch irgendein anderer

Junge kommt und von mir ähnliches zu verlangen, worauf ich überhaupt keinen Bock hatte. Selbst mein Schweigen musste ich kurzzeitig wegen diesem Arsch brechen. Schoss es mir vorschreck durch den Kopf. Nachdem der fremde, gruselige Junge fort war, verirrte sich ein kleiner, blonder Junge, mit einer blau weißen Jacke auf den Flur. Der etwa 3 bis 4 Jahre alte Knirps wusste wohl nicht wo hin. „Ich sollte eigentlich bei den großen Mädchen bleiben.“ Erklärte er leicht lustig naiv, lief aber weg und fragte mich, ob ich ihn wieder dorthin zurückbringen könnte. Als ich ihm zusagte lächelte er mich spontan strahlend an und nahm meine Hand. Er

beschrieb mir diese Mädchen ganz genau. Ich dachte in diesem Moment an mein widerfahrenes Ereignis mit den Jungen, lieferte aber den Kleinen unverzüglich bei den zwei beschriebenen Mädchen ab. Durch sie erfuhr ich die Hintergründe, dass der Kleine Timmy Melker, aber nur für eine Nacht hier war. Seine junge Mutter Namens Claudia studierte und wusste nicht wohin mit ihm. Sie kannte aber wohl eine sehr gut Erzieherin und glaubte so, dass der Junge hier gut aufgehoben sei. Eine Weile schlich ich mich noch im kalten Treppenhaus herum. Es dauerte allerdings nicht lange, bis mich die strengen Heimerzieherinnen, Frau Lindner, im Treppenhaus abfing,

und mich zum Speisesaal führte. Ihre Kurze Mitteilung lautete, dass ich um 10:00 Uhr einem älteren Ehepaar vorgestellt werden sollte. Besondere Entscheidungen wurden an diesem Tag von der stellvertretenden Heimleiterin nicht mehr getroffen. So musste ich zusehen, wie ich mich allein hier einleben musste. Erst nach fünf qualvollen Wochen voller Ängste kam wohl ein leichter Lichtblick auf mich zu. Zwischen vielen rauchenden Kindern, Diebstählen, Bedrohungen, Verprügeln und wovor mich am meisten fürchtete, körperlichen Übergriffen wurden diese Strapazen beendet. Nur mit Florian, ein 12-jähriger mittelblonder, zierlicher

Jungen, verstand ich mich in diesem Kinderheim ganz gut. Am rechten Unterauge hatte er eine Narbe, durch einen Unfall mit 5. Lebensjahr. Erzählte er mir mal. Mit Zeichensprache haben wir unsere Späßchen gemacht und dennoch gut verstanden. Weil ich nichts gesprochen habe wurde ich mit derweilen schon der schweigende Junge genannt. Es schien mir so, als würden die meisten Jungen, außer Florian mich meiden. Im Grunde genommen war es mir so recht gewesen. Vielleicht war es meinem Ehrgeiz und meine Zielstrebigkeit zu verdanken, dass ein Teil der Kinder Respekt vor mir erlangt hatten und mich so akzeptierten wie ich war. Selbst eine

von der Heimleitung beauftragte Kinderpsychologien konnte in dieser langen Zeit mein Schweigen nicht nachvollziehen und meinte, dass ich irgendwann von alleine los reden werde, wenn der Zeitpunkt gegeben ist. Eine Psychologische Einschätzung konnte nicht abgegeben werden. Aber auch eine geistige Erkrankung konnte zu 100 % vollkommen ausgeschlossen werden. Der Florian hatte einen ostdeutschen, kindlichen Dialekt, den man kaum verstehen konnte, wenn er mal schnell redete. Deshalb musste ich immer genau hinhören, wenn er mir etwas aus seiner Heimatstadt, nahe der polnischen Grenze erzählte. Seine Lieblingsbeschäftigung

war das Malen und Zeichnen. Dafür habe ich ihn immer bewundert. Viele Naturbilder aus seinen Heimatstädten malte er schön nach. Nur in den schulischen Deutscharbeiten kam er absolut nicht klar und bekam auch keine richtige Hilfe. Er war Ronny vom Typ her sehr ähnlich, er war sehr ruhig, aber mental ausgeglichen. Manchmal erschien er mir unnahbar zu sein und grübelte still vor sich hin, als sei er in andere Welten eingetaucht. Vielleicht eine Welt voller Hoffnung, Sehnsüchte und elterliche Geborgenheit, die ich auch suchte. Er hatte aber eine sehr schwere Frühkindheit gehabt und wurde aus seiner Familie vom Jugendamt

herausgerissen. Aber schon nach einem Monat kam er zu einer guten Pflegefamilie. Ich wünschte mir auch solche Pflegeeltern wie Florian sie bekam, aber nachdem was er mir aus seiner Kindheit, in Laufe der langen Abendstunden erzählte, wünschte ich ihm alles Glück der Welt, eine neue Familie zu haben, wie ich sie einst hatte. Ich hörte seit seiner Vermittlung nichts mehr von meinem zweiten guten Freund, wie wir uns mit der Weile nannten. Wir prägten uns in nur kurzer Zeit zu einer kleinen Familienähnliche Freundschaft, um nicht völlig allein zu sein. Nach einer Weile hatte ich die Chance bekommen und wurde zu einer Pflegefamilie, in der

Nähe von Berlin hin vermittelt. Diese Familie hatte einen unüberhörbaren Berliner Dialekt und war offensichtlich noch stolz darauf. Aber das interessierte mich nur wenig, weil ich diesen Dialekt nicht leiden konnte. Ich war zu dieser Zeit vollkommen übermüdet und verängstigt, dass mir trotz meines unaufhörlichen Schweigens meine Augen zufallen könnten. So gewöhnte ich mich schnell an einen leichten Schlaf, um jeder Zeit wachsam zu sein. Schon mal lag es an diesen vielen älteren Jungen aus dem Heim, welche außer Gewalt, Demütigungen und Einschüchterungen nichts anderes konnten. Eine gewisse Familie, mit Namens Hagenow, sollte

vorerst meine erste Pflegefamilie werden. Auf eine gewisse Art gefiel mir dieser Gedanke. Zu mindestens kam ich so nach 5 Wochen aus meinem Kindergefängnis. In dieser Pflegefamilie befanden sich bereits drei weitere ältere Pflegekinder, die mir in so weit besser gefielen, wie einige aus dem Heim. Trotz meines Schweigens gefiel es mir eigenermaßen bei der Familie Hagenow. Obwohl sich jeder um mich bemühte, erschien es mir so, als wäre es keine richtige Familie. Eher ähnelte es einer Zusammengewürfelten Wohngemeinschaft. Mit einen Jungen Namens Frank, der meinem Freund Ronny ein wenig glich, wohnte ich

zusammen in einem ausgebauten Kinderzimmer unterm Dach des Einfamilienhauses. Er war 12 Jahre und wir verstanden uns einigermaßen gut. Er hielt mein Schweigen für kindisch und versuchte hin und wieder mit ein paar Witzen mich zum Reden oder zum Lachen zu bringen. Zu mindestens gab er sich große Mühe mich zum Reden zu animieren. Zwei Mädchen, Tanja und Aischa ein Türkischer Mädchen mit Türkischer Herkunft, besaßen ein Zimmer schräg gegenüber von uns. Beide waren 11 Jahre alt und verstanden sich ebenfalls ganz gut. Wir hörten sie des Öfteren am späten Abend lachen und erzählen über diese und jene Themen.

Wir verfolgten ihre Gespräche in Zweisamkeit und amüsierten uns oft darüber, über welche Themen sie kichernd plauderten. Unsere Kinderzimmer waren durchschnittlich einfach eingerichtet und mit dem gröbsten ausgestattet. Die Wände waren sehr dünne, so dass man fast jedes Wort verstehen konnte. Ein WC lag auf den gleichen Oberflur mit einem kleinem Dachfenster und hellblauen Fliesen. Rechts von der Tür war eine Duschkabine eingebaut und links davon stand die Toilette ebenfalls in Hellblau gehalten. Es war sauber und gemütlich klein gehalten. Neben der Toilette war ein Hellblaues Handwaschbecken mit

einem darüber hängenden Spiegelschrank für unser Waschzeug. Zwischendurch erfuhr ich von Frank, dass noch ein anderer Junge vor mir, mit Namen Rene hier lebte, der fast so wie ich aussah. Aber wegen seiner Blut Erkrankung, kam er in einer Schweizer Spezialklinik. Er starb vor einem Jahr, Anfang 1991 an die Folgen seiner schweren Krankheit mit 11 Jahren. Dadurch wurde für mich dieser Platz hier frei. Sein Tod fiel mir sehr schwer. So hatte man mir wohl ohne Probleme aufnehmen können, sonst wäre ich womöglich noch immer in diesem schlechten Kinderheim. Gesellschaft oder Familienspiele gab es während meines Aufenthaltes in dieser Familie

nicht. Für uns gab es Schule, Essen und Alleinbeschäftigungsspiele oder man schlief. Man tat uns nichts Böses an und kümmerte sich so gut wie es ging um uns. Da Frank älter war passte er während der Schulzeit stehst auf mich auf. Manchmal musste ich selbst staunen, wenn er sich für mich wie ein großer Bruder einsetzte. Dabei hatte ich eigentlich noch nie ein Bruder gehabt und selbst mit Ronny war es vollkommen anders. Frank ließ wohl nicht zu, dass mir was wiederfahren könnte. Vielleicht lag es auch an den Tod von dem kleinen Rene. Er war auch 9- 10 Jahre alt und somit auch viel jünger. Dennoch hatte ich nie über die Missbräuchlichen

Übergriffe im Kinderheim erzähl und verschwieg diese Peinlichen Ereignisse vollkommen. Aber wie sich Frank für mich einsetzte fand ich sau cool. Ich passte mich dieser Familie so gut wie möglichst an. Sie schienen mich so stumm wie ich auch war zu verstehen und akzeptierten sogar mein naives Schweigen. Als sei ich schon immer stumm gewesen, ließen sie mich in Ruhe. Das zeugt aber von guten Kenntnissen mit Kindern umzugehen. Auch wenn wir alle 4 nur Pflegekinder waren. So fühlte ich mich im Gegensatz zum vorigen Heim viel sicherer hier und etwas geborgener. Zu mindestens wusste ich bis dahin nicht viel über die Chronik dieser

Pflegefamilie. Aber um das zu verstehen war ich wohl noch zu jung. … Frank sagte mal zu mir, als wir an einen Abend im Bett lagen, dass er schon seit über 3 Jahren in dieser Familie lebte. Er wurde vom Jugendamt aus seiner Familie gerissen, aber ansonsten hielt er sich wegen seiner Herkunft sehr bedeckt. Zu mindestens hatte er es mal kurzzeitig angesprochen, aber ich konnte ja wegen meines Schweigens nichts erzählen. Die beiden Mädchen, Tanja und Aischa, wurden erst viel später bei den Hagenows aufgenommen. Er glaubte 1991, nach dem Tod von Rene, war sich aber nicht ganz sicher mit dem Jahr. Nun war ich schon 4 Wochen in dieser

Familie und musste meinen zweiten Tiefschlag am 23. Dezember 1992 erleiden. Diese spontane Entscheidung fiel dem Jugendamt ein Tag vor Heiligabend ein. Was für eine große Enttäuschung, wo wir uns alle gerade auf das Weihnachtsfest einstellten. Aus Erzählungen wusste ich, dass es keine großartigen Geschenke gab, aber die Freude war für uns so groß ausgeprägt und wichtig. Mein gemütliches Heim bei der Familie Hagenow hielt somit nicht sehr lang, denn durch eine Jugendamtsbehördenüberprüfung, in Sachen finanzieller Absicherungen, stellte man bei der Familie Hagenow eine Veruntreuung von Kinder- und

Pflegegeldern fest. Das vom Staat geleistete Geld für Waisenkinder in Pflegefamilien wurde zweckentfremdet und für Immobiliengrundstückskäufe verwendet. Man könnte auch dazu sagen, für Immobilienspekulationen verloren und nicht für die unter Obhut stehenden Pflegekinder verwendet. Diese Neuigkeiten erfuhr ich durch meinen Zimmerkameraden Frank, bevor sich unsere Wege für immer trennten. Zwischenzeitlich landete ich dann in einer weiteren Pflegefamilie, wo ich viele Wurstwaren zum Essen bekam und in einer kleinen Privatmetzgerei für diese Waren noch arbeiten musste. Bis zum Sommer 1993 kam ich noch in eine

weiteren, unangenehme Pflegefamilien, wo ich ständig verprügelt wurde und in einige andere Kinderheime, wobei ich von diesem Heim mit nur ausländischen Kindern mehrmals weglief und durch die Polizei wieder aufgegriffen wurde. Nun habe ich schon fast 1 Jahr meines jungen Lebens, getrennt fern von meiner Heimat leben müssen. Den einst glücklichen Jahren daheim entrissen, für eine überforderte kinderfeindliche Verwaltungspolitik, woran ich als ungeschütztes Kind nur gelitten hatte und meine stillen Hilferufe niemand von den Erwachsenden vernehmen wollte. Das einzige was man tat, war eine Namenslose bezifferte Kinderakten

anzulegen. Keine Liebe oder Geborgenheit zu bekommen zerrte sehr an meiner kleinen Kinderseele. Manchmal dachte ich in stillen Stunden ob es nicht besser wäre tot zu sein, als noch weiter in irrgendeinem Kinderheim zu versauern. Seit dem Tod meiner Eltern verlor ich nach und nach an Gewicht, hervorgerufen durch das ständige hin- und herreißen, vom einen zum anderen Erwachsenen und von ein Heim in das andere. Sollte das nun mein Leben sein, fragte ich mich, während ich um mich die weite Ferne sah und nirgendwo einen Hauch von Bergen ersichtlich wurde. Die mich vielleicht in den schweren Stunden an meiner geliebten Heimat erinnern. Um

mich herum erstreckte sich nur ein flaches, ödes Land, ohne meine geliebten Berge. Noch 9 schwere Jahre im Heim standen mir bevor, bis ich mein 18. Lebensjahr erreichen würde. … Trotz vieler Therapien von mehreren Psychologen, wurde mein stilles Schweigen nicht besser. Im Gegenteil hat es sich schon verselbstständigt, dass ich es selbst nicht mehr unter Kontrolle hatte. Ratlosigkeit umhüllte die Psychologen und Erzieherinnen während jeder Sitzung, die ich über mich ergehen lassen musste. So wurde eines Tages von den Psychologenrat und dem Jugendamt beschlossen, mich aufgrund meiner gefährdeten Gesundheit in ein Heim in

den Bergen, Harz unterzubringen. Gute Menschen setzten sich dafür ein um ein gefährdetes Kind zu Retten. Dieses private Kinderbergheim sollte meine Genesung bestärken und meiner Heimatumgebung ein wenig näher bringen. Die lange Überfahrt wurde auf 6 bis 8 Stunden mit Zwischenpausen von den Psychologen und der Jugendfürsorge zugestimmt und vorbereitet, dass keine Gesundheitlichen Gefährdungen eintreten können. Am 12. September 1993 stieß ich dann mit 9 Jahren, auf die erste Erzieherin, die sich wirklich für mein Wohlbefinden interessierte, sich bemühte und mich umsorgte. Ich kam in ein spezielles Kinderheim, mit dem Namen

„Kinderheim Sophien – Höhen“ in der kleinen Stadt Feldsstein Harz und lernte zum ersten Mal eine sehr nette Kinderheimerzieherin und Leiterin, namens Frau Sophie Höhen, kennen. Dieses hübsch gepflegte Kinderheim war für Frau Höhen und ihren Mitarbeitern eine Lebensaufgabe für Waisenkinder wie in meinen Fall geworden. Die schöne Idyllische Umgebung und Gestaltung der privaten Einrichtung bestärkte meinen Herzenswunsch, doch noch eine richtige Pflegefamilie zu bekommen. Viele Ortseinwohner der Stadt unterstützten dieses liebgewonnene Kinderheim der Frau Sophie, wo sie nur konnten. Die Frau Höhen hatte in der Gesamten

Umgebung einen sehr guten Ruf. Sie war eine sehr intelligente hoch angesehene Persönlichkeit geworden und lebte schon ihr ganzes Leben in dieses Städtchen. Ob es nun finanzielle, materielle Spenden und Hilfen waren, das Heim war für zusätzliche Leistungen immer dankbar. Als Dank wurde einmal im Jahr, zur Sommerferienzeit, von den Waisenkindern und einigen Erzieherinnen ein großes Bühnenstück auf der städtischen Freilichtbühne von Feldsstein aufgeführt. Den Leuten schien das zu gefallen, so dass man daraus eine Art Dorffest machte. Die Kinderheimleiterin war, eine älteren grau melierte Frau Sophie Höhen. Diese Frau verwaltete,

das zwar streng, aber auch liebevoll geführtes Waisenheim. Fürsorglich setzte sie sich für alle belange ihrer Waisenkinder ein. Frau Sophie, als Gründerin des Waisenheims Sophie-Höhen, war Ende fünfzig, ein wenig mollig, lustig sowie einfach gekleidet. Ihre schwarzbraune Brille hing immer an einer goldenen Kordel schnür um ihren Hals und ihr Gesicht wurde durch viele Lachfältchen geprägt. Wenn sie dann ein Schriftstück las, setzte sie nie die Brille auf die Nase sondern nahm sie nur in die Hand und hielt sie sich vor den Augen. Sie war eine gerechte, geduldige Frau für uns Kinder, aber sie duldete keinen Diebstahl oder Prügeleien in ihrer

Kinderheimeinrichtung. Sie gab uns Kindern immer ein wenig heimische Geborgenheit und hörte unseren kleinen Problemen gerne geduldig zu. Gerade in der Vorweihnachtszeit, wenn zwischen uns Waisenkindern die Züge der Depressionsphasen durch drangen, half sie uns, diese schwierigen, elternlosen Zeiten zu überwinden. Ich lebte mich in der Zwischenzeit ein, aber es brach mein Trauerschweigen, trotz mancher Aufmunterungen durch einige Erzieherinnen nicht. Wir lebten zu viert in einem Zimmer und kamen gut miteinander klar. Unsere, im Thüringer-Bauernstiel eingerichteten Zimmer befanden sich in der obersten Etage, mit

noch drei weiteren Kinderzimmern, die mit etwas älteren Jungen belegt waren. Dennoch musste ich feststellen, dass in diesem Heim die gleichen Regeln bestanden, Jungs getrennt von den Mädchen unterzubringen. So bewohnten 12 Jungen den obersten Stock und 8 Mädchen das mittlere Heimstockwerk, während sich die Waschräume und Speiseräume im unteren Erdgeschoss befanden. Trotzdem ähnelte der Speisesaal den staatlichen Heimen sehr, wobei man gleich sah, dass sich die Altersgruppen jeweils von links nach rechts, in den Etagen aufteilten. Da sich unser Zimmer oben links von der Treppe befand, waren wir die jüngsten Kinder in

diesem Heim und die Mädchen die älteren. So war ich mit meinen 9 Jahren nur 11 Monate jünger wie der Thomas Brehme und somit der jüngste von den ganzen Jungs, wovon ich sehr profitierte. Frau Sophie Höhen arrangierte sich gegen die staatlichen Behörden für ein sicheres und schnelles Vermittlungsverfahren der Kinder an Pflegefamilien. Man machte es ihr nicht gerade einfach und versuchte somit, das private Waisenkinderheim in staatliche Verwaltung zu zwingen. Aber Frau Höhen als Witwe, hatte von ihrem verstorbenen Ehemann, als ehemaliger Amtsdirektor und Immobilienmakler sehr viel Vermögen vererbt bekommen und

dazu noch die Kontaktbeziehungen zu hochrangigen Persönlichkeiten. So gelang es einigen Beamten nicht, das private Kinderheim durch Intrigen oder Schlechtmachen der Heimkinder, die Verwaltung durch staatliche Hand zu übernehmen. So erzählte uns Frau Sophie, wie wir sie immer nannten, eines Abends eine Geschichte, die sich in der Vorweihnachtszeit, Dezember 1991, auf dem Weihnachtsmarkt in Feldsstein abgespielt hatte. Sie setzte sich dazu gemütlich auf ihren alten, rotbraunen Sessel, während wir uns um sie herum hockten oder saßen, um so ihrer Geschichte mit Neugierde zu lauschten. „Es war kurz vor der Weihnachtszeit im

Dezember 1991 und ein sehr kalter, verschneiter Vorweihnachtsabend auf unserem Weihnachtsmarkt, mitten im Stadtzentrum.“ Fing sie an zu erzählen und rückte ihre Brille zurecht. „Unsere Kinder und Frau Stein, unsere Chorleiterin, bereiteten sich gerade auf einen Spendenbasar mit wunderschönen, alten Thüringer-Weihnachtsliedern vor, denn sie sollten, wie jedes Jahr, auf dem großen Weihnachtsmarkt singen und Fröhlichkeit verbreiten. Wir hatten es immer so gehalten, dass ein Teil der Spendengelder direkt an bedürftige Pflegefamilien von unserem Heim abgeführt wurden. Unter der Leitung von der Erzieherin, Frau Stein, sangen die

vier Mädchen und Jungen im mehrstimmigen, harmonischen Einklang wie die Nachtigallen und erfreuten somit die Herzen der Stadtbesucher und Bewohner. Es breitete sich über den ganzen Weihnachtsmarkt eine heimische, friedliche, idyllische und besinnliche Weihnachtsstimmung aus, die alle Leute mit sich riss. Es kamen sogar einige Musikproduzenten, die unseren berühmten Chor unter Vertrag nehmen wollten und große Touren planten. Aber das ging nicht so einfach, wie man es sich vorstellte, denn einige Kinder besaßen ja noch Elternteile, die dafür keine Zustimmung gaben. Während die Kinder so schön sangen, lief unsere

damals jüngste, 6-jährige Melissa, mit ihren hübschen, blonden, lockigen Haaren und einem Engelskostüm mit einer Heimspendendose herum und sammelte dann die Spendengelder ein.“ Frau Sophie unterbrach an dieser Stelle, um sich neu zu sammeln. Nach einer kurzen Bedenk Pause fuhr sie dann fort mit ihrer spannenden Geschichte, während wir alle aufmerksam zuhören. „Melissa kam, wie unser Fabian, als Vollweise in unser Heim und wurde aber schon im Januar 1992 zu einer sehr netten und liebevollen Pflegefamilie gegeben, wie bereits schon viele Kinder vor euch“, fügte sie noch hinzu und setzte ihre Erzählung mit Spannung fort.

„Während unsere Kinder so schön sangen, liefen derweilen fremde Kinder in der Stadt umher und sammelten, fast bettelnd mit selbst angefertigten Dosen, ... Spendengelder im Namen unseres Heimes ein. Ich war sehr entsetzt, von diese böse angestifteten Tat, nur um unserem Heim im Verruf zu bringen und entsetzlichen schaden zu zufügen!“ Vor lauter Ärger unterbrach Frau Sophie diese Erzählung und wischte sich mit ihrem Taschentuch einzelne Tränen aus den Augen. „Am nächsten Abend rief schon der Bürgermeister und Stadtvorsitzende bei mir im Büro an, da dieser Vorwurf bereits in der Tageszeitung veröffentlicht wurde. Es

gab viel angeschürten Ärger in unserer Stadt und unser Vertrauen war vorerst dahin. Unserem Chor wurde für die Zukunft das Singen in der Stadt untersagt, bis sich alles aufklären würde. Jedoch wurde der Antrag vom stellvertretenden Bürgermeister, Herrn Mainhart, der schon immer was gegen unser Heim hatte, auf staatliche Kontrollen und Übernahmen vor der städtischen Aufsichtskommission, durch den amtierenden Bürgermeister, Herrn Vogtländer, abgewiesen und eine Untersuchung gegen Herrn Mainhart angeordnet, die alles restlos aufklären sollte. Durch die Verfahrenseinleitung wurde festgestellt, dass Herr Mainhart

die fremden Kinder gegen unser Heim aufgewiegelt hatte, um für die Stadtkasse bei Heimübernahme, über die Gemeindekassen, pro übernommenem Heimkind, monatlich 1.865,-- DM Zuschüsse bekommen. Der Herr Mainhart trat nach Veröffentlichung dieses Urteils von seinem Amt zurück und es wurde ihm eine gewaltige Geldstrafe auferlegt.“ Mit diesem Satz beendete Frau Sophie Höhen ihre spannende Geschichte, die wir vor lauter Aufregung noch weiter hören wollten. „Kinder ich möchte euch noch diesen Satz hinzufügen, dass nach dieser ganzen Boshaftigkeit, unser Chor wieder singen durfte und man auch den Glauben an unser Kinderheim nicht

verlor.“ So beendete Frau Sophie diesen schönen Abend mit den Worten. „Dass hier noch kein Kind im Stich gelassen wurde und böse Menschen uns nichts anhaben werden. Dafür habe ich mich Steht’s eingesetzt und werde es auch immer wieder tun.“ Mit der Weile kam ich ein wenig über den Tod meiner Eltern hinweg und fand mich mit meinem Schicksal nicht allein gelassen. Meine schulischen Leistungen wurden Stück für Stück besser. Ich lernte mit den Tot meiner Eltern umzugehen und klar zu kommen. Somit haben sich eines Tages meine Meinungen gegenüber diesem Kinderheim, wegen meiner schlechten Erfahrungen geändert. Von Frau Sophie

und Frau Stein wurde ich wegen meines Fortschritts sehr gelobt. Ich entschied mich nach dieser ehrlichen Belobigung, nach fast eineinhalb Jahren mein Schweigen zu beenden. An diesem Tag waren unsere fünf Erzieherinnen und Frau Sophie so richtig glücklich über den Erfolg, mein Vertrauen gewonnen zu haben. So vernahmen sie zum ersten Mal meine zart klingende Kinderstimme, wobei man gleich das Rollen des R- Lautes in meinem Dialekt heraus hörte. Diesen kindlichen Dialekt, meinten sie, hatten sie schon seit vielen Jahren hier nicht mehr gehört. Dieser Akzent tat es den Erzieherinnen wohl an, dass selbst ich lächeln musste. Mit einem leichten

Schmunzeln im Gesicht gratulierte man mir für mein vertrauliches Entgegenkommen. Es dauerte auch nicht lange, bis Frau Stein, unsere Chorleiterin, meine musikalischen Interessen für Klavier und Gesang für ihren Kinderheim-Chor entdeckte und sie mich bat, dem beizutreten. Ich fühlte mich seit diesem Angebot so richtig geschmeichelt und war stolz darauf. Nun wurde ich zum ersten Mal gebraucht und konnte diesem Kinderheim und den Erzieherinnen etwas zurückgeben, für die ganzen Bemühungen. Ich fand in meinen drei Mitbewohnern Karsten, Frank und Fredi neue Freunde, da wir alle fast im gleichen Alter waren und gerade noch in

dieselbe Klasse gehen durften. Im selben Zeitraum hatte ich die Gedanken und einige Erinnerungen an meinen Freund Ronny Bergmann ein wenig verdrängen können. Ich vergaß ganz und gar, dass ich einst aus meiner geliebten Heimatstadt, Bad Felds, unerwartet herausgerissen wurde und dort nicht nur meinen besten Freund, sondern auch meine Eltern zurücklassen musste. Ich hatte Ronny nun seit über eineinhalb Jahren nicht mehr sehen können und wusste auch nicht, wie es ihm ging. Wir konnten uns damals nicht einmal verabschieden. Vielleicht wusste er auch nicht, wo ich untergebracht wurde und wo ich nun wohne. Ein letzter, trauriger

Gedanke umgriff im selben Moment meinen Körper, weil ich meine einzige, wahre Familie durch diesen tragischen Unfall für immer verloren hatte und ich mich Hilfe suchend nach so einer fürsorglichen Familie sehnte. Die Tage liefen dem Sommerende 1994 zu und das Kinderheim unternahm, trotz vieler Intrigen, Höhen und Tiefen, viel mit uns Kindern. Mein 11. Geburtstag fand zum zweiten Mal in einem fremden Kinderheim statt. Die Zeit verfloss so schnell wie sie kam, durch viele Beschäftigungen an unseren Sommerspielen, Grill und Badetagen. Zwei Jahrestage ist es nun her, an dem meine Eltern verstarben und lag mir sehr

schwer im Magen. An diesem 14. September 1994 fühlte ich mich überhaupt nicht wohl in meinem Herzen. Trotz der vielen Bemühungen meiner Freunde und den gefühlvollen Zuwendungen meiner Erzieherinnen, gelang es niemanden, mich auf irgendeiner Art aufzumuntern. Da musste ich wohl selbst durch, diesen seelisch, schmerzhaften Tag, ohne die Hilfe der anderen zu bewältigen, denn in dieser Nacht, vor zwei Jahren, verstarben meine Eltern. Einen Tag später fiel unserer Heimleiterin, Frau Sophie, eine sehr gute Lösung ein. Diese Lösung sollte mich eventuell umstimmen und mit neuer Hoffnung fühlen. Da in unserem

Kinderheim nur weibliche Erzieherinnen beschäftigt waren und ich nach Einschätzungen von vielen Kinderpsychologen ein Vater bezogenes Kind war. Diese Lösung schien die naheliegen zu sein. Trotz vielen Überlegungen und Beratungen brachte man mich versuchshalber mit einer Familie zusammen, die schon sehr viel Kindererfahrungen hatte und für unser Heim vieles gute getan hatte. Ende September 1994, vielleicht 2 Wochen nach dem zweiten Todesjahr meiner Eltern, wurde ich von Frau Sophie einem Ehepaar vorgestellt, das keine Kinder aus gesundheitlichen Gründen bekommen konnte, aber wegen ihres Alters, Mitte

dreißig, kein Baby mehr adoptieren konnten. Das war für Frau Sophie die Lösung, da sie dieses Ehepaar schon seit vielen Jahren kannte und dabei für mich eine Chance sah, in einer Familie neue Zukunftsperspektiven zu finden. So brach für mich der erste Tag zu einer neuen Kinderepoche an. Sie hießen mit Namen Peter und Ingrid Hönicke und waren geborene Feldssteiner, mit einem leichten Thüringer- und Hochdeutschen Sprachdialekt. Während aber ihre Zugangssprachen mehr nach Hochdeutsch geklungen hatte. Sie schmunzelten mir bei meiner Vorstellung leicht entgegen, da mein R-rollend betonter Dialekt eher aus der Gegend Erzgebirge herstammen,

was ja eigentlich meine Heimat war. Zumindest fanden sie meinen kindlichen Dialekt sehr rührend, statt eines krassen, sächsischen Dialektes, aus der Gegend von Leipzig. Peter Hönicke war ein großer mittelblonder, sportlicher Mann, um die dreißig und hatte ein nettes, freundliches Auftreten mir gegenüber gezeigt. Ingrid war nicht so sportlich und trug schulterlanges, leicht gewelltes, mittelblondes Haar, war aber von vornherein sehr lustig und humorvoll aufgetreten. Beide traten sehr sicher und selbstbewusst auf. Peter war im Immobilienunternehmen tätig. Gleichzeitig war er teilhabender Geschäftsführer eines großen

Ost-Unternehmen, während Frau Hönicke in der Versicherungsbranche als selbstständige Unternehmerin für dieselbe Firma tätig war. Was mir gleich an den beiden auffiel, war ihre Offenheit, mit der sie mir entgegen traten. So konnte ich den starken Kinderwunsch des Ehepaars im Herzen spüren, wobei ich selbst leichte Geborgenheitsgefühle vernahm. Sie besaßen ein hübsches Haus in Feldsstein, was dem meiner Eltern von Früher sehr ähnelte, aber fiel kleiner war. Diese Familie sagte mir von Anfang an zu und ich durfte dann 4-mal in der Woche Herrn und Frau Hönicke zum näheren Kennenlernen am Nachmittag besuchen. Familie Hönicke, die natürlich

nichts an Unternehmungen ausließ, umgarnte mich sehr, um mich so richtig kennenzulernen, mit all meinen Magen und guten Seiten. Sie schienen sehr viel Spaß mit mir zu haben. Ein Kind fühlt solch ein vertrauen schnell. In der ersten Zeit war Frau Stein noch dabei und brachte mich zu der Familie Hönicke. Sie brachten mir das Klavieren Spielen bei. Ich war schon immer begeistert von Tasteninstrumente und sah darin für mich eine Herausforderung. Das schwarzbraune „Zimmermann“-Klavier wollte ich unbedingt voll beherrschen. Frau Hönicke, wie ich erkennen konnte, schien eine sehr begeisterte Pianistin zu sein und fand meine ersten

Übungsversuche ganz toll. Ingrid Hönicke spielte so richtig nach Noten, was wiederum mir sehr schwer fiel, da ich heimlich nur nach meinem Gehör spielte. Durch einen Test konnten sie es aber herausfinden, da sie mir einen Notentext vorlegten, dessen Melodie ich zwar kannte, aber nicht die richtige Reihenfolge der Noten konnte und nur so getan hatte, als würde ich sie kennen. Nach einigen Wochen schwerer Bemühungen gaben Frau Ingrid und Frau Stein auf und sagte nur: „Fabian, deine Melodien hören sich ja ganz gut an, solange sie nicht nach Noten gehen, aber wir sollten es doch nicht mehr so in den Vordergrund stellen wie bisher.“ Diese

Entscheidung war für mich die Erlösung, endlich von den Notenspielen wegzukommen und ich fühlte mich daraufhin erleichtert. Den Druck unbedingt nach Noten zu spielen fand ich etwas doof. Diese Redensarten von Frau Ingrid ähnelten sehr dem meiner Eltern, wodurch ich mich immer heimischer bei der Familie Hönicke fühlte. Der Wechsel zwischen dem Kinderheim und meinem neuen Familienheim fiel mir nicht mehr so schwer, wie anfänglich, wo ich die Pläne der Erwachsenen noch nicht verstanden hatte, was man eigentlich bezwecken wollte. Dennoch ließen meine inneren Gefühle wegen der schlechten Erfahrungen noch kein reines Vertrauen

zu. Wie Frau Sophie Höhen mal sagte, wäre es ein langwieriger Prozess, der noch eine ganze Weile andauern würde. Im Innersten wünschte ich mir so eine nette Pflegefamilie von Herzen, da sie sehr viele Gefühle für mich aufwendeten, zeigt mir, dass sie es ernst meinten. Aber jedes Mal wenn ich am Abend zum Heim zurück musste, fing ich an traurig zu werden. Ich bekam dann in dem dunklen Zimmer Ängste, wieder in das Frankfurter Kinderheim zurück zu müssen. So wurde ich oft durch meine Albträume, zitternd aus meinem Schlaf gerissen und konnte mich am anderen Tag nicht mehr beruhigen. Ich schaute den ganzen Tag lang nur noch stumm aus

meinem Zimmerfenster, um mir ein wenig heimatliche Erinnerungen vorzustellen. Den Erzieherinnen fiel mit der Weile mein ängstliches Verhalten auf. Dann versprachen sie mir hoch und heilig, dass ich nie in ein anderes Kinderheim kommen werde, Frau Höhen würde so etwas nie zulassen. So machte man sich Gedanken darüber, wie man meine Albträume bezwingen könnte und Frau Sophie erteilte mir die vorübergehende Erlaubnis, dass ich öfters bei der Familie Hönicke übernachten könnte wie vorgesehen. Ich hatte durch eine Erzieherin erfahren, dass Familie Hönicke für mich ein Kinderzimmer in ihrem Haus eingerichtet

hat. Bis zum Weihnachtsfest 1994 schlief ich mehr bei den Hönickes, als im Kinderheim und mein Zimmer wurde derweilen Stück für Stück nach meinen Wünschen und Vorstellungen eingerichtet. Das war für mich in diesem Jahr das beste Weihnachtsgeschenk nach dem Tod meiner Eltern. Als Dank für alles konnte ich mich mit unserem Kinderheimchor durch meinen ersten Gesang auf dem Weihnachtsmarkt so richtig beweisen und sang wie eine Nachtigall die schönsten Weihnachtslieder, wie eins unser Chor im Jahr 1991 gesungen hatten. Die ganze Heimleitung und die Familie Hönicke erfreuten sich unserer Melodien und

sahen meine Augen vor Freude im leuchtenden Glanz des Kerzenlichts erstrahlen. Am 31. Dezember 1994 organisierte Familie Hönicke mit den Heimerzieherinnen für uns Kinder ein riesiges Silvesterfeuerwerk, wovon wir noch viele Tage sprachen. Dieser Jahreswechsel war für uns Kinder der schönste Augenblick für unsere Kinderherzen und wurde im tiefsten unserer Seele bewahrt. So erwarteten wir Kinder für das Neue Jahr 1995 wieder neue Sehnsüchte und Hoffnungen. Anfang 1995 änderten sich schlagartig viele Dinge in unserem Heim. Frau Sophie Höhen erlitt einen Herzinfarkt und fiel dadurch für einige Wochen aus.

Während Frau Stein sich um ihre täglichen Aufgaben kümmerte, suchte man eine passende Ersatzleiterin für das Heim. Da keine Fachkraft als Stellvertreterin für unser Heim zu Verfügung stand, wurde unser Heim durch einen gerichtlichen Beschluss vorerst in staatliche Verwaltung gelegt. Am 10. Januar 1995 wurde von der staatlichen Heimaufsicht eine mir bekannte Frau, namens Lindner, als vorübergehende Leiterin für unser Heim eingesetzt. Als ich davon erfuhr traten meine Ängste gleich wieder schlagartig ein. Schon einen Tag nach ihrem Antritt wurde der Familie Hönicke der Umgang mit mir untersagt und ich musste wieder

im Heim schlafen. Meine Gefühle und Empfindungen fanden keine Relevanz mehr und wurden einfach weg ignoriert, sowie das Wohl meiner Kinderseele. (So hieß es doch immer im juristischen Jargon, alles zum Wohl des Kindes.) Die Begründungen für dieses Verbot wurden darin begründet, dass es illegal sei, wenn Waisenkinder bei fremden Familien übernachten, ohne eine Genehmigung vom Jugendamt oder einer staatlichen Heimaufsicht beantragt zuhaben. Mein aufgebautes Vertrauen zu den Erwachenden brach zusammen wie ein Kartenhaus und ließ alle meine Ängste wieder erneut aufflammen. Teilweise sprach ich kaum noch ein Wort mit

jemand. Sollte das nun alles von meinem Glück gewesen sein, dass hier alles zusammenbrach, was Frau Sophie mühevoll Stein für Stein aufgebaut hatte? In mich brach eine Welt zusammen. Was sollte ich nun ohne Frau Sophie und meiner vertrauten Familie tun? Soll ich fortlaufen wie in den anderen Heimen? Während Familie Hönicke sich mit den ganzen Behörden herumschlug, um mich kämpfte, verschloss ich mich vollkommen und ließ keinen mehr an mich heran. Schnell und zügig wurde aus unserem trauten Heim ein Übergangsheim, wo ständig, die Kinder wechselten, außer die Stammkindern, den konnte man zum

Glück nichts anhaben. Das alles um staatliche Gelder in Beschlag zu nehmen, welche im selben Zuge an den bestehenden staatlichen Heimen weitergeleitet wurden. Nun mussten wir täglich um 6:30 Uhr aufstehen, wie in den anderen staatlichen Heimen. Es kamen viele ausländische Kinder zu uns, die sich aber wegen der schlechten Verständigung von uns abkapselten und eigenen Gruppen bildeten. Mit dem frühen und strengen pünktlichen Aufstehen verknüpften sich für uns neue verantwortungsvolle Heimarbeiten. Das hieß für uns, unsere Zimmer und Waschräume aus Kosteneinsparungen selbst zu reinigen. Und einmal in der

Woche mussten wir die ganzen Treppen und Flure gewischt und durchgefegt haben. Es dauerte gar nicht lange, bis wieder heimlich geraucht wurde. Ich ließ mich schnell von großen Jungen zum Rauchen verleiten. Die Bestrafung durch Frau Lindner war streng und ich bekam beim ersten Mal Hausarrest und beim zweiten Mal wurde ich für ein paar Stunden in einer Besenkammer eingesperrt, wodurch meine Ängste noch verstärkt wurden. Im allgemeinem wurde ich auch noch sehr schreckhaft. Eine ganze Palette von psychischen Störungen bahnte sich mir an. Ich verlor jeden Tag ein wenig mehr Vertrauen bei den Erwachenden. Selbst für unsere

Erzieherinnen wurden die Arbeitstage im Heim immer unangenehmer und machten keinen Spaß mehr, wie mir Frau Stein mitteilt. Einige Erzieherinnen wollten sogar ihren Job hinschmeißen. Obendrein musste sie ihre Arbeit mit dem Chor aus Zeitmangel völlig einstellen. Der Einfluss der Stadtbewohner und die Zusammenarbeit mit unserem Heim nahmen ab, wie die Hoffnungen, die wir Kinder eins hatten. Gegen Ende Februar 1995 brach aus Kostengründen das staatliche geführte System der Frau Lindner restlos zusammen. Sie sah schnell ein, dass durch die fürsorglichen Unterstützungen der Stadtbewohner und Sponsoren, ein privates Heim für Kinder

mehr bringt, wie ein staatliches Heim es jemals könnte. So trat die staatlich eingesetzte Vertreterin von dieser Aufgabe zurück. Meistens kommt die Einsicht allerdingst zu spät für uns Kinder. Nach der gesundheitlichen Genesung, übernahm natürlich Frau Höhen wieder die Heimleitung, wodurch auch alle eingefrorenen Gelder der Sponsoren wieder flossen. Durch einen Erlass des Bürgermeisters und der mithilfe vieler Einwohner wurde vom Amtsgericht das Kinderheim wieder in die privaten Hände von Frau Höhen gelegt. Man konnte den Schaden, den wir Kinder durch diese Übernahme erlitten nur mit viel Mühe wieder gut machen.

Fremde Kinder wurden nach und nach auf staatliche Heime verteilt, wie es eigentlich auch die Pflicht vorher gewesen wäre. Bis auf zwei kleine Kinder blieben nur noch die Stammkinder im Heim. Nach 14 Tagen kamen die beiden jüngsten in eine gute Pflegefamilie, in der Nähe von Hildesheim. Durch einen Rechtsbeschluss von Familiengericht war der genehmigte Umgang mit meiner Familie Hönicke durch Frau Sophie Höhen vollkommen legal und sie brauchte keine besondere Zustimmung von staatlichen Heimbehörden, da sie ohnehin mit dem örtlichen Jugendamt Hand in Hand zusammengearbeitet hatte.

Am 5. März 1995 konnte ich zum ersten Mal wieder zu meiner Familie Hönicke, die schon sehnsüchtig auf mich wartete. Frau Hönicke sagte bei meiner ersten Begegnung: „Nun Fabian, wird sich für dich alles wieder zum Guten wenden.“ Und sie nahm mich wie ein verloren gegangenes Kind in ihren Armen. Ich fühlte, dass zwei verloren gegangene Monate, doch nicht so einfach an mir vorübergezogen, denn diese Zeit zerrte noch ganz schön an mir. Alle Hoffnungen an das Kinderheim-Systemen waren dahin und die Kinder, welche in stiller Trauer um den Verlust ihrer Eltern nach Hilfe suchten, waren in diesen Einsparungssystemen verloren gegangen

und interessierte offenbar keinen der Behörden. Dieses zerstörte Vertrauen in mir und den anderen Kindern wieder aufzubauen, lag noch in weiter Zukunft. In der nicht wesentlichen Zuwendung der verantwortlichen Personen an den Kindern. Der einzige Wunsch, den wir als Kinder hatten war, eines der Kinder zu werden, die eine liebevolle Pflegefamilie bekommen. Ich hatte das Glück, einer von Hunderten Kindern mit 11 Jahren zu sein. Ich spürte in mir die Zuneigung und Liebe der Familie Hönicke und baute mein Vertrauen wieder auf, um diese Familie nicht noch zu verlieren. In einem Gespräch sagte Frau Höhen zu der Familie Hönicke, dass

ich heimlich mithörte. Als man mein Vertrauen zur Pflegefamilie feststellte, gab Frau Höhen das Okay, dass ich von montags bis freitags bei der Familie Hönicke übernachten durfte. So könnten sie sich an den täglichen Schulalltag von mir gewöhnen. Dieser Satz gab mir meine zuversichtliche Hoffnung, dass ich vielleicht eines Tages von meiner lieb gewonnenen Pflegefamilie für immer aufgenommen werde. So dachte ich in meinem Übereifer,… mir so viel Mühe wie möglich zu geben, dass diese Familie an mir keinen Zweifel mehr hegte. So war ich bei meiner Familie immer höflich und fleißig, wie ich es im Kinderheim streng gelehrt hatte. So versuchte ich, in

letzter Zeit keine Fehler zu machen oder unüberlegte Antworten zu geben. Ich überlegte mir im Laufe der Wochen in meinem eigenen Zimmer, wie ich mich unentbehrlich machen konnte. So fiel mir ein, dass ich von nun an mein Zimmer selbst sauber mache, dass Frühstück vorbereitete, Post und Zeitung reinhole und die Bäder und den Flur täglich zu putzte. Ich merkte an dem freundlichen Lächeln von Peter und Ingrid, das sich mein Fleiß offenbar lohnte und ich in den letzten Wochen keine Fehler machte, die sich negativ auf mich auswirken könnten. Ich hörte von meinen beiden, vielleicht zukünftigen Pflegeeltern nur lobende Worte. Frau Sophie vermutete

hingegen, dass meine Sehnsüchte nach einer Familie sehr hoch seien. Selbst meine schulischen Leistungen waren so gut, dass ich Anfang Juni 1995, kurz vor den Sommerferien von meiner Klassenlehrerin, Frau Kampe, eine große Lobeintragung in mein Hausaufgabenheft bekam, die ich dann ganz stolz meiner Pflegefamilie und Frau Sophie präsentiert habe. Gegen Ende Juni 1995 bekam ich wegen meiner Leistung und liebevollen Hingabe ein riesiges, gelungenes Überraschungsgeschenk von meiner Familie finanziert, worauf ich nie gekommen wäre. Für eine Woche übernahmen sie die Überfahrtskosten für meinen besten, lang vermissten Freund

und Kindergartenkamerad, Ronny Bergmann. Wir freuten uns ein Loch in den Bauch, als wir uns arme umringend nach fast zwei Jahren wiedersahen. Unsere Augen standen in Tränen und unser Atem verstummte. Kaum ein Wort fiel uns über die Lippen, sondern nur eine tiefe, herzzerbrechende Verbundenheit. Die ganze Zeit lang, als ich ihn zu meinem Zimmer begleitete, sahen wir uns nur staunend in unsere kindlichen Augen, als wären all die Jahre zuvor nichts Böses geschehen. Es wurde für Ronny extra ein Bett in meinem Zimmer gestellt, so dass wir beide die Gelegenheit haben, die ganze Nacht lang zu reden. Eine Woche lang, mit vielen

spielen, Abenteuern, Baden und Eis schlecken, erinnerten mich an die schönen Jahre in meiner richtigen Familie. Aber dennoch war diese Woche bei meiner Pflegefamilie mit Ronny zusammen genauso schön geworden. „Diese Familie ist richtig nett, die darfst du dir nicht mehr nehmen lassen“, flüsterte Ronny in mein Ohr und freute sich mit mir. Diese eine Woche baute mich so sehr auf, dass ich alles tat, um hier für immer bleiben zu dürfen. Dennoch verging diese eine Woche so schnell, wie im Winde, dass sich unser Abschied, ohne Tränen nicht vermeiden ließ. So verkroch ich mich zum ersten Mal, als das Auto mit Ronny Richtung

alter Heimat abfuhr, in den Armen von Frau Ingrid. Ich konnte meine Tränen nicht bremsen und heulte vor lauter Heimweh so sehr, dass man mich an diesem Nachmittag kaum noch beruhigen konnte. Nun waren seit unserer Verabschiedung schon weitere 5 Wochen vergangen, mit einzelnen Telefonaten zwischendurch und einigen Briefen. Um meinen Trennungsschmerz besser verkraften zu können, beschäftigte ich mich wieder mit meinen Bemühungen im Haushalt, um wie Ronny sagte, fleißig in dieser Familie dazu stehen. Bis meine Bemühungen irgendwie den Erwachsenen komisch vorkamen. Das mein Bestreben für die Familie Hönicke ziemlich auffiel.

So wurde ich am Vorabend von Frau Sophie Höhen, am Montag, den 19. Juli 1995 um 10:00 Uhr zu einer ernsthaften Besprechung in ihr Büro zitiert. Die Familie Hönicke sei zu diesem Termin auch geladen. An diesem Vorabend musste ich ohnehin im Heim schlafen, da es ein Sonntag war. So machte ich mir riesige Sorgen, was das wohl für ein ernsthaftes Gespräch sein muss. An diesem Abend brachte ich keinen Bissen herunter und mir ging es nicht gut. Da ich mich zu sehr besorgte konnte ich auch kaum schlafen. Zu viele Dinge verwirrten mich und gingen durch meine Gedanken. Ich fühlte mich sehr schuldig und überlegte, was ich wohl falsches

gemacht haben. Am nächsten Morgen wurde ich gleich vom Frühstückstisch, ohne ein Wort nach oben in das Büro von Frau Sophie Höhen gebracht. Schon als ich zur Türe eintrat, ahnte ich nichts Gutes, als ich meine Wunschfamilie Hönicke dort stehen sah. Das Büro glich einem Studienratszimmer aus dem 18. Jahrhundert. Alte, dunkle verzierte Einbauschränke, voller Akten und Bücher zierten das Büro. Die Stuck Decke, sowie der große alte Schreibtisch verwiesen auf sehr alte Lehrweisheiten, welche in Jahrhunderte hier gelehrt wurden. Ich sah Frau Hönicke an den Augen an, wie sie mein kleines, hereintretendes Kinderherz pochen hörte. In diesen Moment

erblickten auch die anderen im Raum mein verängstigtes Auftreten, hielten sich aber dennoch zurück. Als wir uns im Büro gegenüberstanden, fing Frau Höhen an zu erzählen: „Fabian mir ist leider zu Ohren gekommen, dass du viel zu viel im Haushalt der Familie Hönicke tust und du es in deinem Übereifer übertreibst. Das findet deine Familie und ich nicht so gut, denn dadurch fühlen sie sich dir gegenüber sehr verunsichert, weil sie mit solch fleißigen Kindern keine Erfahrungen haben!“ Erklärte sie mit beruhigender Stimme, während mein kleines Herz immer schneller raste. Ich suchte verzweifelt nach einer passenden Ausrede, um meinen Übereifer plausibel

zu machen. Mir vielen aber vor Schreck keine passenden Worte ein. „Familie Hönicke hat dir etwas Wichtiges mitzuteilen, sie wollen dich als ihr Pflegekind nicht aufnehmen!“ Fuhr sie mit ihrer Unterredung fort, während mir auf einmal mein Herz in die Hose rutschte und mein Kopf heiß wurde. Ich konnte zu meinem Unglück nicht einmal meinen Tränenfluss zurückhalten, der in der kurzen Zeit unaufhaltbar seinen Weg durch die Lieder bahnte. Was sollte ich nun tun, wenn sie mich nicht haben wollen, schoss mir schlagartig durch den Kopf, dann will mich doch keiner. Mit Tränen in den Augen und bitterlichem Weinen wollte ich schluchzend mich

rechtfertigen, brachte aber immer noch kein einziges Wort über meine Lippen. Komme ich nun wieder in das schlimme Kinderheim zurück, schlug mir kurzzeitig durch den Kopf, während mich die Erwachsenden leicht schmunzelnd ansahen. „Fabian“, setzte Frau Höhen dann fort. „Sie wollen dich von ganzem Herzen adoptieren und für immer zu sich nehmen.“ Lenkte sie ganz schnell ein, um mein verzweifeltes Weinen zu beenden. Mich verschlug es die Sprache und sprang meinen Eltern spontan in die Arme. Ein Glanz lag wieder in meinen Augen, der die Gesichter der Er-wachenden erleuchten ließ. Ein riesiger Traum, nach über zwei schweren Jahren

ging in Erfüllung. Das Adoptionsverfahren war für mich und meine neuen Eltern wie im Fluge vergangen und ich bekam im Oktober 1995, mit 12 Jahren, den lieb-gewonnenen Namen Fabian Hönicke übertragen, der mich sehr stolz machte. Von nun an galt ich als der rechtliche Sohn von Peter und Ingrid Hönicke. So fiel es mir auch nicht sehr schwer, nach kurzer Zeit meine neuen Eltern, mit Mama oder Mutti, Papa oder Vati zu betiteln, was die beiden ebenfalls stolz machte. So hatten sie mich von nun an auch immer als ihren einzigen liebsten Sohn Fabian Hönicke im Städtchen bekannt gemacht. Der Rest von diesem

Jahr 1995 verlief im Übrigen so schnell, dass wir den Übergang in das Jahr 1996, gar nicht richtig wahrnehmen konnten. Ende des Frühjahres 1996 lief es mit der Immobilienfirma meines Vatis nicht mehr so gut und er verlor viele Kunden und somit auch Gelder. Viele Leute verloren zu dieser Zeit ihre Arbeit und suchten verzweifelt bei den örtlichen Behörden und Ämtern nach Hilfe, die aber auch nichts tun konnten. So zogen viele hoffnungssuchende, arbeitslose Menschen in den Westen und hinterließen viele leer stehende Häuser in unserer Stadt. Selbst an meiner Mutti ging diese Wirtschaftskrise nicht spurlos vorüber und hinterließ Kundenausfälle, da sie

zum größten Teil von dem Immobiliengeschäft meines Vatis abhängig war. Unsere Gelder reichten weder vorne nach hinten. So wurden nur noch die geringsten Zahlungen durchgeführt und viele konnten vorerst gar nicht beglichen werden. Viele Wünsche blieben für mich und meiner Familie unerreichbar und schwere, sparsame Zeiten brachen über uns ein. So breitete sich Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit über unsere kleine Familie aus. Eigentlich sollte ja mein bester Freund Ronny in den Frühlingsferien zu Besuch kommen, aber aus finanziellen Gründen ging es nicht. Und Ronnys Eltern war es finanziell

unmöglich gewesen. Um ca. 400 Kilometer Fahrstrecke finanzieren zu können reichte das Einkommen nicht. Mein Vater sagte mal zu meiner Mutti bei einem Abendessen. „Nur gut Ingrid, dass wir keine Schulden mehr auf unserem Haus haben. Also geht es uns dahin gehend doch ganz gut.“ Wir stimmten dieser klaren Aussage schmunzelt zu. Vereinzelt kamen noch gute, treue Kunden zu meinem Vater und Mutter und verschafften ihnen hin und wieder kleinere Kundenaufträge. So konnten sich, die einst große Immobilienfirma und das Versicherungsgeschäft einigermaßen über Wasser halten und liefen auf Sparflamme. Das hörte ich bei

einem Gespräch zwischen meiner Mutter und Vater. Eines Tages sagte er dann zu meiner Mutter in seinem Büro. „Wenn nur ein kleiner Sponsor die Krise überbrücken würde, dann ginge es mit uns wieder aufwärts.“ Trotzdem mein Vater alles versuchte, unser Haus von den Banken nicht belasten zu müssen, klappte es aber am Ende doch nicht so richtig. „Es besteht immer noch eine Differenz von knapp 200.000,-- DM, die wir nicht so schnell begleichen können“, fügte er hinzu und kramte die ganzen angehäuften Akten und Unterlagen durch. Sie schauten sich ratlos und verzweifelt in die Augen. „Ingrid, wir bräuchten ein richtiges Wunder, dass uns hierbei

weiterhelfen könnte!“ So nahm er meine Mutti verzweifelt in seine Arme, während mir hinter der Türe auch keine Lösung einfiel. So zog sich unsere Krise noch bis Ende Mai 1996 hin. Noch vier Monate, dachte ich so bei mir dann werde ich schon 13 Jahre alt. Die Jahre, seit dem Tod meiner Eltern verliefen so schnell, dass ich mich nicht mehr recht an ihre Gesichter erinnern konnte. Dennoch konnte ich sagen, dass ich mich hier, bei meiner neuen Familie, auch ganz glücklich fühlte. Sie standen mir immer zur Seite, wenn ich meine schweren Heimwehtage bekam und sie mich immer wieder neu aufbauen mussten. Durch diese Zuwendungen und

tröstenden Worte konnte ich schnell mein Heimweh überwinden und fing an, auf meine Art und Weise mit meinen Eltern herum zu blödeln. Das baute sie wiederum auf. Sie fanden es, trotz aller Schwierigkeiten immer amüsant und es zauberte ein Lächeln in ihre Gesichter. Auf diese Weise gab ich meinen Eltern halt, wenn sie ihre schlimmen Tage voll Sorgen hatten. „Einen Jungen, so lebhaft und aufgeweckt, haben wir uns schon immer gewünscht und würden dich niemals missen wollen, “ sagte meine Mutter, als wir in meinem Zimmer herumtobten. Am 08. Juni 1996 gegen 11:00 Uhr, kam ein Zustellungsbrief von meiner Heimatstadt Bad Felds und dem

zuständigen Amtsgericht Eiben Stock, mit der Anschrift; Fabian Franklin/Bad Felds. ... Irgendwie bekam ich es mit der Angst zu tun, als ich diesen Brief sah und machte mir große Sorgen, was dieser Brief wohl beinhalten würde. Wir standen uns alle besorgt gegenüber, als mein Vater diesen gerichtlichen Brief öffnete. Beim Lesen des Briefes konnte ich an seinen Augen eine Neugierde aber auch sogleich Erleichterung erkennen. Diese signalisierte mir, dass es sich nicht um was Schlimmes handeln musste. „Fabian weißt du was hier in diesem Brief steht?“, fragte er mich mit glücklicher Stimme, worauf ich nur humorvoll, „nöh“ erwiderte und ihn mit

meinen großen braunen Kolleraugen ansah. „Fabian du hast von deinen leiblichen Eltern durch eine Vermögensverwaltung 3,2 Millionen DM, also ganz viel Geld bekommen!“, fügte er ganz aufgeregt hinzu und strahlte über beide Ohren. Worauf ich gleich eifrig, ohne zu überlegen antwortete. „Fantastisch, dann könnt ihr eure Schulden bezahlen und Ronny kann doch noch zu Besuch kommen!“ Man sah mir mein Strahlen in den Augen an, so dass wir uns alle in die Arme nahmen. An diesem schönen Frühlingstag kam das Glück wieder über unsere kleine Familie. So hatte sich unsere Familie wieder erholt und ich hatte mit Ronny zusammen

die größte Gartenparty aller Zeiten gefeiert. … The End

Kinderheim der Sehnsüchte und Hoffnungen

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Hörbuch

Über den Autor

Doletzky
Autorenbiografie von Detlef Doletzky.
Mit Beginn der Einschulung 1969, prägte der 7 jährige Junge bereits, in den ersten 4 Schuljahren sein kreatives malerische können mit fantasievoller farblichen Bildgestaltung aus. Im frühen Alter von 12 Jahren ermöglichte der Schüler Detlef Doletzky (Jahrgang 1962), geboren in Bad Freienwalde, der Oberschule Oderberg im Jahr 1974 den 1. Platz der Kinderkreismeisterschaft für hervorragende Schattierungsaquarelle im Zeichnen und Malen. Bereits im Jahr 1978 gewann er den Jugendbezirksmeisterschaftstitel für malende DDR Kunst für seine Lehrausbildungsstätte in Eberswalde. Seine ersten Bilder wurden 1981 und 1982 im DDR-Fernsehen veröffentlicht und bewertet.
Im Jahr 1988 und 1989 wurden in Potsdam und Umgebung über 80 Ölbilder seiner ersten Staffel ausgestellt. Mit der Deutsch/Deutschen Vereinigung im Jahr 1990 geriet die Kunst des Malens in Vergessenheit und begann erst im Zusammenhang mit der Kinderbucherzählung "Der stählerne Weg" 2007 einen neuen Anfang.
Im Jahr 2009 wurde das 1 Buch "Der stählerne Weg" durch den Wagner- Verlag veröffentlicht und im Frühjahr 2010 auf die Leipziger - Buchmesse präsentiert. Gleichzeitig stattete 2010 bis 2011 die zweite Buchszenenmalerei Staffel, mit 4 Großrahmenbildern von über 100 einzelne Ölbildszenen aus den Erzählungen, "Der stählerne Weg" und "Die Kinder der Vergangenheit" in Oderberg, Eberswalde, Bad Freienwalde und Angermünde.
Die Kinderdramaerzählung, "Die Kinder der Vergangenheit", "Kinderheim der Hoffnung" und "Engel der Sehnsüchte" zu lesen auf der Internetseite "myStorys" Doletzky, wurde als Buch vertraglich zurückgezogen.
Die Romanerzählung mit den Titel: "Kindheitstrauma" wurden aus gesundheitlichen Gründen, vertraglich 2012 beim Wagner- Verlag aufgelöst, womit alle Rechte an den Autoren zurückübertragen wurden.
Seit 2013 beschäftigte sich der gesundheitlich angeschlagene Autor, Kunstmaler und Frührentner mit ehrenamtlichen Tätigkeiten aus dem Zivil und Sozialrechtssystem. Seine größten Stärken und Interessen liegen dennoch im journalistischen Bereich der Vergangenheitsforschung und Historik, vor allem aus dem Themenbereichen Menschenschicksale und mysteriösen unaufgeklärten Fällen.
Mai 2013...

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schnief interessant und schön geschrieben
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Ich habe vor vielen Jahren diese tragische Erzählung gelesen und sie ist gut, aber ich wusste auch, dass diese Lektüre eins vom Wagner-Verlag, vom Lektorat korrigiert wurde. Nun musste ich bei der Lesung feststellen, dass autographische Fehler enthalten sind, trotz Freigabe.
LG. Perzolt
Vor langer Zeit - Antworten
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